Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil von Izaya-kun (Das Tagebuch eines Gesuchten) ================================================================================ Kapitel 11: In der Falle ------------------------ Ich wich zurück und starrte Kai an. Dieser hatte die Tür geschlossen und ohne sich umzudrehen schloss er ab und steckte den Schlüssel in die linke Hosentasche. Die ganze Zeit über grinste er mir entgegen und ich hatte das Gefühl, sein Grinsen wuchs mit jeder Sekunde. Nachdem die Tür verschlossen war, lehnte er den Kopf erst nach rechts, dann nach links und sein Nacken knackte vernehmlich. Zufrieden und gehässig sah er mich wieder an. „Wie klein so ein Schiff doch ist, nicht wahr?“ Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Der Matrose war sichtbar größer als ich und auch wesentlich stärker gebaut. Sollte es zu Handgreiflichkeiten kommen, würde ich ohne Frage verlieren. Ich bemühte mich, meine Stimme etwas zu festigen und baute mich etwas auf. „Was soll das?! Ich habe nichts mit Euch zu schaffen! Lasst mich raus!“ So nah am Ausgang herrschte leichtes Licht durch den Türspalt, dennoch war es dunkel und dies verunsicherte mich ein wenig mehr. Ich konnte nur vage vermuten, wo er stand, durch jene Stellen an der Türschwelle, die schwarz statt beleuchtet waren. Aber zu meinem Nachteil wurde ich beleuchtet – er hingegen war für mich vollkommen unsichtbar. Abermals wich ich einen Schritt zurück. Ich muss hier raus, schoss es mir durch den Kopf. Das ist der Mann, welchen Black von mir fern hielt! Und er wird Grund dazu gehabt haben…! Doch zu meiner Erleichterung entzündete Kai ein Streichholz. Ich zuckte zusammen, als das Feuerchen entflammte und den Raum flimmernd erhellte und das ließ sein Grinsen ansteigen. Er wandte sich von mir ab. In aller Ruhe entzündete er die Lampe, die am Deckenbalken hing. Als das Licht brannte, schloss er die Laterne und wedelte das Streichholz aus. Ich schwieg und sah ihm zu, misstrauisch und äußerst angespannt. „So…“, brummte Kai dann leise und drehte sich zufrieden zu mir. „Nun kann ich dich wenigstens sehen, Pfaffe…“ „Ich bin kein Pfaffe.“, meine Antwort kam mir dumm vor, aber ich verstand nicht, was er von mir wollte. „Wieso nennt Ihr mich so?“ Doch Kai ging nicht darauf ein. Er warf das Streichholz zu Boden und kam auf mich zu. Mit jedem Schritt, welchen er in aller Ruhe näher rückte, wich ich einen Schritt zurück. „Du kleiner Bastard… Seit du hier an Bord bist geht alles schief… Und nun wagst du es, hier unten herum zu schleichen und uns zu belauschen?“, zischte er dabei. „Ich habe niemanden belauscht.“, knurrte ich wütend. Ich stieß ab und an gegen einige Wasserfässer, dann letzten Endes gegen den Türrahmen zum Proviantlager. Es dauerte nicht lange und ich befand mich im hintersten Raum. Die Hühner sahen auf und einige Federn fielen durch das Gitter zu Boden, als sie nervös begannen, sich zu bewegen. „Ich bin oft hier, um zu schlafen. Hinten, bei den Leinensäcken. Bei den Kojen ist es zu laut.“ Dann war es vorbei. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und starrte ihn an, doch Kai blieb nicht stehen. Er trat an mich heran und lehnte seine Hände rechts und links neben mich ans Holz. Er war wirklich verdammt groß, ich ging ihm bis zum Kinn. Als er flüsterte, musste ich den Kopf leicht heben, um ihn anzusehen. „Erzähl keine Märchen, du hast gelauscht…“, seine Stimme war weniger als ein Zischen, und sein Atem roch verwirrend süßlich, während er fort fuhr: „Verdammter Mistkerl…!“, dann löste er die rechte Hand und ich sah, wie er seitlich an seine Hose griff. „Ich will dich schon loswerden, seit der Sache mit Ian, aber der verdammte Alte hat sich vor dich gestellt…! Doch ich lasse nicht zu, dass er dich den Schlüssel holen lässt, niemals!