Kill von Natsuki13 ================================================================================ Kapitel 3: Einer Legende auf der Spur ------------------------------------- Einer Legende auf der Spur Am nächsten Tag erschien er gegen acht Uhr auf dem Revier. Wie auf Autopilot ging er direkt zu seinem Tisch, obwohl er eigentlich bei Kyo vorbeischauen wollte. Doch dies hatte sich von selbst erledigt, denn kaum war er bei seinem Tisch angekommen, schon ging sein Kindheitsfreund auf Zero zu. "Die Ergebnisse der Autopsie sind fertig.", sagte er ohne Begrüssung. "Dir auch einen schönen guten Morgen.", meinte Zero darauf, erkundigte sich jedoch: "Und, was sagen denn die Experten?" "Darfst drei Mal raten." "Sag bloss, Wirbelsäulenbruch?", entfuhr es Zero, der grosse Augen gemacht hatte und sich auf seinen Stuhl niedersetzen liess. "Genau das. Der Tod ist gegen halb zwei Uhr morgens eingetreten. Die Wirbelsäule wurde genau beim siebten Rückenwirbel durchgebrochen und dann wieder in die Ursprungsposition gebracht. Sogar Zubov meinte, es sei eine Meisterarbeit." Sergej Zubov war einer der anspruchsvollen Experten, die es auf dem Revier nur gab. Geboren in Sibirien lebte er seit dreiundvierzig Jahren in Japan – von den neunundvierzig, die er schon auf dem Buckel hatte. Seine Mitarbeiter hatten versucht ihm den Spitznamen "Russe" anzueignen, doch der hatte sich mit seinem gesamten Temperament dagegen gewehrt. Somit war das Thema schnell aus der Welt geschafft. Das einzige, was man sich erlaubte, war, dass man den Experten bei seinem Nachnamen nannte. Dagegen hatte Zubov nichts einzuwenden. Sergej war dafür berühmt, immer schlechte Laune zu haben und andauernd wegen seiner schlechten Gesundheit zu klagen. Alle, die schon über längere Zeit mit ihm arbeiteten, wussten darüber gut bescheid und machten sich nicht viel daraus. Man musste sich bei Sergej nur richtig einschleimen. Und auf diesem Gebiet war jeder Beamter ein Experte. "Sieh an, da hat jemand tatsächlich geschafft, Zubov zu beeindrucken." Das klang anerkennend. Dann aber wechselte sich Zeros Tonlage auf ernst. "Fragt sich nur, wo wir nach unserem Mann suchen. Ich glaube nämlich nicht, dass er mit einem Schild "Ich habe Yukio Nakamura auf dem Gewissen." um den Hals in der Gegend herumspaziert und geduldig darauf wartet, gefangen genommen zu werden. Also, irgendwelche Vorschläge?" Bevor Kyo auch nur ein Wort sagen konnte, ertönte Minakos Stimme direkt hinter seinem Rücken: "Ja, ich hätte einen Vorschlag. Nämlich, dass es bei unterem Täter nicht um einen Mann sondern um eine Frau handelt." Die Männer machten beide grosse Augen. "Wie kommst du darauf?", wollte Kyo wissen. Die junge Frau lächelte wissend, stellte ihre Tasse Kaffee auf Zeros Schreibtisch und lehnte sich an den Tischrand. "Ganz einfach. Bedenkt doch, was das eigentlich für eine Veranstaltung war, bei der Yukio Nakamura ermordet worden war." "Veranstaltung?", meinte Zero mürrisch. "Das war das reinste Sexparadies für Lesben." "Genau auf das will ich auch hinaus. Würde ein Mann unbemerkt dort rein kommen? Und auch wenn, hätte Yukio ihm freiwillig den Rücken zugedreht? Ich sage mal ganz ehrlich, daran glaube ich weniger. Ihr vielleicht?" Da mussten die alten Freunde verneinen. Tatsächlich, sie hatten doch glatt diese kleine Tatsache übersehen. Peinlich. "Gut. Wir wissen nun, dass es sich dabei um eine Frau handeln muss. Der Rest sollte