Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 22: Sinnlose Rettung ---------------------------- Hallo liebe Leser, ich hoffe, euch hat die Aufklärung zum Künstlerfall beim letzten Mal gefallen.^^ Diese Methode mit dem ständigen Wechsel der Szene war mal eine etwas andere Art, die aber dramaturgisch einfach besser war, angesichts des Umfangs des Falles. Auf jeden Fall bedanke ich mich ganz herzlich einmal mehr bei den fleißigen Kommi-Schreibern. Vielen lieben Dank. Ich bin wirklich über diese Zustimmung mehr als begeistert. ^__________^ Wie ihr seht, es wird diesmal nur bedingt kürzer. ;ppp Denn es wurde ja noch nicht geklärt, wo nun Rita Hayworths zweites Poster hängt, nicht wahr? Und glaubt mir, diese Analogie wird sich als sehr genau herausstellen... Und vielleicht müsst ihr euch diesmal noch ein wenig zurück erinnern... nicht viel, nur ans erste Kapitel der FF (Nicht den Prolog, keine Angst, nur das erste Kapitel). XPPPPPPPPPP Mehr sage ich mal noch nicht vorweg, ihr werdet es ja lesen. Also viel Spaß mit diesem Kapitel und dann bis nächste Woche. LG, Diracdet^^ _____________________________________________________________________________ Kapitel 22: Sinnlose Rettung „Sind Sie nicht der bekannte Fotokünstler, Daijo Hino?“ Das Lächeln Kirikas verwirrte den Fotographen noch mehr als Conans ungewöhnlicher Ausdruck. Hinos Blick war über die Jahre und seine Arbeit mit Bildern eigentlich geschärft genug, um das zu erkennen. 'Es ist falsch. Dieses Lächeln... ist einfach falsch. Im Gegenteil, ihre Augen strahlen nur Kälte aus... Kälte... und Angst?' Er schluckte heftig, die Situation schien ihn zu überrumpeln, hatte man ihm doch vor Kurzem erst gesagt, Conan liege noch mindestens bis heute Abend im Koma. Dann dieses komische Verhör, die erneute Erinnerung an sein berüchtigtes Foto von vor gut einem Jahr, die unruhige Nacht nach dem Bild des halbtoten Jungen... er wollte jetzt einfach nur mal etwas frische Luft schnappen und seine Gedanken neu ordnen. Und nun... gut, es war zwar aufgrund der Lage eine wenig befahrene Straße, aber dennoch, wo, wenn nicht hier sollte mal ein Auto vorbeikommen? Aber dieses Auto warf ihn auf besondere Weise aus der Bahn. Eben jener Junge, der eigentlich noch schlafen sollte – und mit diesen leeren Augen, als würde er ihn von gestern nicht wieder erkennen... Und mehr noch diese merkwürdige Frau... diese Frau, die ihm mit ihrem bloßen Blick einen Schauer über den Rücken jagte. „Äh... ja... ja, der bin ich. Conan hat Ihnen mich schon vorgestellt?“ Als der Blick des Jungen daraufhin nur noch skeptischer wurde, noch unwissender, überkam den Künstler ein leichtes Angstgefühl. „C-Conan? Was ist denn, ich bin es, Daijo Hino. Der, den du gestern Löcher in den Bauch gefragt hast.“ Auf diese Antwort hin zeichnete sich schon eine Reaktion ab auf Conans Gesicht, eine abweisende, leicht finstere. „Was... was ist...?“ „Wir würden gerne zum Schloss Kunieda, sind wir hier richtig?“, durchschnitt Kirika, als hätte sie gar nichts vom Blickkontakt der beiden mitbekommen, jeden roten Faden mit einem kecken Lächeln, als könne sie keiner Fliege was zu Leide tun. Auch Conan musste jetzt schlucken. Sie log, definitiv. Sie war doch offiziell erst vor nicht allzu langer Zeit aus Frankreich nach Japan gekommen, hatte sie selber gesagt. Das hieß, dass sie einen kleinen, höchstens mittelmäßig bekannten Fotokünstler kennt, schien reichlich unrealistisch. Hinzu kam, wenn sie ihn kannte, wusste sie auch, dass er auf diesem Schloss lebte und damit natürlich auch, dass allein ihn anzutreffen ein sicheres Zeichen war, dass sie auf dem richtigen Weg waren. 'Überhaupt...', kam ihm jetzt in den Sinn, 'Wir hatten im Krankenhaus doch gar nicht erwähnt, wo genau ich den Unfall hatte und ob Ran ihr das so deutlich gesagt hatte vorher... unwahrscheinlich, so, wie sie sich anfangs wegen meiner Amnesie benahm, glaube ich eher, dass sie draußen deswegen ziemlich... heftig reagieren und wenig anderes an sich ranlassen würde... Also wieso kennt sie das Schloss, und auch die Künstler? Wer ist sie... wirklich?' Angesichts der Gedanken, die er sich über seine Vergangenheit machte und die Schlüsse, die ihm dabei kamen, glaubte er langsam sie zu verstehen, und doch, nun war alles wieder anders. Nun wusste allerdings sie nicht mehr deshalb so viel über ihn, weil sie sich kannten... sie kannte ihn... als ob sie ihm nachspionierte... „Äh... ja... sicher, ich komme doch gerade da her. Dieser Weg führt nur zum Schloss. Noch ein Kilometer etwa.“ Sollte das gespielte Unwissenheit sein? Conan musste mit einem Mal schlucken: Kirika wusste ja auch nichts über den Mordfall! Und dieser Fotokünstler, wenn er aus dem Schloss kam... war womöglich der Mörder! „Sollen wir Sie vielleicht mitnehmen zurück zum Schloss, wenn es eh noch ein Kilometer ist?“ 'Schock, sie weiß es wirklich nicht!!' Conan wurde direkt mulmig, als er in die leicht verängstigten Augen Hinos blickte. Wovor hatte der Angst? Es konnte doch fast nur sein, dass er Conan fürchtete... dass dieser ihn verriet... oder nicht? Das ungute Gefühl, welches den Jungen seit einigen Minuten quälte... es wollte einfach nicht weniger werden. Und Herr Hino schien zögerlich zu überlegen, mit einzusteigen. Schließlich zog er Kirika am Arm, dass sie sich zu ihm umdrehte und er ihr andeutete, den Künstler nicht mitzunehmen. „Was hat er denn?“ „Conan? Oh er hat sich bei dem Sturz von der Treppe leider doch stärker verletzt, als gehofft. Steigen Sie ein, wir erklären es Ihnen unterwegs. ... Ach so... Conan wollte wissen, ob Sie ein Mörder sind?