Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 14: Conan Edogawa ------------------------- Hallo an alle Lesenden, und ein frohes neues Jahr 2010!!! *letzteKorkenknallenlässt* ;-] Ich hoffe, ihr hattet ein angenehmes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr, für einige angeblich auch in die neue Dekade – jedem das seine... Und als nächstes entschuldige ich mich, dass ich mich nach zwei Wochen Pause auch noch um einen Tag verspäte, aber es war, so hoffe ich, die letzte unvermeidbare Verzögerung und von nun an geht es glatt vorwärts. Etwa die Hälfte der FF ist rum, also könnt ihr euch noch drei Monate ungefähr lang freuen, oder quälen, je nach Standpunkt. ^.^° Dann nochmals vielen Dank an dieser Stelle, für alle Kommis, die bereits im letzten Jahr kamen und auch für all die Favo-Listeneinträge. Ich hoffe, den Erwartungen, die an solche Einträge und Mitteilungen geknüpft werden, dieses Jahr gerecht zu werden. *EintragaufGuteVorsätzeListe macht* *ggg* So, was gibt’s neues? Nicht viel, ich habe, auch aus Anlass der Pause über Weihnachten, dieses Kapitel ein Stück weit im Stile einer Rekapitulation geschrieben. Einer, die aber auch viel neues bietet, denke ich. Und vor allem die Grundlage für die weitere Entwicklung in diesem Punkt liefert. Ansonsten kann ich nur viel Spaß beim Kapitel wünschen, nächste Woche geht’s auf dem Schloss Kunieda weiter. LG, Diracdet Kapitel 14: Conan Edogawa 'Wer bin ich?' Die Frage des Anfangs... zumindest aus Conans Sicht. Die Frage, mit der für ihn die Zeit seines Lebens, sein ganzes Leben, gewissermaßen nochmal von vorne anfing. Als er im Krankenhaus erwachte... und diese Frage stellte. Eigentlich Ironie. Im Moment, in dem er sie stellte, wusste er eigentlich genau, was passiert war. Er hatte sein Gedächtnis verloren. Insofern war es eine rhetorische Frage. Der Gedanke kam ihm zwischendurch. Wenn man als Kind alt genug ist, diese Frage aussprechen zu können, kennt man die Antwort für gewöhnlich... auf eine tiefere Ebene gelangt höchstens noch ein Philosoph im Erwachsenenalter, dann aber erkennt er, dass die Antwort nie geklärt war. 'Witzig... der Name alleine ist lediglich eine Definition, es kann eigentlich nicht die Antwort sein, weil es keine wirkliche Information als solches ist... nur ein Name. Der Mensch fürchtet sich vor dem Unbekannten, und obwohl er letztlich nichts daraus erfährt, geht es ihm gleich viel besser, wenn er diesem Unbekannten einen Namen gibt.' Conan fühlte, wie ihm diese Herangehensweise zuwider war... und wie er sie im Augenblick am eigenen Leibe zu spüren bekam. Er hatte Angst. Vor den vielen unbekannten Leuten, die vor ihm standen, als er wach geworden war, vor der unbekannten Umgebung, aber auch vor der Schwärze in ihm drinne, die er im Koma durchfallen hatte. Sie hatte ihre symbolische Wirkung nicht verfehlt. In seinem Inneren schien eine Leere zu herrschen, die auch sein Gedächtnis wohl nur Stückweise füllen könnte, so vermutete er... eine beängstigende Leere. Auch vor sich selbst hatte er Angst, denn auch er, dieser Junge, dieser Conan Edogawa, war ihm unbekannt. Und dann nannte man ihm seinen Namen... und die Angst? War sie weg? Es war auf einmal anders, das Unbekannte hatte einen Namen erhalten und es damit aus der Dunkelheit hinfortgerissen... 'Absurd, einfach... das ist doch vollkommen sinnlos.' Das war es sehr wahrscheinlich, wie er mittlerweile ahnte, aber dennoch, auch er konnte sich nicht dieser zu menschlichen Einstellung entziehen. Er wusste in dem Augenblick, als der Name fiel, immer noch nichts über diese Person... und doch war die Furcht kurzzeitig gebannt, zurück gedrängt. Er war auch ein Mensch. Keine sehr tiefgehende Erkenntnis vermutlich, aber etwas, was ihm aus diesem Blickwinkel wenigstens nun sehr sicher war. Es war gar nicht so lange her... nicht einmal zwei Stunden, seit er wieder unter den aktiv