eigentlich weniger schwierig sein. Wie viele Kampfsportmeisterinnen haben wir hier in Japan? Sicher mal weniger als Männer. Wir müssen nur bei dem entsprechenden Amt vorbeischauen und schon haben wir die Listen. Klar, es wird relativ viel Papierarbeit geben, aber das wird sich sicher lohnen.", sagte Zero voller Optimismus. "Ich fürchte, die Sache ist nicht so einfach, wie du sie dir ausgemalt hast, Zero.", widersprach ihm Kyo, womit er zum Zentrum der Aufmerksamkeit wurde. "Wie jetzt?", fragte der überrascht nach. "Ich habe dir ja erzählt, dass ich die Geschichte von meinem Sensei aus dem Judo-Kurs gehört habe." "Ja, und?", verstand Zero nicht, doch dann dämmerte es ihm. "Oh. Es gibt einen Hacken, habe ich Recht?" "Jup, einen gewaltigen Hacken…" "Und der wäre?", unterbrach der Hitzigere von den beiden Männern den Erzähler. Zwar kommentierte Kyo diese Frechheit nicht, dennoch sah man ihm an, dass er langsam aber sicher deswegen genervt wurde. "Die Geschichte ist eine Legende. Dachte ich zumindest, bevor ich den Autopsiebericht gelesen habe." Um ein Haar hätte Zero seine ganzen Papiere, die er zu dem Moment in den Händen gehalten hatte, fallen gelassen. "WAS?" Minako sprach genau das aus, was ihr und auch ihrem stürmischen Kollegen gerade durch den Kopf gegangen war. "Vor langer Zeit gab es in China eine Technik, die es einem erlaubte, mit nur zwei Bewegungen das Opfer zu töten. Meistens wurde diese Technik bei Attentaten auf Leute ausgeübt, die hohe Posten besetzten. War ja auch klar, denn die Meister dieser Mordart waren sehr selten und sie hinterliessen keine Spuren." Er sah zu der einzigen weiblichen Person in deren Runde. "Meistens waren es Frauen, die dieser Technik belehrt wurden, da sie am einfachsten das Vertrauen eines Mannes für sich gewinnen konnten. Ausserdem waren sie weniger verdächtig." "Damit wäre meine Theorie wohl wieder bestätigt.", lautete der Kommentar der Beamtin, ehe sie einen Schluck von ihrem Kaffee nahm. "Aber beim Sportamt sollten wir doch vorbeischauen. Es könnte sein, dass diese Person doch irgendwo registriert ist." Damit war die Diskussion beendet und alle drei gingen ihren Aufgaben nach. Dabei sah Zero alles andere als motiviert aus. Ihm stand noch ein äusserst unangenehmes Gespräch vor… Es war Mittag und in Tokio herrschte das reinste Chaos. Die Strassen waren überfüllt mit Autos, so dass es unmöglich war, sich einigermassen vernünftig vorwärts zu bewegen, wurde doch ein Stau vom anderen abgelöst. Er und Kyo waren beim Sportamt gewesen, um die nötige Liste abzuholen. Auf der standen alle Namen deren, die in den letzten zehn Jahren zu Meistern ihres Faches wurden. Für den Anfang hatten die beiden Männer sich nur auf Tokio und dessen Umgebung konzentriert. Wenn sie da nichts Aussergewöhnliches finden würden, würden sie den Kreis vergrössern. Zero hatte Recht gehabt, das würde viel Papierarbeit geben. Nun waren sie auf dem Weg ins Revier, um dort mit der Sortierung anzufangen, denn Männer und Frauen waren durcheinander aufgelistet und das Amt für Sport hatte den beiden jungen Herren alles andere als zweideutig klar gemacht, dass sie sich mit dem Mist selber auseinander nehmen sollten. Wenigstens waren die Namen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Sie waren schon seit einer Stunde unterwegs, aber in dieser Stunde wurde kein einziges Wort gesprochen. Zero zuckte zusammen, als er plötzlich Kyos