Welcome to my life von Karma ================================================================================ Von Schnitzeljagden, Telefonaten und Versprechen ------------------------------------------------ So, obwohl ich mit Kapitel Zwölf noch nicht ganz fertig bin, gibt's trotzdem schon mal Kapitel Elf. Ich wurde überredet. ^.~ Diesmal gibt's übrigens keine Info-ENS, weil ich mich gleich wieder ans Schreiben mache, um das nächste Kapitel endlich zu beenden. Ich hoffe, ihr verzeiht mir das. @: Ich weiß, es war vorhersehbar, dass Simon nicht auf Frauen steht, aber Janni ... Nyan, er braucht halt - wie bei den meisten anderen Dingen auch - jemanden, der ihn mit der Nase draufstößt, damit er's merkt. ^^° @: Freut mich, wenn ich Dich amüsieren konnte. ^____^ So was hör ich doch immer wieder gerne. @: Ich auch nicht. ^.~ Klassenfahrten sind toll, solange man wenigstens einen Freund oder eine Freundin in der Klasse hat. Und mittlerweile ist Janni ja nicht mehr alleine. @: Tja, Janni hat halt die Fallsucht. Der kippt ja dauernd irgendwie um. XD Aber ganz ehrlich, ich mag genau das an ihm so. Er ist so putzig. *ihn puschel* @: Yap, die Familienverhältnisse bei Ruben zu Hause sind ... bescheiden. Dazu wird's später auch noch mal nähere Informationen geben. Papa hat einen Grund dafür, so arschig zu sein. Aber obwohl ich weiss, was sein Grund ist, kann ich ihn trotzdem nicht ausstehen. -.- Egal. Wenigstens einen Hass-Charakter braucht wohl jede Story. Und ich hab hier gleich mehrere. Simons Vater, Jans Vater, Kevin, Carsten ... Aber dafür mag ich die Anderen - Ruben, Janni, Simon, Jassi, Christie etc. - umso lieber. Hier in dem Kapitel gibt's übrigens mal wieder ein bisschen Jassi. Ich mag den Knaben. Er ist einfach toll. Ich liebe es, wenn er Janni den Kopf zurechtrückt. *Jassi puschel* Und es gibt natürlich auch wieder eine Portion Simon so wie eine gehörige Portion Depressionen für Janni. Der arme Kleine tut mir schon leid, aber Ruben wird ja ... Ach, das verrate ich lieber noch nicht. Lasst euch überraschen. ^.~ Viel Spaß! Karma ~*~ Der nächste Morgen nach einer eindeutig viel zu kurzen Nacht beginnt für mich mit unglaublich nervtötendem Gelächter, das ich erst nach einer Minute, in der ich durch dieses Geräusch beinahe wahnsinnig werde, Rubens blödem SpongeBob-Wecker zuordnen kann. Wer auch immer dafür verantwortlich ist, dass ich diesem Teufelsding ausgesetzt bin, wird eines grausamen Todes sterben, sobald ich wach genug dafür bin, so viel steht schon mal fest. Das ist ja Folter! Missmutig grummelnd strampele ich mich aus der Bettdecke frei und setze mich erst mal auf. Das Verlangen, mich einfach wieder zurückfallen zu lassen, ist riesig, aber bevor ich dazu komme, wird die Badezimmertür aufgerissen und ich sehe mich einem geradezu ekelhaft gut gelaunten Ruben gegenüber, der mich so sehr anstrahlt, dass ich fast geblendet werde. "Guten Morgen, Du Schlafmütze!", begrüßt er mich fröhlich, aber ich grummele nur. Wie kann man so früh morgens – es ist, wie ich mit einem raschen Blick auf das knallgelbe Folterinstrument feststelle, gerade kurz nach halb acht – nur schon so widerlich gut drauf sein? Das gehört doch verboten, aber eindeutig. "Komm, steh auf und mach Dich fertig, sonst kommen wir zu spät zum Frühstück." Damit werde ich gepackt, aus dem Bett gezerrt und ins Bad verfrachtet. Murrend versuche ich erst die geschlossene Tür und dann mein Spiegelbild mit dem mir eigenen Todesblick zu durchbohren, aber da der sich – wieder mal – als vollkommen nutzlos erweist, entledige ich mich einfach nur meines Pyjamas, stelle mich unter die Dusche und hoffe, dass das meine Lebensgeister weckt. Nicht wirklich zu meiner Überraschung klappt das allerdings nicht, aber damit hab ich schon gerechnet. Ist ja auch kein Wunder, dass ich nach einer Nacht, in der ich so gut wie gar nicht geschlafen hab, nicht richtig in die Gänge komme. Seufzend wische ich mir meine nassen Haare aus dem Gesicht, stelle die Dusche ab und schnappe mir ein Handtuch, um mich abzutrocknen. Dabei versuche ich, die blöden Gedanken, die mich die ganze letzte Nacht beschäftigt haben, zu verdrängen, aber das ist gar nicht so einfach. Ob ich will oder nicht, ich muss immer wieder darüber nachdenken, was Ruben mir über Simon erzählt hat – über Simon und über Flo. Dass sie eine Fi– ... dass sie nicht mehr zusammen sind, aber sich trotzdem noch treffen, um ... um ... eben um Sex miteinander zu haben. Das macht mich fertig. Ich meine, was habe ich denn schon zu bieten im Vergleich zu Flo? Ich bin ein Zwerg, der sich ständig selbst blamiert, sich bei den nichtigsten Kleinigkeiten in eine Tomate verwandelt und es nicht mal gebacken kriegt, über ... über so was wie Sex auch nur nachzudenken, ohne sich gleich in Grund und Boden zu schämen. Flo ist älter und sicher auch viel reifer als ich, sieht besser aus und hat bestimmt keine solchen dummen, peinlichen und lächerlichen Probleme wie ich. Außerdem war er ja auch mal mit Simon zusammen, also kennt er ihn sicher ganz genau – im Gegensatz zu mir. Ganz ehrlich, wenn Simon jemanden wie Flo haben kann, was sollte er dann von mir wollen? Ich bin doch nichts Besonderes, sondern nur ein total verklemmter Sechzehnjähriger, der gerade erst realisiert hat, dass er ganz offensichtlich auf Jungs ... dass er schwul ist. Da, schon wieder. Ich kann's ja nicht mal denken, geschweige denn, es auch noch laut aussprechen. Am liebsten möchte ich meinen Kopf ein paar Mal ganz feste gegen die nächstbeste Wand schlagen. Wie kann man sich nur so furchtbar affig aufführen? Und wenn Simon hundertmal schwul ist, für so einen Idioten wie mich wird er sich doch nie interessieren. Verdammt, ich hasse mein Leben! "Scheiße!", fluche ich und erschrecke mich im nächsten Moment halb zu Tode, als Ruben die Badezimmertür aufreißt. "Ist alles okay, Jan?", fragt er besorgt und ich nicke hektisch, während ich gleich mal wieder knallrot anlaufe. Nur gut, dass ich nicht alle meine Gedanken laut ausgesprochen hab. Das, was mich so beschäftigt, muss Ruben nun wirklich nicht wissen. "Dann beeil Dich mal, sonst kommen wir wirklich noch zu spät", treibt er mich zur Eile an und ich füge mich unhörbar murrend in mein Schicksal. Weigern hilft ja doch nichts. Die Erde hört ja nicht plötzlich auf, sich zu drehen, nur weil in meinem Leben mal wieder alles scheiße ist. Ansonsten wäre die Welt wohl auch ein Stop-Motions-Film oder wie auch immer diese Dinger heißen. Diese Gedanken ganz weit nach hinten in den hintersten Winkel meines Bewusstseins verbannend schlurfe ich ins Zimmer zurück, um mich anzuziehen, während Ruben noch mal kurz ins Bad wuselt. Kaum dass ich fertig bin, steht er allerdings auch schon startbereit neben mir und ehe ich mich versehe, packt er meine Hand und schleift mich hinter sich her aus dem Zimmer und wahllos irgendeinen Gang entlang. Zumindest vermute ich das, erkenne aber schnell, dass ich mich ganz offenbar geirrt habe. Entweder kann Ruben hellsehen oder aber er weiß aus irgendeinem Grund, den ich nicht kenne, ganz genau, wohin wir müssen. Er führt mich nämlich zielstrebig in den Speisesaal, in dem sich neben Frau Römer und Herrn Schierling auch schon gut die Hälfte unserer Klasse aufhält. An der Wand gegenüber der Tür, durch die wir treten, ist ein Frühstücksbüffet aufgebaut. Beim Anblick all des Essbaren beginnt mein Magen peinlich laut zu knurren und ich erinnere mich wieder daran, dass ich seit gestern Mittag nichts mehr gegessen hab, weil ich wegen Simon einfach zu aufgeregt war. Ruben neben mir lacht leise und schiebt mich dann auf das Büffet zu. "Du klingst, als