Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Prolog: Vergessen ----------------- So, zum Prolog hab ich eigentlich nicht mehr viel zu sagen, steht alles in der Kurzbeschreibung auf der Übersichtsseite. ;] Außer vielleicht... 'Entität'... seht das Wort bei Wikipedia mal nach, bevor ich mit einer falschen Aussage mir noch den Zorn der Philosophen zuziehe... ^.~ Viel Spaß und bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet __________________________________________________________________________ Licht und Dunkelheit 'Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind. Unsere tiefste Angst ist, dass wir über grenzenlose Kräfte verfügen. Was uns am meisten Angst macht, ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit.' Marianne Williamson Prolog: Vergessen Die Tiefen der Dunkelheit, die er in seinem Kopf durchfiel, schienen so grenzenlos in Raum, wie auch in Zeit. Das schier endlose Nichts der Schwärze, die seine Augen erfasste, beängstigten so sehr wie die Stille, die nur nebulös und verhalten Geräusche durchließ, die realen Ereignissen, Personen, Maschinen... 'Entitäten' zugeordnet werden konnten. Ein Gefühl war das erste, was ihn beherrschte. Das Gefühl von Schmerz. Wallend warmes Blut, das in seinem Körper aufs heftigste pulsierte, sein Herzschlag, der so rasant und ungesund wirkte und gleichzeitig wie ein Taktgeber, ein präzises Metronom, ihm ein eigenes Zeitgefühl verlieh. Er konnte quasi in Herzschlägen denken, nicht in Sekunden. Zehn Herzschläge... zwanzig Herzschläge... hundert Herzschläge... tausend Herzschläge... Er empfand es als schnell, als erschreckend schnell, dachte daran, dass sein Puls wohl bei hundertachtzig sein musste und nur wenige Minuten nötig waren, diese tausend zu erreichen. Aber er wusste es nicht, es konnte genauso gut ein normaler Herzschlag sein und es dauerte eine halbe Stunde, die er in dieser Dunkelheit gefangen war. Oder... noch langsamer, so dass Stunden vergangen waren... und er gerade mit dem Leben kämpfte... ob überhaupt noch Schläge kommen mögen... im Minutentakt. Ein dumpfer Schmerz an der Stirn, allgemein am Kopf, drückte besonders heftig auf die Nervenrezeptoren. Die dünne Schicht Flüssigkeit, die zwischen Gehirn und Schädeldecke einen schützenden Abstand zu halten versuchte, versagte anscheinend ihren Dienst, es kam ihm vor, als würde das Gehirn mit Gewalt gegen die geschlossene Knochenschicht pressen, sie zu sprengen versuchen, während von der anderen Seite dieser Schmerz dagegen hämmerte. Unter diesen Zwängen, die ihn wahnsinnig zu machen drohten, wollte er aufspringen, los schreien, aber es ging nicht. Sein Körper weigerte sich, oder, war es dieses Nichts um ihn, das es so erscheinen ließ, jede Bewegung als nichtig interpretierte, weil nichts da war, demgegenüber er sich bewegen konnte? Ein Schrei, nicht seiner, ein unwillkürlicher von außen, das war das Erste, was er vernahm. Doch ebenso schnell verschwand dieser Ton, der bei aller Gruseligkeit auch harmonisch wirkte in seinen Ohren. Wieder wurde er umhüllt von der totalen Stille, die alles nur noch erschreckender zu machen schien. Ein monotones, wohl eher 'bitones' und doch sehr eingängiges Geräusch spielte sich einige hundert Herzschläge später vor seinem geistigen Auge ab. Eine Sirene. Nur welcher Art? Feuerwehr? Polizei? Krankenwagen? Letzteres war vielleicht die naheliegendste Option... also fiel er tatsächlich. In die Tiefe des schwarzen... Nichts. Schwarz... schwarz... schwarz... Angst umfasste ihn, eine Eiseskälte schien seine Glieder zu erfassen. Dieses schwarz war tödlich für sein Gemüt. Doch in diesem einen Moment, als diese Nichtfarbe übermächtig zu werden drohte, durchdrang ein unsichtbarer Lichtstrahl diesen Ort. Die 'bitone' Stille der Sirene wurde plötzlich begleitet von einer entfernten menschlichen Stimme. Ihr Gemurmel war unverständlich für seinen Kopf, kein Wort wollte sinnvoll zusammengefügt werden in diesem traumartigen Gebiet, in dem er sich befand. Wie auch, man träumte mit der rechten Gehirnhälfte, während die Sprache in der linken verarbeitet wurde. Aber dennoch war diese Stimme wie eine Rettungsleine für ihn. Es war die gleiche Stimme, der der Schrei vorher gehört hatte, ganz sicher. Diese gleiche, wärmende Stimme. Diese harmonische, ihn beruhigende Stimme. Wem gehörte sie nur? Doch wie befürchtet verschwand auch sie, samt dem 'bitonen' Läuten der Sirene, in der Tiefe der Nacht vor seinen Augen. Auch gegen jede Anstrengung, die sein Geist unternahm, die Kälte, die Schwärze, das alles ließ ihn auch in seinem Unterbewusstsein endgültig einnicken. Der letzte Gedanke von ihm lautete... 'Das wars dann wohl.' Sein Herz schlug scheinbar immer noch... Sein Puls arbeitete weiter, als er ihn wieder vernahm, jedoch... anders. Nein, nein, das war nicht sein Puls... das war nicht sein Herz, das ihm kurze Schübe an Anspannung verlieh. Es war ein piepen, ein monotones Geräusch, diesmal wirklich. Eines, das nur von einer Maschine stammen konnte, so schrecklich drängend war dieser eine Ton. Aber es war immer noch dunkel. Dunkel, aber nicht so kalt. Dann verschwand es wieder und diesmal schlief er mit einem Ansatz von Ruhe wieder ein. 'Ich wache... nochmal auf...' Einzelne Wortfetzen, entfernt, distanziert, verborgen hinter unsichtbarem Nebel und doch real, erreichten ihn, immer und immer wieder. „Halte durch...“ Diese Stimme gehörte dem Schrei von vorher, ganz sicher. „Lassen Sie uns bitte...“ Harsch, gestresst wirkte diese drohende, souveräne Männerstimme. „Wir müssen abwarten...“ Das war wieder wesentlich ruhiger, nicht so konsequent, leicht unsicher sogar. Und ein Wort... ein einzelnes... ließ ihn selbst in der Dunkelheit erschaudern..., ohne dass er richtig verstand, wieso... „...Gehirnerschütterung...“ Dieses Wort dröhnte in seiner Stille von allen Seiten auf ihn ein. War es das? Das, was ihn in dieser Zwischenwelt hielt? Eine Gehirnerschütterung? Wie... warum? Erklärte das diesen Schmerz in seinem Kopf? Doch es war mehr mühselig als hilfreich, sich darüber Gedanken zu machen. Er schien jeden Gedanken fast genauso schnell wieder in seinem Unterbewusstsein zu verdrängen. Der Schmerz war permanent, so konnte er ihn stets spüren, aber ansonsten waren nahezu alle Gedanken von seinen letzten Traumphasen verschwunden. Es holte ihn die tiefe Müdigkeit dieser Umgebung immer wieder ein und stahl ihm diese Erinnerungen. Er vergaß. Alles, bis auf... 'Diese Stimme...' Wie lange er nun schon so bewusstlos war, war eh unmöglich zu bestimmen, aber er fühlte auf einmal kein Fallen mehr. Er lag nur da, immer noch gefangen in diesem Nichts, das aber plötzlich eine Trübung bekam, milchig wurde... 'Es wird heller!' Tatsächlich schien das Schwarz langsam einem Grau zu weichen, welches Nuance für Nuance die Farbe verstärkte. Ein Ausruf schien schlagartig den Hintergrund seiner Umgebung in weißes Licht zu tauchen. „Ich glaube, er wacht auf, Herr Doktor.“ „Ganz ruhig, Schwester. Sagen Sie den anderen Angehörigen Bescheid.“ Conans Augen schmerzten, als er sie erstmals öffnen wollte. Zunächst, weil sie schon so lange geschlossen waren und die Muskeln sich erst wieder anspannen mussten. Dann aber auch, als der erste echte Lichtstrahl wieder auf die Netzhaut des kleinen Jungen traf. Er kniff die Hände zusammen, spürte die Decke zwischen seinen Fingern, die ein Schneiden der Fingernägel in die Haut unterband. Er presste seinen Kopf an den Hals, so dass ihn kein weiteres direktes Licht, sondern nur das weiß des Bettbezugs blendete. Dann startete er einen zweiten Versuch, ließ einen schwachen Spalt durch die Augenlider. Diesmal war die Anstrengung der Öffnung schon nahezu fort, aber das Licht wirkte immer noch grell. „Conan? Geht... geht es dir gut?“ 'Diese Stimme!' Obwohl er immer noch nach unten blinzelte, und es nur eine Erinnerung aus den Träumen war, diese Stimme würde er sofort erkennen. Das musste diese junge Frau sein, die er vernommen hatte. Definitiv, sie war es. Sie klang sehr besorgt. Die Erleichterung, dass er aufgewacht war, schien nur eine geringe Entlastung für sie zu sein. 'Na schön...' Er schloss erneut seine Augen, hob seinen Kopf wieder nach vorne, in die Richtung, aus der er sie vernommen hatte. Ganz langsam, bloß nichts überstürzen und sich wieder vom Licht einhüllen lassen, lautete die Devise. Eine diffuse Gestalt baute sich vor seinem Blickfeld auf, überdeckte die meisten verbliebenen Lichtquellen, was ihm bei seinem Unterfangen erstaunlich half. Dennoch musste er noch ein ganz paar mal blinzeln, bevor aus den diffusen Umrissen das Gesicht von Ran entstand. Ihre Augen wirkten sowohl von mangelndem Schlaf gefaltet, als auch von Tränen gerötet. Ihr schwaches, ängstliches Lächeln zeugte von ihrer nur bedingten Erleichterung, wie schon zuvor ihre Stimme. Vielleicht zwanzig Zentimeter trennten die beiden Gesichter, sie war ihm fast unheimlich nahe, wie er empfand. Und etwas verstärkte diesen Effekt. Sie trug einen violetten Pullover, der eigentlich den ganzen Körper bedeckte, aber dennoch, so übers Bett gebeugt, gab ihr Körper auch der Gravitation nach. Ohne groß sein Blickfeld zu ändern, sah er genau auf ihren... Augenblicklich stieg das Blut in seinem Kopf in höchste Sphären, er packte die zwischen seinen Fingern zusammengekrallte Bettdecke, und zog sie bis ans Kinn. „Wür-würden Sie mir bitte nicht so nahe kommen?“, schrie er in kindlichster Manie aus, schien fast selbst über seine Stimme überrascht. Aber es zeigte Wirkung, Ran schrak hoch, die Rundungen ihres Busen verschwanden wieder fast gänzlich unter dem Pullover und sie verzog sich auch noch zwei Schritte nach hinten zu Sonoko, die eben so erschrocken da stand. „Ent-entschuldige... Conan...“ Ihr zunächst verängstigter Versuch, ihn um Verzeihung zu bitten, verrauchte gegen Ende der Worte. Was sie nicht bemerkt hatte, aber jeder andere in diesem Raum, war das eine Wort aus Conans Satz, das unwillkürlich in der Luft schwirrte. „Sie“ Der etwas an der Seite stehende Arzt und auch die Schwester rangen kurz nach Luft. Auf seinen Lippen standen die Worte 'Oh nein...'. Eine dunkle Ahnung keimte auf. „Wie 'Sie'? Warum sprichst du Ran auf einmal so förmlich an, Conan?“ Kogoro, der ebenfalls in der Nähe des Arztes postiert war, warf die Frage in den Raum, die eigentlich alle interessierte. Im Augenwinkel bemerkte er, wie die Schwester bei diesem Satz bleich wurde. Conan sah sich erst kurz im Raum – offensichtlich ein schön weiß gestrichenes Krankenzimmer, geräumig und mit Blick auf die Skyline Tokios – um, betrachtete kurz die Anwesenden, bevor er mit leerem Blick sich dem Detektiv zuwandte. Dieser wirkte nun zunächst selbst verwirrt. Noch nie hatte er Conans Augen als so... leer empfunden... so als spüre er... 'Gar nichts?' „Verzeihung...“ Seine Stimme klang noch um einiges ängstlicher als Ran gestern Nachmittag im Krankenwagen, ein Schauer jagte allen über den Rücken. Und diese leeren Augen..., die nur Angst zu versprühen schienen. Keine Hoffnung, keine Freude... wie sonst. Nur Angst, Unsicherheit... „Aber... ich kenne diese Frau nicht.“ Ran meinte, ein Dolch habe gerade mitten durch ihr Herz gestochen, denn es ließ einen Taktschlag aus. Nur einen, beim zweiten gaukelte ihr Gehirn ihr vor, sie müsse sich wohl verhört haben. Sie musste sich auf Sonoko neben sich stützen, sah verängstigt in ihre Augen. Doch auch diese zitterten ungläubig, starrten auf das kleine Gesicht, das sich fast unter der Decke verkroch, nur zögerlich einen Spalt öffnete, als er merkte, dass sie ihm wohl nichts tun wollten. „Ich kenne... niemanden von Ihnen.“ Eiseskälte schlich sich auf Rans Arme, der Pullover wirkte machtlos gegen dieses frösteln. 'Nein! Nein... bitte... bitte nicht, dass er...' Sie wollte den Gedanken nicht mal zu Ende formulieren, es drehte ihr dabei alles in sich um. Und auch die anderen wirkten sichtlich geschockt. „Wer... wer sind Sie?“, kam es noch verängstigter vom kleinen Jungen in seinem großen Bett. 'Nein... nein... NEIN!' Sonoko spürte den schwerer werdenden Druck auf ihrer Schulter und an ihrem Arm, aber ließ sich nichts anmerken. Sie wusste ganz genau, wie Ran gerade mit ihrem Gleichgewicht kämpfte. Nur mit äußerster Mühe unterdrückte sie ihre überreizten Augenwinkel, weitere Flüssigkeit abzugeben. Aber der nächste Satz gab allen in dieser Hinsicht einen Stoß. „Und wer... wer bin ich?“ Kapitel 1: Diagnosen -------------------- Guten Morgen an alle Lesenden, Zu allererst ein herzliches Dankeschön an all die Kommentatoren, die samt und sonders von dieser plötzlichen Entwicklung sehr überrascht sind... und es wohl auch noch ne Weile weiter sind... ;p hier nun das erste Kapitel nach dem Prolog zu dieser FF. Dieses und die folgenden Kaps werden wohl noch relativ... nüchtern sein, ich hoffe wenigstens mit dem Ende dieses Kapitels einen ersten kleinen Spannungsbogen zu erzeugen, aber ein wenig müsst ihr euch ansonsten wohl noch gedulden... *seufz* Ach ja, die letzte FF, 'Götter, Engel, Dämonen und das Meer', endete ja mit einem Ultimatum. Wie es diesbezüglich in diesem Moment steht, wird auch erst später verraten. ;] Daher wünsche ich viel Spaß beim Lesen und bis bald. LG, Diracdet ______________________________________________________________________ Kapitel 1: Diagnosen Der kalte Hauch, der Ran und auch dem Gespann aus Arzt und Schwester eine Gänsehaut einjagte, schien von einem Wind getragen auf alle Anderen im Krankenzimmer übertragen worden zu sein. Augenblicklich starrten den kleinen Jungen von allen Seiten die entsetzten, halbwegs verstehenden Augen an. „Wer... bin ich?“ Diese Frage wurde von dem Windstoß förmlich gepeitscht, durchdrang überall Kleidung wie auch Haut und durchfuhr die Körper wie ein Schlag. „C-C-Conan?“ Ran wusste nicht, ob ihr versuchtes Wort überhaupt jeglichen Ton enthielt, zu heftig schien der Kloß in ihrem Hals, der ihr fast die Luft zum Atmen abzupressen schien. Leichte Ansätze von Tränen konnte Sonoko in ihren Augenwinkeln erkennen, drückte ihren Arm noch fester, dass Ran nicht plötzlich versuchte, auf Conan zu zu stürmen. Was diese nämlich nicht bemerkte, wie der Arzt etwas näher trat, vor das Bett, den Rücken zu Conan gewandt und sie vom Blick auf ihn abhielt. Weit ausufernd schienen seine Arme die Anwesenden zu sich zu ziehen und unter leichtem Vorbeugen fing er leise und ruhig an. „Bitte, bleiben Sie ruhig und warten Sie einen Moment, bis ich Conan die Situation erklärt habe. Kein Wort, oder verlassen Sie bitte das Krankenzimmer, ist das klar? Wenn es das ist, was ich vermute, dann dürfte jede überstürzte Handlung...“ „Aber... aber... er...!“ Ran wurde wirklich nur vom kräftigen Händedruck ihrer Freundin festgehalten, stand flehentlich vor dem Doktor. Durch seine großen Brillengläser blieben seine Augen jedoch unempfindlich für die zitternden Blicke der Oberschülerin, wohl weißlich aus einer gewissen Erfahrung heraus. „Wissen Sie... Fräulein Mori...“ Seine dunkle Stimme flößte ihr eine ungewisse Vorsicht ein, vielleicht wollte er diese auch. „...wie das ist... bei retrograder Amnesie? Wenn man aufwacht, ohne zu wissen, wo man ist... wie man dort hinkommt... umringt von lauter unbekannten Personen... hilflos...? Ich glaube, es gibt nur einen Zustand, der diesem annähernd ähnlich ist, eine... Entführung.“ Die provozierte Reaktion, nicht nur beim Mädchen, auch bei den Umstehenden, trat ein; unwillkürlich entstand ein gewisser Abstand zwischen dem Mediziner und den Anderen. „Also... bitte, machen Sie ihm keine Angst mit irgendwelchen unnötigen... Aktionen. Es ist vielleicht... nicht so schlimm, sonst würde ich Sie nämlich sofort des Zimmers verweisen.“ Ein kurzer prüfender Blick bestätigte ihm, dass keiner weiter zu widersprechen wagte und so wandte er sich erneut um zu dem kleinen Jungen, der tatsächlich nur sich leicht umschauend, ohne etwas zu sagen, aufrecht im Bett regte. Wie wohl zu befürchten, schien ihn die ganze unbekannte Umgebung, die vielen Leute im Raum, die ihm nichts zu sagen vermochten, und nicht zuletzt seine eigene Unfähigkeit, sich selbst in dieses Bild einzuordnen, zunehmend zu beängstigten. Scheinbar wollte ihm keiner etwas tun; zumindest hielten sie alle Abstand, bis auf... die Krankenschwester, welche langsam auf ihn zu trat. Im Augenwinkel erblickte er sie noch, wie die etwas blasse, zirka dreißig jährige Frau in weiß, die Hände offen und beruhigend vor sich haltend und die Lippen zu einem sanften Lächeln verzogen, sich ihm näherte. Vom plötzlichen Schrecken getrieben, wandte er sich blitzartig zu ihr um, wollte aufschreien als ihm ein furchtbarer Schnitt durch den Kopf fuhr. Der Schrei folgte trotzdem, nur war er auf einen unglaublichen Schmerz zurück zu führen, nicht auf Angst. „Aaahhhh, mein Kopf!“, dröhnte es allen noch eine ganze Weile durch die Ohren, während die Schwester den letzten Schritt zum Krankenbett ruckartig überbrückte, um den kleinen Jungen zu beruhigen. Dieser wollte sich am liebsten mit den Fingernägeln in seine Stirn bohren, um den wie ein Stich mit einer Schere durch seinen Schädel führenden Nervenreiz zu betäuben. Aber dicker Stoff hinderte ihn. Sofort erkannte Conan die Bandagenmaterialien, die seine Stirn, sowie auch einen Teil seiner Haare in dieser Kopfhöhe abdeckten und nur für die Ohren platz ließen. Vorsichtig tastete er mit den Fingern den rauhen, netzartigen Stoff ab, der sich in seiner Stärke erstaunlich gleichmäßig anfühlte, abgesehen von der einen Sicherheitsnadel schräg oberhalb seines rechten Ohres, die den ganzen Stoff zusammen halten sollte. An diesem Punkt blieb seine rechte Hand stehen, musterte das metallene Objekt, während sein Blick von der Verwunderung immer mehr in ein entsetztes Staunen überging. „Du... hattest einen Unfall, mein Kleiner.“ Die ruhige, besorgte, fast mütterliche Stimme der Frau neben ihm, die er eben noch lauthals verscheuchen wollte, schien nun sein Flehen nach einem Ende der Schmerzen zu erhören. Sie nahm mit jeweils einem Arm einen der seinigen und beförderte sie, souverän, aber dennoch ohne ihn zu zwingen nach unten. Seine Gedanken hörten auf zu rasen, verharrten bei ihr und scheinbar war das auch die beste Kur für den kurzen Anfall in seinem Gehirn. Die Anwesenden standen weiter nahezu stumm da, beließen es bei leisestem Flüsterton, um ja nicht doch noch vom Arzt des Zimmers verwiesen zu werden. Sonoko hielt unentwegt die Hand ihrer Freundin, tastete unwillkürlich, mit dem Zeigefinger dieser an die Innenseite von Rans Handgelenk, fühlte den Puls. Eigentlich in dieser Position ein Ding der Unmöglichkeit... aber nicht in dieser Situation. Das Blut in ihren Adern pulsierte heftig. Den Schockmoment, als Conan sie nicht erkannte, hatte sie überstanden, nur schien es als musste ihr Herz nun die verlorene Pumpzeit in Überstunden nachholen. 'Und dabei hattest du doch die ganze Nacht schon nicht geschlafen, Ran!' „Es geht ihm gut.“, flüsterte sie ihr direkt ins Ohr, wartete, bis Ran sich langsam ihr zu wandte „Das ist... für den Moment doch... das Wichtigste. Er hätte... Ran?“ Leere stand in den Augen der Oberschülerin. Tief, sehr tief in ihrem Inneren war kurzzeitig etwas entwurzelt wurden; etwas, was ihr das Gefühl beibrachte, es fehlte etwas. Etwas unersetzliches. Ein Licht, das nun dunkel war. „Du... du hattest doch auch... schon mal... dein Gedächtnis...“ Ein stummes Nicken unterbrach den Gedanken, forderte Sonoko zur Ruhe. Ran formulierte etwas mit ihren Lippen, was ihre Freundin nur als ein lautloses 'deshalb...' interpretieren konnte, dann wandte sich Ran auch schon wieder ab. Sonoko spürte, wie die Hand, die sie festhielt, leicht zitterte, sah zum kleinen Jungen, und erschrak. Dieselben leeren Augen, die sie eben bei ihrer Freundin sah, waren nun auch beim Grundschüler zu erblicken... 'Natürlich.' Nun musste auch Sonoko an sich halten, wollte ihre Freundin nicht einfach dem Moment allein überlassen, auch wenn dieser nun auch sie erfasste. Es war mehr als einfach nur dieser Gedanke, dass eine ihr wichtige Person das Gedächtnis verloren zu haben schien. Es war die Tatsache..., dass er es war. Conan Edogawa... Shinichi Kudo. Der kleine und doch hell leuchtende Stern an Rans Firmament. Die Konstante. Der, der erhaben mit allen Widrigkeiten zurecht zu kommen schien, über all das Gute und Schlechte in der Welt sich ein Urteil gebildet hatte in seinen jungen Jahren. Der gerade ihr... den Halt gab, diese souveräne... Stütze. Ausgerechnet er... der scheinbar selbst in diesem Kindskörper noch sich alles zutraute und dem immer noch der Erfolg recht gab. Diesen Jungen nun... hilflos zu sehen, unfähig gerade diese Einstellung, die ihn immer so stark erscheinen ließ, zu demonstrieren. Es war, als falle sie wie ein schlechtes Stück Schauspielkunst in der Gunst der Zuschauer durch, eine Maske fiel ab und aus dem strahlenden Stern wurde ein kleines Teelicht, dass beim nächsten Windstoß ausgehen würde. Ran war eine der Zuschauer vor der Bühne und der größte Fan der Figur auf dieser und stand im Moment vor dem Scherbenhaufen dieser Vorstellung, die doch eigentlich so real in ihren Augen wirkte. Er war weg, wie tot fast, obwohl er da vor ihr... wohlauf, musste man Sonoko wohl zustimmen, saß und ihr auch in die Augen sah. So war doch ihr Weltbild enorm ins Wanken geraten, was nun auch Sonoko ganz genau verstand. 'Wie konntest du nur jemals glauben, dass ich mich in dir und Shinichi geirrt hätte, Ran?' Seufzend drückte sie die Hand ihrer Freundin noch fester, versuchte ein beschwichtigendes Lächeln und formte die Worte 'Vertrau mir!'. Das eine Wort hätte er eigentlich erwarten müssen und doch hallte es in dem nun wieder etwas leereren Kopf Conans lange nach. „U-Unfall?“ Was sollte er auch anderes glauben, woher die Verletzungen kamen, waren bereits seine nächsten Gedanken. Er lag in einem Krankenhaus, hatte einen Verband um den Kopf und furchtbare Schmerzen. Opfer einer Gewalttat oder Unfall waren wohl die einzigen Alternativen. Und schon verwirrte er sich selbst. Wieso war Unfall dabei eigentlich erst sein zweiter Gedanke, nach Gewalttat? „Ja...“, begann die Schwester, lenkte seine Gedanken wieder weg von sich. Ihr Lächeln wurde etwas breiter, ohne die offenkundige Sorge darin vermissen zu lassen. „Du bist von einer großen Treppe gestürzt. Dabei bist du mehrfach mit dem Kopf auf die harten Kanten gestoßen, hast dir einige Platzwunden zu gezogen. Deshalb der Verband.“ Sie stubste mit dem linken Zeigefinger sacht gegen seine Stirn, so dass er einen Millimeter zurück knickte. „Das hätte wirklich schlimm... schlimmer enden können.“ Man konnte sehen, dass sie eine kleine Träne unterdrückte. Sie war ausgebildete medizinisch-technische Assistentin, an viele Krankheiten und die Patienten hinter diesen Krankheiten gewöhnt, aber bei kleinen Kindern, die mit solch einem... vielleicht das Leben beeinflussenden Bild vor ihre Augen kamen, war bei ihr einfach auch eine Grenze des Erträglichen erreicht. Und gleich werde sie es aussprechen müssen, ihm sagen, wer er ist... oder besser, wer er war. „Was hatten Sie eigentlich dort zu suchen gehabt?“, zischte Inspektor Takagi leise Kogoro von der Seite zu. „Sie waren doch nicht ohne Grund im Schloss von Herrn Kunieda.“ Eine leichte Verärgerung, gepaart mit ehrlicher Neugier des Polizisten, der von der Nachricht erst über mehrere Ecken erfuhr und von Kommissar Megure herbeordert wurde, um nach Conan zu fragen und... naja, eben genau diese Frage zu stellen, waren deutlich zu vernehmen. Der Blick des Meisterdetektivs jedoch schien diese Intention von Takagis Anwesenheit genau vorauszuahnen und konterte lediglich mit einem müden, herablassenden ausatmen. „Als ob ich Ihnen eine Erklärung schulde.“, murmelte er stetig in seinen Schnauzer. 'Na toll! Spielball zwischen ihm und dem Chef wollte ich eigentlich nicht sein...' Seufzend nahm er einen zweiten Anlauf. „Sie waren dort wegen dem verschwundenen Herrn Tashija, nicht wahr?“ „Ich war geschäftlich da und insofern ist das Geschäftsgeheimnis.“ 'Immer stur geradeaus gucken, Kogoro, immer nur weg von Takagi.', fügte er noch raunend in Gedanken hinzu. Der Inspektor musste sich schon sehr zusammen reißen, um die Lautstärkegrenzen, die der Arzt den Gästen verordnet hatte, einzuhalten. „Verdammt, Mori, das haben wir doch schon vor einer Woche untersucht, da ist niemand mehr!“ „Dann haben Sie eben nicht gründlich genug gesucht.“ „Waah, was wenn er einfach gegangen ist?“ „Aus solchen Lebensbedingungen, als Künstler? Undenkbar, dann hätte er wenigstens noch ne Nachricht hinterlassen.“ 'Ich gebs auf!' Betrübt ließ er den Kopf sinken, versuchte sich zu sammeln und die eigentlich bemitleidenswerte Person des Raumes wieder zum Mittelpunkt seiner Gedanken werden zu lassen. „Conan.“ „Hm?“ Der Junge hatte sich nach dem kleinen Fingerzeig der Schwester wieder sehr intensiv seiner Stoffbinden gewidmet. Das Wort, dem er irgendwie keine Bedeutung beimessen konnte, hatte ihn erst wieder aufmerksam gemacht. Sie lächelte immer noch, aber noch ein wenig trauriger im Blick. „Du hast gefragt, wer du bist.“ Sein Gesicht schien sich kurzzeitig, unbemerkt für die Meisten, zu verfinstern. „Du weißt es nicht, vermutlich... wegen dem Sturz...“ Ihre Augen fixierten seine eingewickelte Stirn, er folgte kurz ihrem Blick. Sein Innerstes verkrampfte sich. Er hatte diesen Gedanken ja eben schon gefasst, wurde aber von seinen Schmerzrezeptoren nach allen Regeln der Kunst für den Versuch es zu verstehen ausgeknockt. „I-Ich habe... mein Gedächtnis...“ Er konnte den Satz nicht beenden, musste es auch nicht. Sie nickte nur angestrengt, worauf sein getroffener Blick den Kontakt zu ihr abbrach und nach vorne fiel. „Retrograde... Amnesie.“, kam es in die plötzliche Stille hinein von einer souveränen, dunklen Stimme vor ihm. Conan konnte nur langsam seinen Kopf erheben und auf das Bettende starren, an dem sich der Kopf des Arztes befand. Dieser hatte sich hingekniet und die Arme auf das abschließende Gitter der Bettkante gedrückt, auf denen wiederum sein Haupt ruhte. Sie waren halt, für einen Unfall eines Kindes, in ein Kinderkrankenhaus gefahren worden und der Arzt, wie auch die Schwester waren speziell dafür ausgebildet, sich mit Kindern zu unterhalten. Er bildete sich durchaus ein wenig was darauf ein, abschätzen zu können, wie er mit einem kleinen Jungen vor sich umzugehen hatte, der unter Amnesie litt. Nicht zuletzt, dank eines zentralen kleinen Hinweises neben diesem Patienten. „Retrograd? Also... rückwirkend?“ „Ja... rückwirkend vergisst man durch eine physische Schädigung des Gehirns – wie dein Teppensturz – alles, was man einmal... wusste, zumindest spezielleres.“ „Spezielleres?“ Rans Hand krampfte sich nun noch stärker an Sonokos fest. Das war es, was sie befürchtete. Nun klang er nicht mehr wie Conan, der verstand, wenn man ihm erzählte, er klang einfach... wie ein Kind. „Du heißt Conan, das wollte dir die Schwester damit eben sagen.“ Auch er legte dieses Lächeln auf, das ihm bei ihr so gespielt vorkam. Beim Arzt jedoch wirkte es... überzeugender, echter, ernst gemeint. „Co-nan? Das ist aber ein komischer Name.“ Eine Augenbraue bewegte sich beim Arzt hoch, die meisten Anderen im Raum schien diese Bemerkung überhaupt nicht zu verwundern. Teils aus dem Wissen oder der Vermutung heraus, 'dass du ihn dir selbst spontan überlegt hast, wobei man wohl nur bedingt von überlegen dabei reden kann...', die Übrigen aus der Überzeugung heraus, 'ja es ist schon ein merkwürdiger Name, den sich deine Eltern da ausgesucht haben...'. Aber was keiner so sah im Moment, nur in den Augen durchschimmerte, war... Abneigung. Er mochte diesen Namen nicht, er stieß ihm innerlich auf. Jemand oder etwas vor seinem geistigen Auge schien ihn plötzlich von oben herab zu belächeln, ihn abwertig zu Boden zu drücken. Dunkelheit, wie sie ihn in seiner Traumata-Phase heimsuchte, schien zurück zu kehren. Ausgehend von diesem einen Wort, umzingelte es ein kleines Licht und zerquetschte es gnadenlos. Er hasste den Namen Conan. Das alles war eine kurze Reaktion in seinem Gedächtnis, aber... er konnte sie nicht zuordnen. Mochte er selbst einfach nur seinen komischen Namen nicht? Vielleicht, für den Moment blieb ihm nichts, als sich damit zu arrangieren. Er war im Augenblick der letzte, der sagen konnte, dass es falsch war, ihn so zu benennen. Außerdem, es gab noch etwas, sachliches, was ihn an diesem Namen störte. Und zumindest das konnte er anbringen. So hob er langsam seine Stimme. „Ich... ich meine, wir sind hier doch in Tokio?“ Die Frage ließ nun wieder alle zusammen zucken. Auch Dr. Asunaja schien von dieser Aussage sehr überrascht, fuhr etwas hoch, fühlte sich plötzlich wie im falschen Film. „Wie... wie kommst du darauf, dass wir in Tokio sind? Ich meine, die Sprache, die du sprichst, ja, aber das ist doch nur beschränkt auf ein Land und...“, doch Conan wies einfach mit seinem rechten Arm hinaus zum Fenster, an dem bis eben zwei der Anwesenden etwas abseits standen und nun Platz für die unsichtbare Verlängerung des Zeigefingers machten. „Na... das da... ist doch nicht der Eiffelturm in neuer Farbe, oder?“ Mitten vor dem Fenster bahnte sich der Anblick des Tokyo Towers an, übertraf das Bild der Skyline aus diesem sehr hoch gelegenen Krankenhauszimmer bei weitem. Einer leichten Verwunderung über die schnelle Erkenntnis folgte ein erfreutes Lächeln in mehreren Augenpaaren. „Sie haben Recht, Herr Doktor. Es ist definitiv retrograde Amnesie... mit sogar guten Heilungschancen.“ Mit einem Mal wanderten alle Blicke zu dem kleinen Mädchen, das sich hinter Professor Agasa versteckte. Ai schien die ersten Schrecken überwunden zu haben, auch wenn immer noch ein leichtes Zittern in ihren Augenwinkeln wütete. Der Angesprochene nickte etwas verwirrt, und drehte sich dann etwas um, um sowohl Conan als auch einige der Anderen im Blick zu haben. 'Noch so ein merkwürdiges Kind! Ist ja wirklich eine illustre Gemeinschaft...' „Äh... ja, meine Kleine, du hast recht. Allgemeinwissen bleibt meistens erhalten in diesen Fällen, weil die damit verbundenen Erkenntnisse im Laufe auch eines noch sehr jungen Lebens bereits sehr stark entwickelte Synopsen im Gehirn ausbilden. Alles andere... geht aber auch nicht direkt verloren. Das Gehirn kann man nicht einfach... löschen, wie das gerne im Fernsehen oder Kino gezeigt wird. In einem Fall wie diesem ist es eher so, als sei das Gehirn heruntergefahren wie ein Computer. Alles noch da, aber unerreichbar für den Anwender, der du in diesem Fall bist, Conan. Insbesondere natürlich... erlernte und geübte Talente.“ Sonoko beobachtete Rans Blick, der nach und nach besser wurde. Seit Ais Mund die Worte 'gute Heilungschancen' verließen, hörte sie sehr aufmerksam zu. Und dieser Satz eben brachte ihr Herz erneut zum Rasen, aber sie durchströmte auch ein Momentum von Glücksgefühlen, Erleichterung machte sich breit. Er war... immer noch... Conan... Shinichi. Irgendwo da drinne. „Talente?“ Kogoro war es, der das Gespräch wieder aufnahm, das Dr. Asunaja eben gewissermaßen abbrach. Dieser sah zunächst ein wenig verdutzt zum Detektiv auf, räusperte sich dann kurz und erklärte selbstsicher. „Nun, es ist bei Kindern in seinem Alter eigentlich unüblich, aber... um es kurz zu sagen, man lernt eigentlich in jedem Alter auf die gleiche Weise. Das Gehirn verarbeitet wiederholt gewisse Regeln, die man lernen will, verwendet sie in leicht abgeänderter oder identischer Form und muss dafür Verbindungen von Nervenzellen erzeugen. Benutzt man diese Verbindungen häufiger, ist das wie Muskeltraining, die Leitungen zur Übertragung werden stärker, stabiler. Und solche entwickelten Talente, wie eben die Sprache und die Allgemeinbildung, aber eben auch andere erlernte Fähigkeiten und Fertigkeiten, werden gewissermaßen bei retrograder Amnesie ins Unterbewusstsein gerückt. Oder, nein, das war nicht ganz richtig, sie beschränken sich zunächst aufs Unterbewusstsein trifft es eher.“ Er schien in seinen Ausführungen zu schwelgen und bemerkte erst jetzt, dass die Anderen ihm nicht mehr wirklich folgten. Er drückte sich von der Bettkante hoch und lächelte den Grundschüler freundlich an. „Du siehst die Dinge vielleicht besser, wenn du erstmal wieder richtig guckst.“ Er wies mit seinen Augen Conan's Blick ganz nach rechts, auf das kleine Tischchen neben seinem Bett, auf dem zwei Dinge lagen, ein dickes Taschenbuch und eine große, im Gestell schwarz gehaltene Brille. Zögerlich sah der Junge nochmal zum Arzt, der ihn freudig ermunterte, nahm dann langsam die Brille an sich, bewegte sie eine Weile hin und her zwischen den Fingern, sah nochmal auf, faltete die Bügel auseinander und setzte sie sich schließlich gezielt auf die Nase. Der ganze Vorgang nahm vielleicht eine Minute in Anspruch und kam den Anderen auch urig lange vor. 'Merkwürdig. So viel anders sehe ich gar nicht...' Der Schmerz in Conans Kopf hatte sich soweit gelegt, dass er wieder klar denken konnte, wenn er ihn nicht überanstrengte. Nur gab es dabei ein Problem. Mit scheinbar jeder neuen Informationen wurde es in seinem Kopf verworrener... irgendwie passte alles nicht so recht. „Wir wissen eigentlich gar nicht mehr richtig, was wir tun, wenn wir in unserer Muttersprache sprechen. Wir haben sie so in uns aufgesogen, dass sie in unserem Unterbewusstsein verankert ist und wir uns da fast mehr bedienen im Gespräch als in unserem Bewusstsein. Zumindest so lange wir nicht eine gewisse Gesprächsebene verlassen...“ „Sie meinen die Umgangssprache.“, stellte Conan kurz nachdenkend fest. „Genau! Wenn man versucht auf anderem Niveau zu reden, ob nun Fachgespräche oder Slang welcher Art auch immer, oder eben eine Fremdsprache, dann wird es schwieriger und man redet... bewusster. So lange bis...“ Nun zögerte er, wartete auf die Antwort des Jungen. Er wusste genau, was für ein schlaues Bürschchen da vor ihm saß. „...bis man auch diese andere Sprache so weit erlernt hat, dass sie im Unterbewusstsein verankert ist?“ „Bingo, sehr gut, Conan. Und genauso ist es auch mit den erworbenen Talenten, wie... Klavier spielen. Wer professionell spielen kann und retrograde Amnesie hatte, kann sehr schnell wieder Klavierspielen erlernen, weil er es im Prinzip in seinem Gehirn eingeprägt hat. Es muss nur reaktiviert werden. Also... nur... ist vielleicht übertrieben, aber... es ist weit von unmöglich oder unrealistisch entfernt. Im Gegenteil, es ist sogar sehr möglich, dass du dich bald wieder an alles erinnern kannst, mein Kleiner.“ Das Leuchten in Rans Augen nahm kein Ende und auch Sonoko schien nun die Hand ihrer Freundin loslassen zu können. Ein tiefer Seufzer entrang sich beiden. 'Na siehst du, Ran. Es wird nicht so schlimm sein, wie du befürchtet hattest.' „Moment mal, ich bin ja nicht ganz blöd.“, fuhr Kogoro in die kurze Freudenstimmung. „Conan sieht den ganzen Tag nur fern und quatscht allen Leuten dazwischen! Meinen Sie, dieser Westentaschen-Detektiv-Möchtegern hätte irgendwelche hochentwickelten Talente? In seinem Alter?“ 'Natürlich!', schienen ihm einige böse Minen entgegen zu funkeln, so dass er es fast schon wieder bereute, die Frage gestellt zu haben. Der Mediziner aber wirkte belustigt vom Schauspiel und holte einen seiner Notizkugelschreiber aus der Mantelbrusttasche. „Ich hätte sonst wohl selbst danach gefragt, aber danke, dass Sie mich bereits bestätigt haben, Herr Mori. Ja, scheinbar ist Conan ein sehr... guter Denker für sein Alter. Wie Sie sagten, ein Möchtegern-Detektiv? Den Tokyo Tower zu erkennen ist Allgemeinbildung. Das aber als Argument zu bringen, um den Namen Conan zu hinterfragen, obwohl es der eigene ist und er über diese Informationen eben nicht verfügt, das ist... wirklich beeindruckend schon.“ Damit erachtete er diesen Punkt als beendet und warf ohne Vorwarnung den Kuli zu Conan. Der schrak kurz hoch und fischte ihn dann doch sicher mit der rechten Hand aus der Luft. „Man weiß allerdings nie, ob die motorischen Fähigkeiten noch völlig normal sind. Deshalb der kurze Test auf Reaktion und Beweglichkeit der Arme. Den hast du bestanden. Jetzt nimm bitte mal das Buch, das dort noch liegt.“ Conan fuhr erneut herum, betrachtete das kleine Buch, dessen Cover in einem dunklen, matten Braunton gehalten wurde. „Beschreib das Bild mit deinen eigenen Worten!“ Nun wirkte es wirklich bald wie ein kleiner Test für Grundschulkinder, den der 'Lehrer' Asunaja da durchführte. Conan glitt über die Oberfläche, betrachtete jeden Winkel der einen Seite, bevor er monoton, fast melancholisch, anfing. „Es scheint eine Art metallische Wand zu zeigen, karoförmig grob strukturiert. Darin eine unscheinbare Tür, daneben eine Leiter, über dieser... ein Mann, von hinten, nackt. Er versucht verzweifelt hoch zu klettern, was ihm aber nicht möglich scheint...“ „Der Ausbruch ist unmöglich. Das ist auch die Quintessenz des Buches. Du hast den Titel und den Autor gar nicht genannt.“ Alle standen erstaunt drum herum, beobachteten, wie der Arzt eine Information nach der anderen aus Conan heraus kitzelte. „George Orwell... 1984... ist das nicht ein etwas ungewöhnliches Buch... für mich?“ „Findest du es denn ungewöhnlich? Du siehst an deinen Händen... und vermutlich auch an dem kleinen Mädchen, dass so etwas wie deine Freundin sein kann...“ Unwillkürlich spürte er einen dunklen Schatten in seinem Rücken, brach ab, wandte sich um, fand aber nur Ran, die immer noch sich über Conans mögliche Genesung freute. 'Was... sollte das denn...' Er schien beunruhigt, fing sich aber schnell. „Äh, wo war ich... also du bist Grundschüler, erste Klasse, um genau zu sein, das kannst du erahnen. Und du vermutest richtig, ich fand das Buch auch komisch für ein so kleines Kind. Aber wie du es vielleicht mittlerweile selbst gemerkt hast, steckt in dir eine Menge, was man nicht erwarten würde. Deshalb war das Buch für mich ja auch ein guter Hinweis. Du bist wirklich ein schlauer Junge und scheinst dich tatsächlich schon für so etwas zu interessieren.“ Conan schaute unsicher zwischen Buch und Arzt hin und her, blätterte dann ein wenig im 350 Seiten umfassenden Werk. „Du hast es... am Samstag in der Stadt gekauft, Conan.“, begann Ran zögerlich, als er scheinbar kein anderes Interesse mehr verfolgte, als das Buch zu überfliegen. „Du nahmst es überall mithin seitdem, hast es gar nicht mehr aus der Hand gelegt, sogar jetzt zu dem Schloss, wo der Unfall passierte...“ Ruckartig klappte er das Buch lautstark zu, etwas schien ihm aufzustoßen. 'Was sollte das denn?', ging es ihm durch den Kopf. Erneut sah er das Bild von dem ausgelöschten Licht vor sich, diesmal aber war es nicht das Wort Conan, das ihn so frösteln ließ, es war ein Wort, das er in diesem Buch las. Er fühlte, wie eine Merkwürdigkeit in diesem Zustand der Nächsten folgte. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Er brauchte ein paar Klarheiten. Und sie, diese junge Frau, schien dabei eine besondere Rolle zu spielen. „Sie... äh... du... bist du etwa meine große Schwester?“ Engelszungen eines Kindes, die kein Wässerchen trüben konnten, durchdrangen die Luft und führten bei allen, die den Jungen nun schon eine Weile kannten, einen eisigen Schauer, über den Rücken verteilt, herbei. So war er einfach nicht. „Ja, könnte man so sagen.“, antwortete Kogoro für seine Tochter, die offenbar mit der Frage zu tun hatte und diese Antwort auch nicht mochte. „Paps!“, zischte es grimmig von der Seite und sie konnte nicht umhin, dass sich auf ihrem Gesicht leichte Farbe zeigte. „Was hast du denn, das kommt der Wahrheit doch am nächsten und das Ganze jetzt zu erklären, ich weiß nicht...“ „A-ber, aber, wenn Sie nicht mit meine Schwester und Sie nicht mein Vater sind... sind dann meine Eltern gar nicht hier?“ Die Frage saß tief bei den meisten Beteiligten. Die Antwort lautete ja, aber, ein siebenjähriges Kind, allein und nun ohne Gedächtnis; konnte man ihm das so einfach ins Gesicht sagen? Unter dem Aspekt... sie waren ja nicht tot oder so, sondern auf Reisen im Ausland, so der offizielle Tenor, sie waren einfach nicht da für ihren Sohn... konnte man so etwas sagen? Aber auch dafür schien Kogoro relativ wenig Feingefühl zu besitzen. „Die sind halt nicht da, und zur Zeit wohnst du bei mir und meiner Tochter Ran, mit der du eben gesprochen hast. Wenn ich mich vorstellen darf, Kogoro Mori, der größte Meisterdetektiv, den Japan je gesehen hat. Hahahah!“ Selbst Conan, den die erste Aussage gelinde gesagt, schockte, konnte nicht die leichte Fratze auf seinem Gesicht verhindern. 'Das... soll mein Erziehungsberchtigter sein... oje.' „Und... ihr Anderen seid... dann alles nur... Bekannte.“ Der Arzt nickte stellvertretend für die Gruppe, die gebannt den Patienten anstarrte. Er hielt auch kurz die Arme hoch, zum Zeichen, dass sich jetzt nicht alle einzeln vorzustellen brauchten. „Ich denke doch, wir haben noch genug Zeit, die Bekanntmachung zu vollziehen und auch, dass du alles um dich herum wieder kennen lernen wirst. Aber, bei einem so talentierten Jungen, da glaube ich, können wir dich schon bald dazu bringen, mit ein paar Erinnerungen dein Gedächtnis wieder aufzufrischen.“ Er lächelte, erhob sich gerade, als ihn Takagi zurück hielt. „Sagen Sie, Herr Doktor, wäre es dann nicht auch hilfreich, wenn er nochmal ins Schloss fährt? Immerhin hat er dort theoretisch die letzten Erinnerungen gehabt. Das sollte ihm doch am ehesten...“ Der schüttelte bedenklich zunächst den Kopf, lenkte dann aber ein. „Nun ja, Sie meinen wohl damit möglichst bald? Ich würde ihn zumindest noch ein wenig untersuchen, aber im Prinzip, wenn Sie noch eine Stunde oder so warten wollen, hätte ich nichts dagegen, sofern noch eine Schwester mitkommt. Nur sicherheitshalber; es scheint alles in Ordnung. „Ich würds trotzdem lassen, wenn ich an Ihrer Stelle wär, Inspektor.“ Alle drehten sich erstaunt zum Fenster, an dem immer noch Heiji Hattori und Kazuha Toyama standen und relativ unbeteiligt das Geschehen verfolgten. Zumindest Kazuha fühlte sich hier als die für Conan entfernteste 'Bekannte'. „Wie... wie meinst du das, Heiji?“, erkundigte sich der Polizist verwirrt. Die Tonlage gefiel weder ihm noch den anderen so wirklich. Heiji lehnte gelassen am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, fixierte unter seiner Baseballkappe die Mitte des Raumes. „Ich will Se nich unnötig beunruhigen... und dich erst recht nich, Kleiner...“ Sein Blick wanderte zu dem Jungen und Conan erkannte den Ernst in den Augen dieses jungen Mannes mit Akzent. „... aber ich fürchte, dieser Treppensturz..., das war kein Unfall... das war ein Mordversuch.“ Kapitel 2: Ein ungewöhnlicher Treppensturz ------------------------------------------ Hallo an alle Lesenden,^^ und willkommen zum zweiten Kapitel der Amnesie-FF in meiner Reihe. ^.~ Zunächst erst einmal wieder ein herzliches Danke schön an die fleißigen Kommi-Schreiber, ich hoffe, nach den jetzigen Beiträgen zu urteilen, ich enttäusche eure Hoffnungen/Erwartungen nicht zu sehr... *schluck* Denn... nun ja, viel ist seit Conans Erwachen nicht passiert und ich fürchte die nächsten zwei, drei Kapitel sind auch noch... dem Anfang geschuldet. Nicht dass sie unnötig oder ähnliches wären... ich glaub ich hab schon genug Antiwerbung gemacht XD, also lest es selbst und entscheidet dann. In jedem Fall beginnt hier der Kriminalfall, aber die eigentliche Fallbetrachtung erst ab dem fünften Kapitel. Warum, wird im vierten Kapitel klar... ;] Ansonsten kann ich an dieser Stelle nur viel Spaß beim Lesen wünsche und hoffe, es gefällt euch.^^ Bis nächste Woche. LG, Diracdet ________________________________________________________________________________ Kapitel 2: Ein ungewöhnlicher Treppensturz Ein tiefes Raunen durchzog den Raum, der simultane, kräftige Zug an der Atemluft, den jeder instinktiv, reflexartig ausführte, schien nicht nur den Sauerstoff, sondern auch jede andere Atmosphäre kurzzeitig zu absorbieren. 'Versuchter... Mord?' Der Professor zuckte unwillkürlich zusammen, merkte, wie ihm einmal mehr unwohl um seinen guten Freund wurde. Sein Blick fiel schlagartig zum kleinen Mädchen neben ihm. Auch Ai schien innerlich leicht zu verkrampfen, aber ihr Blick blieb so wenig aussagekräftig, wie fast immer. Zumindest aus den Augen von jemandem, der sie nicht schon so lange kannte, wie Hiroshi Agasa. Sie und Conan Edogawa. Sie war in Wirklichkeit vollkommen ernst und sich über den Hintergedanken dieser Behauptung wohl bewusst. 'Also... oh nein, Kudo! Du änderst dich nie...' Sie registrierte die Augen ihres ständigen Gastwirts in diesem Moment und nickte so unmerklich, dass er selbst kurz zweifelte, ob sie sich überhaupt bewegt hatte oder einfach nur ausatmete. 'Doch, Professor, genau so ist es... wieder mal.' Auch Sonoko und Inspektor Takagi hielten eine Weile den Atem an, konnten den selben Gedanken blitzschnell erfassen. Es gäbe nur einen Grund, wenn es denn wahr wäre, in Anwesenheit eines Detektivs und im Rahmen einer polizeilichen Untersuchung, dass jemand versuchen würde, ein kleines Kind zu töten... und dieser Junge war der perfekte Katalysator für diesen Grund. Ein zu vertuschendes Verbrechen! Stirnrunzelnd ließ sich der Inspektor etwas nach hinten fallen, bis er nicht mehr neben sondern schräg hinter Kogoro Mori stand. 'Heißt das, er hatte doch recht? Ist dem Künstler Atsushiro Tashija doch... etwas zugestoßen?' Er biss sich langsam, und scheinbar ohne es recht wahrzunehmen, die Unterlippe ab, als er den Blicken des Oberschülers folgte, die gespannt auf den kleinen Jungen im Bett zielten. Heiji suchte Conans Reaktion. Sie musste einfach... ungewöhnlich ausfallen. Conans Blick war ebenso starr auf den Osakaer gerichtet, wie der der anderen. Natürlich musste auch in seinen Augen dieser Schock sitzen, mehr als bei den anderen insbesondere. Sie waren gewöhnt an dieses Leben, zusammen mit Detektiven und Polizisten, umgeben von Verbrechen, als gäbe es praktisch nichts Gutes auf der Welt. Aber er... in dieser Situation... Sein Herz raste schrecklich, verdreifachte sicher seine Schlagzahl, drückte in seinem Hals am Kehlkopf, verstärkte die Trockenheit und kämpfte gegen seine Stimme an. Die Momente des Fallens, seine letzten Erinnerungen, unmittelbar nach diesem mysteriösen Sturz, als das Herz sein einziger verbliebener Zeitmesser war, kamen wieder in sein Gedächtnis, verstärkten noch das Gefühl, welches ihm bereits Heijis Worte einflößten. Angst machte sich in seinem Kopf breit, leichte Schweißausbrüche zeichneten sich ab, seine Hände schienen sich zittrig in die Decke zu verkrampfen, die er bis unter das Kinn zog und doch... Und doch war das nur ein Teil seiner Reaktion. Der Teil, den er klar verstand. Furcht um das eigene Leben, das ihm ja so unbekannt wie ein dauerhafter Schatten im Nebel erschien. Das war... 'normal'. Der andere Teil, der mit jedem der beschleunigten Atemzüge zunahm, jedoch, war vollkommen unbegreiflich für ihn. Anfangs hielt er es für Nervosität, Aufgeregtheit und ordnete sie der Angst unter, die zuerst kam. Aber das war es nicht. Er kam nicht umhin, seinen Blick fest auf den, der dieses böse Wort 'Mord' einbrachte, fixiert zu halten. Er musste wissen, was gemeint war. Dieser Teil war... Neugier?! Jede dieser simultanen Reaktionen, war in wenigen Sekunden nach dem Schock für die Beteiligten abgearbeitet. Heiji beobachtete sie ruhig, ließ ihnen diese Zeit, damit er auch gezielt auf die sich anbahnenden Fragen antworten konnte. Nur kam die erste, eine der wohl zu erwartenden Fragen, von einer Person, von der er es nicht erwartete. Die Krankenschwester, die schon sicher zehn Jahre mit so vielen Kindern gearbeitet hatte in ihrem Leben, konnte nicht anders bei seinem Satz, ihr Mutterinstinkt befahl es ihr zu handeln. Nachdem sie den Schock kurz runtergeschluckt hatte, schlang sie wie wild den Kopf Conans in ihre Arme, drückte ihn fest an sich, so dass er doch seine Gedanken beiseite legen musste. Ein Gefühl von Geborgenheit durchflutete ihn, ja, diese Frau war wirklich mit Leib und Seele ihren kleinen Patienten verschrieben. Es tat gut, es war angenehm, warm, beruhigend... und irgendwie... so ungewöhnlich. In Conans Kopf wollten sich einfach keine unterschwelligen Bilder dazu sammeln. „Wie können Sie nur so etwas sagen? Und auch noch vor dem kleinen Jungen!“ Noch fester drückte sie den Körper an sich, ohne dass Conan befürchten musste, Probleme mit seiner Atemluft zu bekommen. Dennoch schreckte er kurz zusammen, als ihn das Gefühl durchfuhr, beobachtet zu werden. Im äußersten Blickwinkel sah er ein Paar wild funkelnder Augen ihn anleuchten. 'Dieses Mädchen... diese... Ran...' Ob sie ihn mal so umarmte? Wenn sie so etwas... wie seine große Schwester war? Auch dazu schien ihm sein abgedunkeltes Erinnerungsvermögen nichts preis zu geben... aber der Gedanke beschleunigte erneut seinen Herzschlag. Irgendetwas war anders bei ihr, als bei den anderen. Sie, die ebenfalls tief in seinen ersten Erinnerungen verwurzelt war, sie die ihn in der Dunkelheit rief, als Zeichen, er fuhr noch nicht ins Jenseits. Ran Mori... wer war sie? Und... warum war sie, wer sie war? „Na los, Heiji, klärst du uns nun nochmal auf, oder war es das mit 'Es war Mordversuch'?“, führte Kogoro entnervt die Aussage der Schwester weiter, die offenbar keine Antwort wollte, sondern sich mehr an den Kopf Conans schmiegte. „Ganz ruhig, Herr Mori. Ich mein' nur, es gibt da zwei Ungereimtheiten in diesem... 'Unfall', wie Se es nenn'.“ Nun streckte er sich langsam von der Wand neben dem Fenster weg, trat einen Schritt nach vorne in die Mitte des Raumes. Unwillkürlich wollte Conans selbsternannte Beschützerin noch mehr Hand an den kleinen Jungen legen, fühlte aber, wie dieser den Kopf wandte, um ihn Heijis neuer Position im Raum anzupassen. „Sie können ihn jetzt loslassen. Er hat den Schock wohl verdaut.“, klang es direkt schnippisch von Ran, was die medizinisch-technische Assistentin schließlich dazu brachte, ganz abzulassen von ihrem Patienten, ohne sich jedoch aus seiner Reichweite zu entfernen. Kurz fiel sein Blick wieder zu ihr. 'Ist sie etwa... eifersüchtig?' Verwundert drehte sich sein Kopf wieder zu der Person etwas vor dem Fenster. Der junge Mann faszinierte ihn ebenfalls. Aber ganz anders irgendwie als dieses Mädchen. Er... seine Ausdrucksart, wenn auch der Dialekt störte... oder doch einfach diese Aussage? Was war das nur für ein komisches Gefühl, das ihn trieb in diesem Moment? Neugier, warum man selbst offenbar... Zielscheibe war? 'Lächerlich! Das kann doch unmöglich...' Ein Schauer durchfuhr seinen Körper und er zuckte augenblicklich mit dem rechten Arm an seine Stirn. Der Schmerz war weniger stark als beim ersten Mal, aber immer noch stark genug, dass er kurz die Augen schloss, und sie langsam wieder öffnete. Vor seinem Auge baute sich in der Mitte der Arm auf, verdeckte sein halbes Sichtfeld, links konnte er noch Kogoro und den Inspektor sehen, rechts eine Hälfte von Ran. Dann stellte das Auge scharf auf den Arm, die Konturen der Menschen um ihn wurden verschwommen. So nah vor seinem Kopf wirkte er leicht abgedunkelt, nur wenig Licht schien darauf. Augenblicklich huschte ein Bild durch seinen Kopf. Ein dunkles, längliches Gebilde vor einem unkenntlichen Hintergrund. Aber nicht so gerade wie sein Arm, leicht nach unten dünner werdend... was sollte das sein? Etwas anderes unterschied es ebenfalls von seinem Arm... es schien gleichmäßig zu sein, nicht mit so einem Blauen Fleck versehen, wie er bei ihm mittig prangte. Ein Zeichen seines Sturzes... Mit einem Mal schluckte Conan hart, besah sich erst diesen dann seinen anderen Arm, fühlte mit den Händen an seinem Körper entlang. Mindestens fünf oder sechs Stellen mit solchen leichten Verletzungen machte er aus. 'Dieser Typ hat Recht!' Heiji glitt ein ganz leichtes Lächeln durch das Gesicht, als er Conans Gedankengänge verfolgte. 'Ich wusste, du würdest es verstehen, Shinichi. Aber diesmal brauchst du dich nicht um den Fall kümmern. Das mach ich schon.' Dieser Moment war genug, damit er nun endlich seine Bedenken aussprechen konnte. „Ich fass mal kurz die offizielle Variante zusammen, auch für den Kleinen hier, damit wir im Bilde sind.“ Er verschränkte lässig die Arme vor der Brust. Sein Lächeln aber, welches eben unter der Baseballmütze durchgeschienen hatte, verschwand ebenso schnell, wie es aufgetaucht war. Bitterer Ernst stand nun dort. 'Wie immer eigentlich, wenn es um einen Fall geht.', sinnierte Kazuha von der Seite zusehend. „Sie, Herr Mori, Ran und Conan waren auf diesem Schloss von Herrn Kunieda, wo ein Künstler vor ner Woche oder so verschwunden ist. Die Polizei konnte ihn weder dort, noch in der Nähe des Schlosses finden, aber einer der anderen dort wohnenden hat Sie, den Detektiv Kogoro Mori beauftragt, den Fall nochmal zu untersuchen.“ Der Angesprochene nickte bestimmt und ernst, alle anderen hatten nur kurz bestätigend gezuckt. Conan musste kurz innehalten. 'Der meinte das ernst? Der soll echt... Detektiv sein? Na gut, gesehen hab ich noch nicht, wie er als solcher ist, aber... was ist der andere dann, dieser... Heiji, hatten sie ihn wohl genannt?' „Nun ist Conan angeblich von der Treppe, die, wie meintest du Ran, deutlich über 20 Stufen gerade runter geht, gestürzt, und hat dabei eine Gehirnerschütterung abbekommen. Und... wie du ja eben selbst noch mal überprüft hast...“ Er grinste frech zu Conan, der nur verlegen nickte, „... ein paar Blaue Flecken. Kommt Ihnen das nicht etwas spanisch vor, Herr Mori? Oder auch Ihnen, Herr Doktor?“ Dr. Asunaja hatte sich bisher aus dem Gespräch über Mordversuch und Unfall geflissentlich herausgehalten. Er kannte die Presse gut genug, um die Profession von Kogoro Mori und Heiji Hattori anzuerkennen und er hatte die Geschichte hinter diesem Unfall gehört. Dazu noch das, was ihm der Junge über sein Unterbewusstsein aussagte... ließ tatsächlich diese ungeheuerliche Option offen. Er zuckte kurz zusammen, als ihm klar wurde, worauf der Oberschüler hinaus wollte. „Es sind... zu ungleiche Verletzungen...“ murmelte er kreidebleich vor sich hin, aber laut genug, dass alle es hören konnten. „Genau das meine ich.“, bestätigte Heiji kaum lauter, aber deutlich überzeugter. „Wenn man eine Treppe hinunter stürzt, gibt es ein paar wesentliche Parameter für die Verletzungen, die man davon trägt. Reflexartig, wenn der Körper droht Schäden zu nehmen, zum Beispiel, streckt er seine Gliedmaßen aus und versteift die Muskeln und Gelenke um die Knochen, um den zentralen Bereich um die Brusthöhle stärker zu schützen. Bei kontinuierlichem Aufprallen ist das aber eher falsch, weil die Knochen ja versteift sind in dieser Form und nur die Gelenke zwischen diesen etwas den Stoß abfedern. Ergo, normalerweise führen genau aus solchen Gründen Treppenstürze, erst recht aus solcher Höhe, fast immer zu Verstauchungen oder Knochenbrüchen. Die instinktiven Schutzmaßnahmen des Körpers sind auf solch künstlichen Strukturen wie Treppen gar nicht eingestellt, kann man sagen. Wir haben hier aber nur ein paar Blaue Flecken... und eine Gehirnerschütterung mit retrograder Amnesie. Ein anderer Punkt, der hierfür relevant ist, ist natürlich die Körpergröße, denn je größer man ist, desto tiefer fällt der Kopf und umso härter schlägt er dann auf die Treppenstufen und Stufenkanten auf. Conan aber ist nur ein kleiner Junge. Sein Kopf fällt nicht viel tiefer als seine Arme oder seine Beine. Zumal bei der Relation seiner Größe zur Anzahl der Stufen man davon ausgehen kann, wenn er von ganz oben fällt, würde er nach kurzer Zeit recht gleichmäßig herunter rollen, oder hüpfen durch die Unebenheiten des Gefälles.“ Der Arzt nickte nur sinnierend vor sich hin. Heiji hatte vollkommen recht. Das hätte ihm vielleicht auch bald mal auffallen müssen. Die Verletzungen passen gar nicht zu dieser Art Unfall. Und so gesehen sprach es tatsächlich nach einem äußeren Eingreifen einer fremden Person, denn... „Moment mal, Heiji.“, unterbrach ihn Inspektor Takagi. „Das mag zwar alles schön und gut sein, beschreibt aber nur den Normalfall, was üblicherweise passiert. Kann Conan nicht einfach nur, ausgenommen von seinem Kopf versteht sich, Glück beim Fall gehabt haben?“ Kogoro nickte eifrig zustimmend und gab auch noch seinen Senf dazu. „Du beschreibst es so, als sei Conan nicht von dieser Treppe gefallen. Aber Blutspuren, die eindeutig von ihm stammen, waren auf der Treppe zu erkennen. Er ist definitiv da runter gefallen.“ Heiji lächelte, leicht ironisch, weil es nicht so richtig wie bei einer Fallaufklärung war, der Täter auf freien Fuß, und das Opfer alles andere als in einem... stabilen Zustand. „Ich habe nie behauptet, er wäre nicht da runter gefallen.“ Ein Schauer durchzog die anderen erneut. Der Detektiv aus Osaka nickte kurz dem Arzt zu, woraufhin dieser sich räusperte, um seine Stimme wieder zu finden. „Er kann sicher gefallen sein, die Blauen Flecken sprechen am ehesten dafür... aber nicht die Gehirnerschütterung. Sie muss er sich anderweitig zugezogen haben. Da sowohl auf der Treppe, als auch an deren Fuß, wo er gefunden wurde, aber Blut war, war der Fall sicher erst nach der Verletzung am Kopf. Und das Glück... wie Sie es nennen, Herr Inspektor... ist wohl einfach die sich daraus ergebende Tatsache, dass Conan vermutlich schon vor dem Sturz... bewusstlos war. So konnten seine Reflexe nicht so hinderlich eingreifen und er fiel relativ gleichmäßig mit unverkrampften Muskeln. Doch... Sie haben Recht, Herr Hattori. Unter den gegebenen Umständen, wie soll er bewusstlos die Treppe runter gefallen sein und wo hätte er sich so verletzen können?“ Er wirkte etwas beschämt, diesen Aspekt nicht selbst bei den bisherigen Untersuchungen des Jungen festgestellt zu haben. Aber die schockierten Gesichter der Leute um ihn schienen das kaum zu registrieren. „Soll... soll das heißen...“, begann Sonoko mit verängstigter Stimme, „Jemand hat Conan zuerst mit irgendetwas kräftigem gegen den Kopf gehauen, wodurch er bewusstlos wurde und sein Gedächtnis verlor und ihn dann auch noch die Treppe hinunter gestoßen, um ihn... zu...?“ Sie verkniff sich das letzte Wort, spürte eine unruhige Atmosphäre um sich herum. Neben sich. Von Ran. Mit dieser dunklen Vorahnung beladen wandte sie sich zu ihrer Freundin um, die gebannt auf den kleinen Jungen starrte. In ihren Augen stand genau das, was sie am meisten in diesem Moment befürchtete, Wut. Jemand hatte versucht, Conan zu töten. Und zumindest diese Person musste ihn für einen kleinen Jungen halten. Für ein eigentlich hilfloses Kind! Und dieses Kind wurde bewusstlos geprügelt und eine Treppe hinunter gestürzt, dann liegen gelassen, bis sie und die anderen ihn fanden. 'Das... das kann doch niemand... einfach so machen! Wie... wie kann man nur...? Shinichi, sags mir, wie?' Es war tiefste Verachtung in ihren Augen für eine Person, die sich ihr gestern noch als Künstler vorgestellt hatte. Und hätte Sonoko nicht gewusst, dass Ran von gerade dieser einen Empfindung frei wäre, sie hätte befürchten müssen, so etwas wie Rachegelüste darin zu sehen. Nein... Rache wollte sie nicht... aber... sie wollte diese Person zu fassen kriegen. Wer auch immer es wahr. Er durfte nicht mehr frei herum laufen. Niemals wieder! „Also schön... nur mal angenommen, es war so...“, begann Kogoro beschwichtigend, und auch, um etwas den Überblick zu bewahren. „Da gibt’s aber noch ein Problem. In der Nähe der Treppe gab es nichts, womit man ihn hätte schlagen können und das Blut konzentrierte sich wirklich am Fuß der Treppe. Wenn ihn jemand also vorher, wo anders am Kopf getroffen hat, wie kam dann das Blut so genau dorthin?“ Heiji wirkte weiterhin sicher, war scheinbar in seinem Element angekommen. „Bewusstlosigkeit hält ne Weile an, im Allgemeinen, und der Schlag kann ja rein innere Blutungen, bzw. nur eine schwache Platzwunde bewirkt haben. Der Täter könnte diese Wunde mit einem Tuch so lange zugedrückt haben, bis eine sehr dünne Blutplättchenschicht sie verschlossen aber nicht wirklich abgedichtet hatte. Dann ist diese beim Fall wieder aufgegangen und es sah so aus, als wäre sie erst beim Sturz entstanden. Was mich sowieso zu der Frage bringt, Herr Doktor... was kann man denn aussagen über den Aufschlag auf den Kopf? Das hat Sie ja offenbar nicht stutzen lassen, also war es vielleicht wirklich eine Kante, die ihn traf, oder wie?“ Der Arzt sah einen Moment verwundert auf, fuhr dann herum ums Bett und nahm den kleinen Krankenzettelblock davon ab. „Mal sehen, aber ich meine es war...“ Er legte die Stirn kurz in Falten. „Etwas stumpfes. Ja genau, es bedeckte die gesamte Stirnfläche relativ gleichmäßig, so das wir von einem Objekt ausgehen müssen, dass mindestens fünfzehn Zentimeter lang und zehn Zentimeter breit ist. Da es aber auch beliebig größer sein könnte, gingen wir von einem frontalen Stoß auf eine Treppenstufe im ungünstigen Winkel aus.“ „Aber mit so was großem wird man doch selten geschlagen, das muss doch der andere erstmal hoch heben.“ Nun wirkte auch Heiji verwundert. Seiner Theorie lag an dieser Stelle doch ein arges Hindernis im Weg. Sollte der Täter ernsthaft ein riesen Brett oder etwas vergleichbares genommen haben, um einen kleinen Jungen zum Schweigen zu bringen? Und dann noch der Treppensturz... „Und wenn nicht mit einem Objekt geschlagen, sondern gegen dieses geschleudert?“ Alle sahen entsetzt zum kleinen Jungen im Bett. Dieser verfolgte zwar aufmerksam die ganze Diskussion, beteiligte sich aber bis jetzt nicht daran, sodass manche fast vergaßen, dass das Opfer dieser Tat immer noch mit im Zimmer war. Nun aber, als es plötzlich stiller wurde, meldete er sich zu Wort mit einem Gedanken, der ihm seit ein paar Minuten im Kopf herum spukte. „Ich meine, wenn es ein zu großes Objekt ist, als dass jemand mich damit erschlagen hätte können, weil es schwer ist und irgendwo festhängt, dann könnte man so ein kleines Kind wie mich doch auch einfach als Erwachsener hoch nehmen und mit voller Wucht dagegen... schleudern... oder nicht?“ Die Krankenschwester war nicht die einzige, die mit einem Mal gehörigen Abstand nahm von dem kleinen Kind. Alle schienen schaudernd festzustellen, wie... harmlos er darüber reden konnte, was mit ihm möglicherweise passiert ist. Als ginge ihn das gar nichts an, oder es wäre das normalste der Welt. „Amnesie...“, begann Dr. Asunaja nach einer Weile erklärend, „...bewirkt auch, dass man sich selbst in der dritten Person sieht, man ist sich selbst so fremd wie jeder andere. Also kann man auch... über so ein Thema etwas distanzierter reden. Obwohl du dir immer klar machen solltest, dass es um dich geht, Conan. Du hast gerade erklärt, wie jemand dich töten wollte, ist dir das wirklich klar?“ Er beugte sich auf das Bett, sah dem Jungen tief in die immer noch nur teilweise einen Ausdruck beinhaltenden Augen. Immer noch wirkten sie so leer, viel zu leer für ein Kind, das eigentlich die Welt aus Neugier für sich erobern sollte. Auch auf diese drohende Ansprache hin reagierte er kaum, schluckte zwar kurz, aber wirkte uneinsichtig, nickte nur stumm. „Ich habe das auch nur gesagt, weil ich seit vorhin so ein komisches Bild im Kopf habe... ein Bild von einer Art... Rohr, sehr groß, und massiv wohl nach unten leicht dünner werdend... Und ich dachte, nach all Ihren Ausführungen jetzt, dieses Rohr könnte auch der letzte Eindruck gewesen sein, bevor ich bewusstlos wurde, was genau das bedeuten könnte.“ Die Augen des Arztes waren für einen Augenblick größer als die von Conan. Dieser Junge war absolut nicht normal. Aber er überspielte es gekonnt, streichelte ihm sanft über den Kopf. „Wirklich gut, mein Kleiner, es ist durchaus denkbar, dass das dein letzter Eindruck war. Und wenn es ein festes Rohr oder entsprechendes ist...“ „Dann gibt es auch einen Beweis, den der Täter nicht einfach so verschwinden lassen konnte!“, vollendete Heiji den Satz, den der Arzt so definitiv nicht vor hatte zu sagen. Und der auch Kogoro nun einen Schritt zu weit ging. „Nochmal ganz langsam, Heiji. Wenn das jetzt alles so stimmen sollte, warum sollte jemand... vermutlich dann ja einer unser drei anderen Künstler, versuchen, Conan umzubringen? Ausgerechnet jetzt, wenn ein Detektiv und andere Gäste anwesend sind?“ Die Frage, in diesem einen Moment, schien den meisten so unerwartet, dass er vielfach nur eine komische Grimasse zur Antwort erhielt. „Äh... deswegen?“, stotterte Heiji leicht genervt zusammen. „Sie waren doch dort, um einen verschwundenen Künstler zu suchen und die Polizei meinte, er wäre einfach gegangen, was Sie selbst aber wohl für unwahrscheinlich halten, oder hab ich das falsch verstanden?“ Kogoro nickte, schien aber den Kern der Aussage nicht begreifen zu wollen. „Conan hat womöglich den Beweis für Ihre Vermutung gefunden, was bedeuten würde... der Künstler, den Sie suchen, ist nicht abgehauen... er ist noch irgendwo im Schloss, oder ganz in der Nähe. Lebendig... oder tot. Und aus irgendeinem Grund will er, oder jemand von den anderen drei Künstlern nicht, dass das ans Licht kommt.“ „Verzeihung, aber...“ Conan unterbrach ihn in seiner selbstsicheren Rede nur ungern, aber es musste jetzt einfach geklärt werden. „Wer zum Geier sind Sie, Herr... Heiji... Hattori?“ Immer noch hatten sich, da es der Arzt zwischenzeitig unterbrach außer Ran, Kogoro und Dr. Asunaja niemand persönlich ihm vorgestellt und er konnte die meisten Namen nur aus den Gesprächen zusammenhängend ableiten. Dieser große 'Meisterdetektiv Kogoro Mori', wie er sich nannte, wirkte eher wie ein kleines Licht neben diesem unbekannten Herrn. Und diese überzeugte Art, die logische und vollständige Analyse der Situation, das war doch keine spontane Eingebung. Auch jetzt schien er das Ganze mit einem Lächeln hinzunehmen, stand da, stolz wie der König der Welt. „Ich, mein lieber Junger, bin Heiji Hattori, der Meisterdetektiv des Westens und ich bin hier, um den feigen Mordversuch aufzuklären, der sich gegen dich richtete.“ 'Okay, ich nehms zurück, der ist genauso aufgeblasen, wie Herr Mori...' Aber wie schon gegenüber Dr. Asunaja, schien auch Heiji Hattori den kleinen Jungen nur bedingt dazu bringen zu können, Emotionen preiszugeben. Seine Augen ruhten wachsam und still in ihrer Position. Aufmerksame Augen, aber scheinbar ohne jede Regung. Fast vollkommen... gefühllos. „Ja, aber... wäre nicht eher der Detektiv des Ostens hier nötig?“ Diese Frage traf einige Leute wie ein Blitz, Ran schwankte kurz in ihren Beinen, hielt aber Stand. Auch Sonoko, Inspektor Takagi und Kazuha schluckten hart. Dass er nach ihm fragen musste... „Wie kommst de denn darauf?“, versuchte Heiji gelassen zu bleiben, nicht den Eindruck zu hinterlassen, was auch ihm diese Frage bedeutete. „Na wegen dem Turm. Wir sind immer noch in Tokio. Du kommst dem Dialekt nach aus Osaka, und das ist Westjapan, Tokio ist Ostjapan. Und Japan selbst ist in allen Bezeichnungen der Welt ein 'östliches' Land, egal, wie man Weltkarten legt, weil es an die Datumsgrenze heran reicht. Sprich der Punkt fällt flach, also bleibt nur der Vergleich, Westjapan, Ostjapan. Und Vergleich ist wohl das Stichwort, denn ein 'Meisterdetektiv des Westens'-Titel macht nur Sinn, mit einem entsprechenden Gegenstück. Und sag mir jetzt nicht, Herr Mori ist dieser Meisterdetektiv.“ 'Nebenbei...', ergänzte er in Gedanken, '... bist du nicht etwas jung für einen Detektiv?' „Haha, natürlich, ich bin der wahre Meister, Heiji ist nur so was, wie ein Lehrling, der... Aua!“ Seine Rede fand ein jähes Ende, als sich sein Fuß unter der Schuhspitze von Ais Fußbekleidung wieder fand. Sie übernahm daraufhin auch freundlicherweise die Erklärung. „Ganz unrecht hat Herr Mori nicht, er ist einer der besten Detektive, die es zur Zeit in Tokio gibt. Allerdings, diesen etwas... PR-gepushten Titel 'Meisterdetektiv des Ostens' trägt ein anderer Detektiv, der zurzeit nicht erreichbar ist, da er für einen großen Fall außerhalb recherchiert.“ Die Monotonie, mit der sie sprach, schien stärkeren Einfluss auf seine Überlegungen zu haben, als Heijis gekonnte Argumentation von vorhin. 'Ganz normal ist dieses Mädchen aber auch nicht, oder? So... unkindlich.' „Und wer... wer ist dieser 'Meister des Ostens' nun?“ „Sein Name, auch wenn dir das ja bekanntermaßen nichts sagen dürfte, lautet Shinichi Kudo. Und er ist im gleichen Alter wie Heiji und Ran, also auch Oberschüler. Ein guter Freund von Ran nebenbei. Daher kennen wir ihn auch ganz gut.“ Schlagartig wollte Ran den Mund aufmachen, und reflexartig diese infame Unterstellung gerade rücken, aber sie behielt es für sich, und sah wie versteinert zu dem kleine Mädchen. Die Aussagen von Chris Vineyard spukten unwillkürlich in ihrem Kopf umher. 'Du bist Masamis kleine Schwester... aber, weder Hirota, noch Haibara ist euer wahrer Name, nicht wahr? Somit... bist du für mich nur ein noch größeres Rätsel, Ai.' Dass sich ihr Name mit dem Kanji für Trauer schrieb, schien auf einmal Sinn zu machen, wie auch ihre ganze, nach innen gekehrte, zutiefst melancholische Persönlichkeit. Eigentlich ergab alles praktisch einen Sinn bei ihr. Bis auf... ihre frühere Abneigung gegen Ran, die seit einiger Zeit... seit den Vorfällen im Hafen, sich schlagartig gewandelt hatte. Was hatten diese Ereignisse alle nur miteinander zu tun? Sie stellte ernüchternd fest, dass ihr selbst mit all dem Wissen zu Shinichis Fall, welches sie sich bis jetzt angehäuft hatte, ihr die Zusammenhänge kaum weniger nebulös erschienen. Sie war wohl doch nicht dazu geeignet, solche Schlussfolgerungen zu ziehen wie er. Obwohl er da ohne Erinnerungen vor ihr im Bett saß, fühlte sich Ran einmal mehr... klein. Klein gegen ihn, der seinen Kopf gen Himmel strecken musste, um ihr Gesicht zu sehen. Eigentlich musste er doch einen so einfachen Geist wie ihren... nur belächeln, vielleicht hatte er Mitleid, genoss die alte Bekanntschaft mit ihr aus Kindertagen... aber mehr war da wohl einfach nicht... was ihn an sie band. Das sagte zumindest ihr Verstand ihr in diesem Moment, und würgte damit einmal mehr ihrem Herzen die Luft ab. Sie versuchte diesen Gedanken, der ihr Hoffnungslosigkeit gab, zu verdrängen, zurück zu finden zu Ai und ihren ersten Überlegungen. Sie hatte sie verstanden... relativ gut zumindest. 'So sieht ein Mensch aus... der das Wichtigste in seinem Leben verloren hat... das darf ich nicht zulassen. Wenn er tatsächlich versuchte Conan zu töten, dann wird er es... weiter versuchen, sobald er erfährt, dass er noch lebt!' Rans Hände verkrampften sich zu Fäusten, und der Schmerz, der sich daraufhin in ihnen staute, war das Einzige, was sie in diesem Zimmer ruhig hielt. Conan war verändert, weil er immer noch diese unglaublichen Fähigkeiten besaß, aber sie einfach nicht einordnen konnte. Aber ohne... ohne solche wenigstens kleinen Gefühlsregungen, so war diese Person doch nicht... ihr Shinichi. Sie musste eine Träne heftig unterdrücken, sie durfte nicht in diesem Moment weinen, nein sie durfte einfach nicht. 'Er hat... er hat mir Shinichi genommen.' Jetzt erkannte Sonoko, was dieser Ausdruck in Rans Augen wirklich war. Entschlossenheit, unbändiger Wille, etwas notwendiges zu erledigen, koste es, was es wolle. „Herr Doktor?“ Heiji unterbrach das kurze Gespräch zwischen Ai und Conan, wohl wissend, dass es eines war, das unnötig Schwierigkeiten bewirken könnte. „Ich denke, wir sollten von dem Plan absehen, Conan jetzt zum Schloss mitzunehmen. Nach den bisherigen Aspekten muss der Täter hoffen, Conan sei tot. Erfährt er, dass er noch lebt, dann ist Conan in allergrößter Gefahr. Umgekehrt, bin ich mir auch nicht sicher, was passiert, wenn wir jetzt mit Polizeiaufgebot da anrücken würden wegen dringenden Mordverdachts. Der Verantwortliche ist sicher kein Dummkopf, so wie er bisher gehandelt hat. Er war nur unvorsichtig, Conan so leicht abzuschreiben, nach dem Treppensturz.“ „Das war er eigentlich nicht mal.“, korrigierte der Arzt nachdenklich, als hätte er ihn gar nicht gehört, mit einem leicht verunsicherten Lächeln zu Conan. „Der Junge... hätte normalerweise nicht überlebt.“ „WAS?!“ Der Schrei erfüllte die ganze Etage des Krankenzimmers und Ran hielt sich peinlich berührt die Hand vor den Mund. „Ent- entschuldigen Sie.“ „Er hat wirklich viel Blut verloren am Kopf, der glimpfliche Sturz war Glück und eine Amnesie dieser Art ist eine der harmlosesten Folgeschäden einer Gehirnerschütterung. Eigentlich... war es zu knapp, für einen kleinen Jungen. Aber... er ist bemerkenswert, ehrlich. Sein Körper hat unheimlich schnell geheilt, das Verschließen der Wunden, die inneren Blutungen alles verlief bisher viel schneller, als normalerweise. Die ganze...“ „Telomerase-Aktivität?“ Jetzt musste auch der Doktor an sich halten, um nicht sprachlos zu sein, denn es war besagter kleiner Junge, der diesen Fachbegriff einwarf. „Wo...woher kennst du bitte so einen Ausdruck?“ Conan sah verstört zur Seite, hinaus zum Fenster. „Das weiß ich doch nicht.“, murmelte er verzweifelt. Diese ganzen Aussagen, Argumente, seine Art und Weise, es war nicht nur befremdend für ihn, sondern scheinbar auch für die Leute um ihn, die ihn kannten. Aber er konnte den Gedanken sogar fortsetzen. Frei, mit geschlossenen Augen, sprach er einfach vor sich hin, was ihm zum Wort Telomerase in den Sinn kam. „Telomerase ist ein Enzym, dass die Zellteilungsprozesse dauerhaft erhalten kann, indem es die Begrenzung der Teilungsfähigkeit wegen der Telomere stoppt. Damit ist es direkter Gegenspieler der Apoptose, dem programmierten Zelltod, der die Zellen nach Beendigung ihrer für den Organismus günstigen Tätigkeit zum Absterben bringen soll... Soll ich weiter machen?“ Auch wenn es gefährlich war, Ai musste einfach kurz schmunzeln. 'Du hörst mir ja doch ab und zu zu, Kudo. Ich bin beeindruckt.' Es hätte diesen kurzen triumphalen Moment sowieso keiner bemerkt. Alle anderen standen mit offenen Mündern da. „Lernt man so was in Tokio schon in der Grundschule, Ran?“, fragte Kazuha ängstlich, die genau wie die Angesprochene vor der Oberstufe noch nie von den Wörtern in Conans Erklärung gehört hatte. 'Zellprozesse ja, und es erwähnte der Lehrer mal diese Begriffe, und dass sie noch gar nicht so lange bekannt sind, aber... nein, so was hat selbst Shinichi doch noch nie erzählt. Das war doch gar nicht sein Steckenpferd, auch als Detektiv nicht, oder... Als wärst du... noch jemand anderes, Conan... Du wirst, selbst wenn du es mal warst... niemals der Shinichi sein, der im Tropical Land weggelaufen ist. Dieser Shinichi... ist vermutlich längst... tot. Nicht wahr...?' „Wir können uns doch später noch über seine jugendliche Genialität unterhalten, zu erstmal gibt’s nen Verbrecher einzufangen, oder nich'?“ Betont erregt reagierte der Detektiv des Westens diesmal, um jede weitere Diskussion, die Shinichi nur noch verdächtiger machte, im Keim zu ersticken. Sie mussten hier raus. Was die Ärzte und Schwestern dachten, war egal, Takagi könnte ihnen wegen des Falles eh den Mund verbieten, wenn irgendwer medizinische Sensationen wittern sollte. Aber Ran, Sonoko und die anderen, die hier nicht um seine Identität wussten, mussten weg, solange Conan sich weiter verplapperte. Und auch was auch immer es mit dem Buch auf dem Nebentischchen auf sich hatte, das musste alles warten. Punkt eins den Täter schnappen, Punkt zwei Conan sinnvoll erklären, warum er in Gegenwart der Anderen die Klappe halten sollte. „Ich schlage folgendes vor. Herr Mori, Inspektor Takagi und ich fahren zum Schloss und fühlen den Künstlern mal ein wenig auf den Zahn. Dabei werden wir nur sagen, dass Conan nicht bei Bewusstsein ist und auch noch nicht fest steht, ob er durchkommt. Hier im Krankenhaus sind wir erstmal ungestört, und sicherheitshalber werden der Professor und Ai hier bei ihm bleiben. Sie können ihm das Meiste über sein Leben ja langsam erklären, damit er versteht, wer er ist. Ran und Sonoko, ihr geht am besten mit Kazuha irgendwo...“ Erstockte. An der Stelle fiel ihm nicht wirklich was ein. Offenbar hatten sich Ran und Sonoko sowieso von der Schule für heute abgemeldet und sicher auch nicht vor, jetzt shoppen zu gehen. Und Kazuha hatte sowieso nichts zu tun. Sie wäre sonst ja auch nicht dabei. Aber er kam eh gar nicht erst dazu, einen sinnvollen Vorschlag zu unterbreiten, weil sich Ran plötzlich vor ihm aufbaute. Ihr Blick zeigte nicht nur einen unumstößlichen Entschluss, den sie gleich verkünden würde, sondern drohte auch all denen Unheil an, die es sich jemals herausnehmen würden, ihr zu widersprechen. „Vergiss es, Heiji. Ich komme mit zum Schloss. Der Kerl, der versuchte, Conan zu töten, muss gefasst werden. Und nichts, was du sagst oder tust, wird meine Meinung diesbezüglich ändern können!“ Kapitel 3: Handlungsmotive -------------------------- Hallo an alle Lesenden^^, erstmal ein herzliches Willkommen an die weiteren Leser, die sich dazu gesellt haben während der letzten Kapitel. Ich muss sagen, ich bin ja richtig beeindruckt über die kleine Stammleserschaft, die ich mittlerweile zu haben scheine, wenn ich Kommis aber auch Favoriteneinträge sehe. Ich danke euch allen vielmals, auch und besonders für die vielen Kommis! ^///_____///^ Dann ein kurzes Wort zu den Bildern. Da der Mexx'sche Bilderserver zwischenzeitig Ärger gemacht hatte, wurden ein Teil, den ich nach dem letzten Kapitel geladen habe, gelöscht, dafür wurden diese Felder mit einem nicht vorhandenen Bild besetzt... X_X° Nein, keine Ahnung, wie und was da noch so lief, jedenfalls bis gestern konnte ich auch nicht die Bilder ersetzen, obwohl offiziell schon das Problem geklärt war. Dann aber gestern Abend ging es sie zu erneuern und voila, da sind sie! Entschuldigung, dass sie erst jetzt wieder umfassend sichtbar sind. Und vielen Dank an Animexx an dieser Stelle für die Reparatur rechtzeitig zum neuen Kapitel. ;] Zu der aufkommenden Diskussion, was Conan alles weiß, und was er preisgibt, sicher, darum geht es ja in dieser FF auch, wie er offen das anspricht, was bei ihm nicht stimmt. Und das hat natürlich auch Wirkung, die sich in diesem Kapitel andeutet. So, mehr habe ich im Moment wohl nicht zu erzählen..., äh, außer dem Kapitel... XD mit dem wir dann endlich die Ein-Zimmer-Szene verlassen, aber noch nicht das Krankenhaus. ;p Daher wünsche ich nur noch viel Spaß beim lesen und bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet _________________________________________________________________________ Kapitel 3: Handlungsmotive „Wie bitte?“ Heijis Gesichtsausdruck, ebenso wie seine verwirrte Stimme drückten ganz klar die Überraschung aus, die Rans Protest ausgelöst hatte. Er stand zuerst eine Weile mit offenem Mund da, bevor er schließlich diesen einen, nicht sehr gehaltvollen Satz heraus brachte. Und noch bevor ihm Ran hätte etwas erwidern können, bauten sich simultan, wenn auch unabhängig voneinander, Sonoko und Kazuha vor dem Detektiv auf. „Hey, Moment mal, du Osaka-Kudo-Variante, du schleppst Ran nicht auf dieses Schloss mit, wenn da Morde vor sich gehen. Zumindest nicht ohne mich, ist das klar?“ „Dasselbe gilt für mich, Heiji, das kommt gar nicht in Frage, dass hier irgendwer alleine hinfährt zu so einem gefährlichen Ort. Wenn Ran mitkommt, bin ich auch dabei, ist das klar?“ Der Osakaer war vor den grimmigen, furienartigen Blicken der überzeugten Damen schon ein Stück zurückgewichen, hielt sich tapfer nach hinten gebeugt auf den Beinen, suchte sein Gleichgewicht, während sein Kopf die Aussagen abspulte und ein gewisser Unmut sich dabei in ihm aufbaute. Er streckte sich langsam wieder hoch, versteckte seine Hände kurz in den Hosentaschen, um zu verbergen, wie sie sich vor Wut ballten, und setzte ein leicht verrücktes Funkeln in seine Augen, das nun seinerseits die Mädchen zurückschrecken ließ. „Sagt mal, habt ihr se noch alle? Ich schlepp' keinen von euch dreien mit zu diesem Schloss, eben weils da zu gefährlich für euch ist, ist das klar?“ „Bitte beruhigen Sie sich, wir sind hier in einem Krankenhaus!“, fauchte ihn die Schwester von der Seite an, zerstörte kurzzeitig diese eigene Welt, in die sich die Jugendlichen verkrochen hatten für ihre Meinungsverschiedenheiten. Heiji musste ein paar mal ausatmen, um wieder seine Rage abzulegen. Er entschuldigte sich beiläufig, ohne wirklich der Angestellten einen Blick zu schenken, trat dann wieder näher an die Oberschülerinnen heran. Ruhig, sachlich, aber bestimmt, setzte er erneut an. „Ihr kommt nicht mit, macht sonst was, von mir aus kümmert euch auch um Conan, aber bleibt von dem Schloss fern, wir regeln das schon!“ Mit einer Miene, die scheinbar keine Widerworte mehr zuließ, setzte er Kazuhas und Sonokos Bemühen so ziemlich einen Riegel vor; zwang sie lediglich etwas zittrig zu nicken. Allerdings weniger wegen der Angst, die er auf sie mit seinem Gesichtsausdruck ausübte, als wegen der Aussage, dass er niemanden von den dreien, inklusive Ran, mit zum Schloss nehmen würde. Dieser mentale Sieg schien ihm den Irrglauben zu verleihen, die Thematik hätte sich erledigt und er schwenkte seinen Blick fast schon hochnäsig weg von Kazuha und Sonoko zu der dritten Person, die diesen Disput erst ausgelöst hatte – und verlor schlagartig die soeben gewonnene Überzeugung wieder. Ran stand mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen da, hielt seinem mürrischen, unnachgiebigen Blick mit einem ebenso sturer Miene stand, schien überhaupt nicht beeindruckt von seiner Rede. „Ich sagte doch, es ist mir egal, was du dagegen einwendest, Heiji, ich werde wieder dahin zurück fahren. Es macht also keinen Sinn. Du hast recht, es ist gefährlich, aber gefährlicher für Conan, wenn wir hier noch länger warten, also...