“ Beide, der Junge wie der Künstler, waren für einen Moment leichenblass nach hinten gekippt, Kirika nahm überhaupt keine Rücksicht auf sie. Sie... sie... sprach einfach aus, was die Anderen dachten und wie es war. In zweierlei Hinsicht war das beeindruckend. Dass sie zum Einen so viel wusste, was ihr niemand hätte erzählen können. Woher wusste sie von der Treppe, von dem Mordversuch, von Hino, Kunieda...? Und zum Anderen, dass sie es einfach hinnahm und offen darüber redete. Das war quasi absurd. Jede Form höheren... 'geheimen' Wissens assoziierte man doch mit... nun ja, Geheimnissen, mit Verschwiegenheit. Sie aber offenbar in diesem Fall nicht, was Conan umso mehr zu der Frage brachte, warum sie ihm etwas vorenthielt was seine Vergangenheit anging. Selektiv differenzierte und manche bedeutsamen Dinge ausließ und andere quasi als unbedeutend ausplauderte... Woher kam ihm das nur bekannt vor? Es war als hätte er das schon mal erlebt, vor nicht all zu langer Zeit. Eine Person, die ihm sein Unterbewusstsein nur schemenhaft, als Silhouette darstellte, vermutlich ein Mann, der auf ähnliche Weise geredet hatte. War das... die Macht der Soldats, von der sie im Krankenhaus gesprochen hatte? Letztlich war die Reaktion Hinos fast erzwungen. 'Er hat sich doch stärker verletzt als gehofft. Ich erkläre es Ihnen unterwegs.' Da würde jeder neugierig werden, egal ob er etwas damit zu tun hatte, oder nicht. Gleichzeitig vermittelte sie den Eindruck, ihm nichts Böses zuzutrauen... was die Frage nach dem Mörder zu einem geschmacklosen Scherz degradierte. Und genau so nahm er ihn auch wahr, lächelte verlegen, als würde er es lustig finden, als hätte Conan nur Angst vor dem großen bösen Mann, den er verkörperte. Der gestern auch leicht frustriert reagierte, als ihn Conan dauernd mit Fragen zum Fischfoto löcherte. Schließlich willigte er ein, nahm auf dem Rücksitz hinter Conan Platz, und nahm nur noch wahr, wie die Augen beider Vorderleute ihn eindringlich musterten. Conan war gar nicht wohl bei dem Gedanken, wer da hinter ihm sein könnte... Und mit einem Mal schien auch Kirika dies ernst zu nehmen, fixierte seine Bewegungen im Rückspiegel messerscharf mit Augen, die plötzlich wie die eines Adlers wirkten, der sein Ziel aus der Luft anvisierten. Mit wachen, traurigen Augen beobachtete Hino den kleinen Jungen, nachdem ihm Kirika erklärt hatte, was sich nach seinem Aufwachen – welches überraschenderweise kurz nach dem Verlassen des Krankenhauses von Ran und den Anderen eintrat – herausstellte. Dass die Gehirnerschütterung durch den Sturz ihm sein Gedächtnis genommen hatte und er ihn deswegen nicht wieder erkannte. Lediglich der Rat des Arztes, die letzten Erlebnisse vor dem Unfall zu rekapitulieren, vor allem auch die Treppe, um mögliche Traumata zu vermeiden, brachte ihn erneut, mit einer Freundin, Kirika Yuumura, wieder her. Den Mord, von dem sie eigentlich nichts wissen durfte, ließ sie auch aus, und alles andere formulierte sie so schwammig, dass Hino es ohne weiteres mit den Aussagen von Ran und den Anderen in Einklang bringen konnte und durch Erklärungsfetzen diese Aussagen in ihrer Quintessenz auch Conan und ihr wiedergab. Ein in sich geschlossenes System, welches jedweden Verdacht, den er gegen Conan, Herrn Mori und Heiji Hattori erhob, zerschlug. Zu geübt war er im Interpretieren von Augen und Gesichtsausdrücken, als dass ihm Conan da etwas vorspielen könnte. 'Seine Geradlinigkeit, die Zielstrebigkeit und Präzision, die sich gestern in seinen Augen widerspiegelte, ist vollkommen weggeblasen und einer undefinierbaren Leere gewichen.' Der Junge selbst konnte sie wohl nicht mal richtig deuten und die Amnesie schien die mit Abstand sinnigste Erklärung. Dann war da aber noch... Kirika Yuumura. 'Nie zuvor habe ich solche Augen gesehen! Als ob sie die tiefsten Tiefen und höchsten Höhen menschlicher Existenz bereits zur Genüge gesehen hätte, und sich seitdem daran weder erfreut, noch in irgendeiner Form... davon fasziniert ist. Und um das zu übertünchen dieses falsche Lächeln, das fast nur auf... Amüsement zurück zu führen ist. Als ob sie... als ob sie belächelt, was wir Sterblichen hier tun. Sie steht über den Dingen, ganz darüber... ohne das im Geringsten zeigen zu wollen. Merkwürdig.' Conan beschäftigten drei Probleme im Moment. Das eine war eine Neubewertung der Situation. Er hatte Kirika bis zu diesem Augenblick vertraut. Und das nicht ohne Grund, weniger aus Intuition, nein. Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, wenn auch nicht die volle. Sie wusste viel, sie kannte seine Vergangenheit. Was er gerade enträtselte, war für sie ein offenes Buch, in dem sie blättern konnte, vielleicht mit ein paar Abstrichen bei seinen jüngeren Gedanken, kurz vor dem Treppensturz. Nicht, dass ihm diese Gedanken irgendwie bekannt wären oder er sie nutzen könnte, um ihr gegenüber einen Vorteil zu haben. Daher gab es wohl nichts, was er im Moment wusste, was sie nicht besser wusste. Nun aber log sie, in mehrerlei Hinsicht. Sie schien seine Aktionen genauer zu kennen, zu wissen, was er tat, obwohl sie, gerade sie, es nicht wissen konnte. Sie log, für jemanden, der es wusste, offen und frei heraus. Machte das all ihre Aussagen von vorher zunichte? War alles nur Illusion und er musste ganz von vorne wieder anfangen, sich zu verstehen? Eigentlich nicht, denn ihm selbst kamen sie unterschwellig bekannt vor, diese Assoziationen, sie ergaben Sinn, bis zu dem gewissen Grad, den er im Auto ansprach. Er konnte einfach kein Kind sein. Da lag ein grundsätzliches Problem, nämlich, dass Ran ihn nicht erkannte, als sie sich trafen. Es passte auf perfide Weise, überlegte man sich, was seine Vergangenheit scheinbar war, als großes Konstrukt zusammen, wenn auch diesem noch einige Lücken anhafteten. Es musste... einfach die Wahrheit sein. Hinzu kam nun der erste der Künstler, dem wohl gleich die zwei anderen