Lebenden weilte, und damit auch wieder seinen Namen kannte, und dennoch kam es ihm vor, als habe er eine Odyssee in dieser Zeit unternommen. Nicht körperlich, im Geiste, nicht laut, sondern leise, wobei alles gesagte in dieser Zeit lediglich wie einzelne Knotenpunkte wirkte. Knoten für das Netz, welches er knüpfte, in der Hoffnung, seine entflohenen Erinnerungen darin einzufangen wie ein Berufsfischer seinen Lebensunterhalt auf dem Meer. Ganz sicher war die Situation vergleichbar. Im Meer, in der unendlichen See der Möglichkeiten, wirkten seine wenigen Gedanken, aus den paar Jahren, die er gelebt hatte, vor dieser neuen Zeit, die vor knapp zwei Stunden begann, wie kleine einzelne Fische, die man nur mit einem großen, engmaschigen Netz jemals würde einfangen können. Man würde viele Knotenpunkte brauchen, um alle zu erwischen... und würde man scheitern, sie zu fangen... so wäre das für die eigene Existenz ein Todesstoß. Das Problem, mit dem alles anfing, war nämlich genau das, sein Name. Conan Edogawa. Er verscheuchte die Furcht, die ihm das Unbekannte bescherte... und hinterließ dafür ein anderes Gefühl. Nicht die Ruhe, die innere Überzeugung, die er, zumindest im Nachhinein erwartet hätte. Dieser Ansatz, der ihm eigentlich so fest im Unterbewusstsein verankert sein müsste, dass laut Theorie des Arztes er ihn beim zweiten, dritten Mal spätestens hinnehmen könnte, ihn annehmen. Seinen Namen. Er fehlte. Stattdessen verspürte er... Wut... Ablehnung, Abneigung, etwas in seinem Inneren sträubte sich gegen diesen Namen, egal, wie oft er ihn vor sich hin betete. Bis er zu dieser Erkenntnis gelangte, waren bereits einige andere Punkte hinzugekommen, die ihn stutzig werden ließen. Knotenpunkte, die keine waren, die sich als Löcher herausstellten, denn als Netzverknüpfungen, oder Fische einfingen, die er nicht verwerten konnte. Kurzum... Aussagen, die in der Summe nicht wahr sein konnten... oder einfach so absurd waren, dass das doch irgend jemandem auffallen musste. 'Ich habe anscheinend keine Eltern, die den anderen Leuten bewusst wären. Ich habe Wissen, dass in meinem Alter eigentlich unvorstellbar ist, und verhalte mich auch entsprechend, lese komische Bücher, kenne komische Leute... und ich scheine mich für Kriminologie zu interessieren. Hobbys solcher Art sind mehr als ungewöhnlich, aber für alle Anwesenden wirkte das normal, bis auf die Mediziner. Dazu mein komisches Verhalten bei Fällen. Eigentlich nur kindlich, aber ich sehe selbst ein, dass es unsinnig ist. Hätte ich das durch die Amnesie erst begreifen können? Unsinn, man wird dabei doch nicht plötzlich schlauer, schon gar nicht in dem Maße, es muss mir vorher ja nicht vorstellbar gewesen sein und nun ist es offensichtlich. Das heißt... es ist so, dass ich das bewusst getan habe, aus einem bestimmten Grund. Davon war aber nie die Rede und insbesondere die – verständliche – ungehaltene Reaktion von Herrn Mori dazu belegt, dass dieses bewusste definitiv abgelehnt wird...' Damit war eindeutig ein weiterer Fakt für ihn geklärt: Es waren nicht alles wahre Aussagen, die er heute gehört hatte, einiges war zumindest falsch. Und damit wurde es wirklich schwierig, irgendwelche Schlussfolgerungen zu treffen. Denn ohne Gedächtnis und ohne Sicherheit über die Informationen blieb ihm eigentlich... gar nichts? Er verbrachte die Minuten, nachdem die Mehrheit der Gäste sein Zimmer verließ mit der einzig sinnvollen Fragestellung, die ihm dazu einfiel. 