Eisblume von Starwings ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Langsam krochen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne über den blutroten Horizont. Sie waren stille Boten eines lichten Tages, dem sich die Kreatur dort in den Schatten ganz und gar entzogen hatte. Zu groß die Angst vor der Enthüllung, sie konnte im Licht nicht verbergen wer sie war. Vorsichtig verfolgten die Augen jener Gestalt die Schatten vor den Häuserwänden, die gierig nach der Straße griffen und immer mehr von ihr in Besitz nahmen. Dünner und dünner wurde das Band aus Licht, wurde so fein wie Seide und verschwand dann mit der Sonne, um erst in der Dämmerung des folgenden Tages wieder den Kampf gegen die Schatten aufzunehmen, die sich dann eng an die kalten Wände schmiegten und auf ihre Chance lauerten. Auf der Straße verstummten die Stimmen, die Wagenräder der Karren standen still, der Markt war verlassen, Türen wurden ins Schloss geschoben und in den Fenstern begannen die Lichter von Kerzen und Öllampen zu tanzen. Noch unsicher tasteten bleiche aber feingliedrige Finger nach dem Rahmen der Pforte und schoben das dunkle Holz, welches nur mit dünnem Papier ausgekleidet war, zur Seite. Weiterhin misstrauisch spähten die haselnussbraunen Augen hinaus. Erst als sich nichts mehr regte, nicht einmal mehr die Zweige der Kirschbäume in den japanischen Gärten der oberen Häuser, betrat das Wesen die Straße und eilte sogleich den Pfad hinunter aus der Stadt heraus. Links und rechts des Weges waren Holzplatten über die Wasserrinnen des Ortes gelegt. Alte Zweige hingen schwer über die hohen hölzernen Mauern der Gassen und lautes Gegröle drang aus den Kneipen und Gaststätten. Auf den Pfannen der Dächer spielten ein paar Katzen miteinander und glitten lautlos in die Nacht davon. In der Nacht sind alle Katzen grau, jeder Mensch verkommt zu einem Schatten, den der andere nicht kennt. Freunde werden zu Fremden. Und deshalb bot die Nacht ihr Schutz, ließ sie in ihrem schwarzen Herzen verschwinden und barg sie vor jenen, die ihr nach dem Leben trachteten. Sehnsüchtig wanderte der Blick des Wesens nach oben zu den Sternen. Schwach nur fiel ihr bleiches Licht in dieser noch mondlosen Nacht von Himmel herab und die Wolken zogen lautlos gen Westen. Yachiyo drehte sich immer wieder um und vergewisserte sich, dass ihr niemand folgte. Es wäre fatal, wenn auch nur einer dieser vielen Menschen einen Blick auf sie erhaschte. Sie musste sich verbergen, musste das Spiel welches sie seit damals spielte, immer weiter treiben. Sie konnte nicht zurück, hingen doch unlängst selbst in Städten wie diesen, Bilder von ihr an den Wänden. Ob sich die Menschen hier vorstellen konnten, wie es war, von sich selbst verfolgt zu werden? Sie verspürte unweigerlich den Drang, das Bild von der Wand zu reißen. Sie konnte es einfach nicht ertragen. Sie war nicht mehr dieses Mädchen dort... Damals hatte vielleicht noch ein Lächeln die feinen Züge ab und an überrascht, aber das geschah nun schon seit Jahren nicht mehr. Ihr war es schleierhaft, wie ihr Vater es wagen konnte, sie so darstellen zu lassen. Wahrscheinlich hatte er dies nur getan, um über sie zu spotten. Sie wandte die Augen von dem Bild ab. Ihr langer Zopf schwang in der Bewegung mit und fiel ihr nach vorne, bis er auf ihrer Brust ruhen blieb. Auch ihr brauner Hakama folgte der harschen Drehung. Allein die Tatsache, dass Yachiyo beim Training immer einen Hakama und einen Keikogi getragen hatte, wie die anderen Männer im Dojo, hatte ihren Vater zur Weißglut getrieben und trotzdem... oder gerade deswegen, trug sie seither diese Kleidungsstücke. Obgleich der ungewöhnlichen Farbe, mochte er viel mehr verbergen, als das sie Aufsehen erregten. Die weite Jacke und die lange Ärmel hatten ihre Wunden und ihre Anspannung schon oft, vor neugierigen Blicken geheim gehalten. Sie schüttelte heftig den Kopf. Wieder glitt sie hinab in die tiefen ihres Bewusstseins und verlor sich in Kindheitserinnerungen, die sie gleichzeitig hasste und liebte. Es war fast ironisch. Wie konnte sie all die Erniedrigung und Angst ihrer Kindheit lieben? War es die Unbeschwertheit, die sie immer empfunden hatte, wenn ihre Mutter sie zärtlich in die Arme genommen hatte? Wie hatte sie so einfach sterben können und ihre einzige Tochter ihrem grausamen Vater überlassen können? Eine Träne stahl sich über ihr Gesicht. Verblüfft rieb sie sich die Wange und trocknete ihre Hand an ihrem Hakama. Wehleidig strich sie mit der Rechten über die beiden Schwerter an ihrer Seite. Das Katana an ihren Hüften schlug dabei bei jedem Schritt klirrend gegen das Wakizashi. Aus den Erinnerungen zurück in der Realität angelangt, begann sie endlich sich aus ihrer Starre zu lösen und lief durch die engen Gassen weiter Richtung Stadtgrenze.Größere Straßen mied sie und nutzte lediglich die Seitenstraßen, um sich ihrem Ziel zu nähern. Immer wieder blieb sie an den Ecken stehen und spähte umher, bis sie sicher war, dass niemand sie sehen würde. Die junge Frau achtete peinlich genau darauf, keine allzu deutlichen Spuren zu hinterlassen. Wer wusste schon, wem sie auffallen würden... Hatte sie Pech, waren es genau jene, die ihr Vater hinter ihr her gesandt hatte. Als ein Lichtstrahl an ihr vorbei fiel, duckte sich die Ronin und presste sich flach gegen die Wand. Auf der Querstraße liefen ein paar Polizisten vorbei. Doch so vertieft, wie sie in ihr Gespräch waren, bemerkten sie die junge Frau nicht und liefen einfach weiter. Flink und geschmeidig eilte sie zur gegenüberliegenden Straße und schaute kurz zu den Männern herüber, nur um zu prüfen, ob sie sich nicht doch noch entschieden sich umzudrehen. Doch nichts dergleichen geschah. So rannte Yachiyo weiter zum Tor und passierte die Stadtgrenze. Wie ein Schatten, der sich flink erst über einen niedrigen Stall stahl und dann über die Mauer hüpfte. Einen Moment verharrte sie auf den dunklen Ziegeln der Mauer und genoss den leichten Hauch des Windes, der ihr Haar nach hinten wehen ließ. Kurzzeitig konnte man im fahlen Sternenlicht ihr Gesicht sehen, bevor es wieder in den Schatten verschwand. Feine Züge, gerahmt von zwei langen Strähnen. Eine kleine Stubsnase und dann schmale und doch voll wirkende Lippen. Eine junge Frau, von eleganter und schlanker Gestalt, mit einem Herzen erfüllt von Angst und Augen, die voller Sorgen in die Zukunft blickten. Etwa zwei Tage hatte sie in der Stadt verbracht. Es gab einfach Dinge, die die Notwendigkeit eines kleinen Besuches mit sich brachten. So konnte man Medizin und frische Verbände, vorausgesetzt man legte Wert auf Qualität, nicht auf dem Land erstehen. Leichtfüßig hüpfte sie von der Mauer und rollte sich auf dem Boden ab. Augenblicklich ging ihr Blick nach rechts. Dort flackerten zwei Lichter dicht nebeneinander in der Dunkelheit und markierten die Wege der Torwachen. Nichts änderte sich an ihren Bewegungen, die sie gelegentlich ein wenig weiter hinaus führten. Sie fühlte wie die Anspannung und Angst langsam von ihr abfielen. Ihre Finger schlossen sich um die Scheide ihres Katana. Entschlossen spannte sie die Muskeln in ihren Beinen an und rannte los. Mit der Zeit waren die Lichter der Stadt hinter ihr immer mehr verblasst. Sie stand auf einem kleinen Hügel und starrte hinunter auf die kleinen leuchtenden Punkte. Vor ihr lag nun ein dichter Bambuswald, durch den ein frischer Wind wehte. Das Hokkaido Hochland hatte ihr lange genug Schutz geboten vor den Häschern ihres Vaters, doch selbst bis hier hin verfolgte sie mittlerweile sein Schatten. Konnte ihr Vater es nicht endlich auf sich beruhen lassen und sie freigeben? Waren ihm Tradition und Stolz wirklich wichtiger als seine eigene Tochter? Die junge Frau musste unwillkürlich lächeln, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. Natürlich waren sie ihm das. „Ach Vater...“, hauchte sie leise in die Nacht hinein und hing noch eine Weile ihren Gedanken nach. Sie schauderte in der Kälte und ihr war es, als könnte sie den eiskalten Griff ihres Vaters spüren, wie seine dünnen Finger, nach ihrem inneren Licht griffen und langsam alles zu verschlingen drohten. Abermals schüttelte sich die Ronin, erholte sich jedoch von dem Gefühl und ging weiter in den Bambuswald hinein. Das Rauschen der langen filigranen Blätter erfüllte die Natur. Vereinzelt konnte sie kleine Vögel entdecken, die im Gehölz nisteten und die Köpfe im Schlaf in ihr Gefieder vergraben hatten. Es war so friedlich hier, auch wenn der Boden unter ihren Füßen aufgewühlt war von schweren Rädern. Breite Fahrrinnen hatten die Pferde der Landwirte in den Boden getrieben und markierten unweigerlich eine Straße, die so gar nicht an einen Ort wie diesen passen mochte. Seitlich des Weges und auch über ihm, gab es nichts als die grünen Zweige des Bambus. Mit einem Mal war die junge Frau ergriffen von einem seltsamen Gefühl und der Wind frischte kurz auf. Unweigerlich wanderte ihr Blick nach oben und sie sah, wie eine undurchdringliche Schwärze den Sternenhimmel Stück für Stück verschlang. Es wurde kälter und erst vereinzelt, dann immer dichter fiel der Regen hernieder auf den weichen Boden des Waldes, bedeckt von dichtem, totem Laub. Den Kopf gesenkt lief Yachiyo den Weg hinunter und spürte bereits feine Rinnsäle aus Wasser ihr Gesicht hinunter laufen. Ihre Sachen waren durchtränkt und klebten unangenehm an dem schlanken und hageren Körper. Ihre Rundungen waren nun deutlicher zu erkennen und die junge Frau fühlte sich unangenehm entblößt. Das leise Rauschen des Flusses neben ihr in der niedrigen Schlucht, war zu einem lauten Tosen angewachsen durch das viele Wasser, welches die glatten Felswände hinunter floss. Feiner Dunst steig hinauf und schlug sich an den Wänden nieder. Die Farne in den Felsspalten nickten emsig im Takt des Regens und hielten sich tapfer auf dem nackten Gestein. Auch der Bambus wurde schwerer und ließ die langen Blätter hängen. Auf dem Boden bildeten sich große Pfützen, deren Oberfläche aufgewühlt zitterte. Und dennoch genoss die Ronin ein Stück weit das Gefühl von Regen auf ihrer Haut und die Kälte, die langsam aber unaufhörlich in ihr hoch kroch. Es war ein angenehmes Gefühl, nach all der langen Zeit in den stickigen Häusern der Stadt, mit ihren rauchschwangeren Tavernen und Gaststätten und dem Parfüm der Geishas. Dieses Wetter hatte etwas reines und reinigendes. Sie fühlte sich wieder frei von all den beklemmenden Eindrücken der letzten beiden Tage. Plötzlich war da ein Geräusch, weit ab von dem monotonen Rhythmus des fallenden Wassers. Es verriet sich durch sein jähes Enden, als wäre jenem, der es verursacht hatte bewusst geworden, dass er sich soeben preis gegeben hatte. Yachiyos Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, dennoch schritt sie einfach weiter voran. Es war das beste den Gegner nicht spüren zu lassen, dass man ihn entdeckt hatte. Genau horchte sie in die Dunkelheit der Nacht, doch konnte sie kein zweites Mal den verräterischen Klang vernehmen und war somit außer Stande die Situation richtig zu beurteilen. Sie musste nun darauf hoffen, dass der Gegner einen anderen Fehler machte, ansonsten war sie chancenlos und ein allzu leichtes Ziel. Doch noch immer ermahnte sie sich dazu ruhig zu bleiben und sich keine Blöße zu geben. Ihre Schritte wurden dennoch vorsichtiger. Ihre Augen begannen hin und her zu huschen, doch der Bambus schwieg, beugte sich nicht, knackte nicht, blieb stumm. Ein einzelner Blitz durchzuckte den Himmel und erleuchtete für Sekundenbruchteile die Umgebung. Mit einem Mal, schien alles seltsam grell und die weichen Konturen wurden scharf und rau, flimmerten für einen Augenblick und verschwommen dann wieder. Just in dem Moment, in dem das Donnergrollen erklang, drang das Sirren eines Pfeils an die Ohren der Ronin, jedoch erst so spät, dass es ihr nur knapp gelang dem Geschoss auszuweichen. Selbst in der Dunkelheit, war Yachiyo in der Lage, die Kranichfedern am Schaft des Pfeils zu erkennen und damit stand fest, dass sie es hier nicht mit irgendwelchen daher gelaufenen Söldnern zu tun hatte, dafür waren solche Federn viel zu kostbar. Sie atmete tief ein und aus und zog ihr Katana aus der Scheide. Langsam führte sie den rechte Fuß nach vorne und positionierte die Klinge so neben ihrem Kopf, dass sie eine Linie mit ihren Augen bildete. Es durfte keinen Fehler machen. Ein falscher Schritt und sie war tot! Wieder Pfeile, mehrere, kurz hintereinander abgeschossen. Dem ersten wich sie aus, mit einem kurzen Schritt nach rechts, der zweite verfehlte sie daraufhin und den dritten spaltete sie sauber in der Mitte, sodass beide Hälften auf der anderen Seite des Flusses in einem Bambusstamm stecken blieben. Doch der Schütze war mit Sicherheit nicht allein. Er musste einen Partner haben, der im Hinterhalt lauerte. Aber wie konnte die junge Frau ihn hervor locken, ohne einem von beiden ihre Deckung preis zugeben? Sie musste äußerst bedacht handeln. Die Pfeile waren von vorne rechts gekommen. Aber es war wahrscheinlich, dass der Bogenschütze bereits seine Position geändert hatte. Ihn ausfindig machen zu wollen anhand der Flugbahn der Pfeile, war also sinnlos. Wieder ein Angriff mit einem Geschoss, und wie erwartet aus einer anderen Richtung, jedoch nicht so weit von der vorigen Position entfernt, wie Yachiyo vorausberechnet hatte. Sie führte ihr Katana an die Seite ihres Körpers und hastete in den Wald hinein, wobei sie im zick-zack um den Bambus lief. Sie musste diesen Kerl auf Trab halten. Plötzlich huschte etwas an ihr vorbei. Eine andere Klinge raste aus dem Gebüsch auf die Ronin zu und zwang sie zu einer Parade, um ihre Beine zu schützen. Mit leisen und langsamen Schritten kam ein hagerer Mann auf sie zu. Er war ebenso gekleidet wie sie, nur das seine Ärmel kürzer waren und ihm so erlaubten lederne Armschienen zu tragen. Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, bis ein neuerlicher Blitz hernieder fuhr. Seine Züge waren sehr kantig und seine eisblauen Augen starrten sie geradezu diabolisch an. Das Stirnband welches er trug, war an den Enden nicht gekürt und somit wehten hinter seinem Körper lange weiße Bänder hervor. Seine Haare selbst hingen ihm wild ins Blickfeld und schienen in alle Richtungen abzustehen. Es war ein seltsamer Anblick der sich hier der jungen Frau bot. Er brachte sich für einen Angriff in Stellung und brachtte die Klinge wie beim Kendo vertikal vor sich. Was wollte er damit bezwecken? Ein einfacher Stoß von Oben oder unten konnte sie leicht abblocken und bei seinem hageren Körperbau machte er auch nicht den Eindruck, als hätte er sonderlich viel Kraft. Was also hatte er vor? „Komm schon, greif mich an!“, schrie er ihr entgegen, mit einer rauen und schrill klingenden Stimme, die den Wahnsinn in seinen Augen widerspiegelte. „Du kamst um mich zu fällen, nicht anders herum. Ich habe keine Intention darin dich zu töten“, entgegnete Yachiyo kühl und beherrscht. Keine weiteren Pfeile, der Schütze wartete also noch. Eine Weile standen sich beide unbewegt gegenüber. Dann jäh, ohne ein besonderes Zeichen, griff der Schwertkämpfer an und seine Kraft war überwältigend. Trotz seines Erscheinungsbilds hatte er eine unglaubliche Stärke. Die Parade der Ronin wurde hinweggefegt, sodass ihr das Katana beinahe aus den Fingern glitt. Sie taumelte nach hinten und schlug gegen einen Bambusstamm. Nun gut, jetzt wusste sie um seine Fähigkeiten. Also.... Weiter kam sie nicht. Etwas umschlang sie von hinten und drückte sie immer fester gegen das Gehölz. Gleichzeitig spürte sie etwas spitzes an ihrer Seite. Woher war dieser kleine Mann so schnell gekommen? Sie hatte ihn nicht gehört, nicht einmal seine Gegenwart gespürt. Wie hatte er sich so geschickt anschleichen können? So sehr sie sich auch wand, sie vermochte den Griff nicht zu lockern. Vor ihr stand nun der Schwertkämpfer und hielt ihr seine Hand unter das Kinn. Fast schien es, als würde er sie küssen wollen, so nah führte er sein Gesicht an das ihre. Er stank widerlich aus dem Mund. Als er auch noch lächelte, hätte sich Yachiyo am liebsten an Ort und Stelle übergeben. Der Geruch wurde immer schlimmer und ihr wurden ein paar Zahnstummel präsentiert. „Verdammt... ich muss irgendwas tun. Ich komme fast an mein Tanto heran. Wenn ich nur noch ein bisschen mehr Freiheit in den Händen hätte.“ „Jetzt wind dich doch nicht so, Kleine. Ich werd auch ganz sanft zu dir sein“, spottete dieser widerliche Kerl über sie. Nur noch ein Stückchen, dann hatte sie das Messer. „Halt sie fester, Saburo.“ „Ist ja gut, Boss.“ Ihr Körper bäumte sich auf, als ein stechender Schmerz durch ihre Schulter zuckte. Wollte dieser Idiot ihr den Arm auskugeln? Jetzt hatte sie jedoch keine Chance mehr an das Messer zu kommen. Was sollte sie denn jetzt machen? War das ihr Ende? Wenn ja, was sollte dann aus der Freiheit werden, die sie sich so sehr wünschte? Sie biss sich auf die Lippen. Der Kerl hatte sich schon wieder zu weit von ihr entfernt, ansonsten hätte sie ihn getreten. Sie beobachtete ihn, wie er nachdenklich sein Schwert beobachtete. Das Katana hatte viele Scharten. Er musste schon unzählige Kämpfe hinter sich haben. Fieberhaft überlegte die junge Frau, wie sie sich aus dieser Situation heraus winden konnte... Moment mal, sie hatte die Beine ja noch frei und außerdem war der Boden aufgeweicht und glitschig. Vielleicht... „Na los! Bring mich endlich um!“, forderte die Ronin und blickte ihrem Gegenüber wütend in die Augen. Doch dieser hatte diesen Anstoß nicht mehr gebraucht und führte einen gewaltigen, diagonalen Hieb aus. Im letzten Augenblick ruckte die junge Frau zur Seite und bekam sich fast komplett aus der Angriffslinie. Saburo hatte auf dem glitschigen Untergrund nicht genug halt gefunden um sich dagegen zu stemmen und war ein Stück weit mitgezogen worden. Er kniete nun im Matsch und war etwas verdutzt, als die Klinge seines Kumpanen nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt in den Matsch fuhr. Blitzschnell hatte die junge Frau wieder ihr Schwert bereit und zog auch ihr Wakizashi aus der Scheide. Mit zwei Waffen würde sie mit diesen Gegnern besser zurecht kommen. „Steh auf du Idiot“, brüllte der Schwertkämpfer und sein kleiner Freund wirkte wie ein aufgeschrecktes Wildschwein. „I... ist gut, Takeru-sama“, winselte der kleine Mann und holte eine Feuerwaffe hinter seinem Rücken hervor. Das verkomplizierte die Angelegenheit. Er durfte auf keinen Fall zum Schuss kommen. Doch viel Zeit zu reagieren blieb Yachiyo nicht. Die Klinge des Schwertkämpfers fuhr herunter und Funken schlugen in die Luft, als die Waffen aufeinander prallten. Sie musste es einfach riskieren. Sie stürzte zu dem kleinen Mann und schlug ihn mit roher Gewalt nieder. Es war ein leises Knacken zu hören, als ihr Knie gegen seinen Schädel donnerte. Eigentlich hatte sie ihn mit dem Katana treffen wollen. Doch im letzten Moment hatte sie es nach hinten über ihre Schulter führen müssen, sodass Takerus Stoß nur durch ihre Schulter drang und nicht durch ihr Herz. Mit Respekt schielte der Mann auf die Spitze des Schwertes, das nur Millimeter vor seinem Augen gestoppt hatte. Die Ronin verzog das Gesicht vor Schmerz und hustete ein wenig Blut hoch. Der Stoß hatte die Lunge gestreift, aber die Wunde war nicht tödlich. Glück gehabt. Sie sprang nach vorne und ließ die Klinge somit selbst aus ihrem Körper dringen, bevor der Schwertkämpfer eine Chance dazu gehabt hatte, sie von dort aus abwärts oder aufwärts aufzuschlitzen. Yachiyo wirbelte herum und wischte sich mit der rechten Hand das Blut von den Lippen. Unter ihr stöhnte Saburo und versuchte seine Gedanken zu ordnen, doch er sank einfach bewusstlos zusammen. „Das wirst du bereuen!“, schrie Takeru und preschte auf die junge Frau zu. Dieses Mal parierte sie sauber und stieß gleichzeitig mit ihrem Wakizashi zu Der direkte Stoß fuhr in die Faust des Mannes und der Knauf seines Katanas kam mit beängstigender Schnelligkeit auf sie zu. Sie zog die Klinge wieder aus der Hand heraus und lenkte den Knauf nach oben mit ihrem Katana ab. Doch der Kämpfer vor ihr ließ ihr keine Pause und schickte sie mit einem Fausthieb gegen die Magengrube zu Boden. Würgend und zitternd versuchte sie sich aufzurichten, doch ein weiterer Tritt gegen ihren Oberkörper schleuderte sie gegen den nächsten Baum. Nur verschwommen sah sie ihn auf sich zukommen. Ihre Hände klammerte sich um ihre Waffen, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie nahm wahr, wie das Katana des Mannes von oben auf sie zukam, doch dieses Mal streifte es sie nur, als sie unvermittelt zur Seite rollte und ihr Wakizashi von unten in sein Bein bohrte. Doch zu langsam kam sie wieder auf die Beine, als dass sie diesen Treffer zu ihrem Vorteil hätte ausnutzen können. Takeru fluchte und tobte und traktierte in immer kürzeren Abständen ihren Körper mit Schlägen und Hieben. Viele konnte sie blocken, aber lange nicht alle. Sie spürte wie ihr Blut ihren Körper hinabrann und sich mit dem Regen auf ihrer Haut vermischte. Arm und Hüfte brannten und die Schulter war bereits fast taub. Schwer atmend standen sich nun beide gegenüber. Yachiyo spürte eine innere Wut in ihr hoch kochen. Wie hatte sie heute nur so versagen können? Wenn es hier und jetzt enden musste, dann wollte sie ihren Traum nicht verraten, sondern wie eine richtige Samurai sterben, mit der Schwert in der Hand, ohne etwas zu bereuen. „Das reicht ihr beiden“, schaltete sich aus dem Hintergrund eine weitere Stimme ein, „Ihr wart furchtbar anzusehen. Ich kann nicht glauben, dass ihr so versagt habt.“ „Aber Meister...“, wimmerte der Schwertkämpfer plötzlich und humpelte einige Schritte zurück. „Nichts... ich will Nichts mehr hören. Ihr habt mich bitter enttäuscht. Geht mir aus den Augen.“ „Wie ihr wollt...“, grummelte Takeru und schleifte seinen Kumpanen hinter sich her. Yachiyo sah den Mann in den Schatten erschrocken an. Eine furchtbare Ahnung übermannte sie und verbannte ihre Entschlossenheit wieder in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie diesem neuen Gegner nicht gewachsen war... oder vielmehr, dass sie erst gar nicht gegen ihn anzutreten vermochte. Sie kehrte dem Szenario den Rücken zu und rannte einfach davon. Vielleicht konnte sie auch einfach nicht anders. Vor ihrem Vater war sie damals auch geflohen. Sie hörte die Schritte ihres Verfolgers nicht einmal. Erst am Rand der kleinen Schlucht kam sie zum stehen und starrte wie hypnotisiert auf die unruhigen schwarzen Fluten. Immer wieder hob und senkte sich der dunkle Boden unter ihr. Sollte sie springen? „Du enttäuschst mich, Yachiyo... oder sollte ich sagen... große Schwester?“ Ruckartig drehte die junge Frau sich um und starrte den jungen Mann an. Das war es also gewesen, was sie gespürt hatte. Auch wenn sie seine Gestalt nicht erkannt hatte, so doch die vertraute Seele aus ihrer Kindheit. „Yoshio?“, stammelt sie und konnte nicht glauben, wer dort vor ihr stand. „Es tut mir Leid, Yachiyo... aber Vater hat es mir befohlen.“ Tatsächlich schwang in seiner Stimme so etwas wie Bedauern mit. So glaubte sie seinen Worten ein Stück weit. Ihr Herz klopfte heftig gegen ihre Brust und sie steckte ihre Schwerter wieder zurück in die Scheide. Wenn sie sterben musste, dann konnte sie es verkraften wenn er es tat. Sie würde ihn nicht dafür hassen. Yachiyo konnte sehen, wie etwas in den Augen ihres Bruders zu glänzen begann, ob es Tränen waren, mochte sie nicht zu urteilen. Langsam kam er näher auf sie zu und umarmte sie, während er sein Katana hervorzog. Es ähnelte dem seiner Schwester sehr. Dieselbe Form und Farbe hatte es. Nur das Tsuba war anders gestaltet. Seines trug als Verzierung keine weißen Kraniche, so wie sein Vater es zuerst für ihn vorgesehen hatte, sondern zwei Tiger, der eine dunkel, der andere hell. Die beiden Tiere schienen in einem endlosen Kampf gefangen zu sein und umkreisten einander, wie die beiden Hälften von Yin und Yang. „Vergib mir Schwester“, hauchte er ihr ins Ohr und stieß zu. Das Katana drang durch ihren Unterleib und brach auf ihrem Rücken wieder hervor. Mit einem Ruck glitt es wieder hinaus und Tropfen um Tropfen, perlte ihr Blut von der Klinge ihres Bruders. Kraftlos fiel sie nach hinten in die Schlucht. „Warum... Yoshio?...“, formten ihre Lippen lautlos. Die Welt wurde finster und eisig. Dunkelheit griff nach ihrem Körper und endloser Schmerz. Noch immer umklammerten ihre Finger die Waffen, die sie damals ihrem Vater entwendet hatte. Jene Waffen, die für ihren Bruder Yoshio gedacht waren. Keine Hand reckte sich ihr entgegen und das letzte, welches Yachiyo sah, war ihr Bruder, wie er den Blick von ihr abwandte. Kapitel 2: Kapitel 1 -------------------- Feiner Nebel lag über dem Land und über die Blättern des Ufergrases perlten einzelne Tautropfen in den ruhigen Fluss. Etwas weiter hinten führte eine hölzerne Brücke mit niedrigem Geländer über den Strom und noch erreichten die ersten Sonnenstrahlen nicht das kunstvolle Gehölz. Nur selten flimmerte ein leichter Glanz über die Wasseroberfläche, die sich in der sanften Brise kräuselte. Das saftige Gras nickte dazu im passenden Takt und die ersten Vögel flogen durch die frische Morgenluft. Ihr Gesang war wundervoll und noch frei von den rauen Stimmen der Menschen und ihrem Vieh. „So warten sie doch Kouhei-sama.“ „Wie könnte ich an so einem wunderschönen Morgen stehen bleiben, Daisuke-san?“ Zwei Männer kamen über die Brücke. Der hintere der beiden, war klein und ging leicht gebeugt. Er war bereits älter und hatte graue Strähnen in seinem dunklen kurzen Haar. Zudem trug er die Tracht eines Dieners, sehr schlicht gehalten und ebenfalls dunkel. Seine Züge wirkten streng, aber sehr gütig und die grauen Augen musterten die Umgebung, als würden sie etwas Bestimmtes suchen. „Jetzt hör schon auf, mit deinem Bart zu spielen. Das machst du nur, wenn du dir Sorgen machst und das brauchst du nicht. Schau nur wie friedlich es hier ist“, vernahm man die klare und bestimmte Stimme des vorderen, in der jedoch auch ein Tropfen Wehmut mitschwang. Sein Haar war von dunkler, fast schwarzer Farbe und verjüngte sich kurz unter den Schultern zu einem engen Zopf, der mithilfe eines hellen Seidentuchs gebunden worden war. Seine Züge waren voller Jugend und zeigten noch keine Falten. Die klaren blauen Augen blickten etwas verspielt zu seinem Freund und Butler und ein leichtes Lächeln lag auf den schmalen Lippen. Er trug ein einfaches Hakama mit Jacke. Das Hakama war von einem dunklen blau und verziert mit feinen Stickereien, die einen Drachen und andere Fabeltiere zeigten. „Ich meine ja nur, dass ihr nicht so unbedacht herum wandeln solltet“, bemerkte der hagere Mann. „Wenn ich nicht einmal in diesen frühen Stunden etwas Freiheit genießen darf, dann ist mein Herz wohl mit recht erfüllt von Trauer. Immer nur in den großen leeren Räumen unseres Anwesens zu sitzen, macht einen irgendwann doch schwermütig. Ich wünschte, wir hätten Gäste, oder anderes Volk, welches diese bedrückende Ruhe aus unseren Wänden vertreiben würde. Und wenn du dies nun von mir weißt, Daisuke-san, dann sieh es mir bitte nach, wenn ich hin und wieder einfach davonschleiche. Ich habe doch nie, auch nur eine meiner Pflichten vergessen. Oder erschien ich dir nicht ernsthaft in den Stunden mit Vater, oder in der Studie der Kalligraphie?“, fragte Kouhei mit einem Anflug von Ärger in der Stimme. „Wie könnte ich euch das unterstellen. Ihr geltet bereits jetzt als würdiger Nachfolger eures Vaters und habt viel von ihm gelernt, auch wenn das Handwerk eines Heilers bei den Göttern kein einfaches ist“, gab der Diener zu und seufzte, „Also gut... dann genießt euren Freigang.“ „Sieh es nicht so ernst. Du bist mein Freund und auch mein Mentor, wenn es darum geht das rechte Benehmen zu erlernen.... aber... leider bin ich ein unverbesserlicher Freigeist.“ „Wem sagt ihr das. Euer Vater war jedes Mal außer sich, wenn er euch erst nach Tagen wieder sah. Da ist es ja verständlich, dass ich wieder fürchten musste, dass es sich nicht um einen einfachen Spaziergang handelt, sondern um einen neuerlichen Ausbruchsversuch...“ „Ausbruchsversuch? So nannte Vater das also...“, unterbrach Kouhei seinen Freund und musste unweigerlich lachen, „Er wusste doch, dass ich mich niemals dazu durchringen könnte ihn endgültig zu verlassen. Also sind es auch keine Ausbrüche, sondern eher Ausflüge.