folgen würden. Dem Anschein nach hatten ja Heiji und Herr Mori den Fall noch nicht gelöst, als Herr Hino das Schloss verließ, sonst hätte er ihnen mittlerweile davon erzählt. Was würde er dort vorfinden? War es wirklich so klug, dahin zu fahren, wegen Ran? Er durchbrach damit alle Pläne der Detektive, auch wenn Kirikas Geschichte sich durchaus in das Bild einfügen würde... Aber dennoch ist da der wahre Täter noch irgendwo im Schloss... zumindest höchst wahrscheinlich. Aber das alles lief nur nebenbei in seinem Kopf ab, etwas anderes störte die Konzentration, seit geraumer Zeit, noch bevor Hino einstieg. Ein komisches Gefühl. Eine innere Unruhe, Vorahnung... Angst vor einem kommenden Ereignis. Etwas völlig unbestimmtes, dem er nichts Richtiges abgewinnen konnte. War doch etwas passiert? Mit Ran womöglich? Ihr Mitfahrer machte nicht den Eindruck als ob dem so wäre, er war aber sicher auch schon eine Weile draußen, vielleicht zwischendurch. Irgendetwas... aber so unbestimmt, dass Conan es einfach nicht einordnen, nicht fassen konnte. 'Ob es mein Alter Ego könnte?' Augenblicklich kam er zum dritten Grund für seine abschweifende Haltung. Das wollte er eigentlich noch mit Kirika klären, bevor sie zum Schloss kamen, aber dann kam die huckelige Straße, die seiner Verletzung nicht gut tat, das mulmige Gefühl und nun Daijo Hino dazwischen. Wer... wer war er denn nun... wirklich? Er war so weit zu sagen, er sei kein Kind, verbunden mit einer gewissen Assoziation zu Ran. Aber wer war denn nun diese erwachsene Person, aus der irgendwann Conan Edogawa entstand, und wie? Zunächst dachte er, dass dies für ihn eine unbeantwortbare Frage wäre, weil er einfach keinen Anhaltspunkt besaß, das stimmte jedoch nur fast. Ganz am Anfang, kurz, nachdem er aufgewacht war und mit dem Mordaspekt konfrontiert wurde... da gab es diesen einen Moment. Heiji wollte sagen, dass Conan sich keine Gedanken mehr darum machen müsste, weil er, der 'Detektiv des Westens', sich darum kümmern würde. Eine Aussage, die ihn damals stutzig machte, weil Tokio eher den Osten Japans bezeichnete. Die Frage nach dem Pendant zu Heiji Hattori wäre da beinahe abgewürgt worden, weil der Arzt, Dr. Asunaja, so beeindruckt von Conans Schlussfolgerungen war. Merkwürdig beeindruckt, wie ihm im Nachhinein auffiel. Aber er bekam eine Antwort... von Ai. Der Detektiv des Ostens sei gerade mit einem größeren Fall beschäftigt und deshalb nicht erreichbar. Konnte das eine ironische Umschreibung sein für... Der Detektiv des Ostens war mit einem größeren Fall beschäftigt, hat sich da in Schwierigkeiten gebracht, und versteckte sich... durch welchen Zaubertrick auch immer, im Körper eines Kindes... Und ach ja, das Kind bist du, Conan, aber verrat's keinem, ja? Es war insofern weit her geholt, als das alles nur Spekulation war, ein Beispiel für die Möglichkeiten, die es gab, wenn auch ein fruchtbares. 'Da war vor allem noch der Punkt, dass Ai meinte... er und Ran seien befreundet, worauf hin Ran auch so merkwürdig guckte... Schon allein bei der Nennung 'Detektiv des Ostens', starrten sie komisch. Kann natürlich einfach der Schlussfolgerung an sich geschuldet sein... Obwohl eigentlich auch wieder nicht, wenn diese Leute wussten oder auch nur ahnten, was ich als Conan Edogawa drauf hatte, dann wäre so etwas doch relativ harmlos. Außer... ich hab zufällig tatsächlich gerade auf mich verwiesen...' Er musste sich ein sarkastisches Schmunzeln verkneifen. Ja, wenn er sich selbst damit meinte, war der Satz für jeden, der ihn verstand, wirklich ein Meisterstück an Ironie. Ein Wunder, dass keiner lachte. Der Name dieses Detektivs, obwohl nur ein einziges Mal genannt, blieb ihm jedenfalls hängen, was er auch als auffälliges Zeichen sah. Der Name rief keine so abweisende Reaktion vor wie Conan Edogawa. 'Shinichi Kudo. Ob das mein... richtiger Name ist?' Weiter als bis zu dieser Frage kam er aber nicht, wegen besagter Störungen. Das Gefühl wurde mit Erreichen des Schlosses, welches sich ruhig in die Landschaft einordnete und im Moment mehr eine düstere, alle Laute verschlingende Aura von sich gab, unerträglich. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Und er sollte sich nicht so viel Zeit lassen, es herauszufinden, so viel stand fest. „Könnten... könnten wir uns etwas... beeilen?“, brachte er zögerlich hervor, unwissend, wie er es sonst formulieren sollte, da er keinen wirklichen Hinweis hatte. „Ganz ruhig, kleiner Mann.“, versuchte Hino, als er sich aus dem Wagen zwängte, zu besänftigen. „Deine Vergangenheit läuft dir schon nicht weg. Siehst du, Herrn Moris Wagen ist auch noch da, also alles in Ordnung.“ „Hallo, Katsui, Seijiro? Herr Mori, Heiji?“ Keine Antwort. „Ist keiner da?“, rief er etwas lauter, als sie die Eingangshalle passiert hatten und im Wohnzimmer standen, das ebenso gähnende Leere bot. „Merkwürdig, ob die beim Hügel sind?“ „Wohl kaum, Rans Schuhe standen im Eingangsbereich.“, konterte Kirika trocken. „Ich hab die ganze Gruppe ja vorhin noch im Krankenhaus gesehen, samt ihrer Schuhe, ihre sind die einzigen, die ich auch im Flurbereich fand, die anderen kannte ich nicht.“ „Äh... welcher Hügel?“ „Ach ja, du weißt es nicht mehr. Der große Erdhügel, mitten im Wald, den Atsushiro Tashija, unser verschwundener Kollege vor ungefähr einem Jahr entdeckte. Heiji Hattori wirkte sehr interessiert daran. Aber... wir wissen alle, wo der Hügel ist und können den Weg auch beschreiben. Selbst wenn nicht, mehr als einer muss sie doch nicht dahin begleiten. Und das wäre vermutlich Seijiro, unser Maler, da Katsui nicht unbedingt gerne 'Touristengruppen', wie er es nennt, betreut.“ Nachdenklich fasste er sich ans Kinn. 'Warum sollten alle jetzt weg sein?' „Was ist denn das für eine Treppe, Herr Hino?