“ „Ich habe mich lediglich gewehrt! Das mit Ian war nicht beabsichtigt und das mit dem Schlüssel würde ich am liebsten auch nicht-…“ „Halt den Rand! Du hättest deine Nase eben nicht in Angelegenheiten stecken sollen, die dich nichts angehen und nun wirst dafür bezahlen…!“ „Aber das habe ich nicht!“, fauchte ich ihn an. „Ich habe weder gelauscht, noch weiß ich etwas von Euren Angelegenheiten! Black bat mich, einen Schlüssel zu besorgen und das werde ich tun, ohne Fragen zu stellen, Ihr habt mein Wort! Aber ich-…“ Nur knapp entkam ich seinem Versuch, mir das Messer mitten ins Gesicht zu rammen. Blitzschnell schlug er zu. Ich schlüpfte seitlich unter seinem Arm hinweg und stolperte vor. Kai fuhr sofort herum und hastete mir nach. Er war außer sich, wie besessen, ein Gespräch würde nichts nutzen. Ich stürmte Richtung Ausgang, aber noch ehe ich den Lagerraum zum Wasserspeicher verlassen konnte stürzte er sich auf mich und warf mich zu Boden. Es knallte und krachte und kurz blieb mir die Luft weg, als sein schwerer und riesiger Körper mich zu Boden presste. Kai saß auf meinem Rücken und ich kämpfte damit, aufzustehen, bis mir das Messer einfiel und ich mich panisch unter seinen Beinen wandte. „Seid Ihr verrückt?! Lasst mich los!“, brüllte ich. Ich schrie und zappelte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man mich hörte. Und das war auch ihm klar. Seine Angst, dass man sein Treiben bemerkte war so groß, dass er die Chance verpasste, mir das Messer in den Hinterkopf zu rammen. Stattdessen ließ er es neben sich fallen und riss mich herum. Er versuchte mich zu schweigen zu bringen, mit allem Mitteln. Kai hielt mir den Mund zu, dann würgte er mich, schlug mir ins Gesicht und letzten Endes riss er mich hoch. Meine Schläge und Tritte machten ihm kaum etwas aus, sie machten ihn lediglich noch aggressiver und wie im Rausch schlug er meinen Kopf gegen die Wand. Als er mich daraufhin los ließ, hielt ich mir die Stirn und schwankte. Verwirrt nahm ich eine rote Flüssigkeit wahr, welche von meiner Stirn über meine Nase hinunter lief, dann wandte ich mich um. Verständnislos starrte ich Kai an, aber dieser packte mich bereits wieder und warf mich hochkant in einen Stapel Kisten. Es krachte erneut, dann stürzte er sich auf mich und schlug auf mich ein. „Du verdammte Landratte!“, zischte er dabei. „Ich werde verhindern, dass Black dir diese Aufgabe erteilt!“ Immer wieder schlug er mir mit der Faust ins Gesicht, während er auf meinem Bauch hockte und nach jedem Schlag dachte ich „Jetzt ist es aus…! Ich sterbe…!“ Aber ich starb nicht. Als Kai fertig war sprang er hoch und fuhr sich mit dem blutigen Handrücken über den Mund. Er keuchte durch die Anstrengungen und schwitzte stark. „Steh auf!“, befahl er mir. Ich stöhnte und drehte mich gequält auf die Seite. Hustend spuckte ich Blut und ein Stück Zahn aus. Mein Gesicht schmerzte fast so sehr, wie mein Kopf, oder meine Nase. Noch ehe ich reagieren konnte trat er zu. „Steh auf, sagte ich!“, brüllte er mich dabei an. Ich gab einen lauten Schmerzenslaut von mir, als seine Stiefelspitze mir mit voller Wucht in die Seite fuhr. Und schon trat er erneut zu. „Aufstehen!“, ehe ich reagieren konnte riss er mich hoch und stieß mich zu einer der Kisten. Ich fiel mehr, als dass ich ging und landete unsanft mit dem Oberkörper auf einer großen, dunklen und hölzernen Kiste. Vor meinen Augen drehte sich alles und die klebrige Flüssigkeit lief mir aus der Nase. Mein Gesicht war so heiß, dass ich glaubte, es sei unheimlich geschwollen. Ich wollte mich aufrichten, ich wollte weg rennen, aber Kai hatte sein Messer genommen, packte mich am Nackenkragen und rammte mich aufs Holz. Hilflos sackte ich in die Knie und verharrte, keuchend und röchelnd. „Du hörst mir jetzt zu…!