Welcome to my life von Karma ================================================================================ Von Ballettaufführungen, gruseligen Sitznachbarn und seltsamen Gefühlen ----------------------------------------------------------------------- So, und hier ist auch schon das nächste Kapitel. Ich weiss, im Augenblick bin ich schnell, aber gewöhnt euch lieber nicht daran. Ich kann nicht garantieren, dass das auch so bleibt. Übrigens hat dieses Kapitelchen hier eine Widmung: Für , die gestern die dritte Null angehängt bekommen hat. Ich weiß, Du wirst das hier wahrscheinlich erst in einer ganzen Weile lesen, aber trotzdem gibt's das Kapitel noch als kleines nachträgliches Geburtstags-Leckerli. *Schleife drumbind* Viel Spaß damit! So, und weil ich euch nicht mit allzu langem Vorgelaber nerven will, gibt's dieses Mal keine Kommiantworten, sondern nur fette Dankeschöns samt Keksen und Schleifchen für , , , , , und . Ich hoffe, es gefällt euch auch dieses Mal wieder. ^_____^ Enjoy! Karma ~*~ "Kommst Du, Jan? Wir müssen langsam los." Die Stimme meiner Mutter aus dem Wohnungsflur reißt mich aus der vorgetäuschten Versunkenheit in meine Hausaufgaben und ich seufze abgrundtief, bevor ich meinen Kuli beiseite lege, meinen Stuhl zurückschiebe und meine Matheaufgaben fürs Erste Matheaufgaben sein lasse. Die kann ich ja eigentlich auch noch am Wochenende irgendwann machen. Jetzt heißt es erst mal mit meiner Familie zu Vickys Ballettaufführung zu fahren. Wie ich mich darauf freue! Weil es allerdings absolut nichts nützen würde, mich jetzt noch zu weigern – und weil Vicky mich, wenn ich eine Krankheit simulieren würde, garantiert höchstpersönlich umbringt –, stehe ich missmutig auf und mache mich auf den Weg in den Flur, wo meine Schwestern und meine Mutter schon auf mich warten. Dort ziehe ich noch eben schnell meine Schuhe und meine dicke Jacke an und stapfe dann, die Hände in den Jackentaschen vergraben, wenig enthusiastisch nach unten zu Franzis Auto, um mich da gemeinsam mit Vicky auf die Rückbank zu quetschen. Seit Montag ist heute das erste Mal, dass ich wieder bei Franzi mitfahre, aber das ist eine Ausnahme. Ich sitze jetzt auch nur hier, weil ich absolut keine Lust habe, mit Bus und Bahn zur Stadthalle zu gondeln, wo dieser ganze Ballettkram heute stattfinden soll. Da ertrage ich doch lieber ein paar Minuten lang meine ätzende große Schwester, als mindestens zwanzig Minuten lang in der abendlichen Kälte mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein zu müssen. Außerdem zwingt mich ja auch niemand, mich mit Franzi zu unterhalten. In den ersten paar Tagen nach unserem Streit hat Mama noch versucht, uns beide dazu zu bringen, uns wieder zu vertragen, aber mittlerweile lässt sie uns einfach in Ruhe. Wahrscheinlich hofft sie, dass das Ganze sich irgendwann von selbst erledigt, aber da sehe ich schwarz. Ich werde jedenfalls ganz sicher nicht klein beigeben. Immerhin habe nicht ich die Scheiße gemacht, sondern Franzi. Und bevor sie sich nicht bei mir entschuldigt hat, werde ich auch nicht mehr mit ihr sprechen. Ein Stressfaktor weniger in meinem Leben. "Mensch, Janni, jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht!", beschwert Vicky sich und ich strecke ihr die Zunge raus. "Ich hab nun mal kein anderes", informiere ich sie dann und sie verdreht die Augen, sagt aber nichts mehr dazu, sondern lehnt sich etwas nach vorne, um sich mit Mama und Franzi unterhalten zu können. Mich ignoriert sie, aber das ist mir nur recht. Ich habe im Moment auch keinen Bock zum Reden. Stattdessen starre ich aus dem Fenster und zähle aus lauter Langeweile die Straßenlaternen, an denen wir vorbeifahren. So wirklich Lust auf dieses Ballettzeug hab ich nicht, aber zum Weglaufen ist es jetzt zu spät. Da der ständige Wechsel von Hell und Dunkel mir Kopfschmerzen bereitet, schließe ich nach einer Weile meine Augen und seufze leise. Am liebsten wäre ich jetzt zu Hause in meinem Bett und würde mir die Decke über den Kopf ziehen, um in aller Ruhe nachdenken zu können. Allerdings würde mir das wohl auch nicht besonders viel bringen. Seit gestern Abend drehen sich meine Gedanken nämlich ständig im Kreis und zu einem wirklichen Ergebnis komme ich nicht. Egal, wie sehr ich mir auch das Hirn darüber zermartere, was Simon wohl gestern gemeint hat, ich verstehe es einfach nicht. Und das macht mich wahnsinnig. "Janni, nicht einschlafen!" Vicky rammt mir ihren Ellbogen unsanft in die Seite und als ich die Augen