“ Conan hatte dem Mann kräftig am Hosenbein zerren müssen, bevor dieser aus seinen Gedanken aufschaute, und selbst eine Erleuchtung hatte. „Ach ja, die Kellergalerie. Da, wo wir unsere früheren Werke ausstellen. Katsui wollte heute Nachmittag da unten arbeiten, ich erinnere mich. Und da unten herrscht guter Lärmschutz, er wird uns wohl einfach nicht gehört haben. Gehen wir mal nachsehen, ob er genaueres weiß.“ Nach unten klang gut in Conans Ohren. Etwas zog ihn nach unten, etwas mit diesem Gefühl. Und mehr hatte er ja leider nicht. Sein eklatanter Fehler war, dass er vom Fall praktisch nichts wusste, auch wenn dessen womöglich ganze Aufklärung in den Tiefen seines Unterbewusstseins ruhte. Er hätte schon im Krankenhaus fragen sollen, aber das hatte Heiji mit eiligen Plänen unterbunden. Hier war nun keiner, außer Herrn Hino, der aber noch nichts über den Fall erfahren sollte, und Kirika, die zwar scheinbar etwas wusste, aber nichts verriet. Es blieb ihm wirklich nur das Gefühl, das ihn seit geraumer Zeit quälend voran trieb. Zum Schloss selbst, und nun in den Keller. Und mit jedem Schritt, erst recht nach der Feststellung, welche Schuhe noch da waren, war er überzeugter, es hatte mit Ran zu tun. Der Person... für die er vor seiner Amnesie... vielleicht... Die längliche Treppe führte die drei tief in den dunklen Bereich des Schlosses, in denen auch Kirika und Conan einmal mehr erstaunt wirkten. „Reichlich dunkel, für ne Galerie.“, stellte Kirika kühl fest. „Die Räume sind ja auch dahinten, das hier ist nur ein Vorflur.“ „Aber ist das ein Grund für diese Dunkelheit, ein bisschen mehr Licht wäre doch echt nicht das Problem hier drinne, oder?“ „Nun ja, wir haben uns dran gewöhnt, und... notwendig finde ich es nicht. Hey... Katsui, bist du da?“ Er rief etwas gedämpfter, so abdichtend waren die Türen selbst nicht mehr, der Korridor der Treppe schluckte mehr Lautstärke. Doch unerwarteterweise bekam er auch diesmal keine Antwort, und fand die Tür beim Aufschließen... offen vor! „Was... was geht hier vor sich? Wieso ist die Tür offen?“ Allmählich gingen Conan und Kirika ein Licht auf, was passiert war. „Alle im Schloss Anwesenden sind durch irgendein Ereignis überstürzt aufgebrochen, haben quasi alles stehen und liegen lassen. Nur... Ran offenbar nicht.“ „Aber wieso finden wir sie dann nicht?“ Die Stimme des Mannes wurde leise, die bösen Vorahnungen der anderen beiden übertrugen sich nun auf ihn. „Dass sie verschwunden ist... auf die gleiche Weise, wie Herr Tashija.“ Sie waren hier richtig, daran bestand für Conan keinerlei Zweifel. Die zweite offene Tür, zur anderen Galerie bedeutete, dass hier unten auch gesucht wurde bereits, wenn auch ohne Erfolg. 'Verdammt! Was...' Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, ging sein Blick Richtung Treppenaufgang und fing den berühmt berüchtigten Vorleger ein. „Was ist das?“ Er deutete mit skeptischen Blick auf das große Stück alter Webkunst. „Oh man, könnt ihr Detektive endlich mal den blöden Teppich in Ruhe lassen?“ Hino fasste sich an die Stirn, spürte leichten Schweiß darauf. „Wieso... lassen?“ „Man, seit einer Woche wurde dieser Teppich bereits dreimal umgedreht, durchgeschüttelt, untersucht... Die Polizei vor einer Woche, Herr Mori gestern, wobei du übrigens sehr aufmerksam zugeguckt hast, und heute auch Heiji! Was habt ihr nur damit? Da ist nichts drunter, hier!“ Wütend stapfte er an ihnen Vorbei, riss den Teppich mit großem Ruck um, rollte ihn zusammen und stellte ihn an die Seite. „Wollt ihr rüber gehen, und nach Falltüren suchen, bitte schön, sagt Bescheid, wenn ihr was habt! Ich würde aber gerne Ran suchen, wenn sie tatsächlich verschwunden sein sollte.“ „Aber sie ist hier irgendwo verschwunden.“, gab Conan leise, aber bestimmt zurück, während er sich auf dem Boden unter dem Teppich zu schaffen machte, sehr zur Verärgerung des Künstlers. Ein Blick zu Kirikas ruhigem, unbeteiligten, neutralen Ausdruck aber ließ auch ihn seinen Blutdruck senken. „Da... da ist nichts, Conan. Du findest da auch nichts, wenn die anderen nichts fanden.“ Er wusste, dass dieser Gedanke Hinos richtig war. Wenn man eines weder der Polizei noch einem guten Detektiv vorwerfen konnte, unabhängig von seinen Fähigkeiten der Fallaufklärung, dann Schlampigkeit bei klaren Zielen. Akribie war ein Markenzeichen der modernen Gesetzeshüter und eine Notwendigkeit für freiberufliche Kriminologen. Er musste nachdenken. „Wir sind hier im Keller... es gibt die Galerien, zu denen alle Zutritt haben, mit sicherlich einigen Besuchern ab und zu... eigentlich sehr ungeeignet. Und dann hier den Vorflur... in dem es nichts gibt... außer diesen Teppich.“ Stirnrunzelnd ließ er sich auf dem harten Holzpanelen-Boden nieder, stützte sein Kinn auf den rechten Arm und diesen wiederum auf die gefalteten Knie. „Nichts... außer dem Teppich... nichts außer dem Teppich.“ Immer und immer wieder säuselte er diese Worte vor sich hin, suchte nach dem Sinn, und drehte sich doch nur im Kreis. „Es ist nichts da, außer ihm.“ Herr Hino, der hinter ihm auf der Treppe stand, setzte sich langsam runter und sah ihn von hinten an. „Wieso... seid ihr alle so fixiert darauf?“, fragte er zögerlich nach? „Hm?“ „Naja, OK, da ist ein Teppich, der hier wohl eher überflüssig ist, aber warum interessiert dass euch, dich, die Polizei, und auch die Detektive so sehr? Ich bin Künstler, darum bilde ich mir nicht ein, so wie ihr denken zu können. Du aber hast auch solche Ansätze von einem Detektiv, das fiel mir schon gestern auf. Aber ich verstehe es eben nicht.