sollte ich Dich schnell füttern, damit Du mich nicht noch anknabberst oder gar auffrisst", witzelt er, aber ich bin zu verlegen und auch zu müde, um darauf einzugehen, also nehme ich mir einfach nur eins der bereitstehenden Tabletts und fange an, es vollzuladen. So langsam habe ich wirklich tierischen Kohldampf. Bewaffnet mit meinem Frühstück will ich zu einem der noch freien Tische loslaufen, aber bevor ich dazu komme, schiebt Ruben mich aus dem Weg und drängelt sich an mir vorbei. Während ich noch um mein Gleichgewicht kämpfe und mich frage, was das gerade sollte, höre ich einen Schmerzenslaut, der eindeutig von Kevin kommt. "Sag mal, spinnst Du, mich zu treten?", motzt er Ruben an, doch der stemmt seine Hände in die Hüften und wirft einen giftigen Blick in Richtung Idiotentrio. "Hab ich Dir etwa weh getan? Das tut mir aber gar nicht leid! Hättest Du nicht versucht, Jan Beinchen zu stellen, dann hätte ich Dich auch nicht getreten. Echt, ich hab ja bisher schon gedacht, dass Dein Hirn auf Grundschulniveau tickt, aber das nehm ich zurück. So wie Du führen sich ja nicht mal Kindergartenkinder auf. Selbst die haben schon mehr Niveau als Du", blafft er Kevin an, während ich mit meinem Tablett nur rumstehe wie bestellt und nicht abgeholt und zu begreifen versuche, was hier gerade eigentlich los ist. Hat Ruben mich etwa schon wieder vor einer von Kevins Attacken gerettet? Das ist doch peinlich, verdammt! "Musst Du Deinen Lover beschützen, weil der sch nicht selbst wehren kann?", mischt Carsten sich ein und Ruben fährt zu ihm herum. "Hast Du ein Problem damit? Malte und Du, ihr ergreift doch auch immer Partei für Kevin. Was mag da wohl dahinterstecken? Ein Schelm, wer jetzt Böses denkt." Damit packt Ruben meine Schultern und schiebt mich in Richtung eines freien Tisches ganz in der Nähe von Frau Römer und Herrn Schierling, ohne auf die Flüche von Kevin und Carsten oder Maltes vollkommen entgleistes Gesicht zu achten. Sobald ich sitze, geht er zurück zum Büffet, holt sein eigenes Tablett und setzt sich damit dann neben mich. "Diese blöden Arschlöcher!", regt er sich auf und durchbohrt das Idiotentrio mit bösen Blicken, während er gleichzeitig sein Brötchen fast massakriert in dem Versuch, es aufzuschneiden. Ich hingegen starre ihn nur fassungslos an, weil ich nicht so ganz glauben kann, was da gerade passiert ist. "Sag mal", fange ich vorsichtig an und räuspere mich, als Ruben mich ansieht, "hast Du Kevin, Carsten und Malte gerade wirklich ein ... ein Dreiecksverhältnis unterstellt?", versichere ich mich dann dessen, was ich eben gehört zu haben glaube, und mache große Augen, als Ruben einfach nur nickt. "Ja, klar", antwortet er und grinst mich an. "So, wie die immer aufeinander hocken, finde ich das gar nicht so abwegig. Außerdem dachte ich, wenn die uns beiden eine Beziehung andichten, dann kann ich das bei denen auch. Auge um Auge, Zahn um Zahn, verstehst Du?" "Dir ist aber schon klar, dass sie Dich dafür umbringen, wenn sie Dich in die Finger kriegen, oder?", frage ich zaghaft, aber Ruben winkt ab. "Das sollen sie mal versuchen, wenn sie sich trauen. Die sind doch viel zu feige und zu dumm. Die glauben doch garantiert auch noch, dass Homosexualität eine Krankheit ist, mit der man sich infizieren kann. Keine Sorge, Jan. Solange die glauben, dass wir beide schwul sind, reißen die nur die Klappe auf, sonst nichts. Die haben viel zu viel Angst, sich vielleicht anzustecken, wenn sie einem von uns zu nahe kommen", versucht er, mich zu beruhigen, und ich nicke einfach nur, obwohl ich längst nicht davon überzeugt bin. Bevor ich allerdings noch weiter auf das Thema Kevin und seine beiden Dumpfbacken eingehen kann, steht Frau Römer auf und klopft mit ihrem Löffel gegen ihre Kaffeetasse. Sobald es ruhig ist und sie die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse hat, strahlt sie in die Runde. "So, kommen wir zum Programm für heute und morgen", beginnt sie und ignoriert das kollektive Aufstöhnen völlig. "Um halb zehn fahren wir in die Stadt, wo wir uns ein bisschen umsehen und auch eine kleine Schnitzeljagd veranstalten werden. Die Teams dafür werden nach Zimmern eingeteilt und die Aufgaben werden von Herrn Schierling und mir ausgelost. Für morgen steht eine Besichtigung des nahegelegenen Schlosses auf dem Programm", fährt sie stattdessen fort und ich seufze leise. Ich könnte gut und gerne auf diesen Quatsch verzichten, aber das wird mal wieder völlig ignoriert. Stattdessen werden wir dazu angehalten, und mit dem Frühstück zu beeilen. Danach dürfen wir kurz auf unsere Zimmer gehen, um das, was wir für diese blödsinnige Schnitzeljagd brauchen werden – also Schreibzeug und so – einzupacken, damit wir uns alle pünktlich um Viertel nach neun draußen auf dem Parkplatz am Bus treffen können. Ich bin nicht wirklich enthusiastisch bei der Sache, ganz im Gegensatz zu Ruben. Er stopft begeistert alles Mögliche und Unmögliche in seinen Rucksack und summt dabei fröhlich vor sich hin. So viel gute Laune ist fast schon gruselig, aber ich beschließe, nichts dazu zu sagen, sondern einfach nur meinen eigenen Rucksack zu packen und zu hoffen, dass der Tag schnell vorbei geht. Dadurch, dass ich nicht geschlafen hab, bin ich tierisch müde und es ist nur Rubens Mitschleiftaktik zu verdanken, dass ich mich nicht einfach ins Bett fallen lasse, um den verpassten Schlaf nachzuholen. "Das wird sicher lustig", behauptet Ruben, sobald wir auf dem Parkplatz stehen, aber ich antworte nicht, sondern brumme nur irgendwas und vergrabe meine Hände in meinen Jackentaschen. Von mir aus kann er das auffassen, wie er möchte. Das ist mir vollkommen egal. Wenn ich wacher wäre, hätte ich vielleicht auch meinen Spaß an dieser ganzen Sache, aber im Moment würde ich am liebsten auf der Stelle einschlafen. "Kommt, ihr Zwei, einsteigen", holt Herr Schierling mich wieder in die Realität zurück und ich leiste seiner Aufforderung brav Folge. Weigern nützt ja sowieso nichts. Im Bus stopft Ruben mich auf den Platz, auf dem er gestern gesessen hat, quetscht sich neben mich und grinst Herrn Schierling und mich dann gleichermaßen an. Einen Moment lang zucken meine Mundwinkel, aber für ein richtiges Grinsen bin ich nicht wach genug, also verschiebe ich das auf später und lasse stattdessen meine Augen zufallen, um vielleicht während der Fahrt in die Stadt ein bisschen zu dösen. Das klappt auch ganz gut, jedenfalls bis Ruben mich irgendwann wieder wachrüttelt. "Schöne Grüße von Christie und auch von den Anderen unbekannterweise", sagt er und hält mir sein Handy vor die Nase. Ich muss ein paar Mal blinzeln, bevor ich den Text entziffern kann. ››Hey, Sonnenscheinchen!‹‹, steht da als Begrüßung. ››Wie ist der Ausflug bis jetzt? Zu Hause ist es langweilig ohne Dich. Grüß Jan von mir und auch von den Anderen. HDL & MYM, Christie‹‹ "MYM?", frage ich krächzend und Ruben strahlt mich an. "Miss you much. Das schreibt Christie immer unter seine SMS", erklärt er mir, aber ich bin viel zu müde, um in irgendeiner Form zu reagieren oder mir auch nur Gedanken darüber zu machen, deshalb nicke ich einfach nur und unterdrücke unter Aufbietung aller verbliebenen Willenskraft ein Gähnen. "Dein Handy hat übrigens vorhin auch gepiepst", werde ich informiert und krame das Ding aus meiner Jacke. Tatsache, eine SMS. "Von Jassi", nuschele ich, nachdem ich einen Blick auf den Absender geworfen hab. ››Hi, Kleiner. Alles okay bei Dir? Gibt's was Neues wegen S.? Denk dran, ich bin immer für Dich da, wenn Du reden willst.‹‹, schreibt er, aber es ist sein letzter Satz – ››Treff mich am Samstag übrigens mit Sina!