“ Daisuke konnte seinen Herrn gut verstehen. Sein Vater war sehr streng mit ihm gewesen, aber nur aus dem Grund, um aus ihm einen guten Arzt zu machen. Zudem hatte sein alter Herr nicht mehr viel Zeit gehabt, bevor er starb und hatte sein Wissen schnellstmöglich an seinen Nachfolger weitergeben müssen. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sein armer Kouhei-sama nächtelang über Büchern gehangen hatte und kaum zur Ruhe gekommen war. Drei Jahre war es so gegangen, bis der alte Herr gestorben war. Damals war sein jetziger Herr 22 Jahre alt gewesen und auch sieben Jahre danach, wirkte er noch genauso jung und stur, wie damals. Abrupt blieb Kouhei stehen. „Was ist los, Herr?“ „Seht ihr das nicht? Schaut doch nur hinunter in den Fluss.“ Daisuke folgte dem ausgestreckten Zeigefinger und konnte erst nichts ungewöhnliches im Fluss entdecken, bis sich plötzlich ein roter Faden durch das Wasser schlängelte. „Ist das...?“, der Butler mochte es kaum aussprechen. „Ich fürchte schon. Bleibt bitte hier auf der Brücke. Ich werde am Ufer nachschauen, ob ich etwas entdecke. Vielleicht ist es nur ein verwundetes Tier.“ Raschen Schrittes überquerte Kouhei die Brücke und lief an der Uferböschung entlang. Der Schilf war hoch und auch das Gras mochte alles vor all zu flüchtigen Blicken verbergen. Geschickt stieg der Mann ins Wasser und watete von dort aus weiter. Das Blut kam von Stromaufwärts und nach der Intensität der Farbe zu urteilen war das, was er suchte, nicht weit entfernt. Das Wasser war kalt, aber dennoch erfrischend. Die Strömung umspülte sanft seine Füße und war nicht sonderlich stark im Gegensatz zum Vorabend. Mit einem Mal entdeckt er im geschlossenen grün der Ufergräser etwas dunkles. Langsam näherte er sich dem, was auch immer dort lag. Als er sich gewahr wurde, was seine Augen dort entdeckt hatten, stockte ihm für einen kurzen Augenblick der Atem und seine Gedanken überschlugen sich. Kouhei riss den Kopf herum und suchte nach Daisuke, der wie befohlen noch immer auf der Brücke stand: „Schnell, lauf nach Hause und sag Aiko sie soll zwei Wannen heißes Wasser kochen und in das große Zimmer bringen! Dann geh in die Praxis und hol die Bambusschachtel mit den Medikamenten und so viele Verbände wie du tragen kannst!“ Der alte Mann nickte nur und lief so schnell wie ihn seine Beine noch tragen konnten davon. Er hatte an der Stimme seines Herrn bereits erkannt, wie ernst die Lage sein musste. Das Wasser spritzte nach oben, als Kouhei versuchte das Mädchen aus dem Fluss zu ziehen. Stück für Stück zog er sie weiter die Böschung hinauf und legte sie schließlich ausgestreckt ins flache Gras. Vorsichtig strich er ihr die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Ihre Züge waren fein und fast noch kindlich, doch sie waren blass und fiebrig. In jedem Atemzug lag Schmerz und die Lungen schienen sich nur widerwillig mit Luft zu füllen. Er bemerkte sofort die Schwerter an ihrer Hüfte und legte sie erst einmal zur Seite, auch das Tanto fingerte er geschickt aus den Falten ihrer Kleidung. Blut hatte das weiße Oberteil getränkt und machten es Kouhei schwer, die eigentliche Wunde zu finden. Er zerriss ihre Ärmel und legte ihren Oberkörper frei. Sowohl in der Schulter, als auch am Bauch hatte sie tiefe Wunden. Dann noch flachere Schnittwunden am Arm und an der Hüfte. Wie lange mochte sich wohl schon im Wasser gelegen haben? Sie war kalt und zitterte am ganzen Körper. Immer weiter sickerte warmes Blut aus den Wunden, die durch die lange Zeit im Fluss keinerlei Schorf hatten bilden können. Der Mann löste seinen Gürtel und legte einen provisorischen Druckverband am Bauch an. Die zerrissenen Ärmel nutzte er für die Schulter. Das Mädchen hatte nicht mehr lange Zeit. Er musste die Blutung schnellstmöglich stoppen. Vorsichtig legte er sein Ohr auf ihre Brust und lauschte. Das Herz schlug noch regelmäßig, aber da war ein leises Rasseln in der Lunge. Der Stoß in die Schulter musste das Organ gestreift haben. Behutsam nahm er sie hoch und spürte wie sie sich unter der Bewegung verkrampfte. Sie musste starke Schmerzen haben, selbst in dieser tiefen Bewusstlosigkeit. Eilig stopfte er die Waffen in die Falten seiner Kleidung und lief los, den Blick nicht von der Person in seinen Armen abwendend. „Ist der junge Herr noch nicht zurück, Aiko?“, fragte Daisuke bereits zum dritten Mal und überprüfte immer wieder die Temperatur des Wassers in den hölzernen Wannen. Alles war vorbereitet. Die Frage erübrigte sich, als die Vordertür aufschlug und eilige Schritte von der Veranda her zu hören waren. Ein Schatten erschien an den Wänden und schob die hölzerne Tür auf. Neben Kouhei trat auch Shiro ein. Ein junger Mann mit wildem braunem Haar und aufrichtigen dunklen Augen. Er war gekleidet wie sein Nebenmann, nur ohne die aufwendigen Verzierungen auf dem Hakama. „Kou-kun hat mir gesagt, dass er Hilfe brauchen würde, also hab ich mir gedacht, ich komm einfach mal mit.“ „Wir haben keine Zeit für Scherze, Shiro...“, erwiderte Kouhei knapp. Mit äußerster Vorsicht legte er das Mädchen auf den vorbereiteten Tisch. „Halt sie fest Shiro. Du auch Daisuke-san. Ich weiß nicht ob sie es schafft... aber ich werde mein bestes geben.“ Shiro lehnte außen gegen die hölzerne Schiebe Tür und schielte immer wieder hinter sich. Aber nichts konnte er erkennen. Nur eine schwacher Schein, der unter der Tür hindurchfiel. Kaum zu glauben, dass es bereits Abend war. Er starrte auf die Ärmel seiner Jacke. Blut klebte daran. Das Blut dieses Mädchens. Bei dem Anblick wurde ihm fast wieder schlecht. Er hatte sich ganz schön zusammen nehmen müssen, um sich nicht zu übergeben. Wie peinlich. Ein Mann der beim Anblick von Blut schwächelte. Aber so war er nun einmal. Kein großer Krieger, auch wenn er durchaus in der Lage war Waffen zu führen. Es schüttelte ihn. Langsam wurde es echt kalt auf der Veranda. Noch ehe die ersten Sterne über den Horizont krochen, öffnete sich die Tür einen Spalt und Shiro konnte sehen, wie Kouhei sich wie er gegen die Wand lehnte und zu Boden sank. Die beiden Freunde saßen Rücken an Rücken und starrten vor sich in die Luft. „Und?“, fragte der junge Mann neugierig. „Hmm...“, kam es nur zur Antwort. Der junge Arzt wischte sich etwas Schweiß von der Stirn und seufzte. „Ah... interessant...“ „Hör auf zu nerven Shiro... ich hab im Moment nicht die Zeit und auch nicht die Geduld, mich wie üblich mit dir zu streiten.“ „Ist ja gut. Ich halt meine Klappe. Aber trotzdem. Wie geht’s der Kleinen“, hakte der Braunhaarige noch einmal nach. Keine Antwort. Kouhei war einfach eingeschlafen und ließ den Kopf hängen. „Na, der ist erstmal fertig für heute“, grinste sein Freund und musste unvermittelt zittern, „Jetzt wird’s aber doch ziemlich kalt. Daisuke?“ „Hmm...“, war auch hier die knappe Antwort. „Man ihr seid vielleicht drauf...“ „Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten dürfte. Das Leben ist etwas sehr kostbares. Du solltest endlich lernen diesen Wert zu respektieren“, gab dieser dem jungen Spund eine Lektion und fuhr schließlich fort, „Wenn es dich so brennend interessiert, komm doch einfach rein.“ „Brilliant Daisuke-seinsei!“, schoss es Shiro nur durch den Kopf, „Soll ich am ende etwa doch noch kotzen? Aber wie der alte Knacker meint.“ Er raffte sich auf und öffnete die Tür nun ganz, um sie hinter sich leise wieder zu schließen. Es war stickig im Zimmer geworden. Aber zumindest hatte der alte Daisuke die Tür zum Nebenraum aufgeschoben. Flüchtig schielte er zu dem alten Mann herüber. Sie hatten das Mädchen mittlerweile auf den Boden gelegt und gut zugedeckt. „Mann... die sieht ja immer noch so käsig aus...“ „Wenn man nichts wichtiges zu sagen hat, dann sollte man lieber den Mund halten. Merk dir das für das nächste Mal... Du strapazierst meine Nerven...“ „'Tschuldigung“, nuschelte Shiro und pflanzte sich neben seinen Kumpel an der Wand hin. „Ich werde mich jetzt auch hinlegen. Der einzige der auf der faulen Haut lag die letzten Stunden, warst ja du. Also wecke Kouhei-sama wenn etwas ist“, mit diesen Worte verabschiedete sich der Butler und verließ das Zimmer. „Daisuke!“, wollte sich der junge Mann beschweren, wurde aber durch ein all zu forsches Zischen des Dieners zur Ruhe ermahnt, „Entschudigung.... aber du willst mich doch nicht ernsthaft mit der da alleine lassen? Was ist, wenn die mir hier verreckt. Das wird mir Kou-kun ewig vorhalten.“ „Dafür sitzt er doch neben dir...“, meinte der alte Mann verzweifelt und ging kopfschüttelnd davon. „Na vielen Dank. Ich werd unser Dornröschen hier schon wecken, wenn was sein sollte. Darauf könnt ihr euch verlassen!“, tobte Shiro innerlich und fixierte grimmig die junge Frau auf dem Boden, „Wehe du zuckst auch nur. Ich hab echt keine Lust jemanden sterben zu sehen.“ Es war wie ein Traum. Yachiyo erinnerte sich noch genau daran, wie sie damals mit ihrem Bruder gespielt hatte. Sie hatten sich sogar bei Zeiten an den Händen gehalten. Vor langer Zeit einmal, hatten sie Seite an Seite unter den Kirschbäumen gesessen und einander geschworen, dass sie sich niemals auseinander leben würden, egal was auch geschehen mochte... egal... was auch... geschehen mochte... Langsam wachte sie aus ihrem tiefen Schlaf auf. Ihre Augen bäumten sich gegen die Dunkelheit auf, die sie seit ihrem Sturz gefangen hatte. Danach war es so lange, so eiskalt gewesen. Immer noch spürte sie die Kälte in ihren Gliedern, aber sie wurde schwächer und überlagert durch unerträgliche Hitze. Ihre Glieder schmerzten furchtbar. Alles war so schwer und unerträglich träge. Die Zeit wurde so zähflüssig wie wilder Honig. Jede Sekunde schien sich zur Unendlichkeit ausdehnen zu wollen. Ein Gefängnis in ihrem eigenen Geist errichtet, dem sie nicht entkommen konnte. Doch da war noch etwas, das sie am Rande ihres Bewusstseins wahrnahm. Ein regelmäßiges leises flüstern. Vielleicht der Wind, oder ein Atem? Die junge Frau nahm all ihre Kraft zusammen und riss die Augen auf. Sofort flutete das Licht in sie hinein und blendete sie. „Du bist also endlich aufgewacht. Das freut mich. Ich hatte schon gefürchtet, dass meine Bemühungen am Ende doch nicht ausgereicht hätten. Wie fühlst du dich?“ Diese Stimme war so sanft und klang im ersten Augenblick seltsam vertraut. Wer war da bei ihr? Ihr Atem ging sehr angestrengt. Schmerz. Sie zuckte zusammen und krümmte sich. Sofort war dieser Mensch im Raum bei ihr und half ihr sich ein wenig aufzurichten. „Ihr ward schwer verwundet. Euer Körper hat seine Grenzen weit überschritten. Doch seid unbesorgt. Ich bin bei euch und werde mich um euch kümmern, bis ihr wieder gesund seid. Nehmt bitte diese Medizin hier. Sie wird eure Schmerzen lindern.“ So angenehm. Diese Stimme war so angenehm. Endlich wurde das Bild schärfer und ihre Augen nicht mehr geblendet. Sie konnte den Mann nun klar erkennen. Kouhei kniete neben ihr und hielt sie leicht aufgerichtet. Mit der linken Hand reichte er ihr eine kleine Porzellanschale, aus der sie langsam trank. Die Medizin war bitter und das Schlucken fiel ihr schwer. Als ihr bewusst wurde, dass sie sich in einem fremden Haus befand, biss sie sich auf die Lippen. Es war nicht gut, dass sie hier war. Sie würde so bald wie möglich von hier fort gehen. Am besten in der Nacht. Am besten schon in den nächsten Tagen. Die bittere Flüssigkeit füllte ihren Bauch und ließ eine ungewohnte Wärme durch ihren Körper dringen. Der Schmerz verebbte und war bald nur noch ein schwaches Pochen. Schweigend ließ sie alles weitere über sich ergehen. Protestierte nicht gegen seine Berührungen, oder die Tatsache, dass er sie mit entblößtem Oberkörper sah. Mit einer ausdruckslosen Maske auf den Zügen musterte sie die feinen Hände des Mannes. Seine zarten Berührungen irritierten sie einen kurzen Moment lang. Doch sie ließ nicht zu, dass dieser unerwartete Sinnesreiz ihr Bewusstsein all zu sehr trübte. Dann war da jedoch noch sein warmer Atem, den sie während des Verbandswechsels in ihrem Nacken spürte. Yachiyo war erleichtert, als der Mann fertig war und lehnte sich zurück in ihre Lagerstätte. Wissentlich drehte sie den Kopf weg von ihm. Sie wollte nicht mit ihm reden, nicht im Moment und nicht in Zukunft. Je weniger Kontakt sie mit ihm hatte, um so besser war es für alle Beteiligten. „Ich sehe, ihr wollt nicht mit mir reden. Dann werde ich mich jedoch trotzdem vorstellen. Mein Name ist...“, er wurde harsch unterbrochen. „Hey Kou-kun. Daisuke sucht nach dir. Es klang so als wär's was Wichtiges. Sollte dir nur kurz Bescheid sagen“, platzte Shiro herein und blickte etwas betreten nach oben, als er sich bewusst wurde, das die Brüste der jungen Frau nur durch ein paar Verbände verborgen waren, „Hey Missi... freut mich, dass du wieder wach bist. Dann brauch ich endlich keine Nachtschichten mehr zu machen.“ „Galant wie immer Shiro. Ich war gerade dabei mich vorzustellen“, bemerkte Kouhei etwas beleidigt und führte die ausgestreckte Hand horizontal vor die Brust, „also... Mein Name...“ Wieder unterbrach der junge Mann ihn: „Ich mach das. Er braucht sowieso wieder 'ne halbe Ewigkeit sonst. Also ich bin Shiro und das ist Kou-kun... äh ich mein... Kouhei. Er ist der Hausherr und hat dich höchstpersönlich wieder zusammengeflickt. Man sieht es ihm vielleicht nicht an, aber er is'n verdammt guter Arzt.“ Der Herr des Hauses seufzte und schlug sich die Hand vor den Kopf. Immer musste dieser junge Spund ihm alles verderben. Er hatte einfach keinen Sinn für die gesitteten Dinge des Lebens. Shiro wartete einige Sekunden, aber es kam keine Antwort von der jungen Frau. Leicht verärgert verzog er die Mundwinkel: „Du könntest ruhig antworten.“ „Lass sie doch, wenn sie nicht will, dann soll sie schweigen“, verteidigte Kouhei seine Patientin. „Ach, sie darf unhöflich sein. Du bist echt gemein, Kou-kun“, beleidigt zog er von dannen und drehte sich nur kurz an der Tür noch einmal um, „Vergiss nicht, dass Daisuke noch was von dir wollte.“ „Sag ihm, ich komme gleich“, lächelte der Schwarzhaarige seinen Freund an. „Hey, ich bin nicht euer Laufbursche, damit das klar ist!“ Mit lautem Knall schlug die Tür zu und Shiro war verschwunden. „Er ist wirklich überaus lebhaft. Aber seid ihr euch sicher, dass ihr mir nicht doch euren Namen verraten wollt?“ Sie schwieg. „Na dann... Ich werde später wieder nach euch sehen.