'Welche Gründe könnten für diese Unwahrheiten sprechen?' Das allein hatte schon die Problematik in sich, dass er nicht wusste, ob die Antworten auf seine Fragen unwissend falsch, gelogen, oder welche von ihnen womöglich wahr waren. Jede Variante legte viele Interpretationsmöglichkeiten nahe. Etwas stimmte mit ihm nicht, das war klar, nicht mit der Person, die man ihm als Spiegelbild präsentierte. Conan Edogawa. Er dachte an so etwas wie Zeugenschutzprogramme, wie geheime Forschungen der Regierungen, auch wenn ihm der Gedanke an Verschwörungen zuwider lief. Er dachte daran, ob er selbst weggelaufen wäre, und allen etwas vorspielte. Er dachte auch umgekehrt an Entführung, nicht zuletzt, da im Falle einer Lüge ja auch den Ärzten hier etwas vorgespielt wurde. Dann aber waren da noch diese anderen Leute, aus Osaka. Wenn es Lügen waren, warum wurden dann außen stehende hinzugezogen, die eher nur mehr Risiken darstellten? Wenn es nun aber von allen Unwissenheit war, hieße das, niemandem fielen die Ungereimtheiten auf in dieser Gruppe... aber ihm, dem kleinen Jungen?! Auch eher unrealistisch. Er dachte auch... an das 'Unmögliche'. Bei diesem Wort sträubten sich die Haare auf seiner Haut in die Höhe, dabei hatte er es nur gedacht. Und wenige Gedanken später war ihm klar, warum er diesen Gedanken nicht ertrug. War er besessen von einem Geist, entführt von Außerirdischen, ein Klon, weshalb er keine Eltern hatte... Das Problem mit dem Unmöglichen ist, dass es lediglich alle Optionen beschreibt, die nach gegebenem Erkenntnisstand nicht zur Debatte standen, die noch nicht beobachtet wurden. Und deren Zahl war unendlich. Es sprudelte förmlich heraus aus seinem Kopf, was alles möglich war, wenn nur man anfing, dies zuzulassen. Es war hoffnungslos, man konnte einzelne Dinge vielleicht widerlegen, aber nie alle. Es gibt keine wirklichen Grenzen für die menschliche Fantasie, die das Unmögliche begründet und damit auch keine Möglichkeit, darin sinnvoll die Lösung zu finden. Man musste das Unmögliche ausschließen, und in der Realität suchen. Sollte diese Suche, systematisch durchgeführt, nicht zum Erfolg führen, dann erst wäre man verdammt, in die See des Unmöglichen zu stechen und auf den Treffer zur Wahrheit zu hoffen. An diesem Punkt tauchte sie auf. Kirika Yuumura. Eine Person, die seine Situation vielleicht am besten verstand. Weil sie nicht nur in der gleichen bedrückenden Leere des Seins, in einer mit einem fremden eigenen Namen versehenen Welt, gefangen war. Sie war vor allem daran gewöhnt, hatte sich, so gut es ging, damit arrangiert. Sie wusste, dass ihr das Glück, welches ihn hoffentlich ereilen sollte, sich erinnern zu können, nicht beschienen war. Sie würde sich nicht mehr erinnern, sehr sehr wahrscheinlich zumindest. Ihr wurden die Leinen in die Vergangenheit gekappt, die für ihn offiziell noch bestanden. 'Oder... oder nicht?' Angesichts der vorher gefassten Gedanken... war nicht auszuschließen, dass die Assoziationen, die ihm fehlten, vielleicht auch seinen Freunden nicht bekannt waren, weil sie ihn anders kannten, als er in Wirklichkeit war. Oder aber sie wollten es nicht, wollten ihn von seinen Erinnerungen trennen. Unwillkürlich kam ihm ein Aspekt in den Sinn. Er zweifelte nicht, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte und es immer noch nicht wieder besaß. Als sie diese innere Dunkelheit beschrieb, die ihn umfing, da sprach sie aus seiner Seele aus ihrer Seele. Da sah sie ganz genau, was ihm auf den Lippen brannte, aber er nicht sagen konnte, nicht erklären konnte. Sie musst es am eigenen Leib erfahren haben, anders war es nicht denkbar für ihn. Und dass sie noch immer sich nicht erinnerte... darüber war er sich sicher wegen ihrer Reaktion auf ihn selbst. Ihr direkt ängstliches Benehmen, als sie herein kam in das Krankenzimmer, ihre bedrückende, beklemmende Art, als sie ihm erzählte, was sie aus eigener Erfahrung wusste... sie musste überzeugt sein, es wäre etwas unumkehrbares, etwas dauerhaftes, etwas... endgültiges. 