‹‹ –, der mich zum Schmunzeln bringt. ››Freut mich für Dich.‹‹, tippe ich zurück. ››Bei mir gibt's nicht viel Neues. Alles etwas blöd, aber ich komm schon klar. Ich ruf Dich später an, okay? Bis dann, Großer!‹‹ Ich schicke die SMS ab und muss grinsen, als ich sehe, wie Ruben neben mir auf seinem Platz herumhibbelt. "Und? Was schreibt er?", will er neugierig wissen und mein Grinsen wird noch ein Stückchen breiter. "Er wollte nur wissen, wie's mir so geht." Dass Jassi gefragt hat, was mit Simon ist, lasse ich einfach mal unter den Tisch fallen. Das ist zu persönlich. "Und mir außerdem sagen, dass er am Samstag ein Date hat", schiebe ich stattdessen noch hinterher und Ruben zieht einen Flunsch. "Schade. Ich hatte gehofft, er würde vielleicht mitkommen, wenn wir feiern gehen. Ich würd ihn nämlich gerne mal kennen lernen", sagt er und ich runzele nachdenklich die Stirn. "Davon hab ich ihm noch gar nichts erzählt", gebe ich beschämt zu. "Aber ich wollte ihn später sowieso anrufen, da kann ich ihn ja fragen, ob er nicht mitkommen will. Vielleicht bringt er Sina ja mit. Dann lerne ich sie auch gleich kennen", überlege ich laut und bin nicht wirklich überrascht, als Ruben gleich heftig nickt. "Au ja! Je mehr Leute wir sind, desto lustiger wird's doch!", behauptet er und obwohl ich ihm da nicht so ganz zustimmen kann – ich hab nicht so gerne viele Menschen um mich rum –, hoffe ich trotzdem, dass Jassi mitkommt. Dann kenne ich außer Ruben und Christie wenigstens noch jemanden und komme mir nicht ganz so verloren vor, wenn die Anderen sich vielleicht über Sachen unterhalten, bei denen ich nicht mitreden kann. Während meine Gedanken noch um den kommenden Samstag kreisen, hält der Bus und Ruben und ich lassen erst mal unsere geliebten Klassenkameraden aussteigen, um nicht plattgedrückt zu werden, ehe wir auch aus dem Bus klettern. Frau Römer hat schon angefangen, die Aufgabenzettel zu verteilen. Ruben und ich bekommen unsere zuletzt, werden aber ebenso angestrahlt wie der Rest der Klasse. "Wenn ihr mit den Aufgaben fertig seid, gebt ihr die Zettel entweder bei Herrn Schierling oder bei mir ab oder ihr deponiert sie im Bus. Wir treffen uns pünktlich um fünf Uhr hier wieder. Je eher ihr die Aufgaben erledigt habt, desto mehr Zeit habt ihr zu eurer freien Verfügung", teilt sie uns mit und entlässt uns dann mit einem enthusiastischen Winken. Nicht besonders begeistert lese ich mir die einzelnen Aufgaben durch und verkneife mir ein Seufzen. Das sieht ganz verdächtig danach aus, als ob wir kreuz und quer durch die ganze Stadt latschen müssen, um die Aufgaben zu lösen. Na bravo. Genau das hat mir heute noch zu meinem Glück gefehlt. Ganz toll, wirklich. Womit hab ich das eigentlich verdient? "Scheint, als hätten wir eine Menge Rennerei vor uns", spricht Ruben meine Gedanken laut aus und ich nicke seufzend. Ehe ich allerdings antworten kann, legt sich von hinten eine Hand auf meine Schulter und als ich mich umblicke, sehe ich genau in das Gesicht von Herrn Schierling. Seine zweite Hand liegt auf Rubens Schulter und er grinst uns an. "Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich mir als allererstes einen Stadtplan besorgen. Die Aufgaben müssen ja nicht unbedingt in der Reihenfolge bearbeitet werden, in der sie auf dem Zettel stehen." Damit lässt er uns wieder los, zwinkert uns noch einmal zu und schlendert dann fröhlich pfeifend zurück zu Frau Römer, die ihn scheinbar schon erwartet. "Der Schierling ist echt schwer in Ordnung", murmelt Ruben und ich nicke. Da hat er verdammt Recht. "Allerdings", stimme ich ihm deshalb zu. Genau aus diesem Grund, erinnere ich mich dabei wieder, hab ich Reli zu Beginn des Schuljahres auch nicht abgewählt. Herr Schierling ist, trotz seiner Macken, ein wirklich netter und vor allem auch guter Lehrer. "Dann lass uns mal zusehen, dass wir einen Stadtplan kriegen." Und schon werde ich mal wieder von Ruben mitgeschleift, aber ich wehre mich nicht dagegen. Warum sollte ich auch? Das wär ja lächerlich. Außerdem haben wir mehr Zeit für uns, wenn wir diese ganzen langweiligen Aufgaben erst mal gelöst haben. Vielleicht wird der Rest des Tages ja doch noch ganz nett. Trotz Stadtplan sind Ruben und ich bis kurz vor eins gut beschäftigt. Ganz zu Anfang haben wir uns zwei Mal ziemlich verlaufen, aber irgendwann hatten wir den Bogen mit dem Plan raus und haben es tatsächlich geschafft, alle Informationen zusammenzutragen – sogar in Arbeitsteilung. Ruben hat die Fragen gestellt, wenn es nötig war – wildfremde Menschen einfach so anquatschen kann er echt gut – und ich habe dafür das Schreiben übernommen. Im Augenblick sitzen wir auf einer Holzbank in einem winzigen Park mitten in der Innenstadt und ich will gerade damit anfangen, meine etwas krakeligen Notizen ins Reine zu schreiben, als Ruben mich antippt. "Was hältst Du davon, wenn wir erst mal ne kleine Pause machen und was essen, bevor wir zum Bus zurücklatschen?", fragt er und mein Magen übernimmt prompt das Antworten für mich, indem er laut und vernehmlich knurrt und Ruben so zum Lachen bringt. "Ich nehm das einfach mal als Ja", beschließt er fröhlich, schnappt sich den Stadtplan und dreht diesen ein bisschen hin und her. "Wenn wir da vorne nach links gehen, müssten wir nach McDoof kommen", informiert er mich dann und ich stopfe eben unsere gesamte Zettelwirtschaft in meinen Rucksack, werfe ihn mir über die Schulter und stapfe dann gemeinsam mit Ruben los. Keine Viertelstunde später haben wir es uns an einem der augenkrebserregend rot und gelb gefärbten Plastiktische so gemütlich wie möglich gemacht und stopfen lauter ungesundes Zeug in uns hinein, während wir nebenbei die Antworten auf die Aufgaben noch mal vernünftig formulieren, damit ich sie ordentlich aufschreiben kann. Ich bin fast fertig damit, als das Klingeln meines Handys mich aus meiner Konzentration reißt und mich halb zu Tode erschreckt. "Ja?", melde ich mich, nachdem ich den Störenfried aus meiner Jackentasche gefischt hab, und im nächsten Moment schallt mir auch schon Jassis Stimme entgegen. "Hey, mein Kleiner!", begrüßt er mich fröhlich und ich muss unwillkürlich lächeln. "Hey, Großer! Was ist los? Warum rufst Du an?", erkundige ich mich und kann förmlich hören, wie er grinst. "Ich hab gerade Pause und da dachte ich mir, ich erspar Dir den Anruf. Außerdem wollte ich wissen, was bei Dir so los ist. Du hast Dich ja ziemlich kryptisch ausgedrückt", erwidert er und ich werfe einen raschen Blick zu Ruben. Der sieht mich neugierig an, grinst und steht zu meiner Verwunderung auf. "Ich komm gleich wieder. Muss auch eben telefonieren", teilt er mir mit, aber sein Grinsen sagt mir, dass das eigentlich nur ein Vorwand ist, damit ich ungestört mit Jassi sprechen kann. Manchmal ist es ganz schön gruselig, wie sehr Ruben meine Mimik offenbar lesen kann. "Vergiss nicht, ihn wegen Halloween zu fragen, ja? Und grüß ihn mal von mir. Bis gleich." Damit winkt Ruben mir noch einmal und fischt auf dem Weg nach draußen sein Handy aus der Tasche. Ich blicke ihm nach und erst Jassis Stimme holt mich wieder in die Realität zurück. "Jan? Alles okay? Oder passt's gerade nicht? Dann melde ich mich nach Feierabend noch mal", bietet er an und ich schüttele schnell den Kopf, obwohl er das nicht sehen kann. "Nee, geht schon. Ruben ist gerade kurz rausgegangen, damit wir ungestört reden können. Na ja, so ungestört, wie's in einem gerammelt vollen McDoof eben geht. Wir machen gerade Mittagspause." "Das ist aber nett von ihm", findet Jassi und ich kann ihm da nur zustimmen. "So ist er eben. Ich soll Dich übrigens von ihm grüßen. Und ich soll