Stimme vernahm: "Ich hörte, du hast mit Mitsuki Schluss gemacht." Der Angesprochene spürte, wie seine Handflächen zu schwitzen begannen. Nun war er gekommen, der Moment der Wahrheit. "Ja, das habe ich.", sagte er darauf langsam. Er wusste einfach nicht, wie er sich verhalten sollte. "Was war eigentlich der Grund für dein Handeln?" Kyos Stimme war monoton, wie Zero es sich eher von dem Eisprinzen gewohnt war. "Ich… ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr das Gleiche für sie empfinde, wie ich es vorher getan habe. Daher wollte ich sie nicht dem Schein aussetzen, ich würde sie immer noch lieben. Ich dachte, es sei besser, wenn sie die Wahrheit kennt, als ihr etwas vorzutäuschen." "Uhu…", war Kyos einziger Kommentar dazu. Dann hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Endlich auf dem Revier angekommen hatten Zero, Kyo und Minako sich in einem der Büros verbarrikadiert und nahmen sich die Liste vor. Laut den Angaben den einigermassen nüchternen und vernünftig denkenden Zeugen musste es sich dabei um eine junge Frau zwischen einundzwanzig und vierundzwanzig Jahre alt handeln. Sicherheitshalber rechneten die Beamten noch Zwanzig-, Fünfundzwanzig- und Sechsundzwanzigjährige. Obwohl... wenn es sich dabei um einen Profi handelte, konnte es natürlich auch sein, dass die Frau älter war. Deshalb hatten sie sich entschieden, eine separate Liste mit den Namen und Angaben der Frauen, deren Alter sich zwischen siebenundzwanzig und fünfunddreissig befand. Es war schon sieben Uhr abends, als sie die Listen endlich fertig hatten. Erschöpft liess sich Minako auf ihrem Stuhl runter sinken: "Mann, war das mühsam." "Du sagst es.", bestätigte Zero ihre Aussage und griff nach seiner Tasse Kaffee, der fünften, seit sie mit dem Sortieren angefangen hatten. Er wollte schon einen Schluck nehmen, bemerkte jedoch, dass dort praktisch nichts mehr vorhanden war. So stellte er etwas enttäuscht das Gefäss wieder auf den Tisch zurück. "Ich schlage mal vor, wir machen Feierabend. Für heute haben wir genug gemacht.", meinte Kyo, womit die restlichen zwei Personen mehr als nur einverstanden waren. Sie war gerade am Lesen, als ihr Handy klingelte. Da auf dem Display keine Nummer zu sehen war, schloss sie daraus, dass man sie aus einer Telefonzelle anrief. "Moshimoshi?" "Den letzten Auftrag hast du schlecht erledigt.", ertönte eine männliche Stimme aus dem Hörer. Sofort sass sie kerzengerade auf dem Sofa. "Das kann nicht sein.", war ihre erste Reaktion. "Es ist aber so. Man hat Ermittlungen eingeleitet." Die Spannung, welche sie in ihrer eisernen Hand gehalten hatte, löste sich und es fühlte sich so gut an, dass sie fast aufgelacht hätte. "Und das bezeichnen Sie als schlechte Arbeit?", meinte sie belustigt, doch dann wurde ihre Stimme ernst. "Hören Sie, wenn eine so hohe Person stirbt, wird immer ermittelt, selbst, wenn es sich dabei um einen alten, von Schwäche und Krankheit gezeichneten Menschen handelt." "Ich habe dich angeheuert, damit du diese Schlampe weg räumst und zwar leise." Nun wurde die junge Frau wütend. "Hören Sie mal, Herr Minister. Für die mickrige Summe, die Sie mir für den Auftrag bezahlt haben, hätten Sie genau so gut einen einfachen Killer anstellen können. Der hätte Yukio schlicht und einfach abgeknallt und, glauben Sie mir, DAS hätte für weit mehr Furor gesorgt als meine Methode. Wenn es Sie glücklich macht, können sie das entsprechende Polizeirevier in Brand stecken. Doch dann würde der Verdacht auf erster Stelle auf Sie fallen. Wollen Sie Ihre glorreiche Kariere hinter Gittern fortsetzen?" "Nein, natürlich nicht." Nun klang ihr Gesprächspartner eingeschüchtert. "Aber Sie sind sich schon sicher, dass nichts rauskommt, oder?" °So ist es brav.