'Und im Vergleich dazu, ihr Lächeln, als ich sagte, der Arzt meinte, es sei nicht von Dauer... Nein, da gibt es keine zwei Meinungen, sie muss geglaubt haben, ich könne mich nicht wieder erinnern und war wie ausgewechselt, als sie ihren Irrtum erkannte. Und für jemanden, der selbst an dieser Krankheit litt, aber sie überstand, wäre das nicht möglich. Sie muss immer noch dran leiden.' Es war wohl wieder nur eine kleine Erkenntnis, aber eine bedeutsame für ihn. Kirika hatte ihr Herz für ihn geöffnet, in dieser Situation, sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, ganz sicher. Etwas, was er bei allen anderen, die er heute traf, nicht garantieren konnte. Sie hatte... sein Vertrauen erworben, auch wenn er das bis jetzt nicht zugeben würde. Überhaupt, auch ohne diesen Fakt, dass sie dort die Wahrheit sagte, so sehr sie öfters ihre Intentionen verschleierte, ihr wahres Wesen unter einer kindlichen, verspielten Schale zu verbergen suchte und ihm sogar Informationen vor enthielt... so klang sie in seinen Ohren einfach... ehrlich. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht, auch wenn man es nicht immer mitbekam. Weniger, um zu verheimlichen, als dass sie versucht schien, es zu umgehen, ihm falsche Aussagen zu vermitteln. Er konnte diesen Aussagen trauen... und das tat er. Und eine von ihnen war schon mehr als faszinierend, ließ seine geistigen Wallungen aufbrodeln. Ihre dauerhafte Amnesie wurde erzwungen... von einer Gruppe, einer Organisation, 'Les Soldats', die sich anmaßten, die Geschichte nach ihren Wünschen umzuschreiben. Könnten sie auch hinter seiner Situation im Moment stecken? Ihm sein Gedächtnis geraubt haben, weil er irgendetwas wusste, was er nicht wissen sollte? Ein erschreckender Gedanke. Aber auch schnell beseitigt, weil er zwei Fehler enthielt. Das kleine Mädchen, und auch Kirika, sie zeigten sich als entschiedene Gegner dieser Soldats, obwohl sie sich gegenseitig nicht wirklich zu kennen schienen. Wenn keiner von Les Soldats da war, wie sollten sie dann wissen, ob ihr Plan funktionierte? Letztlich hat er das ja nicht, wenn man dem Arzt glauben durfte. Und das war der zweite Punkt, schlampige Arbeit, in doppelter Hinsicht. Er hätte doch längst tot sein müssen, oder wenigstens in einer hoffnungslosen Situation, ähnlich wie Kirika. Und wenn es nicht geklappt hat, müsste dann nicht irgendwo ein Heckenschütze lauern, um den Auftrag zu beenden? Es musste so sein, war es aber nicht. Aber... es konnte etwas ähnliches sein. Wie kurz zuvor stand er vor dem Punkt, unmögliches in Betracht zu ziehen, oder zumindest Unsinniges. Verschwörungstheorien, Geheimbünde aller Art. Und doch fiel es ihm diesmal einfacher. Eine andere Organisation, wie Les Soldats. Sie existierten, weil Kirika es sagte und er ihr vertraute. Also war es kein großer Schritt, eine andere anzunehmen. Eine vergleichbare, die ihn töten wollte... weil er etwas wusste, was er nicht wissen sollte. Auch nicht gerade beruhigend, aber... denkbar. Und dann war da noch dieser Name, im Buch, Gin. Erneut durchzog ihn ein Schauer von Kälte, obwohl es so angenehm warm im Zimmer war. 'Ihr seid euch nicht ganz grün.', war wohl eine diplomatische Formulierung. Nein dort herrschte extreme Antipathie. Er... Conan, konnte es nicht richtig in Worte fassen, dafür war alles zu diffus in seinen Gedanken, noch... Die Kälte deutete ihm Furcht an und doch war es noch etwas anderes, was er verspürte... Und in diesem Moment, vor wenigen Sekunden kam die Aussage, die ihn zu dieser Rekapitulation all seiner bisherigen Überlegungen in einem kurzen Augenblick trieb: „...du bist in einigen Dingen... Gin gar nicht so unähnlich.“ Bis zu diesem Moment war ihm diese Person eine entfernte Figur, eine Assoziation, die er gehabt haben mag, als er sich erinnerte – keine gute Assoziation, nebenbei bemerkt – aber es erschien ihm für seine Genesung, nach dem, was die drei Anwesenden aussagten, irrelevant, über ihn nachzudenken. Er würde verstehen, wenn er sich erinnerte, aber er müsste nicht verstehen, um sich zu erinnern. Eines der vielen Details seines Lebens, die verschlossen waren. Das änderte sich schlagartig durch diese Bemerkung, was wohl auch in seinem nun schon einige Sekunden andauernden Schweigen, begleitet von einem undurchschaubaren, leicht verwirrten Gesichtsausdruck, äußerte. Er war... zumindest teilweise, wie dieser Gin. „Inwiefern?