fragen, ob Du und Sina am Samstag nicht vielleicht mitkommen wollt. Ruben und seine Freunde wollen abends Halloween feiern und er hat mich bequatscht, mitzukommen." Ein paar Sekunden ist es still und ich kann schon fast hören, was Jassi gerade denkt – "Du und feiern, Kleiner? Und dann auch noch ausgerechnet Halloween? Bist Du krank?" –, aber er spricht das nicht laut aus. "Ich müsste mit Sina abklären, ob sie Lust hat. Wir wollten am Nachmittag ins Kino und dann eigentlich mal weitersehen, aber ein bisschen feiern klingt gut. Ich frag sie gleich mal und schreib Dir dann nachher", verspricht er stattdessen. "Aber eigentlich hab ich nicht wegen Sina oder Samstag angerufen, sondern wegen Dir. Ist alles okay? Wie geht's Dir?", erkundigt er sich dann besorgt und ich schlucke schwer. Wie soll ich ihm das, was in den letzten Tagen passiert ist, am besten erzählen? "Ähm ...", fange ich an, breche aber sofort wieder ab und kneife meine Augen ganz fest zusammen. Ich kann deutlich fühlen, wie ich wieder mal rot anlaufe. "Also ... Ich hab gestern was erfahren. Über ... über Simon", beschließe ich, mich auf das Wesentliche zu beschränken. Wenn ich jetzt haarklein alles erzähle, wird das zu teuer für Jassi – mal ganz davon abgesehen, dass das wahrscheinlich auch seine Pause sprengen und ihm eine Menge Ärger einbringen würde. Und das will ich nicht. "Und das wäre?", erkundigt Jassi sich ungeduldig und ich atme noch einmal tief durch, ehe ich das ausspreche, was mir die ganze letzte Nacht den Schlaf geraubt hat. "Simon ist schwul." Die Worte purzeln so schnell über meine Lippen, dass ich mich selbst kaum verstehe, aber Jassi hat damit scheinbar kein Problem. Manchmal ist mir sein Talent, auch mein schlimmstes Genuschel zu verstehen, echt unheimlich. "Was? Wirklich? Verscheißerst Du mich auch nicht?", kommt es zurück und ich nicke, obwohl er dass ja nun wirklich auf die Entfernung nicht sehen kann. "Ja. Ruben hat mir das gestern Abend erzählt. Deshalb hat Simon ja solchen Stress mit seinen Eltern", bestätige ich. Dabei kann ich das fassungslose Gesicht meines besten Freundes förmlich vor mir sehen. "Na, das ist doch super!", bekomme ich nach kurzem Schweigen zu hören und blinzele verwirrt. "Wieso das denn?", frage ich, denn diese Logik verstehe ich nicht. "Überleg doch mal, Jan. Wenn er schwul ist, dann hast Du doch ne Chance. Du musst ihm bloß sagen, was Du für ihn empfindest, und dann ist alles in Butter", behauptet Jassi gut gelaunt und ich werde gleich noch einen ganzen Tacken röter. "Nein!", widerspreche ich laut und heftig und mache mich dann in meinem Sitz so klein wie möglich, als ich die neugierigen Blicke bemerke, die mein peinlicher Ausbruch zur Folge hat. "Nein, das geht nicht", bekräftige ich leiser, aber trotzdem nicht weniger energisch. Jassi spinnt doch! Ich kann doch nicht zu Simon gehen und ihm sagen, dass ich ... dass er ... Nein, auf keinen Fall! Ich bin doch nicht lebensmüde! "Und warum geht das nicht?", fragt Jassi zurück, ohne sich von meinen Worten beeindrucken zu lassen. "Hat er etwa nen Freund?", will er weiter wissen und ich schüttele den Kopf – nicht nur, um seine Frage zu verneinen, sondern auch, um das Bild von Flo, das sich vor mein inneres Auge schiebt, gleich wieder in die hinterste Ecke meines Bewusstseins zu verdrängen. Daran will ich im Augenblick mal so gar nicht denken. "Nicht direkt", nuschele ich und spreche schnell weiter, als vom anderen Ende der Leitung ein abgrundtiefes Seufzen kommt. "Er ... er hat keinen Freund, aber Ruben sagte, er ... er trifft sich noch ab und zu mit seinem Exfreund, um ... um mit ihm ... Du weißt schon." Dieses Thema ist mir so unglaublich peinlich, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde. "Und Flo ... Na ja, Flo ist alles, was ich nicht bin. Er sieht gut aus und er kennt Simon schon lange und ... Was sollte er denn mit mir? Ich ... ich hab doch nichts zu bieten", flüstere ich so leise, dass ich meine eigene Stimme kaum verstehe, aber für Jassi ist das kein Problem. "Jan, Du bist ein Holzkopf", teilt er mir mit, seufzt ein weiteres Mal und ich kann hören, dass er sich durch die Haare fährt. "Ehrlich, manchmal möchte ich Dich ... Wieso glaubst Du bitteschön, Du hättest nichts zu bieten? Du bist ein echter Schatz und dieser Typ kann verdammt noch mal froh sein, dass Du Dich überhaupt für ihn interessierst. Außerdem glaub ich, Dein Simon mag Dich auch mehr als nur ein bisschen. Nein, widersprich mir nicht", fällt er mir ins Wort, noch bevor ich überhaupt etwas sagen kann. "Hör mir einfach nur zu. Kein Kerl schleppt einen anderen Kerl – oder wahlweise auch ein Mädchen, aber das tut hier ja nichts zur Sache – irgendwohin, um sich gemeinsam einen Sonnenuntergang anzusehen, wenn von seiner Seite kein Interesse besteht. Das kannst Du mir ruhig glauben, Jan. So was Romantisches würd ich jedenfalls garantiert nicht mit einem Mädchen machen, von dem ich nichts will, aber mit Sina schon. Und glaub mir, jeder Kerl tickt so. Das ist genetisch. Man legt sich nicht für jemanden ins Zeug, den man kaum kennt, ohne dabei irgendwelche Hintergedanken zu haben oder sich was davon zu versprechen. Ich sag Dir, Jan, Du hast auf jeden Fall Chancen bei Deinem Simon, also tu Dir selbst einen Gefallen und sprich mit ihm. Am besten so schnell wie möglich." Jassis Stimme klingt schon fast beschwörend und ich würde ihm nur zu gerne glauben – ein Teil von mir tut das sogar, wenn ich nach meinem Herzklopfen und der Hitze meines Gesichts urteilen soll –, aber ich schüttele trotzdem energisch den Kopf, um diese kindische Hoffnung zu vertreiben. Wenn ich jetzt tatsächlich anfange, Jassis Worten zu glauben, dann ist die Enttäuschung nachher nur umso größer und wird mir nur noch mehr weh tun. Außerdem, selbst wenn Jassi doch Recht haben sollte, kann ich Simon trotzdem nichts von meinen Gefühlen erzählen. Ich würde vor Scham sterben, ohne auch nur ein Wort über die Lippen gebracht zu haben. Ich kenn mich doch. Ich würde stottern und rot werden und mich endgültig und hoffnungslos blamieren und Simon würde mich auslachen und ... "Bist Du noch da, Jan?" Jassis Frage holt mich wieder aus dem Horrorszenario, in dem ich Simon alles zu beichten versuche und mich stattdessen vollkommen zum Horst mache. Ich zucke erschrocken zusammen und nicke dann hektisch. "Ja, ich ... bin noch dran. Alles okay. Ich ... hab nur ... nachgedacht", stammele ich leise und verkrieche mich noch etwas tiefer in meinem Sitz. "Ich ... ich kann das nicht, Jassi", gebe ich dann beschämt zu. "Wenn ich ... Er lacht mich doch aus, wenn ich ihm sage, dass ... wenn ich ihm davon erzähle, was ich ... Ich kann das einfach nicht. Auf keinen Fall." Meine Stimme wird immer leiser und ich erwarte beinahe schon, dass Jassi frustriert seufzt – es ist sicher furchtbar nervig für ihn, sich um mich kümmern zu müssen, wenn ich mich so kindisch aufführe –, aber zu meiner Verwunderung tut er das nicht. "Mann, Dich hat's ja echt total erwischt", stellt er stattdessen fest und seine Stimme klingt so lieb und so tröstend, dass ich am liebsten losheulen würde. "Hör mal, ich weiß, dass das verdammt schwer ist und viel Mut erfordert – wahrscheinlich sogar noch mehr als bei einem Mädchen –, aber Du kannst das. Und glaub mir, er wird Dich ganz bestimmt nicht auslachen. So ein Arschloch ist er doch wohl nicht, oder?" "Nein", widerspreche ich leise und beiße mir auf die Unterlippe. "Aber ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich ... Das schaff ich nicht." Nein, das geht einfach nicht. Schon beim bloßen Gedanken daran wird mir schlecht und mein Herz