“, flüsterte er und setzte sich auf meinen Rücken mich. Ich stöhnte auf und hob den Kopf vor Schmerz. Die Kante der Kiste drückte mir schmerzhaft unter die Rippe, aber Kai nahm keine Rücksicht darauf, riss mich an den Haaren in den Nacken und hielt mir die Klinge an den Kehlkopf. Sofort erstarrte ich. Ich spürte das kalte Metall und atmete flach, aus Unsicherheit, eine falsche Regung könnte die Klinge meinen Hals durchtrennen lassen. Und tatsächlich spürte ich einen leichten und bedrohlichen Druck, welcher mich schneller und stoßweise atmen ließ. Man könnte nicht sagen ich sei ängstlich, ich war lediglich unsicher. Ich wollte nicht sterben, auf keinen Fall. Auch war ich wütend auf ihn. Ich hasste das Gefühl von Schwäche, zu lange hatte ich darunter gelitten und jede neue Erfahrung mit diesem Gefühl verstärkte meine „Abneigung“. Ich verfluchte ihn in Gedanken, beleidigte ihn und wünschte mir, ihm alles zurückzuzahlen, aber nichts davon war möglich, oder klug. Kai beugte sich etwas runter und flüsterte mir ins Ohr: „Ich werde dich jetzt windelweich prügeln, bis du den Auftrag nicht mehr machen KANNST. Black wird uns nicht an der Nase herum führen. Er macht gemeinsame Sache mit der Inquisition, du bist der Beweis dafür…!“, ich wollte widersprechen, doch er ruckte an meinem Schopf und ich verstummte sofort. „Aber erst einmal werden wir zwei uns amüsieren… Ich hatte seit drei Monaten kein Weib mehr.“ Er lachte. Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Ich hatte mich binnen weniger Sekunden daran gewöhnt, dass Kai mich zusammen schlagen würde, bis ich halb tot war. Auch hatte ich mich daran gewöhnt, wahrscheinlich durch ein Messer in Kehle, Kopf oder Rücken zu sterben. Aber DAS kam unerwartet! Als Kai mich los ließ und aufstand sackte ich zusammen und rutschte zu Boden. Hilflos wollte auch ich aufstehen, aber ich wurde nicht Herr meines Körpers. Die Schläge auf den Kopf hatten meinen Geist benebelt und es fiel mir schwer, meine Umgebung auch nur ansatzweise zu erkennen. Kai öffnete seine Hose und dies war eine Art Startschuss für mich. Als ich sah, wie er hinein griff und sein Glied von seinem Käfig befreite – poetisch ausgedrückt – fuhr ich hoch und stürzte vor. Ich konnte nicht laufen, meine Knie gaben nach und ehe ich mich versah, landete ich wieder auf allen Vieren, jedoch gut zwei Meter entfernt. Es war schmerzhaft, als ich in den Stapel Kisten fiel und gewiss auch, als Kai mich packte und zu sich riss, laut fluchend und recht grob, aber nicht so schmerzhaft wie das, was danach geschah. Er riss mich an den Beinen zu sich, packte mich von hinten an den Oberarmen und warf mich gegen einen Stapel Holzboxen. Er hockte auf den Knien, seine Hose rutschte ihm in die Kniekehlen, und dann riss er auch an meiner, jedoch drehte ich mich um und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden so fest geschlagen. Kai flog zur Seite und nun sah er rot. Es dauerte nicht mal eine Sekunde und als er sich wieder aufrichtete, stieß er einen lauten und tobenden Schrei aus. Er stürzte vor, das Messer in seiner Hand hoch erhoben und stach zu. Ich warf mich zur Seite und zwar viel zu spät. Genau in diesem Moment krängte das Schiff. Etwas, wofür ich Gott danke, denn Kai taumelte nach rechts und seine Klinge durchschnitt jenes Tau, mit welchem die Waren gelascht waren. Es polterte, dann krachte es, dann schrie er auf. Ein Stapel aus Holzkisten gefüllt mit stark riechendem und mit weißlichem Schleim überzogenem Fisch ergoss sich über Kai, aber diese waren nicht das eigentliche Übel – das Übel bestand aus einer Gruppe von 3 Kanonenkugeln, welche den Fischen unmittelbar folgten. Ich hörte ein lautes Knacken, als sein Schädel brach und als ich mich aufrichtete und das Schiff sich wieder lang legte, rollten zwei Kanonenkugeln zu einer Gruppe Getreidesäcken. Keuchend starrte ich ihnen nach, dann starrte ich zu Kai. Ungläubig, aber auch zugleich fasziniert, starrte ich auf seinen blutigen Kopf, auf welchem eine große, schwarze Kugel lag, als hätte man sie dort hinein gepflanzt. Rotes, dickflüssiges Blut, vermengt mit etwas durchsichtigem, leicht weißem lief aus