“ „Nichts also, verdammt!“ Er packte Ran unwillkürlich an den Schultern; sie musste doch vom Ernst der Lage zu überzeugen sein. Dass sie hier nichts bewirken konnte und wenn, dann nur sich selbst unnötig in Gefahr zu bringen... Heiji stockte, sah leicht blass in die immer noch festen Augen Rans. Sie hatte sich auch kurz wegen seiner Armbewegungen erschrocken, aber war ihm nicht ausgewichen, hatte nur ihre Arme ihrerseits nun locker nach unten hängen lassen, zeigte ihm, dass sie es gestattete, dass er sie so anfasste. Aber sie hatte ihren Blick nicht vergehen lassen, wirkte felsenfest überzeugt, unerschütterlich... mit einem Ansatz von Feuchtigkeit in ihren Augen, der Heiji so den Atem stocken ließ. 'Sie... sie weiß es? Sie weiß, dass Conan Shinichi ist? Aber... wie... wieso... seit wann? Er hatte doch immer alles mögliche unternommen, um genau das zu verhindern.' Ohne den Kopf zu verdrehen suchten seine Augen im Winkel den Blickkontakt zu Professor Agasa und Ai. Beide versuchten, als sie seiner Gewahr wurden, so unauffällig wie möglich mit den Schultern zu zucken. Niemand in diesem Raum, außer Ran und Shinichi, kannte die Antwort auf diese Frage, wenn er oder sie überhaupt diese Frage in Betracht zog. Und in diesem Moment sowieso nur Ran. „Ran, du... du kannst ihm damit doch auch nicht... helfen.“ Er murmelte den Satz mehr vor sich hin, seine Augen streiften ihren Blick nur noch. Ihr in die Augen sehen zu müssen, wenn sie tatsächlich mit diesem 'Wissen' an die Sache heran ging, das brachte er nicht fertig. Gleichzeitig konnte er es auch nicht aussprechen, nicht in dieser Runde, dass da offensichtlich eine gewisse Blindheit ihren Siegeszug über Rans Gedanken zu haben schien. Wenn der Täter erfährt, dass Conan noch lebt, würde er versuchen, ihn endgültig mundtot zu machen, so viel war klar, wenn man von der 'kein-Unfall-Hypothese' ausging, beweisen konnte man sie ja trotz allem nicht ohne Täter. Und genau das musste Ran unbedingt verhindern, dafür würde sie sich auch selbst in Gefahr begeben. Es ging nicht anders, hier musste ein Machtwort gesprochen werden, dass sie hier blieb. „Sie dürfen sich nicht unnütz in Gefahr bringen.“ Und dieses Wort schien ausgerechnet von der am unbedeutendsten wirkenden Stimme im Raum zu kommen. Ran schrak aus ihrer starren, sturköpfigen Haltung hoch, sah verängstigt zu Conan, der in seinem Bett kerzengerade aufrecht saß und mit großen Augen die Diskussion verfolgte. „Nicht... nicht wegen mir. Das wäre doch irrsinnig, wenn Sie sich unnötig selbst gefährden!“ Die großen Augen hatten ein tiefe Wirkung auf die junge Frau, selten hat sie sie so eindringlich empfunden. Und doch... schienen ihr diese Momente teilweise nur zu vertraut. Damals im Restaurant, nach dem Frühlingsfest, als er verschwand, Shinichi... damals tauchte Conan auf und machte ihr Mut... das war so wichtig für sie, aber es war auch... echt. Wenn er Shinichi war, müsste es doch falsch gewesen sein, eine Lüge in jenem Moment, als er gegangen war..., aber sie sah es nun an dem Jungen, der nicht lügen konnte, unfähig wegen seines eigenen Unwissens, zeigte er seine wahren Gedanken, Gefühle. 'Shinichi... hatte damals nicht gelogen, nicht gespielt?' Sonokos Augen streiften Rans Gesicht, sie spürte sie, sah zu ihr, den traurigen, erinnerungsvollen Blick in den Augen der Suzuki-Tochter. Sie dachte an Rans Gedächtnisverlust, als Conan sich für sie so sehr einsetzte, ohne, dass sie wusste, warum. Wie sie damals beschloss, ihn über ihren Aufenthaltsort im Unklaren zu lassen, um ihn zu schützen. Einfach so, ohne wirklich den Bezug zu sehen, der ihr aber im tiefsten Inneren offensichtlich zu sein schien. Er tat es ihr in diesem Moment gleich, offenbarte Ran damit genau diese Gedanken, die sie zu jenem Zeitpunkt hatte und auch formulierte. 'Warum hilfst du mir? Warum setzt du dein eigenes Leben aufs Spiel, um mich zu retten?' 'Weil ich dich liebe, mehr als alles auf der Welt...' Sie war sich über den Sinn dieser Antwort von damals, seit sie ihre Erinnerungen zurück gewonnen hatte, eigentlich immer im Klaren gewesen. Er zitierte ihren Vater bei seinem Liebesgeständnis an ihre Mutter, wollte diese für sie so wichtige Bekundung als mögliche Erinnerung wachrufen. Bis jetzt war ihr das stets klar, aber in diesem Moment, mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken belastet... 'Nein. Er wird das doch wohl nicht...' Sie wagte nicht mal, den Satz zu ende zu denken, wurde augenblicklich so rot, dass sie ihr Gesicht mit Gewalt zum Boden abwendete, damit es niemand sehen konnte. Weil es niemand sehen durfte. Heiji und Sonoko verfolgten verwundert den Gang von Rans Kopf, erkannten genau die Zweifel darin und verstanden die Aussage. Während es bei ihm für Erleichterung sorgte, schien Sonoko nahe an der Verzweiflung. 'DU... du hast es ihr noch nicht erzählt, Shinichi?!?' Ein wütendes Funkeln erreichte den Patienten auf direktem Wege, der ängstlich zusammen zuckte. 'Du elender..., kleiner... Feigling! Du solltest es ihr doch nur sagen. Heute ist Dienstag, sechs Tage sind rum von der einen Woche und du kriegst es nicht hin, Ran... ach, aufzuklären kann man ja schon bald nicht mehr sagen, sie weiß über Vermouth halbwegs Bescheid, über Ai und ihre Schwester, über die Organisation ist sie quasi auch schon im Bilde. Und sie ist praktisch überzeugt, dass du es bist, verdammt nochmal! Wie kannst du immer noch dicht halten?' Die Wut wandelte sich langsam in ein herablassendes verächtliches Abtun des Jungen. 'Glaub ja nicht, dass du dich wegen dieses Zwischenfalles hier aus der Affäre ziehen kannst, Kudo. Amnesie hin oder her, das Ultimatum steht. Entweder sagst du es ihr bis morgen früh, oder ich werde es... auf meine Weise tun. Und wenn es letztere Variante sein sollte... dann bist du selbst dran schuld.' Ein unwürdiges, kaum hörbares „Tse!“ beendete ihre kurze Gedankenpredigt und sie wandte sich sichtbar beleidigt ab. 'Hab... hab ich der irgendetwas getan?' Conan krampfte seine Hände noch fester in die Decke vor seinem Oberkörper, irgendwie war hier niemand vollkommen... normal, was auch immer dieser Begriff bedeuten sollte. Allmählich musste er sich fragen, ob die komischen Antworten, die man ihm auf seine Fragen gab, vielleicht doch die ganz Richtigen waren. Denn, wenn das die Leute waren, mit denen er sich täglich umgab, kann das ja durchaus auf die eine oder andere Art abgefärbt haben auf ihn. „Ich... Ich habe nicht vor, mich in Gefahr zu bringen, Conan.“ Zögerlich nur, und immer noch, ohne ihn richtig anzusehen, antwortete Ran nun endlich auf seine Einwende und lenkte damit wieder alle Aufmerksamkeit auf sich. „Aber... ich denke... nein ich weiß, wir... müssen unbedingt herausfinden, was auf dem Schloss passiert ist, und dass ich dabei helfen kann.“ Sie ahnte, dass diese Aussage nicht genug für die Anderen sein würde, um sie zu überzeugen, aber allein der Gedanke, dass jemand da draußen sein könnte, der Conan umbringen will, dass dieser jemand den Untersuchungen entgehen könnte, auch wenn ihr Vater, sowie Heiji daran arbeiteten... Allein diese absurd geringe Chance, dass es nicht funktionieren würde ihn zu überführen, das alleine war genug Grund für sie, dass sie auch alles unternehmen musste, um dieser Untersuchung zu einem erfolgreichen Ende zu verhelfen. Eigentlich vertraute sie ihrem Vater, genau wie dem Detektiv aus Osaka und auch Inspektor Takagi. Zusammen würden sie sicher den Fall lösen... 100 prozentig. Oder eben doch nur 99,99 Prozent? Denn ebenso 100 prozentig hatte sie Conan in diesem Fall vertraut..., weil... weil er bei allem Unsinn, den er veranstaltete, einfach immer auch wieder kam, sich selbst aus jeder Misere ziehen konnte. Wie Shinichi... ein weiterer Punkt auf der ewig langen Liste an Gemeinsamkeiten, die sie seit langem aufzählen konnte. Aber dieses Vertrauen wurde bitterlich enttäuscht. Es gibt nun einmal Mächte, die niemand wirklich kontrollieren kann und der menschliche Wille war so einer. Und mit seiner... wenn auch Gott sei Dank nicht endgültigen, sondern nur halben Niederlage, war ihr Vertrauen stark erschüttert. Sie musste einfach helfen. Sie musste, nur um diesen prozentualen Bruchteil auszugleichen. Wenn es denn möglich war, einfach nur, damit Conan... Shinichi... weiter leben durfte. Die meisten konnten Rans Gesicht die ganze Zeit, die sie diese Gedanken verfolgten, nicht sehen, höchstens erahnen, was in ihr vor sich ging. Eine Person aber übersah sie bei ihren Vorsichtsmaßnahmen, ein kleines Mädchen, das seitlich nicht allzu weit von ihr entfernt genau beobachtete und verstand, was sich hinter ihrer Forderung verbarg. Sie ließ ihrerseits ihre Miene ebenso steinern wie immer, aber dennoch, wer sie kannte, erkannte auch einen leisen Funken von Trauer, Mitleid in den großen Augen von Ai. 'Du bist... wirklich genau wie sie, Ran. Du gehst freiwillig durch die Hölle, wenn es jemand anderem hilft, der es deiner Meinung nach verdient hätte... und das sind quasi alle. Du würdest Dinge tun, die dir sonst nicht im Leben einfallen, nur um sicher zu gehen, dass die Personen in deinem Leben in Sicherheit sind. Genau wie Akemi... und wie er. Manchmal wundere ich mich, wie zwei sich so ähnliche Menschen wie Shinichi und du finden konnten, aber... ihr habt euch nicht in dieser Form gefunden. Nein, jeder von euch beeinflusst den Anderen, treibt ihn dazu, sich noch mehr für einander zu geben... Das Böse im Menschen, wenn es das so in reiner Form gibt, ist immer auch etwas einzelnes, etwas für sich, dass man rigoros, ohne die Leute um einen herum durchzieht. Das Gute aber... das ist etwas, was nur in der Wechselwirkung stattfindet, in der Interaktion der Menschen, in ihrer gegenseitigen Hilfe. Wenn sich Menschen für einander einsetzen. Und ihr beide seid in diesem Punkt wirklich weit gekommen. Aber eben nur... wegen dieser Beeinflussung eurer beiden Leben. Tse... dass man das Offensichtlichste von der Welt immer erst sieht, wenn es diese kurzzeitig verlässt. Du wirst dich nicht umstimmen lassen, Ran. Nicht so lange es um Shinichi geht... also weißt du es doch eigentlich ganz genau, oder nicht?' „Aber Mausebein, du hilfst ihm doch am besten, wenn du hier bleibst und nicht unsere Ermittlungen störst, da wärst du gerade keine Hilfe. Und du bist doch auch wohl am besten geeignet, Conan alles zu erklären, was ihn betrifft, also komm...“ Wie befürchtet, ließ ihr Vater ihr eigentlich keine Chance und Heiji wollte schon erleichtert ausatmen, da selbst Ran wohl in so einer Situation nicht ihrem Erziehungsberechtigten widersprechen konnte. „Aber Ran muss wohl sogar mitkommen, zumindest wenn dein Plan klappen soll, Heiji.“ Der Anflug von Traurigkeit in Ais Augen war gänzlich verschwunden, als sie etwas aus dem Schatten hervortrat. Im Gegenteil lag nun wieder diese unnahbare Ruhe, diese Tiefe einer stillen See, wie es die berühmte Metapher besagt, in ihrem Blick, sogar dieser fast herablassende Ton, der eigentlich Egalität gegenüber dem 'Plan' Heijis symbolisierte. „Wie meinst de dass denn, Haibara?“ Der Osakaer kam mit dieser neuen Situation nicht zurecht. Ausgerechnet Haibara, die ja Shinichis Geheimnis kannte, genau wusste, wie er reagierte, wenn sich Ran seinetwegen in Gefahr brachte, die Männer in Schwarz und das Gift am besten kannte, ausgerechnet sie schien nun seine Versuche, schlimmeres zu verhindern, zu torpedieren. „Ich sags auch nicht gerne, aber euer Täuschungsmanöver wird ohne Ran so ziemlich den Bach runter gehen. Die Polizei war vor einer Woche da, nun kam ein Detektiv mit Familie und ein kleiner Junge erleidet einen Treppensturz. Wenn ihr nun mit einem Detektiven, einem zweiten, und einem Polizisten, aber ohne die Tochter von Herrn Mori hinkommt, könnt ihr gleich verkünden, dass Conans Unfall ein Mordversuch war und alle nun verdächtig sind. Oder könnt ihr mir verraten, was ihr ihnen dann sagen wollt?“ Sie verschränkte symbolisch die Arme vor der Brust, sah abwartend von einem zum anderen der drei Kriminologen. Die fehlende Antwort übernahm sie dann mit beißendem Sarkasmus. „Vielleicht, dass Ran noch zur Schule musste, aber sich ein Osakaer spontan frei nahm, um sich für diesen interessanten Fall zu begeistern, während der junge Inspektor Nachhilfeunterricht in Kriminologie nimmt?“ „Schon gut!“, fasste sich Kogoro genervt an die Stirn. „Heijis Täuschungsplan ist Schwachsinn, kapiert. Dann rücken wir eben doch mit der Polizei an und durchsuchen das ganze Haus direkt nach Spuren des Angriffs.“ „Das geht eben auch nicht, Herr Mori, wir haben nicht die Beweise, wir haben nur Indizien. Da sind unsere Möglichkeiten recht begrenzt.“, korrigierte ihn Takagi leicht verlegen. „Das heißt, wenn wir mit einer großen Polizeieskorte anrücken, können wir auch nichts anderes machen, als das Haus erneut zu durchsuchen und sie insbesondere nicht festhalten. Wir müssen dann sogar unsere Karten bezüglich Conan ganz auf den Tisch legen, was seine Sicherheit erst recht gefährdet.“ „Dabei gebe es dann auch noch ein zweites Problem...“, ergänzte noch Heiji trocken und missmutig. „Denn genau das, das Haus durchsuchen, haben Sie von der Polizei ja schon getan, genau wie Herr Mori gestern, ohne direkt fündig geworden zu sein. Was immer es war, das den Täter so in Rage gebracht hat bei Conan, es war etwas, auf das Se alle bis jetzt noch nicht gestoßen sind, und das folglich auch bei ner zweiten Untersuchung nich zwangsläufig gefunden werden müsste. Damit würden wir dann unsere einzige Chance vertun, den wahren Schuldigen zu finden.“ „Will heißen, ihr habt nur eine Chance, wenn ihr so dahin fahrt, dass keiner von den Künstlern auf die Idee kommt, Conans Unfall würde skeptisch betrachtet werden.“ Ais Blick fing Ran auf, die ein leichtes Glitzern in den Augen zeigte. Ihre Mundwinkel hoben sich leicht, ganz leicht nur. „Also... schön... Ran kommt mit.“ Resigniert atmete Heiji aus, sah zu der verschmitzt lächelnden Ai. „Fall mir ja nie wieder so in den Rücken!“, murmelte er vor sich hin. 'Sie hätte sich eh nicht abbringen lassen, Hattori. Ich habe nur das Unvermeidliche beschleunigt. Oder wäre es dir lieber, wir hätten Ran hier gelassen und sie wäre dann auf eigene Faust zum Schloss gefahren?' Plötzlich spürte sie zwei Hände auf ihren Schultern, die ihre Gedanken unterbrachen, wandte sich nach vorne und starrte in Rans freudiges Gesicht. Sie hatte sich zu ihr runter gekniet, das eine Bein fast ganz auf dem Boden, das andere vor sich eingeknickt, hockte ganz auf Augenhöhe. „Ich danke dir..., Ai.“, kam es mit brüchiger Stimme, leicht kratzig. Diese reinen, ehrlichen Augen Rans, die sie zu durchdringen schienen! Das kleine Mädchen musste zur Seite blicken, auch wegen der Bitte, die sie noch hatte. „Ran... ich... ist schon gut. Aber... sei vorsichtig, bitte. Wenn dir etwas passiert, muss ich dafür bei ihm geradestehen.“ Die äußerlich Ältere von beiden sah sie einen Augenblick verwirrt an, lächelte dann aber noch mehr und schloss das kleine Mädchen unerwartet in die Arme. Ai selbst wusste mit diesem Moment nichts recht anzufangen, stand eine Weile eher hilflos da, bevor auch sie ihre Arme erhob und an Rans Oberkörper drückte. In diesem Augenblick wandte Ran ihren Kopf leicht zur Seite, so dass ihre Lippen direkt an Ais Ohr hafteten und sie flüstern konnte. „Ich werde dich nicht noch einmal enttäuschen, Ai. Es tut mir so Leid.“ Sie ließ das etwas versteifte Mädchen stehen und wandte sich wieder den Anderen zu. Ai sah ihr wie versteinert hinterher. 'Noch einmal? Wie meint sie das denn? Nicht doch...' Der Gedanke war ein nur noch größerer Schock. Da sie Ran im Moment wieder so sehr an Akemi erinnerte, kamen ihr unweigerlich die Erinnerungen an deren Tod in den Sinn. Den Tod, für den sie lange Zeit auch Shinichi und Ran... zumindest mitverantwortlich machte. Beide hatten ihr vertraut, obwohl sie sie belogen hatte, und beide konnten sie damals nicht retten. Aber das konnte Ran doch unmöglich wissen, diese Assoziation konnte sie gar nicht haben..., außer von... 'Nein, das würde er nicht tun, selbst wenn er sich Ran gegenüber offenbaren würde, dieses Kapitel würde er nicht preisgeben, ohne mich zu fragen.' Unweigerlich fiel ihr Blick zu Sonoko, auch sie könnte es... in der gegebenen Situation... wissen... 'Wäre das möglich? Aber was hätte sie davon, das zu erzählen?' „Na schön, also wäre das geklärt, Ran kommt mit, aber ihr beiden...“ Heiji wollte sich gerade an Kazuha und Sonoko wenden, provozierte aber nur einen weiteren abgrundtief bösen Blick, der ihm schnell den Mund verbat. „Schon gut, Kazuha...“ Kogoro zückte kurz eine Zigarette, steckte sie dann aber zurück in die Hosentasche als ihn ein Funkeln aus den Augen der beiden Mediziner traf, die das strickt unterbanden. Stattdessen versuchte er, da er eh die eine Hand in seiner Tasche hatte, nun lässig dazustehen, um seine Entscheidung zu verkünden. „Wenn Heiji sowieso als unser Gast da ist, und wir unbedingt auf geheimnisvoll und nicht skeptisch tun wollen, dann ist es wohl besser, wenn du als seine Freundin mit kommst. Da glaubt eh keiner mehr, wir denken an Mordversuche.“ „Aber... Se können doch nicht einfach...“ Heiji wollte verständlicherweise Einspruch erheben, sah besorgt rüber zu seiner 'Freundin', die offenbar zunächst sogar hoch erfreut schien. Beide jedoch sahen bei dem Wort verlegen zur Seite. „Ich hab ja nicht behauptet, sie soll selbst auf Mördersuche in dem Schloss gehen. Du bleibst gefälligst bei ihr, Heiji!“, räusperte sich der Detektiv über die offensichtliche Problematik. „Wie... die ganze Zeit zusammen bleiben?“, fuhr es Kazuha, nun leicht gerötet heraus. „Sollen wir etwa so tun, als wären wir en Paar?“ Kogoro hob auf diese Frage nur skeptisch eine Augenbraue, wollte gar nicht erst antworten, bis es Conan für ihn übernahm und in schallendem Gelächter ausbrach, das er zunächst noch versuchte, zurückzuhalten. „Ihr... ihr beiden seid wie ein altes Pärchen, das sich seine Gefühle nicht eingestehen will, kann das sein?“ Hätte er im Ansatz geahnt, welche Reaktion er damit herauf beschwor, hätte sich der kleine Junge diesen Kommentar, der eigentlich den anderen Personen im Raum ebenfalls ein Kichern abrang, verkniffen. „Wir sind ja wohl kein solches Pärchen, ist das klar?!?“, schrien ihm beide synchron in der Stimme und gleichfalls rot im Gesicht entgegen, dass ihm fast die Ohren abfielen. 'H... Himmel, was ist denn nun kaputt?' Ein Paar großer Augen, etwas seitlich, beobachtete die Szene mit einem nicht unamüsierten Schmunzeln. 'Da gibt es noch so ein Pärchen, Shinichi... weswegen du eigentlich an dieser Stelle nicht lachen solltest. Aber das heißt dann wohl... dass du selbst die Idiotie dieses Verhaltens anerkennst. Da bin ich ja zu gespannt, ob du das auch umsetzen kannst, wenn du dich wieder erinnerst...' Ais Schmunzeln verlor sich wieder im Ernst, gefror schließlich in einem Ausdruck entfernter Melancholie. 'Wer enttäuscht hier eigentlich wen...', fingen ihre Gedanken an mit Rans letzter Aussage zu spielen. „Ich seh schon, ihr werdet toll schauspielern, um diese euch so fremde Rolle durchzuziehen.“ Wenn auch etwas Ironie in dem Satz mitschwang, so wollte Inspektor Takagi eigentlich nur schlichten. „Und so wie Kazuha nicht von Heijis Seite weichen wird, wird Ran nicht von Herrn Mori ablassen, natürlich jeweils ohne den entsprechenden Detektiv zu stören, versteht sich.“ Beide Oberschülerinnen nickten brav, wurden dann aber von Conan noch einmal aufgehalten. „Moment mal! Ich weiß, ich kann dazu wohl nicht viel beitragen, aber... wir waren ja schon mal da auf diesem... 'Schloss'. Wieso... nehmen Sie Ihre eigene Tochter mit auf Ihre Fälle, Herr Mori? Das ist doch..., also grundsätzlich, meine ich, viel zu gefährlich!“ „Tse...“, räusperte sich der Detektiv, legte einen ungehaltenen, herablassenden Blick an den Tag. „Man merkt, dass du dein Gedächtnis verloren hast, Conan. Du bist es, der immer zu allen Mordfällen mitkommen will und nicht aufhört, darum zu quängeln. Und an Ort und Stelle verschwindest du mir nichts dir nichts irgendwo hin. Ich lasse Ran eigentlich normalerweise nur mitkommen, damit sie auf dich aufpasst, dass du keinen Unsinn machst. Kinder haben eigentlich gar nichts an solchen Orten zu suchen.“ „Danke Paps..., dass ich dir so eine bedeutende Hilfe bin, wusste ich gar nicht.“, stellte die unbezahlte Babysitterin Conans leicht angesäuert fest, ohne ihn damit im geringsten aus der Fassung zu bringen. „Was denn? Das eigentlich Schlimme ist ja, dass er dich und sich selbst damit auch öfters in Gefahr bringt!“ Sein Blick wanderte automatisch von seiner Tochter zu seinem Mitbewohner. „Vielleicht solltest du dir mal für deine Erinnerung ein paar neue Manieren überlegen.“ „Jetzt reichts aber Paps, Schluss damit! Du machst ihm gerade Schuldgefühle, ohne dass er überhaupt wusste, wofür! So kann er sich ja gar nicht dagegen verteidigen.“ Er sah sie skeptisch von der Seite an, resignierte aber angesichts des Ausdrucks in ihrem Gesicht. „Mhm... schon gut, das können wir später auch noch klären.“ Die Augen seiner Tochter duldeten im Moment keinen Widerspruch und der Fall war sowieso viel bedeutsamer, beziehungsweise, er wurde durch Conans 'Unfall' wesentlich interessanter, deutete er doch auch ungeheure Möglichkeiten für den ursprünglichen Fall an, den die Polizei seiner Meinung nach ja nun versiebt hatte. „Also, Ran, Heiji, Kazuha, der Inspektor und ich fahren nun zurück zum Schloss, der Professor und Ai bleiben hier, um Conan ein wenig über sich selbst aufzuklären. Sie meinten ja, das könnte schon sehr hilfreich sein, Herr Doktor.“ „Äh... ja, das ist eine der Sachen, die immer etwas übertrieben wird im Fernsehen, dass man nach einer Amnesie durch Gewalteinwirkung am Kopf, einen gleichen Impuls bräuchte, um sein Gedächtnis wieder zu erlangen. Es genügt eigentlich, nach und nach, Stück für Stück, gewisse Erinnerungen aufzubauen, aufzufrischen, das Gehirn fängt an, sie dann wieder zusammen zu setzen, schon in diesen Momenten. Wenn Sie alle ihm so bekannt sind, wird er sich auch sehr schnell an Sie gewöhnen, glauben Sie mir. So ein paar Gespräche sind da schon essentiell.“ „Hey Moment mal!“, meldete sich nun Sonoko zu Wort, die ganz links liegen gelassen wurde. „Ich wollte doch auch mitkommen, haben Sie das vergessen?“, murrte sie böse zum Verursacher dieser Entscheidung, Kogoro Mori. Dieser hob nur kurz den Blick, schien sie nicht wirklich ernst zu nehmen. „Hast du nicht Schule, Sonoko?“ „Ich bin doch schon hier, genau wie Ran, die auch Schule hätte. Wir haben beide uns bereits krankgemeldet, weil...“ „Ran hat einen ernsthaften Krankheitsfall in ihrer Familie, so muss man das wohl sagen, wenn wir für Conan Erziehungsberechtigte sind. Das gilt wohl kaum für dich, und unser Gast bist du auch nicht wirklich. Also mit welchem Argument noch gleich soll ich dich den Herren Künstlern vorstellen?“ Neugierig beugte er sich bei dem letzten Satz vor, sah ihr tief in die Augen und verschränkte die Arme vorm Oberkörper, während sie immer weiter nach hinten sank, unfähig eine gute Antwort zu finden. „Schon gut, Sonoko!“ Auf ihrer rechten Schulter fand sie die Hand Rans, die sie sanftmütig von der Seite anstarrte. „Es ist schon gut. Ich werde Paps nicht von der Seite weichen und Heiji und Kazuha sind auch noch da. Bitte, mach dir nicht meinetwegen unnötige Sorgen!“ „A-Aber... Ran...“ Sie konnte ihr nicht antworten, nicht wenn sie sie so ansah. Es hatte die Traurigkeit der Welt in sich und gleichzeitig auch dieses absolute Verständnis für die Trauer der Anderen. Ran wusste genau, dass Sonoko diesem Blick nicht widersprechen konnte, und dennoch, es war nicht gespielt. Sie war ihr so unglaublich dankbar für diese gewollte Hilfe, die Sonoko ihr bot und gleichzeitig eben nicht in der Lage, sie anzunehmen, so sehr sie sie auch brauchte. Conan sah diesen Blick genau, interpretierte ihn auch korrekt und zog die Bettdecke noch etwas höher, ihn fröstelte leicht. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so eine tiefe innere Demut zeigen, dass ihm beim bloßen Erleben von ihr... so warm wurde ums Herz, dass sein restlicher Körper die Außentemperatur als kalt empfand? Oder... war es nicht allgemein diese Art von Mensch, die ihm so unglaublich erschien... war sie es selbst? Etwas umgab sie, eine unbestimmte Aura, die ihn einfach nicht losließ. Hatte es etwas mit den Rufen zu tun, als sie ihn fand, als er im Delirium lag? Sonoko ließ sich eine ganze Weile Zeit, bis sie schließlich leicht geknickt, den Kopf sacht nickte. Ran schob sich an ihrem Vater vorbei, sah ihr nun direkt in die jetzt selber traurigen Augen. „Du kannst doch... dem Professor und Ai helfen, seine Vergangenheit zu erklären, oder nicht?“ Sonoko sah zur Seite auf den unschlüssig dreinblickenden alten Mann und die ernste, neutrale Miene des kleinen Mädchens, schüttelte dann leicht den Kopf. „Nein... nein ich denke, das wäre nicht so gut. Ich würde... sie vermutlich eher behindern. Ich komme noch... mit raus, Ran, ich wollte dir noch etwas sagen und dann...“ Sie unterdrückte die Trauer kurz, schluckte ihre Zweifel hinunter setzte ein falsches Lächeln auf und wandte den Kopf hoch. „... dann werde ich mich wohl mal als Streberin outen und als krank gemeldete Schülerin zum Unterricht gehen. Haha.“ Ran konnte erkennen, dass das nicht ihre wahren Absichten waren, aber, sie würde wohl zumindest nicht ihnen zum Schloss folgen, und das war in Ordnung. So verabschiedeten sich die sechs Personen, die nun das Krankenhaus verlassen würden, von Conan, dem Arzt und den beiden, die dem Patienten mit seinen Erinnerungen weiter helfen sollten. Der Inspektor trat dabei etwas an die Seite von Ai und dem Professor und meinte beiläufig, „Übertreiben Sie es nicht gleich, wir haben Zeit, ihm alles wieder beizubringen, aber er sollte nicht gleich vor den Kopf gestoßen werden.“ „Glauben Sie, wir könnten nicht richtig einschätzen, was er verträgt, und was nicht?“, meinte Ai abschätzig zurück, ohne sich zu ihm zu wenden. Der Blick des Polizisten wurde ernst. „Es ist Conan Edogawa, der da vor dir sitzt, vergiss das nicht, Ai. Auch wenn ihm nicht klar ist, dass er es ist... oder... in seinem Fall... vielleicht eher umgekehrt.“ „Umgekehrt?“ Der Professor sah ihn verwirrt an, aber Takagi wandte sich bereits ab zur Tür. Der Erfinder sah verwundert zu seiner Mitbewohnerin, die mit weit geöffneten, verängstigten Augen zu dieser Tür, die er gerade hinter sich schloss, starrte. 'Umgekehrt...?! Er... er weiß es auch? Shinichi, verdammt, was geht hier vor?' Der Inspektor folgte Heiji und Kazuha, davor ging Kogoro, suchte seinen Autoschlüssel heraus. Noch ein paar Meter davor näherten sich Ran und Sonoko bereits dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Ran sah ihrer Freundin von der Seite zu, wie diese sich auf die Lippen biss, nach einer Formulierung suchte. „Na, was wolltest du mir sagen?“ Ran wirkte mittlerweile viel fröhlicher als noch eben im Krankenzimmer. Offenbar war die Entwicklung der Dinge so ziemlich zu ihrer Zufriedenheit. Sie konnte das Optimale machen, um Conan zu helfen und so wenig wie möglich gefährdete Personen dabei bedrängen. Aber genau das war es, was Sonoko auch beschäftigte, das und etwas zweites... „Äh... also... also weißt du...“ Wahrscheinlich hätte Sonoko spontan nichts herausgebracht, aber nun wurde sie vom aufgehenden Lift vor sich unterbrochen. Aus diesem stach ihr nämlich ein großer Blumentopf, prall gefüllt mit Erde und darin eingebettet eine große weiße Lilie, mit mehreren Blüten, hervor. „Oh Verzeihung...“, kam es von hinter der übergroßen Pflanze, die sich dann zur Seite bewegte und für Ran und Sonoko überraschend den Blick frei gab auf... „Kirika?“ Kapitel 4: Ein Mysterium ------------------------ Hallo an alle Lesenden und willkommen zum vierten Kapitel der Amnesie-FF. *ggg* Für alle, die sich ein bisschen mit Noir auskennen, bahnt sich ja nun eine gewisse Vorahnung an, was Kirikas Auftritt angeht. Aber zunächst muss sie es ja erstmal erfahren. ;p Ich gebe zu an dieser Stelle lehne ich mich, was ihr Verhalten geht, weit aus dem Fenster, weil eine solche Situation in Noir nie auftauchte... lest selbst, dann wisst ihr, was ich meine. In der Hinsicht auch wieder ein sehr großes Dankeschön an alle Kommischreiber, auch die neu hinzugekommenen, ich freue mich darüber jedes Mal unheimlich, ehrlich. :///] So genug Vorgeplänkel, hier erstmal ein Mysterium – ihr ahnt vermutlich, welches - bevor dann nächste Woche der Fall losgeht. Viel Spaß beim Lesen, bis dann.^^ LG, Diracdet ______________________________________________________________________________ Kapitel 4: Ein Mysterium Die beiden Oberschülerinnen wirkten nicht mehr oder weniger perplex über den Anblick ihrer Hilfstutorin für Französisch, als diese über den ihrigen und alle anderen über die unbekannte Person an sich. Kogoro, Takagi, Heiji und Kazuha hatten Kirika selbst ja noch nie gesehen, dachten auch für den Moment einfach an eine Mitschülerin der beiden anderen Damen, die aber folglich jetzt genau wie Ran und Sonoko Schule haben müsste. Die üppigen Blumen, die das zarte Mädchen von der Taille aufwärts fast überdeckten schienen deutlich auf einen Krankenbesuch hinzudeuten. „Was machst du denn hier, Kirika?“ Ran war es, die endlich den Bann zwischen den dreien nach einem ewig wirkenden Moment brach und damit auch Kogoro aufmerksam machte. „Ach... das ist also diese Kirika?“, murmelte er skeptisch vor sich hin, ohne zu bemerken, wie er die Aufmerksamkeit der anderen Unwissenden auf sich zog, die ihn plötzlich neugierig von der Seite und von hinten umrangen. Schließlich lehnte er entnervt seinen Kopf nach hinten, als ihm die Augenpaare zu viel wurden. „Sie gibt Sonoko und Ran Nachhilfe in Französisch. Eine ehemalige Schülerin, die mehrere Jahre in Frankreich gelebt hat und nun mit einer französischen Referendarin hierher zurück gekommen ist, mehr weiß ich auch nicht.“ Die beiden Osakaer blickten nun umso erstaunter auf die junge Ersatzlehrerin, die wegen ihrer eher zierlichen Gestalt und dem schüchternen Blick fast jünger wirkte, als die beiden Oberschülerinnen neben ihr. Takagi sah nur kurz hin, musste plötzlich inne halten. 'Französisch-Referendarin? Davon hatte doch der Kommissar neulich gesprochen. So ein Fall, bei dem ich nicht dabei war. Zwei Frauen, eine Französisch-Referendarin und eine junge Frau, und sie kannten Ran, Sonoko und Miss Saintemillion. Das heißt, das ist sie wohl. Die Freundin der Frau... die dem Kommissar so merkwürdig vorkam. So... wie meinte er es... als habe sie eine unterschwellige, nicht sichtbare aber reale... Macht. Aber dieses Mädchen wirkt doch eher... harmlos dagegen.' „Wolltest du hier etwa auch jemanden besuchen?“ Die Angesprochene hatte wie immer einen kaum erkennbaren Ausdruck im Gesicht, als hebe sie nichts auf dieser Welt wirklich an, nichts könne ihren Trott verändern, nichts könne sie wirklich schockieren. Man musste sie kennen, vorbereitet sein, die kleinsten Unstimmigkeiten in diesem Ausdruck wie mit einem messerscharfen Blick wahrzunehmen, um daraus wirklich innere Gedanken ablesen zu können. Gefühle hingegen waren wohl hoffnungslos in ihrem tiefsten Inneren, in ihrer Seele verschlossen. Darüber waren zumindest Ran und Sonoko aus ihren bisherigen Erfahrungen überein gekommen. Ob es gespielt war, ob sie nichts empfand in diesem Sinne, oder was auch immer. Kirika Yuumura eine Gefühlsregung zu entlocken war aus ihrer Sicht ein Ding der Unmöglichkeit. Und diesmal... diesmal mal war es für den Bruchteil einer Sekunde ein Schatten auf der Stirn, der verriet, dass sie eine Augenbraue bewegt haben musste zur Verwunderung. „Äh... ja... Conan.“ Ihre monotone, leicht melancholische Stimme vervollkommnete das Bild einer Person, die sich nie etwas anmerken ließ. Zwischen lethargisch, eben melancholisch und vielleicht sogar einer trauergleichen Grundstimmung vertrieben ihre Worte stets einen Teil der Freude in den Menschen ihrer Umgebung, stellte den Ernst her. Das wollte sie gar nicht, musste sie sich immer wieder eingestehen, aber etwas anderes konnte sie einfach nicht, das war ein Teil von ihr, das war sie... Heiji schluckte tief, als er die kurzen Worte von Kirika hörte, erstarrte förmlich, spürte, wie ein Schweißtropfen seine Stirn hinab glitt. 'Das... das ist sie... die Stimme!' Kazuha konnte dieser Blick nicht entgehen, sie merkte, wie er anfing zu zittern, versuchte sich festzuhalten, nur war da nichts, er stand mitten im Raum. Sein Gleichgewicht verließ ihn tatsächlich für einen Moment, weil er in Gedanken war. Im letzten Moment, bevor er wirklich gefallen wäre, verhakte sich sein Arm in dem von Kazuha, die zu ihm getreten war. „Was hast du, Heiji? Geht es dir nicht gut?“ Sie klammerte sich fest, ließ auch nicht los, solange er nicht wieder aufrecht stand. Mühselig, knickte er seine Beine ein, um sich wieder gerade hinzustellen, flüsterte, dass niemand anderes sie hören konnte. „Das ist sie, Kazuha. Dieses Mädchen, sie ist die Person von...“ Kazuha's Augen weiteten sich vor Schrecken, als sie begriff. „Du meinst, sie...“ Nun musste auch sie kurz schlucken und stellte sich die gleiche Frage, wie Heiji. 'Wer... wer ist diese Kirika... wirklich?' „Woher weißt du denn bereits, dass Conan im Krankenhaus ist?“ Sonoko erkundigte sich ehrlich, merkte erst während des Sprechens, dass sie sich die Frage sparen könnte, sie vielleicht eher Probleme bei der Erklärung bereiten würde. Woher sie es wusste, war relativ nebensächlich, denn... dass sie es wusste, war Sonoko eigentlich klar. Sie war eben... doch, so erschien es ihr schon lange, interessiert an Shinichi Kudo. Warum auch immer, das wollte man ihr nicht sagen, tat es zumindest einfach nicht. Irgendetwas wollten Mireille und Kirika vom kleinen Detektiv, deswegen hatte sie ja auch Postbote spielen dürfen auf dem Schiff. Nur, worum es dabei ging, war für sie bis jetzt absolut undurchschaubar. Von jedem gedanklichen Standpunkt aus widersprach sich diese Verbindung. Er war Gerechtigkeitsfanatiker, sie waren Auftragsmörder, er Detektiv, sie durch Les Soldats doch besser informiert, als er es je sein konnte, sie standen unter dem Schutz einer geheimen Organisation, er wollte eine derartige Organisation zerschlagen... 'Was zum Geier können die beiden nur von ihm wollen?', fragte sie sich seit längerem, und umso intensiver, seit sie dieser ominöse Brief, dessen Inhalt sie nie erfuhr, ereilte, mit dem Auftrag, ihn dem Schülerdetektiv zu übergeben, sollte er Vermouth überführen. Es war ihr einfach nicht begreiflich, welches Ziel die beiden Frauen damit verfolgten. Nur eines war klar, es gab diese... gewünschte Verbindung, dieses ihr in allen Punkten widersinnige Bedürfnis der Jungfrauen mit den schwarzen Händen, Shinichi Kudo persönlich kennen zu lernen. Und zwar mit offenen Karten spielend. Daher war Kirika Yuumura wohl auch eine der ersten Personen, die, abgesehen von den Bewohnern und Gästen des Schlosses Kunieda, von diesem Unfall erfuhr. Nur konnte sie das schlecht anbringen, weshalb sich Sonoko mitten in ihrer spontanen Frage am liebsten die Zunge abgebissen hätte. Die Angesprochene aber schien sich weiterhin kaum in ihrer Mimik zu verändern, redete fast ohne den Ton zu variieren vor sich hin. „Na, Ran hatte das doch bei ihrer Krankmeldung für heute im Schulsekretariat am Telefon angegeben. Und da heute früh Französisch war, hatte es Mireille dann direkt von der Sekretärin des Schulleiters erfahren. Und weil sie sich Sorgen machte um den kleinen Jungen, der wohl einen Unfall hatte, bat sie mich, doch mal im Krankenhaus vorbei zu schauen.“ Eine so banale Erklärung, dass sich beide Mädchen fast mehr über sich selbst wunderten, bis Ran auf die 'geniale' Idee kam, einfach mal, nach so einer kaum mit Schlaf verbrachten Nacht, ihre Armbanduhr nach der aktuellen Zeit zu befragen. „WAS?! Es ist schon nach elf Uhr Vormittags?“ Das Zeitgefühl war insbesondere ihr so ziemlich über die vergangenen Ereignisse abhanden gekommen. Sie nickte kurz entschuldigend, als hätte sie sich nicht wundern dürfen über Kirikas Auftritt, als ihr dabei wieder die üppige Pflanze vor deren Armen in den Blick fiel. „Aber... hast du diesen großen Blumentopf dann etwa für Conan gekauft?“ „M...hm...“, nickte diese kurz zögerlich, fuhr dann kurz mit dem Kopf einen Hauch zurück. „Ist... der ist doch nicht zu groß, oder? Ich kann sowas immer nicht richtig abschätzen...“ Fast peinlich berührt sah man auf ihrer Nasenspitze einen Ansatz von Röte, der den beiden Oberschülerinnen als Premiere galt. „N.. nein, würde ich jetzt so nicht sagen... aber... du bist doch nur bekannt mit Conan und besuchst ihn nur kurz...“ So recht konnte sich auch Sonoko nichts aus dieser Frau machen. Auf der einen Seite war sie, definitiv eine einzigartige Mörderin, die wohl, so munkelte man, gleichzeitig dutzende bewaffneter Gegner ausschalten konnte. Auf der anderen Seite war sie unfähig die richtige Größe für Blumen bei einem Krankenbesuch abzuschätzen, oder Gefühlsregungen wirklich zu zeigen. 'Sie wirkt... vollkommen deplatziert in dieser Welt, als hätte sie nie etwas mit ihr anfangen können.' Das entsprach auch dem Bild, dass die älteren Schüler ihr immer von ihrer ehemaligen Mitschülerin gaben. Eine... Einzelgängerin, die die Mehrheit des Tages traurig dreinblickend am Fenster stand und ins nichts starrte. Niemand kannte ihre Familie, niemand bemerkte großartig ihre Anwesenheit. Sie störte niemanden, salopp gesagt, und das ließ auch die meisten Lehrer verstummen, die eigentlich die Aufgabe hatten, sie zu motivieren. Ihre Noten waren OK, mehr aber auch nicht. Und eines Tages kam eine blonde Französin und nahm sie mit. Das wars... Kirika Yuumura, ein Mysterium. „Aber sagt mal...“, begann das Mysterium, nachdem sich Sonoko ausgestottert hatte, irgendwie die Blumen als nicht übertrieben zu kategorisieren. „Ihr geht ja scheinbar alle schon...“ Ihr Blick deutete leicht an den beiden vorbei auf die andere Gruppe, die sie aus vielleicht drei Metern Abstand beobachtete. Heiji und Kazuha musterten sie skeptisch, Kogoro und Takagi schienen eher leicht genervt, dass dieses Zusammentreffen die anstehenden Ermittlungen nur unnötig verzögerte. „Heißt das... es geht ihm wieder gut... oder liegt er noch im Koma? Dann sollte ich vielleicht nicht...“ „Nein...“, unterbrach sie Ran. Ihre Stimme hatte kurz den Ton Kirikas übernommen, ebenso leise, ebenso monoton, ebenso traurig in der Grundstimmung. Und genau das ließ auch die Blumenbotin kurz verstummen. Ran wandte den Blick zu Boden, musste sich beruhigen. Sie würde es ihr sagen. Sie hatte sie unterbrochen, also würde sie auch erklären können, was Conan zugestoßen ist. Nicht, dass es ein Mordversuch war, das brauchte niemand, auch nicht Kirika erfahren, aber sein Gedächtnis betreffend. 'Reiß dich zusammen, Ran, das kann doch nicht so schwer sein, es auszusprechen.' Jetzt abzuwarten, und Sonoko oder jemand anderes übernehmen zu lassen, das wäre doch... absurd. „Er ist... wieder aufgewacht.“ Sie hatte sich gefasst, würde auch wieder aufblicken und ihr auch den Rest erzählen können. Als ihr Kopf sich hob, sah sie in Kirikas Blick diesen Ansatz von ehrlicher Freude. So als... würde ihr die Tatsache, wie komisch eben Ran diesen einen Satz sagte, wie lange sie für ihn brauchte, wie traurig sie vorher klang... als würde sie all das gar nicht wahrgenommen haben. Ein merkwürdiges Mädchen, wirklich. „Und, wie geht es ihm? Ist er irgendwie...?“ „Rein körperlich scheint es ihm wohl soweit gut zu gehen. Er ist von einer Treppe gefallen, aber hat sich... nichts gebrochen... nur...“ Die Freude hatte sich verzogen, aber ansonsten war ihr Blick immer noch leer, absolut leer. „Er hat sich dabei... eine Gehirnerschütterung zugezogen...“ Ran wurde immer langsamer, auch wenn sie ihre Stimme nicht senkte, sondern den Blickkontakt suchte, Reaktionen erhoffte. Und da war was... ein kurzes Zucken, einen kleines Flackern ihrer Augen, mehr aber auch nicht. „Er... hat... er hat...“ Sie konnte nicht, es noch langsamer zu versuchen, machte es nur noch viel schwieriger als vorher, unmöglich vielleicht. Einmal holte sie schnell Luft, schloss dafür kurz die Augen, öffnete sie wieder und fixierte Kirikas Blick. „Er hat sein Gedächtnis verloren!“ „Waaaah!“ Sonoko konnte sich gerade noch auf den Boden werfen und den Blumentopf daran hindern einen großen Erd- und Scherbenhaufen auf dem Krankenhausflur zu erzeugen. Kirika hatte ohne Vorwarnung den Topf aus ihren Händen gleiten lassen. Hatte scheinbar von einem Moment auf den nächsten ihre Haltekraft verloren. Und Sonoko merkte, als sie sich mit dem Topf noch in den Händen aufrichten wollte, dass dies einiges an Haltekraft war. Er wog mindestens 15 Kilogramm und Kirika trug ihn wohl schon eine Weile, und hielt ihn auch während des Gesprächs unbeirrt vor ihrem Oberkörper fest. Erst im zweiten Moment starrte sie hoch zu ihrer Freundin, sah in Rans Gesicht die pure Ungläubigkeit. Und ihrem Blick folgend in Kirikas Gesicht... der Schock! Mit einem Mal schienen alle Erkenntnisse über die Fähigkeit ihrer Französisch-Nachhilfe, Gefühle zu unterdrücken, weggeblasen. Kirika war kreidebleich geworden, ihre Augen so weit geöffnet, dass man die roten Äderchen am Rand deutlich erkennen konnte. Ihr Mund stand sperrangelweit offen, und dennoch schien es, als atmete sie nicht einmal. Ihre Hände, die immer noch genau da hingen, wo sie bis eben die Pflanzen hielten, zitterten wie Espenlaub, alles schien sich bei ihr verkrampft zu haben. Es musste mindestens zehn Sekunden gedauert haben. Heiji und Kazuha halfen Sonoko auf, die sich mit dem Topf sichtlich schwer tat. Kogoro baute sich vor Ran auf, die scheinbar von Kirikas Schock mit getragen wurde und nur langsam reagierte. Als sie wieder bei sich war, sich kurz schüttelte, stand Kirika immer noch da, als wäre sie ein Roboter, der eben in dieser Position heruntergefahren wurde. Immer noch nicht richtig anwesend drückte Ran ihren Vater beiseite, legte ihr die Hände auf die Schultern. Ihr Blick wirkte nun leer, leerer noch als sonst, hatte sich vom Schock in eine Art Starre gewandelt, die überhaupt nichts dahinter mehr vermuten ließ. Als stünde nur noch eine leere Hülle vor Ran und den anderen. Ihre Lippen formten, lautlos, und nur für die ihr direkt ins Gesicht blickende Oberschülerin erkennbar Worte. 'Nein... nicht... das! Nicht... nicht... nein!' „Kirika, was hast du, was ist mit dir?“, schrie Ran sie förmlich an, war kurz davor, sie mit aller Kraft durchzuschütteln, als die Augen Kirikas sich leicht rührten, ihr Blick sich Ran zuwandte. Zunächst schien sie Ran nicht richtig wahrzunehmen, senkte nur ihre Arme auf den Boden, ebenso ihre Augenlider, bildete fast wieder den Blick, den sie sonst so zur Perfektion ausgearbeitet hatte und stets auflegte. Bis plötzlich ihre Lider schlagartig auffuhren. Was Ran dann sah, machte ihr wirklich Angst. Krampfhaft zog sie ihre Arme zurück, blickte verschreckt in das neue Gesicht Kirikas. Ihre großen, bedeutsam ausdruckslosen Augen waren plötzlich eng zu Schlitzen geformt, die sich falkenartig zur Seite ausbildeten. Messerscharf schienen sie die vor ihr Stehende zu durchbohren. Dazu ihre Mundwinkel, die keinerlei Krümmung mehr zu haben schienen. So musste es sich vor einem unbarmherzigen Richter stehend anfühlen, der gleich das vernichtende Urteil sprach. Ran kannte... ähnliches, von Shinichi, wenn er einen Mordfall aufklärte. Diese fast schon gnadenlose Haltung, es gab für ihn keine Rechtfertigung für Mord und folglich auch keine Gnade für einen Mörder. Aber dennoch... Shinichi war nie mehr als jemand, der seinen Gegner der Wahrheit offenbarte, wohl wissend, dass ihn eine gewisse Kausalität damit auch zu einem Richter machte. Aber Kirika... war in diesem Moment nicht diejenige, die mit Waage über etwas urteilte, sie war Justitias linker Arm, das Schwert, das willenlos geführt alles vernichten würde, was sich ihm in den Weg stellte. Das war Kirikas andere Seite, scheinbar. Der Abend im Restaurant fuhr unweigerlich zurück in Rans Gedanken. Als der Mörder versuchte Sonoko, die ihn entlarvt hatte, zu töten, und Kirika einschritt, ihm mit einer Kuchengabel in die Kniescheibe stach. Zuerst dachte man nur, sie wollte Sonoko retten, aber dann hätte sie ihn beinahe getötet, hätte Mireille sie nicht aufgehalten. Warum auch immer sie damals auf den bloßen Zuruf reagierte... Mireille würde diesmal nicht da sein, Kirika zu stoppen, sie saß in der Schule und lehrte Französisch. Und in Kirikas Weg stand diesmal... Ran. „Warum seid ihr dann hier?“ Ebenso scharf wie ihre Augen klang auch ihre Stimme. Fordernd, direkt ungehalten. Das neutrale, fast melancholische, war wie weggeblasen. Es stand eine völlig neue Person vor ihnen. Und außer Sonoko wusste niemand, wozu diese fähig war. Und selbst das hätte in dem Fall der Situation nicht gut getan. Als keiner ihr antwortete und Ran selbst nur verwirrt drein schaute, atmete sie kurz durch, begann dann aber nicht weniger drängend als zuvor. „Warum seid ihr nicht bei ihm, wenn er wach ist aber sein Gedächtnis verloren hat? Wie könnt ihr ihn in so einer Situation allein lassen?!“ Sie wurde gegen Ende der Frage fast laut, fasste sich aber wieder. „A-aber, er ist nicht allein. Zwei Freunde von ihm, die du nicht kennst, sind bei ihm und helfen ihm gerade dabei, sich wieder etwas zu erinnern...“, versuchte sie zu beschwichtigen, wurde aber eiskalt zurück gewiesen. „Das ist doch keine Antwort! Er ist allein in diesem Moment, ein Kind ohne jegliche Brücken in diese Welt, wie könnt ihr da einfach so... verschwinden?“ Nun wurde sie wieder leiser zum Ende des Satzes, trauriger in der Stimme. Ran stand nur noch da und begriff gar nichts mehr. Kirika schien jeden Satz dieses Gesprächs anders zu interpretieren, als sie es von jeder andere Person, die sie kannte, gewöhnt war. Und das waren eigentlich doch genug, dass Ran glaubte, einigermaßen zu wissen, wie Menschen in solchen Gesprächen reagierten. So fernab der Realität hatte sie doch nie gelebt. Aber wenn nicht sie das Problem war, war es dann wohl Kirika. Hatte sie noch nie normale Gespräche geführt, oder hatte sie einfach vollkommen andere Prämissen, als... 'normale' Leute? Ran wurde einfach nicht schlau aus ihr. Das war ein Stück weit schon so, seit sie sie als Nachhilfelehrerin vorgesetzt bekommen hatte. Aber in diesem Augenblick, in diesen kurzen Wortwechseln war ihr eines klar geworden. Sie war... Welten davon entfernt, Kirika Yuumura auch nur im Ansatz zu verstehen. Und nun stand sie vor einem Problem. Denn die sehr berechtigte Frage, warum sie gingen, führte automatisch auf den kleinen Haken an der Geschichte zu Conans Unfall. Es wollte Ran nichts einfallen, was irgendwie anders erklären könnte, warum man in dieser Situation den Patienten verlassen sollte. Das war tatsächlich so scharf und schnell kombiniert, dass Ran die Assoziation mit dem Richter, wie es Shinichi war, nicht mehr aus dem Kopf ging. Und diese Assoziation blockierte nun erst recht ihre Gedanken. Wenn Shinichi bei ihr seinen überzeugten Überführungsstil ansetzte, hatte er immer herausgefunden, was sie wirklich wollte und genau das wirkte nun auch bei Kirika. Sie konnte sie nicht hinhalten, ihr ein Lügenmärchen auftischen, wenn sie diese Augen sah. Da war einfach eine innere, unüberbrückbare Barriere. Aber in diesem Moment waren ja auch die Anderen daran interessiert, nicht unnötig Informationen zu verbreiten, die niemanden was angingen. „Hey, ich glaub kaum, dass dich das groß was angeht.“, unkte Heiji gespielt genervt von der Seite. „Du bist vielleicht mit Ran und Sonoko befreundet, aber wohl keine so gute Bekannte von Conan, also solltest du dir diesen Ton vielleicht mal abgewöhnen.“ Teilweise war diese Formulierung ernst gemeint. Es war ihm wirklich nicht recht, wie diese Person, die er noch nie getroffen hatte, einfach so in das Leben von Conan und seinen Freunden getreten zu sein schien und sich so eingebildet in seinen Augen aufführte. Andererseits hoffte er aber auch, sie einfach nochmal so aus der Bahn werfen zu können. Denn im Moment war selbst ihm dieser Blick, dieser bohrende, stechende, unbarmherzige Ausdruck in ihren Augen einfach nur beängstigend. Und wie befürchtet war sie nicht zu so einer Einlenkung zu bewegen. Ihre Augen wanderten zu dem Oberschülerdetektiv, visierten ihn fast wie eine Zielscheibe an, woraufhin auch er nun einen Schritt zurück wich. Für den winzigen Bruchteil eines Moments zuckten ihre Augen, als hätte ein Funke etwas entzündet und genauso schnell der Wind es wieder gelöscht. „Es war also kein Unfall...“, murmelte sie vor sich hin, ohne den Blick abzuwenden, stur auf Heiji gerichtet, der nun noch mehr zurück schreckte. 'Waah, woher... woher weiß sie das denn nun auf einmal?' „Das... das hab ich so gar nicht gemeint..., das ist doch auch... was soll es denn sonst gewesen sein, wenn kein Unfall?“ „Etwas, das es nötig macht, sich noch einmal zusammen mit der Polizei an den Ort dieses Unfalls zu begeben und das Unfallopfer zurück zu lassen, insbesondere, wenn sich dieses nicht mehr an die Zusammenhänge erinnert, Beziehungsweise, wenn... man Angst hat, die Umstände könnten diesem Opfer weitere Schäden zufügen...“ Sie ließ nicht von ihm locker, merkte, wie er immer mehr zurück wich, und Heiji merkte, wie ihm immer mehr Schweiß auf die Stirn rann. Die Baseballkappe half da nur wenig. Diese Frau war wirklich merkwürdig in ihrer ganzen Art. Aber das würde ihn nicht daran hindern, ihr das Wasser abzugraben. Er hatte in seinem Hobby genug mit kuriosen Leuten zu tun, da würde er nicht so leicht klein beigeben. „Jetzt reichts ja wohl, hier komische Theorien aufzustellen. Is mir ja egal, was Ran und Sonoko von dir halten, mir bist de einfach unhöflich dreist, um es mal noch höflich zu formulieren. Würdest du dich, wenn du mit jemand fremdem redest, vielleicht auch mal vorstellen?“ Kirika wollte gerade ansetzen, beinhaltend die Tatsache, dass sie sehr wohl gehört hatte, wie Kogoro sie bereits eingangs vorstellte. Aber dazu kam sie nicht mehr. Sonoko trat wie aus dem nichts zwischen die beiden, drückte den rechten Oberarm Heiji unter das Kinn und ihn selbst mit aller Kraft zur Seite weg, wo sie einen Moment hatte, mit ihm zu reden, ohne von den Anderen gehört zu werden. „Heiji, zwei Worte: lass es!“, zischte sie mit zusammen gebissenen Zähnen. In ihren Augen stand kurz ein verzweifeltes Zittern. „Du kannst es nicht mit ihr aufnehmen, glaub mir. Tue nichts, wofür du später nicht einmal mehr Gelegenheit hättest, es zu bereuen.“ Ja, Verzweiflung, auch in ihren Worten lag nichts anderes. Angst... um ihn. „Wer... wer ist sie?“, flüsterte er in ebenso leisem Ton wie sie, wenn er schon die Gelegenheit hatte. Beide, Sonoko und Ran hatten die ganze Zeit wie gute Freunde von Kirika gewirkt. In krassem Gegensatz dazu nun diese Angst. Sonoko blickte aus dem Augenwinkel auf die Person um die es ging, die verdutzt aus der Entfernung das Pärchen beobachtete. „Das... willst du nicht wissen.“ Damit ließ sie ab, schaute bedächtig zu Boden. „Entschuldige, ich... wollte nicht so grob...“ Was war nur mit dieser Kirika, dass sie auf Sonoko so einen Einfluss haben konnte? Und dieses 'das willst du nicht wissen', was sollte das? Heiji kamen absurdeste Gedanken, in Richtung Yakuza oder schlimmeres, aber... dann würden sie doch nicht so Freundin spielen. Rans Art ihr gegenüber wirkte doch überhaupt nicht gespielt. Wenn so eine Wahrheit dahinter steckte, hieße das ja, Ran ahnte vielleicht gar nichts davon und nur Sonoko wüsste Bescheid. Aber warum diese Geheimniskrämerei. „Sch... schon gut... Sonoko.“ „Hey, was habt ihr beiden da hinten zu flüstern wenn man fragen darf?“ Der kurze Moment war wie befürchtet je um, als sich Kazuha endlich zu ihnen gesellte, nicht ohne eine, wenn auch geringe, Rötung im Gesicht. „Ach, nichts, ich dachte nur, wir hätten doch besseres zu tun, als jetzt diesen unnötigen Streit auszudiskutieren, und Heiji schien mir dafür der relevantere Ansprechpartner. Nicht wahr, Heiji, du beruhigst dich jetzt mal wieder und dann hat sich die Sache sicher schnell erledigt.“ „Das denke ich auch.“, stimmte Takagi, der nach einigem Reihum nun mit der Pflanze beladen im Flur stand und sich als Schlichter versuchte. „Es stimmt, insofern, als dass wir nur noch kurz ein paar Ungereimtheiten klären müssen und wollten deshalb noch einmal an den Ort von Conans Treppensturz. Das heißt aber nicht, dass es kein Unfall gewesen wäre. Sie müssen sich deswegen also keine Sorgen machen.“ „Achso?“ Nachdenklich murmelte Kirika das Wort, während ihre scharfen Augen langsam verschwanden. Kurz wendete sie sie zum Boden, als sie aber wieder aufblickte, war wieder alles... alles beim alten, wie vor dem Moment als Ran das Wort 'Gedächtnisverlust' in den Mund nahm. Ihr Blick war wieder so nichtssagend, traurig angehaucht, und halbleer, wie sie ihn schon so lange kannte. „Na... dann ist ja nicht so schlimm...“, nuschelte sie kaum verständlich vor sich her, sah kurz zu Ran. Auf einmal flackerte es durch ihre Augen. „Äh... entschuldige... entschuldige bitte, aber... bin ich vielleicht eben etwas laut geworden?“ Jedweder Zweifel an der Merkwürdigkeit der Kirika Yuumura verschwand in diesem Augenblick, in dem sie allen Ernstes in Frage stellte, ob ihre Reaktion eben... etwas laut war. 'Hat... hat sie das etwa nicht mitbekommen?!', durchfuhr es alle Gedanken. Ihr leicht verschmitztes, grinsendes Gesicht beantwortete diese Frage klar mit einem 'Nein'. Was die sechs soeben erlebten, war nicht unbedingt die wahre Kirika, die sich hinter Maske dieser gleichgültigen Miene verbarg. Offenbar hatte sie selbst keinen großen Bezug zu dieser Person und keinerlei Einfühlungsvermögen für ihre eigene Art und die Reaktion anderer darauf. Sie war einfach... merkwürdig, auf eine Art und Weise, die selbst Heiji fremd war. Sie war... beängstigend, gruselig und auch... faszinierend. „Nein... nein, so kann man das nicht direkt sagen... bitte sehr, Ihre Blumen.“ Takagi leugnete erst der Diplomatie wegen diese Tatsache, dann lenkte er ab, indem er Kirika den Blumentopf förmlich in die Hände drückte. „Sie wollten doch Conan besuchen, oder hatte ich das falsch verstanden?“ Sie zögerte etwas, betrachtete skeptisch die Pflanzen. „Schon, wenn ich denn darf? Ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn ihr nicht da seid...“ „Ach was, wo soll da ein Problem sein?“, entfuhr es Ran relativ freudig. Kirika war zumindest wieder so, wie am Anfang, so wie sie sie kannte, wie sie halbwegs mit ihrer Art umgehen konnte. Das allein war ihr im Moment schon genug, um besserer Stimmung zu sein. Ansatzweise etwas zu verstehen ist auch schon um Welten angenehmer als völlig im Wald zu stehen. Heiji wollte kurz etwas einwenden, sah aber, wie Sonoko ihm von der Seite zunickte und er ließ sie gewähren. Ran zeigte ihr kurz den Weg über den Flur und man verabschiedete sich und stieg in den Fahrstuhl. Heiji nutzte diese letzte Gelegenheit, als er an ihr vorbei in den Lift stieg. „Du hast dich immer noch nicht vorgestellt.“, grinste er freundlich, auch wenn es gespielt war. Auch sie lächelte nun kurz, die Blume vor sich zur Seite drehend. „Ich bin Kirika. Kirika Yuumura.“ „Was, mehr nicht?“ Nicht ganz ohne eine Spur Ironie wollte er noch etwas heraus kitzeln, aber die Antwort ließ allen Witz wieder verschwinden. „Nein, nicht mehr, weil da nicht mehr ist... als dieser Name.“ Damit schloss sich die Fahrstuhltür und verbarg den Blick auf das Mysterium Kirika Yuumura. Kirikas Lächeln verstummte einen Augenblick später, ihre Augen wanderten auf die Erde im Blumentopf. „Und eigentlich... nicht mal der.“ Damit wandte sie sich um und machte sich auf zu Conans Krankenzimmer. „Hm... das ist also eure neue Französisch-Nachhilfe?“, wunderte sich Kazuha, während sie den Parkplatz neben dem Krankenhaus abgingen. „Ein bisschen komisch ist sie ja schon, findet ihr nicht? Eh... Ran, Sonoko?“ Die beiden waren vor dem dunkelroten Kombi, den Kogoro gemietet hatte, stehen geblieben, Sonoko richtete ihren Blick verkrampft zu Boden, ihre Hände zu Fäusten geballt. „Du... wolltest mir noch was sagen, Sonoko?“ Ran wirkte genauso verwundert wie die Anderen, wartete auf diese lang versprochene Aussage. Doch ihre Freundin richtete ihren Kopf partout nicht auf. „Ran... pass... pass wirklich auf dich auf, ja?“ „A-aber du kennst mich doch...“ „Deswegen ja, verdammt!“ Nun wandte sie sich doch hoch, sah mit leicht errötetem Gesicht zu ihr, wirkte nervös. „Deswegen ja, weil du plötzlich mal auf ganz blöde Ideen kommst, Ran, gerade weil ich dich kenne, weiß ich das.“ „M-mach dir keine... Sorgen, diesmal... mach ich sicher nicht sowas... dummes, wie du es von mir gewohnt bist.“ Ran musste vor einem milden Lachen fast husten. Ja, da hatte Sonoko sicher einen wunden Punkt getroffen, den Ran auch verbergen wollte. Wie weit ihre bisherigen Pläne... klug waren, das wurde ihr augenblicklich beim Gedanken an die Ocean Goddess vor einer Woche klar. „Aber das wollte ich dir gar nicht sagen!“, schrie Sonoko mit einem mal empört auf, hielt Ran mit den Armen fest, ließ nicht locker. „Was... was ist denn noch?“ „Erinnerst du dich, erinnerst du dich an die Assoziation, die Mademoiselle Bouquet von Conan hatte?“ „Du meinst... der kleine Prinz?“ „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Ran, vergiss, was irgendwelche Idioten sagen, oder was sie dir einzureden versuchen, was wahr ist oder nicht. Ich kenne niemanden mit so viel Herz wie du. Benutze es und dann... dann weißt du es.“ Die Angesprochene starrte Sonoko verwirrt an, die ihrerseits nun zurück schritt, die Arme senkte und zu Boden schaute. „Wie... wie meinst du das denn, Sonoko?“ „Ich... ich muss... dann wohl los. Viel Glück euch allen.“ Ohne noch einen anzusehen, oder gar Rans Frage zu beantworten, suchte sie ihr Heil in der Flucht. Die vereinzelten Sonoko-Rufe ihrer besten Freundin hörte sie nicht, oder wollte sie nicht hören. 'Verdammt, ich wollte doch nur, dass er es ihr endlich sagt. Ran, du weißt es doch, du musst diesen Gedanken irgendwann doch schon gehabt haben. Sprich ihn doch nur aus und du wirst sehen, dass du Recht hast! Ich... ich kann doch nicht verantwortlich sein, wenn Ran und Shinichi nicht zueinander finden. Das kann ich doch gar nicht!' Der Grund, warum sie Ran nicht mehr ansehen konnte, waren die Tränen, die ihr nun die Wangen hinunter liefen, während sie den Weg in die Innenstadt suchte. Kapitel 5: Die Künstler von Schloss Kunieda ------------------------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ und willkommen zum fünften Kapitel und damit zum Auftakt des eigentlichen Kriminalfalles dieser Geschichte. An dieser Stelle muss ich ein gesondertes Dankeschön loswerden. Ich bin kein Künstler, ich bin Physiker – was man vielleicht schon gemerkt hat... *hüst* - und Kunst ist ganz sicher nicht mein Metier. Da ich aber auch nicht völligen Unsinn schreiben wollte, habe ich mich bei einigen Textstellen die ab jetzt kommen, intensiv beraten lassen von einer Kunststudentin, die vielleicht anonym bleiben will. Wenn nicht, sags schnell, ich ändere das noch! ;] Aber dennoch hier mein offizielles riiiesiges Danke schön dafür, dass du inhaltlich diese FF gerade rückst, was Kunst angeht. ^_________^ Dann wieder ein großes Danke an die weiter fleißigen Kommi-Schreiber. Das Aufeinandertreffen Kirika-Conan, welches auch einige Kapitel in Anspruch nehmen wird, beginnt aber erst in zwei Wochen so richtig... Dann kann ich vorläufig nur viel Spaß mit diesem Kapitel wünschen und bis nächste Woche. ;] LG, Diracdet Kapitel 5: Die Künstler von Schloss Kunieda Der kleine Kombi von Kogoro war mit fünf Insassen eigentlich zu gut gefüllt, aber Heiji wollte unbedingt nicht mit seinem Motorrad hinterherfahren, sondern die Fahrt für einige Nachfragen nutzen. So nahm vorne Inspektor Takagi auf dem Beifahrersitz platz, während Ran, Kazuha und der Detektiv des Westens sich in dieser Reihenfolge hinten zusammen setzten. Kazuha suchte den Blick ihres Freundes, versuchte in seiner ernsten Miene zu lesen. 'Warum erzählst du es Ihnen nicht, Heiji? Du hast doch gesehen... dass sie nicht ganz normal ist... und dass sie gelogen hat!' Er fixierte ruhig die Kopfstütze des Fahrersitzes vor sich, nahm ihren Blick nur im Augenwinkel wahr. Als er endlich seinen Kopf leicht zu ihr neigte, nickte sie ihm ermutigend zu. Ihre Lippen formten den Namen 'Kirika', das konnte er erahnen, schüttelte aber unmerklich, ablehnend seinerseits den Kopf. Tonlos drückte sie mit einem leichten Augenheben ihre Verwunderung aus, woraufhin er sein Kinn leicht genervt auf dem linken Arm abstützte und seinerseits die Augenbrauen leicht anhob, ihr damit andeutete, zu ihrer Mitfahrerin zu ihrer Rechten zu blicken. Ran starrte nun schon einige Minuten lang, seit das Auto los gefahren war, nur stumm hinaus ins nichts, in die Leere. War tief in Gedanken versunken, die er auch nicht unterbrechen wollte, vermutlich auch nicht konnte. 'Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Ja sicher erinnere ich mich an Mademoiselle Bouquet's Anrede damals. Aber... was soll diese mir bringen? Sie selbst hat nur vom kleinen Prinzen geredet, Doktor Araide brachte den Aspekt mit dem Zitat. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar... Sicher, wenn man es auf Conan überträgt, man sieht ihm seine Talente nicht an. Oder... man sieht ihm auch nicht seine Identität an, sofern er denn Shinichi ist... Aber wobei soll mir das helfen? Sie wird doch nicht Conan meinen, oder? Nein, Unsinn, Ran, du machst dir schon wieder absurde Gedanken.' Das Problem an diesen absurden Gedanken war, dass ihr keine anderen kamen. Im Gegenteil, jeder Funken, jeder kleine Krümel, jede Spur einer anderen Interpretation wurde von dieser einen im Keim erstickt und im Boden zertreten. Eines konnte Ran nicht leugnen... es war noch nie so schlimm, wie dieses mal. Conan, zu 99% sicher Shinichi, kontrollierte ihren Verstand, nahm sie innerlich gefangen. Sie spürte, wie ihr im Herzen und im Gesicht warm wurde, wandte sich noch mehr zur Seite, ließ die Sonne von außen ihr drückend ins Gesicht scheinen. Möge doch ein physischer Schmerz, und sei es nur ein kleiner Reiz durch intensive Sonnenstrahlung, ihr wenigstens diesen Moment zum Atmen geben. Es gab noch etwas, was für das Auge unsichtbar sein sollte, aber dem Herzen so offenkundig nahelag, die Gefühle. Wenigstens die eigenen waren untrüglich, nur manchmal eben schwer zu deuten. Sie hatte es schon seit langem wohl so empfunden, es als das interpretiert, was es war, aber nie war sie sich so sicher, wie in diesem Moment. Es wurde kein geringeres Bedürfnis, an Shinichi zu denken, wenn sie es tat, es verstärkte sich nur noch. Jeden Moment, den sie mit ihm verbringen konnte seit diesem Tag im Tropical Land linderte nicht den Schmerz, füllte nicht die Lücke in ihrem Herzen. 'Es waren wohl tatsächlich keine leeren Worte, die ich Conan damals so unbedenklich an den Kopf warf... es muss wohl wirklich so sein, dass ich... Shinichi liebe. Aber warum... geht mir dann Conan nicht aus dem Kopf? Auch wenn sie ein und dieselbe Person sein sollten... es liegen doch... in ihrem Verhalten... so oft... Welten dazwischen... Wieso tust du das, Conan? Was... was ist dein wahres Motiv?' Die leichte Errötung verflog, ihr folgte eine nüchterne Verwunderung. Diese Frage hatte sie so noch nie gestellt. Sein Motiv? Er war hinter einer Organisation her, die versuchte ihn zu töten, die vermutlich sogar glaubte, ihn getötet zu haben. Anders ist wohl nicht zu erklären, wie nahe an seinem wahren Wohnort er sich versteckte. Es gab diese Organisation, Vermouth hatte es ihr bestätigt, und auch einige der tieferen Verbindungen. Diese Organisation hatte ihn scheinbar mit einem eigenen Mittel verjüngt, so hatte es Mamoru interpretiert, dass er scheinbar nicht ganz wählen konnte, wann Shinichi kam und ging. Frei nach Faust, der Teufel selbst gab ihm das Mittelchen. Also zum Einen versteckte er sich, und zum Anderen... wollte er wohl auch die Leute um sich herum schützen. So war Shinichi, das wusste Ran genau. Eine dieser Eigenheiten an ihm, die sie bewunderte, aber auch... inspirierte. Das, was er tat, war einfach richtig, es war gut so, bedurfte keiner tieferen Logik, die er sonst so in den Vordergrund stellte. „Braucht man denn einen Grund, um einen Menschen zu retten?“ Seine Worte damals aus New York wiegten nun wahrhaft schwer in ihren Ohren, betäubten eigentlich jeden Versuch, darüber nachzudenken. Und deswegen, weil es richtig war, einfach so richtig war... musste auch von anderen so gehandelt werden. So sollte auch sie handeln. So begründete sie für sich seit Jahren, was sie tun würde, wenn es nötig wäre. Das war ihre Maxime. Nicht ahnend, dass diese Einschätzung umgekehrt bei Shinichi genauso vorhanden war für Ran. Das Gute beeinflusst sich gegenseitig, verstärkt sich durch das unterschwellige Empfinden des richtigen, wie Ai erkannte. Also war doch eigentlich alles in der Hinsicht klar. Wieso also hinterfragte sie auf einmal doch nochmal das Motiv? Dieser Winkelzug ihres Unterbewusstseins war ihr wirklich unbegreiflich, quasi... 'Unsichtbar? Für das Auge... das offensichtliche... unsichtbar?' „Also, was wolltest du nun?“ Mitten in ihre Gedanken hinein warf Rans Vater diese Frage, klang leicht angesäuert, wohl auch, weil ihm erneut einer dieser Jungspunde als Detektiv Konkurrenz machen wollte. Der Angesprochene, Heiji, sah kurz verwundert zur Seite, zu Ran, die scheinbar vollkommen den Faden verloren hatte und sich nun ganz dem Gespräch widmete. Sogar teilnahm. „Genau, du wolltest doch vorhin unbedingt nicht hinterher fahren, sondern hier mit, weil du noch ein paar Fragen hattest?“ „Ich hoffe doch, das war keine faule Ausrede, nur um Benzin zu sparen.“, kam es etwas dreist vom Fahrer obendrein. „Na hörn Se mal?!“ Heiji guckte richtig pikiert, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich dann wieder nach hinten. „Ich bin mitgefahrn und hab mein wunderschönes Motorrad stehen lassen, weil wir doch immerhin nen Fall bearbeiten wollen und ich, ehrlich gesagt, immer noch nich wirklich ne Ahnung von den Zusammenhängen habe, die Se doch schon in umfangreichen Befragungen und Untersuchungen bekommen haben. Also wollt ich einfach mal fragen, ob Se mir vielleicht erklären können, worum es in diesem Fall eines verschwundenen Künstlers eigentlich genau geht?“ Erst in diesen letzten Satz legte er wirklich ein wenig überhebliche Ironie hinein. Was dachten die beiden denn, was er wollte? Das war doch nun wirklich nicht schwer zu erraten... 'Nun gut, genau genommen, gebs im Moment noch ein paar Fragen, die mich echt interessieren. Zum Beispiel, wer Kirika Yuumura is, oder ob Ran nun doch Bescheid weiß... und Sonoko...' Letztere machte ihm am meisten Sorgen. Gerade Sonoko Suzuki schien ihm immer doch so... man mochte sagen, leichtfertig lebensfroh, nahm das Leben wie es kam und kein Blatt dabei vor den Mund. Ihre Reaktion, als er sich mit Kirika vorhin ein wenig in die Haare bekommen hatte, war schon... sehr beunruhigend. 'Zumal... diese Kirika gelogen hat...' Er schüttelte sich kurz. Wäre es ernsthaft problematisch geworden, hätte Sonoko sicher auch irgendetwas getan, dass sie nicht zu Conan geht. Und das macht sie ja nur noch merkwürdiger. Er fühlte sich ein wenig an die Beschattung von Jodie Saintemillion erinnert. Die war viel zu gut für eine gewöhnliche Englisch-Lehrerin, kannte viel zu viele Tricks, von Taschenspielertricks, über Psychologische Kriegsführung, bis hin zu logischer Schlussfolgerung auf hohem Level. Sie war gefährlich gut und Shinichi hielt sie Anfangs gar für ein Mitglied der Organisation. Und letztlich... war sie ein Mitglied des FBI, was Heiji eigentlich noch unwahrscheinlicher als Interpretation erschien. Aber damit eben eine wertvolle Verbündete. Vielleicht hatte es mit dieser Kirika etwas ähnliches auf sich, wovon ihm sein Freund nur noch nichts erzählt hatte. 'Aber... ihre ganze Reaktion, zuerst gar nichts, dann Schock, Wut, dann wieder alles weg... Aah, beruhig dich Heiji, jetzt geht es erstmal um den Fall!' „Also schön, Heiji, kennst du Tomoji Kunieda zufällig?“ Takagi übernahm die Erklärung, während Kogoro sich nun wieder ganz dem Fahren widmete und von der Hauptstraße durch Tokio abbog auf einen Weg hinaus nach Osten, in ein bergiges Waldgebiet. Kazuha und Heiji überlegten beide kurz, schienen aber sich zu erinnern, den Namen tatsächlich schon mal gehört zu haben. „So ein reicher... industrieller... Kunstsammler, wenn ich mich recht erinnere.“, meinte sie. Das Mädchen überlegte kurz weiter, Heiji schien sich eher wieder zurück zu lehnen. Kunst war nicht wirklich sein Metier. Aber auch ihr war der Name nur sehr unterschwellig ein Begriff. „So ungefähr, könnte man sagen...“, sinnierte Takagi. Nicht ohne ein gewisses Maß freudigen Gefühls etwas vor Heiji zu wissen. 'Kommt ja auch nicht alle Tage vor...' „Gabs nicht mal so eine Adelsfamilie vor Jahrhunderten, Kunieda?“ Und schon hatte der Detektiv dieses Überlegenheitsgefühl zerschlagen, und Takagis Grinsen wich dem Ernst. „Ihr habt beide Recht, denn wir reden von ein und demselben. Kunieda... war eine der angesehensten Adelsfamilien, noch vor hundert Jahren. Das Schloss, zu dem wir fahren, gehörte damals, wie auch heute noch zu ihrem Besitz. Aber dann, im 20. Jahrhundert, lief es ungünstig für die Familie, sowohl die Wirtschaftskrise Anfang der 30er, wie auch der zweite Weltkrieg als solcher dezimierten ihre Mitglieder, wie ihre Finanzen gleichermaßen drastisch. Die Besatzung der Amerikaner ließ sie letztlich, weil die Kuniedas selbst nur noch ein Ruin waren, ein vergessenes Erbe, in Ruhe, im Wald... dahin vegetieren, so muss man es wohl bezeichnen. Herr Tomoji Kunieda, der letzte Nachfahre, war Ende des Krieges gerade 18 geworden, seine Eltern als einzige Überlebende außer ihm, erkrankten in dieser Zeit und starben kurz danach. Als man in den folgenden zehn Jahren nichts mehr von Kunieda hörte, meinte man, er wäre selbst in diesem Schloss gestorben, Beziehungsweise, er würde als Geist den Wald unsicher machen, weil sich keiner mehr hinein traute.“ „Wie... Geist? Spukts in diesem Wald?!“ Kazuha ließ bei diesem letzten Satz das Mitleid, das sie für das Familienschicksal empfand, schlagartig los und ein heftiges Zittern durchzog ihren Magen. „Er lebt noch, verdammt... Kinder...!“ Auch wenn Kogoros Reaktion auf ihre, fast schon erwartbare Panikattacke von allen als viel zu grob kritisiert wurde, es war doch auch die beste Antwort, die jedweden Gedanken an das Übernatürliche zerstreute. „Aber... wie hat er dann überlebt? Und wieso ist er wieder aufgetaucht?“ „Über beides hält er sich geflissentlich zurück, wenn man ihn danach fragt. Es wird allgemein vermutet, dass er, wie auch immer, vielleicht durch Früchte und Tiere im Wald überlebte, oder indem er sich ganz kurz, ohne sich zu erkennen zu geben, irgendwo blicken ließ und mit den kläglichen Resten seines Familienvermögens zahlte. Dies würde nämlich erklären, dass er wiederkam, weil vielleicht gerade das Vermögen gänzlich verpulvert war. Fakt ist, Mitte der 50er tauchte er wieder auf, und begann, am japanischen Wirtschaftswunder tielzuhaben. Im Unterschied zu Westeuropa gab es ja hier kein Geld aus Amerika, weshalb es ein von vielen Firmen eigenständig aufgebautes Wunder war und er war einer dieser 'Wundererzeuger'. Mitte der 70er hatte er es dann bereits wieder in die Liste der Dollar Milliardäre geschafft und ungefähr zur gleichen Zeit verließ er sein Schloss und zog in eine Villa, nördlich von Tokio.“ „Und seitdem steht dieses Schloss leer?“ „Nicht ganz. Es war wohl so, laut dem, was Kunieda in Interviews preisgab, dass viele Leute ihn dazu gedrängt hatten, das Schloss nicht noch mehr verkommen zu lassen, schließlich ist es die letzte direkte Erinnerung an diese ehrwürdige Familie, die er ja zugunsten dieser neuen Zeiten hinter sich gelassen hätte. Er wollte es aber nicht so recht, weil er angeblich fürchtete, eine Touristenattraktion würde daraus werden. Er wollte selbst aber auch nicht mehr dahin zurück... und hin und her, letztendlich kam ihm sein, mit dem Reichtum gekommenes Hobby zu Hilfe.“ „Sie meinen seine Kunstsammlung?“ Er sagte ja, beide hätten recht, also war Kazuhas Argument mit der Kunst sehr wohl relevant. „Das, und seine allgemeines Interesse für die Kunst. Er organisierte vielerlei Ausstellungen, kaufte viele, nicht nur alte Werke, sondern auch die jüngerer Künstler, die er für talentiert hielt und so kam er oft mit ihnen ins Gespräch...“ „'Kunst ist immer noch eine brotlose Kunst...', das war seine Quintessenz daraus.“, zitierte Ran beiläufig, wirkte nun wieder ganz bei der Sache, lauschte aufmerksam, wie die beiden Osakaer, Takagis Worten. „Es ist halt immer noch so... es gibt kaum Chancen, außer für die richtig guten, was zu werden, aber auch dann muss man, wie beim Popstar entdeckt werden. Galeristen wandern durch die Ausstellungen und wenn sie einen entdecken, können sie diesen ein wenig unterstützen, aber auch dann muss man berühmt genug werden, dass die Leute quasi von vornherein alle Bilder kaufen, was... wie ihr euch denken könnt, nicht so oft passiert. Das ganze Problem animierte Kunieda zu einem Schritt, der ihn als Mäzen der Kunst berühmt machte. Er hatte sich ja durchaus einen Namen gemacht, er konnte Ausstellungen nach eigenen Wünschen interpretieren und wenn er jemanden für talentiert befand, dann war das auch für die Galeristen ein Name, zu dem sie in Ausstellungen gehen würden. Also ließ er einige dieser jungen Leute, die er für talentiert befand, Kost und Logis frei, in seinem Schloss leben und arbeiten, präsentierte eigene Ausstellungen nur für sie, bis sie eine Chance erhalten würden, von einem Galeristen unterstützt zu werden, der ihren Namen wirklich vermarkten konnte. Natürlich ist das eine subjektive Erwartung, aber der Erfolg gab Kunieda recht, die meisten leben als Künstler zumindest selbstständig. Sicherlich hat er gewisse Auflagen gestellt, dass sie das Schloss oder den Wald nicht verwüsteten, dass sie wirklich an ihrer Arbeit werkten, dass sie ab und an auch ein Werk nur für ihn machten, nach seinen Wünschen, er mochte diese Werke ja... Aber nichts, was mit anderen Verhältnissen vergleichbar war. Es war ein kostenloses Atelier für diese Leute, abgeschieden von der Zivilisation, in einem ruhigen Wald, malerischer Umgebung, mit der Garantie, auf Ausstellungen gesehen zu werden, und schon einem Empfehlungsschreiben für die Galeristen von Tomoji Kunieda in der Tasche.“ „Wow...“ Viel mehr brachten beide nun nicht heraus. Kazuha sah kurz zu Ran, die ihr nach einem Moment zunickte. „Echt, sowas funktioniert?“ „Tja, wunderbar eigentlich...“, bemerkte Kogoro, mit einem leicht ironischen Blick zu seinem Beifahrer. „Dennoch schien die Polizei überzeugt zu sein, ein verschwundener Künstler aus diesen 'heiligen Hallen' wäre vermutlich einfach weggelaufen...“ „Ich habs ja kapiert, dass Sie das als unrealistisch empfinden, Mori!“, konterte Takagi aufgeregt zurück. „Aber... aber wir wissen doch nicht, ob er vielleicht gar nicht gut war und nun verzweifelt feststellte, dass er nur sinnlos jemand anderen Gunst ausnutzte und deshalb... weglief?“ Der Detektiv schüttelte nur stur den Kopf, fixierte dabei vorsichtig mit den Augenwinkeln die Straße vor sich. Der Wald baute sich in einigen Kilometern Entfernung nun vor ihnen auf. „Das scheint sich ja nun, durch Conans... 'Unfall' auch zerschlagen zu haben. Außerdem meinten alle anderen Künstler, von seinen Ideen, an denen erarbeitete, Gefallen zu finden. Und auch Herr Kunieda fand diese doch sehr beeindruckend, so weit ich gehört hatte.“ „Ich sagte doch, ich habs kapiert, dass Sie es nicht glauben. Können wir dann das Thema dabei bewenden lassen und uns diesem Fall, Conans Fall, zuwenden?“ „Also schön, wir haben also ein Haus voller Künstler, oder wie? Wie viele denn insgesamt?“ Für Heiji war das Thema Kunieda damit weit genug ausgeschöpft und er war nun an den Künstlern interessiert. So recht konnte er sich immer noch nicht vorstellen, wie ein Dutzend oder noch mehr Künstler, mit ihren ganz eigenen... (Ab)arten unter einem Dach leben konnten, selbst wenn es ein Schloss war. „Also, den verschwundenen Herrn Tashija mitgerechnet, sind es vier Künstler.“ Den beiden Gästen auf der Rückbank gingen für einen Moment die Augen über. „Wie, nur VIER Künstler?!?“ „Naja...“, grinste der Inspektor verlegen, kratzte sich leicht an der Wange. „Das ist wohl so Standard, damit hat jeder Künstler seine eigene Etage auf dem Schloss und kann sich darin sein Atelier aufbauen.“ Kazuha und Heiji starrten ungläubig nach vorne, dann zu Ran, die erneut zustimmend nickte, dann sich gegenseitig an, und dann wieder nach vorne. „Künstler... müsste man sein...“, atmete die Oberschülerin resignierend aus. „Okay, vier... ist doch schonmal ein Anfang. Abzüglich des verschwundenen Herrn Tashija also nur drei zu Befragende. Und nun Herr Inspektor...“ Der Wagen fuhr in diesem Moment in die Waldstraße ein, das strahlende Sonnenlicht verschwand hinter den Bäumen und Takagi konnte im Rückspiegel nun erstmals Heijis überzeugte Miene sehen. „Erklären Sie uns doch bitte noch, bevor wir ankommen, was für Künstler das sind. Fangen Sie am besten beim Verschwundenen an, ja?“ Der Inspektor nickte kurz verlegen, kramte ein kleines Notizheft aus der Hosentasche und suchte seine Daten heraus. „Atsushiro Tashija, 24 Jahre jung. Er war gerade mit seinem Studium fertig geworden vor einem Jahr und ist als jüngster... 'Kunst-Anwärter' aufs Schloss gekommen. Er ist... Naturkünstler.“ Er stoppte bei dem Wort, wusste sowieso, dass es Heiji und Kazuha nichts helfen würde. „Er macht was?“, stellte Heiji entnervt die entscheidende Frage. „Nun ja... er macht aus der Natur... nein, das ist falsch... er... er... „Er zeigt die Kunstwerke der Natur, indem er sie den Augen der Menschen zugänglich macht.“ Ran zitierte fast monoton,was ihr die anderen Künstler gestern nacheinander selber zitiert hatten. Heijis und Kazuhsa Blick wanderten zwar weiter zu ihr nun, verstanden hatten sie dadurch aber immer noch nichts und blickten nur noch verwirrter. „Und das heißt nochmal was?“ „Es ist irgendwie nicht leicht zu beschreiben. Er suchte wohl immer den Vergleich zu einem großen Vorbild, das er nun nicht imitieren wollte, aber das zum verdeutlichen der Zusammenhänge diente. Ein Spanier... César... César...“ „Ah, doch nicht César Manrique von Lanzarote?“ Kazuha schien plötzlich total gefangen, als sie auf den Namen kam. „Äh... ja, der, aber woher kennst du ihn?“ Takagi und alle anderen sahen nur stumm auf das leicht vor Scham errötete Mädchen in ihrer Mitte. „Ja, bitte klär uns auf, damit auch wir die Zusammenhänge kennen, bevor wir es uns von den anderen Künstlern erklären lassen müssen.“ Heiji guckte leicht pikiert zur Seite, beobachtete den kleinen Flusslauf, der neben der Straße Richtung Tokio floss und hier nach und nach kleiner wurde. „Meine Eltern waren mit mir, als ich noch ein Kind war, mal dort. Sie wollten damals unbedingt mal an einen Ort, der nicht so sehr bereits auf dem Reiseatlas für Japaner kartographiert ist, was... wie sie es sagten, 'eigenes'. Da hatte man ihnen die Kanarischen Inseln empfohlen, weil die für Ostasiaten praktisch unbekannt sind. Und auf Lanzarote kommst du an seinem Namen nicht vorbei. César Manrique war ein junger Künstler von der Insel Lanzarote. Er studierte in Barcelona Kunst, wurde dort aber von den Studenten wegen seiner Herkunft geärgert. Auf Lanzarote gab es vor... mehreren Jahrhunderten wohl, riesige Vulkanausbrüche, die das halbe Land mit Lava und Asche bedeckten und über Jahre den Himmel verfinsterten. Die Insel, mit ihren Ureinwohnern war danach nahezu tot, und aus spanischer Sicht das Ende der Welt, von der Manrique sozusagen kam. Das hat ihn so wütend gemacht, dass er sich vornahm, für den Rest seines Lebens der Welt zu beweisen, was für eine tolle Insel es war. Er hat die ganze Natur dieser Landschaften eingefangen, ohne etwas daran zu verändern – jetzt verstehe ich auch, was ihr mit Naturkünstler meint. Er wollte die Natur in ihrer wahren Schönheit zeigen, wie sie den Menschen häufig in naiver Erwartung entgeht.“ „Toll, ein Lavahaufen als Kunstwerk!“, giftete Heiji regelrecht. Das war ihm einfach zu... weit weg von seinem Leben. Aber den bösen Blick, den er von Kazuha einfing, ließ ihn kerzengerade aus seiner entspannten Haltung auffahren. „Heiji... dieser... 