“ „Seine Existenz, Herr Hino. Er ist da, wie sie sagten, ohne notwendig zu sein. Eine Auffälligkeit, eine Unregelmäßigkeit. Das begründet einen Fall. Wäre alles 'normal', ohne Abweichungen, dann könnte es doch keinen Fall geben, weil dieser sich durch die Abweichung definiert. Der Teppich ist eine solche Abweichung, und nebenbei die einzige hier. Also hat er einen Grund. Das ist unser einziger Hinweis.“ „Warum?“ „Warum... Was?“ Er drehte sich um, sah dem Mann mit der Brille tief in die Augen. „Warum... nur weil er parallel zu Atsushiros Verschwinden da ist, sollte er Teil des Falles sein? Warum muss alles einen Grund haben, was auch ohne ginge? Warum... ist der Teppich nicht einfach da, und der Fall... etwas ganz anderes?“ „Etwas... ganz... anderes?“ „Genau... ich meine...“ Doch er kam nicht weiter, weil Conan aufsprang und nach oben starrte. „Das Licht... es ist so wenig, dass man kaum was auf dem Boden erkennen kann! Und der Teppich ist das Einzige, was hier nicht hingehört.“ Wie ein Geistesblitz durchfuhr ihn die Erkenntnis. Ja, jetzt konnte er sich ganz sicher sein, dass sein früheres Leben aus Detektivarbeit bestand. „Natürlich. das heißt, der Teppich... ist nicht das eigentliche Versteck. Es ist... einfach eine Ablenkung. Hier ist irgendwo etwas, ein Eingang vielleicht eine Falltür wie Sie sagten, Herr Hino, die aber wegen dem Teppich einem einfach nicht auffällt.“ „Moment mal Conan...“, unterbrach ihn Kirika, „...so schlecht ist das Licht nun aber auch nicht, dass man eine Falltür oder ähnliches hier nicht erkennen würde.“ „Eine Falltür nicht...“ „Aber eine ansonsten augenscheinliche Tarnung geht bei dem Licht schon unter!“, vervollständigte Hino, den die Erkenntnis auch traf. „Natürlich, bei solchen Lichtverhältnissen würde man vieles einfach nicht erkennen, was normalerweise offensichtlich nicht passt.“ Damit kniete auch er sich hin, und fühlte mit den Händen den Boden ab. „Wobei... in einem Schloss von Künstlern wäre das naheliegendste wohl einfach... HIER!“, schrie er förmlich aus, als er etwa fünf Meter vom eigentlichen Liegeort des Teppichs, an der Seite, wo niemand lang gehen würde, fündig wurde! Augenblicklich kamen Kirika und Conan angerannt und betrachteten... „Was... ist denn hier?“ „Man sieht es nicht, schon gar nicht bei so bescheidenem Licht. Aber man fühlt es, es ist eine ganz dünne Stoffschicht, die bemalt wurde. Und zwar in den Farben und den Form der umliegenden Holzpanelen. Bei normalem Licht auch schwer zu erkennen, aber durchaus möglich, aber hier... undenkbar, wenn man nicht danach sucht.“ Er zog vorsichtig am Rand das unten mit dünnen Klebeblättchen locker festgemachte Stoffstück ab. Nur um darunter die praktisch identische Sicht auf Panelen zu bekommen. Beinahe identisch, bis auf die deutlich sichtbaren Rillen, die rechteckig durchführten, und das kleine Loch, zum Hineinfassen. „Ein Eingang in einen geheimen zweiten Keller?“ „Ja, da, wo man ihn nicht erwartet, gerade weil alles da ist, was man erwartet, nämlich nichts. Wie Sie selber sagten, es ist einfach anders, als man bei einem Detektiv denken würde.“ Conans Zuversicht über diesen Erfolg war getrübt von dem immer stärker werdenden Gefühl, dass er sich beeilen müsste. „Schnell, wir müssen sehen, wohin der Weg führt!“ Hino griff in das Loch, wollte die Tür öffnen, blieb aber stecken. „Verdammt, es klemmt! Ach... nein, es klemmt nicht, es ist von der anderen Seite zu... da ist ein Widerstand, vielleicht ein Schloss oder so, es klingt metallisch. Man kann einen Zentimeter vielleicht anheben, dann bleibt es stecken.“ 'Nein! Nein, nein, nein, wir können doch jetzt nicht so dran scheitern... Ran!' Er beugte sich mit vor, wollte Hino helfen, auch wenn seine bescheidene Kraft wenig daran änderte. Und wenn es wirklich ein Schloss war, dass dort ihnen im Weg war, würden sie auch zu dritt nichts erreichen... „Geht aus dem Weg!“, kam es ohne jede Emotion auf einmal von hinten, von Kirika. Beide wollten sich gerade entnervt umdrehen, blickten dann aber mitten in den Lauf einer Pistole, und schraken zurück. Hino noch einen Schritt weiter als Conan, krabbelte rücklinks mehrere Schritte zur Seite, besah sich den Blick der jungen Frau. Er war kalt, eiskalt... der Tod in Person stand da vor ihnen. Und was oder wen auch immer ihr verlängerter Arm mit der Beretta traf... es wäre ihr... egal. „W-wer... wer zum Geier sind Sie?!“ Aber sie antwortete nicht, sondern richtete die Pistole nur schweigend auf das Loch in der Falltür. „Waah, sind Sie wahnsinnig, wenn die Kugel vom Schloss abprallt, wird sie in diesen Raum zurück reflektiert und...“ „Meine Kugeln bestehen aus einer weichen Bleilegierung. Diese kommt durch das Holz durch, wird aber am Schloss zerstört. Außerdem kommt es nur auf den Winkel an, wie die Kugel das Schloss trifft, um es zu öffnen. Das ist einfach.“ „Einfach?! Das ist Milimeterarbeit, ein Grad daneben und einer von uns ist tot! Stopp, ich rufe die Polizei... ich...“ Aber ihr Blick ließ ihn verstummen. Er sagte aus, dass er sie gerade bei der Arbeit störe, und sie das entsprechend mit einer weiteren Kugel beantworten würde, sollte er weiter machen. Daraufhin ergriff er panisch die Flucht nach oben und ließ sie mit Conan alleine zurück. Der Junge schluckte heftig, beobachtete die Pistole und die Frau, die sie hielt. Ihr Blick war nicht nur kalt, er war auch beängstigend selbstsicher. Sie war eine ganz andere Person als vorher. „Wer... wer sind Sie... wirklich?“ Er bemerkte selbst erst ein paar Sekunden später, dass er sie mit 'Sie' anredete in diesem Moment. Sie war einfach nicht die Person, die er kennen gelernt hatte, zumindest dachte er das. Sie hatte sich entfremdet. Ihre Blickrichtung änderte sich nicht, sie sah ihn nicht an. „Du weißt, dass ich die Antwort auf diese Frage nicht kenne, Conan! Ich habe meine Identität vergessen. Und du weißt... wie ich mich nenne. Wer bin ich, Conan?