wieder aufschlage, bemerke ich, dass Franzi gerade ihren Wagen auf dem Parkplatz hinter der Stadthalle parkt. Um uns herum herrscht schon reges Treiben, obwohl wir fast eine Stunde vor der Aufführung da sind. Genau betrachtet, schießt es mir durch den Kopf, hätte ich doch besser später nachkommen sollen. Dann müsste ich mich jetzt nicht noch fast sechzig Minuten langweilen. Mit hinter die Bühne, um Vicky und ihren kleinen Hupfdohlenfreundinnen beim Proben zuzusehen, will ich nämlich nicht. Nur über meine Leiche! "Ich bleib noch ein bisschen hier draußen und komm später rein, okay?", wende ich mich deshalb an meine Mutter und ignoriere dabei Vickys beleidigte Schnute, so gut es geht. Mama überlegt einen Moment, doch dann nickt sie. "Gut. Aber sei bitte pünktlich, ja?", bittet sie mich und nun nicke ich. Dabei zwinge ich mir ein Lächeln ins Gesicht, das sie etwas zerstreut und gestresst erwidert, bevor sie die Tasche mit Vickys Kostüm – irgendwas mit viel Orange; deshalb brauchte sie ja auch unbedingt diese blöde Strumpfhose – aus dem Kofferraum nimmt und sich gemeinsam mit meinen beiden Schwestern auf den Weg nach drinnen macht. Ich blicke den Dreien einen Moment lang nach, dann wende ich mich seufzend ab und schlendere in die andere Richtung davon. Im Augenblick möchte ich einfach ein bisschen allein sein und nachdenken, auch wenn mir das, wie ich ja schon festgestellt hab, nicht wirklich viel bringt. Trotzdem habe ich jetzt noch keinen Bock auf den ganzen Trubel da drinnen, von dem Rosa und Orange und was weiß ich noch für Farben ganz zu schweigen. Das werde ich mir noch früh genug ansehen müssen. Irgendwie, ich weiß nicht warum, bin ich seit dem Gespräch mit Simon gestern Abend total neben der Spur. Und die Tatsache, dass Vicky sich, nachdem ich wieder unten war, beim Fernsehen noch lang und breit darüber ausgelassen hat, wie sehr sie sich doch darauf freut, dass er ihr felsenfest versprochen hat, heute Abend auf jeden Fall auch zu ihrer Aufführung zu kommen, macht es auch nicht besser. Wann immer mir durch den Kopf geht, dass ich ihn also heute auf jeden Fall auch noch sehen werde, wird mir ganz komisch. Mir ist schlecht, schwindelig, mein Herz rast, ich bin nervös, und das alles gleichzeitig. Eigentlich ist das fast schon eine Leistung, so viele Gefühle auf einmal zu haben. Im Moment verfluche ich mich allerdings gerade dafür, dass ich meinen MP3-Player nicht mitgenommen hab, als wir losgefahren sind. Ein bisschen Musik würde mir bestimmt helfen, diese ganzen blöden Gedanken und auch die Gefühle zu verdrängen, aber das war ja wohl mal wieder ein Satz mit X. Ich bin doch so dämlich, dass ich mich eigentlich selbst schlagen müsste. Aber das Schlimmste ist, dass ich meine Verpeiltheit selbst nicht so ganz begreife. So schusselig und vergesslich wie in der letzten Zeit bin ich sonst eigentlich nicht. Und normalerweise führe ich mich auch nicht ganz so peinlich auf, wie ich das in Simons Gegenwart irgendwie immer tue. Verdammt, woran liegt das bloß? Abgrundtief seufzend schüttele ich den Kopf und versuche, die Gedanken endlich doch noch loszuwerden, aber das ist leichter gesagt als getan. Simons Worte von gestern Abend hängen wie eine Dauerschleife in meinem Kopf fest und ich kann machen, was ich will, ich kriege sie da einfach nicht raus. Am liebsten würde ich meine Stirn ein paar Mal feste irgendwo gegen klatschen, aber da ich die Befürchtung habe, dass das meine Kopfschmerzen nur noch verschlimmern würde, lasse ich es doch besser bleiben. Stattdessen latsche ich lieber noch ein Stückchen durch die Botanik, denn es ist arschkalt hier draußen und wenn ich weiter einfach nur dumm in der Gegend rumstehe, dann friere ich sicher fest und verpasse dadurch Vickys Auftritt – wofür sie mich unter Garantie meucheln würde. "Das ist doch alles einfach nur scheiße!", beschwere ich mich bei niemand Bestimmtem und rupfe von einem der krüppeligen Büsche, die hier am Rand des Parkplatzes wachsen, auch noch das letzte verbliebene Blatt ab. Das zerreiße ich höchst konzentriert in kleinstmögliche Schnipsel und mache mich dann auf die Suche nach weiteren Blättern, denen ich das gleiche Schicksal angedeihen lassen kann. Das ist zwar eigentlich ziemlich schwachsinnig, aber es hält mich wenigstens beschäftigt und verhindert auch, dass ich zu viel nachdenke oder dass meine Finger mal wieder anfangen zu zittern. Wie lange ich dieser überaus sinnvollen Beschäftigung des Blätter-Zerrupfens nachgehe, weiß ich nicht