'Lavahaufen' ist heute ein Nationalpark! Und er ist bei weitem nicht das einzige Kunstwerk Manrique's. Er hat in einer Unterwasserhöhle mit Albinokrebsen, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt, ein Orchestor errichtet, die Wände funktionierten bereits so, sowohl als Schallverstärker, wie auch als Sitzgelegenheit. Er wohnte selbst in einer Höhle, hat sich Zimmer eingerichtet, nur aus diesen Luftkammern in den Lavamassen, es war wirklich beeindruckend. Er hat auch durchgesetzt, dass dort und auch auf der Nachbarinsel Fuerteventura keine neuen Häuser gebaut wurden mit mehr als zwei Stockwerken, um den Blick auf die Natur nicht zu behindern.“ „Wow, jetzt bin ich aber beeindruckt, du kannst das fast besser als die anderen Künstler vom Schloss!“, bestätigte ihr Ran. „Wie... besser als die anderen...?“ „Nun ja... es scheint, als hätte Herr Tashija von seinem Idol ziemlich oft erzählt, und die weiteren Bewohner des Schlosses damit... ein 'wenig' genervt. Also, wenn ihr nachher hinkommt und was wegen César Manrique fragt, werdet ihr auch solche Vorträge hören.“ „Okay, ein verschwundener Naturkünstler, wir habens... halbwegs, kapiert. Und was ist nun mit den anderen?“ Heiji drängte weiter auf Informationen. Auch wenn ihm die Erklärung Kazuhas gefallen hatte, auch dieses Leuchten, das die Kindheitserinnerung wachrief in ihren Augen – gerade dieses Leuchten - es war einfach nicht das, was er wissen wollte, was er wissen musste, um diesen Fall bearbeiten zu können. Und was die Künstler später noch sagen würden, stand auf einem anderen Papier als auf Takagis Notizzettel. „Also... der älteste, der seit etwa sechs Jahren dort arbeitet Seijiro Yamamura, 31 Jahre. Er ist Maler.“ „Na bitte, das ist ja schonmal was bekannteres als Naturkünstler. Und was besser zu Überblickendes. Und was malt der gute Herr?“ Mit einem Mal wirkte Heiji wieder ganz in seinem Element. Man sah ihm förmlich eine Assoziationskette vor seinem geistigen Auge an: 'Kunst => Malerei => kenne ich, macht Sinn => kann man mit arbeiten'. Ran musste kurz zur Seite blicken, um sich ein Lächeln zu verkneifen, wohlwissend, dass diese Argumentation gleich zum erliegen kommen würde. „Er malt Bücher.“ „Er macht... was?“ 'Kunst => Malen von Büchern => Widerspruch!' „Meinen Sie, er malt Bücher, die dann später gelesen werden, so für Kinder oder so? Oder wie?“ Kazuha übernahm es, Heijis gordischen Knoten zu lösen und es aufzuklären. „Teilweise geht es wohl auch darum. Ihr kennt doch Programmmusik. Mussorgsky, 'Bilder einer Ausstellung'.“ Beide nickten kurz dem Inspektor zu. „Da waren Bilder vorher da und Mussorgsky hat dazu eine Musik entwickelt. Herr Yamamura wählte den umgekehrten Weg, nahm Bücher, vorwiegend moderne Literatur, und formulierte ihr Wesen auf einem Bild. Das hat ihm vor allem bei Herrn Kunieda viele Sympathien gebracht, der selber viel liest und deshalb immer wieder mal bei ihm Bilder bestellte und noch weiter bestellt.“ „Naja, aber... sehr künstlerisch klingt das nicht...“, stellte Kazuha etwas enttäuscht fest. „Mag im ersten Moment so klingen, aber... eigentlich hätte Yamamura auch schon längst ausziehen können. Seine Werke haben überall so großen Anklang gefunden, dass er sogar schon Angebote aus dem Ausland hat. Er hat das Talent Bücher nicht nur in Bildern einzufangen, sondern auch das Designverständnis, mit dem man Bücher in die Welten der Filme umsetzt. Außerdem, er macht alles zu Bildern, nicht nur Bücher, auch wenn denen sein Hauptaugenmerk gilt. Das Beispiel mit der Programmmusik hat er eingebracht, weil auch er Musik in Bilder fasst. Und zwar gleichermaßen alte Klassiker, wie ganz frische Charts. Darum, ich sagte ja, eigentlich ist er schon zu gut, um noch da zu wohnen, aber Herr Kunieda wollte ihn wohl selbst nicht ziehen lassen, weshalb es auch ab und an Streit gab.“ „Wobei, hier gab es auch Streit, als Yamamura mich zum Fall gerufen hatte.“ Nun schrak Takagi hoch, als sich Kogoros tiefe, ernste Stimme, so aus dem Nichts meldete. „Er hat Sie wegen des Falles beauftragt?“ Der Angesprochene nickte nur kurz. „Herr Kunieda war wohl nach Ihrer Untersuchung soweit zufrieden und betrachtete den Fall als beendet, die anderen drei waren aber unschlüssig und so hat Herr Yamamura als ältester stellvertretend mich beauftragt, nochmal reinzuschauen. Das war dem Herrn Schlossbesitzer aber etwas unpassend, obwohl ja die Künstler seit den achtzigern auch die Verwaltung von Schloss und Garten übernehmen. Er selbst war wohl seit Ewigkeiten nicht dort. Das hat mich zugegebenermaßen auch etwas stutzig gemacht, aber... nun ja, vielleicht wollte er auch einfach nicht so viele Leute da haben, die sich alles ansehen und was kaputt machen. Er wollte ja eh keinen 'Touristenmagnet'.“ Heiji überlegte eine Weile, sah aber für den Moment keinen weiteren Erklärungsbedarf bezüglich Herrn Yamamura, nickte nur kurz Takagi zu, als dieser sein Notizheft hoch hielt. „Herr Yamamura wohnt im obersten Stockwerk. Darunter lebt Herr Daijio Hino, 29 Jahre, seit drei Jahren dort, Fotograph.“ „Ach Sie meinen, er macht solche Fotos über die man dann ewig nachdenken soll, wie über besondere Bilder?“ Heiji wollte sich nicht geschlagen geben und startete eine neuen Versuch, die Künstler zu verstehen. „So in etwa, das trifft es wohl. Er galt als ziemlich guter Fotograph, dem man nachsagte, die entscheidensten Momente des Lebens für immer zu bannen. Nun ja, bis vor gut einem Jahr, kurz bevor Herr Tashija kam. Damals hatte eins seiner Bilder negative Schlagzeilen gemacht.“ „Ich erinnere mich...“, schrie Kazuha fast hinaus. „Das stand in der Zeitung, ein getürktes Foto habe einen jungen Fotograph in seinem Ruf sehr geschädigt.“ „Und was war auf diesem Foto, dass alle Welt dann so ein Trara veranstaltete?“, wunderte sich Heiji. Takagi wies mit der Hand nach draußen, auf den Flusslauf. „Der Fluss war auf dem Bild. An seinem Rand lag ein sterbender Fisch, der scheinbar angespült wurde, und dahinter ein ein junger Pflanzenkeim. Die Nähe von Leben und Sterben sollte damit angesprochen werden.“ „Na und, dann hat er eben einen Fisch aus dem Fluss genommen und dahin gelegt. Wo ist das Problem?“ „Das alleine wäre schon Frevel, weil es gestellt wäre. Aber der Fisch war scheinbar nichtmal aus diesem Fluss, also völlig falsch dargestellt.“ „Wie, nicht aus dem Fluss, gibt’s darin keine Fische?“ „Ein Biologe war auf der Ausstellung, die dieses Bild zeigte, anwesend. Er besah sich den Fisch genauer, Verfärbungen, Blindheit und einiges anderes konnte man erkennen. Dadurch befand er, dass dieser Fisch wohl an einer Metallvergiftung gestorben sei. Der Fluss hier hat aber überhaupt keine Metallverunreinigungen, das wurde danach extra noch einmal überprüft, obwohl es alle vorher schon ahnten. Weiter unten, in Tokio, da lassen einige Fabriken ihr Wasser darin ab und dort gibt es auch diese Verunreinigungen, teilweise. Aber was Herr Hino zeigte, war untrüglich nicht echt.“ „Hm... und was hat er selbst dazu gesagt?“, hakte nun auch Kazuha tiefer nach. „Er behauptet bis heute, das Bild sei ihm so in der Natur gezeigt worden, auch wenn im Nachhinein weder Fisch noch Metalle auffindbar waren.“ „Und warum hat Herr Kunieda ihn nicht entlassen danach? Er ist ja immer noch da, soweit ich das verstehe.“ „Tja, er hat ihm wohl, laut Hino selbst, gesagt, er solle diesen Fauxpas vergessen und sich andere Motive für seine Bilder suchen. Egal ob das Bild echt sei oder nicht. Das meinten auch die anderen Künstler... bis auf... Herrn Tashija.“ „Der nicht?“ Nun war Heiji wirklich hellhörig geworden. „Nun, wie gesagt, Tashija kam kurz nach dem Fall um das Foto und Hino sah das wohl als Chance, von jemandem bestätigt zu werden, der sich mit der Natur ebenfalls gut auskannte. Seine wörtliche Reaktion, als er das Bild sah, war laut Hino und Yamamura übereinstimmend: 'Man soll der Natur nichts wegnehmen oder hinzufügen, die Kunst ist von vornherein da.' Seitdem hatten sich Herr Hino und Herr Tashija wohl nicht so gut verstanden, auch wenn es keine großen Probleme gegeben haben soll.“ „Damit bliebe uns dann noch ein Künstler.“, stellte Heiji erneut nach kurzem Nachdenken fest. „Ja, in der zweite Etage von unten wohnte Herr Tashija und die untere Etage gehört einem... 3D-Künstler, wie er es nannte, Herrn Katsui Tomoko. Wie Herr Hino 29 Jahre alt, aber schon fünf Jahre hier.“ „3D-Künstler?“ „Er war, bevor er herkam, schon aktiv als Plastiker, arbeitete viel mit Bronze, aber auch Kupfer und Eisen, sowie auch mit bildhauerischen Materialien parallel. Er war sich wohl unschlüssig, welches Material er am liebsten formte. Und da hat ihn Herr Kunieda angesprochen und gesagt, wenn er ihm eine bestimmte Aufgabe erfülle, könne er in seinem Schloss Materialien und Bearbeitungsgeräte aller Art bekommen, die er bräuchte.“ „Und die Aufgabe?“ „Er sollte eine kleine Figurine, eine Art Figur für eine Spieluhr, anfertigen. Aber nicht eine sondern je eine aus jedem nichtradioaktiven Element, welches bei Zimmertemperatur fest ist.“ „Je- jedes?!“ Kazuha und Heiji mussten kurz innehalten. „Wie viele sind das denn?“ „70!“, antwortete Kogoro leicht entnervt, während sie um eine der immer enger werdenden Straßen bogen. „Oder glaubt ihr, er hätte es uns nicht erzählt? Kunieda gab ihm die Materialien und er hat ein halbes Jahr daran gearbeitet, aber sie wurden fertig und auch ziemlich identisch alle, ohne Beschädigungen. Mittlerweile hat er diese Figurine auch aus anderen Stoffen hergestellt, meistens auch als Erinnerung an diese erste. Alle... mittlerweile über 300 Figurinen sollen bei Herrn Kunieda eine Wand zieren, heißt es.“ „Und zu unserem verschwundenen Künstler, welche Beziehung hatte er da?“ „Wie Herr Yamamura eigentlich keine. Er war ab und an genervt von seinen vielen Erzählungen zu Manrique, fand seine Arbeit und seine Ideen aber ganz gut.“ Erneut versank Heiji in Gedanken, diesmal aber nur kurz. „Eine letzte Frage. Wissen Sie, wer vor Herrn Tashija an seiner Stelle dort war?“ „Ähm... ja, ein angehender Restaurateur und Innenarchitekt, der dieses Schloss wohl gleichermaßen zur Inspiration wie auch als Übungsplatz verwendete. Viel Freude hat er Herrn Kunieda aber damit nicht gemacht.“ „Dann besteht ja noch die Möglichkeit, dass auch er einen gewissen Groll gegen den Nachfolger in seiner Position hatte...“ Takagi schüttelte nur bedächtig den Kopf. „Der Spur sind wir auch kurz nachgegangen. Dieser Innenarchitekt ging vor gut einem Jahr, als er einen Auftrag für eines dieser Riesenprojekte am arabischen Golf bekam. Seit damals ist er ständig dort gewesen und hat für jeden Tag seiner Anwesenheit Nachweis durch seine Arbeit. Der hat überhaupt keine Bindung zu diesem Schloss. Oh da vorne kommt es gerade.“ Die Lichtung tat sich auf, gab auf ein riesiges steinern graues Gemäuer, mindestens zwanzig Meter hoch und quadratisch geformt, die Sicht frei. Es erhoben sich vier kleine Türme in den Ecken, wie in europäischen Schlössern, die imposante Gestalt alleine schon schien die Zeit zurück zu drehen und das im Wald verschwundene Schloss magisch aus dieser Welt herausgehoben zu haben. „Nun ja.“, begann Heiji leicht lächelnd. „Es ist zwar nicht auszuschließen, aber ich sehe eigentlich keinerlei Gründe, warum sich Herr Tashija von sich aus hier verstecken und Conan niederschlagen sollte. Ergo würde ich sagen, unser Täter sitzt in einer dieser Etagen und brütet gerade über der Kunst. Sein Pech, dass er nicht weiß, dass sein nächstes Werk hinter anderen Mauern entstehen muss.“ „Musst du so theatralisch tun, Heiji?“, mokierte sich Kazuha kleinlaut, wurde dann aber von Rans freudigem Lachen ausgekontert. Als sie sich zu ihr umdrehte sah sie, wie sehr sich diese freute, Ansätze von Freudentränen schienen gar an den Augenwinkeln zu ruhen, um dann wieder im Inneren zu verschwinden. „Lass ihn doch, Kazuha. Ich bin einfach nur froh, dass er hier ist, um diesen Fall... mit Paps natürlich, aufzuklären. Ich muss dem Professor nochmal danken, dass er dich angerufen hat.“ Sie wandte sich ab zum Aussteigen, bevor sie sehen konnte, wie Kazuhas Blick ernst wurde, sich verkrampfte. Sie biss sich auf die Lippen und hielt Heiji am Arm fest. „Wir müssen es ihnen sagen, Heiji.“, flüsterte sie, als wüsste sie, dass er es verneinen würde. „Nicht jetzt, der Fall geht vor.“ Damit drehte auch er sich zur Seite, ließ Kazuha alleine im Wagen zurück. 'Wieso? Heiji, wieso willst du ihnen nicht sagen, dass dich nicht der Professor angerufen hat, sondern eine unbekannte Stimme am Apparat war und nur sagte, dass Conan in Gefahr sei?' Er drehte sich nochmal um, sah kurz in ihren Augen, erahnte den Gedanken und hielt ihr nur die Hand hin. 'Unter anderem kann ich nichts sagen, weil die Stimme nicht sagte, Conan sei in Gefahr, sondern... „Shinichi ist in Gefahr!“ Mehr nicht. Und den anderen Grund... kennst du ja nun mittlerweile selber.' Sie nahm die Hand zögerlich an, starrte ihm verständnislos ins Gesicht. 'Und warum sagst du ihnen nicht, dass diese unbekannte Stimme offenbar... dieser Kirika gehörte?' Kapitel 6: Warten... -------------------- Hallo liebe Lesenden, ja, es geht nun also endlich los mit dem Fall und, ich hoffe ich habe euch noch nicht mit den Fakten überrannt. Mal so als Randnotiz, da ist praktisch nichts... unwichtiges dabei an Informationen, die sind alle für den Fall relevant und da kommen noch viele mehr, in den nächsten Kapiteln. ;p Dafür gibt’s aber auch ne Menge Zeit den Fall zu bearbeiten. Vielen Dank für die Kommentare an die Schreiber, ganz ehrlich. Mal sehen, ob ich als Physiker ein wenig gute 'Kunststimmung' verbreiten kann. XD Ich werde nach Veröffentlichung dieses Kapitels die Bilder der Künstler reinstellen und dabei auch eines von Cesar Manrique mit raussuchen – ja, der ist auch bedeutend. Und ja, Kazuha wird weiterhin etwas... künstlerisches Verständnis beweisen, das ist ihre besondere Rolle in diesem Punkt. ;] So, dann bleibt mir wohl erstmal nichts mehr, was ich sagen müsste außer euch viel Spaß zu wünschen beim weiteren Lesen... zugegeben, das ist ein eher... Zwischenkapitel eben, es bereitet die Handlungen vor. Danach wechseln sich die Kapitel mit Szenen vom Schloss und aus dem Krankenhaus ab... Bis zum nächsten Mal.^^ LG, Diracdet Kapitel 6: Warten... Kazuha starrte immer noch verunsichert, direkt ängstlich in sein Gesicht. So war Heiji normalerweise nicht, so geheimniskrämerisch, wenn es um einen Fall ging. Im Gegenteil, es bedurfte schon wichtiger Gründe, dass er nicht ab und an mit seinem Wissen sehr schnell vorpreschte. Sie wusste von Haus aus, dass das nicht immer gut war, in kriminologischen Untersuchungen sein Wissen vorzeitig preis zugeben, aber das hier war nur indirekt der Fall. Es ging doch um etwas anderes. Sie sah sich um, ihre Gedanken hatten ihr einen Moment das Zeitgefühl geraubt. Kogoro hatte den Wagen längst abgeschlossen und war zu den anderen aufgerückt, die beim Schlosseingang warteten. Nur Heiji und sie standen noch am Auto. „Hey, kommt ihr endlich, oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen!?“, kam es von ihrem Fahrer und Gastgeber in ungehaltenem Ton. Ohne Vorwarnung ergriff der Detektiv des Westens kurzerhand die Oberarme seiner Freundin, zog sie ein Stück näher an sich. Beide mussten für einen Augenblick erröten, was er beabsichtigte. In seinem Augenwinkel, dem auch Kazuha folgte, lag eines der oberen Fenster, in dem ein Schatten lauerte, dann verschwand. „H-Heiji, was soll das?“, versuchte sie zusammen zu stammeln, ohne dass sie ihm wirklich Widerstand leistete. Die ernste Mimik in seinem Gesicht deutete eine bewusste Handlung mit tieferem Motiv an. „Ich versuche nur, unsere Rolle, die uns aufgebürdet wurde, für die Künstler gut zu spielen. Du weißt doch, wir sollen ein... Pärchen mimen.“ Nun wurde er noch etwas röter, sah verlegen zur Seite. Kazuhas Erkenntnis hingegen ließ ihre Farbe wieder verschwinden, auch wenn sie es unterließ, ihn wegzustoßen, wonach ihr gerade sehr war. „Ach... so...“ „Einen Augenblick nur, Herr Mori, wir müssen einfach diesen malerischen Anblick genießen.“, rief er ihm dann aus der Ferne zu, drückte nochmal kurz Kazuha an sich, mit Blick auf das Schloss, bis der Meisterdetektiv Tokios verstand, und mit einem spöttischen Lächeln sich abwandte. 'Das kann ja heiter werden, wenn die so zu schauspielern anfangen...' „Warum sagst du es ihnen nicht, Heiji? Diese Frau, diese Kirika ist doch definitiv nicht ohne... Sie... ich weiß nicht, aber sie ist... gruselig...“ „Stimmt, sie ist sehr merkwürdig, in vielerlei Hinsicht, aber das ist Teil des Problems, weshalb ich mich zurück halte. Sie schien, wenn man ihren Ausbruch zwischendrin betrachtet, der definitiv nicht gewollt war... als wüsste sie nicht, was genau mit Conan geschehen ist, insbesondere nicht, dass er eine Gehirnerschütterung hatte und deswegen nun an Amnesie leidet. Das heißt, obwohl sie offenbar außergewöhnlich früh über seinen Unfall als solchen informiert war, scheint sie mit dem Fall hier nichts zu tun zu haben. Quasi ein isoliertes Problem.“ Sie merkte, wie sich ihre eben aufgebaute Abneigung wegen seines geschauspielerten Annäherungsversuchs löste. Er war ernst, seine Gesichtstönung war nun wieder verschwunden, während ihre wieder in Ansätzen zurück kehrte. Er war ganz in seinem Element, konnte sicher in der Dunkelheit der Spekulationen den hellen Pfad der Wahrheit finden. Diese Art, die sie so faszinierte an ihm. Es beruhigte sie, gab ihr Zuversicht, daran hatte sie nie Zweifel. „Zum Einen ist der Fall der Künstler, besonders wegen Conan, akuter, weshalb ich, was sie betrifft, noch abwarten möchte. Zum Anderen, sie ist tatsächlich eine sehr besondere Person, ja, und sie kennt Conan und Ran. Ich möchte erst von beiden selbst hören, wer sie genau ist... und wie. In Conans Fall kann ich ihn eh erst fragen, wenn er sein Gedächtnis wieder hat, und was Ran betrifft...' Plötzlich wandte er ihr den Blick wieder zu, sah ihr tief in die Augen. Erneut musste sie an sich halten, wusste einfach nicht, war das nun Schauspiel, um möglich Augenzeugen zu täuschen, war es vielleicht doch echt? „Ich würde dich bitten, dass du sie dazu befragst.“ „Wie... ich?“ „Ja, du, sicher, natürlich ohne den Anruf zu erwähnen. Wir haben sie ja nun gesehen, dass sie etwas merkwürdig ist, ist wohl auch klar, also kannst du sie doch ohne weiteres dazu befragen, ohne dass Ran Verdacht schöpft. Es... geht mir vor allem auch darum..., dass du sie etwas ablenkst.“ Nun wurden ihre Augen richtig groß. Die scheinbar abgeflaute Verwunderung wegen Heijis Zurückhaltung war nun einer neuen Verwirrung über sein Motiv gewichen. „Wieso ablenken? Von dem Fall?“ „Ja sicher, was denn sonst? Was glaubst du wohl, weswegen sie hier ist? Weil jemand Conan was angetan hat. Rachegelüste sind nicht Rans Art, aber dieser unbedingte Wille, alles dafür zu tun, dass der Täter geschnappt wird. Und so wie ich sie kenne – du ja wohl auch – heißt alles bei ihr eine Menge. Und ich hab echt kein Interesse, dass ihr was passiert und wir das dann Conan erklären müssen. Noch dazu... du hast sie doch auch angerufen nach der Schifffahrt letzte Woche, oder?“ Sie erschrak, sah wie seine Mine undurchsichtiger wurde. Natürlich erinnerte sie sich. Heiji hatte sich nur kurz bei ihr gemeldet, später aber sich von Conan die ganze Sache nochmal erklären lassen. Wie das eben so ist in dem Alter... Männer unter sich, Frauen unter sich. Ran hielt sich ihr gegenüber teilweise bedeckt, aber sie erzählte recht freiläufig über die Versuche, die sie unternahmen die Kapitänin zu finden, oder die Rettungsaktion ihres Vaters im Fall dieser australischen Biologin... „Ich erinnere mich, ja Heiji, aber... inwiefern hat sie... da etwas gemacht, dass...“ Sie hatte sich am Ende zurück gehalten, was nun genau dieser Tanahi eigentlich von ihr wollte. Und wieso sie in diesem geschlossenen Museum war, wo er sie hinlocken wollte. Hatte das womöglich Conan Heiji erzählt? „Du weißt etwas darüber?“ „Sie... hatte wohl etwas furchtbar wichtiges erledigen wollen... und hat darüber alle Vorsicht, alle Vernunft vergessen. Conan wusste es, weil er etwas damit zu tun hatte, aber... er wollte auch nicht genauer darüber reden...“ Das musste klingen, als wären da wüste Geheimnisse zwischen dem Oberschüler und dem Grundschüler, aber letztlich wusste auch Heiji nicht viel mehr, als er sagte. Denn auch Conan war bedeckt, was das ganze Thema Ocean Goddess Jungfernfahrt anging. „Ich sags mal so, Heiji, sie hat etwas getan, das mich mehr zum Nachdenken brachte als die meisten Fälle, die ich lösen durfte. Sie hat... zu viel riskiert, einfach. Dadurch ist etwas ins Rollen geraten, was... ich wohl nicht mehr stoppen kann. In einer Woche, ungefähr, ruf ich dich nochmal an, dann sollten die meisten Dinge geklärt sein. Wie... auch immer dann.“ So fiel seine Reaktion letztlich im Ganzen auf die zentrale Frage aus. Nichtssagend eigentlich, und doch so tiefblickend, dass seinem Freund aus Osaka Angst wurde. Es muss bedeutsam genug sein, dass Shinichi Kudo wirklich seine Fassung darüber verloren hatte und aus dem Gleichgewicht geraten war, zumindest ein wenig. Die Woche würde auch bald rum sein, nur war das wohl kein passender Zeitpunkt, dieses Thema anzuschneiden. Heiji hoffte nur, dass Kazuhas Freundschaft zu und ihre Sorge um Ran genügen würden, dass sie zustimmte. Zögerlich, abwartend, aber dann doch souveräner werdend nickte sie einige Male, mimte ein schwaches Lächeln. „Ist schon gut, wenn es nichts für die Ohren einer Frau ist. ggg.“ Das leichte Kichern beruhigte ihn und er wandte sich um, nahm sie mit seinem rechten Arm mit. Sie folgte brav. „Vertrau mir, Heiji, ich lasse Ran nicht aus den Augen.“, flüsterte sie beiläufig, während sie die Anderen am Eingang einholten. 'Das rate ich dir auch, Kazuha, sonst darfst du es Kudo erklären, das mach ich dann nämlich nich.' Die mehrere Meter hohe, aus Edelholz gefertigte und nussbraun lackierte Eingangstür knarrte im Stil eines alten Gruselfilms, als sie sich endlich öffnete und drei junge Herren mit Blicken, die zwischen Erfreutheit, Skepsis und Ansätzen von Angst, heraustraten. Der mittlere von ihnen, ein großgewachsener, schlanker Herr mit mittellangem Haar und leicht geäderten Augenlidern trat mit sorgenvoller Miene vor. „Ran, da seid ihr ja endlich! Wir hatten uns schon richtige Sorgen gemacht. Du wolltest doch nochmal anrufen wegen Conan. Wie geht es ihm? Ist er schon wieder bei Bewusstsein?“ Die Fragen prasselten so direkt auf die Oberschülerin ein, der Künstler schien gar keine Augen für die anderen, zum Teil noch unbekannten Gäste zu haben. Ein fester Griff von der Seite zog ihn etwas von ihr weg. „Beruhig dich, Seijiro. Sie wird dir bestimmt nicht schneller antworten, wenn du sie mit deiner aufdringlichen Art erschreckst.“ Einer etwas kleinerer Mann mit kurzen dunklen Haaren und Brille zu Seijiro Yamamuras Rechten trat hervor, besah sich kurz die Menge. „Und wie es aussieht haben wir diesmal noch ein paar mehr Gäste... Gäste, die keine gute Kunde bringen.“ Sein Blick fixierte den Inspektor, die anderen beiden folgten den Augen von Daijo Hino, und erschraken. „Sie...? Sie waren doch letzte Woche schon hier! Sie sind von der Polizei. Was wollen Sie hier?“ Der dritte aus der Runde, ein Mann ebenso groß wie Yamamura, aber darüber hinaus kräftig gebaut mit Muskeln, die sich unter seinem Poloshirt andeuteten, blickte mit verfinsterter Miene den Beamten an, so dass dieser allein von seinen Augen einen Schritt zurück wich. „Bitte, ganz ruhig, meine Herren.“, versuchte Takagi mit wild gestikulierenden Armbewegungen das Misstrauen der drei Bewohner zu zerstreuen. „Entschuldigen Sie, Herr Inspektor, sie haben ja Recht.“ Damit wandte sich der Maler, kurz seine Schläfen kraulend wieder an Ran, machte eine schwache Verbeugung. „Es tut mir Leid, Ran, wenn ich dich jetzt so überfallen haben sollte mit meinen Fragen. Also...“ Er atmete tief durch, sah zu den anderen beiden Künstlern, die synchron nickten. „Nochmal, ganz langsam. Wie geht es Conan. Das ist jetzt sicher am wichtigsten.“ Er sah die traurigen Augen des Mädchen, das ihre Hände vor sich, nach unten gerichtet, knetete. 'Nicht gut', stand in diesem Bild genau geschrieben. Aber sie musste nun etwas sagen, sonst würde es Verdacht geben. Sie hatte ja nur halbwegs klare Anweisungen von Heiji erhalten, diese aber schon ein wenig im Kopf durchgekaut, bevor sie hier ankamen. Alle anderen konnten es sicher besser, aber sie war diejenige, die eigentlich auf Conan aufpasste und bei seinem Unfall am heftigsten reagierte. Sie... musste es 'genau' wissen. „Sein Zustand... ist laut den Ärzten nun wieder stabil.“ Es klang monoton, nicht auswendig gelernt, aber nachgesprochen, ungläubig von ihrer Seite aus. „Das würde ich eigentlich als ein gutes Zeichen sehen, aber so wie du dreinblickst... er ist noch bewusstlos?“ Die beiden anderen Künstler drängten von der Seite etwas näher, schienen ihre Mimik genau zu studieren. Vielleicht hätte es doch jemand sagen sollen, der einfach so eine Lüge fabrizieren konnte. Ahnte man, was der geschulte Blick eines Künstlers einer Mimik entnehmen konnte, die wie Rans so angespannt war im Moment? War dies nicht sogar einem Lügendetektor nahe? Wenn ja, stand Gefahr im Verzug. „Nein, er liegt noch im Koma, in das sie ihn versetzt haben wegen der... Gehirnerschütterung.“ Nun merkte sie selbst, wie dünn das Eis war, auf dem sie sich bewegte. Versetzte man Patienten ins künstliche Koma wegen einer Gehirnerschütterung. Und wenn nicht, wusste das einer der drei? Und wenn dem so ist, würde diese Person es als Unvermögen ihrer medizinischen Kenntnisse ansehen, oder als blanke Lüge, die es war? Und würde es, sofern es nicht der Täter war, diese Person aussprechen. 'Oder wenn es der Täter wäre, habe ich damit vielleicht gerade Conan verraten!?' Die Angst machte sich breit in ihr. Erst jetzt war ihr völlig klar geworden, dass eine der drei Personen vor ihr... vermutlich... sehr wahrscheinlich sogar, versucht hatte Conan zu töten, skrupellos, wenn man die Art und Weise bedachte. Sie sah vorsichtig von der Seite auf, zu den Künstlern. Alle drei wirkten bedrückt, aber keiner skeptisch. Vielleicht war zumindest diese Sorge unbegründet, oder der Täter spielte nur... „Aber... warum seid ihr dann gekommen und nicht dort geblieben? Vielleicht wacht er jetzt demnächst auf.“ Aber Ran schüttelte nur langsam, aber vehement den Kopf. „Das wird nicht passieren. Die Ärzte meinten... da er noch ein kleines Kind ist und sein Kreislauf geschwächt durch den Blutverlust, wird er wohl definitiv noch bis Morgen schlafen und wir sollten... uns lieber irgendwie beschäftigen. Es könne nichts anderes groß passieren... und wenn, würde man uns sofort kontaktieren...“ Die Traurigkeit in den Sätzen schwang so ernsthaft, so überzeugend mit, dass gleichermaßen alle anderen Besucher des Schlosses erstaunt waren. 'Wow, wer hätte gedacht, dass Ran so gut schauspielern kann?', ging es Kazuha wie auch Heiji, Takagi und Kogoro durch den Kopf. Nur Takagi und Heiji ahnten, dass dahinter auch ein gewisses Reservoir an Sorge steckte, betreffend nicht nur Conan, sondern auch Shinichi, aus welchem sie ihre Stimmung schöpfte. Allerdings würde sie es nicht mehr lange durchhalten können, schon gar nicht, wenn sie weiter als einzige befragt würde. „Nun, und da es bei ihm wohl keinerlei Optionen gab, dachten wir uns, wir könnten zum Schloss zurück fahren.“ Kogoros eher gelassene, fast naive Art stand in so krassem Gegensatz zu Ran, dass alle Künstler ihn nur komisch anguckten, Herr Hino sprach die offenkundige Frage aus. „Es gibt absolut nichts... wichtigeres in diesem Moment?“ „Traurig, ja, aber was soll man machen, mehr als schlafen ist bei Conan jetzt nicht und 24 Stunden da weiter sinnlos rumsitzen, wenn sein Leben nicht in Gefahr ist, bringt ja auch niemandem etwas. Und der Fall von Herrn Tashija ist so ziemlich das Einzige, was mich im Moment betrifft. Ran hatte heute sowieso frei, wegen Conan.“ Der Photograph sah immer noch etwas verunsichert aus, drückte kurz mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand das Nasenbein unter seiner Brille zusammen, schloss nachdenklich dabei die Augen. „Nun gut, das erklärt Ihre und die Anwesenheit Ihrer Tochter... aber, der Inspektor und diese beiden... Osakaer?“ Der Detektiv wollte gerade antworten, hielt dann aber erstaunt inne. „Woher wissen Sie denn, dass sie aus Osaka kommen, Herr Hino? Ich meine, ein Wort haben die beiden doch eben noch nicht gesprochen, dass sie hören konnten.“ „Was glauben Sie wohl? Die leicht andere Augenpartie, der dunklere Teint des jungen Mannes, und nicht zuletzt die typische Großstadtkleidung, in der Summe komme ich auf eine Metropole in Westjapan, Osaka war... zugegeben noch geraten, mit aber einer guten Wahrscheinlichkeit.“ „Gib nicht immer so an, Daijo!“, konterte Herr Yamamura von der Seite, gab ihm einen leichten Schulterklopfer. „Auch wenn du dir deinen Akzent abgewöhnt hast für Ausstellungen und Fachgespräche, wir wissen doch, dass du selber selber aus Osaka stammst und den Schülerdetektiv Heiji Hattori kennst.“ Heiji trat etwas peinlich berührt nach hinten, zog seine Kappe äußerlich lächelnd ins Gesicht. 'Das geht fast etwas zu schnell. Mist, jetzt werden sie sicher skeptisch.' Und tatsächlich, in das Gesicht von Herrn Tomoko trat ein leicht ironisches Lächeln. „Ach noch ein Detektiv. Hm... also mal chronologisch zusammen gefasst. Die Polizei wird zu einem potentiellen Fall gerufen, findet aber nichts. Ein Detektiv kommt, findet aber scheinbar auch nichts, dann gibt es einen Unfall, und am nächsten Tag stehen zwei Detektive und ein Polizist vor der Tür. Herr Mori, wollen Sie uns vielleicht über diesen Unfall, und möglicherweise auch über Atsushiros Verschwinden etwas sagen?“ Er blickte ihn eine Weile abwartend an, fand aber im Gesicht des Meisterdetektivs überhaupt keine Reaktion, außer einem etwas provokant herablassenden Unverständnis. „Hä? Ehrlich gesagt, nichts, dass ich wüsste, sollte ich? Zur Erklärung, Heiji Hattori ist ein Freund der Familie und überraschend zu Besuch gekommen mit seiner Freundin, Kazuha Toyama.“ Beide verbeugten sich kurz zur Vorstellung. Herr Hino und Herr Yamamura erhoben freundlich die Hand, Herr Tomoko auch, aber eher abweisend. „Er kommt öfters, um meine Methoden und Fähigkeiten zu studieren, zu erlernen, der Jungspund, und wie gesagt, ihr Kollege ist im Moment mein einziger Fall, also ergriff ich die Chance und hab ihn mitgebracht.“ Der 3-D Künstler, wie es Takagi formulierte, fasste sich etwas unverständlich an die Schläfe, massierte sie kurz, sah dann wieder weiter. „Na gut, und der Inspektor?“ So recht wollte ihn die Argumentation nicht befriedigen und er konnte sich auch einen Kommentar nicht verkneifen. „Die Frage kommt, wenn ich richtig mitgezählt habe, nun zum dritten Mal. Wird Zeit, dass sie mal beantwortet wird.“ „Aber, aber, Herr Tomoko. Das ist ganz einfach. Jeder Fall, auch so ein einfacher Unfall, muss noch einmal kurz analysiert werden von der Polizei. Das ist frei von Verdächtigungen gegen Sie, oder sonst wen auch immer, allein für die Protokollierung. Und vielleicht ergibt sich dabei auch, dass an der Treppe eine Unsicherheit ist, die einem von Ihnen unter Umständen genauso zum Verhängnis werden könnte, wie dem kleinen Conan. Für diese kurze Untersuchung der Treppe nur bin ich mitgekommen vom Krankenhaus. Reine Formalitäten, keine Sorge.“, beschwichtigte lang und breit Takagi, der auch sich auf seinen Text vorbereitet hatte. Herr Yamamura legte ihm sanft eine Hand auf die rechte Schulter, sah ihm in die leicht von Tränensäcken umrandeten Augen. „Schon gut, Katsui, es ist OK. Wenn die Polizei oder Herr Mori hinter Conans Unfall tatsächlich etwas anderes, schlimmeres vermuten würden, dann wären sie doch wohl kaum mit den beiden jungen Damen hier erschienen.“ Tomoko blickte etwas verwundert um sich, rieb sich nochmal die Schläfe, und begann schwach zu lächeln. „Ach, du hast ja Recht Seijiro. Entschuldigen Sie, Herr Mori, dass ich Sie so angefahren habe. Ich bin wohl genauso übermüdet wie meine Kollegen und war deswegen etwas... gereizt. Verzeihung. Bitte, kommen Sie doch rein, wir stehen uns doch schon viel zu lange die Füße in den Bauch.“ Freundlich benickten sowohl Herr Yamamura und Herr Hino, wie auch Herr Mori und Takagi den Einlass und die gesamte Gruppe wendete sich zum hineingehen ins Schloss. „Entschuldigen Sie kurz, Herr... Tomoko, wenn ich das richtig mitbekommen habe?“ Der große Mann drehte sich, freundlich lächelnd, wie ein sanfter Riese, um und hielt Heiji die ausgestreckte Hand hin. „Katsui Tomoko, Drei-Dimensional-Künstler, wie ich gerne sage.“ „Sagen Sie... wie meinten Sie das eben, 'genauso übermüdet'?“ Er sah dem Künstler tief in die Augen, erkannte die Ringe, die ähnlich den Äderchen bei Herrn Yamamura den besagten Ruhemangel andeuteten. Der war echt. „Nun, weißt du... wir können doch 'du' sagen bei jüngeren Leuten, wenn es genehm ist? Wir haben alle drei diese Nacht irgendwie kein Auge zu bekommen.“ Damit drehte er sich um, folgte den anderen, und ließ Heiji alleine, nachdenklich zurück. 'Verdammt. Der Täter... ist wirklich nicht dumm.' Seit mindestens zehn Minuten traktierte die Schwester den kleinen Jungen, der nur alles ertragend ruhig auf dem Bett saß, und scheinbar ins Nichts starrte. Dr. Asunaja hatte ihr eine längere Liste an kleinen, nebensächlichen Tests aufgetragen, die sie gewissenhaft abarbeitete, während er in Konzentration versunken seine Gedanken zu ordnen suchte. Das Durcheinander wollte kein Ende nehmen, weil ihm einfach viel zu oft die Verbindungen zu den losen Fetzen fehlten. Also suchte er den radikalen Weg, bei nahezu Null anzufangen und sein gesamtes, nicht vorhandenes Wissen vom Fundament her aufzubauen, das offensichtlich einst existierte, aber von diesem mysteriösen 'Rohr', das ihm vorm geistigen Auge schwebte, in einem Akt brutaler Gewalt weggefegt wurde. 'Ich heiße Conan Edogawa.' Hier stockte er bereits, musste innehalten. Erneut, wie auch bei den 16 mal zuvor, die er sich diesen Namen an den Kopf warf, überkam ihn ein schwacher Schauer und ein hämisches Grinsen bildete sich in seinem Gehirn. Er mochte diesen Namen nicht, er wollte nicht so genannt werden. Warum? An dem Punkt endete auch schon wieder sein loser Fetzen, für den er auf neue Erkenntnisse warten musste. 'Ich bin ein kleiner Junge, 7 Jahre alt, gehe zur Grundschule in Tokio.' Hier schien sich keine Reaktion in seinem Kopf abzuspielen... entweder das war ein gutes Zeichen und er konnte diese Aussagen als Fundament stehen lassen, oder... 'ein schlechtes Zeichen, im Sinne, dass diese Fakten nur... hohle Phrasen sind, ohne Wert für mich.' Ein Seufzer entrang sich, während die Schwester ihn um seinen Arm für eine kleine Blutprobe bat. 'Das bringt einen eigentlich direkt zur nächsten Frage... die Antworten von den Leuten um mich herum. Der Herr Doktor und die Schwester ausgenommen, waren sie alle schon merkwürdig. Konnte man diesen Aussagen vertrauen, bin ich ein verzogener Bengel, mit Eltern oder jedes Pflichtgefühl, intelligent, vielleicht sogar hochbegabt oder was auch immer, aber vorlaut, ungehorsam, frech, viel zu neugierig und aufdringlich...' Mit all dem konnte er sich überhaupt nicht anfreunden. War er wirklich so, schien es vielleicht in aller anderen Interesse am besten, wenn er dem Rat von Herrn Mori folgte und sich andere Manieren angewöhnte. Nur störten ihn daran zwei Dinge. So, wie er jetzt dachte, wie er die Zusammenhänge sehen konnte, kam er sich, zumindest für sein Alter doch recht rational veranlagt vor, mit Sinn handelnd, und nicht wahllos jeden Unsinn mitmachend, dem man ihm nachsagte. Und auch, wie die meisten anderen wohl zugestanden, war er tatsächlich schon vorher intelligent. Also sollte diese Einsicht, dass sein Verhalten nicht so angebracht ist, doch schon vorher gekommen sein. Möglich wäre natürlich auch, es waren alles Lügen. Er war nicht so vorlaut, aufdringlich, was auch immer. Aber... 'Herr Mori wirkte eigentlich nicht so, als wollte er etwas zusammen spinnen, auch die anderen stimmten zu und formulierten es auch ähnlich.' Und scheinbar war es Fakt, dass er zu diesem Fall mitgekommen war, wo er sich so verletzte, also war er aufdringlich. Er war mit einem Mal in einer absurden Sackgasse gelandet: die Aussage war, er war und ist rational genug um Unsinn als solchen zu erkennen, hat aber anscheinend trotzdem ständig welchen verbockt. Es kostete ihn einen Moment des Nachdenkens, zu überlegen, ob es noch eine Variante gab, die Sinn ergab. Er fand eine, eine noch verrücktere in seinen Augen. Er war rational genug, Unsinn zu erkennen, machte also nie welchen... ohne ein Motiv. 'Ja, klar. Ich will gar keinen Blödsinn machen, ich bin nur dazu gezwungen und genieße als Kind Gott sei Dank Narrenfreiheit. Wers glaubt!' Er konnte sich ein ironisches Grinsen verkneifen, aber eine andere Möglichkeit schien sich so nicht zu offenbaren. 'Eine Möglichkeit, die vollkommen... unwahrscheinlich ist...' Sein Kopf durchzuckte ein heftiger Nerv, eine tiefe, erhabene Stimme schien in seinem Inneren zu sprechen. „Wenn man das Unmögliche eliminiert hat, ist das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es sein mag, die Wahrheit!“ Was? Er hielt sich mit dem rechten Arm, der linke war noch von der Schwester in Beschlag genommen, die Stirn. Was sollte das denn nun? Die Stimme war ihm unbekannt, das Zitat klang... als sollte er es mal gekannt haben, aber die Zuordnung war ihm einfach nicht möglich. Also... meinte diese Stimme, es sei trotzdem einfach wahr, wenn alles andere unmöglich ist. 'Super... dann waren die Antworten der Leute von vorhin vielleicht halb-richtig, weil er ihnen normalerweise in seinem Verhalten was vorspielte, und das was sie sagten, lediglich aussagte, was sie glaubten, was aber falsch war. 'Das aber bedeutet... ich kann eigentlich alle Aussagen von vorhin in den Wind schießen, weil ich außer in diesem Fall, nicht sagen kann, ob es wirkliches Wissen, oder nur falsche Vermutung ist. Oh.... man...' Ein verzweifeltes Lächeln beschlich seine Lippen. Er bewegte den Arm etwas nach unten, dass die Schwester es nicht sah und unruhig wurde. Es würde ein laaaanger Tag werden... Die Personen selbst... waren ebenfalls alle etwas merkwürdig. 'Zwei Detektive, einer davon noch Oberschüler, ein Polizist, ein älterer Wissenschaftler, drei Oberschülerinnen und eine Grundschülerin... daraus könnte man bestimmt eine tolle Sitcom machen.', musste er selbst resignierend schmunzeln. Nur leider, wenn er nicht als Schauspieler auf den Kopf gehauen wäre, musste man wohl zumindest davon ausgehen, hier im realen Leben zu sein. Der eine Detektiv, der Detektiv des Westens, Heiji Hattori, faszinierte ihn, irgendwie, das war ihm schon länger klar. Diese klare Linie in seiner Argumentation, die geordnete, geradlinige Art der Erzählung, vollständige, logische Denkweise, das alles empfand er... angenehm. So sollte es sein, erst recht, wenn es um so etwas fragiles wie Recht und Gerechtigkeit ging, da schien ihm eine gewisse Strenge sinnig. Und die verkörperte dieser Osakaer in seinen Augen. Dagegen der andere Detektiv, Kogoro Mori... das sollte der beste Kriminologe in Tokio sein? Der größten Stadt der Welt? Dieses Mädchen, welches zusammen mit dem Professor, etwa 5 Meter neben ihm auf einem von zwei Stühlen saß und zu ihm blickte, ohne Bewegung, ohne Veränderung ihrer Mimik und Gestik. Ai Haibara. Sie wirkte kalt, ihre Sprechart, ihre Monotonie in der Stimme, ihre neutrale Haltung, ihr Gesichtsausdruck, alles schien kalt, bis... bis auf diese Augen. Auch sie wirkten auf den ersten Blick so eisig, aber das täuschte, wie er beim zweiten Blick merkte. Sie waren voll von Feuer, Gefühlen, welcher unbekannten Art auch immer. Sie spielte, sie schauspielerte. Sie gab die Rolle einer alten gefühlskalten Hexe, obwohl sie innerlich geradezu verbrannte. Was sollte diese absurde Maskerade in so einem Alter. Warum hatte sie so etwas nötig? Oder hatte sie es nicht nötig und mochte einfach diese... falsche, distanzierte und distanzierende Darstellung ihrer Selbst? Und dann diese eine Oberschülerin, Ran Mori. Auf sie konnte er sich überhaupt keinen Reim machen. Sie wirkte wie eine ganz gewöhnliche Oberschülerin, hübsch, intelligent aber nicht überdurchschnittlich intelligent, leicht reizbar, aber nett... Aber all das... schien er zwar wahrzunehmen, aber es sagte ihm weniger als, als dieser eine Ruf. „Conan!“ Der Ruf, der ihn im Koma unter den Lebenden gehalten hat, ihn nicht gänzlich von der Dunkelheit verschluckte. Es mag aus physischer Sicht wohl nicht beweisbar sein, aber er war sich relativ sicher, sie hat ihm, mit ihren Rufen, das Leben gerettet. Und nun... nun riskierte sie ihres für ihn, ohne mit der Wimper zu zucken. Mehr noch, sogar gegen jeden Widerstand, inklusive seinem eigenen gegen diese Aktion. Sie war stark, ohne Zweifel, sie strahlte dieses überlegene Licht aus, das andere Menschen, wie auch ihn, mit Wärme erfüllte. Ein Licht, das sie schnurstracks in die Dunkelheit führen konnte, wenn sie nicht aufpasste. Diese Stärke... könnte ihre größte Schwäche werden, eines Tages. Was noch als letztes blieb, war... der Fall selbst, sein einziger verbliebener Ansatzpunkt. Und dort hatte er erst recht nicht viel erfahren. Nichts, was nicht schon durch Heiji in vollster Form analysiert wurde. Er wandte sich kurz zu den beiden verbliebenen Gästen, die immer noch stumm da saßen, scheinbar auf das Ende der Untersuchungen warteten, nach denen sie vielleicht ungestört reden konnten. „Äh... Verzeihung... Ai, hießt du, oder?“ Sie hob nur kurz die Augenbraue, ließ ihre Arme vor dem Oberkörper verschränkt. „Ja, Ai, aber meistens nennst du mich bei meinem Nachnamen Haibara, K-Conan.“ Jetzt hätte sie es beinahe gesagt, verschluckte sich förmlich am 'K', verstärkte den aufkommenden Husten noch mehr, so dass er gar nicht erst in Erwägung zog, dass sie etwas anderes als Conan sagen wollte. „Äh... also... ich wollte nur fragen, ob ihr zufällig irgendetwas genaueres noch über diesen Fall wisst?“ Beide verneinten fast mechanisch, schienen aber auch wirklich nichts zu wissen, was relevant wäre. 'Na toll... letzte Sackgasse. Oder...' Sein Blick fiel von links nach rechts auf den kleinen Nachttisch neben seinem Krankenbett. Das Buch war noch da. 1984, von George Orwell. Das nächste Mysterium in seiner Sammlung. Was zum Geier wollte er mit diesem Buch? Als 7-Jähriger?! Das war nicht intelligent für sein Alter, das war einfach arrogant. Bevor er ein Verständnis für die Funktionsweise diktatorischer Systeme als relevante Erkenntnis auffassen würde, bevor er überhaupt die Tiefe und Bedeutung dieses Werkes in der Weltpolitik erfassen würde... Bis dahin würde er mindestens noch zehn Jahre warten müssen. Die Verkäuferin oder der Verkäufer muss komisch geguckt haben, als er es ihr oder ihm an der Kasse zum bezahlen übergab. Conan meinte, kurz ein Gesicht einer jungen Frau zu sehen, nein doch nur den Mund, rote, volle Lippen, mit Lippenstift... und einem überzeugten Lächeln. 'So viel zur Verwunderung...' Und dann war ja, was ihm beim Durchblättern noch auffiel... Conan hatte seinen Blick gerade dem Buch zugewandt, als Ai begann, vor sich hin zu flüstern. „Er denkt.“ „Mhm...“, stimmte der Professor in gleicher Lautstärke, bedächtig zu. „Er versucht den Sinn zu sehen, wo keiner ist. Und wenn er keinen findet, wird er wissen, dass es keinen gibt.“ „Du meinst, er wird erkennen...“ „Dass Conan Edogawa keine Vergangenheit... und auch keine Zukunft hat.“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Es war wie bei einem Fall, mit geringfügig weniger Selbstvertrauen, er kannte seine Fähigkeiten ja nicht. Egal wie man vorher die Fakten manipuliert hatte, egal wie absurd die ganze Wahrheit klang und wie genial die erfundene Realität der Täter, er fand von Null anfangend den Weg durch dieses Labyrinth und entdeckte diese Wahrheit. Und selbst hier, in dieser Situation, ohne Gedächtnis, funktionierte sein Gehirn noch einwandfrei... zu gut. „Dann müssen wir es ihm sagen, ihn aufklären, sobald die Schwester endlich weg ist.“, stellte der alte Mann erschrocken fest. Ai schüttelte bedenklich den Kopf. „Nein, das ist auch nicht besser, weil wir ihm dafür alles erklären müssten..., ich meine alles. In seinem Fall würde die halbe Wahrheit nur noch mehr Verwirrung stiften, ihn seine Motive nicht richtig verstehen lassen. Dann macht er Dummheiten, die wir nicht zulassen dürfen. Und die volle Wahrheit... kann er so schnell nicht ertragen. Die braucht etwas Zeit, ich selbst könnte nicht mal garantieren, alles aus dem Stegreif zusammen zu bekommen. Und ohne das ganze... das große 'Ganze' in seinem Fall fehlt uns die Erleuchtung. Ich glaube... deshalb hat uns auch Inspektor Takagi vorhin davon abgeraten.“ Ein Schweißtropfen rann ihr langsam von der Stirn die Wange hinab, fiel dem Professor ins Auge, als er plötzlich hoch schreckte. Mit aller Gewalt fasste er sich, blieb leise, aber sprach es hastig aus. „Inspektor Takagi weiß Bescheid?!?“ „Hm...“, nickte sie, ohne zu ihm zu sehen, den Blick stur nach vorne gerichtet. „Er weiß es... Sonoko weiß es... und hat deswegen offenbar auch schon mit ihm gesprochen, und wie weit Ran es mittlerweile weiß... nach der Schifffahrt, möchte ich mir gar nicht ausdenken.“ „Conan... Conan weiß es aber, oder wie?“ „Exakt. Deswegen sag ich ja, die ganze Geschichte kennen nicht mal wir mittlerweile mehr. Er hat Wissen für sich gepachtet in diesem Fall, dass er uns vorenthält, um uns zu schützen sicherlich. Nur damit... sind uns nun die Hände gebunden, wenn wir ihm helfen wollen. Verstehen Sie, Professor, der Einzige, der uns sagen kann, was wir Conan sagen müssten... ist Shinichi selbst.“ Der alte Mann seufzte resignierend. „Wir müssen warten?“ „Bis wir ihn persönlich fragen können, woher diese Leute sein Geheimnis kennen... und wie weit sie es kennen.“ 'Kudo... du Idiot... hast dir selbst eine Falle gestellt, aus der du vielleicht nicht mehr entkommen kannst. Warum?' Fünfzehn Minuten waren es nun. Seit geschlagenen fünfzehn Minuten hatte Kirika die Tür zu Conans Krankenzimmer, wie man es ihr zeigte, erreicht. Aber noch immer hatte sie diese Tür nicht durchschritten. Zuerst stand sie davor, wollte nach dem Türgriff ihre Hand erheben, als ein kalter Schauer ihr über den Rücken lief. Sie hatte Angst, etwas inneres, heftiges sträubte sich, durch diese Tür zu treten. Es war, je nach Position eine zu heiße oder zu kalte Pforte, als dass sie sie durchschreiten konnte. Dann, nach drei Minuten, als schon einige vorbei gegangene Ärzte, Schwestern und Patienten, komisch drein blickten, setzte sie sich auf die Couch der Tür nahezu gegenüber, vielleicht drei Meter von ihr. Der Raum lag direkt an einem größeren Sammelflur, wo viele Patienten und Besucher sich trafen, so dass sie diese passende Sitzgelegenheit nutzte. Und nun saß sie da, der Blumentopf vor sich zwischen den Beinen auf dem Boden stehend. Sie konnte es einfach nicht. Sie konnte nicht durch, traute sich nicht. Wie jemand einst sagte, Verständnis ist wie eine Tür in ein neues Zimmer, sie kann einem gezeigt und vielleicht sogar geöffnet werden, aber hindurch gehen musste man selber. Sie verstand, was an der Tür ihr Problem war... die Person dahinter, die an Amnesie litt. Sie wusste ganz genau, was es war, verstand es somit eigentlich, aber... sich diesen Ängsten zu stellen... war etwas anderes eben. 'Aber wenn ich es nicht tue...' Sie bekam einen heftigen Schweißausbruch. Was wenn er nicht... wieder sein Gedächtnis erhielt? So... gerade so durften doch nicht ihre Anstrengungen enden! Aber... nein, es gab genug Leute, die ihn verstanden, die ganz genau wussten, wer er war. Sie würden ihm alles erklären und er würde sich erinnern können. Sie, Kirika, wurde hier eigentlich nicht gebraucht. Sie sollte wieder gehen, anstatt ihn vielleicht noch mehr zu belasten... 'Was wenn sie es nicht... erklären können?' Sie wusste sehr wohl um die Komplexität der Figur, die Shinichi Kudo erschaffen hatte, um die vielen Facetten, die man nicht einfach so fassen konnte, wie eigentlich jedes menschliche Wesen nicht nur einmalig war, sondern auch einmalig kompliziert. Aber vor allem beschäftige sie eine Angst. Würde sie ihn ertragen können? Zu sehen, wie er mit sich selbst, mit seiner Identität, seinem Leben, seiner Existenz haderte? Das wäre sicher zu viel für sie. Andererseits... vielleicht wäre gerade sie dann... die eine Person, die ihm helfen konnte. Jedes Kontra, dass sie entwickelte, um nicht durch diese Tür zu gehen, konnte sie durch ein mindestens so gutes Pro ersetzen. Wie grauenhaft doch der Verstand sein konnte, wenn er einem die eigenen Ängste als sinnlosen Humbug hinstellte und sich damit selbst verunglimpfte. Sie schaute auf die Blüten der großen Pflanze, spürte, wie sich in einem Auge Feuchtigkeit sammelte, schniefte kurz durch und blickte wieder auf zur Tür. 'Ich muss gehen. Es gibt keine andere Chance... wenn Shinichi Kudo nicht zurück kommt... werde ich...' Sie nahm mit einem Ruck die Blume in die beiden Hände, wollte gerade zur Tür schreiten, als diese von innen aufging und die Schwester mit einem beladenen Rollwagen heraustrat. Sie sah kurz auf die große Pflanze, dann auf die Augen dahinter, blinzelte kurz und drehte sich nochmal um ins Zimmer. „Oh, es scheint, du kriegst noch einmal Besuch, mein Kleiner.“ Er sah nur verwirrt zur Tür, konnte ja eh niemanden kennen, während Ai und der Professor aus dem Seitenwinkel nur die große Pflanze sahen. „Warten Sie, ich halte Ihnen die Tür auf!“, rief sie in betont heiterer Stimmlage, schob den Wagen ein Stück vor, so dass die junge Frau vorbei durch die Tür gehen konnte, ohne sie zu berühren. „Danke!“, lächelte sie freundlich von der Seite. „Kein Problem! Einen schönen Tag wünsche ich.“ Damit schloss die Krankenschwester die Tür wieder hinter sich und ließ das Innere dieses Zimmers in seiner eigenen kleinen Welt verschwinden. Kapitel 7: Mein Haus und Hügel ------------------------------ Hallo an alle Lesenden, ich heiße euch nun auch auf dem Schloss Kunieda, wie die Herren Künstler sagen würden, willkommen. ;] Ein paar Bilder von ihnen findet ihr nun mit in der Chara-Liste, damit ihr euch eines von ihnen machen könnt. *ggg* An dieser Stelle wie immer ein herzliches Danke schön an alle Kommi-Schreiber und auch an diejenigen, die diese FF auf ihre Favoriten-Liste gesetzt haben, ich freue mich wirklich sehr, wenn es euch so gefällt bis jetzt. ^////^ Nun denn, wie versprochen, von diesem Kapitel an wechseln wir jetzt immer: ein Kapitel auf dem Schloss, ein Kapitel im Krankenhaus mit Kirika und Conan. Diesmal nochmal auf dem Schloss mit einer weiteren umfassenden Informationsansammlung, um euch weiter zu verwirren. ;ppp Ne, mal im Ernst, alle Informationen sind für die Lösung des Falles auf die eine oder andere Weise relevant. In diesem Sinne wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und Miträtseln um das Geheimnis der Künstler von Schloss Kunieda.^^ Und bis nächste Woche. LG, Diracdet Kapitel 7: Mein Haus und Hügel „Sagen Sie, Herr Mori...“, begann Daijo Hino etwas zögerlich, während sie die große Eingangshalle durchschritten, die mit einem bereits von Abtretungsspuren gekennzeichneten, aber dennoch exquisit wirkenden, purpurnen Teppichs durchzogen und an den Wänden mit älteren angegilbten Bildern, offensichtlich von Vorfahren Kuniedas ausgehangen wurde. Zur Abrundung des schon fast mittelalterlich anmutenden Saales diente ein riesiger Kristallkronleuchter, der das mattgelbe Licht der Glühlampen in ein den ganzen Raum ausfüllendes, aber weder besonders hell, noch besonders warm scheinendes Ocker tauchte. „Wenn Sie nur wegen des Falles von Atsushiro wieder hier sind, dann heißt das, der Fall ist noch nicht abgeschlossen, in Ihren Augen?“ Bei der Frage streifte auch der Blick der anderen Künstler den Detektiv, der bedächtig Daumen und Zeigefinger um sein Kinn krümmte und in Denkerpose erstarrte. „Nun ja... ich gebe zu, bis jetzt wirkt es wie eine Nacht- und Nebelaktion. Herr Tashija hinterließ alle seine Notizen, Skizzen und sonstige Utensilien und verschwand spurlos. Insbesondere gibt es keinerlei Indizien für eine Gewalttat. Seine Schuhe sind verschwunden, allerdings auch die Hausschuhe, die er im Schloss trägt, was aber mir ehrlich gesagt auch nichts bis jetzt bringt.“ Heiji schaute kurz verwundert auf. 'Beide Paare? Wenn Herr Tashija hier im Haus gegen seinen Willen festgesetzt, oder gar getötet wurde, hatte er vermutlich gerade die Hausschuhe an. Für den Täter wäre es kein Problem, die anderen Schuhe zu klauen und die Hausschuhe hinzustellen. Aber warum ließ er sie dann auch verschwinden? Selbst wenn daran Spuren wären... von Farbe oder sonst etwas, was auf einen der Künstler hindeutet, die wohnen doch zusammen, wäre doch alles kein Thema, um Verdacht zu erregen. Oder konnte er sie ihm nicht ausziehen? Oder ist doch Herr Tashija selbst der Täter und er brauchte beide Paar Schuhe noch für... irgendetwas?' „Im Zweifelsfall musste die Polizei wohl davon ausgehen, dass es eine Tat in Eigeninitiative war, was in diesem Fall auf den Gedanken führt, er hätte vielleicht... seine eigene Arbeit unterbewertet.“ „Wir haben Ihnen schon mal gesagt, dass das Schwachsinn ist, seine Arbeit ist echt innovativ!“, fuhr ihm Katsui Tomoko dazwischen. „Eigentlich ist er eines der größten Talente unter uns vieren.“ „Bitte, bitte, Herr Tomoko. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ich die Argumentation der Polizei nachvollziehen kann zu diesem Zeitpunkt. Fakt ist aber auch, dass ich keinen Grund sehe, dass er ohne jeden Hinweis, ohne alles, verschwindet und sogar seine Arbeiten hier lässt. Es scheint, als hätte er sein ganzes Leben hinter sich gelassen...“ Plötzlich starrte ihn Herr Yamamura wie vom Blitz getroffen an. „Sie... Sie meinen doch nicht... Atsushiro könnte... Selbstmord...“ „Ach... äh... ne, eigentlich nicht?“ Kogoro hielt einen Moment inne. So abwegig war der Gedanke nun auch wieder nicht. Er ist einfach gegangen... wirklich... gegangen. „Haben Sie den Fluss durchsucht, Inspektor Takagi?“ Heiji durchbrach den plötzlichen Gedankengang mit innerer Ruhe, die Arme vorm Körper verschränkt, und wies auf die naheliegendste Varainte eines solchen Selbstmordes hin. Oder eines Unfalls. „Äh... ja, natürlich haben wir das, Heiji. In beiden Richtungen vom Schloss aus je etwa fünf Kilometer. Strom aufwärts wird der Fluss dort allmählich zu einem Bach, der zu klein ist, um sich zu ertränken, Strom abwärts beginnen dann bald die Industriegebiete, wo das Wasser sowieso genauer überprüft wird. Also darin lag er zumindest nicht. Außerdem haben wir dabei auch geguckt, ob der Boden irgendwo ungewöhnlich verformt wirkte, also, falls er Unterwasser noch verschüttet wurde, wie auch immer, aber auch da war nichts auffälliges. Er ist mit ziemlicher Sicherheit nicht im Fluss.“ „Und im Wald, war da irgendetwas auffälliges? Den können Sie ja vermutlich nicht gänzlich durchsucht haben in so kurzer Zeit.“ „Ja, sicher, wir haben dort mit Spürhunden gesucht und einigermaßen das Gebiet abgerastert, aber von ihm nur die Fährten von Waldspaziergängen wohl gefunden. Das einzig auffällige noch war der Hügel...“ „Welcher Hügel denn???“ Die Künstler bekamen ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, Herr Tomoko erklärte beflissentlich. „Der Hügel Tashija. Obwohl wir schon so ewig da sind, war er der erste, der ihn bemerkte. Ein kleiner Erdhügel, hier im Wald.“ Heijis Blick wirkte mit jedem Satz verwirrter. „Was, den haben Sie noch nie bemerkt? Ich dachte, hier im Wald, als Künstler, da lassen Sie sich häufig inspirieren...“ „Weniger, als du denken magst. Wir lieben diese Abgeschiedenheit, Ruhe, insbesondere, dass hier nicht die Ausstellungen stattfinden, was sicher ein wunderbarer Ort wäre. Um es auf den Punkt zu bringen: Seijiro hat seine Inspirationsquellen ja vorwiegend in den Werken, die er auf Papier bannt, ob es nun Bücher, musikalische Werke oder was auch immer sind. Eigentlich ist er quasi immer in seinem Atelier verschwunden, nicht wahr?“ Er sah dem ältesten Künstler von der Seite zu, wie dieser leicht verlegen lächelte. Er wusste genau, wie oft ihn die anderen darauf ansprachen, wie er sich gerne isolierte. „Ach komm schon, Katsui, ich bin zu zwei von drei Mahlzeiten im Schnitt regelmäßig da, Beziehungsweise, hole mir was aufs Zimmer...“ „Ich hab doch nichts anderes behauptet...“, konterte er grinsend, beobachtete die Verwunderung der Gäste, die dieses Mal das Schloss zum ersten Mal betraten. „Daijo, unser Photograph, geht zwar viel raus, meistens dann aber eher in Richtung der Berge, während dieser Hügel, mehr in der anderen Richtung liegt, oder aber er verreist ganz ein paar Tage, für neue Impressionen.“ „Genau genommen, nach dem einen Bild, dass mir vor einem Jahr... Herr Mori hat Ihnen wahrscheinlich davon erzählt, so übel aufgestoßen ist, meide ich den Wald in der Richtung.“ „Meinen Sie das Bild, mit dem vergifteten Fisch am Ufer des Flusses hier? War das etwa in der Nähe dieses Hügels?“ Herr Hino legte bedächtig den Zeigefinger ans Kinn. „Nun ja, nahe würde ich nicht sagen. Der Hügel liegt mindestens 500 Meter vom Flussufer entfernt und die Stelle mit dem Fisch war dann nochmal bestimmt nen Kilometer Strom abwärts, aber von hier, vom Schloss aus gesehen, liegt es in der gleichen Richtung.“ Heiji nickte nachdenklich. „Nun ja... und meine persönlichen Inspirationsquellen sind im Wesentlichen Daten-Kataloge aus der Chemie und den Ingenieurswissenschaften, die mir helfen, besondere Materialien zu finden und ihre speziellen üblichen Bearbeitungsformen zu studieren. Was die Motive angeht... nun ja, da bin ich wohl eh nicht besonders einfallsreich. So hat ihn Atsuhiro letztlich gefunden. Der Junge ist quasi den halben Tag im Wald herumgelaufen.“ „Na schön...“ Heiji wurde nun definitiv neugierig. „Und wie groß ist nun dieser Hügel und wieso ist er so besonders?“ Takagi zückte erneut sein Notizbuch. „Nun ja, der Hügel sieht auf den ersten Blick relativ künstlich aus, nicht vollkommen symmetrisch, aber ein recht ordentlich zu allen Seiten abfallender Erdhaufen, der im Originalzustand wohl etwa zehn mal zehn Meter in der Grundfläche und so sieben bis acht Meter Höhe aufwies. Durch die in der Regel fünfzehn Meter hohen und dichten Bäume in der Umgebung war er jedoch nicht von wo anders als wirklich davor stehend erkennbar. Er war bereits stark mit Gras überwachsen, liegt also schon mindestens ein paar Jahre dort, vermutlich eher viel länger. Dennoch haben wir auch den Hügel sicherheitshalber umgegraben, dabei aber nichts gefunden, und ihn schließlich wieder aufgeschüttet, so gut es ging in der ursprünglichen Form. Aber er sieht halt nun... nicht mehr so alt aus...“ Verlegen schüttelte Takagi den Kopf etwas hin und her, bemerkte die finsteren Mienen der Bewohner des Schlosses. „Wenn Sie da mal nicht böse Geister geweckt haben...“, raunte Yamamura von der Seite. Kazuha, ebenso wie Ran durchfuhr plötzlich ein unangenehmer Schauer. „G-Geister?“, kam es gleichzeitig von beiden leicht aufgeschreckt. „Der Hügel war für Atsushiro etwas ganz besonderes, auch wenn er nie ganz erklärte warum. Er meinte nur, dieser Hügel müsse wahrscheinlich schon Jahrtausende alt sein – und nein, wir haben keine Ahnung, wie er auf die Zahl kam, aber er hätte beeindruckende Indizien, mehr sagte er dazu nie – und nahm ihn als einen seiner Ansatzpunkte. Angenommen... nur mal angenommen, ihm ist doch etwas passiert und... Gott bewahre, er weilt nicht mehr in dieser Welt... dann könnte ich ihn mir als Schutzgeist dieses Hügels ohne weiteres vorstellen!“ Der Schauer wiederholte sich, verstärkte sich sogar. „D-da müssen wir doch bestimmt nicht nochmal hin, oder Heiji? Ich meine, wenn die Polizei... da schon alles untersucht hat...“ Kazuha stockte leicht der Atem, als sie in Heijis überzeugtes, leicht lächelndes Gesicht blickte. „Was denn, Mädels? Wer sagt denn, dass Herr Tashija tot ist, es ist doch eh nahezu sicher, dass es was wesentlich harmloseres ist. Und außerdem... mich würde doch sehr interessieren, wie er auf solche Altersbestimmungen kommt, wenn die Polizei selbst daran scheitert.“ Takagi schaute verlegen zur Seite, wurde dann aber doch des durchdringenden Blickes des Osakaer gewahr. „Nun ja... wir haben nun nicht explizit nach dem genauen Alter gefragt, die aufgewachsene, natürliche Grasschicht war uns Zeichen genug, um ehrlich zu sein.“ „Dacht ich mir...“, konterte Heiji trocken, wandte sich wieder an die Künstler, explizit an Herrn Tomoko. „Sie haben doch eben so wunderbar erklärt, was Sie alle immer als Inspiration haben, und womit Sie sich im Zuge ihrer Künste beschäftigen. Ich habe gehört, Herr Tashija soll sich mit 'Naturkunst' befassen. Braucht er dafür neben der reinen Kunst auch noch einige solche Fähigkeiten, und Fertigkeiten, wie zum Beispiel Ihre chemischen und ingenieurswissenschaftlichen Kenntnisse?“ „Wenn du so schon fragst, er war natürlich sehr an den Prozessen der Natur interessiert, reinen Naturprozessen, wohl gemerkt. Er hat sehr viele Bücher und Arbeiten verschlungen zu Kreisläufen wie sie unter den Lebewesen stattfinden, aber auch Erosion und solches Zeug, Tektonik, Vulkanologie sowieso wegen diesem Manrique. Er hat sich ab und zu auch ein paar Bücher über komplexen Maschinenbau besorgt, wohl geht es immer dabei um Details, um etwas in Projekten hervorzuheben. Aber ansonsten... wüsste ich jetzt nichts, was deiner Frage nahe käme.“ Heiji beobachtete ihn - und im Seitenwinkel seine Kollegen – aufmerksam, suchte Abweichungen in ihrer Art von der scheinbaren Ruhe. Er merkte, je mehr Fragen er stellte, desto unruhiger wurden die drei nun wieder. Es kam wieder der Gedanke auf, es könnte vielleicht doch... ein Verdacht bestehen. „Ah, ich denk einfach zu viel nach. Entschuldigen Se, meine Herren. Ich hab mich wohl einfach als Detektiv gehn lassen. Es is ja Herr Moris Fall und der wird ihn auch abschließen. Vergessen Se einfach meine Fragen.“ Damit zog er sich, naiv lachend aus ihrem Blickfeld nach hinten zurück zu Kazuha und Ran, die neben ihr stand. „Was soll das, Heiji? Was bringen dir diese Fragen?“ Er sah nur bedenklich zur Seite, beobachtete ein paar Bilder, die sich noch am Ende dieses Flures zeigten, ließ seinen Blick zu den anderen in der Gruppe schweifen. Dann zog er sein Cappy ins Gesicht, verbarg seine Hände in den Hosentaschen. „Ran?“, begann er flüsternd, ohne seinen Blick zu verändern. „Was?“ „Conan hatte nach dem Sturz doch noch seine Hausschuhe bei sich, oder?“ „Äh... ja, doch, sie lagen neben ihm, waren beim Sturz wohl mit abgefallen. Wieso?“ „Waren daran Spuren? Vielleicht etwas Dreck... oder Erde?“ „Hm... also aus dem Stegreif könnte ich dir das nicht sagen. Ich denke nein, aber die Schuhe sind doch im Krankenhaus mit seinen anderen Sachen. Soll ich vielleicht mal den Professor deswegen anrufen?“ „Moment mal, Heiji!“, unterbrach Kazuha ihn von der anderen Seite, so dass er für einen Augenblick zuckte. „Denkst de, Conan war draußen, bei diesem Hügel? Wozu sollte er dazu seine Hausschuhe angelassen haben, wenn er normale Schuhe mit hatte?“ Ein leichtes, negativ angehauchtes Lächeln war unter dem Rand der Kappe zu erkennen, mehr aber auch nicht. „Ich hab keine Ahnung, warum er das tun sollte, ich gehe nur einigen Vermutungen nach, mehr habe ich im Moment nicht. Nur eines scheint mir im Moment sonnenklar. Einer von den dreien da vorne hat Atsushiro Tahija getötet und versucht, Conan mundtot zu machen. Dieser Hügel ist darin einer von vielen Aspekten, aber ein sehr deutlicher. Nur er hat den Hügel gefunden, ansonsten war dieser quasi ein Geheimnis des Waldes. Jeder von den dreien hätte dort also machen können, was er wollte, bis nun Tashija kam. Ähnliches könnte noch anderweitig gelten, aber dafür tappe ich zu weit im Dunkeln. Künstler sind Meister von Licht und Dunkelheit, sie wissen, wie sie im Schwarz der Nacht verhüllen, was sie nicht wollen, dass es gesehen wird und wie sie ins Licht stellen, was dort ihrer Meinung nach zu stehen hat. Was Tashija zum Verhängnis wurde, um es ins Künstlerjargon zu übernehmen, waren seine Lichter... und nicht seine Dunkelheiten.“ Durch eine ebenso große Tür wie das Eingangsportal schritten die neun Personen in den Hauptsaal. Dahinter erstreckte sich ein riesiger, quadratischer Saal in der Seitenlänge sicher 30 Meter. Nach hinten führten zwei Türen in andere Räume, während an beiden Seiten jeweils eine große Treppe von etwa drei Meter breiten, mit Teppich belegten Stufen in die nächste Etage lief. Eine der Treppen wies verräterische Spuren auf, die man in der nun von einem ehrwürdigen Kronleuchter und großen Fensterfronten mit Mosaiken aus Kristallglas erhellten Halle, deutlich wahrnahm. 'Blut!', ging es Kazuha und Heiji gleichzeitig durch den Kopf, während sie die Treppe aus der geringer werdenden Entfernung genauer betrachteten. Hier war die Stelle, der Sturz, der Conan vergessen ließ, was war, bevor er stürzte. Kazuha sah ihrer Freundin an, wie langsam ihr Herz schneller zu schlagen anfing, wodurch ihre Atmung sich ebenfalls notgedrungen beschleunigte. Sie hatte das Bild klar vor Augen, es hatte sich in ihren Geist gebrannt, wie er da lag, regungslos, zusammengekauert, das Blut um seinen Körper verteilt den Teppich dunkler werden ließ, die Pantoffeln, an die Heiji erinnerte und die nun deutlicher noch in dem Bild zu tage traten, verstreut an den Seiten. Plötzlich spürte sie eine Hand an ihrer eigenen rechten, drückte diese so fest es ging, um den Anblick wenigstens für einen Moment zu verdrängen. 'Ich danke dir, Kazuha!', formten ihre Lippen lautlos, als sie sie ansah. 'Es ist schon fast... erstaunlich, wie wichtig dir dieser kleine Junge geworden ist, Ran. Du siehst ihn wirklich als deinen kleinen Bruder an, oder?' Herr Hino drehte sich mit den anderen Künstlern um, bemerkte auch kurz den Blick Rans, der sehr gut zu deuten war, wartete einen Augenblick, bevor er galant die Arme ausbreitete und sich räusperte. „Nun, für alle Neuankömmlinge, heiße ich Sie noch einmal willkommen auf dem Schloss von Tomoji Kunieda, dem letzten Nachfahren der ehrwürdigen Familie Kunieda.“ „Äh... soll das jetzt eine Schlossführung werden?“, wunderte sich Kazuha etwas verlegen. „Nein, nicht doch... zumindest, normalerweise nicht. Normalerweise haben wir hier eh keine Gäste. Aber... zum Einen begrüßt man Gäste nun mal, das hab ich irgendwann mal gelernt. Und zum Anderen... sollten Sie endlich aufhören zu spielen.“ Heiji und die Übrigen blickten kurz ertappt drein - man hatte wohl doch ihr Spiel durchschaut - wurden dann aber von einem verschmitzten Grinsen aufgeklärt. „Egal, ob das Herr Moris Fall ist oder sich letztlich ergibt, dass Atsushiro einfach weggelaufen ist, niemals würde Heiji Hattori sich ruhig daneben stellen und abwarten. Es brennt ihm doch sicherlich unter den Nägeln, selbst in dieser Sache zu ermitteln und daher dachte ich, ein gewisser... Rundgang durch dieses Schloss stünde da am Anfang.“ „Waaas?!“ Herr Tomoko fasste sich seufzend an die Stirn, fuhr sich dann über die Augen. „Soll das heißen, wir müssen diesen ganzen Zirkus jetzt noch ein drittes Mal durchziehen, Daijo? Ich hab langsam echt genug davon, den ganzen Tag damit zu verplempern, anderen Leuten hinterher zu laufen und das Schloss zu erklären. Ich hab noch was anderes zu tun.“ „Tse, tse, Katsui, du weißt doch, die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los... Zugegeben, dem Gedicht folgend hätten wir wohl auf den 'alten' Herrn Kunieda hören und nicht noch einen Detektiv zu Rate ziehen sollen.“, rügte ihn Yamamura, während Hino sein freudiges Lächeln nicht verließ. „Dennoch, ich bin da sehr optimistisch. Herr Mori und Herr Hattori sind wahre Meister ihres Fachs. Wenn sie den Fall im Einvernehmen lösen, dann dürfte er tatsächlich abgeschlossen sein. Nicht wahr, meine Herren, das wird doch sicher relativ bald geklärt werden, so weit Sie schon vorgedrungen sind?“ Heiji und Kogoro sahen sich beide etwas verwirrt an, tauschten stumme Blicke aus, bevor Heiji mit einem leicht überzeugten Lächeln sich wieder an die Künstler wandte. „Nun... ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihre lobenden Worte, die sind mir fast schon zu viel des Guten. Denn bei einem Fall... ist es wie mit guter Kunst, man weiß zwar ungefähr, was draus werden soll, aber nicht wie viel Zeit vergeht, bis man es erschaffen hat, und irgendwann ist man dann eben fertig, ganz unverhofft teilweise.“ „Das... äh trifft nicht wirklich auf die Kunst zu, Herr Hattori, das ist wohl eher die Art und Weise in der Wissenschaft. Kunst ist niemals fertig, man entscheidet sich nur irgendwann, nicht mehr daran weiter zu arbeiten, und was dann raus kommt, wird mit entsprechendem Glück mal irgendwo vielleicht zu sehen sein.“ „Oh... Danke Herr Yamamura... ich bin wohl bei Kunst doch nicht so beflissen... Auf jeden Fall, was ich sagen wollte, ich habe ein großes Vertrauen in die Fähigkeiten meines Kollegen und teile daher Ihren Optimismus, Herr Hino, diesen Fall bald zu den Akten legen zu können. Aber man weiß es nicht. Und natürlich würde ich sehr gerne mir das ganze Schloss ansehen um meine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen und nehme dankend Ihre Einladung an.“ Ein entnervter Seufzer entfuhr dem 3D-Künstler, während er erneut seine Hand erst über die Augen, dann über sein ganzes Gesicht fuhr. „Also schön, wo fangen wir diesmal an?“ Er sah unmerklich zu der Treppe, die Ran seit dem Eintritt in dieses Zimmer in Beschlag genommen hatte. „Vielleicht dort?“, wies er mit einem Augenzeig auf den einen Punkt. „Hä, wieso, is da irgendwas, das für diesen Fall wichtig sein sollt?“, spielte Heiji mit beeindruckender Ruhe den Ort herunter, der ihm als einem der wichtigsten durchaus erschien. Bloß nicht erst anfangen, die Treppe ins Spiel zu bringen, bevor man hier etwas mehr Klarheit hatte. Kurzerhand griff er Takagi am Rücken, schubste ihn bestimmt ein paar Schritte nach vorn, so dass dieser beinahe stolperte, redete uninteressiert vor sich hin. „Hier, der Inspektor wollt sich das gute Stück Holz doch unbedingt nochmal ansehen, also kann er gleich damit anfangen.“ „Hey, Heiji, was soll das, ich...“ Er stockte, als er, zwischen den Künstlern und dem Detektiv aus Osaka stehend, dessen ernsten Blick halb unter dem Cappy hervorschauen sah. „Ich bin mir sicher, der Sturz war echt, aber war er Fake, haben wir einen Beweis, um die Künstler dingfest zu setzen für diesen Moment. Versuchen Sie so viel Zeit wie möglich mit der Treppe zu zu bringen, irgendwie ein paar Sachen zu analysieren, spielen Sie einfach den Künstlern was vor, bis wir wenigstens einmal ein bisschen was vom Schloss gesehen haben, OK?“ Er sprach wieder nur im Flüsterton, aber Takagi verstand genau, nickte kurz, drehte sich dann wieder um. „Ja... ja genau, die Treppe. Ich war eh letzte Woche schon hier und hab alles gesehen, was mich interessierte.“ „Nun, ich würde vorschlagen, da das Schloss groß ist und es bei Herrn Mori genauso war... dass wir uns von unten nach oben vor arbeiten. Was meinen Sie, Herr Hattori?“ Yamamuras Vorschlag klang in aller Ohren vernünftig angesichts der Dimensionen des Gebäudes, weshalb auch Heiji nickte. „Ja, das scheint mir ne gute Lösung. Also hier unten im Erdgeschoss, oder wie?“ „Nein, im Keller. Dieses Schloss hat einen ziemlich großen Keller, der.. zumindest aus künstlerischer Sicht, wesentlich interessanter ist als dieses Erdgeschoss. Genau genommen... wir können auch das Erdgeschoss uns angucken, weil... hier gibt es im Prinzip nichts.“ Herr Tomoko erklärte den verwunderten Gästen. „Das ist sowas wie ein Gemeinschaftsraum hier, und zwar zum Essen. Wenigstens wegen der Mahlzeiten kommen wir ab und an runter, damit wir nicht ganz in unseren Ateliers verschwinden. So als gegenseitiges Lebenszeichen, wie auch, um uns selbst abzulenken, haben wir uns diese Bedingung auferlegt, ohne Vorankündigung mindestens einmal täglich zu einer der festen Tageszeiten zum Essen zu kommen. So kamen wir auch auf Atsushiros Verschwinden. Ansonsten ist jeder quasi unabhängig von allen anderen und niemand achtet auf die Kollegen. Dahinten ist noch eine Küche, zur linken Tür, zur Rechten ein großer Waschraum. In beiden Räumen sind wir im Prinzip täglich. Da war auch Herr Mori nochmal drinne und hat nichts irgendwie auffälliges gefunden.“ „War denn Wäsche von Herrn Tashija da? Also... zum Zeitpunkt seines Verschwindens?“ „Äh... nein, seine Wäsche war bereits letzte Woche, als die Polizei hierher kam, sauber in seinem Zimmer. Wir haben ja keine Putzfrau oder so, insofern macht jeder seine Wäsche meistens selbst. Er hat wie wir anderen auch, häufig einen größeren Wäscheberg gleich gewaschen, aber das war wohl auch einen Tag vor seinem Verschwinden so. Daher gab es keine weitere Wäsche.“ „Hat ihn denn jemand von Ihnen gesehen, am Tag bevor er verschwand, wie er Wäsche herunter brachte und wusch?“ Die Künstler sahen sich etwas unschlüssig an. „Nun... ich glaube nicht, aber ich hatte Atsushori noch einen Tag vorher in seinem Atelier besucht und da den Stapel gesehen, und er meinte, er wollte ihn am nächsten Tag mal angehen.“ Heiji vergrub sein Gesicht in Gedanken. „Ich hab ihn am nächsten Tag auch gehört, die Waschmaschine ist nicht die leiseste und ich hatte mir gerade was als Zwischensnack gemacht.“ Herr Hino drängte sich vor, erklärte kurz seine Beobachtung. „Na... na schön, dann ist da wohl vorläufig nichts interessantes, wenn Sie auch schon drinne waren Herr Mori.“ Dieser grummelte nur bedächtig. Heijis Nachdenken rüttelte ihn auch wach. 'Was, wenn die Argumente der Künstler nicht ausreichten und Herr Tashija vielleicht doch nicht seine Wäsche gewaschen hatte? Aber wer war dann da drinne? Einer der anderen Künstler? Hat dieser dann die Wäsche gewaschen und wieder bei Herrn Tahija einsortiert? Nur, um einen Tag an Zeit vielleicht zu gewinnen, was den Zeitpunkt des Verschwindens angeht? Ist doch etwas viel Aufwand für wenig Nutzen, denn die Stunden hätte er dann mit Wäsche waschen vergeudet...' „Also schön, Kazuha, Ran, kommt ihr? Wir wollen uns doch jetzt den künstlerisch wertvollen Keller dieses Schlosses angucken, nich wahr?“, tönte Heiji mit jugendlichem Übermut, trieb die anderen förmlich vom Eingang des Saales weg den Anwohnern hinterher. Für Ran war es eine kurze, befreiende Geste, endlich die Treppe, an der sich nun Takagi – ohne wesentliche polizeiliche Untersuchungsgeräte – zu Werke machte, hinter sich zu lassen. 'Zeit gewinnen, du bist gut, Heiji. Tse...' Der Weg in den Keller führte etwas überraschend einfach vom Saaleingang nach rechts um eine 180° Kurve in einen kleinen Gang parallel zum Flur, den sie als erstes im Schloss betreten hatten. Ran sah als letztes noch einmal zur Treppe und dem Inspektor, dann zu Heiji vor ihr, und schließlich zu ihrem Vater hinter ihr. Dieser lächelte aufmunternd, als er die tiefe Traurigkeit in ihrem Blick sah. „Vertrau mir, Mausebein!“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Wir kriegen den Täter.“ „Das hoffe ich, Paps.“, murmelte sie ängstlich, noch leiser, selbst für ihn und Kazuha, die neben ihr ging, kaum hörbar. 'Das hoffe ich wirklich.' Kapitel 8: Kirika Yuumura ------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ da sind wir wieder, und wie versprochen, nun erstmal mit dem Aufeinandertreffen Kirika-Conan, welches, wie angekündigt ein paar grad-zahlige Kapitel andauern wird. ;] Zunächst einmal aber wieder ein ganz großes Dankeschön an die Kommentatoren vom letzten Kapitel. Ja, es hat etwas von einer Schlossführung, aber eigentlich ist es Heijis... 'Variante', an Informationen ran zu kommen. Und ein wenig Kunst wird auch immer dabei sein, so viel steht fest. ^.~ Und natürlich vieles zum Fall... ich hoffe, er gefällt euch, es wird wohl der bisher umfangreichste in meiner Reihe. ^///^ So, im Prinzip genug Vorrede... ich versuche davon abzulenken, dass ich eine gewisse Nervosität verspüre, was das angekündigte Gespräch angeht. Für die nicht-Noir-Kenner, ich erzähle größtenteils nur die offiziellen Fakten zu Kirika dieser Geschichte nach, wenn euch das eine oder andere verwundern sollte... es ist echt so und noch nicht meine wirren Gedanken... die sind mehr der Hintergrund, dass dieses Gespräch überhaupt stattfindet. XD Also dann, ich wünsche viel Spaß beim Lesen und bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet Kapitel 8: Kirika Yuumura Alle drei starrten verwirrt auf den großen Blumentopf an der Tür, der scheinbar einen Menschen hinter sich verbarg. Es waren nur die Beine unter dem Jeansrock samt den Turnschuhen noch zu erkennen, sowie an den beiden Seiten des weißen Porzellans die von der Masse leicht geröteten Hände einer jungen Frau. „Äh... Guten Tag?“, fragte der Professor höflich wie verwundert, während die anderen beiden im Moment sprachlos wirkten, was sie von dem Anblick halten sollten. „Ah... äh hallo...“ Verkrampft schien sich die Person hinter der Pflanze Luft verschaffen zu wollen. Plötzlich drängte sich ein Kopf mit leicht verwuselten, schwarzen Haaren an der rechten Seite vorbei. Kirika lächelte verlegen, sah gar nicht genau zu den Leuten ihr gegenüber. Allmählich war ihr die Blume doch zu groß und schwer geworden. „H-hallo!“, sagte sie schließlich noch, bevor sie ein paar Schritte durch den Raum zu einer nahegelegenen Ecke machte, an der sie das Krankengeschenk auf den Boden stellte. Dann putzte sie kurz die Reste von Erde von ihrer Jacke, drehte sich behände auf den Zehenspitzen wieder um und stand wieder vor der erstaunten Gruppe. „Guten Tag, nochmal.“ Mit einer höflichen Verbeugung begrüßte sie den Professor und Ai auf der einen Seite, bevor sie sich dem Patienten zuwendete, den Kopf leicht schief legte und sanft lächelte. „Hallo, Conan!“ Der Junge blickte zuerst verwirrt auf das Mädchen, das kaum älter als Ran wirkte, dafür aber fast kindlich naiv. Dann wandte er sich, da er es als sinnlos erachtete, sie erkennen zu wollen in seinem Zustand, an die anderen Beiden, die ihn ja eh aufklären wollten. Diese zuckten aber, als Reaktion auf seinen fragenden Blick, auch nur unwissend mit den Schultern. 'Wer... wer ist diese Frau?' „Äh... hallo. Verzeihung... aber... im Moment bin ich... nicht so gut darin, meine Freunde zu erkennen... denn wissen Sie...“ Er brach ab, als sich Kirikas Miene leicht verfinsterte, dann aber einer melancholischen, ja mitleidvollen Phase wich. Schließlich schüttelte sie ganz schwach den Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen, Conan. Ich habe Ran und die anderen bereits draußen auf dem Flur getroffen und sie haben mir von... den Folgen... erzählt.“ 'Sie kennt Ran? Vielleicht eine Mitschülerin... von ihr... Aber was hat sie mit mir zu schaffen? Und was soll dieser Blumentopf?' Analog ging diese Frage auch Professor Agasa und Ai durch den Kopf. Sie hatte dabei ein komisches Gefühl. 'Eigentlich kann es keine Mitschülerin sein, weil immer noch Schule ist... und sie trägt keine Uniform, wirkt eher als ginge sie gar nicht mehr zur Schule.' „Sind Sie... eine Freundin von Ran?“ „Mhm...“ nickte Kirika nur verhalten zu Ai. „Eine ehemalige Mitschülerin. ... du solltest es aber auch nicht, Conan.“ Während der erste Satz eine direkte Antwort war, auf die nun alle endlich glaubten den Namen des unbekannten Gastes zu erfahren, war sie im zweiten Satz auf einmal wieder mit ihren Gedanken ganz wo anders. Niemand schien so recht zu wissen, woran sie dabei dachte. „Was... sollte ich nicht?“ „Dich dafür entschuldigen...“ Ihre Stimme wurde etwas ruhiger, gedämpfter, nachdenklicher. „Es ist schwer... manchmal... auch für Leute bei klarem Verstand, ihre Freunde zu erkennen. Du solltest dich nicht entschuldigen, dass du es in deinem Zustand nicht kannst... Allein dieser Gedanke... ist schon mehr wert als manche oberflächliche Freundschaft ohne... wahren Tiefgang...“ Conan starrte sie mit geöffnetem Mund an. Eben noch das unbeholfene, naiv wirkende Mädchen, nun sprach sie fast wie eine alte Dame, die ihren Kindern Weisheiten fürs Leben erteilte... und gar nicht mal banale Kleinigkeiten. 'Was... was ist das für eine Person?' „Verzeihung, Fräulein...“, begann der Professor schließlich etwas ungeduldig die alles entscheidende Frage in den Raum zu stellen. „Sie scheinen Conan zu kennen, aber wie Sie offenbar schon wissen, er Sie nicht, und wir beide haben Sie noch nie gesehen... also... Wer sind Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?“ Kirika schrak aus ihrer kurzen lethargischen Art hoch, sah peinlich berührt zum alten Mann, verbeugte sich zappelig mehrfach vor ihm. „Ah... hab ich mich nicht vorgestellt, entschuldigen Sie bitte! Also ich heiße Kirika. Kirika Yuumura.“ Conan meinte ein kurzes Bild bei dem Namen vor Augen zu haben... der Ausschnitt eines Bildes... ein Mund, ein paar mit knallrotem Lippenstift versehene Lippen, die ein Wort stumm umrandeten. 