“ Sie löste einen Arm von der Pistole, so dass sie nur mit dem rechten diese auf das Schloss ausrichtete, aufrecht stehend, aus einem Meter Entfernung, so das Conan sie in der ganzen Statue von der Seite sehen konnte. Ein Bild, das er in seinem Unterbewusstsein gespeichert hatte und das in diesem Augenblick hoch kam. „Du... bist... Noir!“ „Ja.“ In dem ewig andauernden Bruchteil einer Sekunde der zwischen diesem Wort und dem Schuss verging, wurde ihm die Bedeutung dieses Namens klar. Sie war eine Mörderin. Sie war... sein Feind denn er war Detektiv. Sie war das genaue Gegenteil von ihm, von seinen Zielen, seinen Idealen... und doch vertraute er ihr bis eben. Und sie war nicht einfach Mörderin... sie war Noir, eine Profikillerin! Nein... nicht einfach eine Profikillerin, der beste Auftragsmörder, den es auf der Welt gan. Und offenbar auch eine der besten Scharfschützen der Welt. Dem ohrenbetäubenden Schuss folgte unmittelbar das krachende Zerspringen des eisernen Schlosses unter der Tür und Kirika hob, ohne zu ihm zu schauen, die Tür hoch. „Du... bist... eine Mörderin.“ „Du solltest jetzt gehen, Conan.“ „Du...!“ „Willst du Ran retten?“ Er stockte. 'Ran!' „Ich habe eben, parallel zum Schuss, eine Art... Platschen gehört, als fiele etwas ins Wasser. Du solltest dich beeilen, wenn du sie retten willst.“ „Was?“ Er blickte noch eine Sekunde zu ihr, sah wie ihr Blick etwas an Kälte verlor, einem Anflug von Traurigkeit wich. Dann sprang er, ohne weiter nachzudenken, in das tiefe Loch und lief in die eine Richtung, die der Gang nur kannte. Kirika stand einen Moment da, blickte sich um, und folgte dann mit etwas Abstand. Der Gang war für seine kindlichen Verhältnisse groß, aber für Erwachsene definitiv eng. Dennoch konnte er sich relativ schnell vorwärts bewegen, lief immer geradeaus, vielleicht 30 Meter über unwegsames Gelände, auf ein undeutliches Licht zu, welches sich ihm zu erkennen gab. „Ran? Ran! RAN!!!“ Aber keine Reaktion, lediglich das Geräusch leise fließenden Wassers, welches sich in einer Art unterirdischen Grotte gesammelt zu haben schien. Kirika sah ihn laufen, konnte aber in dem Tempo nicht hinterher, also blieb sie ruhig und suchte bestimmt ihren Weg. Plötzlich blieb sie stehen, als ein kleines Geräusch sie zur Obacht rief. 'So ist das...' Das Licht stellte sich als eine künstliche Lichtquelle in einer hallengroßen Höhle, welche merkwürdige Maschinerie, die er nicht wirklich einordnen konnte, beherbergte, heraus. Metallische Gerüche und Farbdämpfe sammelten sich in der Luft, hier wurde eine kleinere bis mittlere Industrie betrieben, etwas hergestellt, nur was? 'Keine Zeit, Ran ist wichtiger!' Er hörte das Wasser, suchte die Quelle, und fand die kleine Grotte, etwas seitlich vom Eingang zur großen Höhle. Am hinteren Ende war ein kleiner Durchfluss, aus dem das Wasser wohl entkommen konnte... „Das Wasser!“ In der Mitte der Grotte fand er ein kleines, umgekipptes Boot, unereichbar, ohne zu schwimmen, und daneben zerbrochene Paddel... und. 'Ein paar Luftblasen!' Man musste schon gut hinsehen, aber da stiegen kontinuierlich kleine Luftblasen auf, etwa einen Meter abseits des Bootes. 'Es... tut mir Leid... Conan... Shinichi!' Ihre Luft war fast am Ende und sie meinte, bereits zu haluzinieren, denn ein Schatten schien sich im Wasser in ihre Richtung zu bewegen. Aber dann wurde der Schatten größer, bekam immer konkretere Strukturen, wurde deutlicher und dunkler. 'Was... was ist das?' Ihre Augen weiteten sich als sie die Kontur erahnte, und dann auch der Brille gewahr wurde, die das Licht, das bis hier unten durchdrang, an seinen Bügeln streute. 'Conan!' Wild zappelnd suchte sie nach einem Weg, ihm ein Zeichen zu geben, wo genau sie war, und gab schließlich einen verzweifelten Stoß ihrer restlichen Luft durch ihre Nase frei, um ihn als größere Blasenansammlung den Weg hinauf zur Oberfläche steigen zu sehen. 'Da ist sie! Und sie lebt noch!' Diesmal merkte er wirklich wie ein kleiner Stein von seinem Herzen abfiel. Aber gleich wieder wurde es schwerer in seinem Gemüt, als er erkannte, warum sie da unten nicht wegkam. 'Ketten?! Und ein großes Gewicht? Verdammt.' Kaum hatte er sie erreicht, unternahm er nur kurz den sinnlosen Versuch, mit seinen beschränkten Kräften an dem Eisenträger etwas auszurichten. Als dies wie erwartet sinnlos blieb, tauchte er bis zu ihrem Kopf, sah ihr tief in die Augen. Darin stand eine Hoffnung, die er selbst gar nicht im Moment aufbrachte. Und eine, die ihr gar nicht zustehen sollte, weil sie kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Und dennoch, sie war da diese Hoffnung eindeutig, und sie richtete sich ganz auf ihn. Allein seine Anwesenheit schien ihm Hoffnung zu geben. Ohne lange drüber nachzudenken, riss er den Klebestreifen von ihrem Mund. Wenn sie überhaupt eine Chance haben sollte, zu überleben, brauchte er mehr Zeit. Erneut, wie als er aufwachte, war sein Gesicht so nah an ihrem, dass es seine Gefühle zum Wallen brachte. Und er ahnte mittlerweile, warum das so war. Warum sie ihm das Leben retten konnte, einzig und allein, weil sie ihn rief, als er bewusstlos war. Und warum er sie nun unbedingt auch retten musste. Er ignorierte alle Emotionen, die in ihm aufstiegen, nahm ihren Kopf in beide Hände und drückte seine Lippen auf ihre. Sie brauchte Luft und er konnte immerhin jederzeit wieder die fünf Meter zur Oberfläche tauchen. Auch Ran schien von dieser Berührung verwundert, verstand aber den tieferen Sinn und drückte ihrerseits die verbrauchte Luft ihrer Lungen über die Nase hinaus. Es dauerte ein paar Sekunden und als Conan losließ, meinten beide, im Gesicht des anderen einen schwachen, vom grünlichen Wasser mit seinen vielen Verschmutzungen fast unkenntlich gemachten Rotschimmer zu erkennen. Kurz gab er ihr ein fragendes OK-Zeichen, welches sie nur abnickte, und er tauchte so schnell es ging, wieder hoch. „Haaah!