Der Pfad der Wölfe von Hisoka_Hebi (Die Begegnung mit einem Wolf) ================================================================================ Kapitel 2: Part 3 ----------------- ~ Der Traum ~ Dieses Kapitel ist etwas langwierig, aber als Übergang gedacht, ich hoffe es gefällt euch. +++ 3 +++ Träge saß ich beim Abendbrot am Tisch und starrte gedankenverloren auf einen Kartoffeleintopf, der vor sich hin dampfte. Ich hörte wie Löffel auf Porzellan trafen und Suppe geschlurft wurde, hörte den Wind, der an den Rollläden zog und die Fensterscheiben zum klirren brachte. Das Knarren vom Holzfußboden unter meinen Füßen, wenn ich das Gewicht von einen auf den anderen Fuß verlagerte. Doch alles klang so unrealistisch und es fühlte sich an, als ob ich Wasserrauschen in meinen Ohren hatte und deshalb alles nur so unklar mitbekam. Es wurde alles still, so als ob ich alle Geräusche um mich herum verdrängen würde. Dann verschwamm meine Umgebung und alles wurde schwarz, doch es beängstigte mich nicht. Vor mir tauchten zwei bernsteinfarbene Augen auf, die mich anstarrten. Ich verspürte keine Angst, obwohl ich instinktiv wusste, dass es Gefahr bedeutete. Ich streckte meine Hand in die Dunkelheit, doch zu greifen bekam ich nichts. Die Augen waren auf mich gerichtet und sie schienen förmlich durch mich hindurch zu starren. Langsam nahm etwas Gestalt vor mir an und es tauchte ein grauer Wolf vor mir auf, dem diese Augen gehörten. Sie stand vor mir und betrachtete mich seelenruhig, so als ob sie mich schon jahrelang kennen würde. Ihre Rute hing tief und bewegte sich leicht hin und her. Sie schien mich zu fixieren. Sie war grau, mit braunen Mustern um die Augen, genau wie der Wolf auf der Lichtung. Sie schien mir etwas sagen zu wollen, doch ich konnte sie nicht verstehen, versuchte ihr zu vermitteln, dass es mir Leid tat, dass sie sterben musste und das ich das nicht gewollt hatte. Doch sie stand einfach unverwandt da und fixierte mich. Ich glaubte nicht, dass sie mich verstehen würde. Ohne eine Vorwarnung blickte sie über ihre Schulter zurück und als ich ihren Blick in die Dunkelheit folgte, stand ich mit ihr plötzlich Seite an Seite auf dem Waldweg. Der Nebel schwebte um meine Füße herum und wir standen wenige Schritte neben dem toten Körper der Wölfin. Obwohl sie so lebendig neben mir stand und ebenfalls dort hin schaute, war ich mir nicht sicher, ob es dieselbe Wölfin war. Schließlich wollte ich mir nicht eingestehen, langsam verrückt zu werden. Nun verfolgten mich die Wölfe schon in meinen Träumen. Alles um uns herum schien still zu stehen, so als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Keine Blätter bewegten sich, kein Lüftchen wehte und keine natürlichen Waldgeräusche. Doch dann klang ein Winseln zu mir durch, obwohl ich nicht zuordnen konnte, aus welcher Richtung es zu kommen schien. Zu meinem großen Erstaunen, kamen vier kleine Welpen aus dem Busch und wuselten um den toten Körper ihrer Mutter. Alles schien immer noch still zu stehen, bloß warum bewegten sich dann die Jungen? Mein Herz schien sich zu verkrampfen vor Mitleid, als ich mit ansehen musste, wie sie versuchten ihre Mutter zu wecken und zu bitten mit ihnen zu kommen. Ich betrachtete die Wölfin wehmütig, die neben mit stand und diese sah zu mir auf. Sie schien mir keine Vorwürfe zu machen, noch immer betrachtete sie mich einfach nur eindringlich, so als würde sie etwas von mir erwarten. Es schien mir, als würde sie mir zunicken, mich bitten noch einmal zurück zu kehren. Dann verschwand die Umgebung wieder und hüllte mich in Dunkelheit. Die Wölfin verblasste und zuletzt blieben wieder nur ihre Augen, die mich beobachteten. Die Geräusche von Löffeln auf Porzellan und der Geruch von gekochten Kartoffeln kehrten zurück und ich starrte auf meinen noch immer vollen Teller. Ich wusste einfach nicht, was ich denken oder tun sollte. Ich war einfach zu durcheinander. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? „Leonie, deine Suppe wird kalt“, hörte ich meine Mutter besorgt sagen und ich spürte förmlich ihren Blick auf mir ruhen, doch es war mir egal. Meine Gedanken waren immer noch auf der Waldlichtung, bei der toten Wölfin und den Jungen die ich mir anscheinend nur eingebildet hatte, um mir noch ein schlechteres Gewissen zu machen. „Du musst was Essen, Liebes“, vernahm ich Omas Stimme. Langsam wurde das Schlürfen aufgehoben und die Löffel lagen in den Tellern, niemand schien mehr zu Essen, alle Blicke ruhten auf mir. „Ich habe keinen Hunger“, meinte ich und stand auf. Ich wollte nicht länger sitzen, wusste nicht was ich machen sollte. Wusste nicht, was mich so zerriss. Ich hatte das Gefühl, ich sollte noch einmal zurück und mich vergewissern, dass ich mir nur eingebildet hatte Jungtiere gesehen zu haben. Und was war, wenn es keine Einbildung war und ich wirklich kleine Welpen finden würde? Mein Herz schmerzte bei dem Gedanken, eine unschuldige Mutter getötet zu haben und nun auch noch die Jungen verhungern zu lassen. Aber was sollte ich denn auch großartig machen? Sie aufziehen? Der letzte Gedanke verweilte schallend in meinem Kopf und ergab einen Sinn. Vielleicht sollte ich es wenigstens versuchen. Unschlüssig blieb ich an meinem Stuhl stehen und dachte darüber nach, was ich als nächstes tun oder lassen sollte. „Wir hatten keine Wahl, wir mussten ihn töten, sonst hätte er dich verletzt“, vernahm ich die Worte meines Vaters, die mich wie Messerstiche in die Brust trafen und ein Feuer in mir entfachten. Wut. Wieder kamen Schuldgefühle in mir hoch, obwohl ich nichts an den Unfall hätte ändern können. „Sie hätte mir nichts getan“, murmelte ich verstört und versuchte die Bilder der bernsteinfarbenen Augen aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Doch sie schienen mich zu beobachten, zu bitten noch einmal nach zuschauen. „Schatz, dass hättest du doch gar nicht wissen können“, versuchte Mutter es erneut. „Doch ich wusste es!“, fuhr ich sie wütend an und warf allen Anwesenden einen vernichtenden Blick zu. Ich sah in erschrockene Blicke, die mich verunsicherten und deshalb blickte ich zu Boden und versuchte mich zu beruhigen. Sie hatten Recht, natürlich konnte es niemand vorhersehen, ob die Wölfin mich angreifen wollte oder nicht, aber ich hatte das Gefühl, dass sie es nicht getan hätte. Bloß ich verstand nicht, wieso ich das dachte. „Wölfe sind unberechenbar“, erklärte mein Opa energisch und ich sah ihn verwundert an. Ich hatte schon wieder das Bedürfnis zu weinen, ich spürte den Druck in meinen Augen und das seltsame Gefühl in meiner Brust. So als ob ich Schuld wäre, dass die Wölfin gestorben war und ihre Jungtiere alleine waren. Aber wieso wollte ich nicht wahrhaben, dass ich es mir nur eingebildet hätte? Wieso wollte ich mich noch mehr quälen? „Aber deshalb muss man sie nicht gleich erschießen! Stehen diese Tiere nicht eigentlich unter Naturschutz?“, meinte ich verärgert und versuchte immer noch meine Wut in den Griff zu bekommen. „Ja, aber wir hatten keine Chance, dein Leben stand auf dem Spiel!“, erklärte mein Vater, doch irgendwie wollte ich das alles nicht wahrhaben. Ich wollte nicht der Grund für den Tod der Wölfin sein. Wenn sie bloß nicht [diesen Hasen gejagt und in mich hinein gerannt wäre... momentan mal? Sie hatte gar nicht mich gejagt!? Warum war mir das nicht schon früher aufgefallen? Ein Gefühl von Erkenntnis und Erleichterung machte sich in meiner Brust breit und lies mich beruhigen. „Sie hatte doch nur den Hasen gejagt und ich stand dummerweise im Weg“, flüsterte ich eher zu mir, doch die Anderen schienen es auch gehört zu haben. „Da war kein Hase Leonie, der Wolf hat dich angegriffen, deshalb...“, wollte mein Vater mir klar machen und ich starrte ihn verwundert mit großen Augen an. Er versuchte die Schuld von sich zu weisen, dass es ein Versehen war, den Wolf getötet zu haben. Er versuchte mich als Lügnerin darzustellen, um sein Verhalten zu recht fertigen? Wieder keimte Wut in mir auf. „Versuch dich nicht raus zureden, du hast gegen das Gesetz verstoßen und eine Wölfin getötet, so was muss bestraft werden“, brüllte ich ihn wütend an, ohne wirklich nachzudenken, was ich überhaupt damit anrichtete. „Leonie... weißt du, was du da sagst?