rast, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Verdammt, warum kann ich nicht wenigstens ein kleines bisschen mutiger sein? "Weißt Du, was wir machen?", fragt Jassi und zwingt mich so, mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. "Ich komm am Samstagabend auf jeden Fall mit – egal ob mit oder ohne Sina. Und dann coache ich Dich, okay? Wenn Du nicht mit ihm redest, gehst Du irgendwann noch kaputt, Jan. Und das werde ich verhindern. Ich werd nicht für Dich mit ihm reden – das ist Deine Sache, nicht meine –, aber ich werd da sein und Dir den Rücken stärken. Wann immer Du bereit bist, mit ihm zu sprechen, komm ich vorbei und bin einfach da, in Ordnung?", bietet er an und ich kann nicht anders als zu nicken, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. "Okay", gebe ich mich leise geschlagen und versuche zu lächeln, aber es wird nur eine etwas verunglückte Grimasse daraus. "Ich ... muss jetzt langsam aufhören", nuschele ich dabei. "Ich auch. Meine Pause ist fast rum. Also bis Samstag, Kleiner. Und halt die Ohren steif. Du kriegst das hin. Du bist sehr viel stärker als Du glaubst. Überleg doch mal, was Du schon alles geschafft hast", versucht Jassi, mich aufzubauen, und ich bemühe mich, meine Stimme wenigstens ein bisschen fester klingen zu lassen. "Bis Samstag dann, Großer. Und grüß Sina mal unbekannterweise von mir", verabschiede ich mich, lege auf und stopfe mein Handy zurück in meine Jackentasche. Kaum dass das geschehen ist, kommt Ruben, der die ganze Zeit draußen gestanden hat, wieder herein und lässt sich wieder auf den Platz mir gegenüber fallen, auf dem er vorhin schon gesessen hat. "Schlechte Neuigkeiten?", fragt er und mustert mich halb skeptisch, halb besorgt, als ich nur den Kopf schüttele. Seinem Blick weiche ich dabei absichtlich aus, damit er mich nicht sofort durchschaut. "Jassi hat gesagt, er kommt am Samstag auf jeden Fall mit." Warum das so ist, behalte ich für mich. "Was mit Sina ist, wusste er noch nicht, aber er wollte sie fragen und mir später deswegen Bescheid sagen", erzähle ich und kann aus dem Augenwinkel erkennen, dass Ruben nickt. Sein erwartetes begeistertes Strahlen bleibt allerdings aus und ich schlucke schwer, als er sich halb über den Tisch beugt und mir so nah kommt, dass ich nun doch praktisch gezwungen bin, ihn anzusehen. "Was ist los mit Dir, Jan?", erkundigt er sich und in seinen braunen Augen liegt Sorge. "Du hast doch irgendwas. Umsonst machst Du doch nicht ein Gesicht als säßest Du beim Zahnarzt und müsstest ohne Betäubung eine Wurzelbehandlung über Dich ergehen lassen. Was auch immer es ist, Du kannst es mir ruhig sagen", bietet er an und ich will den Kopf schütteln, abwiegeln und ihm sagen, dass alles in Ordnung ist, aber das schaffe ich nicht. Stattdessen schrumpfe ich in meinem Sitz nur noch ein bisschen mehr zusammen und krächze ein "Ist nicht so wichtig", das Ruben mir allerdings augenscheinlich absolut nicht abkauft. "Ich glaub Dir nicht", bestätigt er meine Vermutung auch gleich. "Du siehst aus, als ginge es Dir richtig mies. Und ich hasse es, wenn es jemandem, den ich mag, nicht gut geht", sagt er und ich bekomme ein schlechtes Gewissen. "Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber Du kannst mit mir trotzdem über alles reden – egal, was es ist. Ich werd Dich nicht auslachen und auch ganz bestimmt nichts Blödes sagen. Ich will Dir doch nur helfen, Jan." Rubens Stimme klingt eindringlich und mir entfährt ein abgrundtiefes Seufzen, ehe ich mich kurz in dem ziemlich vollen McDoof umsehe. "Nicht hier, okay?", bitte ich dann leise und Ruben nickt, steht auf und schnappt sich sein Tablett, um es wegzubringen. Ich tue es ihm gleich und atme tief durch, sobald wir McDoof verlassen haben und uns die kalte Oktoberluft entgegenschlägt. "Lass uns erst zum Bus gehen und diesen blöden Aufgabenzettel abgeben", schlage ich vor und mache mich gemeinsam mit Ruben auf den Weg, nachdem er wieder nur genickt hat. Schweigend gehen wir nebeneinander her und ich verfluche mich innerlich dafür, dass ich so leicht zu durchschauen bin. Wenn ich meine Gefühle nur ein kleines bisschen besser verstecken könnte, dann hätte Ruben nichts gemerkt, würde sich keine Sorgen um mich machen und ich müsste mir nicht überlegen, wie ich ihm von meinem Problem erzählen kann, ohne ihm zu verraten, dass der Kern meines Problems ausgerechnet sein großer Bruder ist. Nach knapp zwanzig Minuten Latscherei haben wir den Parkplatz erreicht, auf dem unser Bus steht. Von dem Fahrer ist weit und breit nichts zu sehen, aber wir müssen nicht lange warten, bis er in Begleitung einer sichtlich überraschten Frau Römer auf uns zukommt. "Ihr seid schon fertig?", fragt sie verwundert und während Ruben nickt, krame ich unsere Zettel aus meinem Rucksack und reiche sie ihr. "Können wir uns vielleicht schon mal in den Bus setzen, bis die Anderen zurückkommen?", bitte ich sie leise und sie wirft einen prüfenden Blick in mein Gesicht, bevor sie sich zum Fahrer umdreht und diesem die Anweisung gibt, die Tür zu öffnen. Scheinbar sehe ich gerade genauso fertig aus, wie ich mich fühle, denn mich trifft beim Einsteigen noch ein besorgter Blick und nur eine rasche Versicherung meinerseits, dass mit mir alles okay ist – unterstützt von Ruben, der verspricht, Bescheid zu sagen, wenn was sein sollte –, verhindert, dass Frau Römer sich zu uns gesellt. Sobald die Bustüren hinter uns zugefallen sind, pellen Ruben und ich uns aus unseren Jacken, hocken uns auf unsere Plätze und kaum dass ich sitze, sehe ich mich auch schon mit braunen Augen konfrontiert, die mich abwartend mustern. "Okay, was ist los?", verlangt Ruben zu wissen und ich verkrieche mich abgrundtief seufzend in der Kapuze meines Pullis, während meine Finger wie von selbst mit dem Saum zu spielen beginnen. Ich weiß nicht genau, wo und wie ich anfangen soll, aber glücklicherweise drängt Ruben mich nicht, sondern wartet einfach nur darauf, dass ich von selbst mit dem Sprechen beginne. Das ist sicher nicht leicht für ihn und genau deshalb bin ich ihm besonders dankbar für seine Rücksichtnahme. "Was ... was würdest Du tun, wenn Du ... wenn Du Dich verliebt hättest? In ... in einen anderen Jungen?", ergreife ich schließlich das Wort und bin fast froh um die Deckung, die mir meine Kapuze bietet. Mein Gesicht leuchtet nämlich mal wieder in schönstem Scharlachrot und ich will einfach nicht, dass Ruben mich so sieht. Das ist mir zu peinlich. "Was ich in so einem Fall tun würde?", fragt er nach und ich kann aus dem Augenwinkel erkennen, dass er nach meinem Nicken die Stirn kraus zieht. "Ich würd erst mal rauszufinden versuchen, ob er generell Interesse an Jungs hat und was er von mir hält", bekomme ich nach kurzem Schweigen zur Antwort. "Und dann würd ich's ihm wohl sagen, schätze ich", fährt Ruben fort und lehnt sich etwas näher zu mir. "Das ist Dein Problem?", will er wissen und als ich nicke, tätschelt er mir das Knie. "Und? Weißt Du, ob er auf Jungs steht?", bohrt er weiter und wieder nicke ich einfach nur stumm, während mir gleich noch mehr Blut ins Gesicht schießt. "Und weiter? Ist er solo oder vergeben? Und was hält er von Dir? Hast Du's ihm schon gesagt?", kommt gleich ein ganzer Fragenkatalog hinterher und ich wünsche mich ans andere Ende der Welt. Warum hab ich Idiot mich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen? Ich muss doch vollkommen bescheuert sein. Klarer Fall von geistigem Totalausfall, echt. Wie kann ein einzelner Mensch alleine nur so blöd sein? Das ist doch schon nicht mehr feierlich. "Nein", beantworte ich Rubens letzte Frage mit etwas