'Nein.' Mehr nicht. Im Kontext ergab das für ihn die Aussage: 'Ich heiße Kirika Yuumura – Nein.' Was sollte das nun wieder bedeuten... War das eine Lüge? Oder verwechselte er eine spontane Erinnerung seines Unterbewusstseins, die ihm bei dem Namen kam, mit einer Antwort auf ihre Aussage? Und wem gehörten die Lippen? Definitiv keiner Person, die in diesem Raum war... einer Frau... einer Frau, die mit ihrem Lippenstift nicht unbedingt dezent umging, sondern durchaus gewillt war... damit ihr äußeres darzustellen... vielleicht jemand vom Theater... oder eine Schauspielerin... Dem Professor und Ai sagte der Name sehr wohl etwas. Zu genau war das Gespräch mit Jodie nach dem Mordfall im 'Le Grand Success' in Erinnerung. Da waren sie, Ran, Sonoko und Conan dieser Person, Kirika Yuumura begegnet. Dieser Person, zu der das FBI selbst keine Informationen finden konnte. Die vermutlich unter dem Namen gar nicht existierte... eine... 'Auftragsmörderin!' „Himmel!“, flüsterte er so leise, dass ihn möglichst niemand hörte, schon gar nicht... sie. 'Was will denn so eine hier? Was hat sie mit Shinichi zu schaffen, außer ihn indirekt über Ran zu kennen? Und was soll das mit den Blumen? Shinichi, was geht hier vor sich?' Allmählich verstand er, was Ai vorhin gemeint hatte. Shinichi hatte sich in letzter Zeit mit seinen Problemen um die Organisation und drum herum noch mehr isoliert als früher. Nur in seinem Kopf herrschte wohl normalerweise die Klarheit all das zu ordnen, was die anderen verwirrte. Und nun... bezahlte er damit, dass ohne dieses Wissen ihm auch sein eigenes Leben wie ein kryptisches Werk vorkam. Der Sturz, oder vielleicht auch der ominöse Schlag zuvor hatten dem Computer, den sein Hirn darstellte, das Passwort genommen und nun war alles unlesbar geworden... unverständlich, ein Chaos, das jeden anderen zu überrumpeln drohte, mit der Gewalt die es dahinter verbarg. Die Gewalt hinter dem Wissen von Shinichi Kudo. Ai meinte, ihr Herz sei stehen geblieben... Ihr Körper erstarrte augenblicklich zu Eis, sie fühlte nichts mehr um sich, sie konnte sich keinen Millimeter bewegen, nicht mal ihr Gesicht verziehen, um die Angst anzudeuten, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie starrte sie weiter nur verwundert, so reaktionslos an, als habe der Name keinerlei Bedeutung für sie. Dahingegen war ihr Gefühl, ihr Inneres, dabei den Geist aufzugeben. Während sie äußerlich fror, schien ihr Blut durch den nun wieder aufgekommenen, stärker und immer schneller werdenden Puls ihre Organe zu verbrennen. Schließlich reagierte ein Reflex, als ihr Körper meinte, in dieser Form bekäme sie nicht genug Luft für die Anstrengung ihres Herzens und sie musste einmal tief durch atmen, was fast einem Gähnen gleichkam. Im ganzen war ihr schwindlig, übel, Kaltschweiß bildete sich unter ihrem Hemd, und eine von Angst erfüllte Starre lähmte fast auch ihre Atmung. 'Es ist schlimmer!', stellte sie fest, um sich nur noch verängstigter mit beiden Händen an den Stuhl zu klammern. 'Es ist schlimmer... schlimmer als bei ihnen!' Dieses Gefühl, wenn sie, nachdem sie vor der Organisation floh, bekam, sobald einer der Männer in Schwarz in ihrer Nähe auftauchte... es konnte sich nicht messen mit dem Gefühl... IHR gegenüber zu sitzen. So hilflos hatte sie sich nicht einmal gefühlt, als sie im Keller ihres Labors auf ihren Tod wartete. 'Es ist halt nochmal etwas anderes... ob der Sensenmann hinter einem sein Gerät schleift... oder vor dir steht und... mit seinen stillen... täuschenden Augen auf dir ruht...' Der naive Blick, dieses ungestüme Lächeln, das alles konnte das Herz der jungen Forscherin nicht über eine untrügliche Wahrheit hinweg täuschen. 'Du bist nichts als eine Mörderin... Du bist Noir! Der beste Profikiller, den es auf dieser Welt gibt. Mich kannst du nicht einlullen...' Es kam ihr fast wie eine heuchlerische Aussage in ihren Gedanken vor... Musste sie denn ihr etwas vorspielen? Wohl kaum, nach allem, was man über Noir hörte, könnte sie alle drei Anwesenden geräuschlos eliminieren und würde ohne eine Spur dieses Krankenhaus wieder verlassen. Sie brauchte sich gar nicht verstellen dafür... also warum tat sie es? Was... was überhaupt wollte sie verdammt nochmal von Conan? Ai spürte, wie ein Schweißtropfen von ihrer Stirn rann, wie sich... ganz langsam, etwas in der Verkrampfung löste, die ihren Körper gefangen hielt, und sie nun bewusst dem ungebetenen Besuch in die Augen sehen konnte... so sie sich denn traute. Ein dicker Kloß lag bei dem Gedanken in ihrem Hals, sie würde kein Wort sagen können jetzt... sie würde wohl nicht einmal schreien können, wenn sie jemand nun plötzlich irgendwie verletzen würde. Diese Frau... die für die Unwissenden so harmlos wirkte... für sie, die 'Wissende', war sie wie ein schwarzes Loch, wie ein großes eigenes Gravitationsfeld, das alles um sich herum mit seiner bloßen Existenz einfing, gefangen hielt und nie wieder los ließ. 'Das ist die Macht, die der Name Noir in der Welt derjenigen hat, die von ihrer Gnade abhängen. Dort ist sie die Scharfrichterin und unantastbar wie der Sensenmann höchstpersönlich. Noir... ist der Tod selbst. Und nun... steht er vor mir...' Mit einem tiefen, verzweifelten Seufzer und einem Ruck, der wohl mehr aus der Überzeugung der Hilflosigkeit, als aus irgendeiner Form von Mut keimte, hob sie den Kopf leicht, und fixierte die junge Frau wenige Meter vor ihr, nur um es augenblicklich zu bereuen. Kirika hatte sie nämlich auch fixiert, sie mit den tiefen, dunklen Augen erfasst, die Hände leicht verkrampft an der Seite baumelnd. Sie schien ihre Gedankengänge genau zu verfolgt zu haben und darauf nun zu reagieren. Anklage stand in ihrer Miene, nicht mal wirklich Wut, aber die Art von Einspruch, die ein Anwalt wohl seinem Kontrahenten zukommen ließ als... üble Nachrede... Verleumdung... Lüge... 'Du verurteilst mich, bevor du mich überhaupt einmal gesehen hast? Und verlangst Verständnis für deine Vergangenheit? Du hast ja nicht die geringste Ahnung... Miyano!' Das und nichts anderes las Ai daraus, und mit jedem Moment, den ihr Gehirn diesen Gedanke mehr verarbeitete, desto unmöglicher schien es ihr, ihr weiter in die Augen zu sehen. Dieses verurteilende... in ihrem Fall ja tödliche, was hindurch schimmerte, es drückte förmlich dem kleinen Mädchen die Luft ab, bis sie schließlich angewidert zur Seite starrte. Auch Kirika blinzelte daraufhin kurz, seufzte leise, wandte den Blick zum Patienten zurück. Conan hatte die ganze Szenerie beobachtet, seine Gedanken zu Ais Reaktion blieben im Hinterkopf erhalten, riefen ihn zur Vorsicht Kirika gegenüber... was sein Unterbewusstsein zumindest nicht verneinte... „Sie sehen aber gar nicht aus wie eine Mitschülerin.“ „Hm?“ Ihre Gedanken waren so bei der jungen Forscherin, dass sie gar nicht mehr wusste, was sie eben gesagt hatte und wie Conan wohl diesen Satz meinte. „Sie sagten, Sie seien eine Freundin von Ran und Sonoko. Sie wirken auch gar nicht viel älter als die beiden, tragen aber keine Schuluniform, obwohl es, so weit man mir sagte, wohl heute Dienstag und noch nicht mal Mittag ist.“ Einen Moment starrte sie ihn verwundert an, legte den Kopf erneut schief, betrachtete das neugierig seine Umwelt erforschende Gesicht und begann auf einmal, zuerst leise, dann lauter werdend, heftiger und schließlich aus vollem Herzen zu lachen. Ein freudiges Lachen, ein beruhigendes Lachen, ein... ehrliches Lachen, das nicht zuletzt Ai aufhorchen ließ. „Tut mir Leid, Conan, aber... das war so witzig.“, hob sie abwehrend die Hände, immer noch vor sich hin schmunzelnd. „Du hast ja fast recht, es passt alles so wunderbar bis auf die Kleidung. Ich hab bereits vor ein paar Jahren mit der Schule aufgehört, bin ins Ausland gegangen – nach Frankreich – und erst vor kurzem wieder zurück gekommen. Ran und Sonoko gebe ich seitdem Nachhilfe in Französisch. Daher kenne ich sie.“ Sie hatte sich zwar etwas beruhigt, aber man konnte ihr die Amürsiertheit noch immer im Gesicht ablesen. „Wieso ist das witzig?“ Die Frage kam von Ai und sie selbst bereute sie bereits im nächsten Moment. Was dachte sie sich nur dabei? War sie gerade lebensmüde?! Sie wusste doch am besten... und sicher als einzige im Zimmer, wozu diese Frau fähig war... 'Nein... das... liegt wohl selbst außerhalb meines Wissens!', schien sie sich selbstironisch zu ohrfeigen. Aber diese leicht sarkastisch angehauchte Frage, die Kirikas Fröhlichkeit untergrub, ihr Lächeln fast als Lüge, als Maske hinstellte, konnte in diesem Fall ihr Schicksal besiegeln. Hatte sie das provoziert, weil es unmöglich dem entsprach, was sie über diese Person zu wissen glaubte? Der gutmütige Ausdruck verließ Kirikas Gesicht, als sie sich kurz zu Ai wendete. Etwas melancholisches nahm dort ihren Platz ein... 'Mitleid?' Die Besucherin legte den Kopf leicht schief, verkrampfte ihre Lippen, dass sie ein winziges Stück nach oben zeigten, ging die zwei Schritte auf Ai zu, die sich und ihre Finger nur noch fester in das Plastik der Stühle vergrub. Das wars... endgültig. Wenn sie es nicht hier erledigte, vor den Augen der Anderen, so würde sie sie später... irgendwo, irgendwann, wenn es niemand erwartete, töten. Sie rechnete mit ihrem Leben ab und musste fast erneut schmunzeln. Nach all den Strapazen um die Organisation, nach all den Mühen, mit denen Conan ihr Sicherheit vermitteln wollte, nachdem sie selbst, durch so viel Selbstüberwindung so weit war, sich wieder... ein Leben vorstellen zu können, hatte sie es nun weggeworfen, in einem Anflug von Größenwahn. Ausgerechnet gegenüber der Person, von der sie ganz genau wusste, was sie sich vorzustellen hatte. Dann stand sie vor ihr, beugte sich zu ihr runter und sah ihr direkt in die Augen. Sie waren wirklich unheimlich tief... und auch... leer. Das sah sie erst jetzt bei näherer Betrachtung. Nicht vollkommen leer, so wie Conans Augen momentan... aber... für ihr Alter einfach... zu leer. 'Wusste ich es doch... alles nur gespielt. Sie haben überhaupt keine Emotionen... wie erwartet.' Dann erschien doch ein leichtes Funkeln darin, als würde sich die durch das Fenster herein scheinende Sonne darin spiegeln. Kirika hob die Hand, der Professor sprang fast auf aus Angst. Wenn das, was Jodie damals gesagt hatte, stimmte... wozu war diese junge Frau dann womöglich fähig? Und... konnte er etwas dagegen unternehmen? Sie schien nicht großartig kräftig gebaut, eher zierlich. Andererseits hatte Conan erzählt, sie hätte kurzzeitig damals im Restaurant ihr wahres Gesicht gezeigt. Und der ernste Ausdruck von seinem Nachbarn ging ihm einfach nicht aus dem Kopf in diesem Moment. Shinichi war zu gut darin, Menschen einzuschätzen und umgekehrt, abgeklärt und überzeugt genug, um diese Szenerie richtig einzuordnen. 'Sprich... sie ist gefährlich. Aber sie wird doch nicht... hier im Krankenhaus...' Ai zuckte zurück, presste sich verzweifelt an die Rückenlehne des Stuhls, als hoffte sie, durch diese hindurch sich nach hinten und dann irgendwo hin flüchten zu können, als die Hand der jungen Frau langsam auf ihren Kopf zu kam. Schließlich blieb ihr nur, die Augen zu schließen und das Ende abzuwarten. 'Es tut mir Leid!' Und dann spürte sie sie auf ihrem Kopf... die Hand des Todes. Es waren nur Gerüchte, die sich um Noir rankten, aber, so viel hatte Shiho einst mitbekommen. Vor vier Jahren, als Noir das letzte Mal wie aus dem Nichts auftauchte und 'wirkte', sollen mehrere Mafia-Clans rund um den Globus dran geglaubt haben. An diesen Fingern... klebte nicht einfach nur etwas Blut... es musste ein See sein... ein See aus Leichen voll, der binnen kürzester Zeit gefüllt wurde. Hunderte... Tausende? Das wusste wohl nicht mal sie selbst. Dann bewegte sie sich! Hin und her... Und langsam öffnete das kleine Mädchen die Augen, als sie merkte, dass sie immer noch lebte. Vor ihr stand immer noch Kirika, aber ihr Gesicht hat sich wieder zu einem ehrlicheren Lächeln wie vorhin verzogen. „Hm... Du bist irgendwie auch niedlich, weißt du das, Ai?“, grinste sie sie an, während sie weiter über den großen Haarschopf streichelte. „Was... zum...?“ Ihre großen Augen wurden im Moment nur noch größer... und über allem thronte diese Angst. Das könnte doch alles nur gespielt sein... sie hatte vielleicht doch schon ihr Leben weggeworfen und der Tod nur ihr etwas Aufschub gewährt... Als konnte sie ihre Gedanken ganz genau lesen, lachte Kirika verspielt auf, schüttelte leicht den Kopf. „Lass es mich so formulieren, dass du es verstehst... Meinungen... sind schwerer zu zerstören als Atomkerne.“ Was sollte das nun wieder? Conan und Agasa sahen sich verwundert an. Das berühmte Einstein-Zitat über Vorurteile und die Schwierigkeit, diese zu zerstreuen. Bezog sie das auf sich? Vielleicht. Es wäre sicher voreingenommen, über sie zu urteilen, bevor man sie nicht kennen gelernt hat, aber... war es nicht erwiesen, dass sie eine Mörderin war... also... „Ich fand es nur witzig, wie Conan argumentiert hat. Er hat eigentlich keine Erinnerungen, ist nur ein kleiner Junge und doch klingt die Überlegung eigentlich sehr souverän und durchdacht. Und die Pointe vom Ganzen ist, dass er vergessen hat, die banale Frage zu stellen, ob ich überhaupt zur Schule gehe. Das fand ich einfach witzig, ihr nicht?“ Conan war der erste, der diese Frage nach einer Weile kurz abnickte. „Ja... eigentlich schon ganz witzig... so wichtig tun und dann das offensichtlichste vergessen. Haha.“ Im zweiten Moment musste er selbst darüber lachen, was auch den Professor und Ai etwas beruhigte. Im Fall des kleinen Mädchens war es aber mehr, dass Kirika langsam die Hand von ihren Haaren nahm, sie noch einen Moment ansah, und dann aufstand, sich zum Patienten zurück wendete. Augenblicklich verfinsterte sich auch ihr Gesichtsausdruck wieder, als sie Conans Augen sah. 'So... leer...' Einige verdrängte Erinnerungen an früher machten sich breit... Sie verabscheute diesen Anblick, der ihr nur zu bekannt war. Sie konnte ihn nicht ertragen. Nicht bei der Person... die ihr vor kurzem erst... Sie wandte sich mit einem Ruck zur Seite, ging auf das große Fenster zu, riss es auf und atmete die befreiende Luft ein. „Dass die Krankenschwestern auch immer vergessen, ordentlich zu lüften. Es ist doch noch herrlichster Spätsommer draußen!“ Sie redete mehr zu sich selbst, versuchte, von ihren wahren Gedanken abzulenken. Nicht nur die Anderen... auch sich selbst. „Ja...“, stimmte Conan, fast fragend, zu. Darüber wollte sie doch jetzt bestimmt nicht reden. Sie war hier als Besucherin her gekommen, hatte ein, wie er fand, doch beeindruckendes und sicher nicht billiges Objekt als Geschenk mitgebracht... und doch schien sie nun lieber hinaus auf die Skyline Tokios starren zu wollen, als sich zu erklären. Wo sie eben doch noch so voller Tatendrang wirkte. Auch Conan war Ais abweisende... ja verängstigte Art, diese Antipathie gegenüber Kirika nicht entgangen. Nur konnte er sich darauf noch weniger einen Reim machen, als der Professor. Für ihn wirkte die junge Frau doch relativ normal mit einer gewissen Vorsicht halt... doch er kannte sie ja angeblich, also sollte er schon nicht vollkommen misstrauisch ihr gegenüber sein... Allerdings... war sie im Raum die Einzige, die von dieser Bekanntschaft etwas zu wissen schien... Gleichzeitig aber wusste sie offenbar Details über seinen Zustand und das von Sonoko und Ran, die sie also wohl wirklich kannte. Außerdem reagierten der Professor und Ai auf diesen Namen. Kirika Yuumura... In Conans Kopf drehte es sich wegen all dieser Gedankenstränge allmählich, bis ihn erneut so ein unangenehmer Schnitt durch den Kopf fuhr. „Aah.“ Er schimpfte leise, und doch konnten ihn alle genau hören und erst recht sehen, wie er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an der Stirn festhielt, mit beiden Händen diese, wie mit einem Schraubstock einklemmte. Auch Kirika sah erschrocken auf. In ihren Augen meinte der kleine Jungen für den Bruchteil einer Sekunde ein Funkeln zu erkennen, dass aber ebenso schnell wieder verflog. Auch Ai verfolgte ihn aus dem Augenwinkel. Etwas... irgendetwas hatte sie erregt. „Wie geht es dir?“ Als sich Conan zu der Frage wandte, hatte sich Kirika wieder weg gedreht. Sie sah ihn nun bewusst nicht an, sondern fixierte den blauen Himmel und die Wolkenkratzer der Metropole vor sich. Aber ihre Stimme war nervös geworden, hatte ihre Selbstsicherheit etwas verloren. „Ähm... es ist nicht schlimm. Die Verletzung am Kopf... ab und zu, wenn ich zu viel denke, scheint sie sich kurz zu melden, dass ich mich nicht so anstrengen soll aber ansonsten...“ „Nein.“ Wie eine scharfe Schere, und doch ohne jede Erregung, ohne jede Form von Betonung, von Befehl, die diesem Wort angemessen gewesen wäre, sondern wie eine reine, bewertungslose Feststellung, durchschnitt es Conans Worte, ließ ihn zusammen zucken. „Nein... das... das meine ich nicht...“ Sie wurde nun noch ruhiger, wirkte fast verträumt, als sie ihren Kopf auf die rechte geschlossene Hand stützte, und ihr Kinn ihre Lippen dadurch leicht nach oben drücke, ein Lächeln simulierte. „Das sind physische Probleme... Schmerzen, die vergehen können. Du hast außer dem Verband um deinen Kopf fast keine Zeichen äußerer Verletzungen, so weit ich das sehen kann, also... ist das nichts von Dauer. Wie geht es dir... psychisch... jetzt... in dieser Situation?“ Die Frage sorgte für eine unangenehme Ruhe im Krankenzimmer, tiefe, eindringliche Stille. Sie wurde noch verstärkt, als Kirika, auf eine Antwort wartend, sich nun doch wieder zu ihm umdrehte und der Junge in eine tiefe Traurigkeit blickte, die sich in scheinbar endlosen Tiefen in ihren Augen widerspiegelte. Stille Wasser sind tief. Kirika... war still, ruhig, machte ein paar überhastet wirkende Bewegungen, schien aber sonst vollkommen ausgeglichen, zumindest, was man in diesen paar Minuten, die sie in diesem Raum war, sagen konnte. Sie war sehr still... und entsprechend... beängstigend tief. Conan war von diesen Augen in den Bann gezogen und verharrte eine Weile, bevor er den Blick auf die Decke vor sich lenkte. Langsam hob er seine rechte Hand hoch, besah sie sich zuerst genau, dann fixierte er das Weiß des Bettbezuges dahinter, dann wieder die Hand, spielte mit den verschwimmenden Konturen, je nachdem, wie sich die Linse in seinem Auge ausrichtete. Schließlich seufzte er tief. „Es ist merkwürdig...“ „Hm...?“ „Ich... ich verstehe es ja... meine ich. Ich kann mich an nichts erinnern, was vor... vor diesem Unfall war. Alles... allgemeine ist da... und ein paar Besonderheiten, die mich wohl früher interessierten, aber... es ist einfach... merkwürdig.“ Kirika schaute den etwas deprimiert vor sich hin blickenden Jungen an, wandte sich dann wieder dem Fenster zu, atmete die frische Luft in einem tiefen Zug ein und genauso lang anhaltend wieder aus. „Licht... und Dunkelheit vermischen sich. Deswegen ist es merkwürdig... und man fürchtet sich davor.“ Ai und der Professor blickten sie nur verwirrt an. Auch Conan konnte nur bedingt aus ihren Worten schlau werden, versank in Gedanken. „Die Dunkelheit... das ist das Unwissen, Conan. Eigentlich kann niemand alles wissen, viele Menschen wollen es auch nicht, aber in diesem Moment... erscheint uns diese Dunkelheit fast vollkommen gefangen zu nehmen, nicht wahr?“ Der kleine Junge nickte stumm, betrachtete weiter seine Hand. „Und dann... ist da das Licht...“ „Sie meinen... das Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten... von früher, die man nicht vergisst, sondern die unterschwellig... noch da sind.“ „Genau... eigentlich sind sie... das Licht, andererseits aber... sind sie auch beängstigend, oder?“ Seine Augen wurden groß, als er endlich ihre Aussage verstand. Vor seinem Geiste rasten die Gedanken zu der letzten Stunde umher. Wie er alle mit ein paar für ihn banalen Schlussfolgerungen in Erstaunen versetzte, wie er aus dem Nichts biologische Fachbegriffe erklären konnte, dazu diese Brille... und dieses Buch... „Beängstigend?“, fragte er mehr, als zu bestätigen. Ein sachtes Nicken bekam er als Antwort. „Es sollte das Licht sein, aber es ist eigentlich... ein Teil der Dunkelheit in diesem Moment. Es sind Eigenarten eines Menschen, wie es sie normalerweise nicht gibt, Besonderheiten, das was uns einzigartig macht.“ „So ähnlich hatte es der Doktor auch formuliert, besondere Fähigkeiten, davon sprach er wohl.“ „Aber du verstehst sie nicht.“ „Hä... ja...“ Zögerlich nur kam die Antwort. Ja sicher, er verstand es nicht, es fehlte einfach der Kontext seines früheren Lebens... „Aber glaubst du denn, es macht einen Sinn, wenn du den Rest kennst?“, fragte sie, als wüsste sie genau seine Gedanken. „Ob es... einen Sinn macht?“ „Es ist beängstigend, weil es gerade in diesem Moment keinen Sinn macht. Es prasselt wie ein Feuerwerk an Informationen auf dich ein, aber ein roter Faden fehlt. Du kannst dich zwar... lange damit trösten, auf diesen Sinn zu hoffen, aber... letztlich ahnst du doch, aus deinen Überlegungen heraus, dass du besorgt sein müsstest.“ „Es stimmt etwas nicht. Sie meinen..., was ich bisher über mein Leben erfahren haben... es passt nicht zusammen?“ „Ja. Du suchst in Gedanken gerade verzweifelt nach einer... harmlosen Erklärung, für Dinge, die dir abnorm erscheinen, nicht wahr? Wer sagt dir, dass es sie gibt? Wer sagt dir... dass die ganze Wahrheit es besser macht, dir die Ruhe gibt, die vom Wissen, von den eigentlichen Lichtern gestört wird. Das meinte ich mit Dunkelheit. Diese Fähigkeiten... von denen der Arzt sprach... können eine Büchse der Pandora sein... die vielleicht besser nicht geöffnet würde.“ „Nein!“ Ohne mit der Wimper zu zucken kam Conans Antwort mit Wut im Bauch ihr entgegen. In seinen Augen bemerkte sie plötzlich eine Form von Kampfgeist, etwas, was ihm bisher ganz fehlte. „Nein! Auch wenn es... auch wenn es erschreckend wäre... auch wenn es... Folgen hätte... man darf sich nicht vor seiner eigenen Vergangenheit verschließen. Und... auch niemals vor der Wahrheit an sich. Niemals!“ Conans Stimme zitterte, genau wie sein Körper. Er wusste nicht, wie laut er geworden war in diesen Sätzen, vielleicht auch gar nicht, denn Kirika schien gar nicht auf ihn zu reagieren, sondern starrte wieder aus dem Fenster auf Tokio. Aber er sah Ai und dem Professor an, dass er schon gehört wurde. Das kleine Mädchen schmunzelte kurz. 'Du klingst gerade genau wie die Kinder, wenn sie irgendeine Schulweisheit verkünden... Sag bloß, du warst in ihrem Alter auch genau wie sie, Kudo?' Kirika hob kurz ihre rechte Hand vors Gesicht, betrachtete sie und dann durch sie die Stadt, ähnlich wie Conan zuvor. 'Du magst das... über deine Fähigkeiten denken, Shinichi... aber... wenn du wüsstest, was meine „Fähigkeiten“ sind...' Der kleine Junge beobachtete mit Erstaunen die ihm wohl bekannte Bewegung. Langsam zuckte er zurück. „Sie...“ „Hm...“ „Sie haben auch Ihr Gedächtnis verloren?!“ Der Professor und Ai erschraken simultan und fuhren von ihren Plätzen hoch. Dem kleinen Mädchen lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. 'Das... glaub ich nicht!' Eigentlich hätte es ihm viel früher auffallen müssen. So wie sie diesen Zustand nach einer Amnesie beschrieb, diese Gefühle, als wüsste sie ganz genau, aus eigener Erfahrung eben, wie das war. Und dann jetzt diese Bewegung mit den Händen... genau wie bei ihm. Kirika regte sich nicht, sprach nur fast regungslos vor sich hin. „Ja. Aber es ist schon lange her.“ Ai wurde auf ihrem Platz fast verrückt. Das konnte doch unmöglich wahr sein. Sie... ausgerechnet Noir?! Was hatte das nun wieder zu bedeuten? „Und... hat es damals... als Sie sich dann wieder an alles erinnert haben... hat es da keinen Sinn ergeben?“, hakte Conan nach. Dass sie, selbst als Opfer einer solchen Verletzung, sich gegen das Erinnern auszusprechen schien, verwirrte ihn nur noch mehr. „Ich weiß nicht, was du meinst, Conan.“ Nun wandte sie sich doch kurz zu ihm, nur mit dem Kopf. In ihren Augen stand für diesen einen Moment nur... Verzweiflung. „Na ich meine... als Sie...“ Er stockte, schlug sich ungläubig die Hand vor den Mund, seine Augen erstarrten. Den beiden Anderen stand der Mund nur offen, sie konnten es einfach nicht fassen. „Mhm... ich habe mich nicht erinnert, Conan. Ich weiß bis heute nicht wirklich, wer ich bin.“ Kapitel 9: Die Kellergalerie ---------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ Zunächst erstmal ein herzliches Dankeschön wieder an die fleißigen Kommi-Schreiber. Kirikas Geschichte im Details – was ja eigentlich rein Noir-Geschichte ist, wird erst in der nächsten FF angesprochen, dennoch wird sie im 10. Kapitel einiges sehr explizites verraten, über sich, über Les Soldats... So, nun geht es aber endlich auf zur Schlossbesichtigung und zwar gleich mit dem Highlight... im Keller! XD Aber für Kunstinteressierte vielleicht der schönste Ort. Natürlich aber auch viel zum Fall. Apropos, auch wenn Heiji grob fahrlässig daran scheitert, im Prinzip könnt ihr jetzt schon... ahnen, was Sache im Fall ist, nach diesem Kapitel erst recht. ;] Allerdings würden dann die Beweise fehlen. So, viel mehr habe ich schon fast nicht zu diesem neuen Kapitel zu sagen, es steckt genug andere Information drinne. Aber ich melde mich am Ende nochmal kurz. In diesem Sinne bis... nachher... unten. XP LG, Diracdet _________________________________________________________________________________ Kapitel 9: Die Kellergalerie Die drei Künstler, die Detektive Kogoro und Heiji und schließlich die beiden jungen Frauen, Ran und Kazuha, beschritten in diesen Gruppen nacheinander die breite, aus dickem und trotz des Alters nicht knarrenden Eichenholz gebaute Treppe in das große Kellergewölbe, welches sich nach Aussage Yamamuras über die gesamte Grundfläche des Schlosses ausdehnte und dadurch einige riesige Räume bot. „Und was ham Se nun in so nem Riesenbunker, was Se bei ner Schlossführung unbedingt zeigen müssen?“, krächzte Heiji genervt, während er die unebenen Mauern zu seiner Seite betrachtete, die noch von Menschenhand, ohne maschinelle Präzision, auf den Erdboden aufgetragen worden sein mussten. Immer wieder klopfte er spontan gegen diese Wände, bekam aber nur das robuste, stumme Geräusch des massiven Gesteins als Antwort. Hier war zumindest ganz sicher nirgends ein versteckter Geheimgang... wohin auch, stellte Heiji ironisch fest, es war ja bereits unter der Erdoberfläche. Das spärliche Glühlampenlicht, welches offenbar noch vor dem Einzug der ersten Künstler hier installiert wurde, genügte kaum, diesen Weg auszuleuchten, und Tageslicht gehörte definitiv nicht mehr zu den Erscheinungen, die ihm hier ins Auge fielen. Nein... eigentlich fehlten nur die Fackeln, statt der Funzeln an der Decke, dann würde das wirklich wie in einem Gruselfilm von vor 50 Jahren aussehen, stellte er im Gesamtkonzept fest. Mit leicht ironischem Grinsen betrachtete er aus dem Augenwinkel seine Freundin, die deutlich bedächtiger hintenan schritt und sich ein wenig hinter Ran zu verstecken schien. „Ne Galerie.“, stöhnte Kogoro nicht weniger genervt, als die Künstler fast geheimniskrämerisch auf Heijis Antwort schwiegen. „Die lagern hier unten ein paar ältere Werke von sich, die nicht durch Herrn Kunieda irgendwo ausgestellt werden und noch nicht von ihnen selbst vernichtet wurden.“ „Jetzt haben Sie uns die Überraschung verdorben, Herr Mori!“, grinste Hino mit verstellter Stimme, als hätte ihn das gestört. Kazuha war jedoch hellhörig geworden. „Ihre alten... nicht vernichteten Werke? Hier unten?“ „Nun ja... jeder Künstler muss für seine Objekte Platz... und in der Regel auch Verwendung haben. Auf Ausstellungen zeigt man als... noch Neulinge, die wir, außer Seijiro, wohl noch sind, da häufig nur ein paar Tage oder Wochen seine Werke, dann muss man meistens den Großteil, wenn nicht alles, wieder mitnehmen und irgendwo aufbewahren... Ein kleines angemietetes Atelier wird dann schnell eng, und große Lager, wie sie Katsui zum Beispiel benötigen würde, kann man sich in so einer Position erst recht nicht leisten.“ „Ja... aber zerstören? Ich dachte, die Dinger bedeuten Ihnen was?“ Die fast freizügige Äußerung, wie die Künstler mit ihren Werken umgingen, ließen den Detektiv aus Osaka doch etwas verblüfft stehen bleiben. Herr Tomoko lächele ironisch, wenn auch von oben herab. „Dinger? Wir haben hier einen echten Experten, was? Aber wenn du schon so fragst, hm... hast du noch die Notizen, die du vor Jahren mal zu deinen Fällen machst?“ „Ne. Sollte ich?“ „Sie beschreiben deine damaligen Denkprozesse, deine Überlegungen, alles was du richtig gemacht hast, alles, was schief gelaufen ist. Es wäre doch sicher ein guter Ansatzpunkt für die heutige Arbeit als Detektiv, oder nicht?“ Plötzlich hörte Heiji hinter sich ein leichtes Kichern, erkannte die Stimmen der beiden Damen darin und blickte leicht pikiert zur Seite. „Ich hab se nich mehr, weil ich mich weiter entwickelt habe, und Sie wollen sagen, so ähnlich ist es in der Kunst.“ „Im Prinzip, in fast allen Disziplinen sogar, so weit ich weiß, da kannst du auch Schriftsteller fragen, oder Musiker. Wobei Zeit sicher nicht der zentrale Aspekt ist. Man entwickelt sich, verändert seinen Stil, bessert Fehler aus, die einem nicht auffielen... und man kann heutzutage noch böse Fehler machen, wegen der man ein Werk einfach nicht... nicht schön finden kann. Und nach diesem Kriterium sortieren Künstler öfters aus. Es ist einfach schlecht. Unsere früheren Werke stehen natürlich für so einen Punkt in unserer Entwicklung, den wir in der Regel überschritten haben. Und in vielen Fällen, sicher nicht in allen... wendet man sich dann mit Abscheu von diesen Werken ab, ist eher paralysiert vom eigenen Unvermögen, als von den damaligen Leistungen. Daher ist tendenziell immer bei den älteren Objekten diese Denkweise. Und in Anbetracht des Haltungsproblems der älteren Stücke, das Daijo erwähnte... nun ja, da sind viele, gerade junge Künstler doch recht rigoros mit ihren Werken. Klingt hart, aber so ist die Einstellung. Wir wollen den Menschen etwas zeigen, etwas, das sie fasziniert, und wenn es uns nicht fasziniert, ist es einfach auch nicht für die Augen anderer Leute bestimmt...“ Er lächelte resignierend auf, drehte sich nochmal um. „Noch viel früher war es eigentlich noch schlimmer, als man kein Geld für Leinwand hatte und Leute wie Van Gogh ihre eigenen Bilder übermalen mussten, weil sie das eine nicht verkaufen konnten und sich die Grundlagen für ein neues nicht leisten konnten. So gesehen... finde ich die heutige Zeit schon deutlich erträglicher.“ Ein Blick zu Heiji verriet dem 3D-Künstler jedoch, dass dieser sich nicht wirklich mit der Begründung zufrieden gab. „Ich will den tollen Vortrag ja nich aus den Angeln heben, aber ich hätt ihre Werke nich mit meinen Notizen verglichen. Ich mein, meine Werke... sind doch meine Fallaufklärungen, und meine Notizen sind... naja, wie ihr Skizzenblock, oder nicht?“ Der große Mann schmunzelte fast etwas beleidigt. „Ach... und kannst du deine Fälle zerstören, nachdem du sie offiziell abgeschlossen hast?“ „... Nein, aber...“ „Was ist dann für dich ein schlechter Fall?“ „Wenn ich ihn nicht lösen kann.“ „Dann ist er nicht abgeschlossen. Aber dann ist der Fall doch auch nicht vorbei oder? Wir sind zwar nie wirklich fertig mit unseren Werken, aber beschließen irgendwann, dass sie nicht mehr besser werden, wenn wir etwas zu verbessern suchen. Manche Informationen zu einem Fall können vielleicht nie ans Licht kommen, bleiben in der Waage des Zweifels stehen, ohne dass es der Quintessenz schadet. Ich meine nur... der Vergleich sollte einen Ansatzpunkt bieten, um zu verstehen, warum wir tun, was wir tun. Ein Vergleich funktioniert nur so lange, wie man sich auf den Aspekt beschränkt, den man vergleichen will, danach ist es eher Zufall.“ Heiji nickte angestrengt, ging dann nachdenklich weiter, als er unsanft in seinen Gedanken unterbrochen wurde. „Aber ich meinte was ganz anderes...“, setzte Kazuha noch einmal energisch an, „…nämlich, dass hier unten doch gar nicht die Bedingungen herrschen, um Kunstwerke länger zu lagern. Die bedürfen doch besonderer klimatischer Bedingungen, soweit ich weiß.“ Die drei Künstler sahen sich verwundert an und auch Ran und ihr Vater waren erstaunt. Schließlich drehte sich Yamamura lächelnd um. „Respekt, junge Dame, du scheinst dich mit so was ja richtig auszukennen. Wie war noch gleich der Name?“ „Äh... Kazuha... Kazuha Toyama.“, stellte sie sich etwas schüchtern mit leichtem Verbeugen vor. „Mhm... Kazuha, wirklich ein schöner Name. Um auf deine Frage zurück zu kommen, ja, das ginge hier wirklich nicht, die Bilder, sowohl meine als auch Daijos, aber wohl auch einige von Katsuis Werken würden unter diesen Bedingungen ganz schön leiden. Herr Kunieda hat, bereits bevor ich den ersten Fuß hier rein setzte in dieses Schloss, unten spezielle Räume anfertigen lassen, die gesichert sind und optimale Lagerungsbedingungen schaffen.“ „Aber... warum... ist es dann hier noch so... 'rustikal'?“ Ein Schmunzeln glitt dem Maler über die Lippen, verbreitete sich dann auch bei seinen Kollegen. „Einfach gesagt... Diebstahlschutz.“ „Diebstahl... Schutz?“ „Dieses Schloss liegt einsam im Wald und ist als Bauwerk nun weniger eine Festung gegen moderne Einbrecher als gegen mittelalterliche Truppen. Aber wer hierhin zum Stehlen kommt, ist auf Kunstobjekte aus, was anderes wertvolles gibt’s hier ja nicht. Und so jemand wird, genau wie du gerade eben, erkennen, dass angesichts solch einer Klimatisierung da unten kein Künstler freiwillig Werke lagern würde. Sozusagen umgekehrte Psychologie!“ „Klingt ja mächtig genial...“, kam es mit tiefem Sarkasmus von Heiji. „Und wenn wer kommt, der mal keine solche Ahnung von Kunst hat?“ Alle drei zogen von sich aus ein Band vom Hals, an dem eine kleine Karte, ein elektronischer Schlüssel hing. „Dieser jemand müsste dann zum Einen von dem Schloss wissen, also dass es hier Kunstobjekte gibt, zum Zweiten dann eben herkommen, hier runter gehen, sich nicht vom Licht hier oben abhalten lassen – aus Unwissenheit, soweit ich deine Aussage interpretiere – und zum Dritten dennoch begabt genug sein, eine hermetisch dichte Tür zu öffnen... diesen Dieb müsste ich erst kennen lernen.“ Yamamura drehte sich wieder um, als Heiji schweigend nickte und sich abwandte. Diese Künstler fingen an, ihn zu nerven. Endlich hatten sie den Boden des Kellers erreicht, waren sicher an die sechs oder sieben Meter unter die Erdoberfläche gestiegen. Eine große Halle baute sich um sie herum auf, deren Enden kaum noch von den kleinen Lichtern erhellt werden konnten. Als Heiji den ersten Schritt von der Treppe auf den Boden machte, fühlte er etwas ungewöhnlich weiches, unebenes unter den Füßen. Das immer noch spärliche Licht hatte seinen Sichtfähigkeit immer noch beeinträchtigt, so dass er erst beim zweiten Blick den Teppich bemerkte, der wie ein großer Türvorleger direkt vor der Treppe sich aufbaute. Zwei Meter breit, mit jeweils noch etwa anderthalb Meter Platz zu beiden Seiten und wohl an die sieben Meter Länge. Darauf schien ein farbiges Motiv zu sein, welches aber sowohl durch mangelndes Licht, als auch die sichtbare Wirkung der Zeit, die dem alten Stück zusetzte, zu verblasst war, es zu erkennen. „War der schon da, als Sie hier ankamen?“ Herr Tomoko nickte schwach. „Ja, das ist ein Erbstück noch von den Kuniedas, er meinte mal was von wegen 18. Jahrhundert, aus Indien importiert damals. Er wollte, dass er hier bleibt, andererseits war es ihm relativ egal, was daraus wird und so schön ist er nun auch nicht mehr. Daher bleibt er hier unten als Auslegware, so hat man es uns zumindest damals gesagt, als wir hier ankamen. Und seitdem hat sich nie etwas verändert.“ „Merkwürdig is es aber schon, wenn ihm der Teppich zum Einen so viel bedeutet, zum Anderen hier unten aber vermodert, oder?“ Der Künstler schüttelte etwas skeptisch den Kopf, lächelte betrübt. „Wenn du mich fragst, er bedeutet Herrn Kunieda nichts.“ „Hm?“ „Wir haben alle ja mal den alten Herrn getroffen, als er uns... entdeckt hat, bei den kleinen Ausstellungen der Akademien, an denen wir studierten, wenigstens da. Wenn ich mal so frei heraus spreche... er betrachtet die ganze Geschichte mit den Künstlern hier auf diesem Schloss als einen gemeinnützigen Akt, der für ihn fast nur Bürokratie ist, ein paar Formulare mehr auf seinem Schreibtisch und ein paar Besuche von Ausstellungen jedes Jahr, die ihm ein paar neue Kunstobjekte einbringen. Ich habe ihn noch nie auf diesem Schloss gesehen, die Anderen auch nicht. Im Prinzip ist ihm auch der Teppich wohl egal und er meinte damals nur, man könne machen was man wolle. Für uns hat er aber einen praktischen Nutzen. Hier unten kommen öfters neue Werke hin, es herrscht viel Verkehr, ab und zu muss auch ein Bild, oder eine Plastik heraus transportiert werden, dann packen mehrere an. In den eigentlichen Lagern sollte aber nicht so viel Dreck hinein kommen, da ist so ein großer Vorleger schon ganz nett.“ Der scheinbare Saal entpuppte sich eher wie ein einzelner Gang, auf dessen beiden Seiten je eine große Metalltür mit Sicherheitsschloss war. Diese ließen sich offenbar nur mit den Karten öffnen, die die Künstler soeben vorgezeigt hatten. „Links die Bilder, sowohl meine aus Öl, als auch die Photographien von Daijo, rechts die Statuen und Plastiken von Katsui. Alles natürlich gemäß den besten Lagerungsbedingen.“ Mit diesen Worten schob Herr Yamamura seine Karte durch die Türverriegelung, die daraufhin unter lautem Geräusch sich öffnete, einen leichten Luftzug produzierte. Als die große Tür dann zur Seite die Sicht frei gab, erkannten die Anderen mit einem Mal die riesige Halle, die sich dahinter unter leicht stärker werdendem Licht auftat. Zur linken Seite hingen eine ganze Reihe entlang die Gemälde aufgebahrt, alle leicht nach vorne geklappt, versehen mit kleinen Leuchten, die jedes Bild einzeln mit sanftem, weißen Licht bestrahlten. Auf der Anderen Seite, unter Glas und mit schwachem Rot zunächst nur von unten beleuchtet, die Photographien, ebenfalls aufgereiht. Von oben kam kein weiteres Licht, nur das gedämpfte Rauschen einer Belüftungsanlage, die die Atmosphäre im Raum regelte. „17° Celsius konstante Temperatur, und ziemlich genau 40% Luftfeuchte, das ist für Gemälde eine ideale Bedingung. Zur besseren Zirkulation der Luft um die Bilder werden sie, genau wie eigentlich auch in Ausstellungen, schräg angehängt, leicht nach unten zeigend. Die Luft wird oben noch gefiltert, um einigermaßen staubfrei zu sein, das ist ebenso wichtig. Dazu kein direktes Sonnenlicht, sondern nur künstliches aus LEDs. Dunkel können wir den Raum auch nicht lassen, da Ölgemälde von alleine auch dunkler werden und das umso schneller und intensiver, je dunkler sie gelagert werden. Deshalb brennen die Lampen durchgehend, was die länger als Glühlampen haltenden LEDs sinnvoll macht. Außerdem lässt sich deren Lichtemission ja wunderbar regeln.“ „Das klingt jetzt mehr wie ein Physikvortrag, als nach Kunst!“, mokierte sich Kazuha etwas. „Ist es auch...“, stellte Yamamura schmunzelnd fest. „Die Lagerung von Kunst hat weniger was mit Kunst zu tun, als mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über die Kunstmaterialien, wie Farben, Leinwände, Fotopapier, Metalle... eben alles, was irgendwie mal als Kunstwerk herhalten soll. Ich hab mal nen ehemaligen Mitschüler, der so was studierte, danach gefragt, weil wir quasi nur daneben stehen, wenn hier ein Ingenieur was erneuert, und ich geb zu, es klang alles hoch interessant.“ Er durchschritt etwa zehn Meter, an fünf kunstvoll eingerahmten Bildern vorbei, blieb vor dem sechsten stehen, wartete bis die Anderen sich drum herum aufstellten, drehte dann an einem Regler davor die weiße Lampe höher, so dass man das Bild sowie das Umfeld genauer betrachten konnte. In einem großen Kasten vor dem Bild befanden sich insgesamt fünf Lampen, außen zwei LEDs, die ein weißes Licht abgaben, dazwischen, drei weitere die nicht angeschaltet waren, aber einzelne Regler besaßen, welche mit farbigen Knöpfen, einer rot, einer blau, einer grün, besetzt waren. „Es ist so, dass 'weiß', im physikalischen Sinne bedeutet...“, begann der Maler langsam, während er das Licht hoch drehte, „...dass alle Frequenzen des Lichtes im sichtbaren Spektrum, also von etwa 400 bis etwa 800 Nanometer, gleich intensiv sind. Da Farbe eine subjektive Interpretation des Auges ist, muss es so gesagt werden. Denn das Auge selbst nimmt die Farben nicht gleich intensiv wahr. Es ist durch die Evolution auf das Sonnenlicht geeicht, welches seine höchste Intensität bei etwa 500 Nanometern hat. Dem klassischen Gelb eben.“ Alle nickten bestimmt. „Das bedeutet, das Auge filtert das Licht, reskaliert die Intensitäten und man sieht verschiedene Farben gleicher Intensität scheinbar ganz unterschiedlich hell. Weißes Licht, wie wir es empfinden, wie es auch auf den Bildern weiß aussieht, enthält folglich real einen geringeren Anteil gelbes, als blaues und rotes Licht. LEDs können ein Spektrum mit genau solchen Bedingungen, einem Minimum der Intensität bei dieser Frequenz und einem Maximum bei rot und blau emittieren. Und je nachdem, ob das blaue oder das rote Maximum dominant dabei ist, empfindet man das Licht als warmes oder kaltes Weiß. Deswegen ja auch kaltweiß- und warmweiß-LEDs, die hier links und rechts jeweils vorliegen.“ „Und die farbigen in der Mitte?“ „Um noch die einzelnen Farbkomponenten zu verstärken. Yves Klein zum Beispiel hat ja fast alle Bilder nur in blau-Tönen gemalt, da ist weiß etwas störend als Beleuchtung. Das heißt zusammen mit allen diesen Lampen kann jedes Bild individuell beleuchtet werden, wie es am besten nicht nur von der Farbgebung wäre, sondern auch, wie es am besten dauerhaft lagert.“ Kogoro starrte das langsam aus dem Halbdunkel des schwachen Lichtes hervortretende Gemälde verwundert an. „Das Bild haben Sie uns gestern aber nicht gezeigt, oder?“ Yamamura blickte, in Erinnerung schwelgend, hinauf, schien sich in Gedanken treiben zu lassen. „Stimmt... normalerweise ist es mir auch relativ egal, welches Bild ich zeige, das diente gestern nur zur Vorstellung..., und dieses Bild hier mag ich gar nicht mehr so sehr... aber es ist bedeutsam für mich... und weil wir eine offenbar Kunstinteressierte unter unseren Gästen haben... wollte ich es ihr gerne mal zeigen.“ Er lächelte Kazuha kurz von der Seite an, die daraufhin etwas verwirrt näher trat und das Motiv des Bildes genauer musterte. Abgebildet war ein Mann beim Essenstisch... einem modernen westlichen Frühstückstisch. Einem Tisch aus Weißbrot, wie es aussah, darauf ein Teller aus getoastetem Brot. Daneben eine Kaffeetasse, ebenfalls aus Toastbrot, gefüllt mit kleinen weißen Kaffeekannen. Im Hintergrund ein Toaster, bestehend aus Toastbrot, aus dem kleine Toaster sprangen. Der Mann aß scheinbar ein Holzbrett, das eigentlich eher als Untersetzer hätte dienen können. Aber jedes Detail war unglaublich genau gemalt, vielleicht noch mit winzigen Verunreinigungen, unscharfen Kanten, die glatter sein könnten, aber eigentlich schon realistisch... im Sinne des Motivs surrealistisch schon. Unter dem Bild war ein kleine, goldene Plakette in der Wand eingebracht, die den Titel wiedergab. „Frühstück bei Ogawa...“, las die Osakerin laut und die Stirn runzelnd. „Ogawa...?“ Der Name schien alle zu verwirren, bis ihr selbst ein Licht aufging. „Etwa Tadahiko Ogawa? Der Mann, der Kunstwerke in Toastscheiben darstellte?“ Man sah den Künstlern an, wie ihnen der Mund offen stand, mehr noch jedoch allen Anderen. „Wow... ich bin wirklich beeindruckt. Ja, genau der ist gemeint... ich hab ihn da... wohl ein wenig parodiert, in dem ich seinen Frühstückstisch darstellte.“ „Aber...“, begann Ran zögerlich, „...ist das denn so was besonderes, einen anderen Künstler... naja darzustellen, so? Und wieso bedeutet Ihnen das Bild so viel?“ „Nun... Kunst ist immer eine Betrachtung der Dinge durch das Auge des Künstlers, der das Werk erschuf. Und umgekehrt ist es damit ein Einblick in seine Seele... es ist eine Art, den Künstler zu erkennen, zu verstehen. Und scheinbar habe ich das ganz gut hier verarbeitet. Dass er umgekehrt denkt. Dass Herr Ogawa – ich bin ihm bereits begegnet, und ihm hat das Bild durchaus gefallen – sich wohl an so einem Tisch seiner Lieblingsmahlzeit, dem Toastbrot widmete, die unterschiedlichen Färbungen durch die Bräunungsstufen erkannte... und dann das Potential, alles in Toast zu verwandeln... und damit Essen und Gebrauchsgegenstand sozusagen austauschte. Diese Interpretation des Bildes... hat mich auf dieses Schloss gebracht. Herr Kunieda war von diesem Bild doch sehr angetan, von meinem Vermögen, zu analysieren und, wie er sagte, zu interpretieren. Daher schlug er mir vor, zu versuchen, Bücher, Musikstücke, und nicht zuletzt Personen, zu interpretieren und diese Interpretationen auf Leinwand zu bannen. Deswegen bedeutet es mir so viel, Ran...“ Immer noch blickte er verträumt das alte Bild an, regelte unmerklich die LED etwas dunkler, so dass die Schattierungen stärker zu Tage traten, das Motiv langsam abdunkelte. Leise murmelte er vor sich hin. „Die Erinnerung an das, was mal war... sollte niemals verblassen... deshalb... halte ich dieses Bild in Ehren...“ Mit dem letzten Ton wurde er immer leiser, dann senkte sich das Licht so weit, dass das Gemälde nur noch schwach beleuchtet kaum zu erkennen war. Lichter der benachbarten Bilder wirkten nun indirekt als Lichtquelle, interferierten zu einem eigenen sich an den Kanten der verzierten Rahmens brechenden Muster, so dass vorm Frühstückstisch von Tadahiko Ogawa dieses Gittermuster das Bild fast übertönte. Ein tiefes Raunen ging durch den Raum, als Yamamura einmal einatmete, dann aufseufzte und sich wieder an die übrigen Anwesenden wandte „Nun ja. Im Wesentlichen, wenn unsere Gäste nicht Künstler sind, zeigen wir den Raum nur kurz, damit man sieht, wo unsere Sachen lagern. Aber wenn dieser Fall hoffentlich bald abgeschlossen ist, möchte Fräulein Toyama vielleicht...“ „Ne, danke. Vorläufig möcht se nich sich die alten Werke angucken. Wie Se schon sagten, der Fall geht erstmal vor.“ Damit und mit einem leicht pikierten Blick würgte Heiji den Vorschlag des Künstlers unsanft ab. Kazuha zuckte leicht errötet zusammen, während Yamamura erst verwundert zwischen den beiden Oberschülern hin und her blickte, dann aber wieder lächelnd die Arme abwehrend hob. „Natürlich. Ich hab nichts gesagt.“ Heijis Blick fiel auf den Fotografen, der aus seiner Position genau vor den rot gefärbten Fotos stand. „Sagen Sie, Herr Hino, Ihr Kollege hat die Sache mit den unterschiedlich gefärbten LEDs erklärt, gibt’s da auch so einen Aspekt wegen dem Rotlicht bei den Fotos?“ Der Angesprochene wandte sich ab, ging langsam auf die Realbilder vor sich zu, sprach dabei etwas lauter, ohne sich zu den Anderen umzudrehen. „Gewissermaßen aus dem gleichen Grund wie bei Seijiros Bildern. Sie sollen so gelagert werden, dass ihnen möglichst nichts passiert. Die Fotos werden immer noch mit einfachen Analog-Kameras mit Film gemacht, weshalb die Entstehung des Bildes auf chemischen Prozessen beruht.“ „Was denn, Sie nehmen keine Digitalkamera? Das ginge doch viel einfacher?“ Nun schien doch etwas Interesse von seiner Freundin auf Heiji abgefärbt zu haben, nicht zuletzt wegen der ungewöhnlichen, aber offenbar naturwissenschaftlich begründeten Lagerungsvorkehrungen hier unten. „Nein, das ist... in der Kunst eher unerwünscht. Digitalkameras erzeugen Bilder für den Computer und an so einem kann man ohne weiteres diese Bilder perfekt manipulieren, Menschen rausschneiden oder einfügen, Lichtverhältnisse variieren, neue Lichtquellen addieren... der ganze Firlefanz. Aber in meinen Kreisen wird das als Betrug gewertet. Die Kunst hierbei ist die Momentaufnahme der Realität, der Augenblick, der, festgehalten, das Besondere am Leben in irgendeiner Form hervorbringt. Ähm...“ Er merkte, wie die Leute um ihn ihn etwas skeptisch anstarrten, bis er selbst verlegen lachen musste. „Naja, vielleicht nicht ganz so pathetisch... Ich meine nur, Digitalbilder werden als zu leicht beeinflussbar angesehen und bei Ausstellungen meistens nicht berücksichtigt. Man ist auf die altmodische Variante angewiesen und die, wie gesagt, basiert auf chemischen Prozessen auf dem Film, wie auch dem Fotopapier danach. Deshalb bleichen die Bilder auch bei weiterer Sonneneinstrahlung nach und nach, sie werden überbelichtet, während sie bei Unterbelichtung abdunkeln. Daher sollte hier ein schwaches und vor allem nicht sehr energiereiches Licht zur Beleuchtung verwendet werden. Und rot ist der energieärmste Teil des sichtbaren Lichtes, und vor allem aus der Erfahrung in der Bildherstellung bekannt. Das Glas absorbiert zusätzlich das energiereiche UV-Licht, welches in geringen Mengen von den kaltweiß-LEDs vor Seijiros Bildern emittiert wird. Außerdem schützt es natürlich vor Knittern und äußeren Einflüssen im Allgemeinen. Allerdings...“ Vor dem einen Bild angekommen, drehte er an der roten Lampe, dass diese zurück fuhr. Man erkannte im Halbschatten, dass hier die gleichen Lampen wie bei den Ölgemälden angebaut waren, als Hino die eine weiße Lampe verstärkte. „... sollte man, wenn man sich ein Bild ansieht, ruhig für den Moment wieder ordentliches Licht nehmen.“ „Sagen Sie...“, begann Heiji, ohne das Bild überhaupt zu betrachten, „Sie haben gerade von Betrug, Bildermanipulation gesprochen...“ Hino zuckte kurz zusammen, er ahnte genau, was kam, drehte sich nicht um, um seine Gesichtszüge zu verbergen. „Man hat mir von nem Bild von Ihnen von vor gut nem Jahr erzählt... steht das zufällig auch hier? Ich würds nämlich gerne mal sehen.“ Die beiden anderen Künstler musterten den Detektiv aus Osaka grimmig. Sie wussten genau, wie ihr Kollege und Freund auf dieses Thema reagierte und ihre Blicke ließen Heiji zurück rudern. „Ah... schon gut, klar, so ein Bild haben Se vermutlich längst verbrannt, also Entschuldigung wegen der unglücklichen Frage!“ „Nicht doch...“, konterte Hino, wandte sich, laut atmend um zum Kriminologen. Er kannte ja Heiji Hattori aus den Nachrichten sehr gut. Er wusste, dass dieser durchaus interessiert war und vielleicht... 'Vielleicht habe ich ja doch noch eine Chance...' „Es ist hier..., gleich ein Stück weiter. W-Wenn du es sehen willst.“ Er drehte das Licht wieder etwas herunter, ging, fast ein wenig nervös, ein paar Bilder weiter nach hinten, blieb stehen... wirkte zittrig, als er die kaltweiße LED an diesem Bild aufdrehte. Deutlich trat nun das Bild eines Baumstumpfes im Wald hervor, direkt neben einem Fluss, der im Vordergrund entlang dahin plätscherte. Und zwischen dem Baum, der wie ein künstlicher Hintergrund wirkte, das eigentliche Motiv. Der tote, oder sterbende Fisch, neben einer gerade aufblühenden Winteraster. „'Am Fluss der Zeit', so heißt das... „berühmte“ Bild...“ Resigniert seufzte der Fotograf vor sich hin, beobachtete die Reaktion Heijis auf das Werk, das ihm so viel Ärger bereitet hat. Diese fiel aber eher nüchtern aus. „Wegen so nem Bild macht man so viel Auflesen? Gut... der Fisch ist eben einen unnatürlichen Tod gestorben. Das ging nicht, also haben Se, laut Vermutung der Kritiker das Bild gestellt. Schön wirkts doch trotzdem, auch vom Motiv her oder nicht?“ Wütend fuhr Herr Hino herum, sah mit wild funkelnden Augen den Detektiv an. „Ich hab es aber nicht gestellt, verdammt!“ Er musste sich sammeln, hielt sich mit der linken Hand die Stirn, atmete laut ein und aus, bevor er wieder ansetzte. „Entschuldigung. Wie ich sagte, es geht um den Moment in der Realität, der festgehalten wird. Man kann vieles konstruieren, aber das macht nicht das Wesen hier aus, zumindest nicht für mich... Dieser Moment war so faszinierend für mich, ich erinnere mich genau, wie ich es beim Wandern entlang des Flusses bemerkte und dieses mulmige Gefühl bekam, als würde der Tod irgendwo im Hintergrund lauern, auf den Fisch warten, bis er seinen letzten Atemzug tat, sein Licht verlosch, während das Licht der Aster sich erst entzündete. Als ich damit konfrontiert wurde, es wäre getürkt... damals ist für mich eine kleine Welt zusammen gebrochen. Es war nicht real... wie konnte das sein, ich habe es doch gesehen?“ „Wissen Sie'n mittlerweile, was mit dem Fisch passiert ist?“ „Tse... nicht im Geringsten, vermutlich kam ein Tier und hat ihn gegessen... jedenfalls war er nicht mehr da. Aber wie er überhaupt dahin kam... Ich war zwischenzeitig so weit, zu glauben, einer meiner Kollegen hätte mir einen Streich gespielt...“ Er sah sie im Blickwinkel an, Herr Yamamura und Herr Tomoko wackelten nur verständnisvoll aber ablehnend mit dem Kopf. „Also beharren Sie drauf, dass es den Fisch gab, ohne Ihr Zutun?“, unterbrach Heiji seine Gedanken. Daijo Hino sah ihn von unten herab an, wirkte wie ein gebrochener Mann. „Ich habe aufgegeben, diese Frage für mich zu stellen. Das Bild beweist, er war da, und ich erinnere mich nicht, einen vergifteten Fisch gekauft zu haben. Das Bild hat meinen Ruf fast ruiniert... ich habe mit dem Nachdenken darüber aufgehört.“ „Wenn... wenn es Sie so sehr verstört... warum hängt es dann noch hier?“ Kazuha beugte sich nur langsam nach vorne, kam der Glasscheibe so nahe, dass ihr Atem schon erste Verdunstungsflecken bewirkte, bevor sie den Kopf zum Künstler drehte. „Weil ich... ich sagte, ich habe aufgehört drüber nachzudenken. Das liegt daran, dass ich für mich einen Konsens gefunden habe. Damals sah ich einen sterbenden Fisch am Ufer... er war nicht alt oder so und die Vergiftung konnte ich als Laie eh nicht erkennen... Also dachte ich, er würde einfach gerade ersticken an Land. Der Fluss liegt Zentimeter davor... aber ich hab ihn sterben lassen, ihn lieber fotografiert wie ein verrückter Paparazzi einen Star nach einem Unfall. Für so ein Bild berühmt zu werden, weil ein Leben stirbt, das ich hätte retten können, das wäre einfach unfair gewesen. Ich glaube... eine höhere Macht, was auch immer Sie darunter sehen wollen, hat mir so zu denken gegeben... Aus dem Grund behalte ich das Bild, es erinnert mich an diesen Fehler in meinem Leben...“ Die Anderen traten langsam wieder den Weg zur Stahltür aus der kühlen Galerie an, als Herr Hino von Heiji nochmal aufgehalten wurde. Er zog ihn am Arm etwas zur Seite, so dass die Übrigen ihn nicht hörten. „Warum sollte sich jemand die Mühe machen, den Fisch zu vergiften und dann dahin zu legen, nur um Ihnen nen Streich zu spielen, das ginge doch einfacher, mit einem Schnitt oder so. Außerdem ist es relativ schwierig, den Fisch im Timing so zu platzieren, dass Sie ihn finden und zusehen können, wie er verendet, ohne jemanden zu sehen, der ihn dahin gelegt hat.“ „Glaubst du, das wüsste ich nicht? Deshalb sag ich ja, vielleicht war es eher ein Zeichen von oben.“ „Sie haben echt nichts an dem Bild gedreht?“ Herr Hino wirkte allmählich pikiert, sah dem Detektiv tief in die Augen. Schließlich seufzte er. „Heiji Hattori. Du... musst mir nicht glauben. Ich habe meinen Frieden mit dem Fisch geschlossen und aufgehört, andere Leute von der Originalität des Fotos überzeugen zu wollen. Aber...“ Er sah auch auf einmal das Leuchten in Heijis Augen, er nahm ihn wohl ernst... „Wenn du ernsthafte Ermittlungen anstellen willst, empfehle ich dir als Startpunkt, was mein Freund, der Mathe studiert hat, sagte. Gehe vom Unwahrscheinlicheren aus und versuche, es zu widerlegen. Angenommen, der Fisch war wirklich da, ohne mein Zutun...“ Damit löste er sich vom jungen Osaker, und folgte den Anderen hinaus und dann in den zweiten Raum, der die Plastiken beinhaltete. Dieser Saal war nun auch von oben beleuchtet, durch große Deckenfluter, die aber wiederum so schwach eingestellt waren, dass man sich auf die einzelnen Leuchten, die vom Boden aus die Objekte anstrahlten, welche fast willkürlich im Raum verteilt standen, verlassen musste. Hier wirkte es wirklich wie auf einer Ausstellung, durch die man von Skulptur zu Skulptur, Plastik zu Plastik, wandern und sich weiter umsehen konnte. Kazuha befiel ein unglaubliches Freudegefühl, dies miterleben zu können und noch dazu kostenlos. „Haben Sie alle diese Werke selbst gemacht, Herr Tomoko? Keine mehr von früheren Künstlern des Hauses…?“ Der große Mann lächelte verlegen wie ein kleines Kind. „Nein, meine Liebe, nur meine. Ich war wohl was die Quantität meiner Werke angeht... nie ganz bescheiden. Haha...“ Bereits beim Betreten war der aromatische Duft in die Nasen der Gäste gestiegen, Gewürze in sehr gesättigter Form erfüllten den Raum. Unwillkürlich glitten Heijis Gedanken an eine Sauna. „Sagen Sie, was hat es mit den Gerüchen auf sich hier drinne?“ „Luftfeuchtigkeit, Herr Detektiv, oder besser... keine Luftfeuchtigkeit. Die Ölgemälde und Fotos brauchen viel frische Luft mit 40% Luftfeuchtigkeit, die Metallobjekte hier aber sind mit möglichst wenig Luftfeuchte am besten bedient, um nicht zu schnell zu korrodieren. Aber eine praktisch trockene Luft ist kein sehr angenehmer Duft, sie wird zu schnell von allen möglichen Gerüchen versetzt, die sonst durch den Wassergehalt verdünnt werden. Daher der Duftspender, der mit der Klimaanlage hier hinein geblasen wird. Wie Seijiro vorhin meinte, diese Räume bieten ideale Bedingungen, um Kunstobjekte zu lagern.“ Er wanderte etwas herum durch den Raum, ohne groß irgendwo stehen zu bleiben. Für ihn hatte diese Besichtigung eh einen eher Zeit verschwendenden Charakter, aber wenn sich seine beiden Kollegen mit ihren Werken so präsentieren konnten, durfte er ja auch nicht still bleiben. Heiji schien gespannt mit jeder Faser die einzelnen Stücke nach Auffälligkeiten zu mustern, was sich als relativ unergiebig herausstellte. Irgendwie waren alle Kunstwerke ja was Besonderes, was auffälliges, so was wie 'normal' gabs da wohl gar nicht... Ein Grund mehr, warum er eine gewisse Antipathie zu diesem Zweig der gesellschaftlichen Aktivitäten begann aufzubauen... 'Künstler... tse. Aber... Moment mal...' Wie wild huschten seine Augen mit einem Mal durch den Saal suchten alles ab, aber erfolglos. „Herr Tomoko? Sagen Sie, Sie haben hier viele verrückte... äh schöne Dinge aus allen möglichen Materialien...“ Seine Hand schweifte zum Schein von einer kleinen Bronzebüste eines ehemaligen japanischen Kaisers, über deren Ebenbild aus reinem Kupfer... über eine Art Tisch, auf dem ein Dutzend identischer, aber aus verschiedenen Holzarten bestehender, auffallend filigraner Bäume, etwa 20 Zentimeter groß, aufgereiht standen, weiter zu verschiedenfarbigen Gläsern, die speziell geschnitten wurden zu Blumenblüten, die die entsprechenden Farbe der Blüten in der Realität trugen. „Aber ich sehe nirgends hier eines der bekanntesten Materialien für Plastiken nach meinem Wissen. Marmor.“ „Stimmt, hier ist nirgendwo eine Marmorskulptur.“, stellte auch Kazuha, die sich begeistert mit Ran von einem Werk zum nächsten bewegte und dieses bestaunte. Ran musste unwillkürlich lächeln bei der Frage. Wohlwissend, dass sie gestern auch schon kam. Und zwar von Conan. 'Heiji und er sind sich wirklich zu ähnlich!' „Nun ja...“, gab auch Herr Tomoko schmunzelnd zu, schloss kurz die Augen, „...wie es Herr Mori und seine Tochter schon wissen, ich habe Marmor bis vor kurzem nicht als Bearbeitungsstoff gewählt... im Wesentlichen, weil ich es als recht teuer empfand, selbst einige gute Metalle kriegt man billiger als teuren Marmor. Aber dank Atsushiro habe ich jetzt einen Block Marmor in meiner Werkstatt oben, den können wir uns nachher mal ansehen.“ „Apropos, Herr Tashija...“, konterte Heiji aus dem Nichts, und lenkte alle Gedanken auf den Fall zurück. Er merkte, wie alle drei Künstler ihn mit einem Mal verunsichert anstarrten. „Wenn ich das richtig sehe, ist hier unten also kein einziges Werk vom verschwundenen, oder? Warum nicht?“ 'Du Volldepp!', ging es seiner Freundin unwillkürlich durch den Kopf, woraufhin sie augenblicklich an Rans Arm zerrte, und sie weiter nach hinten schleppte. Im Moment wollte sie sich nur den Kunstwerken widmen. „Hat man es dir nicht gesagt?“, wunderte sich Herr Tomoko, blickte fragend zu Kogoro, der nur lässig mit den Schultern zuckte. „Nun... wie es Atsushiro selbst wohl formuliert hätte...“, sinnierte der Maler von der Seite, betrachtete die Decke des Saals mit den Lichtkegeln der Lampen, räusperte sich kurz. „'Meine Werke kann man nicht in einen Raum einsperren. Meine Kunst ist die Natur, und die ist stets draußen.' Oder so ähnlich.“ Er lachte sich halb schief über seine Nachahmung, erntete sogar leichten Beifall seiner Kollegen für die Darbietung. „Sie scheinen ja ihn eher ironisch belächelt zu haben, was?“ „Verzeihung, ich wollte nicht unhöflich klingen, aber manchmal wirkte er einfach auch ziemlich überzeugt von sich. Aber es ist so, dass seine Werke, wenn überhaupt, auf Fotos dargestellt, in Ausstellungen angedeutet werden. Eigentlich kann man sie nur in der freien Natur wirklich... erfahren. Er hat oben ein paar solche Bilder, das sind... sozusagen seine Skizzen. Wir können uns das nachher ja mal ansehen.“ „Oh, was ist das denn?“, schrie Kazuha förmlich aus und auch Ran schien über den Fund in dieser hinteren Ecke des Saals, der ihr gestern gar nicht aufgefallen war, sehr überrascht. Die beiden, zu denen die Anderen nun auch aufschlossen, lagerten sich um ein Standbein, auf dem sich eine große, kugelförmige, durchsichtige Schüssel, eine Art Aquarium, befand. Diese war in der Mitte von oben nach unten in zwei gleiche Hälften geteilt. Die aus der Sicht der Oberschülerinnen linke Hälfte war eine eigene hohle Glasschüssel, gefüllt mit einer leicht grünlich wirkenden, öligen Substanz, und darin die Figur eines jungen Mädchens, zu erkennen am Rock, welches seine Hände an die innere Wand drückte. Die Struktur war die eines Festkörpers, weiß, leicht glänzend, aber ohne weitere Färbung. Die rechte Hälfte war eine massive Glasschüssel, in deren Inneren ein kleines Männchen, gelblich grün, scheinbar aus einer gasförmigen Substanz, die im Glas gefangen war, stand. Auch er richtete seine Hände auf die Innenwand, so dass es wirkte, als würden sich Mann und Frau, nur durch die Glaswände getrennt, gespannt beobachten, versuchen sich zu erreichen. 'Getrennt... obwohl sie sich klar sehen können..., durch eine unüberwindliche Hürde.' Ran musste augenblicklich an Conan denken, trat einen Schritt zurück, als wolle sie die Anderen vorlassen, eigentlich aber sollte sie selbst nur nicht angesehen werden für einen Moment. „Das ist Kochsalz.“ „Was? Wie, Kochsalz?“ „Natrium-Chlorid, Natrium und Chlor. Beides hochreaktive Stoffe, die fast unzertrennlich sind, wenn sie erst einmal zusammen kommen. Natrium ist als Metall selbst an normaler Luft zu reaktiv, um glänzend zu bleiben, weshalb es in diesem Öl normalerweise aufbewahrt wird. Aber da es auch relativ weich ist, konnte ich es mit Handschuhen und einem Messer innerhalb der Flüssigkeit bearbeiten und in Form bringen, bevor die Glaskugel von oben versiegelt wurde. In der anderen Hälfte ist Chlorgas, das ja von sich aus so grünlich gefärbt ist. Diese Hälfte war selbst mal zweigeteilt, dann von innen die beiden Seiten des Mannes ausgefräst, das Gas in einer Chlorgas-Glocke eingefügt und die Teile versiegelt. Natrium und Chlor... nicht vereinigt, aber eben kurz davor...“ „Und doch für immer getrennt...“, flüsterte Ran mit einem leichten Brennen in den Augen. „Das Motiv ist doch eigentlich zutiefst traurig, oder nicht, Herr Tomoko?“ So recht konnte der groß gewachsene Mann nichts auf die plötzlich einsetzende Trauer der Oberschülerin antworten. Hatte sie nicht erwartet, dass er so gefühlsbezogene Sachen machen könnte, weil er eher wie ein grober Klotz wirkte? Oder hatte sie gerade selber Probleme in einer Beziehung...? Letzteres schien ihm deutlich wahrscheinlicher, aber dann hatte er noch weniger eine Ahnung, was man sagen könnte in so einem Fall. Er ging auf das Mädchen zu, wollte ihr in die Augen sehen, aber sie wandte den Kopf zur Seite. „Ran... dieses Objekt deutet auf molekularer Ebene keinen Dauerzustand an, sondern eher eine Momentaufnahme. Niemand kann dauerhaft Natrium und Chlor voneinander trennen, wenn sie direkt nebeneinander sich befinden, das ist einfach unmöglich. Letztlich... wird auch dieses Glas es nicht verhindern können, denn die Chlormoleküle diffundieren nach und nach hindurch.“ Sie sah verwundert auf, lächelte dann kurz, um das Gespräch nicht unnötig weiter zu führen und drehte sich um. 'Letztlich... kann niemand aufhalten, was von beiden Seiten mit aller Macht gewollt ist... Hatte Mamoru damals nicht etwas Ähnliches gesagt?' Gerade hatte die Gruppe den Saal verlassen und wieder abgeschlossen, war bis kurz vor die Treppe gekommen, als Heiji nach vorne trat und mit den Händen alle zum Anhalten bewegte. Unmittelbar vor dem Ausleger blieben sie stehen, schauten verwirrt auf den Detektiv. „Sie erlauben doch, oder?“ Die Künstler sahen kurz zu sich, nickten dann überrascht. Mit dieser Genehmigung griff er nach beiden Enden des Teppichs an der kurzen Seite, hob mit aller Kraft diesen hoch und klappte ihn zur Seite, wo er an der Wand angelehnt sich aufstellte. „Interessant, obwohl der Teppich hier eigentlich ewig schon herum liegt, wirbelt er relativ wenig Staub auf, merkwürdig, oder?“ Damit beugte er sich auf die Knie, schritt jeden Bereich des vom Teppich verdeckten Bodens ab, klopfte überall mehrmals drauf. „Ist nur ne Vermutung, aber wenn der Teppich hier ohne wirklichen Sinn so lange rum liegt, sollte man vielleicht mal gucken nach... geheimen Türen.“ „Geheime Türen? Wohin? In den Erdboden?“ Yamamura konnte sich den sarkastischen Kommentar nicht verkneifen, obwohl er wie Kogoro, Ran und seine Kollegen kurz davor stand, in einem Lachanfall zu verkrampfen. Als der am Boden kriechende Heiji das Prustern vernahm, drehte er sich verwundert um, woraufhin der Anfall seinen Lauf nahm. „Was zum... och ne, ne?“ Er fixierte den Meisterdetektiv aus Tokio, der unter den Lachkrämpfen langsam wieder ernst wurde und bestimmt nickte. „Sie warn gestern hier unten und haben selbst den Teppich angehoben. Deswegen auch so wenig Staub.“ „Eigentlich... haha, eigentlich Heiji war Megure mir auch schon zuvor gekommen, der hat vor ner Woche ebenfalls schon Teppiche geschüttelt. Hier ist echt nichts.“ „Das hätten Se vielleicht mal früher sagen können, anstatt mich hier rumkrauchen zu lassen.“ Heiji kochte förmlich vor Wut, aber auch weil ihm das peinlich war. „Der Anblick war einfach zu gut, das musste ich miterleben!“ „Also anscheinend sind alle Detektive gleich, was?“, stellte Herr Tomoko amüsiert fest. „Aber damit ist es nun offiziell, unter diesem Teppich gibt es keine geheime Tür ins Reich es Teufels. Können wir dann weiter? Der Inspektor wird sich schon wundern...“ Heiji schaute pikiert zur Seite, folgte unwillig. „Habs doch gewusst, dass man sich auf ihn nich verlassen kann!“, murmelte er beleidigt vor sich hin, worauf sich Kogoro blitzartig wieder umwandte. „Auf wen kann man sich nicht verlassen, Heiji? Was willst du mir sagen? Sprich dich aus!“ „Sie warn nich gemeint, Mori, sondern Holmes.“ Erneut blieb der Trupp verwirrt stehen. „Holmes? Sherlock Holmes?“ Ran starrte ihn verwundert an. Was hatte Heiji denn auf einmal mit Holmes am Hut. „Ich dachte nur, da gabs mal nen berühmten Holmes-Fall mit nem geheimen Fach unter nem Teppich. Bin ja sonst kein großer Fan, aber die bekanntesten Fälle hab ich irgendwann mal gelesen. Da dacht ich man könnts mal probieren, aber offenbar sind die Bücher doch zu weit von der Realität. Ich hätts wissen müssen...“ „Du meinst 'der zweite Fleck', nicht wahr?“ Yamamura hatte sich überrascht nochmal an ihn gewendet, sah ihn etwas unsicher an. „Ja, ich glaub, so hieß der. Ach ja, im Wesentlichen malen Sie Bücher, hab ich gehört. Da kennen Sie diese Geschichten wahrscheinlich alle ganz gut, was?“ „Nun ja...“ der Maler wirkte nun direkt verunsichert, rieb ich verlegen den Hinterkopf. „Bei mir war es auch ne Weile her, weshalb ich es fast vergessen hätte. Ich weiß es nur deshalb so genau, weil ich es vor ein paar Wochen mal wieder gelesen hatte, weil sich Atsushiro spontan genau dieses Buch ausgeliehen hatte.“ So, da bin ich wieder, wie versprochen. Mit zwei Ankündigungen. Zunächst die schlechte Nachricht, nächste Woche muss ich die Fortsetzung einmal ausfallen lassen, das Kapitel 10 kommt also erst am 24./25.11. 09. Zum Ausgleich – und das ist die zweite Nachricht – habe ich euch ein kleines Rätsel hinterlassen in diesem Kapitel, mal nicht zum Fall. ;] Es ist ja so, Künstler sind Künstler, Detektive sind Detektive und Physiker sind Physiker... 'geniale' Erkenntnis, ich weiß. Das heißt, wenn ein Künstler erklärt, wie sich seine Werke am besten lagern, dann ist ihm dabei schon zuzutrauen, dass er Bescheid weiß. Ich habe für diesen Punkt in der Galerie ne Weile recherchiert, es sind ordentliche Parameter. Wenn Heiji erklärt, dass die Assoziation mit den Notizen nicht stimmt, genauso. Wenn aber Herr Yamamura die Funktionsweise und Wirkung einer LED beschreibt, kann er nur wiedergeben, wie weit er die Beschreibung eines Physikers verstanden hat. Der Physiker bin ich, sprich da bin ich für die Korrektheit zuständig und es ist korrekt... beinahe. Der Realität halber, wie sie nun mal ist, kam ich nicht umhin einen winzigen, fast bedeutungslosen Fehler einzubauen in der Erklärung zu den Lichtern. Dennoch ist dieser Fehler jetzt nicht darin zu suchen, großes Verständnis für LEDs zu entwickeln, es ist was, was man auch mit Schulwissen, vielleicht sogar ohne das, herausfinden kann. Viel Spaß beim suchen, wenn es jemanden interessiert. ;] Also, bis in zwei Wochen. LG, Diracdet Kapitel 10: Conan und Kirika ---------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ ich melde mich nach der einen Woche Pause wieder zurück und hoffe (in meinem Größenwahn... XD), ihr habt mich nicht vermisst. Wenn doch... ^////^° Sorry, es ging nicht anders. Desweiteren hoffe ich, die Kellergalerie hat euch einigermaßen gefallen, den Kommentaren nach zu urteilen... ja. ;] Und für diese natürlich auch noch einmal ein riesiges Danke schön. ^////__////^ So, und damit zurück ins Krankenhaus zu Kirika und Conan – Ai und der Professor sind da ja fast mehr Beiwerk. XD Was ich sagen wollte... ich hab mit diesem Kapitel einige Probleme beim Schreiben gehabt... und das weil... es mir eigentlich so sehr gefällt. Aber es ist... vielleicht sehr... anspruchsvoll. Das soll nichts gegen euch heißen, aber ein bisschen dachte ich bei einigen der Dialoge hier unweigerlich an die Gespräche aus Matrix, zwischen Neo und dem Orakel... und ich liebe diese Gespräche, zumindest größtenteils. Aber erfassen kann man sie erst, wenn man sie sich ein paar mal anhört, oder im Fall, dass man die Texte liest, sehr langsam und aufmerksam liest. Aber dann wirken sie einfach noch beeindruckender. Ich maße mir nicht an, so zu schreiben, um Himmels Willen, aber vom sprachlichen her, ist dieses Kapitel etwas herausgehoben von den anderen, zumindest den bisherigen. In diesem Sinne kann ich nur sagen, genießt es. ;] Bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet Kapitel 10: Conan und Kirika Alle drei, der Professor, Conan und Ai, betrachteten die Besucherin nur in ungläubigem Staunen. Der alte Mann schien mit einem Mal noch fester an seinem Stuhl angewachsen zu sein. Er sah da vor sich diese fast zierliche Person... wusste, sie war eine Mörderin, eine, die ihre wahre Identität vor dem FBI schützen konnte... so hatte er es bisher verstanden. Doch stattdessen... kannte sie selbst ihre eigene Vergangenheit nicht. Er konnte nicht anders, aber der traurige Blick des Mädchens, den er bis eben als reine Kaltherzigkeit wahrnahm, Emotionslosigkeit; nun stellte er für ihn einfach das wahre Bild von ihr da. Eines, das ganz allein Mitleid hervor rief. 'Wie kann jemand, der seine eigene Vergangenheit nicht mal kennt, ein gefühlloser Killer sein? Sie ist doch... gar nicht gefühllos. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht... ist doch echt!' Ais Gedanken kreisten um ein einziges Wort, das ihr selbst immer unrealistischer vorkam, je öfter es ihren Kopf durchfuhr: 'Unmöglich!' 'Das kann nicht wahr sein! Noir... die Noir... ist eine Frau ohne Gedächtnis? Wie...? Das ist doch einfach absurd! Dass das FBI sie nicht finden kann, mag ja möglich sein, aber sie selbst!?' Ihr Herz zog sich noch ein Stück enger zusammen und ein kalter Zug von draußen schien durch das Fenster hindurch ihr eine Gänsehaut über den Kopf zu jagen. Ja... sie wirkte unbeholfen, vorhin. Ja, sie scheint genau zu wissen, wie sich eine Amnesie für das Opfer anfühlt, so wie sie es beschrieb. Ja, sie konnte auch Conan damals im Restaurant schon überzeugen, dass sie eine Mörderin ist, die eiskalt ihre Aufträge ausführt und gleichzeitig... einige merkwürdige Reaktionen auf ihre Umgebung zeigt... Ja, es würde alles... halbwegs Sinn ergeben... bis auf das warum. Aber dennoch... machte es die junge Frau aus Sicht der Forscherin... nur noch unheimlicher. Sie war für Ai dieser Welt eigentlich entrückt, stand außerhalb aller Grenzen, die den Menschen gegeben schienen, als Noir, und gleichzeitig... fragil wie ein zartes Pflänzchen, das im Sturm der modernen Welt hoffnungslos unterlegen wäre. 'Vollkommen... absurd. Einfach... unmöglich!' „Wieso?“ Conans hohe Stimme ließ alle Anderen im Zimmer aufhorchen. Kirika stand immer noch ruhig da, fixierte seine zitternden Augen, unterdrückte jede weitere Regung in ihrer Miene. „Wieso... haben Sie ihr Gedächtnis... noch nicht wieder?“ Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, den sie mit aller Gewalt im Zaun hielt. Hatte sie zu viel gesagt? In seinen Augen stand ein Maß an Angst, das ihr schnell verdeutlichte, welchen Gedanken er hegte. Wenn sie es nicht wieder hatte bis heute... wer sagt, dass er es wieder bekäme... jemals? 'Aber... der Arzt hat doch gesagt...' „Wie kommst du darauf, Conan?“ Ihre Stimme wirkte ruhig, nicht fest, aber auch nicht von dem Gesprächsthema stark beeinflusst. Sie versuchte, ihren Herzschlag herunter zu fahren, normal weiter zu reden. „Wieso denkst du, ich müsste mein Gedächtnis wieder gefunden haben... bis heute?“ Ihre Stimme war gegen Ende des Satzes wieder so normal, wie am Anfang, sie hatte sich scheinbar gefangen. „Na weil... der Arzt. Er meinte, bei so einer Amnesie... da erinnert man sich relativ schnell wieder.“ „Du... sollst dich bald wieder erinnern?“ Leichte Verwunderung wich schwachem Lächeln. „Das würde erklären, wieso du so optimistisch wirkst. Das ist schön.“, stellte sie fest, ohne zu zeigen, wie sehr der Gedanke ihren Körper erwärmte, aber es war wahre Freude da... irgendwo. „Nun... er sagte... wenn man erstmal wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird... es ist halt nicht alles automatisch verloren, nur... im Unterbewusstsein versteckt. Und muss wieder heraus gelöst werden, indem man eben... die eigene Geschichte... rekapituliert.“ Die Unsicherheit in seiner Beschreibung rührte, wie sich Conan eingestehen musste, von seiner eigenen Unsicherheit im Kopf her. Ihm selbst schienen die Zusammenhänge, was seine Vergangenheit anging... merkwürdig... einfach... falsch. „Das ist durchaus möglich, Conan... du hast... der Arzt hat sicher Recht damit, dass die Vergangenheit verborgen in den Menschen ruht, und damit nicht vollkommen ausgelöscht ist.“ Einige Gedanken hemmten kurzzeitig ihre Sprache, diese eine dunkle Erinnerung kehrte erneut zurück. 'Bitte... pass auf sie auf.' Ein schweres, gepresstes Ausatmen folgte. „Aber... ich bin mit meiner Vergangenheit nie wieder in Kontakt gekommen. Ich hatte nie... bis auf einen einzelnen, für meine eigene Geschichte wohl irrelevanten Punkt... niemals genaueres über meine Vergangenheit erfahren.“ „Das ist unmöglich!“ Jetzt musste es raus und Ai schrie so laut, dass Kirika und Conan aus ihren Gedanken hoch schreckten, zu dem Mädchen starrten. Sie stand da, verkrampft, atmete heftig ein und aus, versuchte verzweifelt, ihren Puls zu drosseln, aber es wurde ihr mit jedem Satz zu viel. Etwas drückte von allen Seiten auf ihren Körper ein. Ein Gewicht, eine unsichtbare Masse, die ihren zarten Kinderkörper zu zerquetschen drohte und nur dieser Schrei schien ihr Luft zu verschaffen. „Das geht einfach nicht. Nicht in... nicht in Ihrem Fall. Nicht Sie! Nicht als ein Mitglied der Soldats!“ Die Mörderin wirkte sichtlich ergriffen von dem kleinen Mädchen, antwortete eine Weile nicht, bevor sie langsam wieder begann zu lächeln, ironisch, melancholisch... man konnte es nicht genau erkennen. „Du denkst zu viel... Ai. Du siehst die Dinge durch die rosarote Brille, die dir andere Leute mit ihren Meinungen aufgesetzt haben. Les Soldats... sind alles andere als unfehlbar... und... auch nicht unüberwindlich. Aber vor allem... nicht allwissend... manches... wollen sie gar nicht wissen. Also... warum nicht gerade ich... Cherie?“ Ihr Lächeln wurde etwas breiter, als sie mit dem letzten Wort... diesem Wortspiel, ihr einen Stich ins Herz gab und Ais Lippen für eine Weile versiegelte. Cherie... Schatz, Liebling, dieses scheinbar harmlose Wort, dessen Ausprache aber fast identisch ist zu... 'Sherry!' Ja, als Sherry... als dieser Name noch für sie... sie selbst war, damals hatte sie so vieles über die Killer der Soldats gehört. Von den 'Allmächtigen', die die Welt kontrollieren könnten, wenn sie wollten. Und die Legende von ihrem persönlichen Attentäter, den ausführenden Organen, den schwarzen Händen der Soldats... die Jungfrauen mit den schwarzen Händen... Noir. Niemals könnte so eine Person doch so vollkommen... unwissend sein? Und doch... schien sie es in einem Satz zu behaupten und noch im selbigen die Forscherin in ihrer wahren Person bloßzustellen. „Sie waren einige Zeit in Frankreich?“ Conans Frage folgend wendete sich Kirika wieder von dem Mädchen, das sie nur noch mit offenem Mund beobachtete ab und betrachtete die neugierige Miene des Grundschülers. „Hm?“ „Ich meine nur, wegen dieser Worte, 'Cherie', 'Soldats' und beide wirkten auch sehr gut betont, als seien sie Muttersprachlerin.“ Sie schmunzelte verlegen. „Nun ja... also... ja, ich war mal da, ich hab meine Vergangenheit gesucht.“ Der Satz brachte augenblicklich das alte Gesprächsthema zurück und versteifte ihre Gesichtszüge. Conan beobachtete ihr Schweigen eine Weile, seufzte einmal. „Ihr Name?“ „Was... ist mit meinem Namen?“ „Sie haben sich doch als Kirika Yuumura vorgestellt, also haben Sie einen Namen als Startpunkt, und Verwandte, und eine Heimat, wie können Sie sich da nicht erinnern?“ Nun seufzte sie auf, kramte in ihrer Jackentasche nach einem Portemonnaie, holte ein kleines Kärtchen raus. „Hier.“ Mit einer geschickten Handbewegung warf sie die Karte rotierend durch die Luft, so dass sie Conan genau vor die Füße im Bett fiel. Darauf fand sich ein Bild von Kirika in jüngeren Jahren mit den amtlichen Daten daneben ordentlich aufgelistet. 'Ein Personalausweis?' „Das... ist Kirika Yuumura.“ Sie spuckte den Satz förmlich aus, pure Abscheu vor der Aussage dahinter deutete sich an... und Trauer. „Wie... das sind doch... Sie, oder nicht? Ein Doppelgänger?“ Sie schüttelte zittrig mit dem Kopf, starrte zur Seite, während sie erklärte. „Doch, das ist schon mein Bild... das ist es ja. Das Einzige, was auf diesem Ausweis stimmt... ist mein Bild.“ Conans Augen weiteten sich, er musterte das dünne Objekt von allen Seiten. „Der Ausweis ist...“ „Mhm... eine Fälschung. Eines Tages... vor Jahren, wachte ich auf, in einem leeren Haus, ohne Gedächtnis. Nur dieser Ausweis fand sich darin. Als scheinbare Erinnerung... an meine Vergangenheit. Aber er stellte sich als falsch heraus. Es gab nie eine Kirika Yuumura, so viel weiß ich mittlerweile. Der Name ist eine Lüge, aber... mehr gab es auch nicht... alle Fäden liefen auf diesen Namen, an den sie wie an eine hohle Kugel gebunden waren... lose Enden ohne etwas Wahres dahinter. Sie wurden abgeschnitten.“ In diesen letzten Satz mischte sich Wut, ihre Hände ballten sich leicht zu Fäusten, wild schwenkte ihr Blick zur kleinen Ai, die daraufhin ängstlich zurück wich. „Wenn du wissen willst, was Les Soldats wirklich können, das. Die Geschichte umschreiben, nach ihrem Willen... Dinge auslöschen, die ihnen missfallen... so wie meine Vergangenheit. Sie ist unwiederbringlich von ihnen... vernichtet wurden, vollkommen ausradiert.“ Ai konnte sich nicht rühren, fühlte sich hilflos in der Aura der Person ihr gegenüber gefangen,obwohl diese selbst größte Mühe hatte, überhaupt ihre Gedanken und Reaktionen unter Kontrolle zu halten. Es war keine Lüge... das war alles wahr, so viel stand nach einem Blick in Kirikas funkelnde Augen fest. Les Soldats hatten ihr ihre Vergangenheit genommen, sie aus dieser Weltgeschichte radiert... selbst das FBI war hoffnungslos daran gescheitert, etwas zu ihr heraus zu finden. Sie war... 'Allein. Eine einsame Person... eigentlich... der perfekte Ausgangspunkt für einen gefühllosen Killer...' Und in diesem Moment ging ihr auf, was Kirika dort sagte. Sie war... vermutlich schon vor ihrem Gedächtnisverlust aus dieser Welt gerissen worden. Um das zu werden, was Les Soldats wollten... Noir. „Es war alles nur... damit Sie...“ Sie nickte stumm, erlaubte es Ai, die Worte unausgesprochen zu lassen, die nicht jeder hören sollte. Dann wandte sie sich wieder um zum kleinen Jungen, der alles aufmerksam beobachtete, ohne einzugreifen. „Es... tut mir Leid, Conan, ich wollte dich nicht verunsichern. Ich hoffe sehr, und... ich habe auch genug Vertrauen, dass du dein Gedächtnis anhand deines früheren Lebens wieder bekommen kannst. Aber ich... ich habe so ein Leben nicht.