genau. Zwischendurch fährt immer mal wieder ein Auto an mir vorbei und obwohl ich bei jedem schwarzen Wagen zusammenzucke, blicke ich nicht von den Blättern in meinen Händen auf, sondern verwandele eins nach dem anderen in gelblich-braunes Konfetti, das von dem eisigen Wind, der mir um die Ohren weht, gleich weggetragen wird. "Jan, Du benimmst Dich echt wie der letzte Vollidiot", bescheinige ich mir selbst dabei leise und schüttele halb grinsend, halb verzweifelt den Kopf. Ich hasse es, nicht zu wissen, was mit mir los ist. Außerdem fürchte ich, dass mir bald der Schädel platzt, wenn ich diese elende Grübelei nicht endlich sein lasse. Aber was kann ich denn bitteschön dafür, dass ich mich permanent frage, wie wohl die "richtige Art zu fragen" aussieht, von der Simon gestern gesprochen hat? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich, obwohl ich heute in der Schule bestimmt hundertmal Anlauf genommen hab, die Frage an Ruben einfach nicht über die Lippen gebracht habe. Immer wieder habe ich im letzten Augenblick praktisch gekniffen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihm aufgefallen ist, dass mir irgendeine Frage auf der Zunge lag, aber zum Glück hat er mich nicht bedrängt, sondern mich nur immer wieder aufmunternd angesehen, so als wollte er es mir selbst überlassen, ob ich ihm sage, was mit mir los ist, oder ob ich es doch lieber für mich behalten will. Den ganzen Tag schwanke ich schon zwischen Wut auf Simon, weil er Recht hatte mit seiner gestrigen Vermutung, ich würde Ruben ja doch nicht nach seiner Augenfarbe fragen, und Wut auf mich selbst, weil mich diese blöde Sache so furchtbar beschäftigt. Im Moment bin ich mal wieder sauer darüber, dass ich mich tatsächlich von Simons Worten habe beeinflussen lassen. Wenn ich Ruben einfach nur eine popelige Frage gestellt hätte, dann würde mich dieser Quatsch jetzt nicht mehr in den Wahnsinn treiben, dessen bin ich mir hundertprozentig sicher. "Und dann wüsste ich auch endlich, welche Augenfarbe Simon hat." Erschrocken darüber, dass ich meine Gedanken tatsächlich laut ausgesprochen habe, schlage ich mir die Hände vor den Mund und sehe mich panisch um, aber zu meiner großen Erleichterung bin ich hier draußen auf dem vollen, nur von ein paar kleinen Lampen erhellten Parkplatz ganz alleine. Zum Glück hat niemand mein Selbstgespräch gehört! Was würden die Leute denn auch von mir denken, wenn sie hören würden, dass ich mir über so einen Blödsinn Gedanken mache? Das wäre ja todpeinlich! Überdeutlich spüre ich, wie mir mal wieder Röte ins Gesicht kriecht. Abgrundtief seufzend schüttele ich den Kopf und will mich gerade auf den Weg zur Stadthalle machen – mir ist zwar gerade mal ausnahmsweise nicht kalt, aber es ist sicher langsam Zeit –, als mein Blick auf einen schwarzen Wagen fällt, der just in diesem Moment auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkt. Unwillkürlich bleibe ich wie angewurzelt stehen und mein Herzschlag beschleunigt sich rasant, als sich die Fahrertür öffnet. Und wie erwartet und befürchtet ist es tatsächlich Simon, der aus diesem Wagen steigt. Bei seinem Anblick werde ich gleich noch etwas röter und verfluche mich innerlich dafür. Halb panisch suche ich nach einem guten Versteck, aber bevor ich mich hinter ein paar Büsche hocken und ihn vorbeigehen lassen kann, hat er mich auch schon entdeckt und macht Anstalten, die Straße zu überqueren und auf mich zuzukommen. Scheiße! "Solltest Du nicht eigentlich schon drin sein?", begrüßt er mich, sobald er mich erreicht hat. "Oder bist Du etwa das Empfangskomitee, damit ich mich auf den letzten Metern nicht noch verlaufe?", schiebt er noch hinterher und sieht mich schmunzelnd an. Daraufhin entkommt mir ein ungeheuer peinliches Quietschen, dass in mir den Wunsch aufkeimen lässt, mich vor das nächstbeste Auto zu werfen, das hier auf den Parkplatz einbiegt. Warum muss ich mich vor Simon eigentlich immer so zum Affen machen? Das ist doch nicht normal, verdammt! "Ähm ... ich ... äh ...", stottere ich nicht sehr intelligent und trete mich mental erst mal heftigst in den Arsch, bevor ich mir doch noch einen vollständigen Satz – "Ich wollte noch nicht rein." – abringe. Diese Antwort meinerseits bringt Simon zum Grinsen und ich habe das Gefühl, dass ich hier in meiner Jacke gleich verglühe. Ich glaube, im Moment würde ich nicht mal frieren, wenn ich nur in Boxershorts hier stehen würde – was jetzt aber nicht heißen soll, dass ich mir wünsche, nur in Boxershorts vor