Verspätung." Und ich kann ihm das auch nicht sagen. Ich kann einfach nicht. Er ... er mag mich zwar, aber er hat ... Da gibt es einen Anderen, der ihn viel besser kennt und viel mehr von ihm weiß als ich. Ich kenn ihn doch kaum. Noch nicht mal zwei Wochen. Und ich wusste bis Sonntag ja nicht mal, was diese ganzen bescheuerten Gefühle bedeuten, die ich hab, wenn ich ihn sehe. Das musste Jassi mir erst erklären, weil ich alleine einfach zu doof war um zu merken, dass ich mich in ihn verliebt hab. Und jetzt ... Ich bin doch viel zu blöd für ihn. Er ... er würde mich bestimmt auslachen, wenn ich ihm erzähle, was ich ... wie ich mich fühle, wenn er einfach nur da ist und mich anlächelt oder mit mir spricht oder so. Im Gegensatz zu ihm bin ich doch fast noch ein Kind. Er ... er kann mich doch gar nicht ernst nehmen. Ich bin doch sogar eifersüchtig auf Franzis dummen Kater, weil der ihn so gerne mag und weil er Slim auch mag und weil er ihn gestern gekrault hat, bevor er mich zur Schule gefahren hat. Ich mein, hallo? Wie peinlich ist es denn bitte, eifersüchtig auf eine Katze zu sein, nur weil er ..." Etwas hilflos breche ich ab und zupfe am Saum meines Pullovers herum. Ruben ist unnatürlich still, aber ich traue mich einfach nicht, ihn jetzt anzusehen. "Whoa!", entfährt es ihm nach scheinbar endlosem Schweigen und ich zucke erschrocken zusammen, als ich so plötzlich aus meinen Gedanken gerissen werde. Bevor ich mich wehren kann, wird mir die Kapuze vom Kopf gezogen und der Protest, der mir auf der Zunge liegt, löst sich in Nichts auf, als ich Rubens Gesicht sehe. Er strahlt wie ein Kaufhausweihnachtsbaum und ich verstehe diese Reaktion absolut nicht. Was ist denn jetzt bitteschön kaputt? Worüber freut er sich denn so? Findet er mein Problem etwa lustig oder was? "Du hast mich ganz schön erschreckt, Jan", gibt Ruben zu und ich werde nur noch verwirrter. So langsam begreife ich echt gar nichts mehr. "Als Du angefangen hast zu reden, dachte ich im ersten Moment, Du meinst mich", fährt er fort und kichert, als ich ihn erst aus weit aufgerissenen Augen anstarre und gleich darauf hektisch den Kopf schüttele. "N-Nein, ich ...", setze ich an, aber Ruben lässt mich nicht ausreden. "Jaja, ich weiß doch, dass Du mich nicht meinst", wehrt er meinen Einwand ab und rutscht noch etwas näher zu mir, so dass ich zwischen dem Fenster und ihm praktisch gefangen bin. "Ist das echt wahr?", will er dann wissen und als er seine nächste Frage stellt – "Hast Du Dich wirklich in meinen Bruder verliebt?" –, verliert mein Gesicht schlagartig sämtliche Farbe und ich hab das Gefühl, ohnmächtig zu werden. "Wieso ...? Woher ..?", stottere ich und Ruben grinst mich an. "Du hast es mir doch gerade selbst erzählt", triumphiert er und sein Grinsen wird noch breiter, als ich ihn einfach nur fassungslos anstarre. "Klar, Du hast keinen Namen genannt, aber Du hast gesagt, dass Du eifersüchtig auf Deine Katze bist und dass er Dich gestern zur Schule gefahren hat, also kann mit er ja nur Simon gemeint sein", argumentiert er und ich werde, sofern das möglich ist, noch etwas blasser. "I-Ich ... Das ... Ich hab ... Ich ..." Ich kriege keinen vernünftigen Satz zustande, doch das scheint Ruben nicht zu interessieren. Er lässt mich auch gar nicht richtig zu Wort kommen, sondern drückt mich urplötzlich so fest an sich, dass ich fast keine Luft mehr bekomme. "Das ist ja so super!", quietscht er mir dabei ins Ohr und mir wird schwindelig. Ich begreife einfach nicht, warum er so reagiert, wie er es gerade tut. Was findet er denn bitteschön so toll daran, dass ich unglücklich in seinen großen Bruder verliebt bin? "Ihr beide wärt so ein süßes Paar", wird mir mitgeteilt und etwas mühsam schiebe ich Ruben von mir, damit ich wieder atmen kann. Dann will ich ihm eigentlich klipp und klar sagen, dass er sich da gerade irgendwelchen Unsinn zusammenspinnt, aber alles, was meinen Mund verlässt, ist ein gekrächztes "Aber ... aber Flo und ...", auf das Ruben einfach nur mit einem Augenrollen reagiert. "Die sind doch schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr zusammen. Das ist doch bloß Sex", erklärt er mir abwinkend und bei der Erwähnung des S-Wortes schießt mir beinahe mein ganzes Blut wieder ins Gesicht. Ruben grinst kurz über mich kleines Ampelmännchen, wird aber gleich darauf wieder ernst. "Genau betrachtet ist mein Bruder also Single – und zwar schon seit mehr als einem Jahr. Und er mag Dich auf jeden Fall. Wir müssen also nur noch rausfinden, ob da mehr ist, und wenn ja, dann musst Du ihm nur sagen, dass Du in ihn verliebt bist. Ich kann ihn ja mal fragen, was er über Dich denkt", bietet er an und ich schüttele fast schon panisch den Kopf, während ich gleich noch ein paar Nuancen röter werde. Wo bin ich denn hier bloß hineingeraten? Hilfe! "Nein!", widerspreche ich fast schon ein bisschen hysterisch und schüttele meinen Kopf noch heftiger, bis mir schwindelig wird. "Ich ... Bitte sag ihm nichts, Ruben. Ihm nicht und auch sonst niemandem. Bitte!", beschwöre ich Ruben und er sieht mich einen Moment lang stirnrunzelnd an, ehe er schließlich schwer seufzend nickt. "Okay, einverstanden. Ich behalt's für mich und werd's nicht mal Christie erzählen", verspricht er dann ernst und ich lehne meinen Kopf gegen die kalte Glasscheibe hinter mir. Ich weiß nicht so recht, wie ich mich fühlen soll, nachdem jetzt neben Jassi auch Ruben über die ganze Sache mit Simon Bescheid weiß. Einerseits bin ich irgendwie froh, dass es raus ist, aber andererseits hab ich auch Angst. Was, wenn Ruben sich doch verplappert – nicht absichtlich, sondern durch ein Versehen? Das überleb ich nicht! "Du musst Dir keine Sorgen machen, Jan. Ich kann schweigen", spricht Ruben das an, was mir gerade durch den Kopf geht, und ich zucke leicht zusammen. Offenbar bin ich nicht nur für Jassi, sondern auch für Ruben ein offenes Buch. Ganz toll. Warum hasst mein Leben mich eigentlich so? Warum muss ich immer der Arsch für alle sein? Das ist nicht fair! "Mhm", nuschele ich nur als Antwort, schließe meine Augen und lehne mich wieder halb an die Fensterscheibe und halb an die Rückenlehne meines Sitzes. Die Müdigkeit der vergangenen Nacht, die ich in den letzten Stunden mehr oder weniger erfolgreich unterdrückt hab, kehrt mit aller Macht zurück und ich wehre mich nicht, als ich merke, dass ich langsam wegzudämmern beginne. Ruben lässt mich in Ruhe und ich bin ihm dankbar dafür. Vielleicht kann ich wenigstens ein bisschen Schlaf nachholen, bis der Rest unserer Klasse eintrudelt und wir zurück zur Herberge fahren. "Leihst Du mir mal Dein Handy? Mein Akku ist leer. Dauert auch nicht lange", ist das Letzte, was ich noch mitkriege, bevor ich tatsächlich einschlafe. Ich werde erst wieder wach, als jemand an meiner Schulter rüttelt. "Wir müssen jetzt aussteigen, Jan", werde ich informiert und mein noch auf Sparflamme laufendes Hirn teilt mir mit reichlich Verspätung mit, dass ich offenbar die gesamte Rückfahrt zur Herberge verschlafen habe. "Komm", fordert mein persönlicher Wecker, der auch unter dem Namen Ruben bekannt ist, mich auf und nach dem vierten Anlauf gelingt es mir tatsächlich, aufzustehen, meine Jacke und meinen Rucksack zu nehmen und Ruben zu folgen. Ich stolpere mehr aus dem Bus, als dass ich wirklich laufe, und bin froh, dass Ruben vor mir geht und mir den Weg zu unserem Zimmer zeigt. So müde, wie ich gerade bin, würde ich mich alleine garantiert hoffnungslos verirren. Als wir unser Zimmer endlich erreicht haben, seufze ich erleichtert, lasse meinen Rucksack und meine Jacke einfach achtlos fallen und krieche dann vollständig