“ Kapitel 3: Kapitel 2 -------------------- Drei Tage später hatte Yachiyo noch immer kein Wort gesprochen. Langsam kehrte die Kraft in ihre Glieder zurück, aber der Schmerz nistete in den Wunden und ließ sich auch mit Medizin nicht herauslocken. Vielleicht wollte sie es auch selber nicht, dass der Schmerz verging, immerhin war es ihr Bruder gewesen, der ihr eine dieser Wunden zugefügt hatte. Gedankenverloren ruhte ihre linke Hand auf ihrem Bauch und ihre schlanken Finger ertasteten den Verband, dessen Strukturen sich durch das dünne Gewand durchdrückten. Sie war es Leid immer nur in ihrem Bett zu sitzen und zu lauschen. Auch wenn sie auf diese Art bereits einiges hatte erfahren können, aber mit der Zeit wuchs in ihr der Drang aufzubrechen. Doch noch wollten ihre Beine sie nicht tragen. Glaubte sie den Worten von Kouhei, dann würde dieser Zustand noch mindestens eine Woche anhalten. Solange wollte er es ihr auch nicht gestatten das Zimmer, oder sogar das Bett zu verlassen. Dabei hatten die Wunden angefangen sich zu schließen und nässten auch nicht. Der junge Herr des Hauses, wie ihn der Diener immer nannte, war also tatsächlich ein hervorragender Arzt, auch wenn ihr diese Tatsache bereits nach dem Aufwachen klar gewesen war. Ohne Reaktion auf die herannahenden Schritte, saß sie aufrecht da und hing ihren Gedanken nach. Selbst als die Tür aufgeschoben wurde und Kouhei eintrat, blieb die junge Frau absolut ruhig und starrte einfach nur vor sich auf die Decke. Unmerklich jedoch, verkrampften sich jedes Mal, wenn jemand das Zimmer betrat, ihre Hände unter dem schweren Stoff und sie war sich nicht sicher, ob der Mann bei ihr, es nicht auch bemerkte. Seine Hände waren nicht nur die eines Heilers, dafür schienen sie viel zu edel und filigran. Zudem hatte sie bemerkt, dass der junge Herr sehr auf Bücher versessen war. Jedes zweite Mal, wenn sie ihn sah, oder auch nur seinen Schatten an den Schiebetüren, hatte er ein Buch in der Hand und war ganz vertieft. Sein Atem wurde langsamer, sein Gang gebeugter und er neigte auch dazu, sich mit der linken Hand ans Kinn zu fassen, wenn er etwas interessant fand oder es für wichtig erachtete. Verstohlen musterte sie jede seiner Bewegungen aus den Augenwinkeln. Sie waren regelmäßig und fließend. In seinem Gang lagen Selbstbewusstsein und Güte. Doch da war etwas, dass ihr immer wieder auffiel. Wenn er nach rechts schaute, dort wo die kleine Komode an der Wand stand, voll gestellt mit allen möglichen Medikamenten und einem kleinen Kästchen, dann verharrte sein Körper für einen kurzen Moment in der Bewegung. Die Frage nach dem Grund lag einige Augenblicke lang auf ihrer Zunge und verleitete ihren Verstand fast dazu sie zu stellen. Doch sie beherrschte sich und blieb still. Es gab nichts, das sie mit diesem Mann bereden wollte. Umso weniger er von ihr wusste, um so sicherer konnte er sich seines Lebens sein. Jeder der mit ihr in Kontakt kam war in Gefahr. Er sollte sie ruhig so ansehen. Immer weniger Faszination lag in seinen klaren blauen Augen. Langsam aber sicher wurden sie immer trauriger, malten sich aus, welche Schrecken das Mädchen in seiner Obhut wohl zum Schweigen gebracht hatten. So wuchs in ihm auch der Zweifel, ob es ratsam war, überhaupt etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren. Doch das Verlangen ihren Namen zu kennen, das hatte der Mann immer noch. Bei jeder Gelegenheit versuchte der Arzt ihn ihr zu entlocken. Auch den Hausdiener und das Hausmädchen hatte er darauf angesetzt, aber sie blieben ebenso erfolglos wie ihr Herr. Und dieser große braunhaarige junge Mann, hatte es bereits gänzlich aufgegeben mit der jungen Frau reden zu wollen. „Immer noch schweigsam wie ein Grab. Langsam fürchte ich, dass eure seelischen Wunden tiefer sind, als die eures fleischlichen Körpers“, seufzte Kouhei und kniete sich neben die junge Frau, um wieder einmal die Verbände zu wechseln. Ihre nussbraunen Augen huschten kurz herüber. Was war das für ein seltsamer Glanz, der in seinen Augen lag? Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als er ihre Hand berührte. Nicht etwa, weil er eine zärtliche Berührung wollte, vielmehr hatte es wohl seine Notwendigkeit. „Wollt ihr mir nicht endlich euren Namen verraten? Welcher Fluch soll schon darauf lasten, dass selbst das bloße nennen...“ „Hört auf... es nützt nichts“, entgegnete Yachiyo. Ihr Blick wanderte nach unten und verengte sich. „Allein mit euch zu diskutieren, würde zu nichts führen. Hört auf zu fragen.“ Sie konnte sehen, wie ihm der Atem stockte. Hatte sie so lange nicht mit ihm reden wollen und plötzlich beleidigte sie ihn derartig. Er hatte ihr das Leben gerettet und das würde sie ihm nicht vergessen, aber er wusste nicht, was für ein Leben er gerettet hatte. Doch es waren nicht nur die forschen Worte der Fremden, die den jungen Herren so paralysierten. Vielmehr war es der Klang ihrer Stimme. Nach einem Schweigen, dass nunmehr eine Woche gehalten hatte, schienen sie nicht nur einfache Worte zu sein, sondern etwas Besonderes. Ihre Stimme war so klar und doch so kalt und unnahbar. Sie klang so sanft in seinen Ohren, obwohl der Satz scharf wie ein Schwert in seinen Verstand gedrungen war. „Respekt ist etwas, auf das man stets Acht geben sollte. Ihr seid in meinem Haus und solange ihr hier seid, werdet ihr mit Folge leisten“, seine Hand schoss vor und klammerte sich um das Handgelenk der jungen Frau. Regungslos trafen sich ihre Blicke. Seiner voller Enttäuschung und der ihre, so kalt wie immer. Sie hatte gelernt ihre Emotionen zu verstecken, hatte es lernen müssen, war dazu gezwungen worden. „Behaltet euren Namen von mir aus für euch. Aber erwartet von nun an keinen Respekt mehr von mir.“ Ein unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum. Yachiyo war über ihren Anfall hinweg und hatte ihre Lippen erneut versiegelt. Umso mehr er sich von ihr distanzierte, umso besser. „Ich werde Daisuke bitten ein Auge auf euch zu haben, so lange ich unterwegs bin. Immerhin seid ihr nicht meine einzige Patientin“, Kouhei lehnte sich über die Braunhaarige und platzierte seine linke Hand neben ihrem Ohr, an ihrer Wange. Geduldig wartete sie auf seine Worte, doch er blieb stumm und setzte sich einige Minuten später einfach wieder neben ihr Lager, als wäre nichts geschehen. Schweigend wechselte er ihre Verbände. Ihrem Gefühl folgend, hatte sich die Wunde am Bauch nur sehr wenig geschlossen. Wie der Schmerz den sie festhielt, hielt sie auch die Verletzung davon ab sich zu schließen. Der Mann neben ihr musterte ihr Gesicht, während seine Hände geschickt die frischen Verbände anlegten. Sie wich seinen Blicken aus. Es war ihr unangenehm, dass ihr nach all der Zeit erneut ein Mensch wieder so nahe kam. Nachdem er seine Arbeit beendet hatte stand Kouhei auf und ging langsam zur Tür. Seine Finger legten sich auf die kreisförmige Vertiefung in der Schiebetür. Er überlegte kurz, atmete dann tief ein und schob sie auf. Yachiyo hörte wie seine Füße auf das Holz der Veranda traten und sich die Tür langsam wieder schloss. Kurz bevor sie ganz geschlossen war, verklang das leise quietschende Geräusch, an seine Stelle trat wieder die Stimme des jungen Herren. „Ich werde dich nicht gehen lassen...“, klang seine Stimme sanft zu ihr herüber. Dann das Klacken von Holz auf Holz. Die Tür war zu. Sie war wieder allein im Zimmer. Was sollten diese letzten Worte? Was hatte er damit gemeint? Er verstand sie doch gar nicht. Er wusste nichts über sie. Er war so ein Narr zu glauben, dass sie wirklich bleiben würde. „Hört, hört!“, posaunte Shiro los, als sein Freund um die Ecke bog, „'Ich werde dich nicht gehen lassen...' Mann.... noch schnulziger ging's ja wohl nicht, oder? Nein warte!... Das nächste Mal gestehst du ihr dabei deine Liebe.“ Der Braunhaarige musste lauthals loslachen: „Die ist grad' 'ne Woche hier und du machst dich an sie ran?“ „Was?! Sag mal bist du jetzt völlig von Sinnen? Du glaubst doch nicht wirklich...“, Kouhei sah zu seinem Freund herüber, „Doch tust du... Shiro... Hör mir jetzt genau zu. Ich weiß nicht warum sie uns nichts von sich erzählen will, aber ich hab dir doch erklärt wovon die Wunden stammen.“ „Ja... die stammen von einem Katana. Außerdem hast du noch gesagt, dass du auf einige ältere Wunden gestoßen bist. Aber ich versteh jetzt nicht...“ „Denk doch mal nach!“, Kouheis Blick wurde todernst und seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, „In Japan ist es den Frauen untersagt, den Schwertkampf zu erlernen. Samurais sind ausschließlich Männer. Sie aber führt zwei hochwertige Schwerter mit sich. Die Arbeit ist wirklich meisterhaft, die Klingen sind ein Vermögen wert, außerdem habe ich einige Einkerbungen darauf gefunden. Nur sehr wenige und zudem meist überpoliert...“ Der junge Mann unterbrach den Hausherren: „Also in anderer Leute Sachen herum schnüffeln ist aber nicht...“ Die Hand des Arztes schlug gegen die Wand: „Bleib nur einmal ernst, Shiro... einmal! Verstehst du es denn immer noch nicht?“ Verlegen schüttelte Shiro den Kopf. „Jemand will sie umbringen. Die älteren Wunden stammen von vielerlei Waffen, unter anderem von Pfeilen oder auch feinen Nadeln. Ihre jetzigen Verletzungen stammen höchstwahrscheinlich von einem fehlgeschlagenen Mordversuch.“ „Bist du sicher?“, fragte der junge Mann kleinlaut und wurde etwas blass um die Nase. „Ja... ich bin sicher.... auch wenn ich wünschte es wäre nicht so“, seufzend ließ sich Kouhei an der Wand zu Boden sinken, „Ich will ihr helfen. Ich bin Arzt geworden, nicht nur wegen meines Vaters und auch nicht, um nur die körperlichen Leiden der Menschen zu heilen... Ich will ihnen als Mensch helfen. Wozu sollte ich sonst ein Leben retten, wenn es kurz darauf doch verlischt?“ „Aber was willst du denn deswegen unternehmen? Wenn sie wirklich verfolgt wird und das auch noch aus dem Grund, dass sie gegen die japanischen Traditionen verstoßen hat, dann stellst du dich gegen das Gesetz, wenn du sie hier behältst. Ich sag es ja nur ungern, aber wenn sie wirklich eine Verbrecherin ist, dann müssen wir sie der Polizei überstellen.“ „Das kann ich nicht...“, hauchte Kouhei nur und war schon tief in Gedanken versunken. Er würde das Mädchen nicht eher der Polizei übergeben, ehe er wusste, was sie verbrochen hatte. „Kouhei!“, fuhr Shiro ihn an. „Schweig!“, gab dieser nur zurück, „Ich werde niemanden aus Gründen dem Tode ausliefern, die ich nicht kenne und erst recht nicht, wenn sich diese 'Gründe' als Nichtigkeiten herausstellen sollten!“ Der junge Herr stand auf und ging ohne zu zögern an dem Braunhaarigen vorbei: „Solange ihre Wunden nicht verheilt sind, werde ich nichts unternehmen und so lange hälst du gefälligst deinen Mund gegenüber jedem Außenstehenden. Hast du mich verstanden?“ Shiro verschränkte die Arme vor der Brust und ließ nur ein verärgertes Brummen von sich hören. Na gut, wenn sein Freund sich unbedingt in Gefahr bringen wollte, dann bitteschön, sollte er das tun. Aber wehe er zog ihn in die Sache mit rein. „Es tut mir Leid... Shiro“, dachte Kouhei traurig, bevor er sich in die Stadt aufmachte. Yachiyo saß noch immer im Bett und fand keine Ruhe. Ihre Gedanken überschlugen sich. Eine Woche war sie schon hier und noch immer wusste sie nicht, wo genau sie sich überhaupt befand. Wie hieß die Stadt, in der sie sich im Moment befand? Wie weit war sie den Fluss abwärts getrieben worden? Sieben Tage... war ihr Bruder womöglich schon hier? Sie schüttelte den Kopf. Nein... Yoshio hätte sie schon längst gefunden, wenn er gewollt hätte. Es ergab alles keinen Sinn für sie. Warum schickte ihr Vater nun auch noch seinen eigenen Sohn hinter ihr her? Sollte er nicht noch mit seinem Lehrmeister auf Reisen sein? „Ich muss von hier fort... heute Nacht noch. Ich kann die Menschen hier nicht unnötig in Gefahr bringen. Ich will... nicht noch mehr Menschen sterben sehen. Das muss endlich aufhören...“ Mit Tränen in den Augen legte sie sich hin und rollte sich auf die Seite. Gegenüber anderen konnte sie hart und lieblos sein, aber sich selbst konnte sie nicht belügen. Ein kalter Hauch streifte ihr Gesicht. Einige Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie drehte sich nicht um. Wer auch immer dort stand und sie beobachtete, es kümmerte sie nicht. Sie spürte, dass dieser Jemand ihr nichts tun wollte. Eine Weile noch streichelte der Wind ihr durch das Haar, bis sie einschlief. Nachdenklich ging Kouhei durch die Straßen. Die schwere Umhängetasche stieß bei jedem seiner Schritte gegen sein Bein und er war kaum in der Lage aufrecht zu gehen. Als Arzt konnte man auf die eigene Gesundheit nicht so viel Rücksicht nehmen, wie man vielleicht wollte und auch sollte. Seine Gedanken waren beherrscht von dem Rätsel, dass die junge Frau in seinem Anwesen ihm aufgegeben hatte. Wer war sie? Welche Schatten barg ihre Vergangenheit? Das Schütteln seines Kopfes war ein Ausdruck seiner Ahnungslosigkeit. Doch das war keinesfalls ein Grund, das Rätsel beiseite zu legen und aufzugeben. Vielmehr stachelte ihn dieses Gefühl weiter an. Er war fasziniert von ihr. Nicht von ihrem Körper, wie es ein Mann vielleicht sein würde, war sie doch hübsch und schlank. Nein, es war ihr Geist, jene Seele, die sich hinter den eiskalten Augen verbarg und sich niemandem preisgeben wollte. So undurchschaubar wie die Finsternis der Nacht und so kalt wie der eisige Hauch des Winters. Ein Mensch der selbst noch lebt, wenn sein Körper zu erfrieren scheint. Er erinnerte sich, dass sie tatsächlich eiskalt gewesen war, als er sie aus dem Fluss gezogen hatte, aber seltsamerweise, hatte sie keine Erfrierungen gehabt. Ein einziges Geheimnis. Wiederrum schüttelte er den Kopf und zog den Gurt der Tasche ein wenig höher, damit sie ihm nicht einfach von der Schulter rutschte. Er mochte diesen Weg in der Nacht, wenn der Mond lediglich ein schwaches Zwielicht erschuf, in dem die Realität verschwamm. Das Geräusch des Flusses zu seiner rechten klang dann so fremd und doch vertraut. Als würde man es deutlicher wahrnehmen als am Tag. Vielleicht lag es daran, dass der Geist nicht so sehr durch das abgelenkt war, was er sah. Selbst seine Hand war nur noch ein Schemen. Vor ihm, in einiger Entfernung, schimmerten