“ „Warum sind Sie nicht... zur Polizei gegangen, wenn alles nur... eine Lüge war? Und was sind diese Soldats, von denen Sie und Ai die ganze Zeit reden?“ Sie schmunzelte, schüttelte leicht ironisch den Kopf angesichts Conans Fragen. Es waren die gleichen Fragen, wie damals, zumindest eine davon. Hinter diesen neugierigen, tiefen Augen, die nicht verstanden... dachte irgendwo immer noch der gleiche von Kriminalliteratur durchsetzte Geist von Shinichi Kudo. Eigentlich... musste dieses Gespräch... für ihn wie ein Blick in den Spiegel wirken, stellte sie in Gedanken fest. „Die eine Frage, Conan, beantwortet die Andere, obwohl diese nicht relevant ist. Nicht hier und nicht heute.“ Er stutzte, als sie damit schwieg und ihren Ansatz einer Antwort mit nach einigem Zögern abbrach. „Sie antworten mir nicht?“ „Muss ich es denn, Conan? Sie wurden dir einmal beantwortet... vor einiger Zeit bereits, auch wenn du es vergessen haben magst.“ „Und wie soll ich mich bitte erinnern ohne einen Ansatz?“ Er kniff die Hände kraftvoll in das Laken, Wut stieg in ihm hoch und etwas benebelte seine Gedanken. „Wenn Sie mir die Frage schon mal beantwortet haben, warum können Sie es nicht einfach wieder tun... Und wieso... aah...“ Er beruhigte sich, zwang sich ein- und auszuatmen, bis das Bild vor seinem Kopf deutlich hervortrat, alle anderen Überlegungen verdrängte und er es in Worte fassen konnte. „Ich habe in meinem Kopf eine Melodie... seit Sie diese Soldats erwähnten. Sie lässt mich nicht klar denken. Eine Melodie... wie von... einer Spieluhr.“ „Mireilles Uhr. Oder genauer, die ihrer Mutter Odette. Du hast sie spielen gehört, und du assoziierst sie mit den Soldats.“ „Nein!“ Er schnaubte förmlich, weil die Melodie immer lauter wurde, ihm jegliche Konzentration nahm. „Wie kann ich etwas mit etwas assoziieren, das ich nicht kenne?“ „Du kennst es nicht... aber dein Unterbewusstsein.“, flüsterte Ai ängstlich. Das, was Dr. Asunaja prophezeite, schien durch Kirikas Anwesenheit in erschreckenden Dimensionen zu Tage zu treten. Unterschwellige Erinnerungen, die vielen Verknüpfungen, die der Detektiv in seinem Kopf einst geschlossen hatte zu einem fein verwobenen Netz, wurden nun deutlich hervorgetragen, wie einzelne Erhebungen im Meer, die bei Ebbe wie aus dem Nichts auftauchten. Aus dem Nichts der Leere, die eigentlich in seinem Bewusstsein herrschte, ragten diese Spitzen hervor, von denen sich hunderte Fäden zu anderen Spitzen bewegten, ein Muster bildeten, das im Kontext... hoffentlich zumindest, den Sinn ergab, den sich Ai und der Professor erhofften, von ihm zu erfahren... wenn er ihn endlich wieder fand. Von einer Spieluhr wussten beide zum Beispiel noch gar nichts, und Mireille war der Vorname der Französisch-Referendarin an Rans Schule. Dass beide etwas mit Les Soldats zu tun hatten, war wohl auch klar, aber wie sollte man da eine Spieluhr einordnen? Zumal... sie offenbar so bedeutsam war, dass Conans Gedanken von ihnen betäubt wurden, er wahnsinnig darüber zu werden drohte. „Was hat es mit dieser verdammten Spieluhr auf sich?!“, schrie er mit einem Mal heraus, so dass alle kurz zusammen zuckten. Kirika aber blieb danach ruhig stehen, beobachtete die psychische Pein, die Conan für einen Moment durchmachte. „Für die meisten Menschen ist Unwissenheit... eine Befreiung von zu vielen Sorgen, oder zumindest ein notwendiges Übel, um das Leben nicht völlig in Tristesse zu verbringen. Selbst Forscher erkennen an, dass sie nur lernen können, was falsch ist, nicht, was richtig. Für dich aber ist Unwissenheit direkt eine Folter, oder? Das Mysterium zu ergründen... wie eine Droge, der du dich nicht entziehen kannst. Die Melodie ist so laut in deinem Kopf, weil dir dein Unterbewusstsein sagt, dass an dieser Spieluhr etwas wichtiges hängt. Auch in meinem Kopf ist sie jedes Mal wie ein ohrenbetäubender Lärm, wenn ich an sie denke.“ Sie begann unwillkürlich zu pfeifen, die Melodie nachzuspielen, dass auch Ai und Professor Agasa sie hören konnten. Eine klassische Spieluhr-Melodie, aber... sehr traurig. Ai konnte nicht genau sagen, ob es an der Melodie selbst, oder an Kirikas Betonung, ihrer Spielweise lag, aber etwas von beidem wirkte... '...zu Tode betrübt. Die Melodie... ist für sie die Erinnerung an einen Tod. Einen... einzelnen Tod?! Sie... Noir??' Es war einfach nicht zu fassen, Ai verstand die Welt nicht mehr. Diese Frau war Noir, keine Frage, ihre ganze Aura schien das zu bestätigen, und sie wusste auch ganz genau, was sie sagte, und für wen Ai sie hielt. So eine Person, eine... hundertfache, vielleicht tausendfache Mörderin, wenn das genügte... empfand innerlich Schmerz wegen eines einzelnen Todes? Das widersprach vollkommen dem ganzen Sinn der Argumentation. „Die Spieluhr...“, begann Kirika leicht verunsichert, als sie mit dem Pfeifen endete, „war... das zweite Objekt, was ich... als unorthodox in dem Haus fand, in dem ich aufwachte. Sie trug mich nach Frankreich... zu einer Person... einer der wenigen, die... vielleicht ähnlich zu mir war. Die verstand, was ich fühlte, und mir half... etwas Licht hinein zu bringen.“ „Diese Mireille?“ „Hm...“ Sie nickte, starrte stumm auf den Fußboden. „Aber dann... haben Sie doch... etwas Licht...“, aber er brach ab, als sie vehement den Kopf schüttelte. „Ich habe herausgefunden, warum ich mein Gedächtnis verlor und ich habe herausgefunden, warum Mireille und ich... uns so ähnlich vorkamen, warum die Uhr bei mir war. Und dann noch... was Les Soldats wollten... von mir. Aber wer ich eigentlich bin... habe ich nie erfahren.“ Er schluckte, synchron zu ihr, dann hob sie den rechten Arm, zeigte schräg an ihm vorbei. Auf das Buch, welches ihn angeblich seit Tagen so begleitete. 1984. „Das Buch dort, Mireille hat es dir geschenkt.“ Er blickte verwirrt zu dem dicken Einband des Taschenbuchs und von dort wieder zum Gast. „Aber... man sagte mir, ich hätte es gekauft!?“ „Nun... du wolltest wohl nicht... Ran verwundern, warum dir jemand dieses Buch schenkt... Aber was ich sagen wollte... 1984 beinhaltet die Antwort auf deine Frage... wer sind Les Soldats.“ Augenblicklich huschte ein Bild durch seinen Kopf, eine weitere Erinnerung. Wieder tauchten die Lippen jener unbekannten Frau auf, die ihn vorhin vor Kirika warnte. Unwillkürlich sprach er den Satz nach, den sie formulierte. „Les Soldats sind wie Darius... wie die innere Partei aus George Orwells 1984... sie schreiben die Geschichte nach ihren Wünschen um. Ohne jedoch jemals... in Erscheinung zu treten.“ Der Professor und Ai schauten ihn ebenso verwirrt an, wie er daraufhin Kirika. „Darius?“ Sie kicherte heftig, musste sich die Hand vor den Mund halten. „Du änderst dich nie, Mireille...“ Als sie einigermaßen sich beruhigt hatte und immer noch verwirrte Gesichter vorfand, erklärte sie sich kurz. „So genau kenne ich die Geschichte auch nicht, aber Mireille hat sie fasziniert, weshalb sie sich auch viel damit beschäftigt hat. Darius, einer der berühmtesten Könige des antiken persischen Reiches... er hat... nun 'offiziell' ist wohl falsch, es ist nichts bewiesen und die Lehrmeinung spricht für ihn im Sinne, im Zweifel für den Angeklagten... aber... er hat den Thron bestiegen, indem er einen Betrüger, der sich darauf nieder gelassen hatte, ermordete und wurde später dafür als Held gefeiert. So weit die anerkannte Theorie, de facto gibt es aber einige Unstimmigkeiten dabei, die es mehr als offen lassen, ob der Mann auf dem Thron der Betrüger war, oder Darius selbst einen Königsmord verübt hatte, den er dann als Staatsstreich gegen einen Betrüger verkaufte. Es ist die Aussage, wie durch Macht es möglich ist, die Geschichte umzuschreiben... und irgendwann kann niemand mehr die Wahrheit erkennen... weil sich niemand erinnern kann, was Wahrheit ist. Hier... auf der Erde sind wir Menschen und als solche gebunden an subjektive, irdische Wahrheiten. Mag es ein höheres Wesen geben, das objektive Einschätzungen zu unseren Fragen und Problemen geben kann, wir können es nicht. Deswegen konnte ich mich damals auch nicht wegen meiner Probleme an die Polizei wenden, es hätte nur unschuldige Tote gegeben. Die Macht der Soldats ist erdrückend, wenn man sich ihnen entgegen stellt und wenn sie eine Wahrheit auslöschen wollen, hinterlassen sie keinen Krümel mehr, der Aufschluss geben könnte. Oder... glaubst du, du könntest trotz aller Macht aus lauter falschen Informationen... die eine Wahrheit finden, Conan?“ Er starrte ungläubig vor sich hin, nicht in ihr Gesicht. Das war das erste Mal, dass sie... so lange am Stück erzählte... und irgendwie... recht hatte. Wie Murmeln klangen seine Worte, als er antwortete. „Das klingt... alles sehr einleuchtend... aber... ich kann es trotzdem nicht so glauben.“ Jetzt wandte er den Kopf hoch, in seinen Augen stand ein Anflug von Kampfeswille, Überzeugung, die sie verwunderte. „Man kann... doch bei aller... Schlechtigkeit auf dieser Welt nicht aufhören, an das Gute und die Wahrheit zu glauben. Schon gar nicht ich... als Kind. Wenn ich nicht glauben kann, dann wird es wirklich unmöglich. Aber... ich... ich weigere mich einfach, das hinzunehmen, als unabänderlich. Niemand ist perfekt auf dieser Welt, also kann auch niemand... vollkommen die... eine Wahrheit vernichten. Und wir können uns doch auch nicht in so einem Fall auf einen Gott, wie Sie es nennen, verlassen, wenn es unsere eigenen Fehler sind, die diesen Zustand herbeigeführt haben.“ „Also glaubst du, du kannst daran etwas ändern?“, unterbrach sie ihn, als er kurz inne hielt. Die Worte, die aus Conan heraussprudelten, verwirrten ihn selbst nur immer mehr. Dachte er normalerweise so? Es klang viel zu erwachsen, höchstens noch mit Kinderbock beladen, aber viel zu gereift für ein kleines Kind. Aber ein Blick in Ais und Agasas Gesicht schien ihm zu verraten, ja, so dachte und redete er sonst wohl. Dabei hatte er selbst Probleme es zu verstehen. Wenn es so eine Organisation, wie Kirika sie beschrieb, wirklich gab, was maß er sich dann an, ihr die Stirn bieten zu wollen. Dem Wind zu trotzen ist mutig, den Wellen des Meeres hingegen einfach nur tödlich. Und doch... wie er sagte, er konnte diesen Zustand einfach nicht hinnehmen, akzeptierte scheinbar nicht Mal, dass die Vergangenheit für immer ausgelöscht werden konnte, obwohl es sicher schon einige Male passiert ist. Etwas sträubte sich in ihm so sehr dagegen, diese Überzeugung... „Ich danke dir.“ Erneut unterbrach Kirika seine Gedanken; als er aufsah, fand er sie fröhlich lächelnd vor ihm stehend. „Hm?“ „Es war wohl nicht, was ich erwartet... aber was ich erhofft hatte, von dir zu hören. Es ist nämlich auch ein Teil von dir, Conan... dass du keine Lüge auf dieser Welt wirklich akzeptieren kannst.“ „Das war keine Antwort auf meine Frage.“, konterte er erregt, ohne zu zögern. War es auch nicht, und er merkte allmählich, dass sie ihn zwar zu verstehen schien, aber alles andere als hilfreich war. „Korrekt.“ Sie schmunzelte. „Aber genau deswegen beantworte ich sie ja auch nicht. Schließlich ist das bereits eine der Fragen, die dich beschäftigen, nicht wahr?“ Seine Kinnlade fiel fast nach unten, als er sich ertappt fühlte. Diese Frau wusste ganz genau, wer er war, kannte die Gedanken, die ihn unruhig werden ließen, hatte selbst Erfahrung mit Amnesie... und rückte partout nicht mit der Sprache raus, was er wissen wollte! Er blickte zur Seite, atmete betrübt aus. „Sie wollen mir nicht sagen, wer ich bin, oder?“ „Niemand kann einem Menschen sagen, wer er ist, außer man selbst. Höchstens wer man mal war, aber da Veränderung die einzige Konstante im Leben ist, wäre es absurd einen Menschen zum aktuellen Zeitpunkt klar einzuordnen. Du warst immer etwas geheimniskrämerisch, etwas eigenbrödlerisch, Conan. In deinem speziellen Fall... weißt vermutlich nur du selbst, wie ganz genau dein Kopf gestrickt ist.“ „Toll... und warum macht es für mich dann keinen Sinn?“ „Sollte es das denn? Hast du Erwartungen an einen Menschen, den du nicht kennst, und um die du dich enttäuscht fühlst? Das wäre doch... voreingenommen?“ „Soll das ein Witz sein?“, brüllte er plötzlich heraus, nur um sich dann noch weiter in das große Kopfkissen hinter sich zu pressen. „Es... es tut mir Leid.“ Er fasste sich unwillkürlich an die Stirn, sie fühlte sich heiß an, auch durch den Verband, das Blut pulsierte kräftig durch seinen Körper. „Es macht keinen Sinn, was ich bisher gehört habe. Ich habe einen absurden Namen, der mir nicht mal gefällt, Fachwissen über Biologie wie Oberschüler, lese komische Bücher, interessiere mich für Mordfälle... und das alles als sieben Jähriger. Dazu kommt... dass ich scheinbar keine realen Eltern habe... oder zumindest keine, denen ich was bedeute.“ „Jeder Mensch hat Eltern, das ist biologisch unumgänglich.“ Als hielt sie ihn auf einmal für vollkommen dämlich, erwähnte sie dieses Detail fast nebensächlich. „Denken Sie, das weiß ich nicht?! Bin ich vielleicht ein Adoptivkind aus dem Heim und das wollten mir Herr Mori und Ran nicht sagen, weil sie dachten, es wäre zu viel für mich?“ Er starrte mit leicht finsterem Blick zu den beiden anderen Personen im Raum. Sie schüttelten nur den Kopf, aber Kirika war es letztlich, die antwortete. „Nein, du bist kein Adoptivkind. Deine Eltern sind nur gerade im Ausland und haben noch nicht erfahren, wie es dir geht.“ Er starrte sie unverwandt an, dann zu den anderen Beiden, die kurz angebunden nickten, dann wieder zurück. „Und der Rest...“ „Macht auch einen Sinn, wenn du dich erinnerst.“ „Sicher?“ Es nervte ihn sichtlich, dass er nur indirekte Antworten bekam, auch wenn es ihn gleichzeitig reizte, selbst einen Sinn dahinter zu finden, wenn es denn einen gebe. Ein weiterer Punkt, der ihn stutzig machte in seinen Gedanken. Kirikas Schmunzeln wurde zu einem melancholischen Lächeln verbreitert. „Oh ja, Conan... für dich macht es Sinn. So viel... dass du dafür schon mehr als einmal alles andere... hast gehen lassen...“ Er wirkte anfangs noch unsicher, aber seine Mundwinkel zogen sich langsam nach oben, bis er leicht lächelnd nickte. „Danke.“ „Schon gut. Warts ab, bis du dich erinnerst, bevor du mir dankst, dich dazu zu ermutigen...“ Jetzt musste er kurz wieder innehalten... sollte er Angst haben, vor dem, was in seinem Unterbewusstsein lauerte? Gebe es da etwas, woran er sich nicht unbedingt erinnern wollte? „Jeder Mensch hat schlechte Erinnerungen. Und ganz kann man sie nicht auslöschen... nur mit ihnen zu leben versuchen.“ Sein Blick fiel wieder auf das Buch neben sich, als ihm plötzlich eine Idee kam. „Ähm... Sie, Kirika... sagen Sie...“ „Ja...?“ Sie wirkte selber überrascht, angesprochen zu werden, und das offenbar wegen dem Buch. „Wenn Sie... sowieso so viel wissen... es hat wohl nicht direkt etwas mit mir zu tun, glaube ich, aber wissen Sie zufällig, was das hier bedeuten soll?“ Er blätterte durch das Buch, blieb an einer bestimmten Stelle stehen, und drehte das Buch um, so dass Kirika aber auch Ai und Professor Agasa es sehen konnte. Der kleine Text war aus der Entfernung nicht zu erkennen, aber rechts daneben stand eine kleine Notiz mit Kugelschreiber, dick gedruckt. Ai spürte, wie ihr Herz sich zusammen zog und hörte, wie ihre Atmung immer lauter wurde. Dabei hatte sie das Gefühl, sie bekam gar keine Luft mehr. Es waren nur drei lateinische Buchstaben, die da neben den Text gekritzelt wurden, die sie jedoch vollkommen aus der Bahn warfen, die sie gerade erst wieder erreicht zu haben glaubte. G-I-N Kapitel 11: Materialschlacht ---------------------------- Hallo an alle Lesenden, ich hoffe, ihr seid alle gut in die Advents- und Dezemberzeit gekommen, je nachdem, wie es Wetter und naheliegende Weihnachtsmärkte erlaubten – oder erzwangen. ;] Ich blättere in Gedanken mal wieder zurück in den frühen Herbst, in dem diese Geschichte spielt. Erste Rottöne an den Blättern im Wald um Schloss Kunieda, man zieht wieder Jacken drüber, macht sie aber noch nicht zu, genießt jede Moment des spazieren gehens, weil es weder zu heiß noch zu kalt ist... Alle wieder da? Gut. Also zunächst einmal vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Ja, ich gebe zu, vermutlich ist für den Moment die Krankenhausszenerie interessanter, während es auf dem Schloss mehr um den Fall, und verbunden damit um die Kunst als solche geht. Und heute auch ein wenig um Wirtschaft, im weiteren Sinne. Um der Frage vorzubeugen, ich war selbst auf den Kanaren und die beschriebenen Dinge in diesem Kapitel gibt es wirklich, ich habe sie gesehen. Und ich besitze sogar etwas aus Marmor von dort! ^///^ Ich will nur sagen, das mit der Spannung und so ändert sich noch... auf die eine oder andere Weise... Also dann, viel Spaß mit diesem neuen Kapitel, und bis nächste Woche. ^^ LG, Diracdet Kapitel 11: Materialschlacht Kazuha beobachtete mit Erstaunen die eigenartige Miene, die ihr Freund während des restlichen Weges die Treppe zurück ins Erdgeschoss machte. Es war ein Grinsen, ohne Frage, ein ironisches, fast sarkastisches, ein freudiges, aber irgendwo auch falsches. Es war zwiegespalten, wie offenbar auch seine Gedanken. 'Soll dieser Teppich echt bedeutungslos sein? Immerhin hat auch Shinichi nichts bemerkt. Aber andererseits, dass Herr Tashija sich dieses Buch ausgeliehen hat, ist schon merkwürdig. Aber da war beim besten Willen nichts. Und wenn man eines der Polizei und Herrn Mori eigentlich nicht vorwerfen kann, Kudo schon gar nicht, dann nicht akribisch genug zu sein, wenn sie wissen, was sie zu tun haben. Irgendwer müsste doch was bemerkt haben, wenn da was wäre. Also alles nur Zufall? Absurd, welchen Grund sollte ein Künstler, der so der Natur nachhängt, haben, sich ausgerechnet diesen einen Fall von Holmes durchzulesen?' Er kam an dem Punkt nicht weiter und gleichzeitig merkte er, wie das Gewicht des Hauses, welches über ihm türmte, sich weiter aufbaute und auf seinen Schultern lastete. 'Dieser Fall ist definitiv weitaus tiefer zusammenhängend als man auf den ersten Blick meint. Wahrscheinlich habe ich ohne eine Untersuchung der Zimmer der Künstler nicht im Ansatz genug Informationen, ihn zu lösen.' Es fing an ihn zu reizen. Offensichtlich war das ein reichlich verstrickter Fall, mehr als erwartet, und das war ihm weitaus lieber als banale Kleinigkeiten, die er quasi schon aus hundert Fallberichten kannte. Aber umgekehrt war er eben noch so unglaublich weit von der Aufklärung entfernt. Dieser Zwiespalt bildete sich deutlich auf seinem Gesicht wieder. Eine Ironie, die, wie er wusste, Shinichi Kudo mit ihm teilte. Eine Faszination, die sie beide in ihren Bann zog und den Detektiv des Ostens dieses Mal teuer zu stehen kostete. 'Ich muss vorsichtig bleiben... aber so in der Gruppe kann der Täter wohl eh nichts machen.' Kazuha folgte dem Blick noch ein Weile, fühlte aber ihrerseits ebenfalls eine innere Anspannung, wodurch ihre Augen den Winkel nach rechts suchten... zu Ran. Heiji wollte, dass sie sie ausfragt zu Kirika... eigentlich wäre dieser Moment passend... es gab im Augenblick nichts zwischen den Detektiven und den Künstlern zu bereden, und einmischen in den Fall wollten sich die beiden Oberschülerinnen auch nicht... zumindest Kazuha nicht. Aber so wäre ein Gespräch über diese ihr unbekannte Person doch gerade unverfänglich. Aber etwas in ihr zögerte... war sie nicht automatisch Teil eines anderen Falles, wenn sie fragte? Sie selbst wusste nur, das etwas nicht stimmte, mit dieser Kirika Yuumura. Würde sie Ran mit hineinziehen, wenn sie durch ihre Fragen auffiele? Oder wusste Ran Bescheid und sie selbst würden in Schwierigkeiten geraten, wenn sie nicht offen ihre Fragen anging? In diesem Zwist stellte sie fest, war es unheimlich kompliziert, 'unverfänglich' einen Einstieg in so eine Ausfragung zu finden. So unverfänglich, dass Ran nicht merkte, was sie schon ahnte. „Ähm...“, begann sie schließlich stockend, wartete, dass Ran selbst aus ihren Gedanken aufsah. „Mhm? Ist was?“ „Naja... vorhin, diese Frau... die vorhin kam. Im Krankenhaus... diese Kirika...“ „Ja, was ist mit ihr?“ Es wirkte nicht, als ahnte Ran, was in ihrer Freundin aus Osaka vorging und doch schalt sich diese eine Idiotin, so offen an das Problem zu gehen. Aber nun gab es eh kein zurück mehr. „Wer war sie? Du hast sie bisher nie erwähnt, aber sie schien dich, Sonoko und Conan ganz gut zu kennen. Dein Vater meinte was von einer Nachhilfelehrerin, aber wirkte auch nicht, als wüsste er's wirklich?“ „Äh... ja... sie gibt mir und Sonoko Nachhilfe in Französisch. Das war mir wohl nicht unbedingt... erwähnenswert vorgekommen.“ Sie lachte verlegen auf und Kazuha glaubte zu wissen, worum es ging. „Aber ich dachte, du warst allgemein in Sprachen immer ganz gut?“ „Es war auch nicht ganz meine Entscheidung...“, stellte Ran mit pikiertem Blick in die Leere fest. „Ach... Sonoko... ähem...“ „Sie wollte unbedingt nicht alleine. Kirika wurde ihr von unserer neuen Französisch-Lehrerin empfohlen, mit der sie irgendwie nicht kann und da hat sie mich gebeten mitzumachen. Das ist schon alles dahinter.“ „Mhm...“ Kazuha stockte etwas. 'Das ist schon alles dahinter' wirkte wie ein klarer Schnitt bereits. Nach dem Motto, mehr kann ich zu dem Thema auch nicht sagen... oder mehr gäbe es dazu nicht zu sagen. Sie brauchte einen neuen Anlauf. Und damit einen neuen Ansatz. „Und sie ist gerade so gut in Französisch? Sie wirkte eigentlich jetzt nicht... ähm... nun ja...“ „...aufgeweckt?“, kicherte Ran von der Seite, ohne zu ihrer Freundin zu blicken, die dennoch leicht errötete und verkrampft nickte. „Sie war mehrere Jahre... vier, um genau zu sein, in Frankreich, zusammen mit dieser neuen Lehrerin, die selbst von Korsika stammte. Glaub mir, Kirika ist was Französisch angeht, nahezu Muttersprachlerin. Und was ihre Art angeht...“ Ein Zögern, gefolgt von einem tiefen Seufzen unterbrach Rans Ausführungen. Sie wusste was sie sagen wollte, aber es war eigentlich genau das Gegenteil dessen, was sie im Moment dachte. „Es... es ist eben so...“ Kazuha suchte ihren leeren Blick geradeaus; er war zum Ende der Treppe hin gerichtet. Sie war ganz woanders. „Sie scheint ihre Gefühle aus irgendeinem Grund zu unterdrücken, wenn du mich fragst... sie... versteckt eine Seite an sich. Aber... ich glaube, manchmal muss man den Leuten das auch gestatten. Wenn sie aus für sie wichtigen Gründen... sich selbst etwas verstellen..., ohne damit anderen Personen um sich herum schaden zu wollen... darf man sie dann dazu zwingen, ihre wahre Natur preiszugeben, nur weil das andere eine Lüge ist?“ Beim letzten Satz drehte sie sich doch zu Kazuha um, blickte tief in deren verwirrtes Gesicht. In ihren Augen stand das Interesse nach einer Antwort auf ihre Frage geschrieben, eine fast verzweifelt bittende Ersuchung um diese Antwort. 'Wo... worüber denkst du nach, Ran? Du bist doch niemals bei dieser Kirika im Moment. Deine Augen sind viel weiter in die Ferne gerichtet.' Das plötzlich den Treppengang flutende Licht des Erdgeschosses, insbesondere das Tageslicht aus den Fenstern dort schluckte ihre Gedanken scheinbar, ließ sie verwundert aufschauen. 'Erstaunlich, wie extrem einem die Lichtunterschiede vorkommen.' Auch Ran schien davon abgelenkt zu sein, fixierte mit den Augen dieses Licht, als wollte sie, wie dieses die Dunkelheit des Kellers nach hinten drängte, ihre Gedanken hinter sich lassen. Zumindest für einen Moment. Im nächsten Augenblick sah sie Inspektor Takagi, der sich langsamen Schrittes von der Treppe zum ersten Stock her näherte. „Nun Herr Inspektor? Haben Sie... im Unterschied zu letzter Woche, irgendetwas gefunden?“ Der leicht sarkastischen Bemerkung Hinos folgte ein allgemeines hin und her schauen aller Künstler zwischen dem Polizisten und den beiden Detektiven, die sich aber nichts anmerken ließen. „Hm... wieso, sollte ich was finden? ...“ Er zögerte zunächst etwas, versuchte von der Ironie des Kommentars wieder zum Ernst zu finden. Es sprach vieles für Heijis Theorie. „Er scheint tatsächlich von ganz oben gefallen und mehrfach mit dem Kopf gegen verschiedene Stufen gekommen zu sein.“ Erneut stockte er, blickte an den Anderen vorbei zu Ran, deren Miene versteinert ernst ihn anstarrte. Nicht, als wäre sie von dem Gedanken so betroffen, dass sie nicht ganz bei sich gewesen wäre... im Gegenteil... sie wirkte vollkommen auf ihn... auf die Treppe... auf den Fall selbst fixiert. 'Weiß sie es doch?' „Ich gebe zu, große Hilfsmittel habe ich nicht mit, aber das ist wohl auch nicht nötig. An einer Blutspur klebte noch ein Haar, das habe ich eingetütet, um es zu vergleichen, aber scheint von der Farbe und Länge schon zu Conan zu passen. Ansonsten wirkten die Flecken und die Verteilung so natürlich, dass ich wohl nichts anderes sagen kann, als dass er wirklich von der Treppe gefallen ist, vermutlich oben gestolpert... und ziemlich ungünstig...“ „Wie ungünstig?“ Die Künstler sahen ihn verwirrt an. „Wie kann man denn noch 'ungünstiger' fallen, als von ner großen Treppe zu stürzen?“, mokierte sich Tomoko. „Nun ja... der erste Abdruck ist bereits auf der ersten Stufe von oben. Wenn man direkt an der Treppe steht und fällt, also, vielleicht abrutscht, was ich zuerst dachte, würde selbst ein kleiner Junge wie Conan wohl mindestens zwei, drei Stufen fallen, bevor sein Kopf aufschlägt, einfach wegen der Körpergröße. Entweder stand er erstaunlich weit ab von der Stufe, oder er ist quasi beim ausrutschen in der Luft umgefallen, um dann im nächsten Moment fast senkrecht, kopfüber zu fallen...“ „Hören Sie auf!“, brüllte ihn Ran wie aus dem Nichts an. Über sich selbst war sie genau so geschockt, wie die anderen im Saal. „Ent... Entschuldigung. Ich meine nur... es ist doch... schlimm genug...“ Mehr brachte sie nicht hervor, musste sie auch nicht, wollte sie auch nicht. Es manifestierte sich bei allen die gleiche Vorstellung. Dieses Bild, welches der Inspektor malte, bekam sie nicht mehr aus dem Kopf, etwas beklemmendes für jemanden wie Ran. Dennoch... es war eine... zu... heftige Reaktion, wie es insbesondere Kogoro und Kazuha merkten. Für die Künstler war es lediglich ein unbestimmtes Geschwistergefühl, welches die Oberschülerin über ihren kleinen Mitbewohner im Laufe der Zeit befallen haben mag und Heiji und Takagi dachten sich ihren Teil wegen ihres Wissens. Ihr Vater jedoch folgte noch eine Weile dem verschlossenen und offensichtlich falschen Gesichtsausdruck, hinter dem Ran ihre wahren Gefühle in diesem Moment zu verbergen suchte. 'Was sollte das, Ran? Ja, es ist schrecklich, aber... bei allem, was du schon gesehen hast und... wenn man bedenkt, dass es ihm leidlich gut geht... wieso dieser Ausraster eben? Ist da noch was wegen Conan... was ich wissen sollte?' Die gleiche Frage beschäftigte Kazuha, aber unter dem Eindruck von Rans Worten, eben auf der Treppe... 'Wenn jemand sich selbst verfälscht... nicht ohne Grund, und ohne anderen schaden zu wollen... Du meinst Conan?!' Der Gedanke manifestierte sich unter dem Bild von Rans Reaktion eben... und Kirikas vorhin beim Fahrstuhl. Etwas hatte ihre wahre Seite hervorgebracht, die sie zu verbergen suchte. Ja, es war die selbe Handlung und sie bezog sich wie bei Kirika auf Conan. Dieser merkwürdige Junge, der mehr als einmal nur... einfach nicht wirkte, wie man es erwartete von einem kleinen Jungen, nur, um daraufhin, als ob er genau das wüsste, gleich wieder den braven Grundschüler zu mimen... Ja, auch er war... unter Umständen jemand, den Ran gemeint haben könnte. 'Nein, ganz sicher, sie meinte Conan. Ihre Formulierung klang, als wäre sie selbst erst vor nicht allzu langer Zeit zu dieser Erkenntnis gelangt, nicht als wäre es schon immer ihre Meinung. Es muss Conan sein... etwas an ihm ist falsch... etwas... das Ran viel... bedeutet... Aber was?' „Dann können Sie ja nun gehen, Herr Inspektor.“, brummte Tomoko leicht grimmig mit verschränkten Armen. „Oder wollen Sie uns allen Alpträume bereiten wie Ran eben gerade?“ „Äh... hähä... Das geht leider nicht, weil ich nicht mit meinem eigenen Auto, sondern nur mit den Anderen da bin. Ich muss also noch hier warten, bis Herr Mori seine Schlussfolgerungen abgeschlossen hat.“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, wie er es in so einer Situation immer tat. In diesem Fall war es wohl eindeutig, dass er wirklich keine andere Option hatte. Dennoch wirkte das schwache Lächeln, mit dem ihm die Künstler begegneten, fast wie eine Enttarnung. „Na schön... und was dann nun, Herr Mori? Oder auch Herr Hattori?“ Herr Yamamura strich sich über die müden Augen, wandte den Blick von einem zum anderen Detektiv, fand im Osaker eine Antwort in Form eines überzeugten Grinsens. „Ich denke... das beste wäre, wenn wir uns Ihre Ateliers mal ansehen könnten... Und wenn ich Sie dabei einzeln befragen könnte... natürlich mit Herrn Mori, dann kann er sein Bild noch vervollständigen.“ Erneut glitt ein ironisches Lächeln über die Gesichter der Schlossbewohner und Blicke zwischen ihnen wurden ausgetauscht. Schließlich legte der Maler sinnierend den Kopf nach hinten. „Na gut, also los. Damit wir es bald hinter uns haben, wir sind nämlich müde, falls dir das nicht aufgefallen sein sollte. Und ich hoffe, wenn das vorbei ist, kriegen wir auch eine Erklärung, was nun passiert ist.“ Langsam und ruhig beschritt die Gruppe die zweite Treppe, diejenige, die frei von Blutspuren war, während die Gäste die Tapeten und Wandgemälde auf halber Höhe betrachteten. Kazuha schien hier ihre wahre Freude gefunden zu haben, blickte immer wieder um sich, stellte den Herren die verschiedensten Fragen, was Heiji Gelegenheit gab, sich an Takagi zu wenden. „Was meinen Sie?“, flüsterte er leise, wandte mehrfach den Blick zu den Künstlern vor sich. „Ist das Zeichen von der obersten Stufe eindeutig für unsere Theorie?“ „Puuh. Ich dachte, du kannst das am besten entscheiden. Ich würde es als gutes Indiz, mehr aber auch nicht ansehen. Hat euch der Keller bis jetzt was gebracht?“ „So halb. Es ist merkwürdig, wie doppelzüngig Herr Kunieda dort unten gebaut hat. Zum einen als sei es ihm egal, wie das Schloss verfällt, dann wieder als sei dort der heilige Gral gelagert und ein würdevoller Ort sei nötig. Und gleichzeitig auch diese Sache mit dem Architekten, mit dem er sich dauernd gestritten haben soll. Und dann die Sache... die Sie vielleicht selbst noch nicht wissen. Der verschwundene Herr Tashija hat kurz zuvor bei Herrn Yamamura nach einem bestimmten Buch gefragt. Der zweite Fleck aus der Holmes Reihe. Darin geht’s um einen Teppich, unter dem ein geheimes Fach ist.“ „Du meinst den Verleger da unten? Aber darunter war doch nichts, oder?“ „Eben, aber es ist vermutlich der auffälligste Teppich im ganzen Haus, würde ich meinen und ohne Grund wird er das Buch doch nicht genommen haben.“ „Was, du meinst, er könnte den Täter...“ „Ja, ich glaube fast, er hat etwas genau geahnt und ist nicht zufällig über etwas gestolpert, was oihm zum Verhängnis wurde. Etwas stimmt mit dem ganzen Verschwinden nicht... es passt nicht so wie man es von anderen solchen Fällen gewöhnt ist... und der Teppich ist ein Teil davon. Offensichtlich... und genauso offensichtlich auch bedeutungslos. Eins von beidem ist definitiv falsch, nur welches?“ An der obersten Stufe verabschiedeten sich kurzzeitig Herr Hino und Herr Yamamura, die ihrerseits weiter hoch stiegen in die nächsten Etagen und ihre Zimmer aufsuchten. Während Kazuha die einzelnen sich gleichenden Türen um den Flur des Stockwerkes betrachtete, folgten die Anderen Herrn Tomoko zu einer bestimmten. „Die anderen Räume sind im wesentlichen Werkstätten für verschiedene Materialien. Vor allem natürlich die Metallverarbeitung, die viel Platz benötigt im Vergleich zu kleineren Anlagen und Bereichen. Aber das hier ist mein eigentliches... 'Atelier', wenn Sie so wollen. Hier entwickle ich meine Ideen und arbeite mich in neue Stoffe ein.“ Takagi musterte kurz Heiji von der Seite, dieser nickte und mit einem Mal war der Inspektor hinter der Gruppe durch eine andere als die vom Künstler vorgesehene Tür verschwunden. Das Atelier, wie es Herr Tomoko beschrieb, glich auf den ersten Blick eher einer leicht eingestaubten Bibliothek früherer Tage. Das helle Tageslicht, welches von riesigen Fenstern gegenüber der Eingangstür kam, warf alles in einen gelblichen Ton. Die Wände waren teilweise in leichten grau gehalten, welches wohl mal weiß war, teilweise aber auch überdeckt von Bücherregalen, die gefüllt waren mit dicken Wälzern, deren Titel Kataloge von Bauhäusern sowie Ingenieursliteratur andeuteten. Kurz vor dem Fenster stand ein großer Schreibtisch, überseht mit Skizzenblättern, die unterschiedlichste Objekte zeichnerisch darstellten. Davor, das Objekt, welches einer der Skizzen angeglichen werden sollte. Der Marmorblock. Zwei Meter hoch, und einen mal einen Meter in der Grundfläche ebenfalls in einem hellen grau, mit den vielen grünlichen und rötlichen Einschlüssen, die aus der Ferne eine gewisse Wärme im Material vermittelten, stand er da auf einer kleinen Hebebühne zum transportieren. Kazuha lief staunend an den übrigen vorbei auf den übergroßen Klotz zu und betrachtete mit einem beeindruckten Funkeln in den Augen das Material, streckte unvermittelt die Hand aus, zog sie aber kurz vorher wieder zurück, als traute sie sich nicht, ihn zu berühren. „Wirklich beeindruckend. Und den hat Ihnen Herr Tashija geschenkt?“ „Was? Oh... da muss ich mich wohl etwas falsch vorhin ausgedrückt haben, junge Dame. Bezahlt habe ich ihn. Atsushiro hat mir nur einen Tipp gegeben.“ Heiji näherte sich langsam von hinten, betrachtete gebannt den Künstler und seinen Blick auf den Marmor. Auch Herr Tomoko schien von dem Material gefangen zu sein wie Kazuha... einfach in seinen Bann gezogen. „Stimmt, Sie meinten so was vorhin, von wegen, Marmor wäre zu teuer, aber dank Herrn Tashija, hätten Sie nun doch einen Block. Wie genau meinten Sie denn das, wenn nicht als Geschenk?“ Der 3D-Künstler nahm sich den Hocker, der vor dem Marmorblock stand, setzte sich drauf, konnte zumindest den Anderen noch einen Stuhl und das Bett, welches sich rechts neben der Tür fand, in einem kleinen Bereich mit einem großen Kleiderschrank daneben, als Sitzgelegenheit anbieten. „Tja... es ist halt so. Kunst ist sicher noch nichts, was reich macht, wenn man es nicht irgendwie an die Spitze schafft... was wohl bei allen Fähigkeiten und harter Arbeit immer noch ein wenig mit Glück zu tun hat. Ich will sagen... Marmor ist einfach zu teuer in der Gesamtumsetzung. Die meisten Metalle kriegt man wesentlich billiger und einfacher. und selbst die Kosten für die Bearbeitung können eher durch mehr geschaffene Kunstwerke ausgeglichen werden als ein solcher Marmorblock. Von Holz mal ganz zu schweigen. Da drüben...“ Er richtete seine Hand auf eines der Bücherregale, in dem ein großer Katalog mit einer Laubsäge drauf abgebildet stand. „Da gibt’s alle ordentlichen Geräte für eine gute Materialbearbeitung, da bekommt man gutes Holz, Dozuki-Sägen, Nomi, Schnitzeisen vom Feinsten, auch gute Metalle... alles. Außer Marmor... Marmor ist zu teuer...“ Er grinste, als lachte er über sich selbst. „Zumindest dachte ich das bis vor kurzem.“ „Wie? Es ist doch so, Marmor ist sauteuer, dachte ich?“, formulierte Kazuha die Frage, die alle hatten. „Denkt man, weil man gleich an Italien oder Algerien denkt, wenn man überlegt, wo man Marmor herholt. Genau wie von allen anderen Orten der Welt, an denen er zur Zierde benutzt wird, für Schmuck und Kunstwerke. Und weil ihn die alten Griechen schon verwendeten, muss an seinem Wert ja was dran sein, nicht wahr? An der ganzen Theorie gibt’s nur einen Haken. Im Unterschied zu vielen anderen Stoffen, wie Gold, Edelmetalle allgemein, oder auch Erdöl, wird Marmor nicht an der Börse gehandelt.“ Kogoro und Ran kannten die Geschichte ja schon, dennoch, auch beim zweiten Mal hören, klang es recht unglaublich, welches einfache Argument man hier übersehen konnte. „Na schön... nicht an der Börse heißt... Angebot und Nachfrage regeln den Preis, nicht wahr?“, konterte Heiji mit verschränkten Armen. „Exakt, Herr Detektiv. Angebot gibt es zwar, aber begrenzt und vor allem stets sehr lokal, wie eben zum Beispiel in der Toskana in Italien. Aber das ist lediglich das Angebot und wie gesagt, die Nachfrage ist eben nach kostbaren Materialien für Schmuck oder Kunst. Aber was ist mit Orten, die sich nicht als solche Stätten etabliert haben? Das ist wie eine billige Marke bei Kleidung. Egal wie viel besser oder schlechter die Ware ist, der Name wird die Marke zum Sieger machen, dieses Konzept kennt man zur Genüge.“ „Verstehe...“, sinnierte der Osaker grinsend. „Das heißt, wenn man an Orte geht, an denen es Marmor gibt, die aber nicht berühmt dafür sind, dann kriegt man dort sozusagen Discount-Marmor, richtig?“ „Genau, und da Marmor als chemische Substanz eindeutig definiert ist, also wenig Variation durch Einschlüsse vorliegt, muss man sich auch um die Qualität keine großen Gedanken machen. Das wusste Atsushiro, der es aber auch nur mitbekommen hatte, weil er auf den Kanarischen Inseln war.“ „Aber... Moment mal, auf Lanzarote gibt es Marmor??“, schrie Kazuha plötzlich auf. „Das wäre mir damals, als ich dort war, aber völlig entgangen. Es war doch die halbe Insel mit der Lava bedeckt und die andere Hälfte war auch eher karg, oder mit Weinanbau überdeckt...“ „Oha, du warst schon mal da, es muss wirklich schön sein, so wie Atsushiro immer von dieser Insel schwärmt. Irgendwann wollte ich auch mal dorthin. Allerdings, meinte ich nicht Lanzarote, sondern deren Nachbarinsel Fuerteventura.“ Leicht errötet setzte sich Kazuha wieder auf ihren Platz auf dem Bett, legte die Arme zwischen die Beine. „Und... und dort gibt es Marmor?“ „Einen ganzen Berg... der gewissermaßen... vor sich hin vegetiert. Haha.“ Er lachte laut auf bei der Vorstellung, die ihm jedesmal wieder kam, von einem Berg aus Marmor, der wie ein überreifer Käse zu schimmeln anfängt, weil er an der Luft stand, ohne gegessen zu werden. „Na übertreiben Se da jetzt nich, die Leute da wissen doch wohl, was der Marmor wert sein könnte, oder nich?“, mokierte sich Heiji, bekam aber ein hämisches Grinsen als Antwort. „Ich sagte doch, willst du Marmor aus Carara oder von Fuerteventura, dann kennst du die Antwort. Der Berg wird Stück für Stück von den Einheimischen abgetragen und der Marmor als ganz gewöhnliches Baumaterial verwendet, das billiger ist, als Zement oder Backstein.“ „Das glauben Se doch nicht wirklich...“, aber das verschmitzte Lächeln des Künstlers wurde immer breiter. „Stimmt, ich glaubte es selbst nicht, dass es so einfach wäre, bis mir Atsushiro ein Foto zeigte vom Flughafen auf Fuerteventura. Sie haben... ihr Terminal in Marmor ausgekleidet!“ Den beiden Osaker Oberschülern stand mit einem Mal der Mund offen. Erst ein kurzes Nicken Rans und ihres Vaters war überzeugend genug, dass sie es glauben konnte. „Ein... ganzes... Terminal...?“ „Tja... ich dachte vorher auch, in der Größe wird nur in arabischen Luxushotels ausgekleidet. Zumal Fuerteventura alles andere als reich ist. Die leben nur vom Tourismus, der auch erst in den 70er Jahren kam. Und dann natürlich auch erst durch den Bau des Flughafens selbst. Ergo... für sie ist der Marmor quasi wertlos.“ Kazuha fixierte den großen Block jetzt noch genauer, den Herr Tomoko offenbar, so die Quintessenz für sie, unter Wert erstanden hatte. „Wow. Und dieser Block ist auch aus dem Berg von Fuerteventura?“ „Oh... nein, es war nur der Hinweis von Atsushiro, mich genauer damit zu beschäftigen, wo es guten und nicht so teuren Marmor gibt. Die Kanarischen Inseln liegen von hier aus quasi auf der anderen Seite der Welt. Nach einigem suchen fand ich ähnliche Gegebenheiten auf einer Philipinen-Insel und angesichts des Marmorpreises waren in diesem Fall die Transportkosten eh das entscheidende für den Gesamtpreis. Deshalb wäre ja Fuerteventura auch ungeeignet für den Marmor, weil alle Vorteile durch den Transport zunichte gemacht würden, bei dem Preis hätte ich auch teuren Marmor aus China nehmen können.“ „Und... verraten Sie es uns nun? Was wird daraus?“ Neugierig suchte sie den Blickkontakt zum Tisch dahinter, deutete mit den Augen auf die einzelnen Notizen, entlockte dem Künstler aber nur ein Seufzen. „Nein... nein ich weiß es noch nicht wirklich... und ehrlich gesagt, es ist ein schwieriges Material... schwieriger als ich erwartet habe.“ Er drehte sich etwas zur Seite, schubste mit einem Fuß an der Hebebühne, so dass der ganze Klotz sich um 90° verschob und Blick auf ein kleines Loch frei gab. Etwa auf Höhe des Kopfes des sitzenden Mannes, vielleicht drei Zentimeter im Durchmesser, schräg durch den Marmor etwa zehn Zentimeter lang. „Ich habe gestern Abend mal ein wenig probiert, einfach nur ein Loch zu machen, in einem Bereich, wo ich in jedem Fall vieles entfernen würde... ich mag diese unvergebenden Stoffe nicht...“ Das letzte murmelte er vor sich hin, wollte scheinbar gar nicht, dass man ihn hörte, aber es war zu spät. Heiji stellte die unumgängliche Frage. „'Unvergebend'?“ „Hm... es ist wie mit Holz, oder auch anderen Gesteinen, oder Mineralien allgemein... es erlaubt nicht wirklich... einen Fehler. Du hast einen Ausgangspunkt, eine Menge an Material, in der das Werk ruht, das du dort heraus holen willst. In diesem Fall der Block Marmor hier. So lange noch etwas zu viel Material da ist, kann man praktisch immer weiter machen... aber wenn man einmal... darüber hinaus ist, egal wie wenig... dann ist es praktisch ruiniert. Es vergibt nicht, wenn man an einer Stelle zu viel Marmor weghaut. Unvergebend...“ „Verstehe... aber, welches Material fällt denn nicht unter diese Kategorie?“ „Metalle... Metalle, als elementare Substanzen können gegebenenfalls wieder eingeschmolzen und neu erschaffen werden, zumal sie häufig ja auch in Formen gepresst werden, also selbst nur indirekt bearbeitet. Doch... Metalle sind mir lieber, das fiel mir schon vor langer Zeit auf. Aber ich musste unbedingt, wenn ich so eine Gelegenheit hatte, einmal wenigstens Marmor ausprobieren.“ „Schon klar.“, nickte Kazuha lächelnd, mit einem kleinen Funkeln in den Augen. Es gefiel ihr wirklich sehr, so nahe bei einigen echten Künstlern zu sein, die so frei über ihre Arbeit sprechen konnten, ihre Geheimnisse, die eigentlich keine waren, preisgaben. Heiji überlegte kurz, bevor er sich nochmal zu Wort meldete. „Sagen Sie... weil Sie Metalle erwähnten, man hat uns erzählt, Sie hatten mal im Auftrag von Herrn Kunieda quasi alle Metalle, die es so gibt, bearbeitet. Haben Sie auch so was wie ein Lieblingsmetall? Immerhin scheinen Metalle ja Ihnen schon die meiste... Freude zu bereiten.“ Sein Blick schweifte kurz an die Decke. „Schwer zu sagen... eigentlich haben viele von den selteneren Metallen recht faszinierende Eigenschaften, Titan zum Beispiel ist interessanterweise sehr spröde in seiner Grundform, zwar nicht so wie reines Eisen, aber eben auch sehr kompliziert zu bearbeiten. Dafür ist es im Nachhinein natürlich dauerhaft beständig. Ist nur unglaublich schwer dahin zu kommen... Aber... nun ja, nachdem ich 70 Metalle und mindestens genau so viele Legierungen ausprobiert habe, muss ich sagen, die Klassiker sind immer noch das beste. Kupfer zum Beispiel, und auch Silber. Sollte man auch nicht so oft nehmen, weil es ein wenig ins Geld geht, aber es lohnt sich, definitiv. ... Na schön... ich denke fast, deswegen wollten Herr Mori und sein du mich nicht noch persönlich sprechen, oder? Es gibt doch andere Fragen, die dir auf der Zunge brennen, oder?“ Wie aus dem Nichts wechselte Herr Tomoko das Thema, obwohl es ihm zu gefallen schien, darüber zu reden. Auch Heiji musste kurz den Kopf schütteln, bevor er sich wieder fing und seine Frage formulierte. „Also, sagen Sie, Sie meinten vorhin, Sie hätten bei Herrn Tashija die Wäsche gesehen, die er am Tag, an dem er verschwand noch gewaschen hatte. Dazu hätte ich eigentlich nur zwei Fragen. Zum einen, Sie sagten, dass sie größtenteils unabhängig arbeiten. Also warum genau waren Sie bei ihm? Sie hatten nur was wegen Statik und Projekt gesagt, das klang etwas diffus.“ „Ach das. Nun, ich dachte, die genauen Details wären eher nicht so relevant, deshalb wollte ich es nicht unnötig in die Länge ziehen. Also es ging dabei um Atsushiros Hügelprojekt. Dieser Hügel hat es ihm ja angetan, und ganz im Stile Cesar Manrique's wollte er diesen nun ins... wie er sagte, rechte Licht rücken. Und das ist schon der Ansatzpunkt. Der dichte Wald in der Gegend lässt alles relativ dunkel drum herum erscheinen. Man müsste quasi ne eigene Lichtung daraus machen, wozu man aber viel zu viele Bäume abholzen müsste, ein Unding aus Manriques Sicht. Die Natur ist perfekt wie sie ist, man muss es den Leuten nur so zeigen. So wenig wie möglich verändern, wegnehmen, oder hinzufügen, das war seine Devise. Künstliche Lichtquellen sind begrenzt dort möglich, aber sicher keine externe Stromversorgung. Also spielte Atsushiro mit dem Gedanken eine Kombination kleiner Solarbetriebener Lichter in den Baumkronen zu verteilen, und deren Fokus mithilfe von Spiegeln, die ebenfalls in den Baumkronen verankert waren auf dem Hügel zu verteilen, so dass dieser stets und ausreichend beleuchtet werden konnte. Die Stromversorgung und die Spiegel an sich waren kein Problem und die Position und Ausrichtung der Bäume hatte er bereits auf Skizzen entwickelt. Aber nun brauchte er eben noch etwas Physik und Statik, um ein geeignetes Beleuchtungskonzept zu entwickeln, bevor irgendwas gekauft, gebaut oder angebracht werden konnte. Deswegen bat er mich, ein Buch herauszusuchen, oder gegebenenfalls aus der Bibliothek zu besorgen, weil ich mich mit solchen Problemen besser auskenne. Deswegen war ich an dem Tag, bevor er verschwand bei ihm und habe den Wäschestapel gesehen. Als ich ihn darauf ansprach, er müsste ihn mal wieder abarbeiten, meinte er eben, er wolle es am darauffolgenden Tag erledigen.“ Heiji und auch Kogoro hörten angestrengt zu, die Frage kam gestern nicht auf, auch nicht von Conan. Dennoch schien sie für beide Detektive nur wenig ergiebig, auch wenn sie sich nichts anmerken ließen. „Na schön, und dann... Sie meinten auch, Sie treffen sich wenigstens einmal täglich zum Essen. War Herr Tashija nach Ihrem Besuch nochmal unten?“ Tomoko nickte kurz. „Zum Abendbrot kamen wir alle vier zusammen damals, und gesehen hatte ich ihn am Nachmittag. Das können Sie auch gerne die Anderen fragen.“ „Aber an dem Morgen danach nicht mehr, oder wie?“ „Nein, da war er nicht gekommen und dann eben den ganzen Tag nicht, weshalb wir aufmerksam geworden sind.“ 'Jetzt kapier ich gar nichts mehr... wann soll denn dann...?' Er kratzte sich am Hinterkopf, schob die Kappe noch etwas tiefer ins Gesicht und nickte kurz angebunden ab. „Das war eigentlich schon alles, was ich wissen wollte. Herr Mori, haben Sie noch Fragen?“ Dieser nickte selbst nur skeptisch, zog die Stirn in leichte Falten, bevor er sich erhob und den Weg zur Tür suchte. Herr Tomoko verschränkte auf seinem Hocker wie ein Herrscher auf seinem Thron gebietend die Arme. „Das wars also schon mit dem Verhör? Schön, dann hoffe ich, dass der Inspektor meine anderen Räume nicht verwüstet hat bei seiner Untersuchung.“ Wie angewurzelt blieben alle erschrocken stehen, wandten sich schlagartig zum Künstler hinter ihnen um. „Bitte, meine Herren... und Damen, dieses Spielchen sollten Sie lassen. Ich weiß nicht, ob Sie meine Kollegen damit täuschen können, aber mich nicht. Überall diese skeptischen Blicke. Keine Ahnung, war es der bedauerliche Unfall des kleinen Conans... oder der Umstand, dass Atsushiro bei seinem Verschwinden keine Spuren zu hinterlassen haben scheint? Irgendetwas macht Sie misstrauisch. Es tut mir sehr Leid, dass es so ist, und ich will Ihnen sicher nicht im Weg stehen, bei den Ermittlungen, aber, wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, versuchen Sie nicht zu auffällig dieses Schauspiel durch zu ziehen. Künstler sind Leute... die einfach ein Auge für... die wahre Natur von Dingen haben.“ Heiji bekam als erstes sein Lächeln wieder, steckte seine Hände wieder in seine Hosentasche. „Natürlich... Sie werden dann wohl auch verstehen, wenn ich Sie bitte, zumindest dieses Haus, nicht zu verlassen.“ „Kein Thema. Viel Erfolg, werte Detektive!“ Damit drehte er sich auf dem Hocker um, ohne sie noch dabei zu beobachten, wie sie das Zimmer verließen. Als die Tür sich endlich hinter dem letzten, Kogoro, schloss, atmeten alle einmal durch. „Verdammt!“, zischte Ran zwischen den Lippen, ohne aufzusehen. „Sie wissen es.“ „Nein!“, widersprach der Detektiv des Westens ruhig, aber bestimmt, trat einen Schritt nach vorne. „Das Ganze... ist nicht so klar. Wenn Herr Tomoko uns nicht auch gerade eine Riesenshow lieferte, blufft er, was sein Wissen angeht. Er war drauf und dran zu schwören, dass seine Kollegen niemals eine Untat vollbringen könnten. Er ist überzeugt von ihnen. Aber er meinte damit wohl Conan, nicht Herrn Tashija. Herr Hino wirkt eher so, als könne er nichtmal skeptisch sein, weil er ein Fan von Detektiven ist.“ „Korrektur, Grünschnabel, er ist ein Fan von dir und das könnte, teilweise, zumindest für diesen Fall, auch gespielt sein.“, geiferte der zweite Detektiv von der Seite. „Aber, Sie haben die Anderen doch gehört, Herr Mori, es war bekannt, dass er viel auf mich hält.“ „Und... selbst wenn es wirklich so wäre, heißt ja nicht, dass er nicht der Täter ist. Aber de facto hat Herr Tomoko recht, wir sind doch noch zu deutlich in unserer Darstellung.“ „Das muss nicht das Problem sein. Was ich sagen wollte, bis auf den potentiellen Täter sind die drei absolut überzeugt, dass es niemals einen Mord gegeben hat und dass jemand ein kleines Kind die Treppe runter stieß. Sie vermuten vielleicht, dass wir so etwas denken könnten, aber dann sind wir auch Detektive, sprich, wir gehen in ihren Augen eh vom schlimmsten aus, was meistens nicht der Fall ist. Momentan sind wir besser getarnt, als ich zwischenzeitig befürchtet hatte. Etwas anderes macht mir mehr Sorgen... Es scheint auf einmal wieder... als hätte Tashija nicht die geringste Ahnung gehabt, dass er irgendwem auf den Schlips getreten ist.“ „Wie bitte? Nochmal für langsam, ja?“ „Ich meine, dass ich eigentlich davon ausging, dass er ahnte, dass er sich mit jemandem vom Schloss angelegt hatte und es kurz vor einem offenen Konflikt stand, als der Täter die Notbremse zog und Tashija aus dem Weg räumte. Die Sache mit dem Wäsche waschen sprach in erster Linie dagegen, zumal die Wäsche danach auch auftauchte.“ „Aber dann war das vielleicht ein Ablenkungsmanöver. Herr Tomoko hat die Wäsche gesehen und danach wurde sie gewaschen, aber da hat niemand Herrn Tashija gesehen.“ „Dachte ich auch, aber wozu das Ganze? Eigentlich machte das nur Sinn, wenn man den Todeszeitpunkt verschleiern wollte. Aber da sprechen gleich mehrere Punkte dagegen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Herr Tomoko die ganze Geschichte erfunden hätte und dann die Waschmaschine in Wirklichkeit bediente. Nur bringt das nichts. Denn nach seiner offiziellen Begegnung mit Tashija am Nachmittag zuvor wurde er nochmal gesehen, also würde es lediglich ändern, ob er am Abend vorher starb oder am Tag, als er verschwand. Da macht höchstens Sinn, wenn man in weniger als 24 Stunden eine Leiche findet, danach wird er Todeszeitpunkt zu ungenau und jetzt ist über eine Woche vergangen. Darüber hinaus ist der Haken, dass offiziell Tashija Tomoko bat zu kommen, und nicht umgekehrt. Man kann es drehen und wenden wie man will. Ich komme zu dem Ergebnis, dass die einzig sinnige Variante die ist, er hat wirklich seine Wäsche gewaschen. Dann aber kommt unwiederbringlich die Frage auf, warum er das tun sollte, wenn etwas arges im Busch lag.“ „...Es gibt keinen, schon klar.“ „Und das wiederum bedeutet... er wusste nicht, was passieren würde. Das heißt, es war wohl eher Zufall, dass er sich gerade da von Herrn Yamamura dieses Buch von Holmes geliehen hatte. Und genau das will mir einfach nicht in den Kopf... dass das Zufall sein sollte. Es passt einfach nicht zu ihm, wenn er mitten in solchen Beschäftigungen war, wie sie Tomoko andeutete.“ Mit zusammengekniffenen Zähnen versuchte der Detektiv aus Osaka sich die Stirn zu halten und seine Gedanken zu ordnen. „Nichts!“ Die eine weitere Tür war eben aufgegangen, Inspektor Takagi schritt etwas entnervt heraus, schloss sie leise wieder und trat zur Gruppe. „Also... da ich auch letzte Woche schon hier war und alles inspiziert habe, kann ich festhalten, es hat sich nichts in diesen Räumen verändert, was relevant wäre, nichts auffälliges... und vor allem, auch wenn es ein paar Rohre bei den größeren Maschinen gibt, ist keines davon in irgendeiner Richtung bedeutend schmaler werdend. Und Blutspuren oder ähnliches konnte ich auch nirgends finden. Und bei euch?“ „Nichts...“, stellte Heiji knirschend fest. „Wir sind hier in einer Sackgasse, lassen Sie uns... mal sehen, ob wir in den höheren Etagen weiter kommen.“ Kapitel 12: Gin --------------- Hallo an alle Lesenden, und ich hoffe, ihr hattet, so er denn kam, einen spendablen Nikolaus. ;] Als erstes wieder ein ganz herzliches Dankeschön an die lieben Kommischreiber. So, nun also endlich zur Antwort auf die Frage, was Gin in dem Buch zu suchen hatte... oder auch nicht. ;p Um die Frage vorweg zu nehmen, es wird in dieser FF nicht geklärt, was diese Randnotiz wirklich zu bedeuten hat, das ist nur eine kleine Vorbereitung meinerseits für spätere FFs. Dennoch wird es hier schon einige wichtige Erkenntnisse, im wesentlichen für Ai, geben, und der Übergang gewissermaßen für die weitere Entwicklung der FF aus Sicht Conans geschaffen. So, dann mal wieder genug geschwafelt, ich überlasse es euch, dem Kapitel seine Informationen zu entnehmen. Ich melde mich nochmal am Ende, also bis dann. LG, Diracdet ________________________________________________________________________________ Kapitel 12: Gin Der kleine Junge hielt das Buch eine ganze Weile in der Luft, nutzte den Augenblick, den anderen drei Personen im Raum einen tiefen Einblick in ihre Augen zu entlocken. Professor Agasa und Ai zuckten nur unruhig in ihrem Blickwinkel, ertstarrten angesichts des Wortes; Angst, ehrliche tiefe Angst hatte sie erfüllt, angesichts von 'Gin'. 'Oder doch als Abkürzung... G.I.N.? Oder noch etwas anders, ich kenne das Buch ja nicht wirklich... Aber... egal was, wieso macht es ihnen so viel Angst?' Er konnte nur ahnen, dass ihnen das Wort etwas sagte – genau wie im Normalfall auch ihm – das bedeutsamer war als ein paar Tropfen Alkohol... etwas... bedrohliches. Allerdings schien dieser Aspekt nur für die beiden zu gelten, Kirika reagierte vollkommen unbeteiligt, als sagte ihr das Wort zunächst gar nichts. Im Gegenteil, sie folgte seiner Frage offenbar genau, beugte sich vor in Richtung des Buches, betrachtete, mit dem Zeigefinger am Kinn und die Stirn leicht in Falten gelegt, nachdenklich das Gekritzel neben den sauberen Druckbuchstaben. „Hm... tja, es ist ein bisschen wenig, aber ich würde meinen, Mireilles Handschrift ist es nicht. Also wirst du es wohl selbst rein geschrieben haben, Conan.“, murmelte sie grübelnd vor sich hin, ohne ihm in die Augen zu sehen. Er drehte das Buch wieder zu sich, betrachtete erneut den Text samt der Schrift skeptisch. „Das... soll mein Kommentar sein? So eine Schrift habe ich also? Merkwürdig... sie wirkt schon ziemlich ausgeschrieben... mit sieben Jahren hat man sowas doch normalerweise nicht, oder?“ Auch er murmelte nun mehr, bemerkte die Blicke der anderen nicht. Alle drei wussten, was hinter seiner Erkenntnis steckte, beobachteten fasziniert, wie ihm all die Ungereimtheiten auffielen, die Conan Edogawa ausmachten. Es war als sah man zu, wie jemand ein Rätsel bearbeitete, welches man selbst entwickelt hatte und dessen Lösung man folglich kannte. Man verstand, wann der rätselnde auf der richtigen Fährte war, wann nicht; wann er kurz vor der Lösung stand, wann er im Dunkeln tappte. Nur in Conans Fall... war es lediglich, als wartete man auf das unvermeidliche, als würde er jeden Moment herausschreien 'Ich bin kein Kind!'. Oder... wartete man da auf das Unmögliche? Er war nun mal immer auf eine plausible Lösung fixiert, auf rationale Erklärungen. Auch wenn er diese Seite an sich nicht bewusst kannte im Moment, es war ihm sicher klar. So sehr, wie man seiner Mimik die Anstrengung entnahm, diese rationale Spur zu finden, war es offensichtlich, dass er längst festgestellt hatte, dass ihm übernatürliches nicht lag. Also würde er die Wahrheit doch von vorn herein als unmöglich ausschließen... ein Aspekt, der ungeahntes Potential für Fehler lieferte, wie Ai gedanklich feststellte, rückblickend auf ihre kurzen Lehrgänge zur Mengenlehre, damals in der Privatschule in den Staaten. 'Die leere Menge..., die Menge die kein Element beinhaltet, ist die Quelle aller Fehler, wie es in dem Buch als ironischer Randkommentar hieß. Wenn man eine Lösung in der leeren Menge sucht, in der es also keine Lösung gibt, dann hat diese Lösung jede beliebige Eigenschaft. Sprich, man landet trotz vollkommener Logik bei sich widersprechenden Aussagen. Mich würde wirklich interessieren, wie dein Geist auf so eine Situation reagiert, Shinichi.' „Warum ist dir das aufgefallen?“ Conan sah aufgeschreckt aus seinen Gedanken auf zu Kirika, die ihn, immer noch vorgebeugt, die Hände auf die Knie stützend, eindringlich anstarrte. „Wie?“ „Du hast doch dein Gedächtnis verloren, also hast du das Buch doch auch erst kurz sehen können. Wie bist du so schnell auf diese Stelle mitten im Buch aufmerksam geworden?“ „Ich... ich...“ Er zögerte kurz, als überdachte er seine Aussage. „Ich habe nur einmal durchgeblättert, als ich es entdeckte... es ist doch ein merkwürdiges Buch für einen 7-jährigen, finden Sie nicht? Wenn Ihre Freundin es mir gegeben hat, wieso...“, aber Kirika schüttelte ablehnend den Kopf. „Das ist etwas zwischen ihr und dir, das kann ich dir nicht beantworten. Allerdings... hast du mir auch nicht meine Frage beantwortet. Wie bist du auf diese Stelle gekommen? Beim durchblättern fällt das doch kaum auf. Und selbst wenn, offenbar weißt du es schon länger, aber hast es nicht gesagt. Zumindest würde ich so die Gesichter von Ai und dem Professor interpretieren.“ Eine leichte Unbehagtheit machte sich in ihm breit. Ja, er hatte diese Frau unterschätzt. Sie wirkte unbeholfen, naiv vielleicht... aber sie war nicht nur versiert in ihrer Beobachtung, sondern auch scharf in der Interpretation. Sie konnte in ihm im Moment lesen, wie in einem Buch, was ihm einfach nicht passte. Und dennoch... schien sie auch die Einzige zu sein, die wenigstens ansatzweise auf seine Fragen einging, wenn auch sie sie meistens ablehnend beantwortete; sie war... ehrlicher als die anderen. Obwohl sie offenbar mehr zu verbergen hatte. Eine für ihn absurde Kombination menschlicher Eigenschaften. „Ich... bin drauf gestoßen... weil das Wort selbst... also 'Gin', eine Reaktion bei mir hervorrief.“ Er war sich sehr unsicher, wie sinnvoll es war, diese Information preiszugeben. Er war derjenige ohne Informationen – sie hingegen im Krankenzimmer die Wissende. Er konnte einfach nicht abschätzen, wie richtig oder falsch es war. Zwar schienen Kirika und die beiden anderen nicht unbedingt zusammen zu arbeiten, aber vielleicht war auch das nur gespielt, um ihn in Sicherheit zu wiegen... 'Aah... so kommt man doch nicht weiter. Warum zum Geier sollten sie diese Informationen eines Kindes überhaupt interessieren?!' „Eine Assoziation, meinst du das? Du erinnerst dich an etwas... ein kurzer Augenblick der Vergangenheit, der dir in dein Gehirn eingebrannt ist, und der von dem Wort Gin ausgelöst wurde. Deshalb hast du auch beim kurzen Anblicken der Seite beim Durchblättern es dir merken können, nicht wahr?“ „Mhm.“, nickte er kurz, ohne dabei den Blick von ihr abzuwenden. „Kälte... und Dunkelheit. Das war die Assoziation. So ähnlich wie die Dunkelheit, die mich während des Komas befiel, welches ich nach dem... Unfall... hatte.“ „Kälte... und Dunkelheit.“, wiederholte Kirika monoton. Sie wusste genau, was diese Assoziation war, ordnete sie in das Muster des Bildes ein, dass sie von ihm hatte. 'Er ist wohl doch noch nicht so weit... nun gut. Ich frage mich... ob du einen Watson erträgst, Sherlock...' Erneut legte sie nachdenklich den Zeigefinger ans Kinn. „Mhm... spontan würde ich tippen, hast du vielleicht schlechte Erfahrungen mit Alkohol gemacht?“ Er schaute sie verwundert an. Klang es nicht vor kurzem noch, als wüsste sie genau, wovon sie sprach; nun als wüsste sie es nicht? War das Schauspielerei oder wie? „Soll das ein Scherz sein? Mit 7 Jahren? Und dann wieso kalt und dunkel?“ „Na, wenn man in den Bergen verunglückt und gefunden wird, wird einem doch kurz Alkohol verabreicht, um den Körper zu erwärmen. Wenn du also unter einer Lawine oder so begraben warst...“ Er schüttelte nur bedächtig den Kopf. In seinem Gehrin sprudelte förmlich die Information heraus. „Das sind doch alte Kamellen, die gar keine Gültigkeit mehr haben. Alkohol bewirkt nur ein kurzzeitiges Gefühl der Erwärmung, danach kühlt der Körper durch die schnelle Verbrennung und vor allem die durch die kleine Molekülstruktur des Alkohols bewirkte schnelle Ausbreitung im Körper, sogar noch mehr aus, weshalb er seit sicher 50 Jahren nicht mehr eingesetzt wird.“ „Na schön...“, konterte sie verlegen, aber auch mit einer gewissen Genugtuung. „Aber die Assoziation bleibt, also vielleicht ein anderes Erlebnis... mit einem Alkoholiker, oder allgemein mit einer Flasche Gin...“ Er zuckte kurz nach hinten, visierte sie dann aber noch schärfer. „Was soll dieses Ratespiel, wenn Sie sowieso wissen, was hinter der Assoziation steckt? Dann sagen Sie es gefälligst, oder lassen Sie es!“ Am Ende wurde er so laut, dass auch Kirika verängstigt zurück schreckte. „Wie, aber... ich meine...“ „Ich sprach von Kälte und Dunkelheit und Ihr erster Gedanke war auch meiner, eine schlechte Erfahrung mit dem Alkohol, die man mit 7 besser noch nicht hätte. Eine bestimmte Person habe ich nie erwähnt, aber... ja, ich sehe dann auch immer ein Lächeln vor meinem geistigen Auge. Eine Person, die hämisch grinst... ein Grinsen... wie vom Sensenmann persönlich...“ 'Als ob du ahnen würdest, wie der Sensenmann grinst, Shinichi Kudo...' Kirika durchfuhr dieser Begriff mit einer gewissen Selbstironie. „Aber das ist definitiv eine weitaus unrealistische Interpretation von Kälte und Dunkelheit. Also, wie kamen Sie, wenn Sie nicht wissen, dass es um eine Person geht, ausgerechnet auf so etwas?“ Der nötigende Blick des kleinen Detektivs hatte nun zum ersten Mal wieder die Festigkeit und Überzeugung angenommen, mit der er normalerweise Tätern gegenüber trat. Kirika hatte dieses Feuer in ihm entfacht, ohne dass er es so richtig merkte. Einer kurzen Stille folgte ein resigniertes Lächeln. Sie beugte sich wieder auf, nahm ihre Hände vor den Bauch und klatschte langsam und leise vor sich hin, sah ihm verschmitzt lächelnd in diese Augen. „Bravo, mein Kleiner, wirklich gut. Ich hab mich... wohl verraten. Ja, es ist eine Person. Gin ist doch auch kein so unüblicher Name in Japan, oder. Jedenfalls... du bist mit dieser Person nicht ganz grün... das ist alles. Mehr brauchst du da im Moment nicht wissen, du erinnerst dich bestimmt bald von alleine.“ Ai fing an, an sich selbst zu zweifeln. Was für einem Gespräch hörte sie hier zu? Noir, die sich selbst als eine fast naive junge Frau ausgab sprach mit einem Meisterdetektiv,der unter Amnesie litt über die großen Fragen der Menschheit, und über die Organisation, quasi... nebenbei! Und das eben war der Gipfel: '..'du bist mit dieser Person nicht ganz grün'... mit Gin?!? Sollte das eine scherzhafte Untertreibung sein?' Sie erahnte eine dunkle Erkenntnis, die ihr übel aufstieß... Conans Wissen, jenes, das er für sich behielt, seine Einsichten zur Organisation... dazu Noir hier, die fast wie auf einem Niveau mit ihm sprach. 'Wir verlieren ihn... aus den Augen?' Sie musste es wissen, und nahm all ihren Mut zusammen, um in diese Runde hinein zu fragen. „C-Conan? Wenn... naja, wenn du die Notiz mitten in das Buch gemacht hast, dann doch sicher an einer bestimmten Textstelle. Die ist doch sicher relevant für die Notiz. Dürfte ich fragen, welche Stelle?“ Der kleine Junge blickte zur Seite auf, weg von Kirika, sah verwirrt zu dem kleinen Mädchen. „Hm... habe ich auch schon gedacht... es ist ein recht gehaltvolles Stück, aber so richtig hilft es mir nicht weiter.“ Er blickte kurz zu der Notiz. Daneben begann ein Absatz, der eine halbe Seite füllte. Der erste Satz war sicher irrelevant. Dahinter begann der eigentlich interessante Text. „Nun ja...“, räusperte er sich kurz, bevor er anfing, so gut wie möglich die Stelle vorzulesen. Ein leichter Schauer befiel Kirika bei dem Gedanken. 'Er... er wird es doch nicht wirklich ahnen...' „Zu wissen und nicht zu wissen, absoluter Wahrhaftigkeit inne zu sein, während man sorgfältig konstruierte Lügen erzählte; gleichzeitig zwei einander ausschließende Ansichten zu vertreten, zu wissen, dass sie widersprüchlich waren, und an beide zu glauben; die Logik gegen die Logik ins Feld zu führen, die Moral abzulehnen und sie für sich in Anspruch zu nehmen; an die Unmöglichkeit der Demokratie zu glauben und daran, dass die Partei die Hüterin der Demokratie war; zu vergessen, was vergessen werden musste, um es sich dann wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn es gebraucht wurde, und es dann gleich wieder zu vergessen; und vor allem, eben dieses Verfahren auf das Verfahren selbst anzuwenden. Das war die höchste Finesse: bewusst die Unbewusstheit herbeizuführen und sich dann wieder des eben vollbrachten Hypnoseaktes bewusst zu werden. Allein schon das begreifen des Wortes 'Doppeldenk' beinhaltete den Gebrauch von Doppeldenk.“ Allen dreien blieb bei diesen Worten ein Kloß im Halse stecken. Man hörte Kirika, wie sie kurz schluckte, sich zum Fenster wandte. 'Das... das kann doch nicht sein. Ist er wirklich... so gut schon? Das wäre... zu schön, um wahr zu sein. War Mireilles Tipp zu einfach, oder war es doch, was Vermouth ihm auf dem Schiff verraten hat? Oder hat er es tatsächlich schon vorher geahnt? Wenn ja... Shinichi Kudo... du bist ein Monster, weißt du das?' Monster traf auch in etwa Ais Gedanken. Ihre Befürchtung hatte sich auf grausame Weise bestätigt. Was der Absatz im Buch aussagen wollte, war ihr nach nur einmaligem hören kaum klar, aber was noch viel weniger Sinn ergab war der Zusammenhang zu Gin. Er konnte nichts anderes meinen, als den einen Mann in Schwarz. Der, dem der Vergleich zum Sensenmann für Ai noch am nächsten kam, abgesehen halt von Noir. Aber wenn sie sich diese Frau betrachtete, zweifelte sie, ob nicht doch Gin die Rolle besser ausfüllte. Aber Conan... Shinichi... hatte irgendeine absurde Assoziation zwischen dem Buch und Gin herausgefunden, obwohl er Gin vielleicht fünf- oder sechsmal nur kurz begegnete, während sie ihn seit Jahren genau kannte, all seine Gedankengänge meinte, zumindest in groben Zügen umranden zu können. Aber hier verstand sie nichts, was schlicht und ergreifend bedeutete, Shinichi hatte sie um Meilen überholt. Er hatte Vermuth durchschaut, die sie nur dank der Kassetten ihrer Mutter richtig einschätzen konnte, und nun wusste er wohl schon mehr über Gin als sie... dazu Noir, Takagi, Sonoko, Ran... 'Du bist uns entrückt, Shinichi. Du bist jetzt auf einem ganz anderen Level, auf einem... ebenbürtig zu Noir und Gin. Ein Level, auf dem wir wohl nur noch... störender Ballast sind, oder? Hast du es deswegen... nie verraten?' Sie hatte diese Momente nur kurz, für Augenblicke erlebt und, doch sie wusste wie sehr sie einen... beeinflussten, wie sie fast süchtig machen konnten, aber vor allem, wie weit man sich plötzlich von anderen Menschen entfernt vorkam. Selten, seit sie sich damals aus den Fängen der Organisation befreien konnte, fühlte sie sich so hilflos. Sie sah ihren Freund, der, der sie schützte, in der Position, die sie sich nur in ihren kühnsten Träumen vorstellte, die sie nur als Wissenschaftlerin in einigen seltenen Momenten der Erkenntnis erlebte. Dann, wenn man... 'verstand'; wirklich etwas verstand. Es war, wie sie sich als Assoziation immer vorstellte, wie der Moment, den Whitney Houston einst den Siegern bei Olympischen Spielen in Seoul antitulierte. Der Moment in der Zeit, in dem man wirklich frei war, in dem man wirklich jenseits des Restes der Welt stand und dieses Universums kurzzeitig in sich zu spüren glaubte. Sie hatte es erlebt, nicht zuletzt bei der Entwicklung des APTX. Dieses Gefühl, etwas zum ersten Mal, vor allen anderen auf der Welt zu verstehen. Es ist ein unheimliches Gefühl von Stärke, ein gar tödliches Licht in uns drinne. Und es... machte einsam. So sehr es Conan auch in ihren Gesprächen früher überspielte, er wusste genau, dass es war, wie Ai vermutete. Er konnte so nicht länger mit ihr und dem Professor, wohl nicht mal mit Heiji so offen über diesen Fall reden. Er war auf einer anderen Ebene angekommen, auf der es noch gefährlicher war, noch überlegtere Schritte und Vorsichtsmaßnahmen nötig waren... und wo er es nicht mehr riskieren wollte, auch nur eine Person mit hinein zu ziehen. Und das bedeutete kurz und knapp: sie konnte ihm nicht helfen. Ai war zur machtlosen Zuschauerin degradiert worden, ohne dass sie es überhaupt gemerkt hatte. Der Professor schließlich sprach das Wort aus, dem dieser Text gewidmet war. „Doppeldenk.“ Ai sah erstaunt zu dem alten Mann. Es klang, als würde er sich an dieses Wort erinnern. „Haben Sie... das Buch gelesen?“ „Mhm... ist aber schon ne Ewigkeit her, deshalb habe ich mich auch nur dunkel erinnert. Doppeldenk ist die Philosophie hinter der Welt von 1984. Es ist schwer zu erklären, weil die Beschreibung eine Art... Wahnsinn darstellt aus Sicht des normalen Menschen. Aber nur scheinbar, denn es funktioniert, den Menschen diesen Gedankengang aufzuzwängen. Es heißt... einfach gesagt, zu akzeptieren, das etwas richtig ist, was richtig sein muss, egal, ob die Realität diesem offensichtlich widerspricht oder nicht. Die Partei hat immer Recht, sozusagen kurz gefasst. Das Wesen der Gesellschaft in dem Buch fusst darauf, dass man bewusst akzeptiert, dass alles, was von der Partei kommt wahr ist und damit verbunden, da selbst sie nicht die Zukunft vorhersagen können, unter anderem, dass die Vergangenheit stets ihren Aussagen angepasst werden muss.“ Es knarrte sichtlich im Gehirn Agasas, als er anfing darin nach den Informationen zum Buch zu kramen. Verlegen blickte er schließlich auf, kratzte sich am Hinterkopf. „Das ist... so ungefähr auch alles, woran ich mich diesbezüglich erinnern könnte. Was das... mit dieser Person zu tun hat... weiß ich allerdings auch nicht...“ Damit stand er nicht alleine da. Auch Ai konnte höchstens vermuten, wie dieser Zusammenhang aussah. 'Entweder ist es offensichtlich, oder absurd. Dass Gin andere Leute nach seiner Pfeife tanzen lassen kann und diese gar nicht mitbekommen, dass sie ausgenutzt werden ist, so sonnenklar, dass Kudo dafür niemals einen Kommentar in so ein Buch schreiben würde. Im Gegenteil, er würde das eher als Verschwendung von Zeit ansehen, und vor allem gefährlich. Nein, es müsste ihn eine Erkenntnis wie ein Schlag treffen, die es wert wäre, es dahin nieder zu schreiben. Die zweite Interpretation wäre, Gin täusche sich auch bewusst selbst, wie es in dem Absatz hieß, was schlicht und ergreifend Schwachsinn ist. Wenn man ihm eines nicht vorwerfen kann, dann dass er nicht die Realität kennen würde. Er ist doch genauso rational wie Kudo selbst, sonst könnte er gar nicht so gut sein, wie er definitiv in seiner Arbeit ist... Also sprich...' „Es ist zweiseitig.“ Ihre Gedanken wurden von Kirika unterbrochen, die sich nun wieder am Fenster platziert hatte, aber mit dem Rücken an dieses gelehnt, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Stur starrte sie vor sich hin, während sie sprach. „Das eine ist, dass die wahre Überzeugung dieser Methode, die andauernde Neuerfindung der Wahrheit zugunsten dessen, was man wahr haben möchte, auch für diejenigen zutrifft, die diese Doktrin einführen. Damit erhebt man sich selbst über Zweifel, die einen ereilen könnten. Aber auf der anderen Seite... kann man auch damit Menschen manipulieren... und sich selbst ausschließen.“ Bei diesem Satz wurden nun alle besonders hellhörig. „Es ist dieser Gedanke... der anvertrauten Wahrheit an eine... höhere Weisheit. Wenn eine Person eine andere davon überzeugt, schlauer zu sein als man selbst, so wird diese zweite Person in gewissem Sinne abhängig von der ersten. Wie Sie sagten, Herr Professor, wenn unumstößliche Meinungen herrschen, kann man alles ablehnen, was dieser Meinung widerspricht und allem zustimmen, was ihr zustimmt. Die Geschichte lehrt, wie in Darius' Fall, dass es möglich ist. Und allein das erlaubt es, alles anzuzweifeln, was es gibt. Daher... suchen sich die Menschen andere Wissensquellen, Vertrauen. Erwirbt sich jemand dieses Vertrauen, kann er diese Leute manipulieren, indem er ihnen Unsinn als Logik verkauft. Auch das ist ein Teil von Doppeldenk. Eine scheinbar logische, aber fehlerhafte Argumentation aufstellen zu können... und damit durchzukommen.“ „Halt stopp! Wollen Sie behaupten... Gin zwingt anderen Leuten eine Lüge auf? Das ist so nicht wahr, er...“ Ais Protest wurde kurz unterbrochen vom ironischen Lächeln Kirikas, gefolgt von einem kurzen Kopfschütteln. „Ich sagte nicht, er macht es, lediglich, dass es für ihn möglich wäre. Und zumindest nach außen hin macht er das doch, oder?“ Sie unterließ es, 'außerhalb der Organisation' zu sagen, um Conans Fragen aus dem Weg zu gehen. Dennoch war Ai sofort klar, was gemeint war. 'Ja... stimmt schon, er lässt die Leute, die nichts von der Organisation wissen auch in diesem Glauben... weil sie es glauben wollen. Nur deswegen kann er sie auch überzeugen. Aber das wäre dann doch auch... eine offensichtliche Nebensächlichkeit und nicht bedeutsam genug für den Eintrag.' Es war wirklich zum aus der Haut fahren. Selbst wenn sie nun im Ansatz verstand, worauf der Textabschnitt im Buch hinauswollte, und egal wie viel sie über Gin nachdachte, sie fand den Zusammenhang nicht. Sie war wirklich abgeschlagen, fern von Shinichi, zumindest vom 'wissenden' Shinichi. „Nun ja... wenn du das so unrealistisch findest, Ai... er ist doch nicht der Einzige, dem so etwas erstaunlich gut gelingt, oder?“ Sie sah erschrocken zu der Frau am Fenster auf. „Leute mit scheinbar logischen Argumenten von einer Lüge zu überzeugen... Wenn Logik wirklich das ist, wofür man es hält, wenn es... eine Frage korrekt beantworten muss, wenn man wirklich sauber argumentiert...“ Die Augen Agasas weiteten sich, glitten schlagartig zu Conan, der kerzengerade im Bett saß und sie beobachtete. „Hm. Wie... ich?“ „Tu nicht so, Conan. Du weißt längst selbst, dass auch du ein ziemlich schlaues Bürschchen bist. Und ja... du bist in einigen Dingen... Gin gar nicht so unähnlich.“ ______________________________________________________________________________ Hallo nochmal, wie versprochen, ich wollte noch was sagen. Es geht um eine Weihnachtspause, die nicht zu letzt zustande kommt, weil ich selbst nicht da sein werde. Daher wird nächste Woche das letzte Kapitel für dieses Jahr kommen, und am 23. und 30.12. kein Kapitel. Dafür wird das (sehr wahrscheinlich) die letzte Unterbrechung sein und ab Januar dann die restlichen Kapitel folgen. Nur dass ihr schon mal Bescheid wisst.^^ Also, bis nächste Woche. Liebe Grüße, Diracdet Kapitel 13: Die Sorgen eines Fotokünstlers ------------------------------------------ Hallo an alle Lesenden, und willkommen zum letzten Kapitel von 'Licht und Dunkelheit' für dieses Jahr. Gewissermaßen als kleines Vorweihnachtsgeschenk. ^.~ Erstmal wieder ein ganz herzliches Danke Schön an alle fleißigen Kommischreiber, die unermüdlich immer wieder dazu was zu sagen haben, und es auch verkünden. Ich danke euch wirklich sehr. Manchmal klingt das vielleicht wie eine Floskel, aber es hilft ungemein dieses Feedback zu bekommen, wie andere Leute als man selbst das eigene Gekritzel interpretieren. Also nochmals vielen Dank. ^______________^ So dann also zurück zum Schloss und zum Fotokünstler Daijo Hino. Ich sage es vorweg, es ist sehr wenig Kunst hier drinne, außer ein paar Nuancen ab und zu. Dafür viele Informationen zum Fall und Hintergründe. Alles zum mitraten. ;] Damit ihr über Weihnachten was zu tun habt... XP Nun gut, ohne weitere Vorrede zum Kapitel. Ich wünsche euch eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins Jahr 2010. Das nächste Kapitel kommt dann am 06.01.10. Bis dahin eine geruhsame, besinnliche und fröhliche Zeit. Viele liebe Grüße, Diracdet Kapitel 13: Die Sorgen eines FotoKünstlers „Du hast schon Recht, Heiji... Es macht alles noch keinen rechten Sinn...“, stellte Mori entnervt fest, als er die Treppen hoch stieg in die nächste Etage. Er sprach damit insbesondere auch Inspektor Takagi an, der ja vom Gespräch eben nichts mitbekommen hatte und neugierig aufsah. „...dass es zwar offiziell hieß, Herr Tashija hätte am Tag seines Verschwindens die Wäsche gewaschen, aber es niemand sah, hatten wir bisher als Indiz gedeutet, dass das ein Trick des Täters war. Aber dann käme nur Herr Tomoko in Frage. Und es machte nur Sinn, wenn er damit den Todeszeitpunkt verschleiern wollte, weil die anderen glauben sollten, er wäre noch lebendig gewesen. Das Problem ist nur, dass Tomoko selbst behauptete, den Wäschestapel am Tag vor dem Verschwinden noch vor dem Abendbrot gesehen zu haben, an welchem Herr Tashija teilnahm. Sprich, er verbrät unnötig seinen einzigen möglichen Vorteil und macht sich nur selbst verdächtig, weil er der einzige ist, der es wusste, obwohl Herr Tashija es hätte erwähnen können.“ „Dazu kommt, dass Herr Hino die Waschmaschine am darauf folgenden Tag hörte...“, ergänzte Heiji mit am Kinn verkrampften Händen. „Und schließlich, dadurch, dass sich die Künstler isolieren, außer für die Mahlzeiten, hat keiner großartig ein Alibi außer eben für diese kurzen Zeiten. Sagen Sie, fand die Polizei dreckige Wäsche in Herrn Tashijas Zimmer?“ „Ähm... nein, die war sauber und die Schränke wirkten auch so weit gefüllt mit Sachen, die zu seiner Größe passten.“ „Dann hat es sich wohl echt erledigt.“, resignierte Mori. „Er muss kurz zuvor gewaschen haben, sonst wäre entweder Wäsche da, oder die Schränke nicht voll. Mehr zu kaufen als man Platz hat, scheint mir zumindest sehr abwegig und sinnlos. Und wenn die Wäsche früher war, hätten es die anderen Künstler erst recht mitbekommen.“ „Hm... und wenn zwar Herr Tomoko vollständig die Wahrheit sagte, dann aber ein anderer als Täter Herrn Tashija umbrachte und zur Tarnung dessen Wäsche wusch und selbst zurückbrachte?“, konterte der Beamte, erhielt jedoch nur ein kurzes Schütteln. „Warum der Aufwand, wegen ein paar Stunden? Wenn wir jetzt die Leiche finden, vielleicht im Wald, bei diesen klimatischen Bedingungen, können wir froh sein, wenn wir den Todestag bestimmt kriegen... nein ich fürchte, unsere Erkenntnis vom Gespräch eben ist nur, dass der verschwundene Künstler tatsächlich seine Wäsche gewaschen hat...“ „Nicht ganz...“ Heiji sprach mehr zu sich selbst, blickte stur nach vorne. „Es gibt zwar noch ein paar abwegige Varianten, aber so weit haben Sie schon recht, Mori, er wird sie sehr wahrscheinlich selbst gewaschen haben. Aber das Gespräch war nicht so nutzlos.“ „Ach nein?“ „Herr Tomoko hat, gewollt oder ungewollt, uns ein Motiv für die Tat geliefert. Geld. Wie sagte er, es ist halt immer noch eine brotlose Kunst und man muss gut haushalten? Für ihn gilt das sicher noch etwas extremer als für Herrn Hino und Herrn Yamamura, aber alle sind sicher nicht wohlhabend und sehr erfreut über ihr hiesiges Heim. Herr Tashija aber scheint aus einer zumindest wohlhabenden Familie zu stammen, wenn sie im Urlaub, ähnlich wie Kazuha, von Japan auf die Kanarischen Inseln fliegen konnten, das ist alles andere als ein üblicher Sommerurlaub. Und Herr Tashija war wohl noch öfter da, oder zumindest länger, wenn er sich so tiefgehend mit César Manrique befasst hatte. Vielleicht steckt etwas derartiges dahinter...“ „Aber wie? Meinst du, einer der Künstler hat sich was von Tashija geliehen und dieser hat ihn dafür erpresst?“ „Keine Ahnung, ich spekuliere nur. Bisher erschließt sich mir einfach nicht, was diese Künstler miteinander groß zu schaffen hatten. Aber ich glaube, Herr Hino kann einige meiner Fragen beantworten. Oh... wenn man vom Teufel spricht...“ Sie befanden sich auf etwa zwei Drittel der Treppenhöhe, als Heiji aufsah und die anderen durch seinen Kommentar dazu brachte ebenfalls Herrn Hino am oberen Treppenrand zu erblicken. Er stand da, beobachtete von sicherer Entfernung aus die heraufsteigenden Gäste. Sein Blick war undeutlich, nicht frei von Skepsis, die er eigentlich seit der Eingangshalle abgelegt zu haben schien, aber auch nicht wirklich unruhig, nervös... oder überhaupt... negativ. Keinem war klar, wie viel er vom Gespräch mitbekommen hatte, sie sprachen leise, umgekehrt war die Akustik nicht schlecht. Aber das eigentlich verwunderliche war, dass der Fotograph sie gar nicht direkt ansah. Er stand an der Brüstung, starrte hinunter in das künstliche Treppenhaus, welches durch die weiten Stufen, die sich zu zwei Seiten jeweils an den Wänden entlang hangelten, gebildet wurde. Tiefe Nachdenklichkeit hatte ihn umfasst, vielleicht hatte er auch gar nichts gehört, unabhängig davon, wie laut sie gesprochen hatten. „Hallo, Herr Hino.