“, war nach all den Gedankengängen seine einzige Antwort zur Verwunderung der Anderen. Ein kalter Schauer lief Kirika über den Rücken. „Du...“ Sie stockte, schluckte. Fast hätte sie es einfach gesagt, aber genau das wollte sie partout vermeiden. Wenn er nicht von selbst bis jetzt darauf gekommen ist, war alles andere sinnlos. Folglich war die Frage, die sie im begriff war zu stellen, für sie viel bedeutsamer als es die übrigen erahnten. „Du... verstehst es noch nicht?“ „...Doch.“, kam es zögerlich. „Ich weiß nur nicht, was genau du meinst. Dass ich... wie er, die Leute um mich herum täusche, oder bin ich... selber ein Mitglied der Organisation, zu der er gehört?“ Wäre im nächsten Moment neben dem Krankenhaus ein Meteorit eingeschlagen, keiner der drei hätte es bemerkt, geschweige denn sich einen Millimeter bewegt, um ihn sich anzusehen. Sie standen nur da und beäugten – mit den größten Augen, die sie zeigen konnten – den kleinen Jungen im Bett. '...die Leute um mich herum täusche... Organisation, der er angehört...' Gerade diese zweite Aussage wirkte, als wäre sie vollkommen aus der Luft gegriffen. Mehr noch, selbst aus der Luft würde man nicht spontan so einen Gedanken äußern, am allerwenigsten er, Conan Edogawa. „Wie... wie kommst du... WIE?!“ Ai konnte den Satz einfach nicht beenden, es war ihr zu unverständlich. „Weil es... mittlerweile... die mit Abstand wahrscheinlichste Interpretation ist.“, konterte er, diesmal nüchtern. „Ich habe, seit ich vorhin aufgewacht bin, versucht zu verstehen, wer ich bin, dachte natürlich, das wäre mit Hilfe der Leute um mich herum einfach, aber es funktionierte nicht, immer schienen sich Aussagen zu widersprechen. Ich bin doch merkwürdig, oder nicht?“ „Äh... nun, ich weiß nicht genau, was du meinst... aber...“ Sie versuchte, kurz herum zu drucksen, aber sein richtender Blick in diesem Moment verschloss ihren Mund wieder. „Sicher... du weißt es, der Herr Professor auch, auch der Detektiv aus Osaka... die anderen aber nicht. Ihre Aussagen widersprachen sich und so weit, dass es nicht alles Lügen waren, bin ich auch mittlerweile gekommen. Dann wäre mehr abgesprochen, und bei der Arztwahl hätte man mehr darauf geachtet, dass er nicht misstrauisch wird. Wenn sie also aus Unwissenheit etwas falsches sagten, anstatt zu lügen, heißt das entweder, ich täusche die anderen, oder aber, ich wurde bisher, zusammen mit ihnen über meine eigene Existenz getäuscht.“ „Warum sollte es nicht letzteres sein?“ „Weil ich es jetzt ohne weiteres erkenne... obwohl ich mich nicht mal selbst richtig erkenne.“ So leicht gab Kirika nicht nach, auch weil ihre Hoffnung bei diesem Satz wieder aufkeimte. „Wer weiß, was Menschen nach einem solchen Schlag auf den Kopf so alles erleben, da gibt es die skurrilsten Berichte, vielleicht bist du dadurch erst so schlau geworden, so etwas zu durchschauen.“ Er schüttelte ironisch grinsend den Kopf. „Leider ist das ausgeschlossen, nach dem Gespräch vorher, bei dem alle dem Arzt bestätigten, auf die eine oder andere Weise, dass ich wohl schon immer so war, gerne meinen Senf überall dazu gab und damit auch meistens richtig lag. Dazu kommt mein Spezialwissen, ich hab vorhin einen Vortrag über Telomerase gehalten, verdammt! Was nicht vorher in meinem Kopf an Wissen ist, kann auch nicht plötzlich hineinkommen durch einen Sturz. Und wie gesagt, es sind nicht alle Aussagen gelogen, nur unbewusst falsch gewesen. Ergo... mich selbst konnte ich zumindest in der Hinsicht nicht getäuscht haben... ich bin der Blender hier...“ Einen Augenblick herrschte Stille, in der Conan den Kopf leicht senkte, bis ihn eine anklagende Stimme hervor zog. „Ja, das bist du, Conan Edogawa! Du bist ein Blender von höchstem Kaliber!