die Lichter der Stadt und hinter ihm schimmerte das einsame Licht des Hofes, welchem er einen Besuch abgestattet hatte. Ein kalter Hauch erfasste ihn. Seine Kleidung wehte leicht im Wind. Er fröstelte, zog den Mantel enger um sich. Bald schon würde es den ersten Frost geben... da war er sich sicher. Yachiyo erwachte mitten in der Nacht. Schlaftrunken richtete sie sich auf und rieb sich die Müdigkeit aus den Augen. Die Tatsache, dass sie zu dieser Uhrzeit noch müde war, konnte nur bedeuten, dass ihr Körper noch immer schwächer war, als sie erwartet hatte. Normalerweise wandelte sie nur in der Nacht und war selten bei Tag unterwegs. Sie hatte sich daran gewöhnt den Mond aufgehen zu sehen und nicht die Sonne, wie die meisten anderen Menschen, wenn sie von ihrem Lager aus zum Fenster hinaus blickten. Noch etwas unsicher stand sie auf. Es war ein seltsames Gefühl, welches sie in ihren Beinen wahrnahm, als wusste ihr eigener Körper nicht mehr, wie es war zu stehen, als würde er sich noch immer nach der Wärme des Futons sehnen. Dabei kannte ihr Verstand die Gefahren nur zu gut, die auf sie zukommen würden, wenn sie noch länger in diesem Haus verweilte. Ihre Schwerter waren nur wenig von ihr entfernt auf einer niedrigen Komode aufgebahrt. Ihre Augen fixierten die Waffen und langsam schritt sie darauf zu. Ihr Herz pochte, aber sie wusste nicht warum. Erst als sich ihre Finger um die Scheiden der Klingen schlossen, wurde sie ruhiger und atmete erleichtert aus. Nie schlief sie ohne Bewaffnung. Es wäre töricht. Von draußen hörte sie ein dumpfes Geräusch, doch es verhallte fast im gleichen Augenblick, in dem sie es entdeckt hatte. Sie blieb reglos. Nichts bewegte sich, kein weiterer Laut drang an ihre Ohren, außer der Melodie der Nacht. Vorsichtig schlüpfte sie in ihre alte Kleidung und legte den weißen Kimono, den man ihr angezogen hatte, sorgfältig zur Seite. Im Gegensatz zu dessen edler Seide, fühlte sich die einfache Wolle ihrer eigenen Kleidung auf ihrer Haut rau und uneben an. Es kratzte ein wenig. Das hatte sie zuvor nie wahrgenommen. Die Klingen befestigte sie seitlich an ihrem Hakama und öffnete dann leise die Schiebetür. Ihre Augen spähten hinaus in den dunklen Garten. Wieder nichts. Sie ging hinaus und schlich über die hellen Holzdielen. Ein wirklich edles Haus. Im Garten schlugen die Wellen unruhig gegen die Steine des Teiches und der hohe Bambus rauschte leise. Doch sonst war alles ruhig und unbewegt. In den perfekten Sand- und Kiesgärten, markierten hohe, naturbelassenen Steine das Zentrum der kreisförmigen Anlagen. Die Shojis des Anwesens waren verziert mit Tierbildern, vorwiegend Kraniche, doch sie fand auch vor einem Zimmer die Abbilder von zwei Tigern. Bei dem Anblick verkrampfte sich etwas in ihrer Brust und ein nur all zu bekannter Schmerz wallte in ihr hoch und überdeckte das Pochen in ihrem Bauch und der Schulter. Sie durfte nicht zurückblicken, konnte aber jeden Augenblick ihres Lebens nur an all das Leid denken, dass sie bisher erlebt hatte. Es beherrschte sie, ließ sie niemals los, raubte ihr alles. Sie schloss für einen Moment die Augen und löste sich aus ihrer Starre. Sie atmete tief ein und aus. Die Luft war so schön klar. Die Kälte um sie herum nahm sie kaum wahr, auch wenn ihr Leib zitterte. Fast andächtig blickte sie am Tor angekommen noch einmal auf das Haus hinter ihr und öffnete dann die massive Holztür. Im gleichen Moment, in dem sie hinaustrat auf die Straße und das Tor sich hinter ihr wieder schloss, fühlte sie die Einsamkeit der Nacht nach ihrer Seele langen. So sehr die Menschen auch fürchteten allein zu sein, so hatte Yachiyo begonnen diese Einsamkeit zu lieben. Sie strebte sogar danach. Jeder Moment mit anderen Menschen, war ein Moment voller Angst. In dem Wissen den Arzt und seine Freunde vor einem grausamen Ende zu bewahren, schritt die Ronin die Straße entlang und bedauerte keinen Moment das Anwesens verlassen zu haben. Niemand dort wusste wer sie war und so würden sie sicher sein vor ihren Verfolgern. Ihr Blick wanderte vom Boden nach vorne. Das fahle Mondlicht zeichnete nur wenige Schatten in die Nacht. Yachiyos Weg führte weg von der Stadt. Ihr wurde immer kälter und die Schmerzen wurden bald so stark, dass sie sich nur mühsam fortbewegen konnte. An einem der äußeren Bauernhäusern hatte sie kurz gestoppt. Ohne gesehen und gehört zu werden, war sie dort in das Haus eingedrungen und hatte einen dickeren Wollmantel mitgehen lassen, in den sie sich nun hinein schlang. Vielleicht war das Stechen in ihrer Brust nicht nur das Resultat der eisigen Luft, die sie einatmete, sondern so etwas wie Reue. Doch selbst den Gedanken daran erlaubte sie sich nur für Sekundenbruchteile. Sie wusste genau, dass jeder Schritt zurück bedeutete, dass jene, die sich so sorgsam um sie gekümmert hatten, mehr und mehr in Gefahr gerieten. Sie zwang ihren Körper immer weiter zu gehen. Stunden verstrichen und die Lichter der Stadt waren längst hinter den zahlreichen Biegungen der Straße verschwunden. Die leeren Reisfelder der Bauern verschwanden allmählich unter einer zarten Eisdecke. Der Frost hatte sich langsam in die Nacht geschlichen. In weißen Wolken stieg der Atem von ihr auf und verschwand dann auf dem Weg in den klaren Sternenhimmel. Links von ihr lag ein dichter Wald still da. Langsam aber sicher war der Herbst zum Winter geworden und das Leben widmete sich dem Schlaf, der es über die kalten Monate bringen würde. Als ein einsames Licht in der Ferne sichtbar wurde, wechselte die Ronin in den Wald und setzte dort ihren Weg fort. Die Gerippe der Bäume verbargen nur ihren Schatten, doch in der Finsternis mochte das reichen. Bald erkannte Yachiyo, dass sich vor ihr ein kleiner Rasthof befand. Vorsichtig schlich sie heran und achtete darauf, nicht auf irgendwelche toten Äste zu treten. Immer näher stahl sie sich zu dem Gebäude und drückte sich schließlich in der Nähe des Eingangs an einen breiten Stamm. Erst leise, dann immer deutlicher drangen zwei Stimmen zu ihr herüber. Sie war sich nicht sicher, was die Männer miteinander zu bereden hatten, aber etwas tief in ihr ließ sie spüren, dass es nichts Gutes sein konnte. Die beiden Gestalten traten neben das Gebäude und schauten in den dunklen Wald. Yachiyos Herzschlag stoppte für einen Moment. Hatten sie sie bemerkt? Nein, sie drehten sich wieder weg. Angestrengt lauschte die junge Frau und presste sich das Wolltuch gegen den Mund, um nicht von ihrem Atem verraten zu werden. „Scheiß Kälte. Im Süden wird’s bei uns nicht so kalt“, beschwerte sich einer der Männer. Yachiyo konnte nur erkennen, dass er relativ kräftig gebaut war und die Arme vor dem Körper verschränkte. Seine Stimme war rau und tief. „Ja... zweifellos befinden wir uns auf der Schwelle zum Winter“, entgegnete der andere, nicht minder kräftig, jedoch auf seine Art eleganter, besonders, da seine Stimme wesentlich sanfter klang. „Hast du Neuigkeiten für uns?“ „In der Tat. Laut unserem Informanten befindet sich Yachiyo Yokote in der nächsten Stadt. Sie soll dort bei einem Arzt untergekommen sein. Die Adresse sollen wir vor Ort erfahren.“ Die Worte durchfuhren die Ronin wie ein Schock. Kraftlos sank ihre Hand, mit der sie das Wolltuch festgehalten hatte, nach unten. Ihre Augen zitterten hin und her und ihre Beine drohten jeden Moment nachzugeben. Dennoch zwang sich die Ronin ruhig zu bleiben und biss sich auf die Lippen. Sie musste erst alles hören, bevor sie kopflos davon stürmte. „Dann machen wir uns am Besten gleich auf den Weg.“ „Unnötig. Soweit wir wissen, sollte sie schwer verletzt sein. Sie wird wohl kaum in der Lage sein, weite Strecken zurück zu legen. Es ist ohnehin ein Wunder, dass sie noch am Leben ist.“ „Wenn du meinst... Dann hau'n wir uns wieder hin und gehen erst morgen früh los.“ Der eleganterer von den beiden schaute nachdenklich in den angrenzenden Wald. Yachiyo konnte seine Blicke in ihrem Rücken spüren. Sie hielt den Atem an. Schließlich drehte der Mann sich wieder weg: „Ich frage mich, ob die Zeit nicht sowieso für uns arbeitet. Ob der Tod wohl schon neben ihrem Lager wacht?“ „Das ist mir ehrlich gesagt egal. Wir gehen hin, schauen nach und wenn sie noch lebt, nehmen wir dem Tod halt seine Arbeit ab.“ „So grob... Na ja... gehen wir rein. Die Nacht ist kalt und ich bin einer Erkältung doch recht abgeneigt.“ Beide gingen wieder ins Gebäude, doch kurz bevor die Tür zum Gasthaus zufiel hörte sie noch einen letzten Satz. „Vergiss nicht.... Der Auftrag lautet: Keine Zeugen.“ Warum klang dieser Satz so seltsam in ihren Ohren? War er nur gesprochen worden, um den Kampf in ihrem Innern erneut zu entfachen? Oder hatte der Mann sie gar bemerkt? Zitternd griff ihre rechte Hand nach ihrer Stirn. Immer noch zuckten ihre Augen unruhig hin und her und waren weit aufgerissen. Was sollte sie jetzt tun? Was? WAS!? Ihre Beine gaben nach und sie sackte auf den kalten Boden und kippte vorn über. Ihr Kopf grub sich in ihre Arme und Tränen begannen über ihr Gesicht zu rinnen. Wieder biss sie sich auf die Lippen, doch diesmal spürte sie nach kurzer Zeit, wie Blut über ihr Kinn rollte. Sollte ihr sinnloses Dasein erneut seinen Tribut fordern? Die Verzweiflung in ihrem Herzen wuchs, bis Yachiyo sie nicht mehr ertragen konnte. Sie stemmte sich hoch und rannte davon. Immer wieder rissen niedrige Äste an ihrer Kleidung und ihr Atem wurde zu einem angestrengten Keuchen. Taub und blind für die Welt um sie herum, lief sie in Richtung Stadt. Vielleicht würde sie sie retten können... Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vor ihrem geistigen Auge sah sie bereits das Blut des Arztes und seines Freundes durch die Dielen der Veranda sickern. Das durfte nicht geschehen... nicht schon wieder... Das Pochen in ihrem Brustkorb wurde immer stärker. Ihr Körper und ihre Seele schrien gleichzeitig auf. Sie konnte es nicht mehr ertragen. In ihrer überstürzten Hast stolperte sie über eine Baumwurzel und schlug hart auf den Boden auf. Sie spürte, wie sich ein stumpfer Stein in ihren Brustkorb drückte und eine Rippe unter der Wucht nachgab. Vor Schmerz krümmte sie sich auf dem Boden und fing an entkräftet zu husten. Minuten vergingen. Sie durfte hier nicht liegen bleiben. Sie musste weiter. Immer weiter... immer weiter. Zitternd und stöhnend zog die Ronin sich an einem nahen Baum hoch und krallte sich in das Holz, um nicht augenblicklich wieder zusammen zu brechen. Wie lange sollte das noch so weiter gehen? Wie lange würde sie den Schmerz noch aushalten können? Wann erlöste sie endlich jemand von ihren Qualen? Sie war nicht so kalt, wie sie immer vorgab zu sein. Sie gab ja zu, dass sie sich nach menschlicher Wärme verzehrte, doch die Nacht, in der sie seit Jahren lebte, hatte sie verändert. Hatte ihre wahre Natur hinter einer Maske aus Eis verborgen. Wolken schoben sich vor den Mond und die Finsternis forderte die Herrschaft über die Nacht zurück. Yachiyo rannte nicht mehr. Sie wandelte langsam durch den Wald. Schwer beladen von Trauer und Schuldgefühlen. Ihr Körper ausgezehrt und fahl. Stunden später lag ihr Körper zusammen gekauert unter einer hohlen Baumwurzel, eingeschlungen in den Wollmantel. Die wachen Augen fielen immer wieder zu, bis die Kälte sie einlud zu schlafen. Der Eingang zur Höhle war mit totem Laub zu geschaufelt, sodass die Wärme in der Höhle blieb. Die junge Frau hatte noch längst nicht aufgegeben, auch wenn die Furcht um das eigene Leben zu einem ständigen Begleiter geworden war. Der nächste Morgen erwachte so kalt, wie die vorige Nacht verklungen war. Kurz vor der Dämmerung hatte es angefangen zu schneien und so lag nun eine dichte Schneedecke in den Straßen und auf den Dächern der Stadt. Kouhei kauerte auf der Veranda seines Anwesens. Die Knie angezogen und den Kopf in den verschränkten Armen vergraben, saß er mit dem Rücken zu dem Raum, in dem am Abend zuvor noch die Fremde gelegen hatte. Neben ihm dampfte der heiße Tee, den er vor Schreck vergossen hatte. Die Scherben der Tasse lagen verstreut auf dem hellen Holz der Veranda. Er verstand nicht genau, warum ihn das Verschwinden der jungen Frau so mitnahm, hatte er doch in ihrem Blick lesen können, dass sie bald gehen würde. Aber wahrscheinlich hatte er sich zu sehr der trügerischen und törichten Hoffnung hingegeben, dass sie vielleicht auf seine Worte hören würde. Die Frage nach dem Warum hörte nicht auf in seinem Kopf herum zu spuken und auch eine quälende Sorge, gleich dem Stoß eines eiskalten Dolches, beherrschte ihn. Wohin war sie gegangen? Sie konnte doch in ihrem Zustand unmöglich in der Kälte überleben. Ein tiefer Seufzer ging über seine Lippen und floh in Form von weißem Dunst von ihm. „Wie lange willst du denn noch da sitzen? Es hat keinen Sinn einer wie der nach zu weinen. Sie hat ihren Dickschädel genauso wie ich meinen hab... und das heißt, dass es da nichts zu rütteln gibt“, zerriss Shiro die erdrückende Stille. Der junge Arzt hob seinen Kopf ein Stück weit in die Richtung seines Freundes, doch seine Augen blickten weiterhin ins Leere. „Komm... hoch mit dir“, der junge Mann krallte sich den Arm des Hausherren und riss ihn nach oben. „Lass mich...“, protestierte Kouhei, doch er schaffte es nicht einmal sich dem Griff des anderen zu entwinden. Langsam wurde dieser ungeduldig und etwas begann sich in seinem Hinterkopf zu Wort melden zu wollen. Vielleicht war es eine Art Verpflichtung, die er seinem Freund gegenüber empfand, oder auch ein schlechtes Gewissen, immerhin hatte er im Nebenzimmer geschlafen und nichts von der nächtlichen Flucht mitbekommen. „Bevor du hier noch in Selbstmitleid zerfließt, geh ich sie halt suchen“, brummte Shiro genervt und gab den Versuch auf, seinen Nebenmann gewaltsam auf den Füßen halten zu wollen. „Schon gut... Ich geh sie selber suchen.“ „Bist du sicher?“, hakte der Braunhaarige nach und wollte nicht recht von dem gequälten Lächeln seines Freundes überzeugt werden. „Ja ich bin sicher“, bekräftigte dieser noch einmal seine Entscheidung und richtete sich gerade auf, „Sie ist meine Patientin... und ich verliere so ungern welche.“ „Du konntest doch bei deinem Vater...“, weiter kam Shiro nicht, er selbst und auch Kouheis Blick hatten ihn davon abgehalten, diese alte Wunde wieder aufzureißen. „Sag Daisuke bitte er soll mir den dicken Mantel bringen.