“, atmete er endlich wieder 'frische' Luft ein, auch wenn man bei den Farb- und Metallgerüchen nicht von frisch sprechen konnte. Dazu kam, er merkte, wie sein von der Transfusion noch geschwächter Körper auf die Anstrengung mit gewaltsamem Ungehorsam gegen seine geplanten Aktionen reagierte. Er musste sich ranhalten, solange er noch etwas zu tun in der Lage war. „Kirika! KIRIKA!!!!!“, schrie er verzweifelt nach der einzigen Person, die ihm helfen konnte. Unter Wasser waren selbst solche Gewichte nicht mehr überschwer. Die junge Frau müsste Ran unter Wasser bis zum Rand tragen können, dass sie wenigstens nicht mehr unter Wasser wäre. Alles weitere konnte man später klären, da hätte man mehr Zeit. Aber es kam keine Antwort. Und Kirika war auch nirgends zu sehen. „KIII-RIII-KAAAAAAAA!!!!! Verdammt... Kirika... wo bist du?“ Ihm wurde nun doch wieder Angst. Sicher Ran, würde unter Wasser mit seiner Luft zwei Minuten ohne große Probleme aushalten und er konnte sie dann wieder beatmen, nur würde das das Problem nicht lösen. Er wusste nicht wo der Erbauer dieser Höhle war, der Ran ertränken wollte, und ob diese Person bald wieder käme. Und selbst wenn nicht wie lange, bis hier runter jemand anderes käme? Herr Hino schien eher aufgeschreckt wegzurennen, als würde er nur jemanden holen. Und Kirika war nun auch noch verschwunden. Er blickte sich um, von der Oberfläche aus, suchte nach etwas brauchbarem, am besten natürlich den Schlüssel für die Ketten... Aber der war nicht zu finden. 'Ich muss zurück!' Tief Luft holend unternahm er den zweiten Tauchgang durch das trübe Wasser. 'Ran hat eine kleine Wunde über dem Auge.', erinnerte er sich. 'Sie sollte auf jeden Fall auch nicht länger als absolut nötig hier unten bleiben, sonst holt sie sich eine Blutvergiftung!' Die Angekettete saß ruhig und möglichst ohne jede unnötig Bewegung in ihrer Position. Dass sie selbst nichts tun könnte, war ihr schon länger klar, und etwas anderes als auf Conan vertrauen war auch nicht drin. Sie musste ihm vertrauen... auch, weil sie Heiji das Vertrauen entsagte und nur deswegen in dieser gefährlichen Situation sich befand. 'Da ist er wieder.' Conan tauchte vor ihr auf, machte ein paar bezeichnende Gesten, um ihr den Schlüssel anzudeuten. Sie verstand, konnte aber nur den Kopf schütteln. 'Den letzten für das Schloss am Eisenträger hat Herr Tomoko mitgenommen, die der anderen Ketten vernichtet.' Sein Blick trübte sich wie das Wasser zu einem beunruhigenden Ton, und er tauchte hinunter zu dem Schloss des Trägers, welches etwa auf Höhe ihres Bauchnabels war. 'Wie kriege ich dieses Schloss nur auf... Ein Dietrich oder so... eine Nadel, irgendetwas, das... natürlich!“ Die Fahrt hierher hatte ihn doch zur Genüge daran erinnert, dass sein Kopf mit einem Verband... '... und einer Sicherheitsnadel verbunden ist.' Er schnappte sich die Nadel zielsicher mit einem Griff, zog sie aus ihrem Verband und fing an, im Schloss herumzustochern. Irgendwie meinte er, wenn schon ein Dietrich einer seiner ersten Gedanken war und er mal Detektiv war, dann musste in seinem Unterbewusstsein das Wissen versteckt sein, wie man mit so einer Nadel Schlösser knackte. Es war ein einfaches, handelsübliches Vorhängeschloss für Privatleute, keine Herausforderung für Einbrecher oder so. Also musste es gehen. 'Es muss einfach!' Ran beobachtete aus dem Augenwinkel seine Versuche, an dem Schloss zu manipulieren. Es gab wohl keine wirkliche Hilfe auf der Oberfläche, wenn er zu so einem verzweifelten Trick zurück greifen musste. Wusste er überhaupt, was er tat, wenn er noch ohne Gedächtnis war? Oder hatte er es schon wieder? Es sah nicht wirklich so aus, er stocherte mehr drin herum... wobei auch Ran nicht im Ansatz wusste, wie man solche Schlösser knackte, nur dass es bei Standardschlössern wohl tatsächlich funktionierte. Das hatte Shinichi ihr mal erzählt und gemeint, es selbst erlernt zu haben. 'Wenn das keine angeberische Lüge war... bitte Conan...' Sie stockte, war nahe einem kleinen Schockzustand. An seinem Kopf schien sich ein wabernder Schatten zu bewegen, sich nach oben auszubreiten. 'Oh mein Gott, seine Platzwunde von gestern!' Seine Wunde war ja viel größer als ihre und brauchte länger zum Verheilen, darum der Verband. Ohne die Klammer lockerte er sich. Dazu das geschwächte Immunsystem, das nun den Angriff des unsauberen Wassers abwehren musste. Wild zuckte sie hin und her, wollte ihn wegscheuchen, dass er das Wasser verließ, aber er konnte nicht. Auch er hatte bemerkt, was an seinem Kopf vor sich ging, zog aber einen anderen Schluss. 'Wenn ich jetzt auftauche, kann ich nicht nochmal runter Ran, weil die Wunde sonst zu stark aufgeht oder sich voll saugt mit dem Wasser. Ich muss es jetzt schaffen, auf der Stelle, in diesem Atemzug.' Das war ihm von Anfang an klar, als er sich entschied, die Sicherheitsnadel zu benutzen und er versuchte ruhig alle Winkel auszutesten und die Reaktion des Schlosses abzuwarten. Eine Minute war er nun wieder unter Wasser, Ran also schon anderthalb auf seiner Luft. Aber er bewegte sich mehr und hatte kleinere Lungen, hoffte, dass sie so besser und länger es aushielt, aber ihm wurde die Luft schon mehr als knapp. 'Verschwinde Conan, bitte!' 'Da!' Es hatte sicher nochmal dreißig Sekunden gedauert, als das Schloss sich drehte und die interne Verankerung des angebauten Kettengliedes löste. Seine Luft war quasi verbraucht und mit letzter Kraft schob er das Schloss durch die Kettenglieder durch, die es verband. 'Nur noch... eine, dann...' Aber in diesem Moment wurde die Schwäche seines Körpers übermächtig, ihm schwarz vor Augen und sein Griff erschlaffte. In Zeitlupe für Ran, bewegte der Auftrieb den Körper langsam von ihr weg nach oben. 