“ Die Stimme gehörte Ai, die sich auch durch den Versuch des Professors, sie zurück zu halten, nicht bremsen ließ. Ihr standen ein paar Tränen in den Augen, die sie nicht zurück halten konnte, nicht zurück halten wollte. „Du verdammter Idiot hast nicht nur die getäuscht, die nichts wissen, du hast alle getäuscht, andauernd, hast alles in dich hineingefressen, was dich bedrückte. Selbst wir kennen dich nicht mehr wirklich, kapierst du das? Wir können dich vielleicht auch nicht mehr zurück holen, weil du dich bereits in einer anderen Welt herum treibst. Der Arzt dachte, wir würden dir zur Genüge deine Vergangenheit zeigen können. Tut mir Leid, das kann niemand, du elender Eigenbrödler!“ Ihre Stimme versagte, nachdem sie zum Ende hin ungeahnte Höhen, selbst für ein kleines Mädchen erreicht hatte. Conan war gleich im ersten Moment zurück geschreckt, als Ai laut wurde, krallte sich in die Decke vor seinen Armen, aber er wendete den Blick nicht ab. Er konnte es nicht. Warum konnte er es nicht? Das Bild vor seinen Augen, das verzweifelte kleine Mädchen... ja, dieses Bild kannte er, es war in seinem Unterbewusstsein hängen geblieben. 'Warum... warum konntest du sie nicht retten?' „Wen konnte ich nicht retten?!“, rief er zur Antwort auf die Frage in seinem Kopf heraus, und ließ erneut alles um sich still werden. Ai musste heftig atmen, beruhigte nur langsam ihren Geist. 'Akemi?' Das einzige Mal, dass sie in seiner Gegenwart Tränen vergoss, war in jenem Moment, als sie erkannte, er hätte ihre Schwester retten können. Als sie erkannte, ihre Hoffnung, es wäre unvermeidlich, weil niemand es mit der Organisation aufnehmen könne... war falsch. Er konnte es... er hätte es gekonnt. Damals konnte sie nicht mehr und zeigte ihm, wie es in ihrem Inneren aussah. 'Er muss gewusst haben, wie real diese Tränen damals waren. Er wusste es ganz genau und deswegen ist ihm dieser Gedanke in Erinnerung geblieben, versiegelt in seinem Unterbewusstsein. Mein einer, schwacher Moment, als ich meine Maske fallen ließ und du hast ihn behalten. Soll ich jetzt gerührt sein... oder eher beleidigt, dass das deine stärkste Assoziation zu mir ist?' „Das ist aber noch nicht die volle Antwort.“ Wie aus dem Nichts unterbrach Kirika von der Seite die Stimmung zwischen den beiden Verjüngten, gab Ai die Möglichkeit, nicht auf die unliebsame Frage zu antworten. „Du hast damit erklärt, dass du die Leute täuschst... und ja, das meinte ich vorhin. Aber wie kommst du auf eine Organisation?“ „Ich sagte doch, nichts ergab wirklich Sinn... nichts... realistisches. Und so musste ich wohl oder übel anfangen, unkonventionelle Optionen in Betracht zu ziehen, um meine Situation zu erklären. Du hast mich drauf gebracht. Les Soldats... eine mächtige Organisation. Zu mächtig, um es sich wirklich vorzustellen. Wenn man akzeptiert, dass es so etwas gibt... kann es auch eine zweite geben, oder? Und eine Organisation... über die ich etwas wüsste, was ich nicht wissen sollte... das passt ganz gut zu dieser Situation. Ein paar eingeweihte, und viele Unwissende.“ „Na schön... aber... wieso Gin in einer Organisation, und wieso nicht die gleiche?“ Er grinste verlegen, schaute kurz zum Fenster. „Es ist... die Kombination all der Dinge, die ihr alle gesagt, und getan habt, eure Mimik und Gestik dabei. Als du herein kamst, Kirika, haben der Professor und Ai verwirrt geguckt, genauso bei deinem Gesicht, erst beim Namen wurden sie stutzig. Sprich sie kannten dich vor dem heutigen Tag nur indirekt, aber Ai hat dich direkt mit Les Soldats assoziiert. Das heißt, ab dem Moment deines Namens war Les Soldats euer Gesprächsthema, ich habe es ja verfolgt, auch wenn ich zugeben muss, nicht alles verstanden zu haben. Wieso aber... wart ihr beide dann nochmal so schockiert, als der Name Gin fiel?