“ Shiro nickte und verschwand daraufhin in einem der angrenzenden Zimmer und ließ den Arzt mit seinen Gedanken allein. Dieser ging in das Zimmer hinter ihm herein und starrte eine Weile auf das leere Futon, bis er auf die Komode zu schritt und ein kleines Kästchen aus der untersten der drei länglichen Schubladen nahm. Mit traurigem Blick öffnete er die feine hölzerne Schachtel, mit den vier vergoldeten Beinen und den eleganten Blumenschnitzereien. Darin lag ein langes und feines Messer, gleich einem Skalpell. Das Metall war an einigen Stellen mit dunklem Rost verunreinigt. Vorsichtig fuhr er mit dem rechten Zeigefinger über die Klinge des Messers, jedoch war die Schneide stumpf und hinterließ keinerlei Schaden auf der Haut. Innerlich kämpfte Kohei mit alten Erinnerungen und schärfte sich erneut ein, warum er Arzt geworden war und weshalb er es immer sein würde. Schließlich legte er die Klinge wieder in das Kästchen und schloss die Schublade. Die hölzerne Schachtel stellte er auf die Komode und trat wieder hinaus auf die Veranda. Der junge Mann tat einen tiefen Atemzug und genoss die wohltuenden Strahlen der noch jungen Sonne, die sich nur für Augenblicke hinter den dichten grauen Wolken hervor kämpfen konnte. „Euer Mantel, Kouhei-sama.“ „Ich danke dir Daisuke-san“, wandte sich der Schwarzhaarige zur Seite und nahm die schwere Jacke, „Sei bitte so gut und heize das Haus ordentlich auf. Es wird sehr kalt in den leeren Räumen.“ „Wie ihr wünscht“, verbeugte sich der Diener und klopfte dann dem jungen Herren aufmunternd auf die Schulter. Als Dank für die Geste schenkte ihm der junge Hausherr ein aufrichtiges Lächeln. „Ihr wisst, dass ich immer für euch da sein werde, selbst, wenn der Rest der Welt euch den Rücken kehrt, oder ihr den euren Rücken der Welt zukehrt. Was immer ihr auch entscheiden werdet... ich stehe hinter euch“, sagte der Butler mit einem traurigen Unterton in der Stimme, jedoch war sich Kouhei sicher, dass sein alter Freund ihm auch dieses Mal wieder die Wahrheit sagte. Er drehte sich um, fasste nach der Hand des Dieners und nahm sie zwischen die seinen: „Ich weiß nicht was du meinst... Das hört sich fast an, als würdest du dich von mir verabschieden wollen, dabei kannst du sicher sein, dass ich zurück kommen werde.“ „Verzeiht mir...“ Der junge Mann schüttelte nur den Kopf: „Nein... mir tut es Leid, dass ich dir immer wieder nichts als Sorgen bereite. Ich komme zurück, das verspreche ich dir.“ Mit diesen Worten ging er an seinem alten Freund vorbei und warf sich den Mantel über. Am Tor schenkte er Aiko dasselbe Lächeln, wie zuvor Daisuke und auch auf ihren Zügen las er tiefe Sorgen. Wo sollte er nur anfangen sie zu suchen? Die Stadt war groß, auch wenn er nicht glaubte, das Mädchen irgendwo in hier zu finden. Vielmehr glaubte er, dass sie schon längst fort war. Dennoch war das etwas, dass ihm sagte, dass er sie finden würde, egal wo sie auch sein mochte. Mit solchen Wunden konnte sie nicht weit gekommen sein. Also begann er seine Suche bei einem der nahen Bauernhöfen. Die Wege aus der Stadt raus waren immer noch mit Schnee bedeckt, auch als die Mittagsstunden sich näherte und Kouhei den ersten Hof erreichte. Doch die Antwort die er dort erhielt, sollte er auch an den anderen Höfen erhalten und in der Stadt. Niemand hatte die junge Frau gesehen oder gehört. Irgendwann senkte sich der Abend über den Ort und wieder begann es zu schneien. Dicke Flocken fielen vom Himmel und die Schneedecke wurde immer dichter. Gefangen in seinen Gedanken bemerkte er kaum noch, was um ihn herum geschah. Erst das Geräusch von Holz unter seinen Füßen und das Rauschen des Flusses rissen ihn aus der Versunkenheit. Er stand auf derselben Brücke, von der er vor einer Woche das Blut im Wasser bemerkt hatte. Langsam wurden die Tropfen an den Grashalmen des Ufers matt und gefroren zu Eis. So wie der Tag mit seiner Wärme das Eis schmolz, so ließ die Kälte der Nacht sie wieder gefrieren. Tau und Reif, so nah verwandt und doch zwei ganz verschiedene Dinge, die lediglich den gleichen Ursprung hatten. Der junge Mann seufzte herzhaft und stützte sich auf das dunkle Geländer der Brücke. Ob die Wolken sich wohl in der Nacht verziehen würden? Es war Vollmond heute Nacht und er würde es bedauern, wenn er dessen silbernes Licht nicht sehen könnte. Kapitel 4: Kapitel 3 -------------------- Dieser schreckliche Traum hielt sie nun schon seit Stunden gefangen. Wieder lag die Vergangenheit wie eine wildes Tier in den endlosen Schatten auf der Lauer und ließ sie nicht einen Augenblick alleine.Seine glühenden Augen verfolgten ihre Bewegungen und seine Muskeln spannten sich hörbar, jedes Mal, wenn sie einen unbedachten Schritt tat. Es war ihr, als würde ihr Leben in jeder Sekunde am seidenen Faden hängen. Doch wann immer sie diesen Traum hatte, tauchte nach einiger Zeit ein zweiter Tiger auf. Sein Fell war leuchtend weiß und wie das Licht der Sonne, strahlte er eine angenehme Wärme aus. Schwarz und weiß, Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht. Ihr Leben war erfüllt von ständigen Gegensätzen. Je mehr sie sich wünschte frei zu sein und ohne Angst ihre Tage verbringen zu können, umso dunkler wurde die Nacht, in der sie wandelte und sie gefangen hielt. Wie die beiden stolzen Tiere begannen sie zu umkreisen, fiel sie in einen schier endlosen Abgrund, an dessen Grund dunkle Wasser unruhig gegen die steilen Wände klatschten. Und anstatt beim Eintauchen die Luft anzuhalten und zu versuchen den Fluten zu entkommen, ließ sie sich auf den Boden sinken. Ihre Lungen füllten sich mit der pechschwarzen Flüssigkeit und eine eisige Kälte breitete sich in ihrem Herzen aus. Yachiyo erwachte mit einem schrillen Schrei und würgte einige Galle hoch, bis sie merkte, dass sie noch immer atmen konnte und nichts in ihrer Lunge war. Die Kälte hatte ihre Finger lediglich ein wenig taub, obgleich sie eiskalt waren. Wieder hatte die frostige Hauch des Winters es nicht geschafft etwas von ihrem Lebensatem mit sich zu reißen. Und jedes Mal, wenn sie ein weiteres Mal dem Tod entrann und weiterleben durfte, hatte sie für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, dass es in ihrem Leben doch noch einen Sinn gab, für den es sich zu leben lohnte. Doch anstatt wie sonst, dieses Gefühl verrinnen zu lassen, hielt sie es wach. Vorsichtig schob sie die Blätter vom Eingang weg, bis sich ein feiner Riss in der Schneedecke darüber bildete und das Licht des Tages in die Höhle fiel. Eine frische Brise wehte hinein und die stickige Luft wurde ein wenig erträglicher. Mühsam kroch sie unter der Baumwurzel hervor und richtete sich auf. „Schnee“, wisperte sie leise und hauchte sich in die Hände. Der Wald sah auf einmal nicht mehr so kalt aus wie am Abend zuvor. Auch wenn die Strahlen der Sonne nicht durch die Wolken zu dringen vermochten, glitzerte der weiße Schnee. Vereinzelte Fußspuren wirkten wie eine stille Botschaft, die besagte: „Ich war hier.“ Da waren die kleinen tapsigen Spuren eines Kaninchen oder auch die Spuren eines Vogels auf der emsigen Suche nach Futter. Ein flüchtiges Lächeln stahl sich über die bleichen Züge. Hinter ihr knackte ein kleiner Ast und der Schnee auf dem dunklen Holz fiel dicht neben ihr auf den Boden. Begleitet nur von dem Knacken der weißen Pracht unter ihren Füßen, war sie seit Stunden unterwegs Richtung Stadt. Nur langsam kam sie vorwärts, hielt immer wieder an um Pausen zu machen und wischte sich ab und an den Schweiß von der Stirn. Noch vor einer Woche hätte sie nicht gedacht, dass sie wirklich noch so etwas wie Reue oder Sorge empfinden konnte, für jemand anderen als sich selbst. Wenn sie nun recht darüber nachdachte, war es sehr selbstsüchtig von ihr gewesen einfach zu gehen... ohne ein Wort. Sie schüttelte den Kopf, nicht um wie so oft diese törichten Gedanken von sich zu schütteln, sondern um die Tränen nieder zu kämpfen, die, ohne dass sie es gemerkt hatte, über ihre Wangen geschlichen waren. Warum weinte sie denn plötzlich? Und warum spürte sie auf einmal diesen Kloß im Hals? War es eine böse Vorahnung, die sich in ihr ausbreitete? Würde sie wie das letzte Mal wieder zu spät kommen? Egal was auch immer sie für die richtige Entscheidung hielt, sie erwies sich letzten Endes so oft als falsch. So wie es falsch gewesen war im Haus des alten freundlichen Mannes zu bleiben, dort oben in den fernen Bergen. So wie es falsch gewesen war, sich mit der Besitzerin der Bar am südlichen Strand von Hokkaido anzufreunden. So wie es falsch gewesen war.... das Haus des Arztes zu verlassen? Der pochende Schmerz in ihrem Oberkörper sagte ihr klar und deutlich, dass es das gewesen war, aber noch immer konnte sie ihrem Herzen keine klare und eindeutige Antwort dazu abringen. Vor sich sah sie mit einem Mal wieder die Dächer der Stadt. Viele waren vollkommen mit Schnee bedeckt, aber hier und da waren Lücken in der Decke. Nur zögerlich verließ sie den dichten Wald und trat wieder auf die Straße. Sie schlang sich das Tuch über den Kopf und Oberkörper und ließ ihre Schwerter im inneren ihres Hakamas verschwinden. Wann immer sie einem Menschen begegnete, grüßte sie diesen knapp und fragte nach dem Wohnsitz des Ortsansässigen Arztes. An der Reaktion der Leute konnte sie ablesen, ob sie im Laufe des Tages schon einmal nach dieser Information gefragt worden waren. Yachiyo war sich ziemlich sicher, dass die beiden Männer von voriger Nacht auch diese Frage stellen würden. Bereits hinter den Toren der Stadt angekommen, bestätigte ein Passant ihre Befürchtungen. Er meinte, dass er zwei grob aussehenden Männern bereits heute Mittag diese Auskunft gegeben hatte. Sie eilte die engen Straßen hinunter und spähte aufmerksam nach links und rechts, damit ihr auch niemand in der Menge entgang. Bald wichen die offenen Läden den Mauern der Anwesen und zu ihrer rechten floss wieder der Fluss, gesäumt von Kirschbäumen. Schließlich gelangte sie an das Anwesen des Arztes. Vorsichtig späte sie um die Ecke und ließ das Wolltuch zu Boden sinken. Zu ihrem Entsetzen stand die Tür weit aufgerissen und von drinnen hörte man unruhige Stimmen. Ihre Hände fingerten die Klingen wieder aus den Falten ihres Hakamas und sie zog blank, sich vergewissernd, dass niemand in der Nähe war. „Du willst mir doch nicht erzählen, alter Mann, dass dieses arme und hilflose Mädchen, ganz allein aus ihrem Zimmer verschwunden wäre. Ihr habt sie hier weggeschafft und ich möchte doch nur wissen wohin.“ Die Freundlichkeit in der Stimme des großen Mannes mit den langen dunklen Haaren und den überaus muskulösen Armen, stand in hartem Widerspruch zu der blitzenden Schwertklinge, die er dem Diener des Hauses an die Kehle drückte. Selbst im Winter, trug der dunkle Mann noch immer ein Hakama ohne Ärmel. An seinen Handgelenken befanden sich schwere lederne Armbänder mit Eisenspitzen daran. Seine Beine waren ein wenig krumm gewachsen und der Hüne tippte immer wieder ungeduldig mit dem Fuß auf. Auch seine Augen musterten den zitternden Mann am Boden argwöhnisch und die Klinge des Schwertes näherte sich gefährlich dem Hals des Alten. „Lass ab, Takenaga. Wir wollen den Guten ja nicht umbringen. Vielmehr ist mir daran gelegen, dass wir diesen Auftrag abschließen, ohne noch jemanden opfern zu müssen“, mischte sich der zweite ein, der elegantere von beiden. Er hatte das lange dunkle Haar zurück gebunden, sodass ihm nur vereinzelte Strähnen ins Gesicht hingen. Die Züge waren streng und uneben. Über dem rechten Auge trug er einen Verband und eine lange Narbe ging auf derselben Seite vom Haaransatz bis zum Kinn. Der Mann hatte den Mittelfinger auf die Lippen gelegt und bedeutete seinem Kollegen ruhig zu bleiben. Seine fast schwarzen Augen funkelten dabei geheimnisvoll und unter dem Stoff des langen grauen Mantel bewegte sich etwas. „Ja... war wirklich schade um die Kleine, Ijiwaru...“, grinste der Große verschmitzt und wirkte, obgleich sich beide in der Größe nicht viel taten, ungleich massiger. Takenaga hob sein Schwert und schlug dem alten Diener mit dem Griff der Waffe in die Magengrube, sodass man auch draußen noch sein schmerzerfülltes Stöhnen hören konnte. Yachiyo zuckte zusammen, als sie Daisukes Stöhnen vernahm. Konnte sie noch länger hier stehen bleiben, vor allem nachdem Aiko... Ihre Augen verfinsterten sich und ihre Hände klammerten sich um den Griff ihres Katanas. Hinter ihr begann die Sonne unter zu gehen und langsam wurden die Schatten länger. Ihr Atem wurde unregelmäßiger. Wieder kämpfte sie mit sich selbst. Mit bedachten Schritten trat sie durch das Tor und als ihr Fuß das Grundstück betrat wehte ein kalter Wind von der Straße her herein und zehrte an ihrem Kleidern. Ihr Haar wehte im Wind und die Ronin löste das Band, welches ihre langen schwarzen Haare zurückhielt. Kurze Zeit umspielte das blaue Seidenband ihre feinen Hände, bevor es davon wehte und über den blauen Ziegeln des Dach verschwand. Schritt für Schritt ging sie auf die Haustür zu und krallte sich förmlich in das Holz des Türrahmens. Der eisige Wind hatte etwas in ihr erweckt und auch der Schmerz und die Trauer, die bei den Worten der beiden Männer wieder in ihr hoch gestiegen waren, vernebelten ihren Verstand. Ein seltsamer Ausdruck schlich sich in ihre Augen, als die Schatten an ihrem Körper hoch krochen. Geduldig wartete sie auf die beiden Männer. Je eher sie die beiden beseitigt hatte, umso schneller konnte sie die Gegend verlassen und würde endlich nicht mehr diese nagenden Schuldgefühle in ihrem Brustkorb toben fühlen. Im dunklen Flur tauchten die Umrisse der beiden Männer auf. „Wie schön, dass unsere Suche endlich ein Ende hat. Wir dachten schon, wir müssten unsere wertvolle Zeit noch länger an einem Ort wie diesem verschwenden“, Ijiwaru unterbrach seine Rede für einen Augenblick und musterte die junge Frau, „Ich hatte gedacht, wo du schon so lange auf der Flucht bist, dass du ein wenig klüger bist. Aber das nehm' ich hiermit zurück. Es grenzt schon fast an Wahnsinn in dem Zustand hier aufzutauchen und zudem noch mit der Waffe in der Hand. Hör mal Kleine... Ich weiß ja, das Leben ist nicht unbedingt das Leichteste, aber musst du dem Tod direkt in die offenen Arme laufen?