Simon zu stehen! Das muss ich nun wirklich nicht haben. Ich habe mich auch so schon oft und vor allem nachhaltig genug vor ihm blamiert. "Schade." Hab ich mich gerade verhört? Findet er es wirklich schade, dass ich nicht seinetwegen hier draußen rumstehe, sondern einfach nur so? Okay, das ist ... komisch. Und ich glaube, ich hab gerade einen Herzinfarkt oder so was. Oder vielleicht ist mein Herz auch einfach nur stehen geblieben. Obwohl ... Nein, warte, es schlägt doch noch. Aber gerade hat es mindestens für drei Schläge ausgesetzt, das schwöre ich. Was hat das denn zu bedeuten? "Äh ... Vicky ... wartet bestimmt schon ... auf uns ... ähm ... ich meine ... Dich ... " Super, Jan. Damit hast Du mal wieder den Vogel abgeschossen und Deine absolut überragende Intelligenz unter Beweis gestellt. Als wüsste Simon nicht selbst, dass Vicky ihn erwartet. Immerhin hat sie ihn ja schließlich höchstpersönlich für heute Abend eingeladen. Und er ist tatsächlich gekommen. Ob er Ballett irgendwie toll findet oder so? Kann ich mir bei ihm zwar nicht vorstellen, aber was weiß ich denn schon über seine Vorlieben? Genau, gar nichts. Komischerweise deprimiert mich der Gedanke irgendwie. "Dann sollten wir die kleine Lady wohl besser nicht länger als nötig warten lassen." Simon macht eine einladende Geste in Richtung Stadthalle und ich nicke mechanisch, während ich mich gleichzeitig in Bewegung setze. Immerhin muss ich ja sowieso langsam rein, da kann ich auch genauso gut mit ihm zusammen reingehen. Außerdem kann ich ihm so auch gleich zeigen, wo er sich hinsetzen kann. Schließlich hat Vicky, so, wie ich das gestern verstanden hab, wohl nicht nur wie sonst immer drei – unser werter Herr Erzeuger hält es generell nicht für nötig, bei solchen Veranstaltungen aufzukreuzen –, sondern vier Plätze reservieren lassen. Sie wäre sicher sehr enttäuscht, wenn Simon nicht bei Mama, Franzi und mir in der Nähe der Bühne, sondern irgendwo anders sitzen würde. Erst als wir ins Foyer der Stadthalle treten und ich dort an der Garderobe aus meiner Jacke schlüpfe, um sie abzugeben, fällt mir auf, dass meine Finger ganz kalt sind. Mein Gesicht ist allerdings, wie ich nach kurzem Überprüfen feststelle, ziemlich heiß, also sehe ich wahrscheinlich immer noch aus wie eine reife Tomate. Ganz toll, ehrlich. Warum passiert so was eigentlich immer mir? "Magst ... magst Du eigentlich Ballett?", erkundige ich mich leise, nachdem ich aus dem Augenwinkel gesehen habe, dass Simon seinen Mantel ebenfalls abgegeben hat. Ich traue mich nicht so ganz, ihn anzusehen, und verfluche mich innerlich dafür. Gestern Abend habe ich doch auch ganz normal mit ihm geredet, also warum führe ich mich jetzt schon wieder auf wie der letzte Blödmann? Das ist doch scheiße! "Ich weiß es nicht. Um ehrlich zu sein, ist das heute meine erste Ballettaufführung", antwortet er und nun sehe ich ihn doch an. Heute trägt er, wie ich dabei feststelle, weiße Kontaktlinsen, die ihn wesentlich gruseliger aussehen lassen als die schwarzen von gestern. "Ich habe also keine Ahnung, was mich eigentlich erwartet", fährt er fort und ich kriege irgendwie ein halbes, sicher sehr verunglückt aussehendes Grinsen zustande. "Heute wohl nicht ganz so viel Rosa wie sonst immer", informiere ich ihn und als er daraufhin grinst, gerät mein Herzschlag schon wieder aus dem Takt. "Heute wird's eher Orange", schiebe ich noch schnell hinterher, um das zu verbergen, und beeile mich dann, schon mal vorzugehen. Ich muss mich nicht umdrehen um zu wissen, dass er mir folgt. Aus irgendeinem Grund spüre ich das ganz genau, auch wenn ich seine Schritte auf dem weichen Teppich, mit dem das Foyer ausgelegt ist, nicht hören kann. "Da bist Du ja endlich, Jan!", werde ich von meiner Mutter begrüßt, kaum dass ich den großen Saal betreten und mich in Richtung Bühne zu den für die Familien reservierten Plätzen durchgekämpft habe. "Ist alles in Ordnung? Du bist so rot im Gesicht." Besorgt mustert sie mich, doch als ich einfach nur den Kopf schüttele und mich mit einem gemurmelten "Alles okay" auf meinen Platz fallen lasse, wendet sie sich Simon zu und begrüßt ihn freundlich. Scheint ganz so, als würde sie ihn wirklich mögen und sich tatsächlich darüber freuen, ihn heute hier zu sehen. "Ich hatte Ihrer Tochter ja versprochen, dass ich kommen würde", erwidert Simon gerade und ich mache mich in meinem Sitz noch etwas kleiner, als ich sowieso schon bin. Ich fühle mich total komisch und möchte am liebsten hier weg, hoffe