“ Ein leicht skeptischer Blick folgte seinen Worten gen Ai und Agasa, die gar nicht erst reagierten. Er kannte die Antwort und würde sie sowieso gleich sagen. Ai schluckte erneut. „Ein neuer Ansatz, eine andere Assoziation, schon klar. Daraus folgte für dich, dass Gin kein Mitglied der Soldats ist. Und du hast den Gedanken einer zweiten Organisation.Wieso sollte es die aber nun genau geben und warum sollte Gin darin sein? Und wie kommst du darauf, selbst in dieser Organisation zu sein?“ Sein Lächeln verflog ein wenig, wurde von deutlichem Stirnrunzeln beiseite geschoben. „Ich fürchte, an der Stelle bin ich etwas lückenhaft noch. Wie gesagt, ich suchte ne ganze Weile schon nach einer sinnvollen Erklärung für alles. Ich kam dabei zu dem Schluss – der wohl absurd klingen mag – dass ich so tue, als wäre ich naiv, wenn ich in Wirklichkeit wohl recht schlau bin, wie der Arzt meinte – und dass mir das auch klar ist, sprich, ich handele mit Motiv. Und das heißt eigentlich nur, dass ich meine reale Gestalt verstecke, vor den Menschen meiner Umgebung. Im Bereich naheliegender Varianten kam ich dabei zur Lösung des Zeugenschutzprogramms, wie es die Polizei und entsprechende Organisationen anbieten. Das macht normalerweise nur Sinn, wenn man mit sehr gefährlichen Gruppen, insbesondere nicht einzelnen Menschen, zusammen gestoßen ist. Dann, wenn auch die Polizei nicht mehr die Sicherheit der Leute garantieren kann. Das wäre bei der Mafia so... ebenso wie halt bei einer mächtigen Organisation, die man nicht kennt. Das erklärt nur leider nicht, warum ich Wissen besitze, welches ich nicht haben dürfte. Und auch nicht, wie unorthodox ich untergebracht bin. Zeugenschutzprogramme dienen dazu, die Zeugen von der Straße zu holen und vor allem von weiteren gefährlichen Orten fernzuhalten. Nicht nur, dass eine Privatdetektei da gänzlich ungeeignet ist, ich begebe mich offenbar auch gerne selbst in Schwierigkeiten...“ Er grinste unsinnig vor sich hin, betrachtete seinen rechten Arm, als er ihn hoch hielt. „Das deutet an, dass die ganze Sache nicht durch eine offizielle Behörde, sondern mehr auf Eigeninitiative aufbaut. Daher bin ich auch selbst derjenige, der täuscht, nicht die Polizei, wie vielleicht gedacht. Der andere Punkt ist halt das Wissen. Mit gefährlichen Leuten zusammenstoßen heißt halt genau das, ein Zufall, der ohne irgendwelche Voraussetzungen von Statten geht. Wenn ich höre, wie ich mich normalerweise benehme, käme ich auf den Gedanken, ich spielte früher wirklich gerne Detektiv und habe... etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Tja... aber selbst dann wirkt Telomerase weit hergeholt. Allerdings... kann man auch das ganze auf so eine Organisation selbst projizieren. Ich war vielleicht nicht direkt darin tätig, aber meine mysteriösen, nicht-existenten Eltern unter Umständen. Als Forscher oder ähnliches. Von ihnen hätte ich diese Begriffe lernen können und in meiner Neugier, wie geschildert, etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Gin assoziiert mein Kopf immer mit Kälte, mit Angst... ich kann es selbst nicht genau formulieren, aber ich denke fast, er ist der Verantwortliche für das, was geschehen ist. Zugegeben, die Erklärung für das Wissen könnte auch Unabhängig vom Rest sein, aber so ungefähr würde ich im Moment tippen... Äh...“ Als Conan endete und kurz aufblickte, sah er wieder nur offene Münder, die in Staunen schwiegen. „Das nennst du... lückenhaft?“, stellte Agasa erschöpft schnaufend fest. „Nun ja...“, er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Viel kann man davon sicher nicht so leicht beweisen und... ich habe auch keinen rechten Ansatzpunkt, um weiter zu kommen.“ „Tse...