“, begrüßte ihn Kogoro verwundert. Dieser war noch verwunderter, schaute auf, gab den Blick auf die deutlichen Augenringe wieder. „Oh... Sie sind schon da. Ich war... war wohl nicht ganz bei der Sache.“ Als er den Kopf hob, wirkte sein glasiger Blick schon fast resignierend. „Worüber... haben Sie nachgedacht, wenn ich fragen darf?“ „Hm... ich weiß es nicht genau. Ich... habe so ein unbestimmtes Gefühl einfach... erst Atsushiro, dann Conan... nun sind Sie alle hier... ist etwas passiert, Herr Mori? Ist etwas... etwas wirklich schlimmes womöglich...“ Er schien sich über dem Gedanken die Nägel abzukauen, es blockierte fast seinen Verstand, was Kogoro sichtlich überraschte. Er hatte Hino nicht nur gestern als sehr gefassten Mann erlebt, der, allein wegen der Geschichte mit seinem Foto, sich mit allen Widrigkeiten des Lebens zu arrangieren schien, auch heute wirkte er so sicher. War das vielleicht nur gespielt, oder ging es ihm darum, was seine Kollegen von ihm hielten? Heiji trat am Detektiv aus Tokio vorbei auf den Künstler zu, lächelte bescheiden. „Nein, nicht doch... zumindest nicht, so weit wir es sagen können. Wir behalten uns nur alle Möglichkeiten offen, das ist so ein Detektiven-Fimmel, wie Ihre Künstler-Macken.“ „Was... äh... oh ja... schon klar, witzig.“ Kaum einmal vorher wirkte er so erschöpft wie in diesem Augenblick. Seine Hand griff unwillig an die Stirn, fuhr über die Augen, bevor er tief ausatmete. „Verflixt, die Müdigkeit übermannt mich bald.“ „Was haben Sie denn über Nacht getan?“ „Das war es ja, im Prinzip konnte ich weder schlafen, weil mir diese Dinge durch den Kopf schossen, noch irgendetwas bestimmtes anderes machen, weil ich mich kaum konzentrieren konnte. Zumal das bei mir auch so eine Sache ist, rausgehen in der Nacht mach ich selten für Bilder und hier drinne sind meine Fähigkeiten doch recht begrenzt.“ Er gähnte heftig, bevor er sich in Richtung seines Zimmers begab. „Ich habe das, was ich meistens mache, wenn ich mich nicht konzentrieren kann, getan. Ich habe meine Alben geordnet, einige Bilder auf Filmen entwickelt, die noch nicht entwickelt waren, die Kameras überprüft, irgendetwas, um mich abzulenken von dem Bild des armen Conan gestern. Hat Katsui nicht auch was entsprechendes gemacht, nachdem Sie gestern Abend weg waren?“ Alle drei Kriminologen blickten neugierig auf. Ablenkung... Nervosität also doch... es war wohl wirklich wie Heiji vermutete. Wer auch immer der Verantwortliche war, stürzte sich wahrscheinlich danach in Arbeit, um seine Gedanken zu ordnen. Wohl wissend, dass die anderen Künstler das gleiche tun würden und er sich somit gut tarnen würde. 'Deshalb also hat er Conan, nachdem er gegen das Rohr geschleudert wurde, so offen auf der Treppe positioniert. Damit die anderen Künstler ihn ebenfalls sehen und alle das Bild des bewusstlosen Grundschülers eingebrannt bekommen und die gleiche Reaktion zeigen. Hätte er ihn versteckt, wäre es natürlich nur zu noch mehr Untersuchungen gekommen... Was aber auch bedeutet, dass der Täter wohl schon eine starke eigene Reaktion wegen Conan hat... also doch kein skrupelloser Mörder? Oder nur weil Conan ein Kind ist...?' Kogoro antwortete schließlich. „Nun ja, er hat an seinem Marmorblock gearbeitet.“ „Ach, dann ist er also noch so weit klar im Kopf gewesen, dass er professionell arbeiten konnte?“ „Nun ja, er hat an einer Stelle, wo er später wohl eh alles weghauen will, die Bearbeitungsfähigkeit des Marmors getestet. Er hat dort ein durchgängiges Loch, durch das Material gehauen.“ Mit einem Mal fing der Fotograph laut zu lachen an, musste sich direkt den Bauch halten. „Ich nehms zurück, er konnte nicht klar denken.“ „Äh... wieso, weil er ein Loch gemacht hat?“ „Herr Mori, war das Loch zufällig rund wie ein Zylinder?“ „Ja... doch, es war sehr rund, glaube ich. Aber wieso...“ „Was glauben Sie, wie schwer es ist, etwas rund zu machen aus einem Material wie Marmor, ohne elektrische Geräte? Man unterscheidet üblicherweise drei Stufen, geometrisch rund, das perfekte, aptisch rund, es fühlt sich rund an und optisch rund, es sieht rund aus für das menschliche Auge. Letzteres ist die einfachste Form und schon die ist für einen Anfänger praktisch unmöglich zu erreichen. Selbst ein Meister wie Katsui Tomoko arbeitet an so etwas mehrere Stunden und das in akribischer Feinarbeit für seine Kreationen.“ „Aber dann hat er doch... sehr klaren Kopf bewiesen, oder...“ Herr Hino schüttelte heftig mit dem Kopf. „Sie verstehen nicht, so was macht man nicht umsonst, viel zu aufwendig. Wenn er an dem Marmor üben will und eine Stelle mit viel Verlust später wählt, ist das legitim, aber ein Loch, das er rund schleift, um es dann wieder zu entfernen? Unmöglich, er wollte sich nur ablenken, definitiv!“ Erneut kreuzten sich die Blicke der drei, auch Ran und Kazuha beobachteten von einiger Distanz das Gespräch. „Hatte Herr Yamamura auch so eine Beschäftigung die letzte Nacht?“ Nun drängte auch Ran sich etwas an der Seite vorbei, suchte einen freien Platz, um den Künstler genau zu beobachten. „Tse, da fragst du was, Ran. Irgendetwas haben wir alle gemacht, das war heute Morgen beim Frühstück zu sehen. Keiner hat groß was gesagt, jeder wirkte total übermüdet. Wenn man sich den Tag über mit Arbeit befasst, geht die Müdigkeit ein wenig weg, weshalb wir wohl auch eben, als ihr kamt, so... wach schienen. Also... vermutlich, aber keine Ahnung. So weit ich weiß, malt er, wenn er sich nicht konzentrieren kann, was anderes als das, was er offiziell macht. Aber was genau...“ Er zuckte unwissend die Schultern, was auch Rans Körper leicht zusammenschlaffen und ihren Kopf hängen ließ. 'Also alle drei... gleichermaßen. Fast schon synchron. In zwei Fällen echt, in einem gespielt. Es ist wie damals bei Mamoru und den Physikern. Sie kennen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch durch ihre gemeinsame Profession so gut... dass keiner von ihnen einen Fehler derart machen würde, dass er sich verrät. Verdammt.' Sie biss sich kräftig auf die Unterlippe, als... „Aah, nein, nicht!“ Der Schrei Hinos riss sie aus ihren Gedanken. Genauso schien auch er aus seiner Lethargie aufzuwachen, rannte wie wild auf eine Tür zu, die Kazuha mit neugierigem Blick zunächst beobachtete und dann öffnete. „Nicht doch, Mädchen, das ist die Dunkelkammer für die Entwicklung der Filme. Da kannst du doch nicht einfach rein! Hast du das Licht nicht...“ Er verstummte, stand stocksteif da. Eben wollte er Kazuha, die selbst verstört von seinen wilden Gesten an der Tür kauerte, die rote Lampe über der Tür zeigen, die signalisierte, wenn Filme am Entwickeln waren und möglichst nicht selbige Tür zu öffnen war, als er feststellte, dass genau dieses Licht gar nicht leuchtete. „Ich... also...“, begann die junge Frau stockend, sich zu erklären. „Ich wusste, dass es der Entwicklungsraum war, wegen der Lampe... aber sie war aus... und außerdem... ist doch jemand da drinne, wenn Fotos entwickeln... oder nicht... und Sie sagten, Sie hätten das letzte Nacht gemacht, also müssten die Fotos doch jetzt... fertig... sein?“ Die letzten Worte waren fast stumm, nicht zuletzt wegen des verzweifelten Blickes von Herrn Hino in Richtung der ausgeschalteten Lampe. Fast schon theatralisch wirkte es, als er den Kopf senkte und vor sich hin starrte. „Ich habs vergessen... Ich habe heute Vormittag auch noch Bilder entwickelt, aber... sie müssen nach den aktiven chemischen Verfahren noch eine Weile in der Dunkelheit trocknen, gerade bei ein Fotokunst macht man lieber eine längere Entwicklungsphase, als dass doch noch irgendeine Lichtkomponente das Bild ruiniert. Also ging ich raus... und habe das Licht danach... ausgemacht? Oder hatte ich es nicht mal an, als ich reinging?“ Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand neben der Tür, schlug zweimal kurz und langsam mit der Stirn dagegen. „Es tut mir Leid, Herr Hino!“ „Schon gut... ich... ich bin wohl doch noch müder als ich dachte.“ Er wirkte wie eine gebrochene Gestalt, wie er da an der Wand stand und auf das weiß der Tapete starrte. Fast willenlos sprach er vor sich hin, murmelte, ohne selbst hinzuhören. „Ironie irgendwo, mit der Fotografie. Es geht darum, das richtige Licht zu finden, die richtigen Winkeleinstellungen, Blitz und alles. Und am Ende... kann es scheitern, wenn ein Fünkchen mehr Licht hinzukommt. Ich genieße normalerweise die Dunkelheit und Ruhe im Entwicklungsraum, genau wie die Fotos... über die man bei mir immer sagt, sie wären so sehr ausgeleuchtet... Und dann fürchtet man sich vor ein bisschen Licht. Dabei ist es mir so wichtig, wie auch den meisten anderen Künstlern.“ „Hm?“ Unsicher schaute Kazuha zu ihm auf, ein leichtes Flackern in den Augen zeigte sich, ehe er sich wieder aufrichtete und den Kopf zur Decke richtete. „Licht und Dunkelheit spielen in der Kunst eine wirklich extreme, wechselseitige Rolle. Und ich persönlich finde sie in der Fotografie am besten vermittelt. Obwohl das Licht scheinbar das entscheidende ist, was dem Bild die Schönheit verleiht, so kann es nur im passenden Ausgleich mit der Dunkelheit, der richtigen Balance wirklich zur Geltung kommen. Licht alleine ist... einfach... leer, eine andere Leere, als tiefste Schwärze, aber dennoch leer. Direkt beängstigend... so wie der kleine Junge gestern.“ „Wie... Conan?“ Nun wurden alle aufmerksam, besonders Ran. „Nun... ich kenne ihn ja nicht so gut, wie Herr Mori oder Ran... aber... er war doch auch irgendwie... merkwürdig... oder? Man erwartet ja, dass ein Kind neugierig ist, aber... er hat alle möglichen Fragen gestellt, auch als die anderen schon gegangen waren. Und diese Fragen waren auch...“ Er suchte sichtlich nach Worten, um sein Gefühl zu beschreiben, das er selbst nicht richtig verstand. „... zusammenhängend, sinnvoll, einfach... unkindlich. Es ist wie gesagt nicht ungewöhnlich, wenn Kinder viele Fragen stellen, und es ist eine Eigenschaft an ihnen, die hervor sticht, etwas, was bei ihnen im Licht scheint. So meine ich das übertragen. Aber bei Conan... wirkte dieses Licht einfach... anders, und das war beängstigend.“ „Wie bitte? Hat der Nervenzwerg eigentlich nichts anderes im Kopf?“ Kogoro lehnte sich unzufrieden nach hinten an das Treppengeländer, verschränkte die Arme vor der Brust, zwinkerte aber unauffällig Heiji dabei zu. „Machen Sie sich keine Gedanken, Herr Hino. Conan ist immer so eine aufdringliche Nervensäge und das bei jedem Fall, egal, wie oft man ihm sagt, er soll sich heraus halten. Tse.“ Etwas verwirrt sah der Künstler auf. Auch Ran nickte zustimmend. Ja, so war Conan immer. Und genau das war es auch, was ihm diesmal zum Verhängnis wurde, ohne Frage. Darin waren sie sich, inklusive Herrn Mori und Kazuha einig. Und damit war auch Heijis Kommentar die logische Konsequenz. „Was waren denn das so für Fragen, Herr Hino?“ Der Fotograph legte bedächtig seine Finger ans Kinn, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben dem Entwicklungslabor. „Also, das war, als Herr Mori und Ran gerade gehen wollten, dass er mich nochmal von der Seite ansprach...“ 'Wie immer.', stellten beide Moris mit gemischten Gefühlen fest. Man konnte scheinbar seine Uhr danach richten, dass Conan früher oder später auf diese Weise seine Fragen stellen würde. Und dass er es nun offenbar auch bewusst versteckte vor den anderen... '...heißt, dass er es keineswegs als falsch oder schlecht empfindet, egal wie oft man ihm das sagt!' Kogoro kochte innerlich bei dem Gedanken, was für ein ungezogener Bengel doch da bei ihm wohnte. Ran hingegen setzte auf ihrer geistigen Liste nur ein weiteres Häkchen in die „Was haben Conan und Shinichi gemeinsam“ - Liste und seufzte leise. „...und fragte, ob Atsushiro, also Herr Tashija, schon mal mit Herrn Kunieda über den Hügel gesprochen hätte.“ „Und was haben Sie ihm gesagt?“ Heiji verbarg in seiner Neugier den Punkt, dass er genau dieselbe Frage Herrn Hino stellen wollte. So konnte er, ohne Skepsis zu erwecken, diese Information über den Umweg Conans bekommen. Und außerdem konnte die Frage damit nicht völlig falsch sein. Wenn Shinichi sie stellte, bedeutete es zumindest, man konnte den Spuren folgen, die er hatte, und er schien ja in irgendeiner Form fündig geworden zu sein. „Nun, ich war mir gestern, und bin es auch heute noch, nicht ganz sicher. Es war so, dass er, Atsushiro, den Hügel relativ schnell entdeckte, kurz nachdem er hier einzog, aber ich meine, das erste Mal, dass er persönlich mit Herrn Kunieda darüber sprach, war vor etwa einem halben Jahr. Da hatte ich Anteile an einer Ausstellung, zu der auch Kunieda kam. Atsushiro ist mitgereist, um ihm von dem Hügel und seinen Projekten darum zu berichten. Ich habe die beiden nur aus einer kleinen Entfernung gesehen, wie sie darüber sprachen, weil ich beschäftigt war mit ein paar Besuchern, die einige Zusatzinformationen zu einem meiner Fotos wollten. Wenn ich mich an Herrn Kuniedas Gesichtsausdruck während des Gespräches erinnere, so würde ich ihn wie folgt interpretieren: er war zunächst etwas überrascht, erinnerte sich dann langsam an den Hügel in seinem... 'Vorgarten', und lauschte schließlich gespannt einigen Plänen...“ „Und Herr Tashija selbst? Sie scheinen ja sehr genau noch drauf geachtet zu haben, also wird Ihnen seinen Mienenspiel doch auch nicht entgangen sein.“ „Doch leider... leider schon, wie gesagt, es war etwas aus der Entfernung, und während ich Herrn Kuniedas Gesicht genau sah, stand Atsushiro mit dem Rücken zu mir.“ „Schade... also ist Ihnen zu ihm bei diesem Gespräch nichts weiter aufgefallen?“ Der Künstler schaute verdutzt zum jungen Detektiv, legte leicht den Kopf schief. „Nun, wenn du so fragst, etwas fiel mir schon, auch aus dem Augenwinkel auf, was ich damals merkwürdig fand. Er hatte zwischendurch einen Stift rausgeholt und angefangen, in seinen Skizzen zu malen.“ „Während des Gesprächs, meinen Sie? Wieso...“ „Na, weil er doch fertige Projektskizzen hatte. Und es sah nun nicht so aus, als hätte Herr Kunieda ihn da noch zu großen Erweiterungen motiviert, er sagte fast nichts, sondern lauschte nur. Wieso also brauchte er plötzlich einen Stift und machte in die fertigen Skizzen neue Korrekturen? Eine spontane Inspiration ist ja immer denkbar, aber da schien irgendwie vollkommen der Ansatz zu fehlen. Deshalb blieb mir diese Szene auch im Kopf.“ Heiji legte nachdenklich den Kopf auf seine Finger, während Kogoro nun seinerseits nachfragte. „Sagen Sie, Herr Hino... kann es sein, dass...“ „Ja.“ Alle blickten ihn verwirrt an. „Sie wollten doch vermutlich fragen, ob es sein könnte, dass die genaueren Pläne, die Atsushiro zum Hügel hatte, erst nach diesem Gespräch aufkamen, nicht wahr?“ Als dieser nur schluckte und abnickte, fand sich endlich wieder ein schwaches Lächeln auf Herrn Hinos Gesicht wieder, auch wenn man ihm ein paar Schweißtropfen auf der Stirn ansah. „Dann habe ich mich wohl nicht geirrt. Ich habe Ihnen vorhin die erste Frage Conans von gestern Nachmittag erzählt. Daraufhin hat Heiji Hattori eine Frage gestellt, die für ihn sofort daraus folgte, und nun wollten Sie eine stellen, die für Sie als dritte folgt. Und es wäre die dritte Frage von Conan gewesen. Er hat genau das Gleiche wissen wollen. Gruselig, finden Sie nicht?“ Kogoro und Heiji blickten sich im Augenwinkel kurz an, dann wieder auf den Fotographen ihnen gegenüber, antworteten aber nicht. Dass die Fragen Conans im Gesamtkonzept Sinn ergaben war für beide nichts neues, auch der Schlafende Meisterdetektiv hatte dies längst akzeptiert, wenngleich auch ohne den Vorteil seines Kollegen, den Grund für diesen Sinn zu kennen. Viel mehr war es die mögliche Aussage hinter Hinos Erklärung, die beide beschäftigte. Wenn selbst Herr Kunieda den Hügel nicht kannte, konnte er einfach nicht vorher da gewesen sein und damit war Herrn Tashijas Vermutung, es wäre ein antikes Objekt hinfällig. Wenn er daraufhin seine Pläne änderte, und es sogar noch genauer herausstellte, hieße das eigentlich... „Nein, ich finde das eigentlich eine sehr passende Kombination von Fragen.“, unterbrach Ran ihre Gedanken. Ein leicht zynisches Lächeln spielte sich auf ihren Lippen ab. „Naja, aber... bei einem 7-Jährigen Kind...“ „Trotzdem, Kinder sind halt neugierig und Conan ist nicht auf...“ Sie biss sich fast auf die Lippen, ballte die Fäuste, bis sich die Fingernägel in ihre Hand bohrten. Wollte sie etwa gerade sagen, 'er ist nicht auf den Kopf gefallen'? In der jetzigen Situation wäre das mehr als makaber. Der Fotograph schien sie zu reizen, vielleicht war es auch das ganze Schloss, welches ihr weniger als 24 Stunden zuvor noch so malerisch, idyllisch vorkam. Es hatte seinen Glanz für sie verloren, und wurde mit jedem Moment bitterer im Beigeschmack. „Es als gruselig zu bezeichnen... macht meiner Meinung nach nur Sinn, wenn man...“ „Wenn man es überhaupt nicht gewöhnt ist, mit Kindern zu arbeiten!“ Wie aus dem Nichts drängelte sich Kazuha an ihr vorbei, schnitt ihr das Wort ab. Es war allen zu klar, was sie sagen wollte; eine Bemerkung, die klar machen würde, selbst dem scheinbar verschlafenen Künstler, dass er hier unter Verdacht stand. Schlimm genug, dass Herr Tomoko etwas ahnte, aber wenn auch Herr Hino etwas erfuhr, war mit 2/3 Sicherheit der Mörder von Herrn Tashija eingeweiht und die ganze Aktion so gut wie gescheitert. Kazuha drehte sich leicht zur Seite, dass Ran ihr rechtes Auge sehen konnte, und zwinkerte ihr aus diesem zu. Erst jetzt schien die junge Frau aus ihrer fast Trance-artigen Reaktion, in der sie beinahe einen verhängnisvollen Fauxpas begingen hätte, aufzuwachen. Schließlich nickte sie schwach, lächelte und formte mit den Lippen ein stummes 'Danke schön', bevor sich ihre Freundin wieder umwandte. „Sie scheinen wirklich ziemlich isoliert zu leben, als hätten Sie überhaupt keinen Kontakt zu anderen Menschen, Herr Hino. Wenn Sie das Leben festhalten wollen, in Ihren Bildern, sollten Sie vielleicht auch öfters dahin gehen, wo das Leben ist.“ Das hatte offenbar gesessen, Her Hino starrte sie nur verwirrt an, brauchte eine Weile. „Ist das... ist das so normal, bei Kindern seines Alters? Na holla... aber wenn du meinst... vielleicht bin ich ja wirklich zu selten unter Menschen. Seijiro hat da schon einen großen Vorteil mit seinen Büchern und Katsui muss häufig Geräte und Materialien einkaufen, wodurch er viel Kontakt bekommt... Ist schon traurig, wenn man so was nicht erkennt...“ Kazuha konnte sich nicht verkneifen, Mitleid mit dem traurigen Blick Daijo Hinos zu haben. Denn letztlich taten sie ihm im Moment Unrecht. Conan war alles andere als normal, er war wirklich schlau für sein Alter und die Tatsache, dass zwei Meisterdetektive zusammen auf die gleichen Fragen kommen, die er gestellt hat, belegte das eigentlich. Ein Gedanke, den der Fotograph wohl in seiner Müdigkeit ignorierte. Aber deswegen hatte sie ihn nun, wenn auch aus der Notwendigkeit die Intentionen der anderen zu decken, in seiner Realitätsvorstellung nieder gemacht und damit indirekt auch seine Bilder schlecht geredet. Sie, die als Kunstinteressierte auf diesem Schloss empfangen wurde... kritisierte ihn. Und sie wusste nicht, wie er darauf reagierte, er der wegen diesem einen Bild eines sterbenden Fisches schon eine Menge einstecken musste. Mit einem Mal kamen auch in ihr diese Gedanken hoch, die wohl Ran bewegten. Er wurde viel kritisiert, nicht zuletzt vom verschwundenen und sehr wahrscheinlich getöteten Herrn Tashija, mit dem er sich nicht gut verstand. Er empfindet Conan als gruselig, weil er Fragen stellte, die... durchaus Sinn ergeben, während seine Antworten eher viele Fragen offen ließen. Und auch wenn er durch seine Müdigkeit im Augenblick sehr lethargisch wirkte, so wusste niemand, wie er reagiert hätte... wenn gestern... Conan... Ja, er war durchaus ein Kandidat für den Mörder, auch wenn es im Moment keinerlei Beweise oder auch nur Indizien gegen ihn gab. „Sagen Sie... Herr Tashija wird doch sicher viele Fotos von seinem Hügel gemacht haben. Hat er die auch hier entwickelt?“ Heiji hatte den Punkt in seinem Kopf abgearbeitet, suchte einen neuen Ansatz. „Nein, da muss ich dich enttäuschen, Atsushiro hat für seine Bilder immer eine Digi-Cam benutzt und folglich nie mein Entwicklungslabor benötigt.“ „Stimmt, es gibt hier leider keine Fotos, Heiji.“ Der Künstler erschrak buchstäblich, als neben ihm Takagi auftauchte und seinen Satz kommentierte. „Das hatten wir letzte Woche auch nochmal überprüft. Hier auf dieser Etage ist nicht ein Foto, das nicht aus einer solchen analogen Kamera stammte. Äh... ist was Herr Hino?“ Der starrte nur kreidebleich zum Polizisten, musterte den verwirrt dreinblickenden von oben bis unten. „St- standen Sie hier schon die ganze Zeit, Inspektor?“ „Sicher, wo soll ich sonst gewesen sein?“ Seine Maskerade war wirklich perfekt, schließlich hatte er die Unaufmerksamkeit des Fotographen genutzt, als dieser das ausgeschaltete Licht des Fotolabors sah, um sich in einige andere Räume zu stehlen und nach dem weiterhin ominösen Rohr zu suchen, welches Conan gesehen haben wollte. Sein fast neutraler Blick sagte eindeutig, dass nichts da war, was sich als solches eignen würde, was Heiji allerdings auch nicht wirklich überraschte. Etwas anderes hatte seine Gedanken nun erfasst. Die Digital-Kamera von Herrn Tashija. „Er hat ne Digi-Cam, sagen Se?“ Mit einem Mal schienen sich ein paar seiner Sorgen und Gedanken zerschlagen zu haben. Sein Blick wanderte kurz zu Kogoro, der jedoch eher verständnislos wirkte. „Das heißt, er hat wohl auch einen Computer und etwas zum Drucken, oder fährt er dafür normalerweise in die Stadt?“ „Äh... nein, er hat nen Laptop, und auch ein kleines Druckstudio, welches er intensiv nutzt.“ „Und das ist alles noch da oben?“ „Nein, der Laptop war mit Atsushiro verschwunden, nur das Druckstudio ist noch da. Aber auch alle Bilder vom Hügel hängen da rum, oder liegen rum, im ganzen Raum verteilt, eigentlich die ganze Etage...“ „Nur der Laptop? Waren da irgendwelche wichtigen Sachen drauf? Oder wissen Sie zufällig, ob der Rechner Passwortgeschützt war?“ Heijis Neugier war sichtlich geweckt, auch wenn er im stillen ahnte, auch hier nur einen halben Hinweis zu entdecken. Wie alles... nur halbe Hinweise, Doppeldeutigkeiten... Mysterien, die keiner so recht bemerkte. „Hm... keine Ahnung, ob er geschützt war...“ „Aber wenn, hätten wir der Untersuchung halber eh das Passwort geknackt, um an die Daten zu gelangen.“, klärte Takagi auf. „Allerdings war das auch so in gewisser Weise erwartet worden. Ein Laptop kann leicht mitgenommen werden, während das Druckstudio recht voluminös ist, und wesentlich leichter zu ersetzen, als der Computer. Deshalb befanden wir das auch als Indiz, dass Herr Tashija einfach gegangen ist.“ Heiji legte den Zeigefinger ans Kinn. 'So halb haben Sie recht, Inspektor. Man würde umgekehrt, wenn der Laptop noch da wäre, davon ausgehen, dass Tashija nicht einfach gegangen ist, aber dass er weg ist, heißt nicht unbedingt, dass er umgekehrt von sich aus verschwunden ist. Der Laptop könnte natürlich auch vom Täter entfernt worden sein, allein wegen dem Argument, dass es komisch wäre, wenn der Laptop noch da wäre... Nur, allein, weil es voluminös war, die Druckstation nicht mitzunehmen...' „Ähm... wissen Sie, ob der Computer rein für seine Arbeit verwendet wurde?“ „Tja... ich denke, fast ausschließlich, ein wenig Kontakt und so hatte er wohl noch zu einigen ehemaligen Studenten, per Mail, aber ansonsten wohl nur dafür.“ „Kann es sein, dass Herr Tashija recht vermögend war, also zumindest für einen Künstler?“Jetzt blickte auch Herr Hino erstmals wieder auf, seit er von Takagi hochgeschreckt wurde. Mittlerweile hatte auch er gemerkt, wie alles in eine Befragung ausartete, eine ernsthafte und auch sehr genaue Befragung... Lag da etwa doch etwas im Busch? „Du meinst, ob er die Druckstation so einfach ersetzen konnte, dass er lieber auf Gepäck verzichtete, was sowieso nicht notwendig war. Doch, er war definitiv nicht so arm.“ Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Heijis Lippen. 'Erwischt. Es war Mord!' „Herr Hino, wenn Sie hier unten keine Bilder vom Hügel haben, dann würden wir uns gerne oben umsehen in Herrn Tashijas Zimmer. Dieser Hügel hat's mir bald genauso angetan wie ihm. Also, wir machen uns dann mal auf den Weg.“ „Warten Sie... mh... kann ich mitkommen? Atsushiro wäre es bestimmt nicht recht, wenn so viele Leute immer in seinem Zimmer sind. Also... wenn er dann wiederkommt.“ „Ach... wer war denn gestern, als Herr Mori... und vor ner Woche die Polizei da war, mit vor Ort?“, wunderte sich Heiji, als er schon am Treppenanfang stand. Unvermeidlich stand im Gesicht der anderen Skepsis. Es war genau die Aussage, wie man sie vom Täter erwartete, der sich auf einmal bedroht fühlte. „Da war auch er oben, aber du bist zum ersten Mal hier, Heiji, daher wohl die Frage.“, erklärte Kogoro monoton. Der Detektiv aus Osaka lächelte kurz angebunden, stieg wieder von der Treppe runter. „Natürlich, es wäre mir eine Freude, wenn Sie uns begleiten würden, Herr Hino. Gehen Sie doch bitte schon vor, wir kommen sofort nach.“ Alle blickten verwirrt auf den jungen Mann, der lächelnd wieder auf die Gruppe zuschritt und den unsicheren Künstler vorbei ließ. „Ähm, OK... also folgen Sie mir alle.“ Heiji ließ ihn die ersten paar Stufen gehen, bevor die anderen als Traube sich auf den Weg machten. In einer Distanz, dass Heiji und Kogoro miteinander flüstern konnten und die anderen drei es mitbekamen, Hino aber nicht, begann er vorsichtig. „Damit ist es amtlich, Mori.“ „Stimmt, Atsushiro Tashija wurde definitiv von einem der drei übrigen Künstler getötet und seine Leiche irgendwo versteckt, vermutlich zusammen mit dem Laptop. Wenn man ein so gutes Versteck für das Opfer hat, passt ein Laptop auch noch dazu.“ „Dachte ich mir auch. Und wenn die Geschichte mit dem Treffen Tashija – Kunieda wahr war, deutet alles auf Herrn Tomoko als Täter hin.“ „Nicht unbedingt, es könnte auch eine Art Ablenkungsmanöver sein von Tashija. Immerhin haben wir das Rohr noch nirgends gefunden und das Buch 'Der zweite Fleck' hat er sich von Yamamura ausgeborgt. Es läuft, was die Hügelproblematik angeht, aufs gleiche hinaus.“ „Er kann aber auch gelogen haben, er ist der einzige Künstler, der das Treffen beobachtet hatte, könnte also auch alles zu seinen Gunsten auslegen.“ „Genau. Es bleibt dabei, dass es alle sein können. Aber folgende Punkte sollten wir festhalten. Es war Mord. Der ominöse Hügel ist zentraler Punkt, insbesondere für das Tatmotiv. Und Tashija wusste darüber sehr wahrscheinlich Bescheid...“ „Und dann ist da noch dieses verflixte Rohr, der Teppich im Keller, das Buch, die Kleidung...“ Kogoro stöhnte schwer, aber Heiji grinste nur vor sich hin. „Abwarten, Herr Mori. Noch haben wir nicht unsere Trümpfe ausgespielt.“ Kapitel 14: Conan Edogawa ------------------------- Hallo an alle Lesenden, und ein frohes neues Jahr 2010!!! *letzteKorkenknallenlässt* ;-] Ich hoffe, ihr hattet ein angenehmes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr, für einige angeblich auch in die neue Dekade – jedem das seine... Und als nächstes entschuldige ich mich, dass ich mich nach zwei Wochen Pause auch noch um einen Tag verspäte, aber es war, so hoffe ich, die letzte unvermeidbare Verzögerung und von nun an geht es glatt vorwärts. Etwa die Hälfte der FF ist rum, also könnt ihr euch noch drei Monate ungefähr lang freuen, oder quälen, je nach Standpunkt. ^.^° Dann nochmals vielen Dank an dieser Stelle, für alle Kommis, die bereits im letzten Jahr kamen und auch für all die Favo-Listeneinträge. Ich hoffe, den Erwartungen, die an solche Einträge und Mitteilungen geknüpft werden, dieses Jahr gerecht zu werden. *EintragaufGuteVorsätzeListe macht* *ggg* So, was gibt’s neues? Nicht viel, ich habe, auch aus Anlass der Pause über Weihnachten, dieses Kapitel ein Stück weit im Stile einer Rekapitulation geschrieben. Einer, die aber auch viel neues bietet, denke ich. Und vor allem die Grundlage für die weitere Entwicklung in diesem Punkt liefert. Ansonsten kann ich nur viel Spaß beim Kapitel wünschen, nächste Woche geht’s auf dem Schloss Kunieda weiter. LG, Diracdet Kapitel 14: Conan Edogawa 'Wer bin ich?' Die Frage des Anfangs... zumindest aus Conans Sicht. Die Frage, mit der für ihn die Zeit seines Lebens, sein ganzes Leben, gewissermaßen nochmal von vorne anfing. Als er im Krankenhaus erwachte... und diese Frage stellte. Eigentlich Ironie. Im Moment, in dem er sie stellte, wusste er eigentlich genau, was passiert war. Er hatte sein Gedächtnis verloren. Insofern war es eine rhetorische Frage. Der Gedanke kam ihm zwischendurch. Wenn man als Kind alt genug ist, diese Frage aussprechen zu können, kennt man die Antwort für gewöhnlich... auf eine tiefere Ebene gelangt höchstens noch ein Philosoph im Erwachsenenalter, dann aber erkennt er, dass die Antwort nie geklärt war. 'Witzig... der Name alleine ist lediglich eine Definition, es kann eigentlich nicht die Antwort sein, weil es keine wirkliche Information als solches ist... nur ein Name. Der Mensch fürchtet sich vor dem Unbekannten, und obwohl er letztlich nichts daraus erfährt, geht es ihm gleich viel besser, wenn er diesem Unbekannten einen Namen gibt.' Conan fühlte, wie ihm diese Herangehensweise zuwider war... und wie er sie im Augenblick am eigenen Leibe zu spüren bekam. Er hatte Angst. Vor den vielen unbekannten Leuten, die vor ihm standen, als er wach geworden war, vor der unbekannten Umgebung, aber auch vor der Schwärze in ihm drinne, die er im Koma durchfallen hatte. Sie hatte ihre symbolische Wirkung nicht verfehlt. In seinem Inneren schien eine Leere zu herrschen, die auch sein Gedächtnis wohl nur Stückweise füllen könnte, so vermutete er... eine beängstigende Leere. Auch vor sich selbst hatte er Angst, denn auch er, dieser Junge, dieser Conan Edogawa, war ihm unbekannt. Und dann nannte man ihm seinen Namen... und die Angst? War sie weg? Es war auf einmal anders, das Unbekannte hatte einen Namen erhalten und es damit aus der Dunkelheit hinfortgerissen... 'Absurd, einfach... das ist doch vollkommen sinnlos.' Das war es sehr wahrscheinlich, wie er mittlerweile ahnte, aber dennoch, auch er konnte sich nicht dieser zu menschlichen Einstellung entziehen. Er wusste in dem Augenblick, als der Name fiel, immer noch nichts über diese Person... und doch war die Furcht kurzzeitig gebannt, zurück gedrängt. Er war auch ein Mensch. Keine sehr tiefgehende Erkenntnis vermutlich, aber etwas, was ihm aus diesem Blickwinkel wenigstens nun sehr sicher war. Es war gar nicht so lange her... nicht einmal zwei Stunden, seit er wieder unter den aktiv Lebenden weilte, und damit auch wieder seinen Namen kannte, und dennoch kam es ihm vor, als habe er eine Odyssee in dieser Zeit unternommen. Nicht körperlich, im Geiste, nicht laut, sondern leise, wobei alles gesagte in dieser Zeit lediglich wie einzelne Knotenpunkte wirkte. Knoten für das Netz, welches er knüpfte, in der Hoffnung, seine entflohenen Erinnerungen darin einzufangen wie ein Berufsfischer seinen Lebensunterhalt auf dem Meer. Ganz sicher war die Situation vergleichbar. Im Meer, in der unendlichen See der Möglichkeiten, wirkten seine wenigen Gedanken, aus den paar Jahren, die er gelebt hatte, vor dieser neuen Zeit, die vor knapp zwei Stunden begann, wie kleine einzelne Fische, die man nur mit einem großen, engmaschigen Netz jemals würde einfangen können. Man würde viele Knotenpunkte brauchen, um alle zu erwischen... und würde man scheitern, sie zu fangen... so wäre das für die eigene Existenz ein Todesstoß. Das Problem, mit dem alles anfing, war nämlich genau das, sein Name. Conan Edogawa. Er verscheuchte die Furcht, die ihm das Unbekannte bescherte... und hinterließ dafür ein anderes Gefühl. Nicht die Ruhe, die innere Überzeugung, die er, zumindest im Nachhinein erwartet hätte. Dieser Ansatz, der ihm eigentlich so fest im Unterbewusstsein verankert sein müsste, dass laut Theorie des Arztes er ihn beim zweiten, dritten Mal spätestens hinnehmen könnte, ihn annehmen. Seinen Namen. Er fehlte. Stattdessen verspürte er... Wut... Ablehnung, Abneigung, etwas in seinem Inneren sträubte sich gegen diesen Namen, egal, wie oft er ihn vor sich hin betete. Bis er zu dieser Erkenntnis gelangte, waren bereits einige andere Punkte hinzugekommen, die ihn stutzig werden ließen. Knotenpunkte, die keine waren, die sich als Löcher herausstellten, denn als Netzverknüpfungen, oder Fische einfingen, die er nicht verwerten konnte. Kurzum... Aussagen, die in der Summe nicht wahr sein konnten... oder einfach so absurd waren, dass das doch irgend jemandem auffallen musste. 'Ich habe anscheinend keine Eltern, die den anderen Leuten bewusst wären. Ich habe Wissen, dass in meinem Alter eigentlich unvorstellbar ist, und verhalte mich auch entsprechend, lese komische Bücher, kenne komische Leute... und ich scheine mich für Kriminologie zu interessieren. Hobbys solcher Art sind mehr als ungewöhnlich, aber für alle Anwesenden wirkte das normal, bis auf die Mediziner. Dazu mein komisches Verhalten bei Fällen. Eigentlich nur kindlich, aber ich sehe selbst ein, dass es unsinnig ist. Hätte ich das durch die Amnesie erst begreifen können? Unsinn, man wird dabei doch nicht plötzlich schlauer, schon gar nicht in dem Maße, es muss mir vorher ja nicht vorstellbar gewesen sein und nun ist es offensichtlich. Das heißt... es ist so, dass ich das bewusst getan habe, aus einem bestimmten Grund. Davon war aber nie die Rede und insbesondere die – verständliche – ungehaltene Reaktion von Herrn Mori dazu belegt, dass dieses bewusste definitiv abgelehnt wird...' Damit war eindeutig ein weiterer Fakt für ihn geklärt: Es waren nicht alles wahre Aussagen, die er heute gehört hatte, einiges war zumindest falsch. Und damit wurde es wirklich schwierig, irgendwelche Schlussfolgerungen zu treffen. Denn ohne Gedächtnis und ohne Sicherheit über die Informationen blieb ihm eigentlich... gar nichts? Er verbrachte die Minuten, nachdem die Mehrheit der Gäste sein Zimmer verließ mit der einzig sinnvollen Fragestellung, die ihm dazu einfiel. 'Welche Gründe könnten für diese Unwahrheiten sprechen?' Das allein hatte schon die Problematik in sich, dass er nicht wusste, ob die Antworten auf seine Fragen unwissend falsch, gelogen, oder welche von ihnen womöglich wahr waren. Jede Variante legte viele Interpretationsmöglichkeiten nahe. Etwas stimmte mit ihm nicht, das war klar, nicht mit der Person, die man ihm als Spiegelbild präsentierte. Conan Edogawa. Er dachte an so etwas wie Zeugenschutzprogramme, wie geheime Forschungen der Regierungen, auch wenn ihm der Gedanke an Verschwörungen zuwider lief. Er dachte daran, ob er selbst weggelaufen wäre, und allen etwas vorspielte. Er dachte auch umgekehrt an Entführung, nicht zuletzt, da im Falle einer Lüge ja auch den Ärzten hier etwas vorgespielt wurde. Dann aber waren da noch diese anderen Leute, aus Osaka. Wenn es Lügen waren, warum wurden dann außen stehende hinzugezogen, die eher nur mehr Risiken darstellten? Wenn es nun aber von allen Unwissenheit war, hieße das, niemandem fielen die Ungereimtheiten auf in dieser Gruppe... aber ihm, dem kleinen Jungen?! Auch eher unrealistisch. Er dachte auch... an das 'Unmögliche'. Bei diesem Wort sträubten sich die Haare auf seiner Haut in die Höhe, dabei hatte er es nur gedacht. Und wenige Gedanken später war ihm klar, warum er diesen Gedanken nicht ertrug. War er besessen von einem Geist, entführt von Außerirdischen, ein Klon, weshalb er keine Eltern hatte... Das Problem mit dem Unmöglichen ist, dass es lediglich alle Optionen beschreibt, die nach gegebenem Erkenntnisstand nicht zur Debatte standen, die noch nicht beobachtet wurden. Und deren Zahl war unendlich. Es sprudelte förmlich heraus aus seinem Kopf, was alles möglich war, wenn nur man anfing, dies zuzulassen. Es war hoffnungslos, man konnte einzelne Dinge vielleicht widerlegen, aber nie alle. Es gibt keine wirklichen Grenzen für die menschliche Fantasie, die das Unmögliche begründet und damit auch keine Möglichkeit, darin sinnvoll die Lösung zu finden. Man musste das Unmögliche ausschließen, und in der Realität suchen. Sollte diese Suche, systematisch durchgeführt, nicht zum Erfolg führen, dann erst wäre man verdammt, in die See des Unmöglichen zu stechen und auf den Treffer zur Wahrheit zu hoffen. An diesem Punkt tauchte sie auf. Kirika Yuumura. Eine Person, die seine Situation vielleicht am besten verstand. Weil sie nicht nur in der gleichen bedrückenden Leere des Seins, in einer mit einem fremden eigenen Namen versehenen Welt, gefangen war. Sie war vor allem daran gewöhnt, hatte sich, so gut es ging, damit arrangiert. Sie wusste, dass ihr das Glück, welches ihn hoffentlich ereilen sollte, sich erinnern zu können, nicht beschienen war. Sie würde sich nicht mehr erinnern, sehr sehr wahrscheinlich zumindest. Ihr wurden die Leinen in die Vergangenheit gekappt, die für ihn offiziell noch bestanden. 'Oder... oder nicht?' Angesichts der vorher gefassten Gedanken... war nicht auszuschließen, dass die Assoziationen, die ihm fehlten, vielleicht auch seinen Freunden nicht bekannt waren, weil sie ihn anders kannten, als er in Wirklichkeit war. Oder aber sie wollten es nicht, wollten ihn von seinen Erinnerungen trennen. Unwillkürlich kam ihm ein Aspekt in den Sinn. Er zweifelte nicht, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte und es immer noch nicht wieder besaß. Als sie diese innere Dunkelheit beschrieb, die ihn umfing, da sprach sie aus seiner Seele aus ihrer Seele. Da sah sie ganz genau, was ihm auf den Lippen brannte, aber er nicht sagen konnte, nicht erklären konnte. Sie musst es am eigenen Leib erfahren haben, anders war es nicht denkbar für ihn. Und dass sie noch immer sich nicht erinnerte... darüber war er sich sicher wegen ihrer Reaktion auf ihn selbst. Ihr direkt ängstliches Benehmen, als sie herein kam in das Krankenzimmer, ihre bedrückende, beklemmende Art, als sie ihm erzählte, was sie aus eigener Erfahrung wusste... sie musste überzeugt sein, es wäre etwas unumkehrbares, etwas dauerhaftes, etwas... endgültiges. 'Und im Vergleich dazu, ihr Lächeln, als ich sagte, der Arzt meinte, es sei nicht von Dauer... Nein, da gibt es keine zwei Meinungen, sie muss geglaubt haben, ich könne mich nicht wieder erinnern und war wie ausgewechselt, als sie ihren Irrtum erkannte. Und für jemanden, der selbst an dieser Krankheit litt, aber sie überstand, wäre das nicht möglich. Sie muss immer noch dran leiden.' Es war wohl wieder nur eine kleine Erkenntnis, aber eine bedeutsame für ihn. Kirika hatte ihr Herz für ihn geöffnet, in dieser Situation, sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, ganz sicher. Etwas, was er bei allen anderen, die er heute traf, nicht garantieren konnte. Sie hatte... sein Vertrauen erworben, auch wenn er das bis jetzt nicht zugeben würde. Überhaupt, auch ohne diesen Fakt, dass sie dort die Wahrheit sagte, so sehr sie öfters ihre Intentionen verschleierte, ihr wahres Wesen unter einer kindlichen, verspielten Schale zu verbergen suchte und ihm sogar Informationen vor enthielt... so klang sie in seinen Ohren einfach... ehrlich. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht, auch wenn man es nicht immer mitbekam. Weniger, um zu verheimlichen, als dass sie versucht schien, es zu umgehen, ihm falsche Aussagen zu vermitteln. Er konnte diesen Aussagen trauen... und das tat er. Und eine von ihnen war schon mehr als faszinierend, ließ seine geistigen Wallungen aufbrodeln. Ihre dauerhafte Amnesie wurde erzwungen... von einer Gruppe, einer Organisation, 'Les Soldats', die sich anmaßten, die Geschichte nach ihren Wünschen umzuschreiben. Könnten sie auch hinter seiner Situation im Moment stecken? Ihm sein Gedächtnis geraubt haben, weil er irgendetwas wusste, was er nicht wissen sollte? Ein erschreckender Gedanke. Aber auch schnell beseitigt, weil er zwei Fehler enthielt. Das kleine Mädchen, und auch Kirika, sie zeigten sich als entschiedene Gegner dieser Soldats, obwohl sie sich gegenseitig nicht wirklich zu kennen schienen. Wenn keiner von Les Soldats da war, wie sollten sie dann wissen, ob ihr Plan funktionierte? Letztlich hat er das ja nicht, wenn man dem Arzt glauben durfte. Und das war der zweite Punkt, schlampige Arbeit, in doppelter Hinsicht. Er hätte doch längst tot sein müssen, oder wenigstens in einer hoffnungslosen Situation, ähnlich wie Kirika. Und wenn es nicht geklappt hat, müsste dann nicht irgendwo ein Heckenschütze lauern, um den Auftrag zu beenden? Es musste so sein, war es aber nicht. Aber... es konnte etwas ähnliches sein. Wie kurz zuvor stand er vor dem Punkt, unmögliches in Betracht zu ziehen, oder zumindest Unsinniges. Verschwörungstheorien, Geheimbünde aller Art. Und doch fiel es ihm diesmal einfacher. Eine andere Organisation, wie Les Soldats. Sie existierten, weil Kirika es sagte und er ihr vertraute. Also war es kein großer Schritt, eine andere anzunehmen. Eine vergleichbare, die ihn töten wollte... weil er etwas wusste, was er nicht wissen sollte. Auch nicht gerade beruhigend, aber... denkbar. Und dann war da noch dieser Name, im Buch, Gin. Erneut durchzog ihn ein Schauer von Kälte, obwohl es so angenehm warm im Zimmer war. 'Ihr seid euch nicht ganz grün.', war wohl eine diplomatische Formulierung. Nein dort herrschte extreme Antipathie. Er... Conan, konnte es nicht richtig in Worte fassen, dafür war alles zu diffus in seinen Gedanken, noch... Die Kälte deutete ihm Furcht an und doch war es noch etwas anderes, was er verspürte... Und in diesem Moment, vor wenigen Sekunden kam die Aussage, die ihn zu dieser Rekapitulation all seiner bisherigen Überlegungen in einem kurzen Augenblick trieb: „...du bist in einigen Dingen... Gin gar nicht so unähnlich.“ Bis zu diesem Moment war ihm diese Person eine entfernte Figur, eine Assoziation, die er gehabt haben mag, als er sich erinnerte – keine gute Assoziation, nebenbei bemerkt – aber es erschien ihm für seine Genesung, nach dem, was die drei Anwesenden aussagten, irrelevant, über ihn nachzudenken. Er würde verstehen, wenn er sich erinnerte, aber er müsste nicht verstehen, um sich zu erinnern. Eines der vielen Details seines Lebens, die verschlossen waren. Das änderte sich schlagartig durch diese Bemerkung, was wohl auch in seinem nun schon einige Sekunden andauernden Schweigen, begleitet von einem undurchschaubaren, leicht verwirrten Gesichtsausdruck, äußerte. Er war... zumindest teilweise, wie dieser Gin. „Inwiefern?“, war nach all den Gedankengängen seine einzige Antwort zur Verwunderung der Anderen. Ein kalter Schauer lief Kirika über den Rücken. „Du...“ Sie stockte, schluckte. Fast hätte sie es einfach gesagt, aber genau das wollte sie partout vermeiden. Wenn er nicht von selbst bis jetzt darauf gekommen ist, war alles andere sinnlos. Folglich war die Frage, die sie im begriff war zu stellen, für sie viel bedeutsamer als es die übrigen erahnten. „Du... verstehst es noch nicht?“ „...Doch.“, kam es zögerlich. „Ich weiß nur nicht, was genau du meinst. Dass ich... wie er, die Leute um mich herum täusche, oder bin ich... selber ein Mitglied der Organisation, zu der er gehört?“ Wäre im nächsten Moment neben dem Krankenhaus ein Meteorit eingeschlagen, keiner der drei hätte es bemerkt, geschweige denn sich einen Millimeter bewegt, um ihn sich anzusehen. Sie standen nur da und beäugten – mit den größten Augen, die sie zeigen konnten – den kleinen Jungen im Bett. '...die Leute um mich herum täusche... Organisation, der er angehört...' Gerade diese zweite Aussage wirkte, als wäre sie vollkommen aus der Luft gegriffen. Mehr noch, selbst aus der Luft würde man nicht spontan so einen Gedanken äußern, am allerwenigsten er, Conan Edogawa. „Wie... wie kommst du... WIE?!“ Ai konnte den Satz einfach nicht beenden, es war ihr zu unverständlich. „Weil es... mittlerweile... die mit Abstand wahrscheinlichste Interpretation ist.“, konterte er, diesmal nüchtern. „Ich habe, seit ich vorhin aufgewacht bin, versucht zu verstehen, wer ich bin, dachte natürlich, das wäre mit Hilfe der Leute um mich herum einfach, aber es funktionierte nicht, immer schienen sich Aussagen zu widersprechen. Ich bin doch merkwürdig, oder nicht?“ „Äh... nun, ich weiß nicht genau, was du meinst... aber...“ Sie versuchte, kurz herum zu drucksen, aber sein richtender Blick in diesem Moment verschloss ihren Mund wieder. „Sicher... du weißt es, der Herr Professor auch, auch der Detektiv aus Osaka... die anderen aber nicht. Ihre Aussagen widersprachen sich und so weit, dass es nicht alles Lügen waren, bin ich auch mittlerweile gekommen. Dann wäre mehr abgesprochen, und bei der Arztwahl hätte man mehr darauf geachtet, dass er nicht misstrauisch wird. Wenn sie also aus Unwissenheit etwas falsches sagten, anstatt zu lügen, heißt das entweder, ich täusche die anderen, oder aber, ich wurde bisher, zusammen mit ihnen über meine eigene Existenz getäuscht.“ „Warum sollte es nicht letzteres sein?“ „Weil ich es jetzt ohne weiteres erkenne... obwohl ich mich nicht mal selbst richtig erkenne.“ So leicht gab Kirika nicht nach, auch weil ihre Hoffnung bei diesem Satz wieder aufkeimte. „Wer weiß, was Menschen nach einem solchen Schlag auf den Kopf so alles erleben, da gibt es die skurrilsten Berichte, vielleicht bist du dadurch erst so schlau geworden, so etwas zu durchschauen.“ Er schüttelte ironisch grinsend den Kopf. „Leider ist das ausgeschlossen, nach dem Gespräch vorher, bei dem alle dem Arzt bestätigten, auf die eine oder andere Weise, dass ich wohl schon immer so war, gerne meinen Senf überall dazu gab und damit auch meistens richtig lag. Dazu kommt mein Spezialwissen, ich hab vorhin einen Vortrag über Telomerase gehalten, verdammt! Was nicht vorher in meinem Kopf an Wissen ist, kann auch nicht plötzlich hineinkommen durch einen Sturz. Und wie gesagt, es sind nicht alle Aussagen gelogen, nur unbewusst falsch gewesen. Ergo... mich selbst konnte ich zumindest in der Hinsicht nicht getäuscht haben... ich bin der Blender hier...“ Einen Augenblick herrschte Stille, in der Conan den Kopf leicht senkte, bis ihn eine anklagende Stimme hervor zog. „Ja, das bist du, Conan Edogawa! Du bist ein Blender von höchstem Kaliber!“ Die Stimme gehörte Ai, die sich auch durch den Versuch des Professors, sie zurück zu halten, nicht bremsen ließ. Ihr standen ein paar Tränen in den Augen, die sie nicht zurück halten konnte, nicht zurück halten wollte. „Du verdammter Idiot hast nicht nur die getäuscht, die nichts wissen, du hast alle getäuscht, andauernd, hast alles in dich hineingefressen, was dich bedrückte. Selbst wir kennen dich nicht mehr wirklich, kapierst du das? Wir können dich vielleicht auch nicht mehr zurück holen, weil du dich bereits in einer anderen Welt herum treibst. Der Arzt dachte, wir würden dir zur Genüge deine Vergangenheit zeigen können. Tut mir Leid, das kann niemand, du elender Eigenbrödler!“ Ihre Stimme versagte, nachdem sie zum Ende hin ungeahnte Höhen, selbst für ein kleines Mädchen erreicht hatte. Conan war gleich im ersten Moment zurück geschreckt, als Ai laut wurde, krallte sich in die Decke vor seinen Armen, aber er wendete den Blick nicht ab. Er konnte es nicht. Warum konnte er es nicht? Das Bild vor seinen Augen, das verzweifelte kleine Mädchen... ja, dieses Bild kannte er, es war in seinem Unterbewusstsein hängen geblieben. 'Warum... warum konntest du sie nicht retten?' „Wen konnte ich nicht retten?!“, rief er zur Antwort auf die Frage in seinem Kopf heraus, und ließ erneut alles um sich still werden. Ai musste heftig atmen, beruhigte nur langsam ihren Geist. 'Akemi?' Das einzige Mal, dass sie in seiner Gegenwart Tränen vergoss, war in jenem Moment, als sie erkannte, er hätte ihre Schwester retten können. Als sie erkannte, ihre Hoffnung, es wäre unvermeidlich, weil niemand es mit der Organisation aufnehmen könne... war falsch. Er konnte es... er hätte es gekonnt. Damals konnte sie nicht mehr und zeigte ihm, wie es in ihrem Inneren aussah. 'Er muss gewusst haben, wie real diese Tränen damals waren. Er wusste es ganz genau und deswegen ist ihm dieser Gedanke in Erinnerung geblieben, versiegelt in seinem Unterbewusstsein. Mein einer, schwacher Moment, als ich meine Maske fallen ließ und du hast ihn behalten. Soll ich jetzt gerührt sein... oder eher beleidigt, dass das deine stärkste Assoziation zu mir ist?' „Das ist aber noch nicht die volle Antwort.“ Wie aus dem Nichts unterbrach Kirika von der Seite die Stimmung zwischen den beiden Verjüngten, gab Ai die Möglichkeit, nicht auf die unliebsame Frage zu antworten. „Du hast damit erklärt, dass du die Leute täuschst... und ja, das meinte ich vorhin. Aber wie kommst du auf eine Organisation?“ „Ich sagte doch, nichts ergab wirklich Sinn... nichts... realistisches. Und so musste ich wohl oder übel anfangen, unkonventionelle Optionen in Betracht zu ziehen, um meine Situation zu erklären. Du hast mich drauf gebracht. Les Soldats... eine mächtige Organisation. Zu mächtig, um es sich wirklich vorzustellen. Wenn man akzeptiert, dass es so etwas gibt... kann es auch eine zweite geben, oder? Und eine Organisation... über die ich etwas wüsste, was ich nicht wissen sollte... das passt ganz gut zu dieser Situation. Ein paar eingeweihte, und viele Unwissende.“ „Na schön... aber... wieso Gin in einer Organisation, und wieso nicht die gleiche?“ Er grinste verlegen, schaute kurz zum Fenster. „Es ist... die Kombination all der Dinge, die ihr alle gesagt, und getan habt, eure Mimik und Gestik dabei. Als du herein kamst, Kirika, haben der Professor und Ai verwirrt geguckt, genauso bei deinem Gesicht, erst beim Namen wurden sie stutzig. Sprich sie kannten dich vor dem heutigen Tag nur indirekt, aber Ai hat dich direkt mit Les Soldats assoziiert. Das heißt, ab dem Moment deines Namens war Les Soldats euer Gesprächsthema, ich habe es ja verfolgt, auch wenn ich zugeben muss, nicht alles verstanden zu haben. Wieso aber... wart ihr beide dann nochmal so schockiert, als der Name Gin fiel?“ Ein leicht skeptischer Blick folgte seinen Worten gen Ai und Agasa, die gar nicht erst reagierten. Er kannte die Antwort und würde sie sowieso gleich sagen. Ai schluckte erneut. „Ein neuer Ansatz, eine andere Assoziation, schon klar. Daraus folgte für dich, dass Gin kein Mitglied der Soldats ist. Und du hast den Gedanken einer zweiten Organisation.Wieso sollte es die aber nun genau geben und warum sollte Gin darin sein? Und wie kommst du darauf, selbst in dieser Organisation zu sein?“ Sein Lächeln verflog ein wenig, wurde von deutlichem Stirnrunzeln beiseite geschoben. „Ich fürchte, an der Stelle bin ich etwas lückenhaft noch. Wie gesagt, ich suchte ne ganze Weile schon nach einer sinnvollen Erklärung für alles. Ich kam dabei zu dem Schluss – der wohl absurd klingen mag – dass ich so tue, als wäre ich naiv, wenn ich in Wirklichkeit wohl recht schlau bin, wie der Arzt meinte – und dass mir das auch klar ist, sprich, ich handele mit Motiv. Und das heißt eigentlich nur, dass ich meine reale Gestalt verstecke, vor den Menschen meiner Umgebung. Im Bereich naheliegender Varianten kam ich dabei zur Lösung des Zeugenschutzprogramms, wie es die Polizei und entsprechende Organisationen anbieten. Das macht normalerweise nur Sinn, wenn man mit sehr gefährlichen Gruppen, insbesondere nicht einzelnen Menschen, zusammen gestoßen ist. Dann, wenn auch die Polizei nicht mehr die Sicherheit der Leute garantieren kann. Das wäre bei der Mafia so... ebenso wie halt bei einer mächtigen Organisation, die man nicht kennt. Das erklärt nur leider nicht, warum ich Wissen besitze, welches ich nicht haben dürfte. Und auch nicht, wie unorthodox ich untergebracht bin. Zeugenschutzprogramme dienen dazu, die Zeugen von der Straße zu holen und vor allem von weiteren gefährlichen Orten fernzuhalten. Nicht nur, dass eine Privatdetektei da gänzlich ungeeignet ist, ich begebe mich offenbar auch gerne selbst in Schwierigkeiten...“ Er grinste unsinnig vor sich hin, betrachtete seinen rechten Arm, als er ihn hoch hielt. „Das deutet an, dass die ganze Sache nicht durch eine offizielle Behörde, sondern mehr auf Eigeninitiative aufbaut. Daher bin ich auch selbst derjenige, der täuscht, nicht die Polizei, wie vielleicht gedacht. Der andere Punkt ist halt das Wissen. Mit gefährlichen Leuten zusammenstoßen heißt halt genau das, ein Zufall, der ohne irgendwelche Voraussetzungen von Statten geht. Wenn ich höre, wie ich mich normalerweise benehme, käme ich auf den Gedanken, ich spielte früher wirklich gerne Detektiv und habe... etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Tja... aber selbst dann wirkt Telomerase weit hergeholt. Allerdings... kann man auch das ganze auf so eine Organisation selbst projizieren. Ich war vielleicht nicht direkt darin tätig, aber meine mysteriösen, nicht-existenten Eltern unter Umständen. Als Forscher oder ähnliches. Von ihnen hätte ich diese Begriffe lernen können und in meiner Neugier, wie geschildert, etwas gesehen, was ich nicht hätte sehen sollen. Gin assoziiert mein Kopf immer mit Kälte, mit Angst... ich kann es selbst nicht genau formulieren, aber ich denke fast, er ist der Verantwortliche für das, was geschehen ist. Zugegeben, die Erklärung für das Wissen könnte auch Unabhängig vom Rest sein, aber so ungefähr würde ich im Moment tippen... Äh...“ Als Conan endete und kurz aufblickte, sah er wieder nur offene Münder, die in Staunen schwiegen. „Das nennst du... lückenhaft?“, stellte Agasa erschöpft schnaufend fest. „Nun ja...“, er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Viel kann man davon sicher nicht so leicht beweisen und... ich habe auch keinen rechten Ansatzpunkt, um weiter zu kommen.“ „Tse...“ Ais plötzliche, abwertende Haltung ließ ihn aufhorchen. Lediglich eine schwache Rötung der Wangen deutete die eben noch vergossenen Tränen an, ihr Kopf war gesenkt, nur noch ein sarkastisches Grinsen zu erkennen, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt stand sie da und beobachtete ihn. „Wir hatten uns wirklich umsonst Sorgen gemacht, Herr Professor. Ich würde sagen... Conan Edogawa... ist wieder da!“ Sein verwunderter Blick ließ sie sich schließlich erweichen. „Du spielst seeeeeehr gerne Detektiv, mein Lieber und du bist einsame Spitze darin, zumindest für dein Alter. Und du hast mit den meisten deiner Ausführungen, wenn auch nicht allen, so etwas von Recht, das ist einfach nur beängstigend... wenn man dich nicht kennen würde.“ „Sie hat Recht!“, stimmte Kirika ihr zu. Auch auf ihrem Gesicht hatte sich ein Lächeln gebildet. „Nicht doch! Ich sagte doch, da komme ich nicht weiter an diesem Punkt!“ „Das ist halt so, Conan. Man kann nicht aus beliebig wenig Informationen alles erklären... eigentlich kann man nichts aus gegebenen Aspekten richtig erklären, ein Stück weit muss man immer raten und dann mit den Fakten vergleichen. Und mit ziemlicher Sicherheit hast du das meiste, was möglich war, geschlussfolgert.“ Sie drehte sich unwillkürlich zur Seite, ahnte, was nun käme. Conan schaute bedächtig auf seine Decke. „Das heißt... das war es? Sagt ihr mir jetzt die Wahrheit... so weit ihr sie kennt, oder hab ich die selbst schon erfahren und ihr könnt nichts hinzufügen, wie es Ai eben sagte?“ Eine dumpfe Angst machte sich in ihm breit. Wenn es wirklich die letzte Variante wäre... das wäre tödlich. Das ist alles nur halbgares Zeug gewesen, was er erkannte. Er brauchte etwas anderes noch. Er brauchte... „Eine Assoziation, sagtest du?“ Alle blickten verwundert zu Kirika. Sie stand mit vor sich gefalteten Händen vor dem Fenster, suchte mit den Augen den Boden zwischen ihren Füßen und dem Bett ab. „Eine... echte Assoziation?“ „Ja... das wäre sehr hilfreich, wirklich.“ Er versuchte, im Winkel ihre Augen zu erwischen, hoffte, sein erwartungsvoller Blick würde ihr Herz schneller erreichen. „Ich hätte zwei für dich.“ Gleich zwei! Das übertraf sogar die Erwartungen von Ai und dem Professor. „Die eine... ist die Ursache deiner Detektiv-Spiele. Dein Vorbild auf diesem Gebiet. Sherlock Holmes. Du verehrst ihn.“ „Wenn man das Unmögliche eliminiert hat... ist das was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es klingt, die Wahrheit.“ Fast monoton, aber selbst erkennend, ratterte er den Text durch, der wie auf einen Schalter hin ihm auf die Zunge kam, als der Name Sherlock Holmes fiel. „Du hast recht!“, schrie er förmlich heraus, als ihm klar wurde, dass eine weitere Assoziation gerade aus seinem Unterbewusstsein gelöst wurde. „Und natürlich, die Organisation ist schon recht unwahrscheinlich, aber im Vergleich zu den meisten anderen, die mir vorhin im Kopf rum spukten, wenigstens noch möglich.“ Kirika musste kurz schmunzeln. 'Da irrst du, Conan... die Organisation ist möglich. Das Apoptoxin hingegen... das ist eine unmögliche Sache. Und ob du die schlussfolgern kannst... da bin ich echt gespannt.' Sie freute sich innerlich irgendwie, ohne es recht bemerkt zu haben. Die Art, wie Conan in seiner Situation das Problem löste, sich selbst zu erkennen, und wie weit er damit kam, es machte sie glücklich... es schenkte ihr Hoffnung. Und diese Hoffnung hatte die Belohnung, welche ihre Assoziationen darstellten, redlich verdient. Einmal tief einatmend sah sie auf. Ihr Blick hatte etwas fast schläfriges, durchschauend und darüber lächelndes angenommen. Es ließ ihn und die beiden anderen im Zimmer verstummen. Angst überkam Ai wieder. 'Sie wird doch nicht... als zweites „Noir“ sagen?! Bitte nur das nicht.' „Die zweite Assoziation... kennst du eigentlich bereits, Conan.“ Auch er musste nun schlucken, sein Inneres zitterte mit einem mal heftig. Es lag etwas in der Luft, das als Vorahnung getarnt war. „Die zweite Assoziation ist... Ran Mori.“ Kapitel 15: Hügelbilder ----------------------- Hallo liebe Leser, und willkommen zurück auf Schloss Kunieda. Zuvor natürlich nochmal ein großes Danke schön an die auch im neuen Jahr fleißigen Kommi-Schreiber. ^^ Es sei gesagt, dass Conan noch einiges zu schlussfolgern hat, um auf den eigentlichen Kern der Dinge zu stoßen. Wie schon von Kirika und Ai angedeutet, bisher hat er die 'leichte' Kost an Erkenntnissen zu Tage gefördert. ;-) Und nun wird es auch im Fall um den verschwundenen Künstler vorwärts gehen, versprochen. Es kann natürlich immer noch mitgeraten werden, denn so viel hat Heiji auch noch nicht heraus gefunden, also schön Acht geben. ^.~ Viel mehr kann ich im Moment gar nicht dazu sagen, außer... auch nochmal ein ganz herzliches Danke schön an die künstlerische Fachunterstützung für Fragen zu den Herren Schlossbewohnern und ihren Arbeiten. An dieser Stelle war das durchaus nicht unnötig. ^////^ Bis nächste Woche. LG, Diracdet ________________________________________________________________________________ Kapitel 15: Hügelbilder „Wieso?“ Mit unerhörter Ruhe unterbrach Ran die Gedanken der Detektive. Ruhe, die fast schon gespenstisch war und alle dazu brachte, in Richtung des Künstlers vor ihnen zu starren, ob er denn auch nichts davon mitbekommen hatte. Herr Hino schritt völlig regungslos, einem Zombie gleich, Stufe um Stufe in einer Gemächlichkeit ab, als sei er eher 74 als 24 Jahre. Hatte er ihren Ausruf gehört, so ignorierte er ihn, oder aber war ein mehr als überzeugender Schauspieler; jedenfalls reagierte er nicht, sondern ging einfach weiter. „Wieso was?“ „Wieso ihr aus dem Nichtvorhandensein von Herrn Tashijas Laptop schließt, dass er getötet wurde, Heiji?“ Wie beim ersten Mal... es war kein skeptisches 'wieso', im Gegenteil, die Ruhe deutete an, dass Ran sehr wohl glaubte, wenn ihr Vater und Heiji einer Meinung in einem Fall waren, diese Meinung bereits genug Rechtfertigung erhielt. Es war reine Neugier, die sie trieb, der Wunsch zu verstehen, was diesen Fall antreibt. Man konnte nicht über sie sagen, dass sie es ablehnte, sich mit den Kriminalfällen ihres Vaters zu beschäftigen, aber dennoch war diese strenge Neugier ungewöhnlich, bedenklich, das wussten beide, er und Kazuha. Nur ließe sich daran im Moment nichts ändern. „Es ist ein Stück weit umgekehrte Psychologie, die uns da vorgespielt wird, von Opfer, wie Täter. Normalerweise würde die Polizei, wie es Takagi erläuterte, folgende Argumentation wählen. Der Künstler ist verschwunden, hat keinerlei Spuren hinterlassen, und ließ nahezu alles zurück. Das ließe die Optionen offen, dass ihm jemand etwas antat, oder eben, er ist abgehauen. Wäre der Computer da geblieben, hätte er alles, im wahrsten Sinne des Wortes stehen und liegen gelassen. Das würde die Polizei skeptisch machen, zumal so ein Laptop nicht billig ist, gerade für einen Künstler, und weil er ja viele Zwecke erfüllt. Außerdem ist er leicht zu transportieren, auch in einem Rucksack oder so. dazu die verschwundenen Schuhe, das fügte sich in das Bild des Mannes, der vor seiner Arbeit floh. Nun aber muss man bedenken, was wir über das Opfer wissen und insbesondere zwei Dinge.“ Heiji setzte kurz ab und überließ seinem Kollegen das Wort. „Erstens, er ist Künstler, und ohne den Herren zu sehr auf den Schlips zu treten, sie haben alle so ihren Spleen. Und der andere ist, dass wir einen nicht ganz normalen Künstler hier haben, sondern Atsushiro Tashija, dem das seltene Glück zu Teil wurde, nicht unbedingt unter Geldmangel zu leiden.“ „Verstehe...“, flüsterte Kazuha nachdenklich. „Es geht darum, dass er, wenn er einen Schnitt gemacht hätte und alles hierließ, dann hätte er nach Möglichkeit auch den Laptop dagelassen. Das wäre in den meisten Fällen noch eher eine teure Angelegenheit, die sich die Künstler vielleicht nicht leisten könnten, er aber schon.“ „Hm... aber das ist doch mehr suggeriert, oder? Ich meine, OK, das Argument ist klar, aber wenn er den Laptop einfach noch benutzen wollte, für was anderes eben gegebenenfalls? So genau kennt ihr diesen Herrn schließlich gar nicht. Selbst wenn es ihm finanziell nichts ausmachen sollte, sprechen alle anderen Argumente doch...“ Mit schüttelndem Kopf widersprach ihr Heiji stumm. „Du hast doch Herrn Hino gehört. Der Laptop diente praktisch nur der Arbeit, Herr Tashija hat ihn sonst nicht genutzt. Für ihn muss dieser Computer, wenn er sich von seiner bisherigen Tätigkeit lösen wollte, wie ein Mahnmal vorkommen, wie das Zeichen seines Versagens, seines Fehlers in seinem Leben. Für einen Künstler kann ich mir das als kaum tragbare Denkweise vorstellen. Wenn er Schluss gemacht hätte, hätte er niemals diesen Laptop mitgenommen.“ „Ja, aber vielleicht wollte er ihn dann einfach radikal zerstören, wenn es ihm so ein Dorn im Auge war. Künstler vernichten auch ihre eigenen Bilder, wenn sie ihnen nicht mehr gefallen und die Daten darauf waren doch wohl dieses Symbol der schlechten Werke, wie du es eben beschrieben hast.“ Diesmal konterte Ran, um von ihrem Vater aufgeklärt zu werden. „Dann hätte er ihn auch formatieren können und den anderen Künstlern einen leeren Laptop hier überlassen. Das wäre nicht nur ein schönes Geschenk, sondern hätte auch jedweden Gedanken an ein unnatürliches Verschwinden ausradiert.“ „Und wenn er nicht wüsste, wie man Festplatten formatiert?“ „Herr Hino sagte doch, fast nur zur Arbeit, aber auch für E-Mails. Also hatte er Internetverbindung. Und damit auch Zugriff auf Millionen Seiten, die ihm sagen, wie man eine Festplatte ordentlich formatiert. Und ganz unbelesen war er sicher auch nicht, wenn er es für die Arbeit nutzte, sprich, seine Bilder vom Hügel mit vermutlich höheren Programmen bearbeitete.“ „Na schön, also er hatte keinen Grund, ihn mitzunehmen, warum ist der Laptop dann weg? War da doch was gefährliches für den Täter drauf? Das hätte er doch dann, genau wie Herr Tashija formatieren können. Die Internetverbindung lässt da doch alle Möglichkeiten offen.“ Auch Inspektor Takagi mischte sich nun von der Seite ein. Nun antwortete wieder Heiji. „Tja... wenn der Laptop passwortgeschützt war, ist es unmöglich die Daten zu formatieren und die Polizei hätte sowas ja geknackt, wenn der Verdacht für ein Gewaltverbrechen vorliegt.... zumindest könnte der Täter befürchtet haben, dass etwas, wie eine Nachricht oder so darauf ist, die ihn enttarnt. Etwas, das Herr Tashija womöglich als Sicherheit hinterlassen hatte... es scheint ja irgendwie... als ahnte er was, was passieren würde... oder könnte. Der Täter hat dann die Gedanken der Polizei durchgesponnen und nur den Laptop selbst, nichts weiter verschwinden lassen, damit Sie den Fall abhaken.“ „Moment, meintest du nicht eben, dass genau das für das Opfer ja gerade die falsche Schlussfolgerung ist? Wie sollte denn der Täter antizipiert haben, dass die Polizei falsch die Psyche des Opfers analysiert? Immerhin worden alle drei Künstler nach ihm befragt und hätten diesen Aspekt anbringen können!“ „Gar nicht. Der Täter schien etwas in Eile gehandelt zu haben und seine Notwendigkeit – den Laptop verschwinden zu lassen – nur halbherzig mit den Folgen abgewogen zu haben. Er hat im Sinne eines Künstlers gehandelt, nicht im Sinne dieses Künstlers. Insofern... fast so was wie umgekehrte Psychologie.“ Grinsend quittierte der Detektiv aus Osaka seine Ausführungen, nur um von Takagi mit einem Mal auf den Boden der Tatsachen zurück geholt zu werden. „Ach, ich weiß. Du meinst, wenn das Opfer weiß, was der Täter denkt, dass das Opfer weiß und das gegen ihn einsetzt... wenn auch hier nur indirekt, da es vermutlich erst nach dem Tod von Herrn Tashija erfolgte...“ Das Raunen, welches die Runde nun machte, erreichte auch den lebenden Künstler, der gerade das Ende der Treppen erreichte und sich verwundert umdrehte zur Gruppe, die seit einiger Zeit bei der halben Höhe stehen geblieben war. „Äh... wo bleiben Sie denn?“ „Oh, keine Sorge, Herr Hino, wir kommen sofort, wir waren nur in Gedanken versunken.“ Mit diesen Worten wimmelte Heiji den Künstler ab und blickte sofort wieder zurück zum Polizisten. „Woher... das klang eben mehr, wie aus einem Kriminalroman, als aus einem Fachbuch für Beamte über Psychologie.“ „Das... nun ja... ach, das hat mir Conan neulich erzählt.“ Er kratzte sich, wie immer, wenn er nicht genau weiter wusste, verlegen am Hinterkopf, wandte sich an Ran. „Damals in dem Studentenwohnheim, bei den Physikern. Da meinte er, das sei wie eine Kette bei der niemand weiß, wann sie eigentlich endet und wer am letzten Hebel sitzt. Was, wenn der Täter glaubt zu wissen, was das Opfer denkt zu wissen über den Täter, was dieser glaubt, das Opfer wüsste... und was wenn das auch das Opfer noch weiß und bedenkt...“ Kazuha und Kogoro starrten nur noch verwirrt drein und auch Ran brauchte eine Weile, um den Zusammenhang zu dem Fall zu finden. „Ähm.. ach Sie meinen das mit der Sterbenachricht. Stimmt, da alle Verdächtigen Physiker waren, musste das Opfer nicht nur bedenken, dass der Täter alles andere als dumm ist und eine einfache Nachricht sofort durchschauen würde, sondern auch, dass ein Physikrätsel draus zu machen, alles andere als sinnvoll wäre, da dieser darin erfahren ist. Und zum krönenden Abschluss hat er auch noch bedacht, was der Täter in seiner Verzweiflung und Unwissenheit an der Nachricht ändern würde, und hat es so gemacht, dass diese Änderung durchschaut werden konnte und der Fall immer noch eindeutig von Sonoko und Mamoru gelöst werden konnte...“ Sie verfiel bei dem Namen Mamoru unweigerlich wieder in Erinnerungen an das Ende dieses Abends, diese merkwürdige Zusammenkunft zwischen ihm, ihr und Conan. Dieses Gespräch, das für sie nicht wirklich erfassbar war, wo Begriffe fielen, die ihr nichts sagten und bedrohlich auf sie einwirkten. 'Die Jungfrauen mit den schwarzen Händen' zum Beispiel. Und dann war da noch die Sache mit dem Tower von London, an der sie immer noch zu knabbern hatte. Es musste für Mamoru direkt peinlich sein, mit anzusehen, wie hilflos sie dieser Assoziation gegenüberstand. Ihr Kopf gab unweigerlich der Gravitation ein Stück nach, während sie vor sich hin sprach. „Sowas... sowas hat also Conan mit Ihnen besprochen?“ Ihr kam der gleiche Gedanke, der Heiji ebenso schockte. Ja, das war einfach zu viel. Takagi konnte an Conans schlaue Einfälle gewöhnt sein, möglich, sie respektieren und ihn auch immer wieder anhören. Aber so eine Argumentation zunächst anzubringen und diese sich dann auch noch sich als richtig erweisen lassen... nein, das würde er nicht hinnehmen und das würde sich Shinichi auch nicht trauen als Conan... nicht so. Ergo: 'Er weiß es! Er weiß über Conans Geheimnis Bescheid! Wie? Warum?' Langsam begann sich der Trupp zu bewegen, als Kazuha und Kogoro, die dieser Aussage nicht viel entnehmen konnten, die nächsten Stufen nahmen, auch um Hino nicht länger warten und womöglich stutzig werden zu lassen. Ran und Takagi wurden unwiderruflich dabei mitgetrieben und nur Heiji blieb zurück. Ihn hatte noch eine Erkenntnis getroffen. 'Was wenn es... wirklich so war, wie in diesem anderen Fall, dass das Opfer mit dachte? Dann würde das bedeuten, das war vielleicht eine Finte für den Täter... aber mit welchem Ziel? Hm... dann ergäbe die Sache mit dem Buch einen Sinn... Außer dass unter diesem verflixten Teppich doch nichts war! Verdammt, die Polizei, Mori, Kudo und ich, wir können's doch nicht alle übersehen haben, wenn da was ist.' Er atmete einmal tief durch, blickte hoch durch das Treppenhaus, an die immer noch entfernt wirkende oberste Decke des Schlosses. 'Es bedeutet noch etwas. Wahrscheinlich ging es nicht um Geld, zumindest nicht um Herrn Tashijas... nein, dieses Schloss birgt offenbar ein weitaus größeres Geheimnis, das sich mit diesem Geld gar nicht aufwiegen ließe. Eines, für das nicht im Affekt, sondern aus Überzeugung getötet wurde.' Noch während er die letzten Stufen nahm, überkam Heiji das unbestimmte Gefühl, in einem ganz anderen Gebäude anzukommen, sinnbildlich in einem Möbelfachgeschäft, das gerade hier seine besten Stücke zur Schau stellte. Der gesamte Flurbereich um die vier Türen war ausgekleidet mit Schränken, und zwar jeweils ein anderer Stil. Neben einem hellen Eichenholzregal im modernen europäischen Stil wölbte sich ein üppiger Kleiderschrank aus japanischer Kiefer, zwei Meter daneben wiederum ein Möbelstück aus dem Biedermeier, das entfernt an eine überdimensionierte Kleidertruhe erinnerte, in die man die Sachen nur legen, nicht hängen konnte. Gefüllt war keines dieser Möbel scheinbar, außer mit den einigen wenigen Ordnern, aus denen Papiersammlungen, die allesamt sicher in ein einzelnes Regal gepasst hätten, quoll. Auch die Tapeten an den Wänden dahinter waren in unterschiedlichsten Farben, Mustern, und auch teilweise ganz verschiedenen Materialien, wenn es keine einfachen Tapeten waren, gehalten. Davor breiteten sich mehrere unterschiedliche Teppiche auf einem Laminatboden aus, der in der Nähe der größeren Möbelstücke Spuren aufwies, als seien diese vielfach verrückt worden. Als wären hier alle möglichen Kombinationen von Inneneinrichtungen ausprobiert worden, wie eine Schablone verbunden, der kurzhaarige, weiße Teppich mit dem dunklen Biedermeier und der hellbraunen Täfelung an den Wänden soll als Beispiel zu dienen. Die anderen Gäste waren schon an den Anblick gewöhnt, der mehr einem bunt zusammengschnittenen Sortiment Katalogbilder entspricht, Heiji und Kazuha aber staunten nicht schlecht, als sie sich alle Details der Reizüberflutung zu Gemüte führten. „Was... ist das?“ Es war nur ein Flüstern, der sich ihrer Kehle entrang, aber laut genug, dass Ran es hörte. „Nun ja, es ist nicht die Einrichtung von Herrn Tashija, wenn ihr das denkt, sondern...“ „Der Innenarchitekt, nicht wahr?“, unterbrach der Osaker sie kurzerhand. „Subaru Moriya, um genau zu sein.“, begann Daijo Hino, während er sich zu einem der Möbel begab. „Man hat es euch also schon erzählt? Vor Atsushiro wohnte Subaru in diesem Stockwerk, ein junger Designer und Innenarchitekt. Er kam auf dieses Schloss, weil es ihm die Atmosphäre gab, wie er meinte, sich über alle Einrichtungsstile, die es gab, gibt und noch nicht gibt, zu informieren und zu darüber zu experimentieren.“ „Dafür hat er jeweils ein Möbelstück, eine Wandverkleidung und einen Teppich gekauft aus verschiedenen Epochen und Richtungen und kombinierte sie hier nach Belieben? Aber wieso immer nur eins? Reicht das schon aus...“ „Es ist doch wie im Katalog, oder nicht? Nimm deine beiden Hände und begrenze deinen Blickwinkel auf den Bereich um mich zum Beispiel, dann hast du nur diese eine Kombination und genau dieser Eindruck genügt, die Stimmung, die diese vermittelt, aber auch die Stimmigkeit an sich zwischen den verschiedenen Gruppen, zu erfassen. Die übrigen Räume sehen kaum anders aus, auch wenn in ihnen sogar ein paar funktionale Möbel drin aufgebaut sind. zumindest gibt es ja mehr als acht Einrichtungsstile. Haha.“ Das Lachen zum Ende sollte vielleicht ernst gemeint sein, aber es wirkte gequält, müde, wie Herr Hino selbst. „Und Herr Tashija hat das einfach so belassen? Hat ihn dieses viele Bunt nie gestört?“ Kazuhas stutziger Blick war nun nur noch tiefer geworden. Soll der junge Künstler in diesem Ragout aus Farben gewohnt haben? Ein sanftes Lächeln glitt über Hinos Gesicht. „Er ist nunmal Naturkünstler. Gewissermaßen César Manriques Schüler, wie wir manchmal scherzhaft meinten. Und César Manrique wohnte nunmal zumindest seinen Lebensabend nicht mehr in einer normalen Wohnung, sondern...“ „In einem unterirdischen Lavaluftloch, welches er wie eine Art kleine Höhle in eine Wohnung verwandelte!“ „Genau, junge Dame. Viel hatte er sich sowieso nie aus weltlichen Gütern gemacht, aber seitdem er quasi die Hälfte von Lanzarote, die mit Lava bedeckt ist, zum Nationalpark machen konnte, war er auch ein wenig... eigen geworden, würde ich es nennen. Er sah, wie Pflanzen und Tiere anfingen, sich an das schwarze Gestein, welches alles überzog, zu gewöhnen. Zum Beispiel dessen Fähigkeit, den Morgentau in dieser trockenen Gegend zu speichern und langsam abzugeben, für ihren Wasserhaushalt zu nutzen begannen, wie sie in diesen Lufteinschlüssen, die sich bildeten, ihren Lebensraum fanden. Tja, und dann baute er sich, in dem festen Glauben, auch so leben zu können, seine letzte Wohnung. Und Atsushiro war von dieser Einstellung regelrecht begeistert. Er ist sich zwar nicht zu schade, auch mal etwas mehr Geld auszugeben, für Ausrüstung, zum Beispiel bei seinem Notebook, das alles andere als billig war... aber er ist, solange ich ihn kenne, was Technik und menschliche 'Zivilisationsreliquien' angeht, stets bescheiden geblieben. Ich bewundere das an ihm, ehrlich. Ich habe es erst später verstanden, aber der Grund, weshalb er so ablehnend zu meinem Bild mit dem Fisch damals war – da kannte ich ihn ja selbst kaum – war weniger, dass der Fisch sterben würde. Ihn störte viel mehr, dass es ein... moderner Tod war, eine Vergiftung an schweren Metallen, etwas, was ohnehin täglich passiert auf der ganzen Welt. So gesehen, war es vielleicht sogar realistisch, aber den Kreislauf des Lebens hat es nicht neu erschaffen, sondern nur künstlich beschleunigt. Das, was mein Bild erst möglich machte, war eine nicht notwendige Ergänzung in seinen Augen. Das, was César Manrique gerade verabscheute, und seinem treuen Schützling damit heilig wurde, auch zu verabscheuen.“ Während seiner langen Rede suchte der Fotograf in dem Regal, auf das er zugesteuert war, einen Ordner sowie ein paar der Zettel zusammen, ordnete sie Stück für Stück, ohne sich überhaupt umzudrehen. Die Einrichtung erinnerte Heiji an eine Frage, die er längst schon stellen wollte. „Sagen Sie... dieser Innenarchitekt, dieser Herr Moriya, der vor Herrn Tashija diese Etage bewohnte, ich hörte, der ist jetzt am arabischen Golf und richtet Luxushotels ein?“ Kurz unterbrach er seine Sortiererei, nicht zuletzt, weil ihn die Frage aus seinem Konzept brachte. „Äh... ja, direkt in Dubai wohl soweit ich weiß; er hat das Schloss bei so einer Gelegenheit auch kurzerhand verlassen, gar nicht lange gefackelt. Hätte ich vielleicht auch an seiner Stelle. Klappt es dort wie er es sich vorstellte, dann wird er sich sein Lebtag lang nicht mehr vor Aufträgen retten können und seine Vorstellungen einer künstlerisch anspruchsvollen Wohnung werden dann auch sicher als diese anerkannt. Da hilft kaum etwas mehr als so ein exklusiver Job, der weltweit Beachtung findet. Er ist so gut wie ein gemachter Mann.“ „Aber hier ist nicht so sehr etwas aus ihm geworden?“ Erneut stockte der Künstler, sah hoch zur Decke, wurde leiser in der Stimme, unmerklich auch zittriger. „Man hat dir gesagt, dass er sich oft mit Kunieda gestritten hatte, nehme ich an? Nun..., das ist wohl eine der wahrsten Aussagen, die es gibt, auch wenn ich ehrlich keine Ahnung habe, was da dauernd schief ging. Subaru hatte natürlich diese Etage, wo er im wesentlichen an seinen Design-Fähigkeiten arbeitete. Aber eigentlich wollte er hier aufs Schloss, um eine wirkliche künstlerische Herausforderung anzugehen, die eigentlich nur am Objekt selbst möglich ist; Das Restaurationshandwerk. Er wollte diesem Schloss den Charme vergangener Tage zurück geben, wie er es nannte. Restauration verlangt viel mehr als Design ab. Mehr, als alle architektonischen und Einrichtungsstile zu kennen, um ein Gebäude oder dessen Inneres zu rekonstruieren, es verlangt die Fähigkeit ab, sich selbst in eine Epoche in ihre Menschen hinein versetzen zu können und dann zu erkennen, worin sich solche Leute heimisch fühlten. Kurzum, man muss an jede Aufgabe in diesem Bereich ganz individuell ran gehen, etwas, was in der Kunst weniger üblich ist, als die meisten Leute, die damit nichts zu tun haben, meinen. Das heißt, für ihn hatte dieses Schloss einen praktischen Grund. Nur... dass Herr Kunieda nicht nur kein Interesse daran zu haben schien, dass sein Schloss neu im alten Glanz erstrahlte; er hat es ihm regelrecht ausgetrieben, bis Subaru schließlich entnervt aufgab, sich auf seine Design-Untersuchungen konzentrierte und sich um einen möglichst schnellen Auftrag bemühte, wegen dem er den hiesigen Ort wieder verlassen könnte. Und das entsprechende Glück hatte er dabei ja mit Dubai.“ „Merkwürdig ist das aber schon, finden Sie nicht? Herr Tomoko meinte doch vorhin, dass sich Herr Kunieda nicht so viel mehr aus dem Schloss mache, aber er hatte partout was dagegen, dass Herr Moriya etwas daran veränderte?“ Heijis Neugier war geweckt. Vielleicht war dieser absurde Gedanke von vorhin doch nicht so aus der Luft gegriffen. Das würde immerhin die Möglichkeit eröffnen, in diesem Fall einen Ansatz zu haben. Nur... worum es eigentlich ging, schien auch nicht klarer dadurch zu werden. „Tja... wenn du mich fragst, hat Kunieda eine gewisse emotionale Bindung zu dem Gebäude, die er einfach nicht zugeben will. Es stimmt schon, was Katsui vorhin meinte, wenn man ihn direkt drauf anspricht, redet er von diesem Schloss nur in Zusammenhang mit den hier wohnenden Künstlern, er spricht gerne von einer 'privaten, freien Akademie'. Und er war wohl ewig nicht hier, zumindest meinten Katsui und Seijiro das. Ich habe ihn in den drei Jahren, die ich hier war, nie gesehen und das letzte, was Herr Kunieda von selbst an diesem Schloss gemacht hat, ist die Kellereinrichtung, die ist jetzt etwa 10 Jahre alt und bis auf kleine Veränderungen immer noch im Originalzustand. Damals kam er nicht nur selbst vorbei und hat alle Arbeiten begleitet, er hat das Schloss sogar dicht gemacht für die drei Monate Bau und Installationszeit und hat für die Künstler, die damals hier wohnten, eigene Ateliers angemietet. Also... irgendwie scheint er es schon sehr wichtig genommen zu haben, dass hier möglichst nichts unnötig verändert wurde. Wobei ich mich immer schon frage, warum er dann nicht woanders ein anderes altes Herrenhaus gekauft hat, wenn ihm dieses Schloss so viel bedeutet...“ „Hm... Moment mal, Sie sagten doch, Herr Tashija benutzte seinen Computer auch für E-Mails mit ehemaligen Kommilitonen. Die entsprechenden Kabelverbindungen müssen doch jünger als 10 Jahre sein, und W-Lan kann hier draußen auch schlecht empfangen werden, oder?“ Herr Hino setzte kurz ein Lächeln auf, richtete seinen linken Zeigefinger nach oben, während er den Detektiv eingehend musterte. „Glaubs oder glaubs nicht, es ist eine besondere Form von W-Lan, aber kein richtiges. Herr Kunieda war der Überzeugung, Kabel zu verlegen durch den ganzen Wald wäre einfach zu extrem, zumal es als Eingriff in dieses Natursystem abzulehnen sei. Wohl ganz im Stile von Atsushiro und Manrique... Und das Problem gabs ja vorher schon mit Telefon, respektive neuerdings Handys. Das wurde damals vor 10 Jahren zusammen mit den Entwicklungen im Keller vorgenommen. Strom war ja schon vor über 20 Jahren, als alles hier erstmals für Gäste eingerichtete wurde, ebenfalls verlegt, alles unter seiner Aufsicht. Aber nochmal wegen Internet solche Kabel zu verlegen, war ihm einfach zu viel. Dennoch hatte insbesondere Seijiro darauf gedrängt, weil dieses Medium auch für Künstler ja immer unersetzlicher wird. Nun ja, einiges hin und her, Kunieda hat ne Weile überlegt und dann eine wie ich finde, absurde Lösung gewählt. Du hast doch sicher unten das Telefon gesehen, in der Haupthalle. Daneben steht ein zweites Gerät, ähnlich einer Box für W-Lan Empfang. Aber das Ausgangssignal kommt halt nicht aus einer Funkantenne, sondern, von einem Satellit.