aber gleichzeitig, dass das niemandem auffällt. Ich will Vicky ihren großen Abend nicht kaputt machen, aber trotzdem bereue ich es jetzt, dass ich mitgekommen bin. Wenn ich zu Hause geblieben wäre, dann müsste ich mir nachher wenigstens nicht Vickys Begeisterung darüber antun, dass Simon tatsächlich hier ist. "Da wird Vicky sich aber freuen", meint Mama, aber Franzis Auftauchen – offenbar war sie bis gerade noch hinten bei Vicky, was mir irgendwie gar nicht aufgefallen ist – hält sie davon ab, noch mehr auf Simon einzureden. "Es fängt gleich an", informiert Franzi uns, begrüßt Simon kurz und ziemlich kühl und setzt sich dann ohne ein weiteres Wort auf den freien Platz neben Mama, der am weitesten von Simon entfernt ist. Dadurch bleibt für Simon nur noch der Platz neben meinem übrig und ich schlucke hart, als er sich tatsächlich neben mich setzt. Glücklicherweise bleibt ihm mein erneutes und ziemlich heftiges Erröten durch die genau in diesem Moment ausgehende Saalbeleuchtung, die gleich darauf von der Bühnenbeleuchtung abgelöst wird, verborgen. Jedenfalls hoffe ich das ganz stark. Verdammt, ich will einfach nicht, dass er mich für einen totalen Vollidioten hält! Gemeinsam mit ihrer Ballettgruppe steht meine kleine Schwester oben auf der Bühne in Position, als der Vorhang sich hebt. Sobald die Musik einsetzt, beginnen die Mädchen mit ihrem Tanz, aber die ganze Darbietung rauscht vollkommen an mir vorbei, ohne dass sich auch nur eine Drehung oder Figur besonders in mein Gedächtnis einbrennen würde. Das Ganze ist mir aber auch herzlich egal, wenn ich ehrlich bin. Außerdem bin ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, weit mehr damit beschäftigt, Simon aus dem Augenwinkel zu beobachten, als damit, meiner Schwester und ihrer Gruppe bei ihrem Gehopse zuzusehen. Während ich mich aus einem Grund, den ich selbst nicht verstehe, kaum zu atmen traue, sitzt er ganz entspannt in dem mit blauem Stoff bespannten Sessel und scheint sich tatsächlich für das zu interessieren, was da auf der Bühne vor sich geht. Ich habe keine Ahnung, ob er nur aus Höflichkeit hinsieht und so tut, als würde er es gut finden, oder ob es ihm wirklich gefällt. Ich an seiner Stelle würde das Ganze hier sicherlich langweilig, albern und doof finden. Ich meine, er hat an einem Freitagabend doch sicher eigentlich Besseres zu tun als acht- bis dreizehnjährigen Mädchen bei ihrem Ballettgehopse zuzusehen, oder? Also warum um alles in der Welt ist er dann trotzdem hier? Ob seine Freundin weiß, wo er heute Abend ist und was er macht? Ob sie damit einverstanden ist? Und warum ist sie eigentlich nicht dabei? Immerhin hätte Vicky für sie sicher auch noch einen Platz reserviert, wenn sie mitgewollt hätte. Wollte sie vielleicht gar nicht – vielleicht, weil sie meine kleine Schwester nicht mag? Oder hatte sie heute nur schon was Anderes vor und ist deshalb nicht mitgekommen? Nicht, dass ich mir wünschen würde, dass sie jetzt hier wäre, nur um das mal klarzustellen. Nein, das nun wirklich nicht. Ich kenn sie zwar nicht, aber ich lege auch keinen Wert darauf, sie kennen zu lernen – obwohl das jetzt, wo Simon bei uns im Haus wohnt, sicher zwangsläufig irgendwann passieren wird. Was ich davon halte und ob ich das überhaupt will, interessiert natürlich wieder niemanden. Wie sollte es auch anders sein? Das ist doch mal wieder absolut typisch für mein Leben. Ich weiß nicht genau, ob ich es gut oder schlecht finde, dass die anderthalb Stunden dieses Ballettgezappels sich heute mal ausnahmsweise nicht wie Kaugummi hinziehen, sondern im Gegenteil sogar recht schnell vergehen. Als die Saalbeleuchtung wieder angeht, kann ich mir deshalb jedenfalls ein Seufzen nicht verkneifen und fange mir dafür gleich einen Seitenblick von Simon ein, den ich nicht deuten kann. Verdammt, ich hasse das! In dem Wunsch, mir mein Herzrasen nicht allzu deutlich anmerken zu lasen, rutsche ich noch etwas tiefer in meinen Sitz, meide seinen Blick und stehe erst auf, als Mama mich anstößt. Die Augen stur auf den Boden geheftet folge ich ihr nach hinten, wo schon einige Elternpaare versammelt sind, um ihre kleinen Ballerinas nach dem mehr oder weniger erfolgreichen Herumgehüpfe in Empfang zu nehmen. Vicky ist die Vierte, die aus dem Backstagebereich herauskommt. Sobald sie Simon, der, wie ich aus dem Augenwinkel sehen kann, hinter mir steht, bemerkt, fängt sie an, übers ganze Gesicht zu strahlen und stürmt dann geradezu enthusiastisch in unsere – oder vielmehr in seine – Richtung. "Du bist wirklich gekommen!", freut sie sich und kichert, als Simon sie wie gestern wieder mit einer Verbeugung und einem Handkuss begrüßt. "Selbstverständlich", erwidert er danach und lächelt sie an, so dass ich wieder am liebsten schreien würde. "Ein Versprechen, dass ich einer so hübschen jungen Lady gegeben habe, kann ich doch nicht brechen", fährt er fort und bei diesen Worten verzieht Franzi spöttisch das Gesicht, sagt aber nichts weiter dazu und ich beschließe, das ebenso zu ignorieren wie Vicky es tut. Die interessiert sich nämlich im Augenblick nur dafür, wie wir alle – besonders Simon – sie denn nun auf der Bühne fanden. Sobald sie genügend Komplimente für ihr Gezappel eingeheimst hat, geht sie dazu über zu erzählen, was heute um ein Haar mal wieder alles schiefgegangen wäre, und ich schalte auf Durchzug. Es interessiert mich nicht die Bohne, bei wessen Tutu eine Naht geplatzt ist oder wer die falschen Schuhe dabeihatte. Ich will nur noch nach Hause, deshalb tippe ich meine Mutter an und ziehe sie ein Stück beiseite, sobald sie mich fragend ansieht. "Du, Mama, ich fahr schon mal vor nach Hause, okay?", frage ich sie und kann mir nur mit Mühe das Seufzen verkneifen, als sie gleich wieder in den überbesorgte-Glucke-Modus wechselt. Kann sie das nicht mal lassen? Nur weil ich hin und wieder mal eine schlechte Phase habe und allein sein will, heißt das doch nicht automatisch, dass mir meine Gesundheit mal wieder Probleme macht. Kann ich nicht einfach mal mies drauf sein, ohne dass sie mich am liebsten gleich wieder zum Arzt schleppen würde? "Bist Du sicher, dass das eine gute Idee ist, Jan? Willst Du nicht lieber noch warten, bis wir fertig sind, und dann mit uns allen ...", fängt sie auch prompt an und ich schüttele genervt den Kopf. "Mir geht's gut, Mama. Wirklich", unterbreche ich sie, bevor das Ganze hier noch peinlicher für mich wird. "Ich bin nicht krank, ich will einfach nur nach Hause. Das ist alles." Verdammt, ist es denn wirklich so schwer zu verstehen, dass ein sechzehnjähriger Junge nun mal keine besonders große Lust auf den Ballettkram seiner kleinen Schwester hat? "Ich könnte Jan nach Hause bringen, wenn Sie das beruhigt", mischt Simon sich in das Gespräch ein und bei seinen Worten bildet sich ein fetter Kloß in meinem Hals, den ich einfach nicht hinunterschlucken kann. Er will mich nach Hause bringen? Warum das denn? Ich meine, klar, er muss ja eh in die gleiche Richtung, aber ... Verdammt, das würde bedeuten, dass ich mindestens zehn Minuten mit ihm alleine in seinem Auto sitzen würde. Das überleb ich nicht! "Das würden Sie tun? Das wäre wirklich nett von Ihnen. Wir brauchen ja hier noch eine Weile." Mama lächelt erleichtert, als Simon einfach nur nickt. "Ich hab ja sowieso den gleichen Weg", sagt er und als er mich dabei ansieht und ebenfalls kurz lächelt, rutscht mir mein Herz ohne Umweg bis in meine Schuhe durch. Hilfe! "Wenn Ihnen das wirklich keine Umstände macht ...", fängt Mama trotzdem wieder an, aber Simon winkt einfach nur ab. "Ach was. Das ist wirklich kein Problem", versichert er ihr noch mal und sieht mich dann auffordernd an. Ich schlucke hart und mache mich dann schleunigst auf den Weg zur Garderobe. Dabei habe ich das Gefühl, mein ganzer Körper bestünde irgendwie aus Pudding – mal abgesehen von meinen Füßen, die sich anfühlen, als wären sie mit Blei ausgegossen. Ziemlich neben der Spur, ohne wirklich zu wissen warum, lasse ich mir meine Jacke geben und folge Simon dann nach draußen, sobald er seinen Mantel entgegengenommen hat. Schweigend gehen wir nebeneinander her bis zu seinem Auto, steigen ein und schnallen uns an. Sobald er den Wagen startet, schallt mir laute Musik entgegen, die ich nicht kenne, aber bevor ich auch nur ein Wort richtig verstehe, hat Simon sie auch schon so leise gedreht, dass wir uns bequem unterhalten könnten, wenn wir wollten. Allerdings sagt er nichts und auch ich bleibe stumm und starre lieber aus dem Beifahrerfenster in die Dunkelheit. Oder zumindest würde ich das gerne tun, aber stattdessen ertappe ich mich dabei, wie ich Simons Spiegelung in der Scheibe beobachte. "Und? Wie hat's Dir gefallen?", erkundige ich mich schließlich nach ein paar Minuten des Schweigens leise und kann im Fenster sehen, wie ein Grinsen an Simons Mundwinkeln zupft. Einen Augenblick lang scheint er nach den passenden Worten zu suchen, um den heutigen Abend zu beschreiben, aber dann antwortet er mir doch. "Es war ... interessant", umschreibt