bekleidet – bis auf die Schuhe, die ziehe ich vorher aus – ins Bett. Ich will einfach nur noch schlafen. "Jan, um halb sieben gibt's Essen", werde ich aus meinem Dämmerzustand gerissen und grummele ungnädig. "Kein Hunger. Will schlafen", nuschele ich und kann im nächsten Moment spüren, wie die Bettdecke über mich gezogen wird. "Okay, dann schlaf. Ich sag Herrn Schierling und Frau Römer Bescheid. Träum was Schönes. Bis später." Damit lässt Ruben mich alleine und kaum dass die Zimmertür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, bin ich auch schon wieder im Reich der Träume. Ein nerviges Geräusch, das ich erst nach ein paar Sekunden als den Klingelton meines Handys erkenne, reißt mich irgendwann wieder aus dem Schlaf. Im Zimmer ist es stockdunkel, ich bin alleine und rappele mich fluchend auf, um den Störenfried aus meiner Jacke zu holen. Wehe, es ist nicht wichtig! Wenn nicht mindestens der Weltuntergang bevorsteht, dann gibt's aber Tote, das schwöre ich. Ist es denn so schwer, mir ein paar Stunden Schlaf zu gönnen? Was hab ich dem Universum eigentlich getan, dass ich nicht mal in Ruhe pennen darf? Mit dem noch immer klingelnden Handy in der Hand lasse ich mich wieder ins Bett fallen und nehme dann erst das Gespräch entgegen, ohne einen Blick aufs Display zu werfen. Ich könnte jetzt sowieso nicht erkennen, wer da was von mir will. Dafür bin ich noch viel zu müde. "Wer stört?", motze ich deshalb auch nicht unbedingt freundlich, aber als ich die Stimme erkenne, die mir antwortet, ist meine ganze Müdigkeit mit einem Schlag verflogen und ich sitze senkrecht im Bett. "Das wüsste ich auch gerne", höre ich Simon sagen und mein Herz hängt seinen eigentlichen Dienst an den Nagel, um gemeinsam mit meinem Magen eine Artistenkarriere im Zirkus anzustreben. Diese blöden Organe schlagen nämlich einen Salto nach dem anderen und ich hab das Gefühl, jeden Moment wieder wie gestern Abend vom Bett zu kippen. Was ist denn jetzt kaputt? Und woher in aller Welt hat Simon bitteschön meine Handynummer? "Hallo? Kriege ich vielleicht heute noch eine Antwort?", fragt er, als ich nicht antworte, und der deutliche angenervte Unterton in seiner Stimme lässt mein Herz absacken und auch meinen Magen irgendwo auf dem Fußboden aufklatschen. Scheiße! "Ähm ... ich ...", stottere ich und breche gleich wieder ab, weil ich einfach nicht weiß, was ich sagen soll. Warum muss ich immer so verdammt nervös werden, wenn ich einfach nur seine Stimme höre? "Jan?", kommt es auf mein Gestotter hin erstaunt zurück und ich schlucke erst mal den Kloß in meinem Hals hinunter, ehe ich ein leises "Ja" nuschele. "Woher hast Du denn meine Nummer?", will Simon wissen, beantwortet sich seine Frage aber gleich selbst. "Von Ruben, oder? Also, was ist los? Warum hast Du mich angerufen?" "Hab ich ... hab ich gar nicht. Ich glaub, Ruben hat ... Aber er ist gerade nicht hier", stammele ich mir zurecht und möchte mich selbst dafür schlagen, dass ich mich schon wieder so blöd aufführe. "Er ist noch beim Essen, glaub ich", schiebe ich schnell hinterher. Dabei kann ich deutlich fühlen, wie mein Gesicht wieder mal zu glühen beginnt. "Oh, okay. Weißt Du denn, was er von mir wollte?", erkundigt Simon sich und ich schüttele den Kopf. "Nein, ich ... Er hat mir nichts gesagt. Ich hab aber auch bis eben noch geschlafen", antworte ich leise und bei Simons nächster Frage – "Ist alles in Ordnung mit Dir?" – klopft mein Herz gleich wieder schneller. Er klingt wirklich besorgt und trotz eines Anflugs von schlechtem Gewissen kann ich nicht umhin, mich darüber zu freuen, dass er sich tatsächlich meinetwegen Sorgen macht. "M-Mir geht's gut. Ich hab nur letzte Nacht kaum geschlafen", warum das so ist, behalte ich allerdings lieber für mich; das muss er wirklich nicht wissen, "deshalb hab ich mich nach dem Ausflug hingelegt", erkläre ich ihm stattdessen. "Dann ist ja gut." Simon klingt erleichtert und ich kann fühlen, wie ich zu lächeln beginne. Und obwohl ich unglaublich nervös bin, bin ich gleichzeitig auch irgendwie froh darüber, dass Ruben jetzt gerade nicht hier ist. Dadurch hab ich nämlich die Gelegenheit, mich ein bisschen mit Simon zu unterhalten – auch wenn ich nicht so genau weiß, worüber ich mit ihm reden soll. Aber allein seine Stimme zu hören reicht mir eigentlich schon aus – obwohl mir genau das auch wieder klar macht, wie sehr ich ihn eigentlich vermisse. "Wie ... wie geht's Dir?", frage ich leise, nur um überhaupt etwas zu sagen, und bei Simons nächsten Worten kann ich sein Lächeln nicht nur hören, sondern fast schon vor mir sehen. "Gut", antwortet er und als er leise lacht, breitet sich auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut aus. Irgendwie fühle ich mich ihm gerade verdammt nahe, obwohl zig Kilometer zwischen uns liegen. Aber ich kann seine Stimme hören und so kann ich mir einreden, dass ich zu Hause in meinem Bett liege und eigentlich nur ein paar Stufen raufgehen müsste, um ihn in Natura vor mir zu sehen. "Übrigens wirst Du hier ganz schön vermisst", teilt Simon mir mit und meine Augen werden groß, während mein Herz gleich noch einen Zahn zulegt. Wie meint er das denn jetzt? "Wi-Wieso?", frage ich krächzend und wieder lacht er leise. "Na ja, Slim war heute Nachmittag oben bei mir. Er ist durch die ganze Wohnung gestreunt und hat mich ganz vorwurfsvoll angesehen, nachdem er Dich hier nicht gefunden hat. Ich glaube, er dachte, ich hätte Dich hier irgendwo bei mir versteckt", erklärt er mir dann und ich fühle eine unbestimmte Enttäuschung in mir aufsteigen. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass ich gehofft hatte, dass er mich vermissen würde und nicht der blöde Kater. Tja, wieder mal falsch gedacht. War ja auch klar. Warum sollte Simon mich auch vermissen? Er hat ja schließlich seinen Flo, da braucht er mich doch gar nicht. Irgendwie ist der Gedanke verdammt deprimierend. "Zum Glück bist Du morgen wieder da", holt Simons Stimme mich wieder aus meinen trüben Gedanken und obwohl ich es nicht will, freue ich mich doch über diese Worte. Wahrscheinlich ist es total lächerlich, aber ich will einfach glauben, dass er sich auch wenigstens ein kleines bisschen freut, mich wiederzusehen, wenn ich wieder nach Hause komme. "Weißt Du eigentlich schon, wann ihr ankommt?", will er wissen und ich schlucke schwer. Warum interessiert ihn das? Will er etwa ... "Weiß nicht. Aber wohl erst nachmittags oder abends. Wa-Warum?", frage ich zurück und versuche, mein wie wild pochendes Herz wieder unter Kontrolle zu kriegen, aber das ist leichter gesagt als getan. "Ich hab Deiner Schwester versprochen, dass ich Dich mit ihr zusammen abhole", erklärt Simon mir daraufhin und ich habe den unstillbaren Drang, Vicky für diese Idee zu knutschen. Ich liebe meine kleine Schwester. Ehrlich, für diese Aktion liebe ich sie. Dafür hat sie auf jeden Fall was gut bei mir. Scheiß drauf, ob sie selbst irgendwelche Hintergedanken oder sonst was hatte, als sie Simon gefragt hat. Allein dafür, dass sie ihn überredet hat, bin ich ihr was schuldig. "Super!", freue ich mich und schlage mir gleich darauf erschrocken die Hand vor den Mund. Ich Idiot! Noch viel auffälliger geht's ja wohl nicht. Ich bin doch so ein unsäglicher Trottel! Zu meiner Erleichterung geht Simon allerdings nicht auf meinen peinlichen Ausbruch ein. Er lacht zwar, aber ich habe trotzdem nicht das Gefühl, dass er sich über mich lustig macht oder mich auslacht. "Sobald Du weißt, wann ihr ungefähr an der Schule seid, kannst Du mir ja eine SMS schicken, damit wir pünktlich da sind. Meine Nummer hast Du ja jetzt. Und wenn Ruben