“ Die Ronin machte ein paar Schritte zurück, bis sie wieder draußen stand: „Spart euch den Atem.“ Mehr sagte sich nicht und kehrte den beiden Männern den Rücken. Sie spürte den Boden unter ihren Füßen beben, als der Koloss auf sie zustürmte. Sie konnte hören, wie seine Klinge die Luft zerschnitt und diagonal von oben links auf sie zuschoss. Ihr Katana beschrieb einen kurzen Bogen, bevor unter Funken und lautem Klirren die Schwerter aufeinander trafen. Ein Zittern ging durch ihre Arme, die kaum in der Lage waren, den schweren Schlag richtig abzublocken. Sie verlagerte das Gewicht auf ihr linkes Bein und ließ ihre Klinge an der rechten Körperhälfte nach unten gleiten. Das Schwert ihres Gegners folgte ihrer Bewegung und grub sich in den harten Boden. Bei der folgenden Drehung tänzelten ihre Füße förmlich über den Boden und die Trägheit, die sie noch bei dem vergangenen Kampf gespürt hatte, verschwand ganz und gar aus ihrem Leib. Den Schwung ausnutzend vollführte sie einen gezielten Schlag gegen das linke Bein ihres Angreifers, auf das er zurzeit sein Gewicht stützte. Doch die Reaktion des Kolosses war schnell und so prallten die Katanas ein weiteres Mal aufeinander . Während erneut die Druckwelle durch ihre Glieder drang, merkte sie einen stechenden Schmerz in der Schulter, doch sie ignorierte ihn einfach. Es gab im diesem Augenblick nur eines das zählte und das war Rache, eine Rache, die nur sie allein betraf. Die Rache an sich selbst für ihr erneutes Versagen. Sie lebte, aber dafür konnte sich doch nicht in Kauf nehmen, dass andere starben. Die Wut über diese Tatsache brodelte mit nicht enden wollender Hitze in ihrem Herzen und verlieh ihren Händen die nötige Stärke um auch den nächsten Schlag ihres Gegners zu blocken. Als sie nach hinten gedrückt wurde, hinterließ sie im Schnee eine lange Furche und die Steine darunter kamen wieder zum Vorschein. Hin und her wogte der Kampf. Schlag folgte auf Schlag. Wendig und geschickt, wich die Ronin den Angriffen aus und vollführte einen feinen Tanz, wie sie ihn einst bei dem Training ihres Bruders gesehen hatte. Eine Einheit mit der Klinge. Nichts mehr hielt sie davon ab, ihr volles Potential zu entfalten. Sie war kaum wieder zu erkennen. Ihr kränklicher Gang war wieder aufrecht und ihr Körper schien die schwere Last seiner Wunden ohne Problem tragen zu können. Doch in Wirklichkeit war es nur die Verzweiflung und der seelische Schmerz, die alles andere überdeckten. Sie fühlte sich an alles erinnert. Konnte beinahe die Gesichter jener wieder vor sich sehen, die für sie gestorben waren. Konnte ihr Lächeln sehen, ihre blutgetränkten Körper. Abgelenkt von den sich überlagernden Erinnerungen konnte sie den nächsten Angriff nur mit Mühe abwehren und wurde von der Wucht von den Füßen gerissen. Ihr Rücken prallte hart gegen die Mauer des Anwesens und eine Weile konnte sie nur verschwommen sehen. Kraftlos kippte sie nach vorne über und schaute blinzelnd zu ihrem Gegner hoch. Mittlerweile war es dunkel geworden und viel mehr als einen Schemen konnte Yachiyo nicht wahrnehmen. Ihre freie Hand griff nach vorne ins Leere. In ihr wallten wieder die Bilder ihrer Kindheit auf. Damals, in der Finsternis ihres Zimmers hatte sie auch immer so vor ihrem Vater gelegen. Es war der gleiche Schmerz... die gleiche Wut. Vielleicht hatte sie sich damals schon mehr gehasst, als ihren Vater. Immer hatte sie sich die Schuld gegeben, an allem was geschehen war... selbst am Tod ihrer Mutter. Ächzend kämpfte sie sich wieder auf die Beine und sah ihrem Gegenüber trotzig ins Gesicht. Sie umfasste das Schwert mit beiden Händen und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Kodoku, jibou, kutsuu, banshi“, murmelte und führte die Klingen neben den Körper. Ihre Beine spannten sich an und auch die Muskulatur in den Armen. Noch immer waren ihre Lider geschlossen. Als der Fokus seinen Höhepunkt erreichte, riss sie die Augen wieder auf und stürmte auf den Hünen zu. Sein Kumpane, der bis dato ganz ruhig mit verschränkten Armen zugeschaut hatte, riss mit einem Mal entsetzt die Augen auf. Das Katana der Ronin war durch den unteren Bauch seines Kollegen gedrungen und ragte nun hinten aus dem Rücken wieder heraus. Zu allem Überfluss bahnte es sich auch noch langsam den Weg nach oben, unter lauten Schmerzensschreien seines Kollegen. „Takenaga!“, rief Ijiwaru, doch es war bereits zu spät. Begleitet von einer Fontäne aus Blut, glitt die Klinge an der Schulter des Mannes wieder aus dem Körper. Leblos sackte der massige Leib zur Seite und eine Blutlache ergoss sich über den weißen Schnee. „Also doch... in dir fließt wahrhaftig das Blut des Yokote-Clans. Ich war doch sehr bestürzt, als ich hörte, dass diese beiden Anfänger, dich so zugerichtet haben. Ich konnte mir nicht erklären, dass jemand mit deinen Fähigkeiten, so erbärmlich verlieren würde.“ Noch immer glänzten die Augen der Ronin gefährlich, als sie mit einem schnellen Hieb, das Blut von ihrer Klinge fegte: „Ja... aber mein Bruder hat mich wieder wachgerüttelt.“ „Dann dürfte der Kampf interessant werden“, entgegnete Ijiwaru und zog sein Katana aus der Scheide. Die Klinge glänzte silbern, obgleich noch keine Sterne am jungen Nachthimmel standen. Ein frische Brise wehte heran und die Flocken fingen an wieder dichter zu fallen. Eine angespannte Stille herrschte zwischen den beiden Kämpfern. Yachiyo atmete tief ein und rannte auf ihren neuen Gegner zu. Ihren kraftvollen Schlag von unten rechts, blockte der Söldner mit einem einhändig ausgeführten Schlag und drückte die Waffe der jungen Frau nach hinten. Um ihr Katana nicht zu verlieren, fasste sie mit beiden Händen zu und nutzte die Drehung und den Schwung des Blocks für einen erneuten Hieb. Wieder wehrte der dunkelhaarige Mann locker ab. Mit seinem Schwertarm blockierte er ihre Bewegung und machte mit dem rechten Bein einen Schritt zurück, um ihr mit der linken Hand gegen die Brust zu schlagen. Doch die Hand prallte nur gegen das Wakizashi der Ronin, welches sie in der Zwischenzeit gezogen hatte. Einen halben Schritt zurück machend, gewann die Braunhaarige ihr Gleichgewicht wieder. Sie überkreuzte die Klingen vor sich und stieß erst mit dem Katana zu, um dann mit der kurzen Klinge nach zu setzen. Er sah jedoch ihren Angriff kommen, schlug die erste Klinge zur Seite und bog sich dann elegant zur Seite, sodass die zweite Waffe knapp an seinem Körper vorbei schnitt. Den Moment der offenen Deckung ausnutzend, schraubte er sich zu ihr hin und befand sich plötzlich mit dem Rücken genau vor ihrem Körper. Die Klingen nicht schnell genug zurück gezogen, stieß er ihr den Griff seines Schwertes in die Magengrube und setzte dann mit dem Ellbogen von oben nach, als sie sich nach vorne krümmte. Hart schlug sie auf dem Grund auf. Er war unglaublich schnell. Stieß er vor, war er fast im gleichen Augenblick auch schon wieder außer Reichweite. Wenn er gewollt hätte, dann würde sein Partner, wenn der Große das überhaupt gewesen war, sicher noch leben. Yachiyo atmete tief ein und schüttelte den Schmerz von sich. Mit Mühe löste sich ihre Hand vom Boden und sie brachte sich schwankend wieder auf die Beine. Ihre Schwerter zitternden in ihren Händen. Keuchend stand sie da und fixierte mit kalten Augen den Mann, der vor ihr stand. Sie war gewiss nicht Willens, diesen Kampf gegen den Söldner zu verlieren. Ijiwaru sah sie nicht minder kalt an: „Eigentlich ist es eine Schande, dich in diesem Zustand zu besiegen. Mir wäre es lieber, wenn ich unter anderen Umständen mit dir kämpfen würde.“ Sie blieb still und erwiderte nichts. Stattdessen ließ sie ihre Handfläche über ihre Klinge streifen und brachte sich in Angriffsposition, blieb aber still stehen und wartete geduldig auf die nächsten Aktionen ihres Gegners. Dieser musterte sie eingehend und sprintete dann nach vorne. Seine Klinge beschrieb einen langen Bogen, nach oben rechts und schnellte direkt über Yachiyo nach unten. Ein Knacken folgte, als die Waffe des Söldners auf die beiden Klingen der Ronin traf. „Wenn die Schwertkunst den Kampf nicht entscheiden kann, so doch sicher die Kunst des Schmiedes, der das Schwert schuf“, rezitierte die junge Frau eine Lektion, die sie bei ihrem Bruder einmal hatte belauschen können. „Kluge Worte, von jemanden der nie viele Worte verschwendet. Magst du mir nicht noch ein wenig erzählen. Ich mag es, wie deine Stimme vor Anspannung zittert“, grinste Ijiwaru. Ihre Musklen in den Armen spannten sich an und sie drückte sein Schwert nach oben hin weg. Auch wenn er größer war als sie und mehr Kraft besaß, würde sie trotzdem nicht aufgeben. Niemals! Bevor sie richtig erfassen konnte, was geschah, war ihr Gegner auf einmal hinter ihr und hauchte ihr in den Nacken. Ihre Haare stellten sich auf und sie fühlte wie ein unangenehmer Schauer ihren Rücken hinunter glitt. Ihr wurde schlecht, als seine Finger ihr durch die Haare strichen. Wie geschmacklos. Das war ein Schwertkampf. Sie drehte sich um und schlug seine Hand zur Seite. „Ozomashii!“, warf sie ihm an den Kopf und spuckte vor ihm in den Schnee. Der Söldner blickte sie fragend an, als er bemerkte, dass der Speichel mit Blut vermischt war. Die junge Frau hatte sich auf die Lippen gebissen um sich nicht übergeben zu müssen und wischte sich mit dem Handgelenk, das Blut aus dem Mundwinkel. „So kalt... und doch so schön“, er hieb ihr gegen den Nacken, sodass ihr die Schwerte kraftlos aus der Hand fielen. Ihr Blick verschwamm seltsam. Auf einmal war sie wieder so kraftlos. Er schlang seine Hände um ihren Leib und streifte ihr das Oberteil von den Schultern und küsste diese sanft. Yachiyo wollte sich wehren, doch ihr Körper wollte ihr einfach nicht gehorchen. Seine Finger glitten langsam über die Narben, die sie aus den endlosen Kämpfen mitgenommen hatte. „Als Söldner ist man oft so allein. Und so eine Schönheit wie die deine findet man nur selten, auch in den großen Städten. In deinem Kampfstil liegt so viel Trauer und Wut. Ich konnte in dir lesen, wie in einem offenen Buch. Verstoßen von zu Hause, vom eigenen Vater misshandelt. Lass mich noch mehr von deinem Schmerz spüren.“ Tränen rollte über ihre Wangen. In ihrem Hakama fingerten ihre kraftlosen Hände zitternd und flehend nach dem Tanto, doch sie konnte es nicht erreichen. „Na, na... Hier ich werde dir dein Schwert wieder geben“, er bückte sich, jedoch ließ er sie dabei nicht los. Wieder berührten seine widerlichen Hände ihre Haut, diesmal an ihrem Bauch, dort wir ihr Bruder sie verletzt hatte. „Nicht...“, flehte die junge Frau, während der Mann, der sich umschlungen hielt, ihr das Schwert wieder in die Hand drückte. Zitternd klammerten sich ihre kalten Hände um den seidenen Griff. „Ich werde dich nicht gehen lassen. Dein Vater sehnt sich so danach dich wieder zu sehen... Keine Angst. Ich bin zwar einsam, aber ich werde mich hüten, mich an deinem zarten Körper zu vergehen. Alles was ich will, ist zu fühlen, wie dein Herz voller Panik gegen deine zarte Brust schlägt und deinen warmen Hauch auf meiner Haut zu spüren.“ Er drehte sie zu sich herum und hielt ihre Hand nach unten, als er bemerkte, dass sie das Schwert anzuheben versuchte. Ihr Atem ging schneller und ihre Augen huschten nach unten, als er ihren Kopf anhob. „Genug gespielt denke ich...“, sagte er und ließ sie langsam wieder los. Er genoss, wie sie so aufgelöst und völlig verwirrt vor ihm stand. Schluchzend sank ihr Kopf nach unten und sie kniff die Augen zusammen. Doch sie erlaubte es sich nicht zu weinen. Er würde bereuen, was er ihr angetan hatte. Alle würden es bereuen. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor und ihr Herz schlug mit einem Mal langsam, dafür aber kräftiger als zuvor. Sei stieß ihr Katana durch ihre rechte Hand, bis der Schmerz das Gefühl in ihre Glieder wieder zurück brachte. All ihren Schmerz fokussierend stürmte sie auf ihren Gegner zu. „Das ist für dich Bruder...“ Sie sah, wie die Klinge ihres Gegners zur Parade hoch gerissen wurde. Spürte schon bevor sie den Schlag ausführte, wie er seine Muskeln anspannte und sich innerlich auf die Wucht des Schlages vorbereitete. Doch der Söldner war nicht in der Lage den Schlag abzuwehren, er konnte ihn lediglich ein wenig ablenken bevor sein Schwert zerbrach. Das Schwert der Ronin drang durch seinen Brustkorb und zerriss die Lunge. Das Herz selber, auf das sie gezielt hatte, nahm wenig Schaden, aber war dennoch rettungslos verloren. Wieder spritzte Blut in die Nacht und verteilte sich auf dem Boden. In grotesker Form wand es sich über den Boden und erinnerte in eine halb geöffnete Blüte. „Seit jeher, gibt es nur einen Menschen, der mich töten darf und das ist mein Bruder. Nur er hat dieses Privileg, niemand sonst“, ohne halt fing sie an zu weinen, „So jemand wie du, wird mich niemals töten.“ Hinter sich hörte sie mit einem Mal Schritte. Shiro lehnte an der Tür. Seine rechte Gesichtshälfte war blutverkrustet und er hielt sich den Kopf. Langsam zog sie das Schwert aus dem toten Körper. Ohne ein weiteres Wort hatte Ijiwaru sein Leben ausgehaucht. Noch bevor sie die Klinge ganz heraus bekommen hatte, sackte er zusammen und Yachiyo musste sich mit runter beugen, damit ihr das Katana nicht einfach aus der Hand gerissen wurde. Nicht nur der Boden war voller Blut, auch ihre Kleidung war blutgetränkt. „Ihr seid jetzt wieder sicher...“, sagte sich ruhig und wischte am Oberteil des toten ihr Schwert sauber, bevor sie es wieder in die Scheide steckte. Vorsichtig ging sie auf den jungen Mann zu, um ihn nicht unnötig zu ängstigen. Sicherlich war er geschockt von dem was er hier sah... und von ihr. Als sie direkt vor ihm stand, schlug sie ihm in den Bauch, sodass dieser nach vorne sackte. Behutsam fing sie ihn auf und lehnte den Braunhaarigen gegen den Türrahmen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie noch, bevor sie sich umdrehte. Sie nahm ihr Wakizashi vom Boden auf und steckte auch dieses zurück in die Scheide. Mit einem traurigen Lächeln schob sie ihr Oberteil wieder hoch und machte sich auf den Weg die Stadt zu verlassen. Wenigstens hatte Kouhei sie so nicht gesehen. Ob sie dem Arzt Bescheid geben sollte? Nein, am Ende wollte er noch... Sie schüttelte den Kopf. Sie war eine Mörderin, er war sicher einsichtig genug, um sie ziehen zu lassen und wenn nicht, würde er sie ihn eben überzeugen. Kouhei konnte nicht ahnen, das im selben Moment, wie er die Straße zu seinem Anwesen betrat, Yachiyo dieses verließ. Noch immer war es dunkel und der Weg vor den Füßen wurde einfach von der Finsternis verschluckt. Beide waren tief in Gedanken versunken. Die Ronin musste an jenen Tag aus ihrer Kindheit denken, an dem sie ihren Bruder, das letzte Mal als Bruder und nicht als Gegner gesehen hatte. „Wo bist du Bruder?