seinem Hinterkopf und verteilte sich auf dem Boden. Die plötzliche Ruhe wirkte fast friedlich auf mich und nur mein Puls, welcher mir noch immer im Hals schlug, zeugte vom Geschehen wenige Augenblicke zuvor. Der Anblick von Kai, wie er dort lag, mit bloßem haarigen und rot gepunkteten Hintern inmitten von Holz und Blut betäubte mich und ich stand langsam auf, jedoch völlig ruhig. Ich bekreuzigte mich, fast aus einer Gewohntheit heraus und als ich merkte, was ich getan hatte, tat ich es vor Schreck gleich noch einmal. Ich erinnere mich nur noch schemenhaft daran, was ich damals dachte. Alles erschien mir irreal, wie ein böser Traum, was durch das Dämmerlicht enorm verstärkt wurde. Auf jeden Fall durfte man nicht mich für diesen Unfall verantwortlich machen, das war mir klar. Fast schon mechanisch trat ich an ihn heran. Die schwarze Kugel schien mich förmlich anzustarren und mich packte die Furcht, dass er sich noch regen könnte, wenngleich es vollkommener Blödsinn war. Ich packte das Messer und nahm es an mich, als würde seine Hand nach mir schnappen, würde ich zögern. Dann steckte ich es ein und nahm auch den Schlüssel des Lagerraumes an mich. Lange stand ich da und starrte Kai an. Man wird denken, er wollte jemanden vergewaltigen. Vielleicht auch, dass er hier unten masturbiert hat. Ja, genau, keiner wird mich dafür verantwortlich machen. Warum auch? Was habe ich mit Kai am Hut? Wenn es Ian wäre… Oder Tom… Aber mit Kai bin ich nie zuvor aufgefallen. Nie. Aber meine Verletzungen, sie werden jedem auffallen… Dann hockte ich mich hin. Ich dachte nach und ohne es wirklich wahrzunehmen, nahm ich die zerschnittenen Seilenden und kürzte einige, einzelne Fäden und zerfranste sie mit der Hand, so dass es aussah, als wäre das Tau gerissen. Als ich mit meiner Arbeit zufrieden war richtete ich mich wieder auf und starrte ihn weiter an. Das Schiff krängte. Die zwei Kanonenkugeln rollten zurück zu Kai und mit einem leisen „Plok!“ stießen sie an seinem Arm aneinander. Für einen Moment dachte ich an die Erbse, die ich nach dem Gespräch mit Black in der Küche gesehen hatte und fragte mich, was wohl aus ihr geworden war. Warum ich mich gerade jetzt an sie erinnerte wusste ich nicht, aber ich tat es. Ob ich verrückt geworden war? Ich hatte von einigen gehört, welche den Verstand verloren haben, als sie mit ansehen mussten, wie Leute vor ihnen Augen starben. Ob das bei mir nun auch der Fall war? Und woran würde ich es erkennen? Doch ich beschloss beim Thema zu bleiben. Unsicher sah ich mich um, dann erblickte ich ein Regal voller Krüge und anderem derartigen. Ich griff einen Silberteller, befreite ihn mit meinem Ärmel vom Staub und betrachtete mein Spiegelbild. Es war verzerrt, aber zeigte mir, dass die Schläge von Kai lediglich blaue Flecken hinterlassen würden. Mir lief Blut aus der Nase und mein linkes Auge war stark geschwollen, so wie meine Wangen, mehr nicht. An meiner Stirn prangte eine kleine Platzwunde, aber darüber waren meine Haare und mit etwas Wasser konnte ich dieses Missgeschick problemlos verbergen. Die schlimmsten Wunden waren innerhalb meines Mundes. Mein Zahnfleisch und meine Wangen waren blutig geschlagen und aufgerissen. Mir fehlte ein Zahn und ein zweiter schien bedrohlich zu wackeln. Zufrieden legte ich den Teller zurück, sah Kai noch einmal an und schlich ins Wasserlager. Dort öffnete ich eines der Fässer und reinigte mich vom Blut. Das kühle Nass roch abgestanden, aber es erfüllte seinen Zweck und als ich meinte, mich völlig gesäubert zu haben, schloss ich den großen Behälter wieder. Der letzte Vorfall war zwar lange her, aber man wusste, dass ich öfters mal mit jemandem aneinander geraten war. Keiner würde sich also über die blauen Flecken wundern. Ein wenig mulmig war mir dennoch, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und ich verharrte. Keiner würde in den nächsten Tagen den Lagerraum