“ „Waah?“ „Ich sag ja, ich hielt das auch für einen Witz im ersten Moment, aber es schwebt tatsächlich ein geostationärer Satellit in der Umlaufbahn über diesem Schloss und sorgt, ähnlich wie frühere Telefonverbindungen, mit einem Sendesignal für die Internetdatenübertragung.“ Selbst Kogoro und Ran mussten einmal schlucken, zu dieser Frage kamen sie gestern gar nicht. Takagi hatte es die Woche zuvor mitbekommen, aber wie die anderen für einen schlechten Scherz gehalten, bis sich Herrn Yamamuras Warnung bestätigte. „Ach ja, die Handynutzung funktioniert natürlich genauso und ist daher fast auf das Schloss begrenzt. Hier drinne und in einem Umkreis von ungefähr 200 Metern Radius kann man mit dem Handy ganz normal telefonieren, aber im Wald draußen ist kein Empfang. Insbesondere natürlich beim Hügel, wenn du da unbedingt nochmal hin willst.“ Heiji hörte diesen letzten Satz schon gar nicht mehr richtig, war vollkommen in sich versunken. Mit jedem neuen Gedanken verdichtete sich seine Vermutung von vorhin. 'Was soll dieser absurde Aufwand, warum einmal ja, einmal nein, warum hat er das Schloss zu diesem Wohnraum gemacht, warum hat er den Täter gedeckt, was hat Herr Tashija eigentlich entdeckt und was hat er mit der Entdeckung gemacht, warum musste er deswegen sterben, wenn... Oder irre ich mich ganz? Aber warum dann...' Die Warums erschlugen den jungen Mann förmlich, der zwar geradewegs nun durch die Dunkelheit der Fragen zu marschieren glaubte, aber absolut nirgends das Licht am Ende des Tunnels erblickte. Nur eines schien vollkommen klar. Der Fall war unheimlich tief und weitreichend. Je mehr er Ungereimtheiten aufzudecken meinte, desto mehr schienen neue aufzutauchen, ohne dass sich das gewünschte Muster ergab. Kunieda hatte was damit zu tun, scheinbar, Tashija wusste wohl auch mehr, als er offen zugab, und dann der Täter, der ein dritter sein konnte, oder auch einer der ersten beiden, und noch schien nicht mal sicher, dass der Verantwortliche hinter Conans Sturz der Täter aus dem ersten Fall, oder noch ein vierter war, aus einem ganz anderen Motiv. Seine Gedanken suchten verzweifelt nach dem nicht vorhandenen Hinweis, dem ihm gereicht werden musste als... „Hier, bitte sehr.“ „Was?“ Er schreckte aus seinen Gedanken auf, blickte in das freundlich naive Gesicht des Künstlers, der ihm einen schweren Ordner hinhielt. „Die Fotos vom Hügel Tashija. Die wolltest du doch. Bis vor etwa einem Monat hat er sie auf seiner ganzen Etage verteilt, auf jedem Möbelstück, jedem Quadratzentimeter Fußboden und sonstiges. Das wurde uns irgendwann zu viel, da man schon Angst hatte, auf dem Papier auszurutschen, also haben wir ihm gesagt, er soll sie mal irgendwie ordnen. Seitdem hat er in jedem Zimmer einen solchen Ordner an Bildern angelegt und der liegt offen in einem Schrank, so dass er immer ran kann. Die Polizei hat letzte Woche wohl ne Stunde gebraucht, um alle Fotos zu sichten. Aber wenn du mich fragst, alles sehr sinnlos, die Fotos sehen fast alle gleich aus und jeder andere Ordner genauso wie diese.“ Heiji blickte verwundert zuerst Herrn Hino, dann das Fotoalbum an, das auf den ersten Blick nach rund 100 auf A4-Format Fotopapier ausgedruckte Bilder beinhaltete. „Er hat die so offen liegen lassen, auch hier im Flur?“ „Ja, und wie gesagt, im Prinzip ist das alles, ich kenne die anderen Fotos, ich sollte ihm ja ab und zu mit dem Aussuchen guter Bilder Beziehungsweise eben einer ordentlichen Fotografie-Technik helfen.“ Vorsichtig blätterte sich Heiji durch das dicke Bilderduch. 'Das heißt... jeder konnte vorbei kommen, auch wenn er in seinem Zimmer war, und alle Bilder sehen, die er gemacht hat. Und offenbar sollte das sogar jemand. Aber wieso? Wenn er jemandem sagen wollte, er wüsste Bescheid, würde das bedeuten, er würde diese Person erpressen wollen. Aber das macht doch keinen Sinn, wenn er derjenige mit Geld ist und die anderen eher daran zu knabbern haben. Oder wollte er Herrn Kunieda selbst erpressen? Mit irgendeinem Geheimnis dieses Schlosses. Und dieser hat dann einen der Künstler beauftragt, ihn umzubringen? Geht das denn überhaupt, von denen steht doch keiner so sehr in seiner Schuld, dass er für Kunieda töten würde, oder? Aber... nein, dann hätte Kunieda doch vom Hügel Bescheid gewusst. Oder war nun wieder Herrn Hinos Geschichte vom Treffen zwischen Tashija und Kunieda eine Lüge und er selbst der Verantwortliche. Ach verdammt, ich kriege noch die Krise!' Alle Bilder zeigten tatsächlich einen übergroßen Hügel aus Erde, überwuchert mit Gras und kleineren Pflanzen, aus allen möglichen Perspektiven, bei allen möglichen Tages und Nachtzeiten, getrennt nach dem Sonnenstand, der jahreszeitlichen Flora auf und um den Hügel... nein, es mussten wohl eher 300 Fotos sein, dachte Heiji nach einer Weile. Aber ansonsten war da absolut nichts auffälliges. Man meinte, den Hügel nach Betrachtung dieser Fotos bereits auswendig zu kennen, aber auch zu wissen, da war nichts. Was zum Geier sollte das? „Aber schöne Bilder, zumindest einige, wie dieses hier. Er scheint auch als Fotograf nicht schlecht zu sein.“ „Tse... nicht wirklich, wenn du mich fragst. Dieses ist eines der Bilder, bei dem ich dabei war und ihm sagte, was er zu berücksichtigen hat, um das Licht gut einzufangen und die entsprechende Stimmung zu erlangen. Und bedenkt man, dass er Kunst studiert hat, genau wie wir anderen, sollte man solche Einschätzung von Bildern von sich aus haben. Ehrlich gesagt, wirkt er hier eher wie ein blutiger Amateur.“ Man konnte deutlich heraushören, wie Hino an diesem Punkt einen klaren Strich zwischen sich und seinem Kollegen zog und auch etwas abschätzig wurde. Aber auch das brachte Heiji nicht weiter. 'Anscheinend wollte er zeigen, dass er sich mit dem Hügel beschäftigte, aber wieso so intensiv, und warum ein Jahr lang? Warum war jetzt etwas passiert, und warum nicht schon vor fünf Monaten, wenn er spätestens seit dem Treffen mit Kunieda ahnte, was hier vor sich ging? Hatte er solange Nachforschungen angestellt? Aber wenn er solange die Fotos zeigte, wieso hat es der Täter nicht verstanden, oder nicht reagiert? Und warum so viele, wenn nichts neues drauf ist? Dann hätten es doch auch zehn oder fünfzig getan. Er hat doch ne ganze Menge Geld hinein gebuttert, alle Bilder in der Größe auf Fotopapier ausdrucken.' Plötzlich blieb sein Blick bei einem Bild vom Sonnenuntergang – oder war es Sonnenaufgang? – hängen. „Sagen Sie, reflektiert da was am Hügel?“ Der Künstler beugte sich augenblicklich herum, betrachtete das Bild genauer durch seine Brille. Mitten auf der Hügeloberfläche, im rechten unteren Viertel, war ein kleiner heller Punkt zu sehen, der deutlich in die Kamera zurück gestrahlt wurde. Inder näheren Umgebung wurde es sofort wieder dunkel. „Genau das meinte ich.“, reagierte Hino entnervt, als er sich wieder zurück lehnte. „Das ist ein Fotofehler. Zumindest kein gut zu vermeidender, aber da ist ein Korn irgendwo in das Licht gekommen und hat zurück gestrahlt. Bei Sonnenuntergang ist die Lichtquelle aus diesem Winkel ja von der Seite. Daher kann man ohne Blitz arbeiten und glaubt naiv, dass jedes Licht echt sein müsste. Aber man berücksichtigt nicht die Luftbewegungen. Sieh mal, oben auf der Spitze,die eine kleine Blume, sie schwankt stark nach links. Das heißt aus Richtung der Sonne weht Wind. Wie gesagt, sowas kann dann passieren und es ist blöd, aber solche Fotos behält man dann eigentlich auch nicht, zumindest nicht als Fotokünstler. Es ruiniert das Bild, weil es etwas falsches vortäuscht, was nicht da ist.“ „Das heißt, da ist in Wirklichkeit nichts?“ „Ich war mehrmals mit ihm dort, auch bei Sonnenuntergang, da habe ich nie was reflektierendes gesehen außer seine Kamera. Da ist nichts, was das in real hervorruft. Das wäre wie bei meinem Fisch eine künstlich dazu gelegte Unmöglichkeit im Bild.“ „Aber unmöglich an sich ist es nicht, oder wie?“ Erneut musterte Hino den schwachen Lichtpunkt auf dem Bild, richtete seine Brille dabei ordentlich. „Also... es müsste sehr klein sein, Bruchteile von Quadratzentimetern, schwach reflektierend nur, immerhin war ne Menge Licht durch die Sonne... und vermutlich ist es wie ein Hohlspiegel gewölbt um genau und exklusiv diese Rückrichtung zu bewirken. Wie gesagt, ich war mehrmals da, die Polizei hat den Hügel umgegraben, so etwas gibt es da nicht. Aber unmöglich sicher nicht.“ War das nun ein Hinweis? Beim besten Willen, konnte Herr Tashija erwarten, dass jemand sich insgeheim alle 300 Fotos ansah, um auf diesen einen schwachen Lichtpunkt zu stoßen? Und selbst wenn, wenn sogar ein Fotokünstler meint, sowas wäre getürkt oder einfach ein Fehler bei der Aufnahme, was sollte dann jemand anderes denken? Was sollte man von dieser Person, dem Täter, denn erwarten, was dort nicht zu finden war angeblich? Das konnte doch nicht wirklich Tashijas Hoffung sein, oder? Vielleicht wenn jemand sehr genau mit dem Auge war... vielleicht. Aber dann war wieder dieser Punkt mit dem Zeitabstand. Die Bilder lagen wohl schon ewig da und wenn es etwas so deutlich überführendes war, was dieser Lichtpunkt darstellte, wieso hatte Tashija so lange überlebt? „Hm... na dann, ich würde nochmal gerne kurz in sein Wohnzimmer blicken, wenn das geht.“ Seine Stimme hatte etwas leicht resigniertes. Der scheinbare Hinweis zerplatzte in seinem Kopf schneller als eine sprichwörtliche Seifenblase. Er musste selbst zum Hügel, so viel stand fest, aber ob ihm das helfen sollte, den Fall zu lösen, da war er skeptisch mittlerweile. Der Hügel war das Zentrum, der Kern, aber nicht die ganze Lösung. Im Gegenteil, im Gesamtbild der Verbrechen, die hier aufzuklären sind, würde er wahrscheinlich von dieser Position des zentralen Ansatzes am Ende zu einem Randaspekt werden. Lediglich der Zünder, der zu den Ereignissen der letzten Woche und des vorangegangenen Tages führten. „Natürlich, es ist die Tür da vorne. Eingerichtet relativ rustikal, aber mit Möbeln, die am wenigsten teuer und unersetzlich wirken. Da hat sich Atsushiro eingelebt. Das Zimmer entpuppte sich als ähnlich aufgebaut zu dem von Herrn Tomoko zwei Etagen weiter unten, wenn auch alles ausgekleidet war mit Bildern vom Hügel. Heiji glaubte einen weiteren Ordner ausgebreitet vor sich zu sehen, als er die Wände überblickte. Ein ordentlich gemachtes Bett und ein Kleiderschrank zur rechten, ein fast leeres Bücherregal zur linken und ein großer mit einigen Stapeln Skizzen, die den Hügel sowie geometrische und optische Zeichnungen zeigten, belegten Schreibtisch samt Stuhl vor sich. Rechts daneben ein kleinerer Tisch, auf dem Eine Druckstation stand. Auf den Stapeln lag obenauf ein kleines Buch, 'Die Rückkehr des Sherlock Holmes'. Das Lesezeichen war auf den Anfang von 'Der zweite Fleck' gesetzt, wie erwartet. 'Auf den Anfang. Das macht gar keinen Sinn, wenn er diese Geschichte lesen wollte. Diese bestimmte Stelle findet er doch jederzeit wieder mit dem Inhaltsverzeichnis. Er wollte, dass es gesehen wird... aber so richtig geht das auch nicht, außer man guckt sich in dem Zimmer um. Oder hatte er einfach noch keine Zeit? Brauchte er es denn überhaupt? Scheinbar wusste ja nur Herr Yamamura von dem Buch und der einzige, der es sonst gesehen haben könnte...' „Haben Sie das Buch eigentlich auf Fingerabdrücke untersucht, Inspektor Takagi?“ Der Polizist schaute verwundert auf, stand nur in der Tür, kam gar nicht herein. „Ja, da waren nur die von Herrn Tashija und Herrn Yamamura drauf.“ „Und Sie waren auch die letzten Wochen nicht in diesem Zimmer oder großartig in dieser Etage, Herr Hino?“ „Äh nein, das letzte Mal, als wir gemeinsam hoch gingen, um uns über die Bilderflut zu beschweren, danach nicht mehr, bevor Atsushiro verschwand.“ Heiji verzog sein Gesicht noch tiefer unter die Baseballmütze, als sonst, atmete einmal tief durch, setzte ein falsches, freundliches Lächeln auf und hob das Gesicht wieder. „Dann... denke ich, habe ich Sie genug ausgefragt, Sie sehen totmüde aus, legen Sie sich lieber hin, Herr Hino.“ Verwunderung machte sich zunächst in dessen Miene breit, bevor er langsam auch zu lächeln begann. „Oh heißt das, der Fall ist jetzt bald geklärt? Hm... ja, das wäre gut, ich denke, vorher wird mein Schlaf nicht mehr so gut sein... aber, du hast wohl recht. Ich werde mich in meinem Zimmer hinlegen, aber Sie können jederzeit kommen, wenn etwas ist. Auf Wiedersehen.“ Er verbeugte sich leicht hölzern, wartete, bis alle aus dem Zimmer von Herrn Tashija wieder raus waren, schloss selbst die Tür und tapste schläfrig, beinah wie ein Bär die Treppen hinunter. „Viel... Erfolg noch.“, rief er gähnend zum Schluss. Erst als sein Kopf nicht mehr zu sehen war, verfinsterte sich Heijis Blick wieder. „Sie haben diese Etage nicht durchsucht, Takagi?“ Es war weniger eine Frage, als die Feststellung eines Fehlverhaltens, wie es der Beamte von seinem Chef gewöhnt war. Reflexartig zuckte er zu einer steifen Säule zusammen, um sich zum Dienst zu melden, und entspannte erst nach einigen Sekunden. „Das... das war nicht nötig. Ich habe letzte Woche ausführlich mitgeholfen bei der Durchsuchung, die ja in dieser Etage sehr genau durchgeführt wurde. Ich kann dir gleich sagen, dass hier kein solches Rohr oder irgendetwas, dass dazu gebraucht werden kann, ist.“ Er hatte die Antwort ja befürchtet, aber allein die Hoffnung, gesagt zu bekommen, 'es war ein Versehen, ich hole es gleich nach', hat ihn am Leben gehalten. Ganz langsam aber reichte es ihm. Er biss die Zähne zusammen, bis sie wehtaten, machte einen Schritt nach vorne, an den anderen vorbei, so dass er neben Kazuha stehen blieb. Sie sah verängstigt unter der Kappe in seine Augen. Dieser Blick war ihr wohl noch nie begegnet. Es war keine Resignation, es war mehr Wut; es war aber auch keine Überlegenheit mehr drinne, wie noch im Erdgeschoss, als er nichts verstand. „H-Heiji, was hast du?“, fragte sie zögerlich. „Nichts, Kazuha. Lasst uns zu Herrn Yamamura gehen und uns anhören, warum er der einzige Verdächtige ist aber es unmöglich sein kann. Die Varianten von Herrn Tomoko, Herrn Hino, Herrn Kunieda und dem vermutlich verstorbenen Herrn Tashija, warum sie die Täter sein sollten, es aber nicht sind, waren allesamt schon höchst originell und jedes mal total anders.“ Die bittere Ironie ließ alle leicht versteifen. War der Fall selbst für Heiji eine Nummer zu hoch? Nein, das konnte es nicht sein. Ran und Takagi legten für sich den Schluss nahe, dass es ihn störte, dass Shinichi den Fall offenbar gelöst hatte und er noch so im Dunkeln tappte. Oder aber... „Ach ja, noch was Kazuha. Wie auch immer dieser Fall ausgeht, erinnere mich daran, mir den Rest meines Lebens zumindest für meine Arbeit Künstler vom Leib zu halten.“ 'Oder aber er kann einfach nicht so gut mit Künstlern...' Beide mussten kurz an sich halten, bevor sie ihm folgten. Kapitel 16: Ran Mori -------------------- Hallo an alle Leser, und wieder melde ich mich aus einem Tokioter Krankenhaus von Conan und Kirika. ;] zuerst einmal vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Ich sage mal voraus, dass in Punkto verwirrende Informationen zum Fall im Schloss ich beim nächsten Mal noch die Krone draufsetzen werde, aber dann hat man eigentlich alle notwendigen Infos zusammen. Insbesondere war Conan gar nicht beim Hügel, falls das so aus den Aussagen noch nicht direkt herauskam, wusste also schon vorher Bescheid. Und, weil die Frage kam, mit dem heutigen sind es noch vier Kapitel, danach beginnt die Fallaufklärung, sprich noch vier Wochen habt ihr Zeit zum miträtseln. ^.~ Nun aber zu einem durchaus wichtigen Kapitel für die Gesamthandlung. Es wundert mich fast, dass der Gedanke, der hier nun aufkommt, bis jetzt scheinbar von niemandem angesprochen wurde – aber OK, dann ist mir die Überraschung vielleicht gelungen. *ggg* ^//////^ Ich verrate mal noch nichts, sage aber am Ende noch was dazu, was sich als Frage an dieser Stelle ergibt. Stattdessen wünsche ich viel Spaß beim Lesen und bis nachher. LG, Diracdet _____________________________________________________________________________ Kapitel 16: Ran Mori „...Ran... Mori...“, wiederholte der kleine Junge zitternd den Namen, den ihm Kirika als Assoziation gab, und verstummte daraufhin sofort wieder. Sein Herz begann schneller zu schlagen und leichter Schweiß auf seiner Stirn, begleitet von Gänsehaut, die ihn frieren ließ, lähmte seine Zunge. In diesem Moment wurde ihm etwas, ein Fakt, zum ersten Mal klar. Er würde nicht auf ewig im Dunkeln stehen bleiben, er... würde sich erinnern. Ganz sicher! Denn es gab wenigstens eine Person, die ganz genau über ihn Bescheid wusste, die seine Geheimnisse kannte. Sie, Kirika Yuumura. Sie hatte eben förmlich seine Gedanken gelesen. Ja, Ran Mori, dieser Name ging ihm, seit er aufgewacht war und ihn das erste mal 'neu' hörte, einfach nicht mehr aus dem Sinn. Dieses Mädchen war vermutlich der eigentliche Grund, dass er überlebte. Nein... nicht vermutlich, definitiv. Mögen es Fieberträume gewesen sein, die er nach seinem Treppensturz durchlebte, möge das alles, was er sah und hörte und fühlte, nur Wahnvorstellungen entsprungen sein – was sie nicht waren, denn er hatte auch deutlich die Sirene des Krankenwaagen sowie die Gespräche der Ärzte mitbekommen, wenn auch nur schemenhaft – und mögen diese Ärzte und Schwestern behaupten, was sie wollen über die Heilung im Krankenhaus, über sein gerettetes Leben... all das schien ihm bedeutungslos. Er wäre gefallen, hätte sie ihn nicht gerufen. Gefallen... aus dem Leben. Und er ist nicht einfach deswegen nicht gefallen... weil sie ihn gerufen hat. Das wäre doch etwas naiv; wie viele Menschen rufen die Verunglückten, die sie fanden, so laut es ging beim Namen und erhielten doch nie mehr eine Antwort. Das war mit seiner Situation nicht zu vergleichen. Er war im Begriff zu fallen. Es war nicht einfach, weil sie ihn gerufen hatte, dass er überlebte. Er überlebte, weil 'sie' ihn gerufen hatte. Ran Mori. Daran hatte er mittlerweile keinen Zweifel mehr. Es war ja sein eigener Gedanke am Anfang. Sie hatte ihn halt damit gehalten, dass sie ihn rief und im nachhinein hat sich diese Assoziation einfach eingebrannt. Der Lebensretter, dem man daraufhin auf ewig dankbar ist, den man nicht mehr vergisst, das war durchaus nichts unübliches und schien Sinn zu ergeben. Sie war die erste Erinnerung im Koma, und sie war das erste, was er sah, als er erwachte. Aber dass er überhaupt erwachte.... das konnte doch nicht daran liegen, das 'irgendwer' einen ruft. Und selbst die Assoziation der großen Schwester, die sie für ihn spielte laut eigener Aussage ihres Vaters schien ihm nicht ausreichend zur Begründung. Es fehlte etwas... eine grundsätzliche Stellungnahme, etwas... bedeutsames, das als Fakt feststand, aber noch nicht ausgesprochen wurde. Und dieses etwas nagte an ihm, biss sich in seinem Kopf fest und ließ ihn einfach nicht los. Dieses Gesicht, dieses warme, freundliche Gesicht, dieses schwache, ehrliche Lächeln, das einfach keine dunklen Seiten zu haben schien. Und da bemerkte er eine Merkwürdigkeit Es war möglich, dass sie irgendwann in der Zeit, in der er hier lag und sie beobachtete, so lächelte, nicht auszuschließen. Gerade anfangs beschäftigten ihn so viele Eindrücke, dass er nicht alles behalten konnte. Aber... das war es eben... er erinnerte sich nicht, dass sie in dieser Zeit so gelächelt hätte, wie im Bild vor seinem geistigen Auge. So etwas unterschwelliges würde doch nicht hervortreten, wenn es ihm gar nicht auffiel, zumal er bewusst über sie nachdachte und nicht spontan sich erinnerte. Fantasierte er ein Lächeln, das er sehen wollte, weil ihr trauriger Blick, als sie die Diagnose erfuhr, ihn auch traurig stimmte? Sicher nicht unmöglich, aber... eigentlich auch absurd. Der Eindruck ihrer Trauer war tief in seinen Gedanken verwurzelt, er sah, wenn er es dort hervorkramen wollte, ohne weiteres dieses Gesicht. Es gefiel ihm nicht, im Gegenteil, es machte ihn unbestimmt wütend. Ihr Gesicht... war irgendwie nicht für diese Trauer geschaffen... sie hatte es in seinen Augen nicht verdient, so empfinden zu müssen. Aber wenn es weder Fantasie, noch ein reales Bild aus der Zeit im Krankenhaus war, die ihm eingebrannt war, blieb nur... 'Eine Erinnerung! Eine Erinnerung an früher! Ich kenne sie... und ich kenne sie... lächelnd... und nur so... will ich sie kennen.' Ja, sie war eine Assoziation, die es wert war, erfragt zu werden. Und genau das nahm ihm nun Kirika quasi vorweg. Sie bestätigte, was ihm längst klar schien, was er aber bis jetzt mit keiner Silbe andeutete... Im Gegenteil, er hatte sich, gerade seit sie hier war, gar nicht zu Ran geäußert. Sie hatte erwähnt, ihr auf dem Flur begegnet zu sein, aber dort wird sicher nicht etwas besprochen worden sein, was ihr zu dieser Aussage verhalf... Schließlich hatte er auch selbst keine wirklichen Hinweise in der Zeit verteilt, als Ran noch da war. Sie wusste es... weil sie wusste, welche Verbindung vor diesem Tag bestanden hatte... oder zumindest, welche Verbindung für ihn bestanden hatte. „Du weißt es...“, formulierte er den Gedanken schließlich, fast ungläubig über sich selbst klingend, zu Ende. „Du weißt, was mit mir los ist... du... du verstehst diese mysteriösen Zusammenhänge... ganz genau, nicht wahr?“ Eigentlich war das die ganze Zeit schon sein Gedanke, nun aber war es offensichtlich geworden, erstmals absolut eindeutig. Sie antwortete nicht, rührte sich nicht einen Millimeter, gar nichts. Sie stand nur da, die Hände vor sich nach unten gefaltet und starrte ihn an. Und zwar wirklich starrte. Es war penetrant genug, dass selbst Conan nach einer Weile den Blick leicht an ihrem Kopf vorbei bewegte. Sie rührte sich überhaupt gar nicht, verzog keine Miene, als hätte er kein Wort gesagt; man bekam Angst, sie hätte aufgehört zu atmen und würde jeden Moment in sich zusammen brechen, aber sie stand weiter nur da... als sei sie eine Maschine, der man einen invaliden Befehl gegeben hatte. Sie konnte nicht reagieren. Sie... würde nicht reagieren, ihm diese Frage nicht offen beantworten, sei es, dass sie nicht wollte, nicht durfte, oder womöglich gar nicht konnte, weil sie selbst nicht wusste, ob oder inwiefern ihre Sicht auf Conan Edogawa korrekt war. „Warum?“ „Darum...“ „Das meinte ich nicht!“, konterte er barsch zurück, was auch ihre Lethargie brach und sie zu einem Stirnrunzeln bewegte. Professor Agasa und Ai schluckten auf ihren Plätzen schwer. Die Situation, das Gespräch zwischen Conan und Kirika, es hatte eine gespenstische Atmosphäre angenommen. Sie wurden zu Zuschauern eines Theaterstücks degradiert, welches gerade in einem entscheidenden Dialog steckte. Die Protagonisten vor ihnen auf der Bühne stellten ebenbürtige Kontrahenten in einer Art Gedankenspiel dar, 'mind games', wie sich Ai aus ihrer Zeit in den Staaten kannte. Jeder versuchte, den anderen dadurch zu übertrumpfen, ihm einen Schritt voraus zu sein. Als gewöhnlicher Beobachter fühlte man sich automatisch klein... zu klein, als könnte man jemals dort mitreden. Erneut wurde ihr klar... wie weit sie doch von ihm entfernt war. 'Kannst du das denn... überhaupt so einfach mit deinem Gewissen vereinbaren, Shinichi? Ich bin Welten von dir getrennt, der Professor und Heiji wohl ebenso... wie weit muss es erst für Ran sein? Vor allem... im Moment scheint sie es ja zu ahnen, aber in deiner idealen Fantasie-Welt, in der sie bis zum möglichen Untergang der Organisation stets vollkommen im ungewissen bleiben sollte... dort wären es doch von hier aus... Millionen Meilen... kannst du wirklich die Person, die du liebst, so von dir stoßen und dann immer noch von ihr Verzeihung erbeten?' „Du... meintest nicht... warum ich dir nicht sage, was du wissen willst?“ „Nein...“ Sein Blick wurde etwas leer, er seufzte leise, betrachtete den blauen Himmel und die Silhouette Tokios darunter. „Warum... nehme ich hin, dass du das tust? Warum ist es mir scheinbar ganz recht, dass du mich nicht aufklärst, obwohl es mir gleichzeitig wie ein unerträglicher Schmerz im Magen liegt, darüber im Unklaren zu bleiben? Ich denke die ganze Zeit darüber nach, über mich, über sie, Ran, über alles um mich herum, obwohl mein Kopf da selbst gar nicht richtig mitspielt und ich immer wieder kurz einen Stich wie von einer Nadel verspüre, der hindurch fährt.“ „Schmerz ist beim menschlichen Körper eine Abwehrreaktion...“, stellte Kirika fest, folgte seinen Augen zum Fenster, suchte nun auch den Blick nach draußen, auf die Welt... vor ihren Füßen. „Er vermittelt dir mit aller Macht, dass du das, was du gerade tust, nicht weiter machen solltest, da es deiner Gesundheit schadet. Ein evolutionäre Erfindung, die ebenso genial für den Selbstschutz, wie auch gefährlich für die Menschen ist, wenn man bedenkt, wie sie in der Vergangenheit missbraucht wurde. Folter... basiert auf genau dieser Erkenntnis, dass der Körper eine übermächtige Hemmschwelle gegen physische Verletzungen hat, eine, die einen verpflichtet, es zu unterbinden. Physischer Schmerz ist das Schlimmste. Dann will man nur, dass es aufhört, nichts anderes.“ Er sah kurz auf, fand einen schwachen Glanz in ihren Augen, ein unmerkliches Zittern. „1984!“ „Ja.“ „Aber... wenn dem so ist... wieso... wieso kann ich dann nicht aufhören? Wieso brennt es mir so auf den Nägeln, auch wenn es schmerzlich ist?“ Schmunzelnd wandte sie den Blick noch weiter weg von ihm. „Was übertüncht denn Schmerz, wann nimmt man Schmerz in Kauf... Schaden, für etwas... von außen betrachtet eher weniger wertvolles, als das eigene Leben?“ Ruckartig fuhr sie um, erschrak dabei alle zu Tode und sah ihm tief in die Augen. „Was, Mister Holmes?“ „Sucht.“, kam es nach einer Weile, fast wie eine resignierende, denn eine erkennende Feststellung vom kleinen Jungen. Es wirkte, wie von Kirika beabsichtigt. Die Assoziationen, die sie motivierte, ließen künstlich Informationen in seinem Kopf, wie aus einer nicht versiegenden Quelle sprießen. „Holmes nahm Kokain, wenn er keine Fälle zu bearbeiten hatte. Er wusste, dass es schlecht für seine Gesundheit war, er wurde oft genug von Dr. Watson darauf hingewiesen... aber er konnte nicht anders. Wie er sagte... er brauchte das, damit sein Gehirn nicht einschlief.“ „Eine besondere Form von Sucht... Neugier. Diese urmenschliche Empfindung... ein kindliches Bedürfnis, das auch in dir tief verwurzelt ist. Es verlangt nach Nahrung fürs Gehirn. Gab es die nicht, behalf er sich mit Drogen. Ja, das meinte ich.“ Conan schluckte in doppelter Hinsicht. Etwas, fast untergegangenes in ihrer Aussage erregte seine Aufmerksamkeit. Das Wort 'kindlich'. Abgesehen vielleicht von der Schwester und dem Arzt war das wohl das erste Mal, dass er als kindlich charakterisiert wurde. Mehr als bemerkenswert, bedachte man, dass er ein sieben jähriges Kind war. Er benahm sich einfach nicht wie eines. Und selbst diejenigen, die ihn nicht anlogen, sondern es nicht besser wussten, behandelten ihn in diesem Sinne nicht kindlich. Sie taten es nicht, mussten es scheinbar auch nicht. Er konnte all ihren Gesprächen gut folgen, diskutierte teilweise als gleichwertiger Partner mit ihnen. Er war nicht nur ein ungewöhnliches Kind... er war praktisch überhaupt nicht wie ein Kind. Das fiel ihm gerade jetzt auf, als sie ihn zum ersten Mal mit diesem Wort beschrieb. Kindlich. Es war etwas an ihm kindlich, eine sehr hervorstechenden Eigenschaft. Neugier... die gleiche Neugier, die Sherlock Holmes trieb, den er wohl sehr gerne mochte. 'Nun ja... wenn ich schon 1984 lese, ist Arthur Conan Doyle wohl auch keine große Überraschung mehr...' Aber diese wichtige Erkenntnis verblasste neben einer tiefen Angst, die Kirikas Formulierung auslöste. „Bin... bin ich abhängig? Von Drogen?“ Der Gedanke musste unweigerlich kommen, wenn sie ihn so direkt darauf hinwies. Eigentlich undenkbar in seinem Alter, zumal, der Arzt hatte absolut nichts davon erwähnt, auch wenn er keinen zwingenden Grund gehabt hätte... Eigentlich. Wie ihm dieses Wort allmählich auf die Nerven fiel. Eigentlich war alles, was er herausgefunden hatte, absurd. Eigentlich war nichts davon möglich, oder real. Eigentlich hat jeder Mensch Eltern, eigentlich treibt sich ein sieben Jähriger nicht auf Tatorten von Mordfällen rum und liest Orwell, eigentlich gibt es keine allmächtigen Geheimbünde... und eigentlich machte nichts, was er sich ausdachte, Sinn. Und doch... war es die einzige Option. Das Unmögliche hatte er bereits ausgeschlossen, bis zum jetzigen Punkt meinte er keine Lücke in seinen Schlussfolgerungen zu haben, lediglich am Ende ein paar Löcher noch. Also warum nicht sogar... so etwas? Ein Kind... das sich aus Neugier zu so etwas... hinreißen lässt. Es fröstelte ihn auf einmal. Wollte er das wirklich wissen? Er musste, aber die mögliche Antwort machte ihm Angst. 'Kann das denn überhaupt sein, nebenbei gefragt? Kann man, nach so einer Amnesie... wenn man sein eigenes Leben erklärt bekommt, etwas ablehnen, was man vorher angenommen hat? Sicher, wenn man nicht alle Puzzleteile kennt, kann man stets zu einem anderen Urteil kommen, aber... wenn man theoretisch wieder alle Erinnerungen vorgesetzt bekommt, nur noch einmal von vorne die gemachten Überlegungen wiederholt, entscheidet man dann bei solchen Meinungsfragen anders? Das macht doch nicht wirklich Sinn, oder? Zumindest... eigentlich...' Wie sehr er dieses Wort mittlerweile verabscheute. Kirikas fröhliches, amüsiertes Lächeln riss ihn erneut aus seinen Gedanken. „Nein, keine Angst. Du bist kein Junkie, oder so.“ „Aber wenn... wenn ich wie er...“ „Ich sagte doch... Neugier ist die eigentliche Sucht. Du willst es wissen, es verstehen. Jedes Rätsel, das dir gestellt wird, je verzwickter, desto besser, wenn es nur lösbar ist. Und du wärst... wahrscheinlich sogar mir böse, wenn ich es dir jetzt verrate, einfach so.“ Sie musste innerlich weiter lächeln. Wahrscheinlich würde er im jetzigen Moment es auch gar nicht verstehen oder überhaupt glauben... „Aber... wieso dann... Holmes hat doch...“ Er wusste selbst nicht recht, wie er diese etwas merkwürdige Frage formulieren sollte, aber Kirika las sie ihm – erneut – förmlich von den Lippen ab, lenkte seinen Blick zurück auf die Tokioter Skyline. „Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer Welt aus Informationen, gespickt mit unbeantworteten Fragen, Rätseln, Mysterien. Je mehr wir glauben zu verstehen, desto mehr Fragen können wir stellen, je mehr schwierige Rätsel man löst, desto mehr scheint man von neuen erschlagen zu werden. Du musst nicht fürchten, wenn dich kein Fall umgibt, dass dein Gehirn wegen Mangel an Nutzung erschlafft. Du hast auch einige andere Interessen, wenn auch nicht so ausgeprägte wie diese... Diese Welt ist groß genug für ein Leben voll denken, wie es Holmes gerne wollte.“ Ihr Blick verfinsterte sich kurz, auch wenn er nur von der Seite zu sehen war, verdeutlichte sich eine Unruhe, die sie beschäftigte. „Was ihn selbst betrifft... Du bist der Holmes-Experte in diesem Raum... oder warst es normalerweise. Aber wenn du meine Meinung hören willst, so wie ich es aus ein paar wenigen gelesenen Büchern sehe... hatte er Angst. Angst, wenn er sich anderweitig beschäftigte, oder gar nicht, würde ihm seine Fähigkeit abhanden kommen. Darum wählte er diesen radikalen Weg.“ „Und warum habe ich ihn nicht gewählt?“ Eine ganze Weile war es ruhig nach ihren Ausführungen. Es schien sich ein schmaler Silberstreif für Conan abzuzeichnen, glaubte er. Irgendwie passten nun ein paar Assoziationen, ebenso wie die Tatsache, dass er so verbissen selber nach Antworten suchte, auch wenn es ihm immer wieder Schmerzen bereitete. „Was ist es, was mich so anderweitig beschäftigte?“ Sie sah ihn lange an, lächelte dann freundlich, sagte aber nichts. Sie wusste die Antwort, und er ahnte sie nun auch, ohne den eigentlichen Gedanken dahinter zu verstehen. „Ran... Mori?“ „Bingo!“, grinste sie von der Seite. „Aber wie? Ich kenne sie doch gar nicht mal so lange, so weit ich das verstanden habe. Wie kann sie da ein wichtiger Aspekt meines Lebens sein?“ Er hatte das doch vorhin nicht falsch interpretiert, er wohnte bei ihr und ihrem Vater. Und er war sich sicher, das gehörte nicht zu den gelogenen Gedanken. Aber das hieße doch nach den bisherigen Überlegungen, er hätte sie erst vor kurzem kennen gelernt. Jahre würde er doch noch nicht da wohnen, ohne dass sich seine Eltern blicken ließen. Aber dann konnte sie keine so wichtige Rolle spielen in seinem Leben. Und doch, genau das vermittelten sowohl sein Körper, wie auch Kirikas Worte. Ein schier unauflösbarer Widerspruch. „Wie...?“ Sie musste immer heftiger innerlich lachen. Die Antwort wäre so kurz und prägnant und ein Blick hinter sie genügte um zu wissen, dass auch Agasa und Ai sie genau kannten und aussprechen wollten. Sie war der Schlüssel nun mal zu Conan Edogawas Geheimnis. Und deswegen... konnte sie es ihm nicht sagen. „Tut mir Leid... das würdest du nicht verstehen. Und wenn du es verstehst... ist der Traum vorbei, Conan.“ Ein melancholischer Unterton begleitete ihre letzten Worte. „Ich muss es aber wissen, verdammt!“ Er biss sich fast auf die Zunge, seine Zähne schmerzten fürchterlich, als er sie knirschend aneinander rieb. „Ich muss... sie dann eben selbst fragen!“ Mit einem Ruck fuhr er hoch, seine Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig, er wurde bleich. „C... Conan, was hast du?“ Agasa kam angelaufen, versuchte ihn festzuhalten. Es war, als hätte sein Freund einen Geist gesehen. „Sie... sie ist doch mit den anderen zurück zum Schloss gefahren. Ich hatte vorhin schon so ein komisches Gefühl... ich... ich wollte nicht, dass sie geht. Wenn ihr etwas zustößt...“ „Conan, ganz ruhig, ihr Vater, Inspektor Takagi und Heiji sind bei ihr, ihr kann nichts passieren, glaub uns doch!“ Er wehrte sich, ließ den Professor nicht an sich ran und richtete seinen ganzen Oberkörper auf. Zum ersten Mal, seit er erwacht war, wie er mit schmerzverzerrtem Gesicht feststellen musste. Sein Körper war an die Kraftanstrengungen noch nicht gewöhnt, die kleineren Verletzungen durch den Treppensturz gingen doch nicht spurlos an ihm vorbei. „Was, wenn nicht? Dort treibt sich ein Mörder herum, das wissen Sie doch!“ Mit einem kräftigen Ruck, jeden Schmerz ignorierend, drehte er sich zur Seite und aus dem Bett heraus. Zitternd streckte er sich von seinen Knien hoch, die Beine trotzten sich nur langsam der Gravitation, als hätte er sie wochenlang nicht mehr benutzt. Er krallte sich im Bettlaken, dass herunter hing, fest, zog sich hoch, keuchte ein paar Mal und sah mit Wut im Blick auf. „Verstehen Sie doch, Herr Professor! Es war ein Fall auf diesem Schloss. Und nach allem, was ich mittlerweile über mich weiß, bin ganz klar ich selbst schuld an meiner jetzigen Situation. Ich habe unvorsichtig meine Nase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt. Keine Ahnung, warum ich das tue und was es mir in noch früherer Vergangenheit so alles schon eingebrockt hat. Aber ich kann unmöglich andere Personen dafür büßen lassen, was ich falsch gemacht habe. Schon gar nicht die... die Person, der ich es verdanke, überhaupt noch am Leben zu sein!“ Alle sahen ihn verwirrt an. Er hatte diesen Punkt, der ihn von Anfang an beschäftigte, ja noch niemandem mitgeteilt. Und er hatte auch kein Interesse daran. „Ich... muss auch dahin, wie es der Herr Doktor vorhin formulierte, weil es mir hilft, mich von selbst zu erinnern. Wie sagtest du vorhin, Kirika, eine Pilgerfahrt in die Vergangenheit?“ Er atmete immer noch schwer, wirkte wackelig auf den Beinen, aber der Wille in seinem Blick ließ es praktisch nicht zu, ihm zu widersprechen. „Das kannst du nicht tun, Conan!“, versuchte es Ai trotzdem. „Dann sag mir die Wahrheit, wenn mich das aufhält!“, schrie er unkontrolliert, nicht zuletzt, weil ihm sein Körper immer noch nicht richtig gehorchte. Am liebsten hätte sie angesetzt, und es ihm gleich gesagt, was ursprünglich mal ja der Plan war. Nun aber verstummte sie im Ansatz, schluckte heftigst. '... wenn mich das aufhält!' Die Wahrheit... würde ihn erst recht nicht aufhalten, sondern seine Schritte nur beschleunigen. Er würde niemals zulassen, dass Ran weiter auf diesem Schloss bliebe. Es war, als ob er es ahnte, wenn auch nicht in diesem Umfang, was sie für ihn bedeutete. Ai konnte ihm damit nicht helfen, es zu sagen. Im Gegenteil, sie würde ihn verwirren, ihm lang und breit die unglaubliche Geschichte des APTX erklären müssen, während er auf glühenden Kohlen saß... und solange er sich nicht vollständig erinnerte, würde ihm das nicht im geringsten helfen, die Suche nach dem Mörder voran zu treiben. Der Kloß, der über diesen Gedanken ihren Hals verstopfte, ihre Hilflosigkeit stärker denn je herausstellte, ließ sie stumm Richtung Kirika blicken. 'Sie hat die ganze Zeit das einzig Richtige getan. Ihn hingeführt auf Aussagen, die ihm helfen zu verstehen, und die er aus den vielen falschen Aussagen zu Conan Edogawa heraus filtern konnte... ohne panisch zu werden wegen Ran. Und ich... habe es die ganze Zeit nicht kapiert...' Eine kleine Träne rollte ihre Wangen herunter. Was war sie doch für eine 'hilfreiche' Freundin für ihn. Sie hätte ihn... nur noch mehr gefährdet, ihn ins offene Messer laufen lassen. Er wusste mit ziemlicher Genauigkeit nun, warum ihm auf dem Schloss etwas passiert ist, und was ihn dort erwarten würde. Aber er würde nicht Hals über Kopf nach Ran suchen und dabei sich selbst vergessen. Viel mehr konnte man im Moment nicht erwarten. Kirikas Miene war ernst, tief und mit einer leichten Spur von Trauer versehen. „Du willst... zum Schloss zurück? Kannst du denn überhaupt gehen?“ „Na... na sicher doch, ist nur eine Frage, sich wieder daran zu gewöhnen. Aber ich brauche...“ „Ich bin mit einem Auto hier.“, beantwortete sie seine Frage nach einem Transportmittel direkt, erntete aber nur verständnislose Blicke. „Glaubt ihr, ich habe den Blumentopf durch die halbe Stadt mit Händen geschleppt?“ Conan interessierte die Antwort gar nicht mehr groß. Er ignorierte auch Ai und den Professor, die versuchten, ihn nochmal aufzuhalten. An Kirika trauten sie sich mit dieser Aufforderung nicht heran und sie selbst lehnte nicht es offenbar auch nicht ab, ihn zu dem Schloss zu fahren. Man sah ihr förmlich an, wie sie sich mit diesem Gedanken arrangierte. Sie wüsste, was im Zweifelsfall zu tun wäre, wenn sie einem Mörder begegnete... Dieser Gedanke, kombiniert mit Kirikas nichtssagendem, kalten Blick, ließ beide erschaudern und vor dem Versuch, sie aufzuhalten, zurückschrecken. „Na schön!“ Mit viel Mühe bekam Conan seine Sachen, die Kogoro am Morgen in einem Beutel mitgebracht und auf einem der Stühle platziert hatte, an, musste erneut leichte Atemprobleme bekämpfen. Aber seine Verfassung wurde besser. Er war ja, in diesem Sinne, nicht richtig krank... aber er hatte zu viel Zeit für ein Kind seines Alters liegend verbracht. Er war also wirklich nur ein komisches Kind, mehr nicht scheinbar. 'Merkwürdig.' „Dann... wird es jetzt Zeit für meine Pilgerfahrt... in meine Vergangenheit.“ _________________________________________________________________________________ Hallo erneut, wie versprochen, hier noch eine kleine Erklärung, die spätestens jetzt relevant wird, nämlich, wie denn nun die Zeitverläufe parallel im Schloss und im Krankenhaus sind. Es ist so, dass das Schloss relativ weit abseits liegt, und auch wenn der Notarzt mit Conan sicher das nächstgelegene Klinikum wählte, so muss man doch eine gewisse Fahrzeit einplanen. Die ist umgekehrt natürlich länger im Fall, dass man nicht mit Blaulicht und Sirene versucht zu fahren. Daher dauert die Fahrt jeweils etwa eine Stunde. Die Schlossführung ist, trotz der Größe des Hauses einigermaßen eingeschränkt, da meistens nur Heiji ein paar Fragen hat. Sie ist, inklusive des obersten Stockwerkes, welches im nächsten Kapitel zum tragen kommt, ebenfalls etwa eine Stunde lang. Klingt etwas wenig, aber das ist OK. Die Zeit zwischen Kirika und Conan dauert auch eine Stunde, allerdings gingen dem etwa 15 Minuten voraus, als Kirika noch vor der Tür saß und überlegte, ob sie reingehen sollte. Das heißt, Kirika und Conan fahren los, kurz nachdem Heiji und die anderen angekommen sind, oder gerade die Galerie im Keller bewundern. Und die beiden kommen erst etwas später, als der aktuelle Zeitpunkt im Schloss ist, dort an. So viel zur temporalen Orientierung für den Rest der FF.^^ Also dann, ich hoffe, es gefällt euch so weit immer noch, und wir lesen uns nächste Woche. Bis dann, liebe Grüße, Diracdet Kapitel 17: Menschenbilder -------------------------- Hallo liebe Leser, zunächst einmal wieder ganz herzlichen Dank für eure Kommis. Scheinbar habe ich wirklich einige damit überrascht, dass Conan doch noch mal zum Schloss zurück fährt. Ich weiß nur nicht, ob das in dem Sinne positiv ist, dass ich überraschende Wendungen schreibe, oder negativ, dass ich vollkommen unzusammenhängend bin... *AmKopfkratzt* oÔ Nun ja, jedenfalls, sehr bald schon wird sich alles auf dem Schloss treffen, dann auch zur großen Auflösung des Falles. Aber zuvor müssen wir ja noch das Atelier des Herrn Buch-Malers kennen lernen, was in diesem Kapitel vorrangig Thema sein soll. ;] Und damit wird es hier auch noch einmal... aber eigentlich zum letzten Mal wieder neue Informationen zu dem Fall geben... bin gespannt, was ihr zu der Erkenntnis gegen Ende noch sagt. *ggg* Nein, nicht verzagen, hiernach noch zwei, drei Kapitel, dann erfahrt ihr die Wahrheit, aber noch kann man miträtseln. ;] Also dann, viel Spaß beim Lesen (und schlussfolgern).^^ LG, Diracdet _______________________________________________________________________________ Kapitel 17: Menschenbilder Heiji Hattori war Detektiv. Genauer, Schülerdetektiv. Noch gar nicht richtig trocken hinter den Ohren, wie manche Kollegen spöttisch behaupten würden, aber eben ein junger Enthusiast. Schlau, engagiert und strebsam darin, sein Talent bestmöglich zu nutzen. Wie jeder gute Detektiv schien ihn etwas magisch an Rätsel und Mysterien zu binden. Ob es die kindliche Neugier war, die viele seiner Mitmenschen ablegten, während sie erwachsen wurde, er hingegen einfach nur erwachsen; oder ob es eine medizinisch bedenkliche Suchterscheinung darstellte, das war wohl mehr Ansichtssache, um nicht zu sagen, eine philosophische Debatte. Er ahnte nicht mal im Ansatz, wie sehr diese Frage gerade anderer Orts in einem Krankenhaus von einem Gleichgesinnten erörtert wurde. Fest stand lediglich, dass er genau wie sein Freund Shinichi Kudo normalerweise immer mehr in den Bann gezogen wurde, je verzwickter das Enigma wurde, welches sich spinnte. Und der Hintergedanke, es mit einem sterblichen Geist zu tun zu haben, für den sein Leben davon abhinge, dass dieses Rätsel ungelöst bliebe, gleichzeitig es jemand anderes Leben zerstört hatte, weil es existierte, all diese inneren Verzahnungen des komplexen Uhrwerkes des Chaos, an dem hier gedreht wurde, übten eine Faszination aus, der sie sich nicht entziehen konnten. Heiji Hattori hatte einen solchen Fall gerade am Wickel. Kurz gesagt, ein Mann war in einem Schloss verschwunden, und die anderen Schlossbewohner standen in dringendem Tatverdacht, ihn getötet zu haben. Mit etwas weiter betrachtetem Blick, vielleicht auch der Schlossinhaber, der aber nicht auf dem Schloss wohnte. Schwierigkeiten bereitete unter anderem die Tatsache, dass die Verdächtigen sich kaum gegenseitig sahen und wenig Kontakt hatten, was praktisch kein Alibi aber auch kaum Überprüfung zu ließen, was Täter oder Opfer grundsätzlich taten. Darüber hinaus schien das Motiv der Tat ein gut gehütetes Geheimnis des Schlosses zu sein – durchaus ein Standard in solchen Fällen – aber hinzu kam, dass das Opfer von diesem Geheimnis wusste, und auch den Eindruck vermittelte, dies dem Täter mitteilen zu wollen. Das wiederum brachte auch ihn selbst in den Verdächtigenkreis. Nicht, dass er sich selbst getötet hätte, aber dass er vielleicht nicht nur seinen Tot provozierte, sondern selbst nicht mehr das Recht auf seiner Seite besaß, als ihn sein Schöpfer ereilte. Alles in allem ein durchaus amüsantes Spielchen von ineinander verkeilten Rädchen, die sich zur unüberschaubaren Monströsität einer Konstruktion verbunden hatten und er sollte nun das eine darunter suchen, mit welchem damit eine sinnvolle Interpretation der Maschinerie gelang. Eigentlich ein Paradies für einen Detektiv wie Heiji Hattori. Eigentlich... aber Heiji Hattori hatte ein Problem. Und er wusste nicht genau, woher dieses Problem rührte. Es war wohl nicht ganz auszuschließen, dass eine gewisse Abneigung gegen die Künstler da aus ihm sprach, gegen ihre Denk- und Herangehensweisen an Probleme, die seiner Vorstellung so wenig entsprachen. Und doch versuchte sein Geist immer wieder es auf den Fall selbst und seine Komplexität zu schieben, bis dieser Geist sich einredete, beides hätte etwas miteinander zu tun. Dass die Art der Künstler, ihr Umgang, nicht zuletzt mit dem Verschwinden ihres Kollegen und dem Unfall Conans letztlich auch die Probleme mit diesem Fall essentiell bewirkten. Und was ihm am meisten Angst machte, war der Gedanke, er könnte recht haben mit dieser Vorstellung. 'Es sind nunmal alles Künstler, sie sollten einigermaßen wissen, wie der jeweils andere tickt, wie ihre Denkmuster sind, auch wenn ihre genaueren Metiers sich so stark unterscheiden. Und das sollten sie für sich ausnutzen können. Vermutlich hat das Herr Tashija auch irgendwie getan. Aber so muss es auch der Täter machen. Wie können die alle so unbekümmert sein, scheinbar nicht mal in Betracht zu ziehen, dass hier ein Verbrechen stattfand? Lediglich Herr Tomoko denkt so. Man könnte fast meinen, das mache ihn bereits verdächtig. Aber letztlich scheint er noch am meisten unter andere Menschen zu kommen und noch mehr Realitätssinn zu haben. Aber damit hängt er auch eher einfacheren Motiven an, sprich, Habgier zum Beispiel. Er hat viel über Geld geredet vorhin. Mag nichts bedeuten, aber auf den ersten Blick ist er dafür prädestinierter als die anderen. Andererseits ist bei ihm der Hügel überhaupt nicht einzuordnen schon gar nicht, wenn Tashija wusste, was es mit ihm auf sich hat. Dann Herr Hino und sein merkwürdiger Fisch. Er hatte sicher ein paar Probleme mit Tashija, zum einen wegen des Fotos, zum anderen hat er wohl auch nicht so viel von dessen Fähigkeiten gehalten. Dennoch hat er ihm viel geholfen bei seiner Arbeit, ohne zu murren, was gegen ein solches Motiv spricht. Er hat Conan von dem Treffen Tashija – Kunieda erzählt. Und dieses Treffen ist die nächste Merkwürdigkeit. Das einfachste wäre, es wäre gelogen. Das bedeutet, er ist der Täter. Wenn nicht... wird’s richtig verwirrend. Was uns direkt zu Herrn Kunieda selbst bringt. Im Prinzip scheint er ganz offensichtlich was zu verbergen, das machen diese Umbaumaßnahmen deutlich, die so schleppend nur von statten gehen, wenn überhaupt. Ebenso wie die entnervte Flucht von Herrn Moriya. Umgekehrt, der Hügel... den muss er gekannt haben, wenn es den vor den Künstlern schon gab. Er ist in diesem Schloss groß geworden und der Wald mag dicht sein, aber einen Kilometer entfernt, das ist nichts quasi. Wenn er also nichts von dem Hügel wusste, dann war das doch eine solche Veränderung, die er sonst geheim halten wollte. Also hätte er doch wütend werden und den Verursacher ausfindig machen müssen... oder war das Herr Tashija selbst, dann hätten wir ein Motiv für Kunieda... Schwachsinn. Er fand den Hügel offiziell kurz, nachdem er aufs Schloss kam, so schnell kann man den doch nicht aufschütten. Folglich war es jemand anderes. Aber wieso hat Kunieda dann nichts gemacht und alle anderen Künstler leben noch froh und munter weiter? Also war das Gespräch doch gelogen, oder nur falsch verstanden? In ersterem Fall hätten wir einen Täter ohne konkretes Motiv und wüssten immer noch nichts über den Hügel. In letzterem Fall hätten wir wieder gar nichts. Und eigentlich... hat Conan zwar auch diese Info gehabt, aber ob er sie benötigte, oder wie er sie interpretierte, das wissen wir ja auch nicht. Was uns zum Hügel von Herrn Tashija bringt. Drei Fragen sind zu dem Hügel wohl essentiell. Zum einen wo kommt er her? So viel Erde kommt doch nicht aus dem Nichts, und selbst Jahre später sollte man doch sehen, wenn irgendwo so viel Erde ausgehoben wurde. Und aus dem ganzen Wald Erde zusammentragen, wozu? Was genau zur zweiten Frage führt, was soll der Hügel? Wenn die Polizei nichts drunter gefunden hat, ist wohl auch nichts drunter. Niemand hebt einfach so so viel Erde aus, das muss ja mit was anderem aufgefüllt werden, sonst hätten wir halt wieder die Frage, wo das fehlende Loch ist, aus dem die Erde stammt. Dieses riesige Volumen ist doch absurd. Und es ist wohl auch kein in der Antike aufgeschüttetes Kunstwerk oder gar etwas natürlich entstandenens, wie es Tashija anfangs dachte. Was zur dritten Frage führt, wie kam er auf diese Aussage, die ihm Herr Kunieda dann anscheinend austrieb? Er müsste doch entweder etwas antikes finden, was eigentlich auch der Polizei nicht entgehen dürfte, oder umgekehrt etwas, was nachweislich nicht aus unserer Epoche stammt. Aber was nur? Tja und damit wären wir bei Herrn Tashija selbst, der offenbar das Geheimnis dieses Hügels kannte und das auch unmittelbar dem Verantwortlichen mitteilen wollte. Deshalb lagen die Hügelbilder verstreut - und später in der Mappe - offen im Flur aus. So konnte man sie sich ansehen, ohne dass er es mitbekam, eigentlich ganz einfach. Nur wofür das ganze nun wieder? Es klingt fast so, als wollte er diese Person unter Druck setzen. Das heißt, es gab wohl eine Straftat, die diesen Hügel begründet. Aber dann war auch Herr Tashija straffällig, dass er diese Erkenntnis nicht zugab... oder wusste er auch nicht ganz genau Bescheid? Zumindest bis vor einer Woche? Wenn ich recht habe, war der Sinn der zu waschende Wäsche in Wirklichkeit genau anders herum, als wir dachten. Aber was hatte er nun wieder davon? Gewonnene Zeit? Wenn ja, wofür? Wenn er Bescheid wusste, brauchte er doch keine, wusste er es nicht, half ihm das bisschen Zeit doch auch nicht. Aah... es geht nicht anders, ich muss zum Hügel und klären, was dahinter steckt, sonst ergibt das nie einen Sinn. Aber vorher muss ich noch eine Frage bei Herrn Yamamura klären...' Auch Kazuha Toyama, Heiji Hattoris Freundin hatte ein entscheidendes Problem, bei dem sie nicht weiter kam. Und dieses Problem hatte einen konkreten Namen: Ran Mori, ihre eigene Freundin. Sie hatte einen indirekten und einen direkten Auftrag bekommen, Ran betreffend. Der indirekte, auf diese aufzupassen. Eine Aufgabe, die eigentlich ihrem Vater zugedacht war, der aber, wie zu erwarten, sich vollständig in den Fall integriert hatte, genau wie Heiji und auch der Inspektor. Es ging immerhin um jemanden, der vor einem kleinen Kind keinen Halt machte, egal was Conan getan haben mag. Sollte nochmals jemand an den Punkt kommen, an dem Conan war, nicht auszudenken. Und Ran war so eine Person, die förmlich danach suchte. Sie war keine Detektivin, sie würde nicht so schnell Schlüsse ziehen können wie Kogoro oder Heiji, zumindest hoffte das Kazuha. Gleichzeitig hieße das auch, sie könnte, ebenso wie vermutlich Conan, zufällig auf etwas stoßen, was sie besser nicht sehen sollte. Somit war allein das für die gemischten Gefühle in ihrem Bauch verantwortlich. Hinzu kam, dass auch sie selbst zu keinen großen analytischen Schlüssen fähig war, also auch nicht wirklich verhindern konnte, wenn Ran sich in eine ungünstige Richtung bewegte. Mehr noch, im Fall der Fälle wäre sie vielleicht sogar noch eine größere Gefahr für sie, da Ran sich ohne Waffe besser verteidigen konnte als Kazuha. Auch sie wäre sicher nicht hilflos mit ihrem ersten Dan in Aikido, aber verglichen mit Rans Möglichkeiten in Karate... kam sie sich schon immer ein wenig schwächer vor, auch wenn sie es nie sagen würde. Deswegen war es wohl auch gar nicht als Aufgabe an sie gerichtet, auf Ran aufzupassen. Aber dennoch war sie die einzige, die sich im Moment überhaupt darum kümmern konnte. Das Problem war nur, jemand musste sich um Ran kümmern, weil sie gerade nicht bei der Sache war. Im Gegenteil... sie war ganz woanders. 'Im Krankenhaus, nicht wahr?' Ja, dort schienen ihre Gedanken zu sein. Der Gefühlsausbruch vorhin, als der Inspektor die Szene an der Treppe beschrieb, ihre kurzen Kommentare, das aufgesetzte Lächeln... aber am meisten Sorge machte ihr Rans Reaktion im zweiten Stock bei Herrn Hino. Die Frage, warum ihm ein Kind komisch vorkam, nur weil es Fragen stellte. Ohne Zweifel war Conan kein normales Kind und Herr Hino durchaus im Recht, sich darüber zu wundern. Dennoch war die Frage auf den Punkt, denn in so einer Situation sich zu wundern, ist mehr als verdächtig. Und das war der Haken aus ihrer Sicht. Ran war zur Hälfte im Krankenhaus bei diesem kleinen Jungen, zur anderen Hälfte mit aller ihr verbliebenen Kraft bei diesem Fall, den sie partout auch lösen wollte. Sie hatte offen die Taktik Heijis damit gefährdet und schien sich darüber erst im Nachhinein bewusst geworden zu sein. 'Verwirrend! Hast du kein Vertrauen zu den deinem Vater und Heiji? Doch sicher hast du das, und selbst, wenn das nicht hundert prozentig ist, das erklärt, dass du mitkommen wolltest, nicht aber, dass du dich so Hals über Kopf einmischst. Rachegelüste, sowas passt doch überhaupt nicht zu dir. Nein, das ist es auch nicht, aber dieser unbedingte Wille, auch auf eigene Gefahr... ist eigentlich auch nicht so typisch, vor allem für dich, es braucht vor allem einen tieferen Grund. Du würdest dich für andere opfern, dafür kenne ich dich zur Genüge... aber nicht ohne darüber nachzudenken, nicht ohne es wenigstens abzuwiegen, ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Außer...' Auch wenn es nur kurze Gedankenblitze waren, die ihr diesbezüglich durch den Kopf schossen, so dachte sie Stunden würden vergehen, während sie gerade einmal die Treppen hoch schlich.Und der letzte war der einzig sinnige – und zugleich der merkwürdigste. 'Es ist etwas vorgefallen... zwischen dir... und Conan. Etwas, das ihn für dich... sehr bedeutsam... noch bedeutsamer gemacht gemacht hat.' Bedeutsam genug, dass sie ihr Leben bedenkenlos für ihn riskiert. Diese Einstellung passte durchaus zu Ran, auf gewissem Niveau, ja. Kopflos aber, wie sie teilweise heute wirkte, wäre es nur bei ihr wirklich sehr wichtigen Personen, wie bei ihrer Familie, denkbar. 'Aber du hast Conan doch schon, seit ich euch kenne, wie deinen kleinen Bruder angesehen. Hast dir immer um ihn Sorgen gemacht, hast ihm bei allem geholfen, wenn es nur ging... Eigentlich ist er doch schon auf diesem Niveau, eines ihr ganz nahe stehenden Blutsverwandten. Du hast ihm sogar mal Blut gespendet, als seines...' Sie stockte unwillkürlich in ihren Gedanken. Ja doch, das traf es ungefähr, die Zeit damals um das Frühlingsfest, so besorgt war Ran damals um ihn, wie jetzt, das merkte sie sich. Und doch... dazwischen, seit damals, bis heute... war es anders. Nicht viel, Nuancen, die wohl nur eine Frau richtig wahrnahm, aber sie waren da. Wichtige Nuancen, Nuancen die ein Familienmitglied unterscheiden von... tja, es gab in Kazuhas Verstand nur eine Sorte Mensch, die jemandem näher stehen könnte als ein direkter naher Familienangehöriger, aber das war absolut undenkbar, oder? 'Em... empfindest du etwas... für Conan?!' An dem Punkt war ihre ganze Vorstellungskraft zum erliegen gekommen, das konnte einfach nicht passen, sie musste einen fundamentalen Fehler gemacht haben, irgendwo ganz am Anfang, zu dem sie nicht mehr zurück fand. Der Gedanke blieb damit aber unmittelbar hängend, in der Luft sozusagen. Der andere, direkte Auftrag stammte von Heiji persönlich: sie zu Kirika Yuumura zu befragen. Darin hatte sie bereits gründlich versagt. Sie hatte gefragt, und quasi nichts herausbekommen, außer, dass Ran vermutlich selber nicht viel über sie wusste. Eine ehemalige Mitschülerin, die in Frankreich war, mehrere Jahre, jetzt mit ihrer neuen Französisch-Lehrerin zusammen lebte und Ran und Sonoko Nachhilfe in dieser Sprache gab. 'Puuh... keinerlei Verbindungen zu Conan scheinbar und schon gar keine dubiosen Beziehungen, zumindest, dass Ran keine kennt. Muss ja auch nichts heißen, aber... umgekehrt gefragt, warum will sie was von Conan? Oder täuschte das? Nein, sie hat ja dafür gesorgt, dass Heiji herkam und Heiji hat erst gezeigt, dass es kein Unfall war, und dass genauere Untersuchungen angestellt werden müssten. Sie hat ihm damit geholfen, ganz sicher, und das wirkte nicht mal ungeplant oder als Nebeneffekt. Aber würde das nicht bedeuten, sie wüsste, was in diesem Schloss vor sich ging?! Ich kapier's nicht, was kann sie von einem Kind wollen? Und wieso schien Sonoko darüber was zu verstehen, so wie sie im Krankenhaus reagierte, Ran aber nichts? Oder hat Ran mich angelogen? Nein, es gab keinen ersichtlichen Grund und nachdem, was dort vorhin passierte, muss sie die Fragen schon hinnehmen ohne misstrauisch zu werden. OK, also zusammengefasst, irgendwie stecken Kirika und Conan unter einer Decke, Sonoko weiß halb darüber was, Ran nicht... Och menno, was wollen die alle nur von dem Kleinen? Heiji treibt sich jedes mal, wenn er nach Tokio – oder Conan nach Osaka kommt – die ganze Zeit mit ihm rum, jetzt diese Kirika... vielleicht... Ran...' Energisch schüttelte sich ihr Kopf, nicht schon wieder dieser absurde Gedanke. Aber sie kam nicht umhin, ihn demnächst ansprechen zu müssen. Rans Verhalten war gefährlich für sie selbst, zu gefährlich. Und das konnte Kazuha nicht zulassen. Ein schwacher Geruch von Ölfarben und Lösungsmitteln benebelte auf einmal ihre Sinne. Sie blickte auf, erst die Hälfte der Stufen war zurück gelegt, aber mit jedem Schritt wurde der Geruch, der für ihre Nase allmählich unangenehm wurde, intensiver. Hier wurde gemalt, keine Frage, schon seit Jahren. Und da half keine Luft, keine Duftkerzen, keine Reinigungskraft mehr. Sie waren im obersten Stockwerk angekommen, bei einem, wie Heiji sagen würde, 'echten Künstler'. Hier herrschte auch die passende Atmosphäre, das Ambiente, das man sich als Laie vorstellte. Der Flurbereich war radikal weiß, ein weiß, das man kaum reiner finden würde, und die Lampe an der Decke ließ es hell erstrahlen, als stünde man im Licht. Das ohne Fenster! Die vier Türen in den einzelnen Ecken waren alle aus edlem, langlebigen und auch bereits alten Holz geschnitzt. Eben, man war auf einem alten Herrenschloss, dies waren einst die Gemächer der Schlossherren Kunieda, riesige Räume bis unter das Dach. Ateliers wie geschaffen für freilebige Künstler, mit viel Raum auch für Luft, um im 'Duft' des Terpentins nicht unterzugehen. Eines vermittelte alleine dieser Flur von sich aus. Hier wurde eine Hierarchie im Schloss deutlich. Seijiro Yamamura mag diese Räume aus praktischen Gründen vor sechs Jahren zugestanden bekommen haben, aber er war derjenige, der gegenüber Kunieda für dessen Schloss sprach, er war der älteste, und wahrscheinlich der beste unter den Künstlern, er war der unausgesprochene Vorstand der Bewohner dieses Hauses. Und er wusste sehr wohl über diese Symbolkraft Bescheid. Mit einem Mal öffnete sich die zweite Tür von rechts und der hagere groß gewachsene Mann trat leicht lächelnd heraus. „Ach, habe ich mich nicht verhört. Da sind Sie ja, Herr Mori. Ich hoffe, Sie und ihr Kollege sind einigermaßen vorwärts gekommen in diesem Fall.“ Verlegen schüttelte der Detektiv den Kopf, was auch Yamamuras Lächeln beseitigte. „Nun ja, nicht wirklich, muss ich gestehen. Es haben sich einige Komplikationen eingeschlichen, weshalb wir dabei sind, die meisten Fakten, die wir haben, nochmal genau durch zu gehen. Muss nichts heißen, aber man möchte ja doch sicher sein in seinen Schlussfolgerungen, nicht wahr?“ „Ach du... und daher wollen Sie mich nochmal genauer befragen?“ „Nein, eigentlich von meiner Seite sind weniger Fragen, aber ich denke Heiji hat...“ „...genau eine Frage, die ich gerne genauer erörtert hätte.“, unterbrach und vollendete sein Kollege. Der Maler sah verwirrt reihum in den Halbkreis, schluckte kurz und hob dann leicht die Hand zur Seite. „Mhm... na schön, wohin wollen wir gehen, in die Bibliothek, oder hier in mein Privatzimmer? In beiden Räumen wären genug Plätze sich zu setzen.“ „Also am passensten wäre die Bi..., Moment, was ist dann in diesem Zimmer, aus dem Sie gerade kamen?“ „Eines der beiden Ateliers, ich arbeite gerade an einem Werk, es ist noch im Anfangsstadium; ich habe es erst gestern Abend angefangen.“ Ein Zucken ging durch alle anwesenden Augenpaare. Herr Hino hatte wohl recht behalten, auch Yamamura konnte nicht richtig schlafen, sondern hatte sich einer alternativen Beschäftigung gewidmet. Augenblicklich änderte sich Heijis Meinung und die ganze Gruppe tapste, nicht zur Freude des Malers, in dessen Atelier. Schlagartig wurde der Farbgeruch noch intensiver, als sie durch die Tür in einen Saal traten, der wie Äther von diesen Substanzen durchdrungen schien. Ein Saal, ausgelegt mit Parkett, das gleichermaßen Farbkleckse verteilt aufwies, die bereits ein Muster bildeten. Ein fast leerer Raum, die meisten Utensilien, noch verpackte Leinwände, Pinselsätze, Farbtöpfe, standen sauber aufgereiht und noch mit durchsichtiger Plastefolie zum Schutz vor Spritzern überdeckt in der Ecke unter einigen der riesigen Fenster, die zwei Fronten der Wände ausmachten. Es waren die Südwest- und die Südost-Front, und beide waren in diesem Stockwerk über den meisten Baumwipfeln des Waldes, so dass praktisch das gesamte Tageslicht den Raum fluten konnte. Hinzu kam eine die halbe Decke ausmachende Kette heller Strahler, die offenbar von einem eigenen Pult an der Wand neben der Tür bedient wurden. „Als ich die Kellereinrichtung mit den LEDs für verschiedene Farben und Illuminationsstärken sah, wusste ich sofort, dass ich sowas auch für's Atelier wollte. Aber Kunieda dazu zu überreden, war echt nicht einfach.“, kicherte Yamamura beherzt, als er die nach oben gerichteten Blicke bemerkte. Einzig in der Mitte des Raumes befanden sich noch einige Dinge. Eine halb abgedeckte Leinwand, daneben einige Farbpaletten auf einem kleinen Tischchen, den man jederzeit bewegen konnte, ein Hocker davor zum sitzen, der etwas abgerückt war. Die Lichter fokussierten darum, so dass es wie das Zentrum des Bildes, das dieser Anblick von der Tür aus bewirkte, erschien. Eine künstliche Bühne, drum herum das stille Publikum im Schatten. „Was haben Sie denn nun gemalt, Herr Yamamura? Vermutlich waren Sie doch wegen der Ereignisse gestern aufgewühlt. Da kann Ihnen malen doch gar nicht so einfach gefallen sein, oder?“ „Tja... das stimmt auch. Bei meiner Arbeit geht es normalerweise darum, die ganze Stimmung eines Buches einzufangen in einem einzigen Bild. Dieses Bild ergibt sich in meinem Kopf, wenn ich das ganze Buch gelesen habe und vor meinem geistigen Auge nochmal Revue passieren lasse. Und dieses Bild im Kopf zu zeichnen bedeutet sehr viel mehr Konzentration, als wenn man etwas vorhandenes malt, wie ein Foto. Daher male ich, wenn meine Konzentration nachlässt... etwas einfacheres, was weniger komplex ist. In diesem Fall...“ Langsam zog er das Stück Stoff, das nur von oben etwas den Lichteinfall dämmte, ganz weg und gab das halbfertige Bild frei. „... Menschen. Sie, Herr Mori, um genau zu sein.“ Die Mitte des Bildes gab, noch relativ schemenhaft, aber deutlich zu erkennen, die obere Hälfte des Detektives in einem dunkelbraun gehaltenen Hintergrund, der noch nach Erweiterung schrie, wider. Er selbst war bis jetzt noch nicht viel in Farbe gehalten, mehrheitlich zeichneten sich noch dünne Linien von Vorzeichnungen ab, die als Vorlage dienten. Dennoch war das Motiv deutlich zu erkennen. Auf dem Kopf Kogoros thronte eine Schelmenmütze, und die Kleidung zeigte weite Luftpolster. Er wirkte wie ein Clown, ein Bild, dass Kogoro sofort auf den Magen schlug. Man konnte ihn einige runde Objekte, vermutlich Bälle, jonglieren sehen. „Was soll das, wollen Sie mich als Harlekin verkaufen, oder was, Herr Yamamura?!“ Der Künstler fuhr erschrocken hoch, als sein Gegenüber schon auf ihn zu stürmen wollte, hob besänftigend die Arme. „Wie... nicht doch! Nein, Sie sind doch kein Clown oder so. Das ist der Hofnarr, Herr Mori. Derjenige, der die Narrenfreiheit besitzt, und dadurch zur tieferen Wahrheit gelangt.“ Alle blickten verwirrt auf den Künstler, der sich zu rechtfertigen versuchte und erstmal räusperte. „Ähem... na, Sie werden doch zugeben, dass Ihr Auftritt gestern irgendwie... also ich fand ihn verwirrend. Sie machten überhaupt nicht den Eindruck, den alle Welt vermittelt, vom großen Meisterdetektiv, eher, als würden Sie sich lustig machen über uns und uns gar nicht ernst nehmen. Und vor allem, Ihre genialen Schlussfolgerungen schienen Ihnen zu bedeutend für uns, weshalb Sie uns mit halbgaren Dingen abspeisten. Das hat mich gestern Abend unweigerlich verwirrt, als ich vor der Leinwand stand. So viele Fälle, wie Sie korrekt lösten, konnte es um ihre Fähigkeiten ja kein Irrtum oder Zufall sein. Und dann habe ich, wie bei Büchern die gesamte Situation vor meinem Auge abgespielt. Wir sind hier auf einem Schloss. Eines, das sogar nach europäischen Vorstellungen gebaut wurde. Wir haben Sie hier her eingeladen und Ihnen die Freiheit gegeben, hier zu tun, was Sie wollen, um zur Wahrheit zu gelangen, aber scheinbar haben Sie nur Schabernack betrieben. Und da musste ich unweigerlich an die Hofnarren in Europa im Mittelalter denken. Die besaßen die sogenannte Narrenfreiheit. Sie durften Witze und Possen reißen, und sich auch über höher gestellte Personen lustig machen. Sie durften offen ihre Meinungen verkünden, egal, wie unangenehm sie waren und vor allem, er durfte das jederzeit, sogar in Krisenzeiten. Das war ein psychologisches Konzept. Der Narr half in Krisenzeiten, nicht den Optimismus fahren zu lassen, in dem er Lachen schenkte und er sprach die Wahrheiten aus, die sich kein anderer traute, weil man ihn dafür hängen könnte. Er war eine wesentliche Stütze an den Höfen des Mittelalters und seine Anwesenheit wurde deswegen sehr geschätzt. Meinen Sie nicht, das beschreibt Sie ganz gut, Herr Mori?“ Wirklich anfreunden konnte sich der Detektiv mit dieser Erklärung nicht, wurde aber von dem leisen Schmunzeln, welches die übrigen Gäste erfasste, mitgezogen und beließ es bei einem leichten Seufzer. „Wirklich beeindruckend, Sie sind sehr belesen.“, stellte Takagi fest, und zeigte kurz mit dem Finger an Moris Abbild vorbei. „Und das im Hintergrund? Das ist doch Conan, oder? Wieso ist der auch auf dem Bild?“ Das Lachen verflog automatisch von allen Gesichtern, auch Yamamura wurde wieder etwas ernster, und blasser um die Nase. „Tja... das wieso kann ich Ihnen nicht genau beantworten, Herr Inspektor. Sehen Sie, ich sagte doch, ich habe ein Bild vor meinem geistigen Auge, das ich dann abmale. Es entsteht dadurch, dass ich alle Ereignisse rekapituliere und sie, wie Farben, zu vermischen suche, um den einen Ton, der sich ergibt, zu bestimmen. Und in dem Moment, als mir Herr Mori als Hofnarr erschien, stand hinter ihm Conan, ebenfalls als ein solcher. Als Kind genießt der Kleine natürlich auch die Narrenfreiheit, soweit bin ich mir im Klaren über die Aussage. Auch dass Herr Mori die zentrale Figur unter unseren Gästen war und Conan im Hintergrund steht ist verständlich... aber...“ „Die Messer, nicht wahr?“ Heijis Blick fixierte die kleinen Objekte, die Conan, im Unterschied zu Kogoro, jonglierte, die länglich und spitz wirkten, im Vergleich zu den runden, harmlosen Bällen. „Exakt, er jongliert mit Messern. Jonglieren ist ja ein Kunststück, hat immer etwas von Unterhaltung, aber da man es als Laie nicht kann, ist es immer auch die Ursache unserer Faszination, wenn wir es erleben. Auf Herrn Mori umgemünzt wären das seine Schlussfolgerungen, die wie gesagt, nicht unbedingt so großartig wirkten, wie ich es erwartet hätte, was aber auch einfach eine Zurückhaltung der Informationen war.“ „Für Conan hieße das dann aber, dass seine Schlussfolgerungen... 'messerscharf' waren, nicht wahr?“, konterte Heiji. Lange massierte Yamamura seine Stirn, atmete deutlich hörbar ein und aus. „Ja, das wäre die sinnvolle Interpretation, und genau da liegt der Haken: welche Schlussfolgerungen? Ich habe nicht wirklich welche bemerkt. Er hat immer mal ein paar interessante Fragen gestellt, aber nichts zusammenhängendes, wie ich fand.“ „Äh... aber wieso dann die Messer?“ Stumm zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mein Unterbewusstsein erschafft die Bilder, ich mal sie nur ab. Ich konnte, so sehr ich es auch versuchte, mir irgendwie ihn nur so vorstellen. Und ich traue meinem Unterbewusstsein zu, bei der Kombination der Ereignisse, mehr Zusammenhänge zu sehen, als ich es im Bewusstsein kann. Es vermittelt mir auch Eindrücke, die ich nicht wahrnehme. Das heißt in jedem Fall sieht es etwas, was ich nicht gesehen habe an Conan. Allerdings gehe ich davon aus, dass ich das Motiv des Jonglierens selbst hier vielleicht falsch ansetze, ist halt nur ne Vermutung.“ Tiefe Stille trat in den Raum, bedächtig beäugten alle die eine Stelle im Hintergrund, die so deutlich wiederzugeben schien, was einem der Künstler wohl am gestrigen Tage widerfahren ist. Er hat die gefährliche Seite Conans erlebt, die, die wie ein Meisterdetektiv messerscharf kombinierte, und nicht nur faszinierte, sondern... direkt zum fürchten war. Zum ersten Mal sah sich Kazuha damit vertraut, was Ran in letzter Zeit immer deutlicher wahrnahm. Conans Fähigkeiten waren einfach nicht normal, sie waren auch nicht nur gut, selbst zu sagen, er wäre für sein Alter brillant, traf nicht so sehr den Kern, wie dieses Bild. Er war... einfach zum fürchten gut in kriminologischen Fragen. Und auf einmal schienen ein paar ihrer Vermutungen von vorhin auf der Treppe wieder tieferen Sinn zu ergeben. Könnte Kirika deswegen etwas von ihm wollen, wissend, dass er zu solchen Schlussfolgerungen fähig ist, wie Yamamuras Bild es verdeutlichte? Und wie würde Ran das interpretieren... Ran, die befreundet war mit Shinichi Kudo... Ein beängstigender Verdacht keimte in ihr auf. 'Nicht doch, Ran.... Ran!' „Sagen Sie, Herr Yamamura, wenn Sie ein Bild von Herrn Mori und Conan gemacht haben, dann doch wohl auch eins von Ran, oder?“ „Waah, Kazuha, nicht doch, er hatte doch bestimmt genug damit zu tun, dieses Bild so weit zu bekommen.“ Der Künstler rieb sich verlegen am Hinterkopf. „Äh genau, also ich, ich bin noch nicht dazu gekommen, weil...“ „Ach und was ist das dahinten?“, rieb sie ihm unter die Nase, auf eine abgedeckte Leinwand, die in einer weiteren, weniger beleuchteten Ecke stand. „Ach das... das... ist ein leeres Bild, da ist nichts drauf, ihr könnt es euch gerne ansehen... haha. Also was war es nun eigentlich, was du mich noch fragen wolltest, werter Herr Jungdetektiv?“ Mehr als offensichtlich lenkte er von dem Thema ab, das ihn zu bedrücken schien, was Kazuha und ihr folgend auch Ran nicht davon abhielt, sich zur Ecke zu begeben. Tatsächlich war es im Vergleich zur Raummitte deutlich weniger hell an dieser Stelle, obwohl die Nachmittagssonne noch kräftig in den Winkel hinein drang. Aber gegen die LED-Lampen kam sie so einfach nicht an. „Nicht doch, Kazuha, da ist nichts, das hat er doch gesagt.“, mokierte sich Ran mit leicht rotem Kopf, als sie bereits davor standen. „Na schön, aber wieso bist du dann mitgekommen, wenn ich fragen darf? Wenns dich eh nicht interessiert, auf ein leeres Bild zu starren?“ „Äh... also... naja, ich wollte dir nur sagen, dass das doch keinen Sinn hat... nun mach endlich die Überdeckung ab, Kazuha!“ Grinsend griff die Osakerin nach der einen Ecke des Tuches, zog es vorsichtig hoch. Beide blickten gebannt auf das, sich Stück für Stück eröffnende Bild... und wurden enttäuscht. Eine leere, weiße Leinwand schaute ihnen entgegen. Er hatte nicht gelogen... oder? „Nein, warte Ran... das ist nicht die Leinwand, das ist weiße Farbe. Das ganze Bild ist eine weiße Fläche. Guck mal, an der Seite ist die richtige Leinwand, die hat einen etwas dunkleren Grauton, als dieses Weiß.“ „Was denn, eine weiße Fläche... achso, verstehe. Er hatte ein Bild gemalt, es hat ihm aber nicht gefallen und deshalb hat er es übermalt und wollte das jetzt nicht zugeben. Na schön, soll sich der Herr Maler nicht schämen, nur weil ihm sein Bild nicht gefällt und behaupten, er hätte wirklich nichts gemalt. Los, lass uns gehen, Kazuha!“ Ihre Freundin starrte kurz auf das Bild lächelte in sich hinein, und nickte dann stumm, folgte Ran etwa einen Meter hinter ihr. 'Nein Ran... Früher mussten arme Künstler ihre Bilder teilweise übermalen, weil sie sich keine neue Leinwand leisten konnten. Direkt übermalen, da Ölfarbe, wenn sie getrocknet ist, sich nicht mehr so gut mischt mit neuer Ölfarbe. Heutzutage wird ein schlechtes Bild eben zerstört, zumal Leinwand nicht mehr das unbezahlbare Gut für Künstler ist. Aber weder damals noch heute, hätte man ein schlechtes Bild mit weißer Farbe übermalt, einmal zu teuer, einmal sinnlos. Es ist das Bild, Ran... es ist dein Bild. Weiß, ein fleckenloses, reines Weiß... wie die Unschuld. Das muss sein Eindruck von dir gewesen sein. Allein, dass du als Tochter eines Detektivs, der mit Mordfällen ständig zu tun hast, immer noch jeden Tag so offenherzig und freudig begrüßt, dass du über Anzweiflungen und Vorurteile erhaben bist, über all das schlechte, das du jeden Tag siehst, das hat ihm sein Unterbewusstsein offenbart, und selbst als Künstler kann er aus einem Bild, das einfach nur Licht widerspiegelt, nicht viel machen. Außer... wie hieß er noch gleich... Kasimir Malewitsch... aber das war eben eine Ausnahme. Natürlich kann er so was nicht als Bild präsentieren, also hat er es verdeckt und geleugnet. ... Oder... oder hat er etwa... Nein bitte, meine Befürchtungen dürfen nicht wahr sein!' „Kommt schon, ihr beiden!“, rief Heiji ungeduldig. „Was denn, seid ihr schon fertig?“ „Sicher, ich sagte doch, ich wollte nur eine Frage stellen und die habe ich auch beantwortet gekriegt. Und ihr, habt ihr ein schönes leeres Bild bewundern dürfen?“ Beide nickten etwas peinlich berührt. „Na toll. Schön, Herr Yamamura, ich würde gerne nochmal mich zum Hügel begeben, in welche Richtung müsst ich da etwa...“ „Etwa 500 Meter den Fluss stromabwärts gehen, auf dieser Seite des Flusses. Und dann senkrecht dazu vom Fluss weg vielleicht die gleiche Strecke, dann kann man ihn beim aktuellen Sonnenstand eigentlich nicht verfehlen. Viel Erfolg wünsche ich den Herren Detektiven. Ich bin hier noch den Rest des Tages beschäftigt.“ „Einen Moment, Herr Yamamura!“ Kazuha blieb neben ihm stehen, beugte sich hoch und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er blickte skeptisch drein, lächelte aber dann erfreut los. „Du hast wirklich ein gutes Auge, Kazuha. Ja, deswegen kam es mir irgendwie falsch vor, weiter zu malen, aber ich wusste nicht wie und warum. Aber dann hat mein inneres Auge mich also wiedermal nicht getrügt. Weißt du... warum?“ Sie zögerte kurz, senkte bedächtig, mit einem leicht traurigen Blick den Kopf, schüttelte diesen dann aber schüchtern, verabschiedete sich und ging ebenfalls hinaus. Als sich von draußen die Tür schloss, wäre Kogoro beinahe in die Luft gegangen. „Dieser dumme, eingebildete...“ „Ganz ruhig, Herr Mori!“, holte ihn Takagi zurück in die Realität. „Was denn, regst du dich immer noch über deine Darstellung auf dem Bild auf, Paps?“ „Nein, aber über diesen kleinen Frechdachs. Im Prinzip hat jeder Künstler gemerkt, dass er hier herum schnüffelt und alles mögliche nachfragt. Er hat es förmlich provoziert, dass der Täter auf ihn aufmerksam wird und ihn dann zum Schweigen bringen wollte. Kapiert er das denn nicht, wenn er angeblich so schlau ist?“ Ihm stand die Wut förmlich ins Gesicht geschrieben. „Andere Frage...“, versuchte der Inspektor erneut, ihn von den Gedanken zu Conan abzubringen. „Macht es Sie nicht stutzig, dass Herr Yamamura so genau Conans Ambitionen von gestern zu erkennen schien, aber es verleugnete und alles auf sein Unterbewusstsein schob?“ Ein wenig verflog die Wut und die nüchterne Ruhe der Überlegung trat an deren Stelle. „Schwer zu sagen. Es ist verdächtig, weil er die Aussage uns förmlich vorgekaut hat, und nur noch sagen musste, es ist so, dann hätte er es gehabt. Andererseits... wie will man ihm nachweisen, dass er sein eigenes Unterbewusstsein verstehen muss? Würde er etwas verheimlichen wollen, hätte er a) gar nicht Conan ins Bild gemalt, und b) nicht gesagt, wie er es interpretieren würde, sondern eine harmlosere, billigere Interpretation gewählt. Tendenziell würde ich das als ehrlich werten, was ihn von den Tatverdächtigen ausschließen würde. Aber gehen Sie nochmal hier durch die Räume, vielleicht finden wir ja doch noch unser lang gesuchtes Rohr, auch wenn ich daran meine Zweifel hege.“ Er sah leicht resignierend auf die anderen. Auch ihn nervte es allmählich, wie sich alles im Kreis der Unsicherheit zu drehen schien, während im Krankenhaus ein kleiner Junge dafür büßte, schneller gewesen zu sein als er, der Meisterdetektiv. „Ähm, mal so nebenbei, was hast du Herrn Yamamura denn noch gefragt, Heiji?“, unterbrach Ran die Stille. „Ach so, ich wollte nur wissen, wie das mit dem Buch war, dass sich Tashija ausgeliehen hatte. Ob er irgendwas noch dazu gesagt hatte, oder so?“ „Und?“ „Naja, es gab schon etwas interessantes, Mausebein.“ Kogoro antwortete, da auch ihn diese eine Information faszinierte. „Herr Yamamura meinte, dass es nicht die erste Wahl war von Herrn Tashija!“ „Was?“ Beide Damen blickten ihn verwirrt an. „Ja, das war auch unsere Reaktion. in etwa. Er hatte zu erst nach einem ganz anderen Buch gefragt, das Yamamura aber nicht besaß, dann hätte Tashija kurz überlegt und sei auf 'Der zweite Fleck' ausgewichen.“ „Und was für ein Buch war die erste Wahl? Das scheint doch recht relevant zu sein, oder?“ „Tja, das ist das Problem, Herr Yamamura wusste es nicht.“ „Es war so, dass Tashija in der Bibliothek bei Yamamura war und nach dem Autor fragte, aber dieser hatte kein Buch über ihn, dann wechselte er zu Conan Doyle.“ „Und welcher Autor war es denn nun, Heiji? Muss man dir alles aus der Nase ziehen, oder wusste Herr Yamamura das auch nicht mehr?“ „Doch, aber das ist halt das merkwürdige, es war Stephen King.“ „Dieser amerikanische Horror- und Scifi-Autor?“ „Exakt. Yamamura meinte, früher mal ein wenig bei ihm gelesen zu haben, aber es gefiel ihm nicht, so dass er keine Bücher von ihm in seiner Bibliothek besäße. Nur, auch er kennt keinerlei Verbindung zwischen einem King Buch und 'Der zweite Fleck'.“ „Und das wiederum bedeutet... dass dieses Ausleihen des Buches von Conan Doyle ganz anders zu bewerten ist. Wenn es nur zweite Wahl war, heißt es womöglich, dass außer dem Täter niemand wirklich was mit dem Buch anfangen kann, und der Hinweis eher grob ist, als so präzise wie ursprünglich gedacht. Du willst noch mal zum Hügel gehen, Heiji?“ „Ja, er ist ganz sicher der Dreh- und Angelpunkt dieses Falles. Ich muss hinter das Geheimnis kommen, welchen Sinn das Ding eigentlich hat.“ Kogoro nickte sacht. „So weit stimme ich dir zu, aber angesichts der Tatsache, dass selbst die Polizei darunter nichts fand, und angesichts der vielen Bilder und dass alle Künstler schon da waren... bezweifle ich, dass es uns was bringt, nochmal direkt davor zu stehen.“ „Ich fürchte fast, Sie haben Recht, Mori, aber vielleicht hilft ja frische Luft meinem Verstand etwas auf die Sprünge. Ich schätze, Sie wollen in die Waschküche und nachsehen, ob Sie doch noch einen Hinweis auf die Vorgänge von einer Woche finden, nicht wahr?“ Er nickte kurz angebunden. „Das hatte ich vor, sobald Takagi fertig ist, außer er findet hier was, was wohl zu bezweifeln ist. Du gehst mit Kazuha schätze ich und Ran bleibt bei uns.“ „Äh Paps, ich würde trotzdem gerne mit Heiji und Kazuha gehen...“ „Was?! Ran, hast du es immer noch nicht verstanden?“ Wütend packte er sie an beiden Armen sah ihr tief in die Augen. „Hier läuft ein skrupelloser Mörder herum, der ganz allmählich nervös werden sollte, deswegen geht ihr beide nicht alleine irgendwo hin und Heiji passt bereits auf Kazuha auf und muss sich auch noch um den Fall kümmern.“ „Aber... ich... mir bekommt die Luft hier drinne einfach nicht so gut, Paps. Und... ich kann mich besser verteidigen als Kazuha im Zweifelsfall. Außerdem sind doch alle Künstler im Haus, also bin ich draußen am sichersten.