“ Ais plötzliche, abwertende Haltung ließ ihn aufhorchen. Lediglich eine schwache Rötung der Wangen deutete die eben noch vergossenen Tränen an, ihr Kopf war gesenkt, nur noch ein sarkastisches Grinsen zu erkennen, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt stand sie da und beobachtete ihn. „Wir hatten uns wirklich umsonst Sorgen gemacht, Herr Professor. Ich würde sagen... Conan Edogawa... ist wieder da!“ Sein verwunderter Blick ließ sie sich schließlich erweichen. „Du spielst seeeeeehr gerne Detektiv, mein Lieber und du bist einsame Spitze darin, zumindest für dein Alter. Und du hast mit den meisten deiner Ausführungen, wenn auch nicht allen, so etwas von Recht, das ist einfach nur beängstigend... wenn man dich nicht kennen würde.“ „Sie hat Recht!“, stimmte Kirika ihr zu. Auch auf ihrem Gesicht hatte sich ein Lächeln gebildet. „Nicht doch! Ich sagte doch, da komme ich nicht weiter an diesem Punkt!“ „Das ist halt so, Conan. Man kann nicht aus beliebig wenig Informationen alles erklären... eigentlich kann man nichts aus gegebenen Aspekten richtig erklären, ein Stück weit muss man immer raten und dann mit den Fakten vergleichen. Und mit ziemlicher Sicherheit hast du das meiste, was möglich war, geschlussfolgert.“ Sie drehte sich unwillkürlich zur Seite, ahnte, was nun käme. Conan schaute bedächtig auf seine Decke. „Das heißt... das war es? Sagt ihr mir jetzt die Wahrheit... so weit ihr sie kennt, oder hab ich die selbst schon erfahren und ihr könnt nichts hinzufügen, wie es Ai eben sagte?“ Eine dumpfe Angst machte sich in ihm breit. Wenn es wirklich die letzte Variante wäre... das wäre tödlich. Das ist alles nur halbgares Zeug gewesen, was er erkannte. Er brauchte etwas anderes noch. Er brauchte... „Eine Assoziation, sagtest du?“ Alle blickten verwundert zu Kirika. Sie stand mit vor sich gefalteten Händen vor dem Fenster, suchte mit den Augen den Boden zwischen ihren Füßen und dem Bett ab. „Eine... echte Assoziation?“ „Ja... das wäre sehr hilfreich, wirklich.“ Er versuchte, im Winkel ihre Augen zu erwischen, hoffte, sein erwartungsvoller Blick würde ihr Herz schneller erreichen. „Ich hätte zwei für dich.“ Gleich zwei! Das übertraf sogar die Erwartungen von Ai und dem Professor. „Die eine... ist die Ursache deiner Detektiv-Spiele. Dein Vorbild auf diesem Gebiet. Sherlock Holmes. Du verehrst ihn.“ „Wenn man das Unmögliche eliminiert hat... ist das was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es klingt, die Wahrheit.“ Fast monoton, aber selbst erkennend, ratterte er den Text durch, der wie auf einen Schalter hin ihm auf die Zunge kam, als der Name Sherlock Holmes fiel. „Du hast recht!“, schrie er förmlich heraus, als ihm klar wurde, dass eine weitere Assoziation gerade aus seinem Unterbewusstsein gelöst wurde. „Und natürlich, die Organisation ist schon recht unwahrscheinlich, aber im Vergleich zu den meisten anderen, die mir vorhin im Kopf rum spukten, wenigstens noch möglich.“ Kirika musste kurz schmunzeln. 'Da irrst du, Conan... die Organisation ist möglich. Das Apoptoxin hingegen... das ist eine unmögliche Sache. Und ob du die schlussfolgern kannst... da bin ich echt gespannt.' Sie freute sich innerlich irgendwie, ohne es recht bemerkt zu haben. Die Art, wie Conan in seiner Situation das Problem löste, sich selbst zu erkennen, und wie weit er damit kam, es machte sie glücklich... es schenkte ihr Hoffnung. Und diese Hoffnung hatte die Belohnung, welche ihre Assoziationen darstellten, redlich verdient. Einmal tief einatmend sah sie auf. Ihr Blick hatte etwas fast schläfriges, durchschauend und darüber lächelndes angenommen. Es ließ ihn und die beiden anderen im Zimmer verstummen. Angst überkam Ai wieder. 'Sie wird doch nicht... als zweites „Noir“ sagen?! Bitte nur das nicht.' „Die zweite Assoziation... kennst du eigentlich bereits, Conan.“ Auch er musste nun schlucken, sein Inneres zitterte mit einem mal heftig. Es lag etwas in der Luft, das als Vorahnung getarnt war. „Die zweite Assoziation ist... Ran Mori.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)