er das Erlebnis Ballettaufführung dann diplomatisch und mir entkommt ein leises Kichern. "Mit anderen Worten: Eine Wiederholung muss nicht sein, oder?", hake ich nach, obwohl ich mir sicher bin, dass ich die Antwort bereits kenne, und jetzt erlaubt er sich ein richtiges Grinsen. "Nicht unbedingt, nein. Von mir aus darf das gerne eine einmalige Erfahrung bleiben", stimmt er mir zu, bringt mich so zum Lachen und plötzlich ist meine ganze unsinnige Nervosität wie weggeblasen, weil es zwischen uns wieder genauso ist wie gestern Abend in seiner Wohnung. "Ich würd ja auch nur zu gerne darauf verzichten, mir das immer wieder antun zu müssen, aber Vicky würde mich umbringen, wenn ich nicht käme", erzähle ich und Simon nickt schmunzelnd. "Dachte ich mir schon. Du hast auf mich auch nicht unbedingt den Eindruck gemacht, als wärst Du gerne da gewesen oder als würde Dich das alles wirklich interessieren. Genau genommen hast Du ausgesehen, als ob Du lieber ganz woanders gewesen wärst." Bei diesen Worten kriecht mir gleich wieder Röte ins Gesicht. Wenn Simon das gemerkt hat, dann bedeutet das ja wohl, dass er mich zumindest zwischendurch hin und wieder beobachtet haben muss, ohne dass ich das mitgekriegt hab. Heilige Scheiße, wie peinlich ist das denn bitteschön? Wo ist der nächste Strick, mit dem ich mich aufhängen kann? "Ich ... na ja, ich hab auch mehrmals pro Jahr das Vergnügen, mir so was ankucken zu dürfen. Irgendwann wird's langweilig. Sieht ja doch fast immer gleich aus." Wow, ich hab's tatsächlich geschafft, drei ganze Sätze rauszubringen, ohne permanent zu stottern! Ich bin ja so stolz auf mich! Wo bleibt mein Orden dafür? Oder, wenn's keinen Orden gibt, dann will ich wenigstens einen Keks als Belohnung für diese schier unglaubliche Leistung, jawohl! "Mein herzliches Beileid." Simon grinst ganz leicht und als ich ihn ansehe, zwinkert er mir zu und bringt meinen Blutkreislauf damit wieder vollkommen durcheinander. Davon bemerkt er allerdings scheinbar nichts, denn er spricht gleich weiter. "Das klingt nicht unbedingt nach Spaß", vermutet er und ich kann meinen Kopf mit größter Willensanstrengung tatsächlich zu einem Nicken bewegen. "Ist es auch nicht", nuschele ich und rutsche etwas tiefer in den Sitz. Für ein paar Minuten versinken wir beide in Schweigen, aber als unser Haus und der Parkplatz schon in Sichtweite sind, findet Simon seine Sprache doch noch wieder. "Hast Du eigentlich morgen schon was vor?", fragt er mich, während er auf den Parkplatz einbiegt, und ich kann ihn nur aus großen Augen anstarren. Hat er mich gerade wirklich gefragt, ob ich morgen schon was vorhabe, oder halluziniere ich vielleicht? "Ähm ... Wie ... Wieso?", bringe ich heraus und er dreht sich halb zu mir um, nachdem er den Motor ausgemacht hat. In der Dunkelheit, die sich daraufhin über das Innere des Wagens legt, wirkt das Leuchten seiner weißen Kontaktlinsen ziemlich gespenstisch und ich schlucke hart, während mir gleichzeitig wieder eine Gänsehaut über den ganzen Körper kriecht. Irgendwie ist die Stimmung zwischen uns mit einem Mal total seltsam. Oder bin das nur ich, der gerade komisch ist? "Weil ich Dir gerne etwas zeigen würde", beantwortet Simon meine Frage und obwohl ich ihn nur sehr undeutlich sehen kann, bin ich mir ziemlich sicher, das er lächelt. Seine Stimme klingt jedenfalls so. "Natürlich nur, wenn Du Zeit und Lust hast", schiebt er noch hinterher, als ich nichts sage, und nach einer gefühlten Ewigkeit schaffe ich es schließlich doch noch zu nicken. "Und was willst Du mir zeigen?", frage ich, nachdem ich mich kurz geräuspert und mich innerlich für meine plötzlich wieder aufkeimende und eigentlich total unangebrachte Nervosität verflucht habe. Darauf bekomme ich jedoch keine Antwort. Stattdessen schnallt Simon sich ab, öffnet die Fahrertür und steigt aus, wartet aber neben dem Wagen auf mich. Ich verknote mich beinahe bei dem Versuch, mich von meinem Anschnallgurt zu befreien, und stolpere mehr aus dem Auto, als dass ich aussteige. Glücklicherweise kann ich wenigstens noch verhindern, dass ich mich äußerst unelegant der Länge nach auf die Fresse lege. "Das ist eine Überraschung." Hier draußen, wo es zumindest ein bisschen heller ist als im Wageninneren, kann ich deutlich sehen, dass Simon grinst. "Wäre Dir fünf Uhr recht?", erkundigt er sich dann und ich nicke mechanisch. Irgendwie könnte ich jetzt nicht einmal dann Nein sagen, wenn ich es wirklich wollte – was ich, nebenbei bemerkt, auch gar nicht