°, dachte die Frau amüsiert, als sie ihm antwortete: "Ich versichere Ihnen, die Polizei wird nichts finden. Und nun lehnen Sie sich zurück und geniessen Sie die Show. Falls etwas passieren soll, wird N Sie kontaktieren." Dann legte sie ab. Es war normal, dass man Ermittlungen einstellte, aber dennoch hatte sie ein ungutes Gefühl bei der Sache. Warum wohl? °Ich sollte wohl meinem eigenen Ratschlag folgen und selber N kontaktieren.°, entschied sie sich. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht vermutet, wie sich dieser Fall ausarten würde. Nach sechs Uhr war normalerweise die Rush Hour vorbei. Da Zero aber erst um halb acht sich hinters Steuerrad setzte, waren die Strassen fast leer. Wer ging schon am Montagabend grossartig weg, wenn man am nächsten Tag arbeiten musste. Die leeren Strassen waren ihm gerade recht, denn so konnte er seinen Gedanken nachhängen. Was hatten sie bis jetzt erfahren? Yukio Nakamura hatte sehr viele politische Feinde auf der einen Seite. Auf der anderen aber stand fast das ganze Arbeitervolk hinter ihr, da sie dafür gesorgt hatte, dass der Mindestlohn erhöht wurde. Von den Frauen im Hotel konnte man nicht viel erfahren, da sie alle unter Drogen- und Alkoholeinfluss standen. Zumal weigerten sich viele eine Unterhaltung mit einem Mann zu führen, was die Sache deutlich erschwert hatte. Zwar hatte Minako herausgefunden, dass eine gewisse Scheherazade in Nakamuras Zimmer war, doch diese Info brachte sie auch nicht weiter. Alle dort anwesenden Frauen waren als jemand verkleidet und als die berühmte orientalische Märchenprinzessin versteckte die Mörderin natürlich ihr Gesicht hinter einem Schleier. Hier war auch eine Sackgasse. Die Spurensicherung hatte auch nicht viel Interessantes herausfinden können. Im Raum waren um die fünfzig Personen gewesen. Ein Paradies für den Täter. Im Wohnsitz der Oppositionsführerin wurde auch nichts gefunden, ausser der Bestätigung, dass Yukio wirklich eine steinharte Lesbe war. In einem in Wand eingebautem Schrank wurden verschiedene Kostüme und Accessoires gefunden, einige von denen waren recht sadomasochistisch wie zum Beispiel Peitschen mit kleinen Metallkrallen an den Spitzen, ein paar Meter Seil oder "Bällen", mit denen man (normalerweise der Frau) den Mund zustopfen konnte. Ein netter Anblick, da konnte man es drehen und wenden, wie man es wollte. Am sehenswertesten war Yukios Kollektion an Dildos und Vibratoren. Allein mit denen konnte man ein eigenes Museum aufmachen. Auf der anderen Seite hatten er, Kyo und Minako fast den ganzen Tag mit den meterlangen Listen gekämpft. Wenigstens das hatten sie hinter sich. Und nun hatten sie um die zwanzig Namen, die sie noch überprüfen mussten. °Vorausgesetzt, die gesuchte Person befindet sich irgendwo zwischen den zwanzig Auserwählten.°, dachte Zero sarkastisch. °Ansonsten sitzen wir alle heftig in der Scheisse.° Er seufzte. °Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir noch mächtigen Ärger bekommen werden.° Wenn er nur wüsste, wie Recht er mit seiner Vermutung hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)