aufsuchen, außer mir, das war gewiss ein Pluspunkt. Jedoch, was wenn man Kai suchte? Wenn es stimmte, was sie bei ihrem heimlichen Gespräch gesagt hatten, würden wir am nächsten Tag anlegen. So hatte man keinen Grund, das Lager zu betreten, außer vielleicht um Trinkwasser aufzufüllen und dann könnte man die Tür zum Proviantlager ja verschließen. Und wenn Black es ernst meinte, was er sagte, dann würden sie alle den öffentlichen Kontakt vermeiden, um nicht aufzufallen. Also würde vielleicht niemand Kai suchen. Aber was, wenn doch? Unsicher sah ich zurück, wenngleich ich nichts sehen konnte, außer das Wasserlager und die Tür, welche zum Proviantlager und Kai führte. Ich musste seinen Leichnam entsorgen, irgendwie. Ich hatte keine Wahl. Wenigstens so lange, dass niemand mehr mich mit ihm in Verbindung brachte. Ich steckte den Schlüssel wieder ein und ging zurück. Unsicher sah ich mich um. Hühnerkäfige, Kisten, Fässer… In einer Ecke stand eine besonders alte, längliche Kiste. Ich ging zu ihr und fuhr mit dem Finger an einer ihrer Ecken entlang. Anschließend betrachtete ich ihn, er war schneeweiß. Zufrieden nickte ich, diese Kiste schien unbenutzt. Hier könnte ich ihn verstecken. Und so öffnete ich sie und zog ein altes Leinentuch heraus, welches zusammengeknüllt darin lag. Ich wirbelte Staub auf und im Licht sah man dicke, weiße Flusen tanzen. Dann wandte ich mich an Kai. Noch immer lag er regungslos da. Die zwei Kugeln hatten sich wieder auf Wanderschaft begeben, nur die dritte war noch immer, wo sie auch zuvor „gelegen“ hatte – in seinem Kopf. Das konnte ich unmöglich so lassen. Ein wenig angewidert sank ich neben ihm auf die Knie, dann umfasste ich das kühle Eisen mit beiden Händen. Es war so eiskalt, dass es mich frösteln ließ und als ich das schwere Geschütz anhob, gab es ein leises und schmatzendes Geräusch von sich. Ächzend legte ich die Kugel behutsam in die Kiste, dann nahm ich das Tuch und legte es neben Kai auf den Boden. Mit einem Ruck drehte ich ihn seitwärts herum und rollte ihn auf das Leinentuch, dann schlug ich dieses zu und verband die Enden fest miteinander. Ich versuchte seine aufgerissenen und verdrehten Augen zu ignorieren, während er so dalag und zur Decke starrte. Als er einem langen, eingewickelten Brot glich, wie jenes, welches wir im Kloster oft zubereiteten, zog ich ihn mit all meiner Kraft zur Kiste, mit dem Kopf zuerst, um keine Blutspur zu hinterlassen. Es war schwer, aber irgendwie schaffte ich es letzten Endes, ihn hinein zu bekommen. Kai war ein wenig zu groß und ich musste mich auf den Deckel setzen und ein wenig herum hüpfen, damit die Kiste zuging, aber als das geschafft war, war ich sichtlich erleichtert. Ich stellte einige Dinge auf die Kiste, nur für den Fall, dann schob ich etliche Fässer auf den Blutfleck, bis dieser nicht mehr zu sehen war. Als ich fertig war musterte ich mein Werk. Ich muss zugeben, dass ich nicht wenig stolz war, dieses Problem so meisterhaft gelöst zu haben und als ich diesmal zum Ausgang ging, war meine Nervosität etwas geringer. Zwar war sie noch da, aber als ich die Lampe löschte, die Tür aufschloss und hinaus trat musste ich ein wenig grinsen. Wenn es Gott gab, dann war er auf meiner Seite, ohne Frage. Leise schloss ich die Tür, hängte den Schlüssel ins Schloss und schlich an Deck. Es war heller Tag, die Sonne versengte erbarmungslos die Matrosen und keiner nahm wirklich Notiz von mir. Alle waren müde und kaputt von der Hitze. Als ich die Küche betrat ließ mich die dicke, warme Luft fast taumeln. Black stand an einer der Ablagen und schnitt Gemüse. Er stand mit dem Rücken zu mir und bemerkte mich nicht. Ich musste mich zum Dienst melden, sonst wäre das vielleicht auffällig. Gerade wollte ich etwas sagen, ich öffnete schon den Mund und hob leicht die Hand, da ertönte von draußen ein lautes „Land in Sicht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)