zurückkommt, soll er kurz durchrufen, dann ruf ich zurück. Richtest Du ihm das von mir aus, Jan?", bittet er mich dann und ich nicke sofort. "Klar, ich sag's ihm", verspreche ich, ohne etwas gegen das überglückliche Grinsen tun zu können, das in meinem Gesicht klebt, seit ich weiß, dass Simon mich morgen abholt. "Dann bis morgen. Schlaf nachher gut, Jan", verabschiedet er sich und ich beiße mir auf die Unterlippe, um nichts Falsches zu sagen. "Werd ich ganz bestimmt – jetzt, wo ich weiß, dass ich Dich morgen auf jeden Fall sehe", liegt mir nämlich auf der Zunge, aber das spreche ich nicht aus, sondern nuschele nur leise "Du auch", ehe ich auflege und in einem peinlichen Anfall von Übermut mein Kissen umarme. Dabei grinse ich noch immer wie bescheuert und dieses Grinsen begleitet mich auch noch, als ich mich wieder aufrappele und ins Bad stratze, um mich umzuziehen und bettfertig zu machen. Gerade als ich damit fertig bin und im Dunkeln wieder ins Bett schlüpfen will, geht die Zimmertür auf und ich erblinde fast, als Ruben das Licht anknipst. "Du bist ja wach", stellt er fest und sieht mich mit schiefgelegtem Kopf an. "Hast Du gut geschlafen? Geht's Dir jetzt besser?", erkundigt er sich und ich nicke vielleicht eine Spur zu hektisch. "Ja, mir geht's gut", bestätige ich und hole erst mal tief Luft, um ihn nicht gleich mit Informationen tot zu labern. "Ich hab vorhin mit Simon gesprochen. Er sagte, Du sollst kurz durchrufen, dann ruft er zurück", richte ich dann erst mal das aus, was ich versprochen hab. Auf Rubens Lippen legt sich ein breites Grinsen und er winkt ab. "Ach, ich wollte doch gar nicht mit ihm sprechen. Jedenfalls nicht dringend. Ich hab ihn heute Nachmittag nur von Deinem Handy aus angerufen, weil ich wusste, dass er zurückrufen würde. Das macht er bei unbekannten Nummern immer. Und so hast Du jetzt seine Nummer", erzählt er mir und fängt an zu lachen, als ich ihn vollkommen fassungslos anstarre. Das war alles nur ein Trick, damit ich an Simons Handynummer komme? "Ich fass es nicht!", ächze ich und sofort hört Ruben auf zu lachen. "Jetzt kuck doch nicht so, Jan! Ich wollte Dir doch bloß helfen. Und ich hab nur kurz durchgeklingelt, aber nicht gewartet, bis er abgenommen hat. Sei nicht sauer, ja?", bittet er zerknirscht und ich schüttele den Kopf. "Ich bin nicht sauer", gebe ich ehrlich zurück und krabbele wieder unter die warme Decke. "Ich war einfach nur überrascht. Und ich find's nett von Dir", gestehe ich dann und lächele ganz leicht, obwohl mein Gesicht schon wieder rot leuchtet. "Übrigens holt Simon mich morgen auch wieder ab. Vicky hat ihn dazu überredet. Sie kommt mit", informiere ich Ruben dann und er pellt sich erst mal aus seinem Pulli, ehe er mich wieder angrinst. "Na, das ist doch super. Dann sehen wir beide ihn ja morgen", freut er sich, zieht aber gleich darauf eine Grimasse. "Aber das könnte unschön werden. Meine Mutter hat Paps bestimmt erzählt, dass Simon gestern da war und dass Du ihn kennst, also wird er morgen sicher auch da sein", vermutet er und seufzt beinahe unisono mit mir. "Das wär ja scheiße", nuschele ich, aber Ruben winkt ab. "Ich muss einfach nur schnell sein, dann klappt das schon. Wenn ich so tue, als würde ich erst Simon und dann meine Eltern sehen, dann sollte das kein Problem sein. Paps wird sich zwar darüber aufregen, aber das ist mir schnuppe. Er kann mir eh nur noch etwas mehr als zwei Jahre den Umgang mit Simon verbieten. Wenn ich erst mal achtzehn bin, ist es mir egal, was Paps sagt und was er will. Dann wird er sich damit abfinden müssen, dass ich wieder Kontakt zu meinem Bruder hab, ob's ihm und Mama nun passt oder nicht", sagt er und klingt dabei so grimmig und entschieden, dass ich ihn zugegebenermaßen ein bisschen dafür bewundere. Leicht wird das ganz bestimmt nicht, aber wenn ich mir Rubens entschlossenes Gesicht so ansehe, dann bin ich mir sicher, dass er das irgendwie schafft. Ich drücke ihm jedenfalls alle Daumen dafür – und Simon auch. Für ihn ist es schließlich auch nicht leicht, seinen kleinen Bruder nicht sehen zu dürfen. Während Ruben ins Bad verschwindet, schnappe ich mir mein Handy und speichere mit klopfendem Herzen die Nummer, die mich zuletzt angerufen hat, unter Simon ein. Danach muss ich mich fast schon zwingen, das Handy wieder beiseite zu legen und es nicht seufzend an mich zu drücken. Allerdings erwischt Ruben mich trotzdem noch dabei und grinst mich breit an. "Wenn ich nach Deinem verträumten Lächeln gehen kann, dann war die Anrufaktion ja wohl ein voller Erfolg", stellt er überaus zufrieden fest und wirft sich mit Anlauf ins Bett, so dass das Holz bedenklich knarrt und quietscht. Ich lösche schnell und peinlich berührt das Licht, was Ruben zum Kichern bringt. "Das muss Dir nicht peinlich sein", sagt er, sobald er sich wieder beruhigt hat, und ich kann am Rascheln seiner Decke hören, dass er sich eine bequeme Position zum Liegen sucht. Dabei rutscht er wie gestern schon immer näher an mich heran, bis er sich schließlich wieder wie letzte Nacht an mich kuschelt. "Ist doch normal, dass Du Dich freust", fährt er fort und ich kann sein Grinsen förmlich vor mir sehen. "Und ich sag Dir, Simon mag Dich auch. Er würde Dich bestimmt nicht abholen, wenn's nicht so wäre. Dinge, die er nicht tun will, tut er nämlich nicht. Hat er schon früher nicht gemacht. Und er macht das auch nicht nur meinetwegen. Er mag Dich, Jan. Ganz bestimmt", nuschelt er weiter und ich bin froh über die Dunkelheit im Zimmer, die verhindert, dass Ruben das Glühen meines Gesichts sehen kann. Meinen viel zu schnellen Herzschlag kann ich im Gegensatz dazu allerdings nicht verbergen, aber darauf geht Ruben zu meinem Glück nicht ein. Er seufzt einfach nur zufrieden und ich hoffe, dass er es dabei bewenden lässt, aber das tut er nicht. Stattdessen richtet er sich noch mal halb auf und ich bin mir sicher, dass er im Dunkeln mein Gesicht zu erkennen versucht. "Weißt Du, Jan", murmelt er und ich schlucke schwer, ohne zu wissen, warum ich das eigentlich tue, "wir kriegen Simon schon dazu, sich auch in Dich zu verlieben. Überlass das nur mir. Ich schaff das, wirst schon sehen", verspricht er, legt sich wieder hin und bettet seinen Kopf auf meiner Schulter. Kaum zwei Minuten später zeigen seine regelmäßigen Atemzüge, dass er schon eingeschlafen ist. Ich hingegen liege wie gestern Nacht wach, starre mit klopfendem Herzen an die Zimmerdecke und weiß nicht, was ich von dieser Situation und Rubens Worten halten soll. Ich sollte mir wohl keine allzu großen Hoffnungen machen, aber ich kann nicht leugnen, dass ein Teil von mir sich mehr als alles andere wünscht, dass Ruben es tatsächlich schafft, sein Versprechen wahr zu machen. Wenn ihm das wirklich gelänge, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt. ~*~ Na, wer von euch hat damit gerechnet, dass Janni Ruben alles erzählt? *kicher* Irgendwie macht der Kleine immer, was er will und nicht das, was er soll. Eigentlich sollte das ganz anders laufen (Ruben sollte es durch Beobachtungen selbst rauskriegen), aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Aber ich mag's. Und besonders mag ich die Szene, in der Janni gesteht, dass er eifersüchtig auf Slim ist. Jaja, wie war das noch gleich? 'Wenn das jemals jemand rausfindet, sterbe ich vor Scham?' Tja, Janni, Fail. XD Ich hoffe, es hat euch gefallen. Ich werd mich jetzt mal beeilen, Kapitel Zwölf zu beenden, damit ich endlich das Kapitel anfangen kann, dem ich schon seit dem Beginn dieser Story entgegenfiebere. * zuzwinker* *wink* Bis zum nächsten Mal! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)