'CONAN!' Sie versuchte, wieder die Konzentration zu gewinnen 'Er hat es doch geöffnet. Ich muss mich doch jetzt... hhm... rauswinden können. Noch ein bisschen. Na los!' Endlich drehte sich das Schloss, als sie sich zur Seite wand, nach unten weg, gab nur noch die Ketten frei. Sie musste sich noch zweimal um ihre eigene Achse drehen, um die Windungen los zu bekommen, dann aber war sie frei. Zumindest frei von dem Träger. Und sie merkte, dass Herr Tomoko ein weiteres Mal recht behalten sollte: mit den übrigen Ketten zumindest konnte sie auftauchen und auch über Wasser bleiben. 'Conan!' Sie kniete sich auf den Grund, und stieß sich mit aller Kraft davon nach oben ab, um die Wirkung des Gewicht der Ketten auszugleichen. Der kleine Junge trieb immer noch aufwärts und das mit dem Kopf nach unten, also ohne von alleine Luft zu bekommen, selbst wenn er auftauchen würde. 'Ich komme, Conan!' Es war wie ein gerader Strahl, den sie durch das trübe Wasser erzeugte, gebildet von den vielen Luftblasen, die durch die schnelle Bewegung entstanden. Genau auf Conan zu. Aber wie ihn in gefesselter Form ergreifen und transportieren? Es gab wohl nur eine Position, wie ihr in den Sinn kam. Sie änderte den Winkel ihrer Bewegung ein wenig nach vorne, kurz an ihm vorbei und presste ihre Unterarme – die Oberarme waren ja von Ketten an ihren Oberkörper gebunden – soweit es ging nach hinten, erzeugte eine Art Korb aus ihren Armen und Händen, in dem sie Conan halten wollte. 'Komm schon, komm schon.' Wenigstens einmal muss sie ihm doch auch helfen können. So oft hatte er ihr schon geholfen, sowohl als Conan als auch als Shinichi. Und diesmal einmal mehr war es ihre Schuld, dass alles so schlimm lief. Wenn jetzt ihretwegen Conan etwas passierte und sie überlebte seinetwegen, das würde sie sich nicht verzeihen, niemals. Jugendliche Dummheit, Übermut, diese Laster waren ihr beinahe zum Verhängnis geworden. Sollten sie, jeder hat eine Strafe für Fehler verdient, auch wenn sie natürlich angemessen sein musste. Aber mit anzusehen, wie der eigene Retter starb, weil er sich für sie opferte? Das wäre mehr als jede physische Strafe, das wäre Folter, und zwar für den Rest ihres Lebens. Da tauchte er vor ihr auf, jetzt musste sie ihn erwischen. Wenige Zentimeter vor ihm, ging ihr Kopf an seinem Körper vorbei, er striff die Arme und... 'Hab dich!' Die Hände griffen zuerst noch ins leere, als sie seinen Oberkörper von unten fassen wollte, aber im zweiten Versuch packte sie ihn von beiden Seiten – bei einem Kind reichte dafür sogar die Spanne der gefesselten Hände gerade so aus – und klemmte ihn dazwischen. Bruchteile von Sekunden später durchstieß sie die Oberfläche mit tiefem Seufzer und lautem Knall. Der Winkel war günstig, so dass sie weniger als zwei Meter vom Ufer entfernt wieder aufkam im Wasser und die restliche Strecke sich an Land robbte. „Na los. noch ein bisschen!“ Sie kämpfte sich mit letzter Kraft das kurze Stück vorwärts, Conan nie aus ihrem Griff entlassend, bis sie endlich erschöpft, aber sicher, bis zur Taille auf trockenem Land war. Hechelnd wendete sie sich zur Seite, ließ ihn ab und drehte sich zu ihm um. „Co-Conan? Conan, wach auf!“ Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Conan! Du hast mich gerettet, du kannst jetzt doch nicht... nicht gehen!“ Seine Atmung schien flach, aber sie war da... und konstant. Das Problem war die Wunde an seinem Kopf, der rote Fleck auf dem Verbandsmaterial wurde größer und größer. Sie war wieder aufgegangen und anstatt einfach Blut zu verlieren, hatte er sich diesmal womöglich vergiftet. Und sie konnte ihm im Moment ja dennoch nicht weiter helfen, sie war immer noch in Ketten und kaum weniger erschöpft als er. „CONAN! Wach auf, verdammt!“ Die Tränen liefen diesmal ohne Unterlass, sie konnte sie nicht zurückhalten. Es war ja scheinbar niemand anderes da, sonst hätte er nicht im Alleingang das Schloss geöffnet. „Conan, wach bitte auf! Wir sind doch jetzt... in Sicher...“ Noch einmal stockte sie, und alle ihre Hoffnungen zerbarsten an einem Fakt, den sie für einige Minuten vergessen hatte. „Die Bomben! Gleich fliegt hier alles in die Luft! Conan! Conan!“, aber er wachte nicht auf, egal wie laut sie schrie. Und selbst wenn, weder hatte er die Möglichkeit sich zu bewegen, noch konnte sie sich bewegen... und die Sicherheitsnadel ließ er los, als er im Wasser bewusstlos wurde. „Es bleibt sicher keine Minute mehr... C...Conan.“ Keine Reaktion, außer ein schwaches Lächeln, welches sich auf seinen blau angelaufenen Lippen abzeichnete. „Nein...“, hauchte sie verzweifelt. „Nein.“ Es war nur ein Meter zwischen ihnen und... zwar hatte Tomoko gemeint, es fällt einem die Decke auf den Kopf, aber er konnte wohl kaum das ganze Schloss zum Einsturz bringen. Sie nahm ihre Kräfte noch einmal zusammen - ihre Erschöpfung basierte ja im Wesentlichen auf der vielen verbrauchten Luft unter Wasser und so konnte sie sich besser erholen – und robbte sich auf den kleinen Jungen zu, igelte sich um ihn ein, und schließlich, nach einigem hin und her, über ihn drüber, schirmte seinen ganzen Körper mit ihrem ab. Sie vergoss eine letzte Träne, eine die ihn auf der Stirn traf. „Es tut mir Leid, Conan. Vielleicht... hast du ja das Glück, dass dir keine Steine auf den Kopf fallen, wenn sie stattdessen mich treffen. Ich kann es.. nur hoffen. D-Danke, dass du mich schon wieder gerettet hast, Conan. Lebwohl.“ Sie beugte sich runter, schloss die Augen und wartete. Etwa acht Sekunden später explodierte die erste Bombe, vielleicht zwanzig Meter neben ihnen, mit lautem Getöse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)