“, hauchte sie in die Nacht und streckte ihre Hand hinaus in die Dunkelheit. Sie blieb stehen und lehnte sich an einen Baum. Schmerzen tobten in ihrem Körper. Zweifel nagten an ihrer Seele. Die Wut, die sie noch Minuten zuvor gespürt hatte, verblasste bei dem Gedanken an ihren Bruder. Er war der Einzige den sie wirklich aufrichtig liebte und lieben konnte. Der junge Arzt hatte ein seltsames Gefühl auf dem Weg nach Hause. Der Schnee war dicht und die Luft war eisig. Doch je weiter er seinem Anwesen kam, umso weniger schneite es und der Himmel lockerte langsam auf. Noch immer plagten ihn Vorwürfe. Er hatte das Mädchen nicht gehen lassen dürfen. Er seufzte und zog sich den Mantel enger um den Körper. Wo mochte sie wohl inzwischen sein? Ob es ihr gut ging? Was machten ihre Verletzungen? Aber sorgte er sich wirklich nur als Arzt um sie, oder war da noch etwas anderes? Er hatte es irgendwie gemocht ihr zu zusehen, wie sie schlief. Ihre blasse Haut und die dunklen Haare, hatten ihn fasziniert. Sie war geheimnisvoll gewesen. Er hatte sich nicht helfen könnte, aber sie wirkte wie ein gefallener Engel... so unsagbar zerbrechlich. Plötzlich riss der Himmel auf und der Vollmond schien hell. Die kahlen Bäume ließen verworrene Schatten auf den Boden fallen und der Schnee begann mehr denn je zu glitzern. In einiger Entfernung im breiten Schatten eines sehr alten Baumes lehnte eine Silhouette gegen den Stamm. Doch bevor er genau sagen konnte, wer es war, schob sich wieder eine Wolke vor den Himmelskörper. Yachiyo bemerkte, wie Kouhei nur wenige Meter von ihr stehen blieb. Das Schicksal war grausam. Sie wollte ihn jetzt nicht sehen. Sie betete, dass der Mond weiter verhangen blieb. Sie wollte nicht, dass er sah wer sie wirklich war. Sie schluckte schwer und drehte sich um. Jetzt wo sie ihn sah, wurden die Schmerzen in ihrem Herzen fast unerträglich. Sie hatte Aiko und Daisuke sterben lassen und Shiro war auch verletzt. Wie konnte sie ihm jetzt noch in die Augen sehen? Er machte einen Schritt auf sie zu. „Halt! Bleibt stehen... bitte“, hauchte sie und bemühte sich, dass ihre Stimme nicht zitterte. „Warum nur... warum seid ihr gegangen?“, fragte er. „Das hat keine Bedeutung mehr..“ „Für mich schon... Ich kann nicht zulassen, dass ihr euch durch solche Dummheiten selber umbringt“, entgegnete der junge Arzt stur und in seiner Stimme schwang eine Spur von ehrlicher Sorge und Zorn mit. Er schloss die Augen und wartete auf die Antwort. Noch immer war sie nicht mehr, als ein Schatten für ihn. „Ich hätte den Tod verdient. Glaubt mir“, wehrte sie ab und verschränkte die Arme vor dem Körper. Ihre Hände krallten sich in ihre Oberarme. „Wie könnt ihr so etwas überhaupt nur denken... niemand hat den Tod verdient.“ „Sie sind Tod...“, schrie Yachiyo fast. Ihre Stimme klang verbittert und zitterte leicht. Schockiert und irritiert zugleich, wusste der Schwarzhaarige zuerst nicht, was er sagen sollte. Dieser plötzliche Wechsel des Tonfalls. „Was... was meint ihr damit?“, hakte er dennoch nach und machte einen Schritt vorwärts. „Ich habe sie umgebracht!“, rief sie laut und zog ihr Katana aus der Scheide, damit Kouhei endlich stehen blieb. Die Klinge blitzte auf, als der Mond hinter den Wolken hervorkam, „Seht euch gut an, was ihr da aus dem Fluss gezogen habt. An meinen Händen klebt das Blut vieler Menschen, selbst das jener, die euch nahe standen.“ „Was habt ihr getan?“, kam es nur langsam über die Lippen des jungen Arztes. Er war fassungslos. Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte ihn mehr, als irgendetwas anderes es je in seinem Leben getan hatte. Dort stand die junge Frau, die er den ganzen Tag gesucht hatte. Die Kleidung blutrot, das Schwert nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Ihr Haar wehte unruhig im Wind und ihre Augen waren völlig kalt und rot verquollen, als hätte sie heftig geweint. Er konnte den inneren Kampf, den sie führte, deutlich sehen. Er sprang ihn förmlich an. Die junge Frau, die dort vor ihm stand, war völlig zerbrochen und verloren. Aufgefressen von einem unendlichen Schmerz. Er wollte etwas sagen, doch er konnte es einfach nicht. Das Bild vor seinen Augen war zu grausam. Yachiyo zitterte fürchterlich. Sein Blick war kaum zu ertragen. Warum sah er nicht endlich weg? Warum konnte er nicht einfach gehen? „Geht...“ „Das werde ich nicht!“, hauchte er und machte einen Schritt nach vorne. Die Klinge war direkt neben seinem Hals, „Und ihr dürft auch nicht gehen.“ „Hört... auf...“, flüsterte sie heiser und kaum noch in der Lage zu sprechen. Wieder fing sie an zu schluchzen. Alle Vorsicht fallen lassend, ging Kouhei zu ihr und nahm sie sanft in den Arm. Deutlich konnte er spüren, wie sie sich gegen diese Geste wehrte, aber bald schon, fügte sie sich und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Klinge in den Schnee. „Ich habe... sie getötet...“, murmelte sie immer wieder, bis sie verzweifelt aufschrie und sich in die Kleidung des Arztes krallte. Von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt, war sie bald nicht mehr in der Lage aufrecht zu stehen und sackte zusammen. Vorsichtig kniete sich Kouhei hin und strich der Schwarzhaarigen sanft über den Rücken. Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte, doch das war ihm egal. Er musste ihr helfen, egal wie. Die Zeit schien still zu stehen, selbst das leise Rauschen des Flusses verebbte. So sehr, wie Yachiyo auch das Bedürfnis hatte zu fliehen, einfach davon zu rennen, so konnte sie nicht leugnen, dass seine Berührungen ihr so unendlich gut taten. Und auch Kouhei, so groß seine Befürchtungen auch wurden, als ihm bewusst wurde, dass sie gerade vom Anwesen kam, so konnte auch er nicht von ihr lassen, und genoss ihre Nähe. Sie lebte noch und das wog für ihn im Moment schwerer, als alle Sorgen. Wie lange sie so verharrten, mochten beide nicht sagen, doch die Wahrheit, als sie von Yachiyos Lippen kam, zerriss die wohlige Zweisamkeit. Hin und her gerissen zwischen Trauer und der Hoffnung, dass die Worte der junge Frau an seiner Seite doch nur Lügen sein würden, eilte Kouhei zu seinem Anwesen und starrte schockiert auf die zwei Leichen. Doch er riss sich von dem Anblick los und eilte zu Shiro, der noch immer unbewegt an der Tür lehnte. Die ganze Zeit über, in der er versuchte seinen Freund zu wecken oder im Haus nach Daisuke und Aiko suchte, ließ er die Hand der Schwarzhaarigen nicht los. Seine Angst sie zu verlieren, erneut zu verlieren, war einfach zu groß. Yachiyo fühlte sich wie in einem Traum, der nicht enden wollte. Die Geräusche verklangen, jegliches Gefühl wich aus den Gliedern. Sie spürte nur noch, wie in ihre Brust zerspringen wollte. Sie hatte die beiden Diener einfach sterben lassen. Sie sah, wie Kouhei immerzu mit ihr redete, doch sie verstand längst nicht mehr was er sagte. Schiebetüren wurden aufgerissen, doch die beiden wollten nicht auftauchen. Sie mochte nicht hineinsehen in die Zimmer, fürchtete immer die Leichen der zwei zu entdecken. Schließlich, nachdem der Hausherr eine weitere Tür aufgerissen hatte, fühlte Yachiyo ihre Befürchtungen bestätigt. Das Gesicht ihres Begleiters wirkte mit einem mal so blass. Sie schaute weg, wollte schon gehen, bis sein starker Arm sie zu sich zog. Wollte er ihr zeigen, was sie angerichtet hatte? Sie wollte es sich nicht einmal vorstellen. Sein ausgestreckter Finger zeigte hinein und er zog sie behutsam zu sich. Langsam drehte sie den Kopf zur Seite und lugte hinein. Bei dem Anblick knickten ihre Beine einfach weg und sie hielt sich die linke Hand vor den Mund. Sie war erleichtert... so unendlich erleichtert, als Aiko ihrem Herrn um den Hals fiel und versicherte, dass es dem alten Butler auch gut ging. Alle lebten noch. War nun endlich das grausame Spiel des Schicksals zu Ende? Der Hauch des Todes aus ihrem Leben verschwunden? Sie wagte nicht einmal zu hoffen. Doch sie konnte den Moment nicht festhalten. Eine unendliche Müdigkeit riss ihn aus ihren schlaffen Fingern und die Szenerie verschwamm vor ihren Augen. Kapitel 5: Epilog ----------------- „Und?“ „Was meinst du?“ „Na, du siehst so glücklich aus.“ „Ja... vielleicht. Kann sein...“ Aiko saß an der offenen Tür und bereitete das Essen vor. Mit einem Lächeln auf den Zügen lauschte sie dem Gespräch zwischen Shiro und Kouhei. Daisuke stand nicht weniger zufrieden neben dem Herd und überwachte die Brühe, die er auf Anweisung von seinem Herren zusammengestellt hatte: „Du sollst nicht lauschen, Aiko.“ „Ach, lass mich doch“, scherzte sie und vertiefte sich dann wieder in ihre Arbeit, „Endlich lächelt er mal wieder aufrichtig. Es ist schön ihn so zu sehen.“ „Ich weiß was du meinst“, der Diener schaute aus dem Fenster nach draußen in den Garten, „Nach dem ganzen Chaos in der letzten Woche, hatte ich schon Angst, das Schicksal hätte uns verraten.“ Die junge Bedienstete schielte mit einem Auge herüber: „Aber war ich nervös, als der Polizist hier aufgetaucht ist.“ Die Antwort ließ einen Moment auf sich warten. Der Butler rührte im Topf und fachte das Feuer wieder ein wenig mehr an: „Ja... Wir können dankbar sein, dass er ein Freund der Familie war, sonst hätte er uns nie abgenommen, dass es reiner Selbstschutz war. Bisher können wir uns aber leider noch nicht sicher sein, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ „Wann sie wohl aufwachen wird...“, entgegnete das Hausmädchen nachdenklich. Daisuke überlegte: „Hoffentlich bald, sonst wird die Suppe kalt.“ Der kleine Ofen in der Ecke strahlte eine angenehme Wärme aus und das Flackern des Feuers erfüllte den Raum. Yachiyo lag noch immer friedlich schlafend in ihrem Futon. Jedoch nicht wie zuvor, im Gästezimmer, sondern in einem der beheizbaren Räume, nicht weit von Küche und Bad entfernt. Die Decke hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen und im Gesicht der jungen Frau konnte man keine Spur von Anspannung oder Schmerz lesen. Ihre Schwerter waren gereinigt worden und lagen direkt neben ihrem Lager. Ihre Kleidung war leider nicht mehr zu retten gewesen, weshalb Kouhei den Tag zuvor in der Stadt einkaufen gewesen war. Gegen den Rat von Shiro, ihr einfach noch mal das gleiche zu kaufen, hatte sich der Arzt für einen bestickten dunklen Kimono entschieden, der im Licht lila schimmerte. Bei den Stickereien hatte er ganz seinem Instinkt vertraut und ein Blumenmuster aus roten Azaleen und weißen Eisblumen genommen. Um jedoch nicht ganz die Funktionalität außer Acht zu lassen, hatte er ihr einen neuen Hakama in rot gekauft. Er hoffte inständig, dass er ihr gefallen würde. Am Abend öffnete Yachiyo langsam die Augen und starrte eine Weile ins Feuer. Sie fühlte sich wohl und sicher. Ein Gefühl, dass sie seit Ewigkeiten nicht mehr empfunden hatte. Das Holz knisterte angenehm und die ruhige Atmosphäre hätte sie beinahe wieder einschlafen lassen, wenn sie nicht Schritte von draußen gehört hätte. Noch leicht kraftlos setzte sie sich auf und lächelte Kouhei an, als er eintrat. „Ihr seid also aufgewacht. Freut mich“, begrüßte er sie und setzte sich an ihr Lager, „Werdet ihr diesmal bleiben?“ „Ich weiß es nicht. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder“, sie machte eine Pause und ihr Blick senkte sich traurig nach unten. Es war an der Zeit ihm alles zu erzählen, immerhin hatte sie das Leben aller hier riskiert: „In meiner Vergangenheit gibt es vieles, das ich euch berichten muss. Seit vier Jahren bin ich nun schon auf der Flucht, weil mein Vater mich für meinen Traum hasst. Außerdem habe ich ihn um einen seiner wertvollsten Besitztümer gebracht. Und seit damals schon, kann ich meinen Bruder einfach nicht vergessen. Er war es, der mich im Hochland verwundet hat und der Grund, warum ich jetzt noch lebe.“ Kouhei wartete geduldig bis sie weiter sprach und stellte die dampfende Suppe, die er auf einem Tablett, zusammen mit einigen Kräutern bereitet hatte, erst einmal zur Seite. „Ich habe mich damals gefragt, warum mein Bruder mich nicht getötet hat. Heute weiß ich warum“, sie bemerkte, wie verwirrt der Arzt sie ansah und sie musste kurz lächeln, „So wie ich, können wir einander wohl noch nicht loslassen. Ich habe für mich beschlossen, dass ich nur durch seine Hand sterben will. Er ist der einzige Mensch, den ich wirklich liebe... aber auf eine andere Art und Weise, auf eine Weise, die ich nicht beschreiben kann.“ Der Schwarzhaarige wusste nicht genau, was er darauf entgegnen sollte. Er überlegte kurz. „Wollt ihr nicht lieber bleiben und leben? Für mich und für euch?“ Überrascht blickte sie den Arzt an, stockte, fühlte jedoch, dass sie ihm eine ehrliche Antwort schuldig war: „Ich bleibe, bis meine Wunden genesen sind und ich sicher sein kann, dass ihr nicht mehr in Gefahr seid. Aber wie man den Schnee nicht daran hindern kann zu fallen, so werdet auch ihr mich nicht davon abhalten können zu gehen.“ Er nahm ihre Hände und schaute sie mit seinen blauen Augen lange und durchdringend an. Yachiyos Gefühle überschlugen sich, sie fühlte etwas in ihrem Herzen, dass an Freude erinnerte, aber ihren ganzen Körper im gleichen Moment zu überfluten drohte. Auch Kouhei empfand nicht anders. Es war der richtige Augenblick entschied die junge Frau und schaute ihn ihrerseits an: „Damals war ich so unhöflich und habe euch beleidigt... das tut mir leid. Seid sicher, dass ich euch niemals vergessen werde...“ „Ich...“, wollte der Schwarzhaarige antworten, doch die Ronin unterbrach ihn. Da war noch etwas, dass sie ihm sagen musste: „Mein Name ist Yachiyo Yokoto. Ich danke euch aus tiefsten Herzen für das was ihr für mich getan habt... Kouhei.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)