“, murmelte meine Mutter entsetzt. „Du bist ein Mörder, Vater“, verurteilte ich den Mann, der mich mit entsetztem Gesicht ansah und funkelte ihn wütend an, die Hände zu Fäusten geballt. Wieso sagte ich so etwas? Wieso stellte ich mich gegen meinen Vater und für einen fremden Wolf? Wieso war ich so wütend? Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als mein Vater mit den Händen auf den Tisch schlug und aufstand.Sein Blick war wütend, sein Gesicht rot angelaufen vor Wut und alle sahen ihn erschrocken an. „Du willst also, dass ich im Gefängnis lande?“, hakte er wütend nach und ich hörte heraus, dass er sich verletzt fühlte und das lies mich wieder zur Vernunft kommen. Einsehen, dass ich einen Fehler begangen hatte. Ich senkte den Blick zu Boden. „Nein, tut mir Leid“, entschuldigte ich mich leise und fühlte mich wie am Boden angewachsen. „Geh zu Bett, ich will dich heute nicht mehr sehen“, befahl er und ich spürte richtig wie er kochte. Verständlich, noch nie war ich ihm so frech gekommen. Ich biss mir auf die Unterlippe und stürmte aus dem Haus. „Wo willst du hin?“, hörte ich ihn noch brüllen, doch ich war zu schnell. Ich hatte bereits den Wald erreicht, bevor er aus der Tür treten konnte. Noch in der Ferne hörte ich ihn nach mir rufen, doch ich lief entschlossen durch den Wald, die Tränen rangen mir über die Wangen und verschleierten meinen Blick. Ich musste da weg, einen klaren Kopf bekommen und wieder zu mir finden. Vorher konnte ich nicht zurück kehren. Ich verstand nicht, wieso ich mich so gehen gelassen hatte und sogar so schlimme Dinge gesagt hatte. Nie wollte ich, dass mein Vater wirklich ins Gefängnis landete, dass würde ich mir nie verzeihen. Ein Winseln lies mich aus meinen Gedanken schrecken und ich blieb stehen. Es war dunkel, ich konnte so gut wie nichts mehr erkennen und erst jetzt fühlte ich die Kälte der Nacht und den Wind der an meinen Kleidern zerrte. Ohne es bewusst getan zu haben, hatte mein Weg mich zu der Stelle geführt, an der die Wölfin lag und es noch immer tat. Ich schluckte meine Beklommenheit hinunter und wischte mir über die Augen. Vorsichtig ging ich auf den leblosen Körper der Wölfin zu und hockte mich nieder. Ich hoffte förmlich, wie sie aufspringen würde und mich anknurrt, aber nichts der gleichen passierte, als ich mit der Hand über ihr Fell streichelte und sie traurig anblickte. Ein Knurren drang an mein Ohr und lies mich aufschrecken. Vollkommen perplex war ich auf die Füße gesprungen und starrte mit klopfenden Herzen auf die Büsche. Im nächsten Moment kamen kleine schwarze Gestalten heraus gesprungen und standen um die Wölfin herum. Als der Mond sein Licht durch die dichten Bäume schickte, konnte ich vier kleine Welpen erkennen, die knurrend um ihre Mutter standen. Genau wie in meinem Traum, schoss es mir durch den Kopf. Einerseits schien ich wie erleichtert, dass es kein großes Tier war und andererseits, schlug mein Herz schneller, da ich mir doch nicht eingebildet hatte, Welpen gesehen zu haben. Mein Blick wanderte über die Wölfin und zurück zu jedem ihrer Welpen. Sie griffen mich nicht an, sondern standen einfach nur beschützend da. Ich sah sie einfach mitleidig an, wusste nicht, was ich machen sollte. Die Traumwölfin wollte also, dass ich mich um ihre Jungen kümmerte? Ich war unsicher, so etwas konnte ich nicht, ich schaffte es nicht einmal mich um mich selbst zu sorgen, wie konnte man mir dann die Verantwortung für vier kleine Welpen übertragen? Ich wusste nicht einmal wie ich das bewerkstelligen sollte. Bis jetzt habe ich mich immer nur um mich selber gekümmert und auf einmal soll ich junge Wölfe aufziehen? Wie sollte das denn gehen? Ein bitteres Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. Nun stand ich hier, wie aus dem nichts gekommen, aber was sollte ich tun? Wie sollte ich den jungen erklären, was passiert war und das sie ihnen helfen wollte? Wenn ich selber nicht mal wusste wie. Unschlüssig stand ich da und wippte auf dem einen Bein aufs andere, doch ich kam einfach nicht weiter. +++ 3 +++ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)