will. Nein, jetzt bin ich neugierig und will auf jeden Fall wissen, was Simon mir so unbedingt zeigen will. "Fünf Uhr ist okay", teile ich ihm deshalb leise mit und folge ihm langsam, als er mit einem deutlich zufriedenen Gesichtsausdruck zur Haustür schlendert, um diese aufzuschließen. "Gut, dann hole ich Dich morgen um fünf ab. Schlaf gut, Jan", verabschiedet er sich vor unserer Wohnungstür und ich starre ihm unwillkürlich nach, als er die Treppen zu seiner eigenen Wohnung hinaufgeht. Erst als ich seine Tür zuschlagen höre, komme ich wieder in der Realität an und schüttele erst mal über mich selbst und mein schwachsinniges Verhalten den Kopf. Dann schließe ich die Tür auf, schlurfe durch bis in mein Zimmer und lasse mich da aufs Bett fallen, um die Zimmerdecke anzustarren und mir das, was Simon gerade gesagt hat, noch mal durch den Kopf gehen zu lassen. Dabei bemerke ich nur am Rande, dass ich die Decke angrinse. Irgendwie, ich weiß nicht warum, freue ich mich unheimlich darauf, mich morgen mit ihm zu treffen. Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung, was er mir so unbedingt zeigen will, aber das ist eigentlich auch nebensächlich. Ich frage mich zwar schon, warum er sich ausgerechnet mit mir treffen will – und ich bin zugegebenermaßen auch tierisch gespannt, von was für einer Überraschung er gesprochen hat –, aber ich bin viel zu neugierig, um jetzt noch abzusagen. Wie würde es auch aussehen, wenn ich jetzt noch einen Rückzieher mache und kneife, nachdem ich gerade schon zugesagt habe? Erst das Piepsen meines Handys reißt mich wieder aus meinen Gedanken und holt mich in die Realität zurück. Ich hangele nach dem Teil, das ich peinlicherweise vor Vickys Aufführung hier in meinem Zimmer vergessen habe, und stelle mit einem Blick auf das Display fest, dass ich zwei SMS erhalten habe. Stirnrunzelnd öffne ich erst die erste und als ich sie lese, klatsche ich meinen Kopf mental gegen meine Zimmerwand. Scheiße, ich hatte ja total vergessen, dass ich morgen eigentlich mit Jassi verabredet war! ››Hey, Kleiner. Was ist jetzt mit morgen?‹‹, will er von mir wissen und in meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß. Was mache ich denn jetzt? Ich habe Jassi seit den Herbstferien nicht mehr gesehen, weil er mit seiner Ausbildung so viel zu tun hat, dass er nach Feierabend einfach zu müde für ein Treffen ist. Dieses Wochenende ist die erste Gelegenheit seit langem, ihn wiederzusehen, ich freue mich eigentlich schon seit Tagen darauf und vergesse das trotzdem total, nur weil Simon mich gefragt hat, ob ich morgen Zeit für ihn habe. Was bin ich denn bitteschön für ein bester Freund? Mit mir selbst darüber debattierend, wie ich dieses Dilemma lösen kann, ohne irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen, öffne ich auch noch die zweite SMS, die ebenfalls von Jassi ist. Sobald ich sie allerdings gelesen habe, kann ich mir ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen. ››Hey, Kleiner. Sorry, aber morgen doch klappt nicht. Muss arbeiten. Hätte aber Sonntag Zeit. Sei nicht böse, ja?‹‹, schreibt er und ich verspüre kurzzeitig den Drang, mein Handy – oder wahlweise auch Jassi selbst – zu knutschen. Da hat sich mein Problem ja glatt von selbst erledigt! Mehr als gut gelaunt deswegen mache ich mich sofort daran, eine Antwort für ihn zu tippen. ››Kein Thema, Großer. Morgen wär eh schlecht gewesen. Treff mich nämlich mit einem Freund. Passt also schon. Komm dann am Sonntag zu Dir.‹‹ Zufrieden schicke ich die Nachricht ab, lege mein Handy wieder beiseite und kraule Slim, der sich während meiner Abwesenheit mal wieder in meinem Zimmer breitgemacht hat, hinter den Ohren. Das lässt er sich genüsslich schnurrend gefallen und als er seinen Kopf an meinem Kinn reibt, kann ich nicht anders als zu schmunzeln. Manchmal, geht es mir durch den Kopf, während ich mich von Franzis blödem Kater vollhaaren lasse, ist mein Leben ja doch ganz nett zu mir und sorgt dafür, dass sich zumindest ein paar von meinen kleineren Problemen von selbst lösen. Die Frage, warum ich Simon in meiner SMS an Jassi allerdings als einen Freund betitelt habe, schiebe ich ganz weit nach hinten in mein Bewusstsein. Damit kann ich mich auch später noch beschäftigen. Oder morgen. Oder irgendwann. Oder auch gar nicht. Ist ja eigentlich auch völlig egal, oder nicht? ~*~ *Janni pat* Hach, ich hab den Kleinen ja soooo lieb! *ihn knuddel* Bis zum nächsten Mal! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)