“ In ihren Augen stand das gleiche Feuer, wie in seinen, obwohl sie wesentlich gefasster klang. Ein schlechtes Zeichen für Kogoro, denn es bedeutete, dass keiner der Gründe der für Ran ausschlaggebende war, die Verbindung, die vereinbart war, zu lösen. „Schon gut, Herr Mori, ich passe auf Ran auf.“, durchbrach ausgerechnet Kazuha die Zweisamkeit von Vater und Tochter. Auch Heiji war auf einmal verwirrt. „Ich denke, sie hat Recht, dass sie ein wenig vom Schloss wegkommen sollte, auf andere Gedanken. Und ich würde auch gerne noch etwas mit ihr klären.“ Sie konnte im Moment nicht aufblicken, ihre Stimme war schwach, wenn auch sie sich bemühte, fest zu wirken. Sie musste sie hier raus holen, wenigstens für eine Weile, um ihr den Kopf bezüglich einer Idee zu waschen, die ihren Verstand zu vernebeln schien. Schließlich blickte Kogoro noch kurz zu Heiji, der nur den Kopf unbeteiligt wegdrehte. Auch er konnte nicht leugnen, dass das Argument, Ran auf andere Gedanken zu bringen, essentiell sein könnte und dass die Künstler erstmal alle im Schloss waren. Dann nickte er resignierend und Ran folgte den anderen beiden zur Treppe. In diesem Augenblick öffnete sich die eine Tür und Takagi trat heraus. „Wie befürchtet, auch nichts und die beiden Ateliers haben überhaupt nichts, was der Beschreibung auch nur ähnelt.“ „Na toll.... schön, Heiji und die Mädchen gehen jetzt zum Hügel, wir besuchen mal die Waschküche unten im Erdgeschoss. Danach werden wir auf euch in Herrn Tashijas Zimmer warten, ja?“ „OK, bis dann. Ach ja, Mori, bevor ichs vergesse, was tippen Sie für den Waschraum?“ Heiji blickte halb unter seinem Basecap hervor, lächelte ironisch, was Kogoro erwiderte. „Zwei. Jemand hat sie hingebracht und gewaschen, jemand anderes hat sie wieder hoch gebracht.“ „Das herunterbringen, das waschen, und das wieder hochbringen sind aber drei Phasen, Herr Kollege. Und wenn Sie mich fragen, war in jeder dieser Phasen jemand anderes in diesem Zimmer.“ Kapitel 18: Pilgerfahrt in die Vergangenheit -------------------------------------------- Hallo liebe Leser, freut mich, wenn ihr euch immer noch hier her verirrt, oder auch bewusst herkommt, um Conans Schlussfolgerungen zu seiner nicht vorhandenen Existenz anzuhören... äh... durchzulesen... XD Erstmal wieder vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. ^^ Tja, das waren quasi die letzten wichtigen Hinweise zum Fall der Künstler. *Paukenschlag* Es gibt noch einen kleineren Hinweis beim Hügel im nächsten Kapitel, aber de facto hat Conan den nicht gebraucht und auch Heiji wird irgendwann feststellen, dass er doch schon genug Indizien hatte... also, noch habt ihr eine Woche Zeit, bevor euch die Ereignisse überrollen werden... Aber keine Angst, wir nähern uns jetzt der großen Auflösung mit ebenso großen Schritten. Und beginnen damit beim ersten Krankenhauskapitel, das nicht (vollständig) im Krankenhaus spielt!!! ;] Mehr verrate ich mal noch nicht, außer ihr könnt euch am Ende dieses Kapitels ja gleich zu einem anderen Fall Gedanken machen, auch wenn der mehr eine kleine Nebensächlichkeit ist... oder nicht... ;pp Dann erstmal viel Spaß beim Lesen. Liebe Grüße, Diracdet Kapitel 18: Pilgerfahrt in die Vergangenheit Er hatte es sich schwieriger vorgestellt. War es doch seine eigene Entscheidung - auch wenn sie seine Freunde nicht billigten - so erschien es Conan nicht nur unklug, das Krankenhaus jetzt in Richtung Schloss Kunieda zu verlassen. Es war doch fast verboten, bedachte man, dass er wahrscheinlich Opfer eines Mordversuchs war, dass er bis jetzt keine offizielle Freigabe vom Arzt bekommen hatte und auch die Polizei, vertreten durch Inspektor Takagi, ihn dazu ermahnte, hier zu bleiben. Das alles hinderte ihn aber nicht daran einem inneren Drang zu folgen, dorthin zurück sich zu begeben, zum Schloss, zum Täter... und zu ihr, Ran Mori. So weit war alles klar, solange er sich in seinem Zimmer befand, in dieser ruhigen, isolierten Welt, die zwar ein Fenster hinaus hatte, durch welches man Tokio sah... aber halt sicher in seinem eigenen kleinen Reich eingeschlossen war und Entscheidungen sich so leicht fällen ließen, wie es einem König nur vergönnt war. Dem König dieses Mini-Imperiums. Nur, sie in die Tat umzusetzen, in die Realität der irdischen Welt vorzudringen, bedeutete eben, diese Isolation aufzubrechen und sich auf das unbekannte Terrain zu begeben, das sich Außenwelt schimpfte. Schon seit er sich entschied, Ran persönlich zu fragen, was sie für ihn genau bedeutete, entwickelte sein Geist vorwiegend Schlachtpläne, wie er dieses Gebäude möglichst unbehelligt verlassen könnte. Wie er sich unbemerkt, aber auch unverdächtig rausschlich... und stellte die Frage, ob er damit nicht sich selbst beweise, dass es falsch war, was er tat. Wäre es das Richtige, müsste er sich doch nicht verstecken... obwohl das ja wohl das war, was er seit geraumer Zeit tat, so weit er vermutete. Er erwartete, dass einige der Schwestern, aber auch andere ihn bemerkt hätten, als gestern Abend der Notarzt einen kleinen Jungen brachte, der unter lebensbedrohlichem Blutverlust litt... und vielleicht, wie weit auch immer die ärztliche Schweigepflicht innerhalb dieser Einrichtung gegen die stille Post der Gerüchteküche ankam... der, der jetzt unter retrograder Amnesie litt. Kurzum, er hatte gedacht, auf dem nicht gerade kurzen Weg runter die Etagen des Krankenhauses, bis er es endlich würde verlassen haben, würde ihn sicher jemand vom Personal erkennen und aufhalten. Dem war nicht so. Es war praktisch das genaue Gegenteil. Man zollte der jungen Frau und dem kleinen Jungen mit bandagierter Stirn, der etwas in sich zusammen gekauert an ihrer Hand ging, überhaupt keine Beachtung. Nicht, weil sie ein alltägliches Bild an einem Ort wie diesem boten, eine Erklärung, mit der er hätte leben können. Es herrschte Aufregung im Krankenhaus, ein wildes Durcheinander. Mehr noch, es war reinstes Chaos. Überall liefen die Schwestern und Assistenzärzte durch die Korridore, zwängten sich an Patienten – zu Fuß, im Rollstuhl, auf Tragen, alles egal – vorbei, durch die nächste Tür rechts raus, um zwei bis fünf Türen weiter auf der linken Seite quasi wieder zu erscheinen. Oder war das ein anderer Arzt, der dem ersten nur sehr ähnlich sah? Zu erst dachte Conan, es gab während seiner Bewusstlosigkeit vielleicht eine Naturkatastrophe, einen Anschlag in Tokio, sonst irgendetwas, das Unmengen Patienten auf einmal in die Hospitäler trieb und das Personal vor unüberwindbare Aufgaben stellte. Das würde in diesem Fall aber implizieren, dass selbiges sich vor seiner hippokratischen Pflicht versteckte. Keiner der Mediziner schien auch nur einem Patienten, den er auf dem Flur sah, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. In dem Fall täuschten sie lediglich vor, in Beschäftigung zu ersticken, erledigten aber rein gar nichts, was die Gesundheit der Menschen betraf. Dies schien ihm, zumindest im Rückdenken an den Arzt und die Schwester, die er behandelten, unsinnig, aber was bliebe sonst noch? Ein hohes Tier, das vorbei schaute und für den das Gras erst noch grün gestrichen werden musste? Dann würde es doch erst recht koordinierter wirken, oder zumindest würde dann jeder wirklich was tun und nicht so kopflos sein, dass jeder es bemerkte. Zugegeben, in diesem Durcheinander kamen sie zwar etwas langsamer als erhofft vorwärts, aber niemand interessierte sich für sie, was ihn ein wenig beruhigte. Dennoch beschäftigte Conan diese merkwürdige Aufregung, und er suchte mehrfach Kirikas Augen, fand sie aber nicht. Ihr Blick war hinter den Fransen von Haaren vor ihrem Gesicht verborgen, unsichtbar für ihn. Auch ihre Mundwinkel wirkten regungslos, während sie selbst schwieg. Während der ganzen Zeit im Zimmer vorhin, kam sie ihm nie so ruhig, so wenig durchschaubar vor wie jetzt. Geradezu gespenstisch. „Was... was ist hier los?“, fragte er schließlich schüchtern, als sie am Fahrstuhl ankamen und Kirika den Knopf für das Erdgeschoss suchte. Sie blieb still, auch wenn sie ihn nicht ignorierte, wartete auf die Fahrstuhlanzeige, bis sich endlich die Tür öffnete, einige Patienten und Mitarbeiter aus- und sie beide einstiegen. Ihre Hand umklammerte Conans noch ein wenig fester. „Es ist etwas passiert...“ Mehr sagte sie nicht, bis sie den Parkplatz mit Kirikas dunkelrotem Renault erreicht hatten. Die Sonne schien außergewöhnlich stark und warm für diesen Tag – mittlerweile wusste er, dass der Herbst sich näherte und konnte das auch mit dem Stand der Sonne zu dieser Tageszeit in Einklang bringen – und hüllte den Parkplatz in eine spätsommerliche, leicht mit Metall-, Kunststoff- und Gummigeruch versehene Atmosphäre. Großstadt eben. Dennoch, obwohl er hier eigentlich wohnte... nahm er den Geruch deutlich wahr. Hatte er nur eine feine Nase... oder wohnte er eher in den Vororten, in den Gebieten, wo man noch ein bisschen weniger mit diesen 'Düften' berieselt wurde? Und vor allem, in seinem Doppelleben, welches er sich mittlerweile ausmalte für Conan Edogawa, galt dies da sowohl für 'vorher', als auch 'nachher' oder nur eines von beiden... und wenn ja, welches...? Die Fragen endeten einfach nicht mit jeder neuen Erkenntnis. „Worüber denkst du nach?“, flüsterte Kirika, ohne ihn auch nur anzusehen. Allein im Augenwinkel schien sie seine Bewegungen zu verfolgen, aber dafür doch sehr genau. „... Alles... Gott und die Welt... ich habe so viele Fragen, die noch zu klären sind...“ Seine Stimme brach abrupt ab. Sie hatten gerade den Wagen ins Visier genommen, Kirika mit der Automatik aus ein paar Metern Entfernung aufgeschlossen, als sein Blick etwas dahinter, vielleicht zehn Meter, auf zwei besondere Autos aufmerksam wurde. „Polizeiwagen?“ „...Ja.“ Sie zögerte, schluckte, wenn auch lautlos, doch nicht unbemerkt für ihn. Und auf einmal musste auch er schlucken. ihre Worte, eben noch im Krankenhaus. 'Es ist etwas passiert.' Das meinte sie! Deswegen das Chaos. Es ist etwas vorgefallen, weswegen die Polizei anrücken musste. “Was... was ist passiert? Weißt du es?“ Sie weigerte sich standhaft, ihn anzublicken, und ebenso, ihre Augen unter den Haaren auch nur hervor blitzen zu lassen. Er konnte ihre Miene nicht im geringsten erkennen und ihre Stimme war nun absolut emotionslos geworden. „Nein. Aber es geht uns wohl nichts an, da es schon chaotisch war, als wir aus deinem Zimmer kamen. Steig ein.“ Langsam hob Conan seine Hand zum Türgriff. Es wurde ihm mulmig... ihre ganze Art hatte sich so verändert... und eben... dieses nein, das war gelogen. Sie sah ihn nicht an, aber, wenn auch nur ganz kurz, glitt ihr Blick zurück zum Krankenhaus. Es hatte... vielleicht nur indirekt etwas mit ihnen zu tun, aber das ganz sicher. Darüber hinaus... war diese Situation doch fast schon lehrbuchartig. Ein kleiner Junge steigt bei einer ihm nicht wirklich bekannten Person einfach so ins Auto ein... Er wusste genau, was die Lehrerin dazu sagen würde. Nur lag die Sache insofern anders herum, dass er selbst darum gebeten hatte, und sie ihm seinen... keinen anderen Wunsch erfüllte. Oder hatte sie ihn... unterschwellig dazu geführt, diesen Weg zu suchen? „Du wolltest zum Schloss.“, bestätigte sie seine Gedanken, als er immer noch am Griff festhielt, ohne die Tür zu öffnen. Hatte sie schon wieder darin gelesen? „Ich... ich werde dir nichts tun, Conan. Und ich bringe dich zum Schloss, wirklich.“ Ein weiteres mal schien er ein offenes Buch für sie zu sein, was ihm ein weiteres mal beängstigend vorkam. War er so berechenbar als Mensch? Er hatte bei all seinen Gedanken eher das Gefühl, selbst berechnend zu sein, da wirkte diese Durchschaubarkeit fast widersprüchlich... „Versprochen?“ Er versuchte seinen kindlichsten, sehnsüchtigsten, großäugigsten Blick ihr entgegen zu werfen. Und tatsächlich, sie sah zu ihm, wirkte zunächst verwundert. Dann aber lächelte sie warmherzig. „Das habe ich schon. Ich habs dir... schon vor einiger Zeit versprochen, und bis ich das Versprechen breche, kann ich es nicht nochmal abgeben.“ Schmunzelnd stieg sie ein und wartete die wenigen Sekunden, bis auch ein verwirrt dreinblickender kleiner Junge auf dem Beifahrersitz Platz nahm. „Puuh.“, seufzte er knapp, als sie einige hundert Meter gefahren waren, als Zeichen. „Können wir dann... endlich etwas offener reden?“ Kirikas Hände und Augen ruhten auf dem Lenkrad und der Straße, zeigten keinerlei Regung hinsichtlich ihres Passagiers. „Inwiefern?“, war die nüchterne Antwort. „Ich bekomme also keine Antworten, die ich nicht quasi selbst herausfinde?“ „Ist es dir so nicht lieber, wenn ich fragen darf?“ „Nur bis zu einem gewissen Grad, der vor einer Weile überschritten wurde, danke der Nachfrage!“, giftete er sarkastisch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Erneut zog sich ein Schmunzeln durch das Gesicht der Fahrerin. „Du bist doch schon längst wieder in deiner Gedankenwelt verschwunden, gib's zu! Um es mal klar zu sagen, bei deinen Überlegungen könnte ich eh nicht mithalten, also wären meine Informationen für dich nur einzelne Lückenfüller und für das Gesamtbild müsstest du weiterhin selbst die Zusammenhänge bilden...“ Sie verstummte kurzzeitig, ihr Lächeln erfror. „Ich... bin nicht so schlau, wie meine Kommentare vorhin es vielleicht erscheinen lassen. Ich weiß halt... was passiert ist und in vielen Fällen, wie du dazu stehst. Sicher nicht in allen... jeder Mensch hat eben seine ganz persönlichen Geheimnisse, die er nicht preisgibt... und die bei einer Amnesie vielleicht für immer verloren gehen.“ Er schluckte kurz, einer leichter Schauer legte sich auf seinen Rücken. „Ich bin eher langsam... im denken... allgemein eigentlich. Du solltest nicht zu viel von mir erwarten... ich kannte halt nur das Gefühl einer Amnesie sehr gut, also konnte ich mich diesmal genau in dich hinein versetzen... aber ansonsten... kann ich nicht viel...“ „Außer einer bestimmten Sache, die dir Angst macht.“, unterbrach er sie in ihrer Lethargie schlagartig. Ihre Hände krampften sich etwas fester ins Lenkrad, um irgendwelche unnötigen Bewegungen zu vermeiden. Als sie nicht antwortete, setzte er fort: „Und nicht nur dir... auch den anderen, die davon wissen. Ein Talent, dass allen Angst macht, und von dem du nicht weißt, woher du es hast. Du hast dein Hände angestarrt, als ich sagte, ich würde keine Angst vor meinen geistigen Fähigkeiten haben, auch wenn ich sie verwirrend finde. Also meinst du etwas, was du mit den Händen machen kannst. Was?“ Das letzte Wort war ein bohrendes Drängen, er wollte die Antwort unbedingt. Aber er konnte sie nicht erfahren. Nicht hier und jetzt. Er verstünde es einfach nicht, würde womöglich aus dem Wagen springen und weglaufen und sich dabei sonst etwas tun. Oder zog er diese Variante bereits in Betracht? Dass ihr Talent... das Töten war? Kirikas Herz schlug unmittelbar schneller, diese Situation, die er erzwang, war mehr als ungewohnt für sie. Ihre Profession zu verleugnen war normalerweise nichts besonderes für sie. Im Gegenteil, sie wäre wohl gar nicht mehr am Leben, wenn sie sie jedem Dahergelaufenen offen verkünden würde. Aber hier war es anders, er musste quasi kurz davor stehen es zu wissen. Nur, beim ersten Mal wusste er es, als er ihr gegenüber stand, vor ein paar Tagen, wusste, worum es ging. Hier wäre es so, als würde sie ihm erklären wollen, was es mit der schwarzen Organisation auf sich hat, ohne vorher Shinichi Kudo zu erwähnen. Es fehlte einfach etwas, und das würde ihn nur unnötig verstören. 'Was also tun?' „Du... solltest... zuerst... zuerst in deiner Vergangenheit aufräumen, Conan. Glaub mir, der Rest ergibt sich dann...“ Die wohl lahmste Ablenkungsmasche, die es gab, aber was besseres fiel ihr nicht ein, ohne vorher den Wagen von der Straße abzudrängen oder einen Unfall zu bauen. Aber... das erfüllte interessanterweise einen Zweck. Es verdeutlichte Conan, wie wahr Kirikas Warnung eben war. Sie war wirklich nicht die große Meisterin im Denken. Ihre häufig als Naivität erscheinende Ruhe war tatsächlich auch nichts anderes. Lediglich übertünchte sie diese Schwäche offenbar mit knallharten Fakten, wenn es ihr möglich war... 'Oder mit diesem ominösen Talent, wenn man an die Reaktion der beiden anderen denkt.' Erneut seufzte Conan tief aus, blickte zum Fenster, die Silhouette der wandelnden Hochhäuser entlang. „Ich verstehe da aber was nicht.“ „Was verstehst du wo nicht?“ „Bei meiner Vergangenheit. Du scheinst ja Recht zu haben, Ran... sie hat irgendeine größere Bedeutung für mich, ich kapiere es ja, aber genau das verursacht bei mir gewisse Bauchschmerzen.“ „Wieso?“ Zum einen war Kirika erleichtert, das Thema trotz der banalen Phrase gewechselt bekommen zu haben, zum anderen war diese Feststellung mehr als interessant. Er kam in einen Bereich, in dem es eigentlich keine logische Erklärung mehr gab. Er musste hier in einer Sackgasse enden, oder das Unmögliche seiner Existenz in Betracht ziehen. Waren das womöglich seine Bauchschmerzen? Es war richtig spannend, dem Jungen zuzuhören. 'Wie ein Hörbuchkrimi.' Conan verzog die Miene, blickte zum Fenster raus, und begann langsam zu erklären. „Ich bin ein Kind. Ein Kind, dass sich aus irgendeinem Grund vor einer Organisation versteckt und dieses kuriose Doppelleben unter dem Namen Conan Edogawa führt. So macht das auch endlich Sinn, dass mir der Name nie gefiel... aber so weit waren wir ja. Fein, dann gab es also vorher jemand anderes... mein wahres Ich sozusagen.“ „So weit klar, ja.“ „Schön, dann passierte was, ich versteckte mich, Conan Edogawa wurde geschaffen und ich kam zu Ran und ihrem Vater. Ohne Eltern, die mich dort abgaben, oder irgendwann wieder abholten...“ „Mhm...“ „Aber das wird ja wohl nicht ewig gehen, oder?“ „Willst du wissen, wie lange? Nun, sagen wir es sind noch keine Jahre vergangen, seit du aufgetaucht bist.“ „Dachte ich mir, wäre aber sogar fast egal. Aber wie ich es drehe und wende... ich sehe eigentlich nicht ein, warum sie in dieser Zeit so bedeutsam für mich werden konnte. Wenn das hier nur eine Tarnung sein soll, dann würde ich doch eher darauf bestehen, Distanz zu bewahren zu Mitmenschen, die ich täusche. Für sie bin ich wie ein kleiner Bruder, meinte sie... das wäre mir fiel zu nahe eigentlich. Damit rückt sie doch mit in die Schusslinie im Zweifelsfall.“ Es war in einer tragischkomischen Variante amüsant für Kirika zu verfolgen, wie Conan die gleichen Schlussfolgerungen zog, aber unter ganz anderen Ausgangspunkten, die schon so lange sein Leben bestimmten. „Dann... hast du so eine Annäherung nicht gemacht und daher...“ „Daher müsste ich sie noch vorher gekannt haben.“ Eine Winzigkeit bewegten sich Kirikas Augenbrauen nach oben, unmerklich für Conan, der immer noch mehr zum Seitenfenster, denn zu ihr schaute. „Du kanntest Ran vorher?“ „Wäre zumindest meine Schlussfolgerung. Aber damit geht der Ärger los. Das heißt doch, sie ist nicht eine von denen, die aus Unwissenheit etwas falsches sagte, sondern gelogen hat und genau Bescheid weiß über mich, oder?“ „Äh... warum?“ „Na, wenn ich sie vorher kannte, kannte sie mich doch auch, oder nicht? Sollte sie mich etwa dann nicht erkennen, wenn ich vor ihr stehe?“ „Nun ja... du könntest... eine Tarnung...“ „Die Brille? Beim besten Willen, sie wird mich doch durch so eine Brille erkennen, wenn sie mich ohne kennt. Zumal, selbst wenn das reichen würde und ich sie immer trage, wer kann garantieren, dass sie sie mir nicht mal abnimmt, wenn ich schlafe, weil sie Angst hat, sie ginge kaputt? Und eine Maske trage ich nicht. Und in dem Alter habe ich kaum Zeit gehabt, mich äußerlich so viel zu verändern, dass sie mich vergisst. Überhaupt, viel Zeitspanne blieb da auch nicht, für diese Bekanntschaft.“ „Was ist mit einem chirurgischen Eingriff, der dein Aussehen verändert?“ „Das ganze Gesicht zu verändern hinterlässt immer Narben, außerdem ist es zeitaufwendig und kostspielig und das auf eigene Faust als Kind zu realisieren... und außerdem, angenommen, das wäre so, dann bliebe erst recht die Frage, wozu noch die Brille? Die würde dann im Zweifelsfall sogar nur noch mehr Zweifel aufkommen lassen. Nein, wenn ich sie von früher kenne, dann erkennt sie mich auch und ich kann nur Leute täuschen, die eher eine sehr schlechte Vorstellung von mir haben.“ „Verstehe, folglich hat Ran gelogen und weiß Bescheid.“ Sie versuchte, nicht zur Seite zu blicken, obwohl sie sein Gesicht in diesem Moment zu sehr interessierte. Auch die Spiegel halfen ihr nicht dabei. Es war etwas deprimierend, dieses Resultat. 'Du ziehst also das Unmögliche doch noch nicht in Betracht, was, Shinichi? Bist du vielleicht doch nicht... der Richtige?' Sie schmeckte ihre Lippen, als sie drauf biss. „Würde sich ergeben, aber das ist doch einfach merkwürdig, findest du nicht? Das heißt doch, dass wir beide diese Rolle von Geschwistern spielen, und insbesondere auch ihren Vater, Herrn Mori täuschen. Er ist nämlich definitiv kein Lügner, sondern hat von mir keine Ahnung. Sonst wäre er viel zu auffällig... er schien mit seinen Kommentaren den Arzt direkt zu ermuntern, mich für ein ungewöhnliches Kind zu halten.“ „Wieso ist das... merkwürdig?“ „Es ist so vieles... einfach nicht sinnig. OK, wir wissen beide, was vorgeht, Ran und ich, spielen aber unsere Nummer, und das womöglich die Mehrheit des Tages, wenn er zu Hause ist. Aber er ist Detektiv und auch wenn er mir nicht so erschien, scheint er seinem Ruf nach doch ein sehr guter zu sein. Ist doch etwas gewagt, findest du nicht? Er könnte es jederzeit herausfinden, aber er wirkte noch vollkommen unwissend in unseren Gesprächen. Mehr noch, für ihn war auch die Vorstellung, die wir angeblich immer gaben, sehr authentisch, so wie er darüber sprach. Dann kommt hinzu, Ran kennt mich, aber ich habe scheinbar keine mich besuchenden Eltern. Was auch immer passiert ist, könnte ich so einfach bei meinen Eltern sein, sie würden mich doch nicht da wohnen lassen, nicht in so einer Situation... und mich nie besuchen. Das heißt... selbst wenn Herr Mori mich vor Conan Edogawa nie gesehen hätte, er müsste doch von mir wissen, dem an kriminologischen Sachen interessierten Jungen, den seine Tochter gut kennt, und der ohne Eltern lebt. Was ist mit dem Jugendamt, wieso holen die mich nicht...“ Er brach ab, seufzte laut und blickte einmal mehr zum Seitenfenster. 'Es ist schon wirklich erstaunlich... denn ja, im Prinzip hast du mit allem recht, nur lediglich macht es keinen Sinn, wenn man die Person kennt... und genau deswegen muss es so sein, wie du denkst. Wow.' „Es passt alles nicht, wenn man diese Person bewusst kennt. Ran kann nicht... zumindest... nicht von Anfang an, gelogen haben. Sie hat es nicht gewusst, nur dann konnte diese ganze Aktion funktionieren.“ „Aber das geht nicht, hast du doch gerade vorher verdeutlicht. Ran hätte dich erkannt. Du drehst dich im Kreis.“ „Ich weiß... es ist nicht ausgeschlossen, dass sie wirklich log, aber... es ergibt für mich so einfach keinen Sinn. Und ja... das andere scheint unmöglich, weshalb ich es ausschließen müsste... wenn ich nur von diesem Punkt ausginge.“ Jetzt wurde sie richtig hellhörig. Aus dem unmöglich sein, wurde ein unmöglich scheinen, was ja ganz andere Bedeutung hatte. „Wie... wie soll es plötzlich doch möglich sein?“ „Ich kannte Ran vorher, und auch ihr Vater müsste dann was von mir wissen, dennoch erkannten mich beide nicht, als ich als Conan Edogawa vor ihnen auftauchte. Das ist in der Tat schier unmöglich. Und deswegen stocke ich da. Aber das Problem ist... auch wenn ich die Zeit davor mitnehme und meine vollen sieben Jahre... so komme ich in mehreren Punkten auf keinen Konsens. Wieso habe ich all dieses Wissen UND die Fähigkeiten zur Schlussfolgerung? Wie... konnte Ran so eine Bedeutung bekommen für mich? Was meintest du wirklich damit, dass sie das Motiv ist... dass ich nicht wie Holmes wurde... bis jetzt? Wie kann ich so eine Gefahr für die Organisation werden und dann so ein Täuschungsmanöver abziehen? Wie kann das alles in meinem Alter so von mir festgelegt werden? Wie geht das, Kirika? Wie kann ein sieben jähriger Junge das schaffen?“ Sollte sie das sagen, was ihm auf den Lippen lag? Diese einfachen zwei Worte? War die Frage so rhetorisch gedacht? 'Gar nicht. Das ist die ganze Antwort, Shinichi. Also... hattest du sie doch schon?' „Ich weiß nicht... worauf du genau hinaus willst?“ „Hä... naja... bin ich vielleicht kleinwüchsig, mal so als Einstiegsfrage?“ Nun musste Kirika doch an sich halten, und insbesondere am Lenkrad. Ihre großen Augen schwankten im Bruchteil eines Augenblicks zur Seite, zu dem kleinen Jungen, der dabei war zu erfahren, dass er gar kein so kleiner Junge war. „Ich sehe das so... es gibt zwei Möglichkeiten. Ich kann nicht beweisen, dass Ran nicht gelogen hat, insofern bleibt immer noch diese Variante, als die wohl realistischste, die ich berücksichtigen muss. Wenn sie aber nicht log... dann bleibt nur die absolut unglaubliche Option... dass die eigentliche Täuschung an Conan Edogawa die ist... dass er ein Kind sein soll!“ „A... aber, wenn du, mal angenommen, kleinwüchsig wärst, dann hätte Ran, wenn sie dich vorher kannte, doch trotzdem erkannt, oder?“ Etwas überrascht und missmutig wandte sich der Junge wieder nach vorne, verschränkte erneut die Arme. „Ich weiß... es war halt nur ein Einstieg. Alles andere ist aber nur noch unglaublicher.“ Unwillkürlich hob er seine Hand, spielte mit der Sonne zwischen den Fingern. „Er ist unleugbar. Mein Körper ist ein Kindskörper... einer der wenigen Fakten, von denen ich bis vor Kurzem, auch bei allen Lügen und Falschaussagen, überzeugt war. Aber gerade er scheint... unhaltbar.“ „Aber macht das Sinn?“ „Nein...“, stellte er etwas resigniert fest. „Die Tatsache, dass ich eine andere realistische Option für einige Punkte habe, ist nicht weniger störend, als der Aspekt, dass es unmöglich erscheint, was ich hier vermute...“ „Aber es würde alles erklären, oder wie?“ „Nein... es würde allem eine, von dieser Vermutung ausgehende... Option verschaffen. Eine Möglichkeit, die wenigstens keine weiteren Absurditäten beinhaltete. Und vor allem... diese eine Frage... warum Ran... mich retten konnte... würde es beantworten können.“ „Was... wie meinst du das, retten?“ „Achso... ja, richtig erklärt hatte ich das nicht. Ich hörte sie... ihre Stimme, als ich bewusstlos war... und im Begriff zu fallen... zu sterben, von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Da war... sie und es war... besser, ich war wieder unter den Lebenden danach. Sie hat diese Bedeutung für mich, ja, aber wieso? Die kleine Bruder-Geschichte mag für ein Kind im Ansatz Sinn ergeben, aber... nein eigentlich trifft es das nicht. Aber...“ Ein schwacher Farbton schlich sich auf seine Wangen. „Wenn ich... nur äußerlich ein Kind bin, kann ich eine Option in Betracht ziehen, die ich sonst ganz sicher ausgeschlossen hätte.“ 'Mein Gott, er hat es. Ich glaubs nicht, er hat es tatsächlich.' „Aber... das ist hier zu viel Interpretation, ich muss sie selbst fragen. Fragen... ob sie am Anfang log, oder es nur nicht wusste. Ob ich auch sie täuschte, oder wir beide den Rest.“ „Wieso... wieso glaubst du, sie wird dir antworten. Sie weiß es doch nicht, wenn du sie getäuscht hast.“ „Sie weiß es jetzt. Definitiv. Deswegen... nur deswegen ist sie zu diesem Schloss zurück gefahren. Und deswegen... muss ich jetzt auch dorthin... und meine Fragen beantwortet bekommen.“ Als sich die Krankenzimmertür schloss und die beiden – eigentlich Besucher und nicht Patienten – alleine zurück ließ, wandte sich Ai lautlos und langsam, wie in Zeitlupe ans Fenster... und starrte in die Außenwelt. Gedankenverloren, sie fühlte sich... einsam, gefangen in einer Zwischenwelt, die keiner mehr so recht mit ihr teilte. Conan war ihr enteilt, der Professor, allein schon wegen Noir, noch deutlich hinter ihr zurück. Sie wollte den einen einholen, und dem anderen gar nicht erst die Chance geben, ihr Wissen zu bekommen... es war zu gefährlich. Sie ertappte sich bei dem schmerzenden Gefühl, genau das mit ihrem Hausherren und Retter von der Straße zu tun, was sie an Conan stets so kritisierte. Mit dem Ziel ihn zu beschützen, fraß sie ihr Wissen in sich auf, verschluckte es in der Endlosigkeit des menschlichen Abgrunds und hoffte, dieses schwarze Loch würde seinem physikalischen Gegenstück gerecht werden und es niemals freigeben. Ja, für diesen Augenblick glaubte sie ihn zu verstehen... und fürchtete sich vor der Erkenntnis, dass sie genauso handelte. 'Es stimmt also... Erkenntnis kann der erste Schritt zur Besserung sein... aber man ist nicht automatisch geheilt, nur weil man weiß, dass es falsch ist.' Der Blick auf das emsige Nachmittagstreiben der größten Stadt der Welt hatte eine dämonische Aura angenommen. Sie stand im vierten Stockwerk nunmal... 'über den Dingen'. Die Wolkenkratzer waren ein Stück weg und die kleineren Häuser waren alle zu überblicken. Und jeder Mensch... wurde klein, wie eine Ameise. Klein und unbedeutend... unbedeutend, weil sie nicht wussten, was sie wusste. Weil sie einfach ihr Leben lebten. So mussten einige der Diktatoren der Geschichte sich gefühlt haben, als sie über den Menschen standen und triumphierten. Wissen ist Macht, und Macht korrumpiert, noch eine wahre Aussage, wie sie feststellte. Man will ungern diese Macht teilen, wenn man nicht weiß, ob sie gegen einen verwendet werden kann und beruft sich dann auf Verleumdungen, wie den anderen vor sich selbst zu schützen. Es war ein berauschendes Gefühl... aber Ai wusste, dass es nicht gut war. Nur ihm zu widerstehen... war halt wiederum etwas anderes. 'Du hast dich... geirrt, Shinichi. Du kannst die Menschen nicht vor sich selbst schützen, indem du ihnen die Wahrheit vorenthältst. Sobald ihre Neugier geweckt ist... kann sie nichts mehr aufhalten, außer diese eine Wahrheit.' „Sie schien mir irgendwie... gar nicht richtig wie eine Killerin, Ai.“ Es mussten mindestens zehn Minuten vergangen sein, seit Kirika und Conan gingen und er saß die ganze Zeit still auf seinen Platz und beobachtete das kleine Mädchen am Fenster. Früher oder später würde sie sich wohl mit sich selbst ausgesprochen haben und die beiden könnten das leere Zimmer verlassen, doch dem war offenbar nicht so. Ai zeigte kein Bedürfnis, ihre Position 'über der Welt', die abgerundet wurde von den hinter dem Rücken zusammengefalteten Händen, zu verlassen, ebenso, wie das Krankenhaus. „Finden Sie? Sie hat viel gespielt... meine ich, aber wenn sie einem nahe kam... und ihr kalter Blick einen dann traf...“ „Nun... Miss Jodie war überzeugt, dass sie eine Mörderin ist und Shinichi hatte ihr damals auch zugestimmt, weshalb ich es nicht als unmöglich ausschließen will... aber... sie kam mir... wirklich traurig vor. Zumindest ab und zu. Und... ehrlich einfach.“ „Wir haben ihr ja auch keine Frage gestellt, für deren Antwort sie lügen musste.“ „Ja, gut, vielleicht, aber dennoch... ich kann sie mir gar nicht als Killerin vorstellen, wie sie... gnadenlos Leute umbringt.“ 'Natürlich nicht, Professor... selbst wenn Sie das könnten... lägen Sie noch um Welten neben der Wahrheit.' Erneut wollte sie sich auf die Zunge beißen. Es war doch die Gelegenheit für sie. Sie konnte beweisen, sich und Shinichi Kudo, dass man auch die Wahrheit sagen kann. Hiroshi Agasa beschäftigte sich intensiv mit Noir in diesem Moment, unwissentlich! Wer wusste, was passieren könnte, wenn sie sich unter anderen Umständen begegneten, und er, weil er sie für eine 'gewöhnliche' Mörderin hielt, meinte, sie überführen zu können... oder was auch immer sonst. Er hatte keine Vorstellung davon, womit er es zu tun hatte, glaubte es aber. In diesem Moment war die Unwissenheit gefährlicher für ihn, als die Preisgabe ihres Wissens für sie beide. Da war sie absolut überzeugt von. Jetzt... jetzt konnte sie mit gutem Beispiel voran gehen und es aussprechen, verdammt. Shinichi zeigen, dass er falsch lag, auch wenn er gerade nicht anwesend war. Sie könnte mental triumphieren, nicht über ihn, nicht über Noir oder die Organisation, sondern über sich selbst als Mensch. Wieso nur sträubte sie sich immer noch davor? „Lassen... lassen Sie sich nicht täuschen, Professor. Sie... sie sind vollkommen tödlich.“ „Äh... sind? Plural?“ Ai erstarrte augenblicklich zur Salzsäule. Stünde sie ihm zugewandt, er hätte sie kreidebleich gesehen, zum Geständnis, welches sie eben abgab. War das gerade eben ihr Gewissen, welches das richtige tat, wovor ihr Verstand zögerte? War es doch nur, dass sie laut gedacht hatte und diesen Plural einbrachte? „Du meinst... sie und diese Mireille Bouquet? Die... Jungfrauen mit den schwarzen Händen?“ Nun musste Ai sich doch umdrehen. Gab es eine hellere Gesichtsfarbe als weiß, sie hätte sie in diesem Moment angenommen, ihre Bewegungen waren unkontrolliert. „Woher... woher kennen Sie diese Redewendung?“ Auch der Professor erschrak angesichts ihres Anblicks, las für einen Moment in ihren Gedanken, was sie die letzten Minuten über bewegte. „Du... du hast die Daten aus Yusakus Sammlung entfernt, Ai?! Warum... warum hast du das getan?“ Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen und ein paar Zeilen aus einem Gedicht in ihrer Schulzeit flackerten wild durch ihren Kopf. 'Sieh da! Sieh da, Timotheus, die Kraniche des Ibykus!' Sie hatte sich selbst verraten... als sei ihr Gewissen in die Bresche gesprungen, als ihr Verstand sie daran hindern wollte, das Richtige zu tun. Eigentlich hatte leugnen nun gar keinen Zweck mehr und dennoch richtete sie wie wild ihre Arme empor. „Nein, nein, Sie verstehen das falsch, Professor...“ Ein Klopfen an der Tür unterbrach diesen so wichtigen Moment, rettete Ai davor, wie Ibykus' Mörder vor dem Tribunal des alten Mannes zu landen. Ihr Herzschlag, der eben über 200 gewesen sein musste, senkte sich wieder, langsam aber bewusst. „Guten Tag, Herr Professor... oh... ist unser kleiner Patient gar nicht mehr da?“ Erstaunt blickten die beiden Kommissar Megure und hinter ihm seinen Kollegen Shiratori an. „Gu... guten Tag, Kommissar Megure, Kommissar Shiratori. Was machen Sie beide denn hier?“ „Die Arbeit, Herr Professor, die Arbeit.“, führte der jüngere Beamte kurz aus, mit seinem bekannten, schwachen Grinsen, mit dem er Souveränität demonstrierte, die ihm im Vergleich zu seinem Noch-Vorgesetzten aber noch fehlte. „Arbeit? Für die Mordkommission?“ Unwillkürlich lief beiden wieder ein Schauer über den Rücken. Eine dunkle Vorahnung machte sich breit. „Ein Arzt und ein Assistenzarzt wurden vor kurzem tot aufgefunden, und verdächtigt wird eine Krankenschwester.“ „Oh nein... sagen Sie nicht...“ Ais eben beruhigtes Herz wurde wieder schneller, obwohl ihre Gesichtsfarbe wieder blasser wurde. „Doch... bei dem Arzt handelt es sich nach unserem Wissen um Dr. Asunaja, der auch den kleinen Conan hier behandelte. Und der Assistenzarzt ebenso, genau wie die verdächtigte Krankenschwester, sie gehören alle zu einem Team um Dr. Asunaja. Deswegen... sind wir eigentlich hier.“ Kapitel 19: Der Hügel Tashija ----------------------------- Hallo liebe Leserinnen und Leser, ^.~ ich fange mal anders an, mit etwas, was viel zu leicht übersehen wird. Nämlich die vielen Favolisteneinträge, die ich mittlerweile erhalten habe. Viele davon sind nämlich eingetragen auch bei der ganzen Reihe, unabhängig davon ob sie sie von Anfang mit verfolgten oder später hinzukamen. Das bedeutet mir sehr viel, ich denke, es ist klar, welchen Eindruck es vermittelt und das will ich auch mal gesagt haben. Es macht mich wirklich... ja, man kommt um das Wort stolz wohl nicht rum, solche treuen Fans zu haben. Also vielen, vielen Dank dafür. Und natürlich – nein, deswegen vergesse ich euch nicht ;] - auch ein großes Dankeschön an die fleißigen Kommischreiber diesmal. So, es ist so weit! *Trommelwirbel* Endlich dürft ihr euch den Hügel... äh... anlesen. XP Und um es gleich vorweg zu nehmen, versprecht euch nicht zu viel, denn so viel wird es dazu gar nicht zu sagen geben. Wie angekündigt, der Hügel ist lediglich das i-Tüpfelchen auf diesem Fall, der sich nun mit großen Schritten seiner Aufklärung zuneigt, aber vorher... lest selbst, das verrate ich doch nicht so leicht. ;p Also dann, viel Spaß beim Lesen.^^ Lasst euch nicht einschneien und bis nächste Woche. LG, Diracdet Kapitel 19: Der Hügel Tashija „Wie meinten Sie beide das?“ Takagi seufzte etwas unverständlich auf, als er an dem kleinen Tischchen, samt Stuhl davor Platz nahm, der neben der Waschmaschine und dem Trockner das einzige Mobiliar in diesem Zimmer zu sein schien. Es diente ja nicht als richtiges Badezimmer, welches nebenan war. So stand das leicht überflüssig wirkende Stück mit der Lampe darüber wohl einzig und allein dazu da, dass Anwesende, die auf ihre Wäsche warteten, eine Möglichkeit hatten, etwas zu lesen oder sich anderweitig zu beschäftigen. Die Künstler selbst mögen wissen, warum sie während des Waschvorgangs nicht einfach wieder ihre Zimmer aufsuchten oder im Wohnbereich im Erdgeschoss lesen konnten, Takagi erschloss es sich jedenfalls nicht. Aber es genügte alle mal, nach dem vielen Treppensteigen und Zimmerdurchsuchen ein wenig die Beine zu entspannen. Mit leichter Skepsis beobachtete er, wie Kogoro sich an den beiden Starkstromgeräten zu schaffen machte, und scheinbar ernsthaft hoffte, dort Hinweise auf den Verbleib des Opfers zu finden. Obwohl sie immerhin nach Aussage der übrigen Künstler schon wieder benutzt wurden seit dem Verschwinden von Herrn Tashija. Kurz sah er auf zum Polizisten, weil ihn die Frage verwirrte. „Was meinten wer und ich?“ „Na Heiji und Sie, Herr Mori. Als wir oben bei Yamamura fertig waren, diskutierten Sie doch darüber, wer hier drin gewaschen hat. Sie sagten zwei Leute, Heiji meinte drei. Und ich dachte, es hätte sich geklärt, dass das Opfer doch die Wäsche selbst gewaschen hat. Daher verstehe ich nicht ganz, was Sie meinten.“ Ruhig, wenn auch neugierig beobachtete er, wie der Detektiv sich langsam aufrichtete aus seiner gebückten Stellung, sich umdrehte, an die Waschmaschine lehnte und die Arme vor dem Oberkörper verschränkte. Dann schwieg er, ließ seine Augen geschlossen und dachte nach, wie er es formulierte. „Es ist... anders, als wir dachten. Umgekehrt sozusagen.“, begann er schließlich leise. „Der zunächst naheliegende Gedanke war ja, dass die Geschichte mit der Wäsche eine Lüge von Herrn Tomoko war, der damit sich Zeit für ein Alibi schinden wollte, was aber keinen Sinn ergab, da er damit keinerlei Zeit gewinnen konnte und es eher angebracht hätte für ein solches Alibi. Und da alle anderen nicht davon wussten, macht es auch keinen Sinn, wenn jemand anderes es war, denn dann hätte Tomoko grundlos gelogen, als er von Tashijas Wäschestapel erzählte. Daher gingen wir davon aus, dass es nicht gelogen war... aber das war, bevor wir uns unter dem Gedanken, dass es sicher Mord war... die Etagen nochmal ansahen.“ Es nervte ihn, dass man in diesem Raum wegen mangelnder Belüftung nicht rauchen konnte, er hätte jetzt zu gerne ein wenig beruhigenden Dampf ausgeblasen. „Er... Herr Tashija, hat gewusst, was hinter dem Hügel steckte, was ein anderer Künstler verheimlichte. Er hat mehr als einfach nur viele Fotos gemacht, es waren unerhört viele und teuer, sie selbst in Farbe einzeln zu drucken. Dann hat er sie ausgelegt auf dem Boden, danach in Mappen, als das die anderen Künstler nicht wollten; alles so, dass es jeder Kollege von ihm jederzeit ohne sein Wissen einsehen konnte. Er hat Tomoko um Ingenieurswissen und Hino um fotografisches Wissen aufgesucht, mehrfach, ihnen quasi seine Arbeit unter die Nase gerieben. Und dann noch das Buch, welches er sich von Yamamura ausgeliehen hatte.“ „... er wusste Bescheid, schon klar. Meinen Sie, er hat den Täter erpresst?“ „Das ergebe wenig Sinn, er ist eher noch der Vermögendste von den Vieren. Aber... in diesem Licht..., dass er Bescheid wusste und den Täter auch aus irgend einem Grund mit diesem Wissen provozierte, legt doch auch die Vermutung nahe, dass Tashija selbst diese Wäsche als Fake inszenierte!“ Sprungartig stand der Inspektor auf seinen Beinen. „Wie... wie bitte, er soll selbst das inszeniert haben? Wofür?“ „Genau wie in der ersten Version der Täter... für Zeit. Er nahm seine Wäsche, brachte sie herein, ging dann, vielleicht um den Täter aufzusuchen, der brachte ihn zum Schweigen und nahm die Wäsche dann wieder heraus, um sie in Tashijas Zimmer zurück zu bringen. Sonst würde sein Verschwinden ja noch schneller auffallen. Sprich, Tashija verschaffte sich ein Alibi gegenüber dem Täter und zwang ihn im Nachhinein, dieses Indiz, das schneller zur Aufdeckung führte, verschwinden zu lassen. Insbesondere, wenn Tashija verschwunden wäre und die Wäsche hier in diesem Zimmer bliebe, würde die Polizei die Option, er wäre weggelaufen eher als abwegig betrachten und genauere Untersuchungen anstellen.“ Takagi sah staunend den ehemaligen Polizisten an. Selten wirkte Mori, außer bei seinen genialen Fallaufklärungen – die er ja nun zweifelsfrei Conan zuordnen konnte – so überzeugend. Sei es, dass Heiji recht offen mit ihm sprach in diesem Fall, sei es weil der kleine Junge, der immerhin ihm anvertraut wurde, bei einem seiner Fälle von dem Täter, den er überführen sollte, fast getötet worden wäre, sei es eine potentielle Gefahr für diesen Jungen und seine eigene Tochter, sollte er ihn nicht bald dingfest machen, irgendetwas motivierte Kogoro zu beeindruckenden analytischen Denkleistungen diesmal. „Wow... tatsächlich, es war genau andersherum. Keine Falle vom Täter für die Polizei, sondern vom Opfer für den Täter... so macht das natürlich Sinn. Das heißt... dann aber auch, dass Yamamura erstmal vom Haken ist, oder?“ „Warum?“ „Na, weil bei ihm ja der einzige relevante Kontakt zu Tashija und dem Hügel dieses Buch war, von Stephen King. Hätte er ihn provozieren wollen, hätte er ihm doch trotzdem noch den Titel gesagt, auch wenn Yamamura das Buch nicht hatte. Sonst könnte dieser doch gar nicht verstehen, was mit diesem Symbol gemeint war, oder?“ „Die Sache ist leider in verschiedener Hinsicht etwas komplizierter. Erstmal müssen wir davon ausgehen, angenommen, Yamamura ist der Täter, dass dann seine Aussage einfach gelogen ist. Wer sagt denn, dass Tashija nicht den Titel des anderen Buches nannte? Überhaupt was macht uns so sicher, dass er nach einem zweiten Buch fragte, wer sagt, er hätte auch nur nach dem ersten gefragt? Yamamura hat uns das jetzt, vorhin, gesagt und das Buch lag schon bei der Untersuchung der Polizei dort, aber das heißt nicht, Tashija hätte es geholt. Sagt Yamamura umgekehrt die Wahrheit, dann ist 'Der zweite Fleck' höchstens ein sekundärer Hinweis, vermutlich diesen Teppich im Keller betreffend. Lügt er hingegen, ist das, ebenso wie Stephen King, eine falsche Fährte. Noch was, genau wie bei der Wäsche, von der scheinbar nur Herr Tomoko etwas genaueres wusste, war auch hier niemand anderem offiziell klar, dass sich Tashija, zumindest laut Aussage Yamamuras, etwas ausgeliehen hatte. Sprich hat er es, würde das nur ihn wieder verdächtig machen, das hieße dann, alles deute auf Herrn Yamamura...“ „Aber ist das ganze dann nicht etwas abwegig? Ich meine, erst der vielleicht falsche Hinweis mit Holmes und dann King, das wirkt doch so unrealistisch, die Kombination so komisch, da kann doch ein Täter nicht unbedingt erwarten, dass ein Kriminologe diese Aussage für bare Münze nimmt.“ „Nicht ganz, Herr Inspektor...“ Nachdenklich rieb sich Kogoro am Kinn. „Es wäre für den Täter... nun ja, eine von vielen Varianten, aber durchaus denkbar. Nämlich als reine Verwirrspielchen.“ „Wie... Verwirrspielchen?“ „Man müsste zuerst die Aussagen hinnehmen, die man bekommt, weil es Informationen sind und dann irgendwie versuchen, die richtigen von den falschen zu trennen. Eben, es macht keinen wirklichen Sinn mit King, aber genau das regt einen Detektiv zum Denken an, nicht zuletzt, weil es zu abwegig erscheint, als dass man dem Täter zutraut so offensichtlich zu lügen. Unsere Gedanken schweifen immer weiter von dem richtigen Pfad ab, wenn es gelogen sein sollte und wir verirren uns in einem dichten Gestrüpp aus unsinnigen Vermutungen, basierend auf dieser einen Lüge.“ Seufzend ließ er sich etwas in sich zusammen sinken, blickte zur gräulichen Decke. „Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ich denke mittlerweile, die Aussage könnte sehr wohl wahr sein, Takagi.“ „Was... wieso denn nun doch?“ „Na, das ganze hat doch einen Haken, oder nicht? Die Bilder vom Hügel und die Arbeiten daran, das sind alles offensichtliche Zeichen, er wüsste, was vor sich ginge. Beim Buch ist das etwas schwieriger. Da soll es doch unserer Meinung nach auch dem Täter andeuten, was Tashija wusste, so weit waren wir. Und woher wusste Tashija, dass der Täter das Buch kannte, ausgenommen mal, es ist Yamamura der Täter und er besäße das Buch?“ „Äh... natürlich, das ist ein Problem... aber ist es das nicht unabhängig vom Buch...“ Kogoro nickte unauffällig. „Sherlock Holmes ist jedem ein begriff, aber 'Der zweite Fleck' ist sicherlich weit weniger bekannt, als 'Der Hund von Baskerville' oder 'Im Zeichen der Vier'. In jedem Fall hätte ich bei einer solchen Aktion statt dessen dem Täter bei irgendeiner Gelegenheit, vielleicht auch bei einem gemeinsamen Essen, bei dem die anderen Künstler diesen davon abhalten würden, sich zu erkennen zu geben, mal auf ein Buch angesprochen, 'dass ich in der Kindheit las und das mir so gut gefiel, neulich hab ich mich gerade daran erinnert...'. Sie verstehen.“ „Ja doch, das macht wesentlich mehr Sinn, zumal dann das Ausleihen des Buches auch ein Ding der Harmlosigkeit wäre, über die sich Yamamura nicht wundern würde. Aber warum spricht das für die Aussage?“ „Gerade wegen Stephen King. Holmes ist als Figur ein Begriff, aber so spezielle Fälle sind bis auf eben ein paar Ausnahmen nur den echten Fans bekannt. Und auch Tashija hatte 'Der zweite Fleck' sicher früher in seiner Kindheit gelesen, sonst wüsste er darüber nicht so Bescheid. Bei King ist es etwas anders. Seine Bücher sind urig lang und definitiv keine Kinder- oder Jugendlektüre, was man über Doyle durchaus sagen könnte. Dafür aber... wurden alle wichtigen Werke von ihm recht erfolgreich verfilmt.“ „Natürlich, die Filme kennt man eher noch. Und sogar wenn man sie nicht gesehen hat, sind einige Grundszenarien daraus so berühmt, dass man sie mit großer Wahrscheinlichkeit kennt.“ „Sprich, Tashija wollte mit einem King-Buch ein solches Symbol aufgreifen, auf das sehr wahrscheinlich der Täter anspringen würde. Holmes war eine Notlösung und unter Umständen nicht im Ansatz so deutlich. Noch dazu... wenn dann bezieht sich dieses Buch wohl auf den Teppich, wir wissen aber nicht, ob das auch für das Buch von King gilt. Wahrscheinlich sogar... meint es was ganz anderes, vielleicht auch wieder den Hügel, das würde ja mehr ins Bild passen...“ Er hauchte die letzten Worte mehr in Gedanken zu sich selbst, woraufhin auch Takagi leicht lethargisch seufzte. 'Er denkt zwar sehr genau mit, aber weiter bringt uns das nicht... dieser Fall ist wirklich noch... sehr undurchsichtig.' Heiji ging einige Schritte vor den beiden Damen, nachdem ihm Kazuha ein unauffälliges Zeichen gab. sie wolle nochmal alleine mit Ran sprechen. Beide gingen schweigsam nebeneinander her, ihre Blicke verkrampft auf den Boden vor sich gerichtet. Lediglich die Schuhe des jeweils anderen, die dabei im Blickwinkel auftauchten, verrieten die Anwesenheit der Freundin. Kazuha biss sich auf die Lippen, als sie erneut an die Worte Yamamuras eben aus dem Gespräch dachte... sie hatte Recht mit ihrer Vermutung. „Das Bild zeigt Ran, wie Sie sie gestern erlebt haben, Herr Yamamura. Kann es sein, dass Sie es nicht zeigen, weil es heute... nicht mehr passt? Weil das Bild nicht mehr Ran zeigt?“ „Du hast wirklich ein gutes Auge, Kazuha. Ja, deswegen kam es mir irgendwie falsch vor, weiter zu malen, aber ich wusste nicht wie und warum. Aber dann hat mein inneres Auge mich also wiedermal nicht getrügt. Weißt du... warum?“ Sie wusste... oder ahnte, leider viel zu genau, warum das Bild vor seinem geistigen Auge nicht mehr passte. Ein ganz kurzer Ausflug ihrer Augen zu Ran verriet es ihr... wieder einmal. Verbissenheit stand da, Ran hatte sich vollkommen in die Gedanken zu diesem Fall vertieft. Sie verdächtigte auch die Künstler, nicht gemäß dem gültigen Rechtssatz unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist... nein, da war tieferes am Werk. 'Ein kleiner, aber auffälliger dunkler Fleck auf dem Weiß, das dem Künstler mit seinem geschulten Auge nicht entging. Und auch wenn er es im Bewusstsein nicht interpretieren konnte, so wusste er doch, dass das Bild nicht mehr stimmig war. Von gestern zu heute, so eine Veränderung... nur wegen Conan?' Übertrieb sie jetzt? Ran würde diesen Leuten nichts antun oder so, Rache oder ähnliches schwebte ihr auch niemals vor... aber... sie war ein Stück weit verblendet von den Ereignissen, mehr noch, sie war blind im übertragenen Sinne. Rannte geradewegs mit dem Kopf auf eine für sie unsichtbare Mauer zu. Kazuha schluckte, aber ihr Hals war zu trocken trotz der feuchten Waldluft. Sie wollte Conan unbedingt schützen, und auch wenn es sie gefährden sollte. Auch das war ja eigentlich nicht untypisch für Ran. Im Gegenteil, sie würde auch ihr Leben riskieren für Leute, die sie selbst kaum kannte, wenn es notwendig werden würde... Und genau da lag der Haken. Wenn es notwendig wäre, falls... es notwendig würde. Gerade hier bestand dieses falls nicht. Es war eine eher kontrollierte Umgebung. Bis auf den Täter waren die Künstler unwissend, Conan sicher im Krankenhaus, wenn es sein musste, konnte Inspektor Takagi Verstärkung engagieren, sie konnte sich mit Heiji oder ihrem Vater austauschen, wenn sie eine Idee zum Fall hatte, über den sie ja auch offensichtlich angestrengt nachdachte, alles... sie musste sich diesmal nicht in Gefahr bringen, ganz sicher. Und de facto versuchten Herr Mori, Heiji und auch sie, ihr das seit geraumer Zeit verständlich zu machen... scheinbar ohne Erfolg. Sie war halt... blind. Daran gab es nichts zu deuteln, das sah ja auch Herr Yamamura indirekt so. „Du denkst an Conan, nicht wahr?“ begann sie schließlich ihre Gedanken in Töne umzuwandeln. Ran schrak leicht auf aus ihrer eigenen Welt. „Was... äh... nein, wie kommst du denn darauf? Ich hab über den Fall nachgedacht.“, versuchte sie sich herauszureden, erntete aber nur einen skeptischen Blick. „Ra-an!“ „Was denn?“ „Du denkst nur über den Fall nach, weil du an Conan denkst, stimmt's? Tu nicht so heuchlerisch, ich kann dich schon durchschauen, glaub mir!“ Grübelnd, ob sie es noch einmal mit einer Ausrede versuchen sollte, verstummte Ran, nickte nur leicht, wandte sich um. „Du... hast ja recht. Schließlich... ist er der Grund für diesen Fall.“ „Nein!“ Das Wort kam so bestimmt und unnachgiebig, dass Ran sich erneut umwenden musste. „Nein, er ist nicht der Grund für den Fall. Der Grund für diesen Fall ist eine Entdeckung von Atsushiro Tashija in diesem Wald, die einen anderen Künstler zu einem Mord trieb. Conan ist... Conan ist nur... nein, nicht nur... Conan ist...“ Sie blickte Ran tief in die Augen, ließ sie nicht davon loskommen. „... Conan ist der Grund... für dein komisches Verhalten, Ran.“ „Was... wovon redest du, Kazuha?“ Ihre Stimme wirkte schwächer, leicht ängstlich. Was Kazuha in ihren Befürchtungen eher noch bestätigte. „Du benimmst dich nicht wie du selbst, Ran. Du hast dich verändert.“ Als ihre Freundin nur hilflos mit den Schultern zuckte, seufzte die Osakerin resignierend auf, wandte den Blick nach vorne, zu Heiji. 'Muss ich das jetzt echt von vorne erklären?' Ein säuerlicher Mund formte sich aus ihren Lippen, bevor sie erneut seufzte. „Es ist ja löblich, dass du ihm helfen und unbedingt denjenigen finden willst, der Conan das angetan hat, aber... du bist fast blind, hat man das Gefühl. Du hast Scheuklappen vor den Augen, ignorierst jegliche Gefahr, auch uns zu enttarnen vor den Künstlern... wahrscheinlich siehst du diese Gefahr gar nicht. Du gehst nur stur geradeaus und in deinem Inneren... weiß ich nicht, hat sich etwas verändert.“ „Das bildest du dir nur ein, ich bin halt sehr besorgt um Conan und...“ Nun legte sie ein säuerliches Gesicht auf. „Tut mir echt Leid, wenn ich nicht ganz so schlau wie Heiji bin oder so gut schauspielern kann, wie du, Kazuha.“ In diesem Moment packte sie Ran am rechten Arm, zwang sie, stehen zu bleiben und ihr in die Augen zu sehen. „Nein, Ran, das bilde ich mir nicht ein, das haben auch andere mitbekommen, die es gar nicht dürften. Zum Beispiel nämlich Herr Yamamura. Was denkst du, warum er uns das Bild nicht zeigen wollte? Ich hab ihn nochmal gefragt. Seine Assoziation von gestern stimmte mit der von heute nicht mehr überein, du hast dich seit gestern verändert. Und bedenkt man, dass ihr her gekommen seid, weil ein paar Künstler am natürlichen Verschwinden ihres Kollegen zweifelten, glaube ich kaum, dass du dich erst durch die Erklärung Heijis vorhin im Krankenhaus dazu genötigst sahst, es in Betracht zu ziehen, dass einer von ihnen ein Mörder sein könnte. Das Einzige, was wirklich passiert ist, ist Conans Treppensturz, also hat dieser dich verändert, oder willst du das weiter leugnen?!“ „Wo bleibt ihr denn?“, unterbrach Heiji die Unterhaltung. Mittlerweile hatte er einige Meter zwischen sich und die beiden gelegt und wollte einfach den Abstand nicht größer als notwendig werden lassen. „Äh... wir kommen sofort, Heiji.“ Er blieb an der kleinen Höhe, die er im Verhältnis zu ihnen besaß, stehen, drehte sich aber weg. Er war weit genug, sie bei ihrem Gespräch nicht zu belauschen, was den beiden wohl ganz recht war. Aber er ahnte, worum es in diesem Frauengespräch ging, und wusste, es war notwendig. Jetzt, und hoffentlich dann nie wieder. Ran nutzte den Augenblick Verwirrung, um sich aus Kazuhas Umklammerung zu befreien. „Ja, ich bin wegen Conan etwas aufgeregt. Aber ich denke, du übertreibst trotzdem. Es ist nichts...“ Ihre Stimme war ruhig, gefasst, aber auch nur bis zu dem Moment, als ihr Gegenüber den Blick wieder zu ihr wandte. Ein drohender, finsterer, überlegener Blick, der Rans Stimme augenblicklich erstickte. „Das Frühlingsfest, Ran. Erinnerst du dich? Als Conan kurz zuvor angeschossen wurde.“ „Na- natürlich erinnere ich mich, aber was... soll das?“ „Ich hab damals ein wenig mit Sonoko reden können, wollte von ihr wissen, wie sie die Ereignisse um euch beide zu diesem Zeitpunkt sah, weil sie dich besser und länger kannte als ich und vor allem öfter sah.“ Während des Sprechens verschränkte sie gebieterisch die Arme vor dem Oberkörper, während Ran ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Sie wusste genau, was ihrer Mitschülerin damals auffiel. Ausgerechnet damals... zu diesem Zeitpunkt, als sie, wie jetzt, sicher war, die Wahrheit zu kennen. „Sie sagte, du hättest Shinichi gar nicht zu dem Stück eingeladen, in dem du mitgespielt hast... sondern warst nur interessiert, dass Conan es sich ansieht.“ Ran schluckte noch heftiger. Ja genau das fiel Sonoko damals auf und genau das musste sie Kazuha ausplappern. „Ich fand das auch merkwürdig, aber ihre Formulierung dazu war direkt absurd. Sie meinte, du benimmst dich, als wäre Conan dein Ersatz für Shinichi.“ „Jetzt hör aber auf, was soll der Unsinn? Sonoko erzählt viel, wenn der Tag lang ist!“, schrie sie plötzlich heraus. „Dann erklär' du mir die Situation, Ran!“ „Also... naja... Shinichi hatte sich ewig nicht blicken lassen, wegen seines großen Falles. da wollte ich ihn nicht damit belästigen. Und Conan... Conan wollte ich einfach was gutes tun, nachdem er ja nun so lange im Krankenhaus bleiben musste nach diesem schrecklichen Tag im Wald...“ Ihr Herz pochte erschreckend schnell, raste aber noch nicht, auch wenn es in ihren Ohren dröhnte. Dennoch, sie fühlte sich, als hätte sie sich gut verteidigt, vielleicht sogar gerettet. Kazuha jedenfalls schwieg, blickte etwas nach unten, was ihr als Zeichen schien, gewonnen zu haben. „Denk... denk du nicht auch so viel drüber nach, Kazuha, denn da gibt es nichts... nichts Wichtiges.“ Damit wandte sie sich um, tat einen Schritt als ein leises... „... liebst du ihn?“ sie am Boden förmlich festnagelte. Ran drehte sich im Stand um, blickte in das traurige, fast verzweifelte Lächeln Kazuhas. „W-Was?“ Ihre Stimme war brüchig und kaum hörbar, Kazuhas Blick dafür umso fester. „Du hast mich schon verstanden, Ran. Hast du dich... in Conan Edogawa verliebt?“ Sie merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde, ihre Finger begannen leicht zu schwitzen, jetzt raste ihr Herz doch. „A-aber... wovon redest du denn nun, Kazuha? Er ist doch...“ „Nur ein Kind? Und? Liebe hat nicht völlig etwas mit dem Alter zu tun. Er selbst könnte das vielleicht nicht verstehen, wenn er so empfinden würde, du aber schon. Es geht nur darum, was Menschen für einen bedeuten; in diesem Fall... für dich.“ „Ich liebe nur Shinichi, und das weißt du!“, brachte sie mit hochrotem Kopf hervor. Eigentlich brüllte sie und hatte Angst, gleich Heiji mit zu informieren, aber was ihrem Mund entkam war im Höchstfall normale Redelautstärke auf der Straße... „Eben... du liebst Shinichi, wegen seiner Art, seinen Eigenheiten, wie er ist halt, stimmt's? Und wenn Conan für dich zu einem Ersatz geworden ist... für Shinichi...“ „Nun mach aber mal en Punkt, Kazuha!“ Ihre Stimme wurde wieder fester. Es war Ironie, denn genau genommen lag Kazuha verdammt nahe an der ganzen Wahrheit, außer, dass sie unmöglich annehmen konnte, dass Conan und Shinichi ein und dieselbe Person waren. Sie sah ja auch beide beim Frühlingsfest und wird sich so leicht nicht überzeugen lassen, dass das ein Trick war. „Du willst wissen, wie ich zu so einer absurden Aussage komme? Weil du so blind vor dich her rennst, Ran. Seit ich dich kenne, war er wie ein kleiner Bruder für dich, und dennoch... hast du dich anders verhalten, als heute. Wie viel mehr kann ein Mensch einem anderen bedeuten, als ein naher Verwandter. Sag mir Ran, was kannst du mehr empfinden, als die Zuneigung zu deiner Familie?“ Sie schluckte selber, bevor sie weiter sprach. „Liebe, wahre Liebe, Ran. Aber in diesem Fall... ist es eine Illusion, der du dich hingibst.“ Ran stand nur da, antwortete nicht, sah sie auch nicht mehr an. Kazuha überbrückte den Schritt, bis sie wieder bei ihr stand, legte ihr die Hände auf die Schultern. „Ran... was auch immer Conan für dich empfinden mag, kann lediglich kindliche Säuselei sein... und du... du projizierst deine Gefühle für Shinichi auf Conan, weil er in einigen Ansätzen ihm ähnelt. Aber es ist beides nicht echt, Ran. Und dafür solltest du niemals solchen Unsinn machen! Bitte... halte dich... einfach zurück... nur die paar Stunden noch, bis Heiji und dein Vater den Fall gelöst haben. Bitte.“ Beim letzten Wort brach auch ihre Stimme. Eine stumme Träne sah sie von Rans rechter Wange fließen und den Ansatz einer Bewegung, die sie als Nicken interpretierte. Als Kazuha an ihr vorbei gegangen war, drehte sich Ran um, sah ihr nach bevor sie, etwa fünf Schritte hinter ihr, ihr nach ging, so dass Kazuha wusste, sie blieb nicht stehen. 'Du verstehst das nicht Kazuha... du verstehst es einfach nicht. Ich projiziere nicht... weil es keinen Conan Edogawa gibt... weil es nie einen gab...' „Wow!“ Kazuha versuchte sich fast selbst abzulenken, ein Stück weit auch Ran etwas vorzuspielen und sie abzulenken, und schließlich auch... ja, ein wenig war sie wirklich beeindruckt von dem in einer Lichtung sich auftürmenden 'Hügel Tashija'. Die Dimensionen waren nicht übertrieben, es waren sicher zehn Meter in alle drei Raumrichtungen, plus eben die Flanken, die zur Seite eher flach abfielen, er war begehbar im Sinne eines Berges. Nur wirkte es nun etwas künstlicher als auf den Bildern. Durch die Umgrabungen der Polizei kam der Hügel nun einer Baustelle gleich, Schutt, der für ein großes Loch ausgehoben und noch nicht abtransportiert wurde. Dennoch, mitten im Wald... ohne dass man ein Loch auch nur in der Nähe sah... dazu die Größe eines Einfamilienhauses... oder fast schon einer kleinen Villa, das machte Eindruck auf die drei Städter. „Das ist also der Hügel Tashija. Wie findest du ihn, Ran?“ Diese lehnte an einem Baum gerade am Ausgang dieser Lichtung, ein paar Meter abseits des Hügels, vor dem die beiden anderen standen. „Ganz schön...“, war ihr resignierender Kommentar, ohne wirklich hinzusehen. Sie war in Gedanken versunken, das konnte man sehen. Kazuha überkam ein leichtes Schuldgefühl, und auch Heiji blickte eine Weile stumm, sah dann noch kurz zu seiner Freundin, nickte ihr dann zu und trat näher an den Hügel ran. 'Es ist besser so, Kazuha, glaub mir. Auch wenn du jetzt wohl nicht ahnst, wie sehr.' Tatsächlich war durch die völlige Umwälzung und danach wieder Aufhäufung die Hügelstruktur zerstört und man konnte nur erahnen, wie dieses Stück Erde als scheinbar natürliches Objekt auf den unvorbereiteten Wanderer Tashija vor einem Jahr gewirkt haben mag. 'Im Prinzip hätte ich mir die Reise sparen können, hier findet man nichts mehr, echt... Mist.' Die Analyse Kazuhas ließ Ran einfach nicht los. Hatte sie sich vielleicht doch verrannt? 'Conans Gefühle... für mich?' Sie musste an ihre eigene Amnesie vor einer ganzen Weile denken, was er da zu ihr sagte, was er für sie riskierte in dieser Zeit. Es fiel ihr nie so sehr auf, wie in dieser Zeit. Er sagte, er liebte sie und es klang nicht mal nach leeren Worten. Wenn er doch nicht Shinichi war... dann war es nur ein kindliches anhimmeln, was er empfand oder sogar wirklich nur das Zitat ihres Vaters betreffend der Erklärung an seine Mutter... Aber dennoch, er hat sich damals in viel zu große Gefahren gestürzt für sie, das konnte sie nicht gutheißen... und das würde er in diesem Moment auch nicht. Sie tat es damals nicht, verheimlichte Conan ihren Aufenthaltsort... und er wollte nicht, dass sie zum Schloss zurück fuhr. Eigentlich hatte Kazuha irgendwo recht, er verhielt sich... gar nicht so anders wie sie im Augenblick. Ran kannte den Grund ihres Verhaltens, aber sie sah ihn bis jetzt nicht im Kontext der Ereignisse... als die Relationen umgekehrt waren und Conan... fast blindlinks in sein Verderben rannte. Nicht völlig, aber, damals auf dem Bahnhof, als sie vor einen Zug gestoßen wurde... hatte er da wirklich diese Ausweichmöglichkeit unter dem Bahnsteig gesehen bevor er sprang, oder ist er zunächst nur überhaupt gesprungen... ohne einen Plan? War sie so kopflos im Moment? Und dann war da noch, ihre Interpretation von Ran selbst. Sie 'projiziere'. Natürlich, Conan war schließlich Shinichi! Ran stockte kurz bei dem Gedanken. Sie wusste es immer noch nicht sicher. Im Gegenteil, zeitweise war sie weiter weg davon als je zuvor. Wenn sie auf den Gedanken so versessen war... dann konnte ihr Gehirn unterbewusst alle Unterschiede zwischen Conan und Shinichi verdrängen, alle Gemeinsamkeiten überproportional hervorheben und alle Schlussfolgerungen zusammen phantasieren, weil sie sie glauben wollte... theoretisch... konnte ihr Gehirn ihr diesen Streich spielen. Mit einem Mal kam sie sich dumm vor. In diesen Gedanken mischte sich sofort ein anderer, einer der ihr Hoffnung machte. Mamoru. Er hatte ihr geglaubt, und er hatte bei Ran den Eindruck hinterlassen, wie Shinichi die Wahrheit von Unsinn trennen zu können. Wenn er es als stimmig ansah, was sich ihr Verstand ausdachte, dann musste es auch so sein. Und genau damit war ihr Kopf wieder bei dem alten Thema, das sie seit Wochen nervte. 'Wenn die Raben vom Tower wüssten, warum die Londoner ihnen die Flügel stutzten... würden die Vögel dann wegfliegen, wenn sie noch Flügel hätten?' Diese Frage war ein Hinweis, der sie nicht mehr losließ. Das Bild des großen alten Gemäuers, das ehemals ein Gefängnis war, baute sich vor ihren Gedanken erneut auf. Sie schüttelte sich. 'Nein, nein, nein! Konzentriere dich auf den Fall, Ran!' Ihr Blick wanderte zum Hügel, der sich wie ein großes Gebäude vor ihr aufbaute... und schon dachte sie wieder an den Tower. 'Ach, nein, kein Gefängnis mehr, jetzt geht’s um den Hügel und um... das Buch!' Wie ein kurzer Schauer durchfuhr es Ran. Der Hügel... Gefängnis... King. 'Das muss es sein! Deswegen findet man kein Loch zu der Erde. Das heißt, es müsste... bei dieser Größe des Hügels... Das ist es!' „Puuh... was meinst du, Kazuha?“ „Hm...?“ Sie war immer noch in Gedanken versunken, blickte kurz zu Ran, bevor sie zu ihm aufschloss. „Was... soll ich meinen?“ „Was meinst du, was der Hügel sollte? Du glaubst doch auch nicht, dass er natürlich entstanden ist. Dennoch scheint hier irgendwie die Quelle für die ganze Erde zu fehlen, oder?“ „Tja... stimmt schon, so aus dem nichts scheint mir auch gewagt. Aber Herr Tashija soll es doch für etwas antikes gehalten haben.“ „Ich weiß, und ich würde zu gerne verstehen, warum? Warum dachte er das?“ Gewissenhaft, wenn auch ohne konkretes Ziel, ließ er seine Finger durch einen Haufen Erde am Rand des Hügels wandern, blieb kurz bei einem Stück Gras samt einem nicht mehr zu identifizierenden Stängel hängen, der beim Umgraben wohl vom Obersten zu Unterst gekehrt wurde... im wahrsten Sinne des Wortes. Die ganze Pose des Detektivs war ihr bei der Beobachtung so bekannt, so oft hatte sie ihn so akribisch nach etwas suchen lassen, ohne konkrete Hinweise, was er eigentlich suchte. Er war definitiv ein waschechter Detektiv... wie auch Shinichi Kudo. Beim Gedanken an Ran kam ihr plötzlich eine Idee. „Du... Heiji...?“ „Mhm?“ „Du... sprichst doch öfters mal mit Shinichi, nicht wahr. So habe ich das zumindest mitbekommen.“ „Ja, ab und zu ruf ich ihn an, oder er mich. Wieso?“ Er war mehr oder minder in seine Arbeit vertieft, auch wenn ihn ihre Worte stutzig machten. 'Was will sie denn jetzt?' „Na ja... ich dachte nur, weißt du vielleicht was... über den Fall, den er gerade bearbeitet?“ „Äh... nein... wieso... sollte ich?“ Er zwang sich, weiter in der Erde zu graben, und ihren Blicken auszuweichen. Die Richtung der Fragen gefiel ihm ganz und gar nicht. „Nun... interessiert dich das nicht? Ich meine... die paar Mal, die ich ihn erlebt habe, schien er eigentlich ebenso gut zu sein wie du, was Kriminalfälle angeht.“ „Mhm...“ „Na... dann ist das doch merkwürdig, wie lange er schon an diesem einen sitzt. Wann brauchst du mal länger als maximal ne Woche für einen Fall? Noch dazu, wenn die Fälle länger dauern, dann kam meistens auch heraus, dass es tatsächlich ein entsprechend großer, bedeutsamer Fall war.“ „Tse... worauf willst du hinaus, Kazuha?“ „Heiji, nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Du hast dir doch sicher selbst schon solche Gedanken gemacht. Oder du weißt genaueres über den Fall, was Ran nicht weiß.“ Ja, es ging leider total in eine ungünstige Richtung. Hoffte sie, Informationen über Shinichi zu bekommen, mit denen sie Ran trösten konnte? „Tut mir Leid, ich weiß nichts über den Fall, da hält sich Kudo mir gegenüber genauso bedeckt wie Ran. Und ehrlich gesagt... es interessiert mich nicht. Es ist sein Fall.“ Sie sah ihn lange an, während er mit aller Macht seine Augen auf der Erde hielt. „Aber... wenn das echt so wichtig ist... dann muss das doch ein Riesenfall sein, oder? Und wenn Shinichi den löst, dann wird er danach sicher berühmt. Machst du dir dann nicht Angst um deine berufliche Zukunft? Wenn es in Japan quasi nur noch einen wichtigen Detektiv dann gibt. Einen echten 'Sherlock Holmes'...“ Sie säuselte ihm die Worte förmlich ins Ohr und erreichte damit ihr Ziel. „Wer sagt, dass er die Lösung an die große Glocke hängen will...“ Im Moment, da er sich bewusst wurde, was er gerade vor sich hin gemurmelt hatte, wollte er sich am liebsten ohrfeigen. 'Verdammt!' „Aha, ich habs doch gewusst, du weißt doch etwas über den Fall. Warum zum Geier sollte er das bitte nicht wollen, wenn es so ein bedeutender Fall ist?“ „Oh, sieh mal, ein Muschelrest!“, rief er völlig überzogen aus, als seine Finger an der kleinen scharfen Kante hängen blieben und ein Kalkstück von vielleicht einem Quadratzentimeter rausfischten. Eben wollte noch Kazuha ihn schlagen für so eine unglaubwürdige Nummer, als beide plötzlich hellhörig worden. „Ein Muschelstück?? In einem Erdhaufen? Heißt das, die Erde stammt aus dem Fluss?“ „Scheinbar... hm... achso, deswegen glaubte Tashija an etwas sehr altes. Er meinte wahrscheinlich nicht Antike... sondern sogar noch deutlich früher...“ Kazuha sah ihn kurz nachdenklich an, bis ihr das sprichwörtliche Licht aufging. „Die Erde stammt noch aus der Eiszeit, oder kurz danach!“ „Vermutlich. Daher die Muschelreste, aus Gewässern, die hier vor Zehntausenden von Jahren flossen, bevor sich der Wald erhob. Dann sucht man vergebens nach dem Loch für diesen Hügel, so muss es Tashija interpretiert haben. Die einzige Alternative wäre, dass es direkt aus dem Fluss käme und den hat die Polizei überprüft, da wäre so eine Menge Erde auch aufgefallen...“ Er verstummte kurz in seinen Gedanken... das konnte doch nicht sein. Er war sich doch auf dem Schloss sicher geworden, dass der Hügel nicht älter als das Schloss selbst sein konnte. Oder war etwa doch das Gespräch zwischen Tashija und Kunieda, von dem Hino berichtete, erlogen und Hino der Täter? „Sag mal, Heiji, könnte das theoretisch das Objekt sein, das auf dem Foto von vorhin die Reflektion verursachte?“ „Hm... natürlich! Sicher, das würde perfekt passen, es war ein solcher Muschelrest. Genau wie es Hino erläuterte. Das heißt... Tashija wollte darauf hinweisen... kommt es doch aus dem Fluss, oder von einer anderen Wasserquelle sogar?“ „Äh... was meinst du, Ran? Komm, willst du dir nicht auch mal die Muschel ansehen? Ran?“ Sie wurde mit einem Mal leichenblass, und auch Heiji bekam einen Schrecken, als er aufblickte. „R-Ran? Ran?! Ran, wo bist du?“ Die Rufe verstummten im tiefen Wald. Ran war... weg! „Verdammt, das darf nicht wahr sein! Wir müssen zurück zum Schloss, Kazuha, sofort!“ „Warte, ruf vorher dort an, damit die anderen sie abfangen können!“ „Vergiss es.“ Er blickte kurz auf sein Handydisplay, um nur die ernüchternde Bestätigung von Herrn Hinos Vorwarnung mitgeteilt zu bekommen „Hino meinte doch, dass diese Satellitenverbindung für die Telefone nur in einem Umkreis von 200 Metern um das Schloss funktioniere. Er hatte Recht, kein Netz, das Handy ist nutzlos hier. Verdammt. Nun komm endlich, Kazuha!“ So sehr er auch seine Schritte beschleunigen wollte, er würde nicht auch noch Kazuha aus den Augen lassen wie Ran. 'Bitte, wir dürfen nicht zu spät kommen! Verzeih mir, Kudo.' Endlich hatte sie es gefunden. Kein Wunder, dass die Kriminologen daran scheiterten, und wie typisch es doch für einen Künstler war... '...quasi perfekt ausgearbeitet...', dachte Ran mit ironischem Grinsen, als sie sich sich durch den Eingang hinabließ. 'Eine... Höhle!' Es war dunkel, lediglich ein wenig Licht von draußen kam rein, während sie einstieg. Es hatte wirklich etwas von einer natürlichen Tropfsteinhöhle, sicher drei Meter im Durchmesser und als Gang für Menschen ungefährlich. Vorsichtig wagte sie sich vor, bis zu einem ersten großen Stalaktiten, der ihr den Weg etwas versperrte. Das fade Licht genügte, um auf der Oberfläche einen unförmigen dunklen Fleck deutlich zu erkennen. „... getrocknetes... Blut... doch nicht etwa... Conans...“ „Doch.“ Bevor sie überhaupt reagieren konnte, hielt eine Hand sie am Hinterkopf fest, zog ihn ein paar Zentimeter zurück und stieß ihn dann mit voller Wucht nach vorne, genau gegen den Tropfstein. Der Schmerz kam ihr dumpf vor, und das letzte, was Ran mitbekam, war, wie ihr Körper widerstandslos auf den kalten, feuchten Erdboden glitt... und sie bewusstlos liegen blieb. Kapitel 20: Blutige Spuren -------------------------- Hallo an alle Lesenden, ich entschuldige mich an dieser Stelle nochmals deutlich für die ungeplante Verspätung des aktuellen Kapitels, und auch für die Probleme bei der ENS-Mitteilung, die aus weder mir noch den Verantwortlichen bei Mexx so richtig bekannten Gründen aufgetreten sind. *ratlos* Dafür gibt’s jetzt also als neues Kapitel quasi einen eigenen kleinen Fall, samt... Aufklärung!. Naja, fast den letzten, kleinen Schluss überlasse ich dem... 'geneigten Leser'. ;-] Aber der ist diesmal auch wirklich ohne große Schwierigkeiten zu meistern. Allerdings werde ich damit euch auch noch eine Woche auf die Folter spannen, denn zu Ran kommt de facto nichts hier. ;-p Das gibt es in aller Ausführlichkeit dann nächste Woche, versprochen. Dann noch, bevor ich es vergesse, ein großes Dankeschön an alle Kommischreiber beim letzten Kapitel und ja, ich bin Foltermeister, aber vermutlich haben einige es längst durchschaut, so schwer war das Rätsel gar nicht, vor allem mit dem Hinweis Stephen King. Also dann, ich kann wohl nur viel Spaß beim Lesen wünschen... und bis nächste Woche. Liebe Grüße, Diracdet Kapitel 20: Blutige Spuren „Ach so ist das...“, sinnierte der Kommissar mit ernster, ruhiger Miene über Ais Erklärungen. „Und weil Doktor Asunaja empfahl, sich mit seinen jüngsten Erlebnissen auseinander zu setzen, sind Conan, dem es... physisch zumindest, einigermaßen gut ging, und die Anderen zum Schloss zurück und Takagi ist nur mitgegangen, um Moris Arbeit dort zu überprüfen, und nochmal sicher zu stellen, dass es wirklich ein Unfall war – woran aber nach Heijis Schlussfolgerungen mehr oder minder kein Zweifel bestand. Sie warten nur hier auf ihre Rückkehr, da Conan danach noch ein wenig hier bleiben muss.“ Er resümierte bewusst ihre Aussagen, die Ai, in stummem Einverständnis mit dem Professor, sich aus den Fingern sog, musterte dabei ihren Blick, und befand, dass es glaubhaft klang. Jede genauere Ausführung jetzt würde unweigerlich zu viele Fragen aufwerfen. Wenn man von keinem Unfall ausging, warum hatte Takagi seine Kollegen nicht verständigt, warum waren Ran und Kazuha mitgekommen, und, was in diesem Zusammenhang noch schwieriger zu erklären schien, warum Conan... Letzteres würde bei noch genauerer Beleuchtung auf die Frage führen, warum die beiden nicht eine zwanzig jährige, körperlich eher zierliche Frau davon abhalten konnten, Conan gegen den ausdrücklichen Wunsch Heijis, Kogoros und Takagis mitzunehmen, obwohl diese selbst nicht mal eine gute Bekannte von Conan war und Agasa und Ai das erste Mal begegnete. Gerade diese Frage wollte Ai partout nicht beantworten müssen und noch weniger es dem Professor überlassen. Es war exakt die Art von Frage, vor der sie sich vor dem Eintreffen der beiden Polizisten fürchtete. Er wusste, Kirika war eine Mörderin und gefährlich, auch wenn man es ihr nicht ansah. Gefährlich... weil man es ihr nicht ansah. Er könnte plötzlich den falschen Mut verspüren, in die Offensive zu gehen, um seinem Freund wenigstens eine Gefahr in seinem zur Zeit so von Hindernissen geplagten Leben zu nehmen... und würde damit wohl eher den unnötigen Tod vieler Polizisten... und wahrscheinlich auch seiner und ihrer selbst erzwingen. 'Diese Sichtweisen zu haben, ist grausam. Was aus seiner Position... durchaus nicht unwissend, aber eben auch nicht richtig... was aus so einer Position eine... richtige, gute Tat ist... ist aus ein wenig weiterem Blickwinkel... fast schon sinnloses Märtyrertum. Selbstmord. Wie lebst du damit, Kudo?' „Wirklich traurig, der arme Junge.“, sinnierte Megure mit dem Schicksal hadernd und auch Shiratori seufzte kurz auf. „Dann... hätte es wohl auch keinen Sinn gehabt, ihn wegen unseres Falles zu befragen, Chef. Es wäre eh mehr ein reiner Krankenbesuch geworden.“ Der Professor schaute die Beamten verdutzt an. „Wieso... ihn wegen des Falles befragen? Nur, weil es der gleiche Arzt war, der ihn behandelte? Doktor Asunaja hatte doch sicher viele Patienten innerhalb der letzten 24 Stunden.“ Ein zögerlicher Blick Shiratoris, gefolgt von einem leichten Zucken Megures deutete an, dass sich beide überlegten, ob sie den Fall ausbreiten sollten, da sie eigentlich nicht nachweislich näher damit zu tun hatten. „Nun ja... wie ich eben schon sagte, es handelt sich bei einem der beiden Toten um den Arzt, der Conan behandelte, Doktor Asunaja, so viel konnten wir den Akten leicht entnehmen, und ja, Professor, natürlich hatte er noch viele andere Patienten.“ „Das Problem ist...“, setzte der jüngere Kommissar fort, während er sein Notizbuch bemühte, „... dass das zweite Opfer, Doktor Saguhara, Assistenzarzt, nicht zu Doktor Asunajas Gruppe in diesem Krankenhaus gehört.“ „Also kein Doppelmord, sondern zwei unabhängige, zufällig zusammentreffende Morde?“, überlegte Ai. „Dachten wir zuerst auch, aber es gibt eine Verbindung. Doktor Saguhara war tätig bei kleineren Eingriffen und Operationen. Und diese werden ja Gruppen übergreifend durchgeführt, bei jedem Patienten. Und raten Sie mal, wer der letzte Patient von Doktor Asunaja war, der auch mit Saguhara zu tun hatte.“ „Conan?“ Eigentlich war es schon mehr eine Feststellung, als eine Frage, aber dennoch wollte Professor Agasa es lieber genau wissen, bevor er sich in falsche Aussagen reinritt, um den kleinen Jungen zu schützen. Erneut blätterte Shiratori in dem kleinen schwarzen Heftlein vor seiner Nase. „Exakt, und Conan ist auch sein einziger Patient seit... ungefähr einem Monat, der mit Saguhara zusammen kam. Ansonsten gebe es wirklich keine naheliegende Verbindung. Conan hatte wegen hohen Blutverlustes beim Unfall gestern Abend noch eine Bluttransfusion erhalten, bei der auch Saguhara mit dabei war. Also haben wir...“ „Moment mal, wissen Sie das alles aus Conans Akte? Aber wieso wissen Sie dann nichts von der Amnesie.“ Die beiden Beamten blickten gleichzeitig tief einatmend auf zum alten Mann, sahen sich dann kurz an. „Danke, Professor. Das hilft uns sehr bei der Bestimmung des Todeszeitpunktes. Die Unterlagen zur Bluttransfusion gestern Abend liegen vor, aber danach steht bis jetzt nur drinne, dass Conan heute früh noch nicht aufgewacht war, weshalb wir nicht wussten, wie aktuell es war, ob er immer noch schlief oder schon bei Bewusstsein war. Aber natürlich, nachdem Conan aufgewacht war und er nach seinen Untersuchungen das Krankenzimmer verließ, aber bevor er seine Eintragungen für die Akte vollendete, wurde er getötet.“ Aus einer Seitentasche seines Jacketts fischte er fix einen Kugelschreiber, notierte die neuen Erkenntnisse für später. „Aber sagen Sie...“, wunderte sich Agasa weiter. „Wieso... wollten Sie dann direkt mit Conan sprechen? Er mag zwar der Patient sein, wegen dem sich die Opfer trafen, aber das heißt nicht, dass er dafür relevant ist und außerdem... meinten Sie nicht, Sie hätten sogar eine Verdächtige bereits?“ Beschwichtigend hob Megure die Arme, lächelte verlegen. „Ganz ruhig. Um es kurz zu machen, Conan und im Wesentlichen Diejenigen, die bei ihm waren wollten wir nur befragen, um weitere Informationen zu bekommen für die Untersuchung. Man muss da ja... jeder Spur nachgehen, Sie wissen das. Aber wir sind jetzt erst hier, weil wir schon eine ganze Weile diese Untersuchungen geführt haben. Es ist also nicht die erste Wahl gewesen, Conan aufzusuchen, falls es diesen Eindruck gemacht hat. Wir haben zuerst natürlich die anderen Schwestern und Ärzte, die bei der Transfusion dabei waren, oder auch sonst mit den beiden Opfern in Kontakt gekommen waren, befragt, einzeln. Und genau diese Befragung führte zu besagter Verdächtigen.“ „Die Schwester, die zusammen mit Doktor Asunaja vorhin hier war.“ Ais kühle Feststellung ließ den beiden Polizisten einen schwachen Schauer über den Rücken gleiten. Sie war... ein bisschen wie Conan, so bemerkenswert distanziert, wenn es um Mordfälle ging. Und doch... auch wieder ganz anders, noch... unheimlicher, sie wirkte unbeteiligt, als könne sie die Tragweite eines geraubten Lebens nicht im Ansatz einschätzen. Das war sicher auch nichts, was man unbedingt von einem kleinen Kind verlangte, ganz sicher nicht, und doch... Oder wollte sie nicht? Ein direkt erschreckender Gedanke, sie könne es abschätzen, aber wäre tatsächlich... unbeteiligt, uninteressiert, demgegenüber... egal. Shiratori sammelte sich kurz, ordnete seine Gedanken, bevor er antwortete. „Nun, wir haben halt alle befragt, viele waren verstört, konnten auch kaum richtig berichten über ihre Erinnerungen an gestern, was sicher verständlich ist. Aber sie... sie scheint ein echtes Paradebeispiel zu sein...“ Er redete mehr vor sich hin, als zu erklären. „Wie Paradebeispiel? Etwa eines eiskalten Mörders?“ „Oh... äh... nein, im Gegenteil, eher des Einzeltäters, der spontan mehr aus einem Reflex als aus einem lange bestandenen Motiv handelte. Sie war nervös, wie alle anderen ja, aber sie konnte keinem von uns ins Gesicht sehen, während des ganzen Verhörs, berichtete sehr detailliert, als hätten sich die Bilder der letzten Stunden in ihr Gehirn gebrannt, obwohl sie den Tatort offiziell heute nicht sah. Sie zitterte, sowohl äußerlich, als auch in der Stimme, war bleich... und all das de facto schon, bevor wir sie verhörten. Ist sicher kein Beweis, aber sie ist mehr als auffällig. Vor allem...“ Er pausierte kurz, dachte nach, wie er es formulierte. „Sie... schien Reue zu empfinden.“ „Was?“ „Etwas lag ihr schwer im Magen... oder wohl noch mehr auf dem Gewissen, etwas nagte an ihr, das merkte man deutlich. Wir haben sie gehen lassen und einen Beamten zur Überwachung auf sie angesetzt. Sie wirkt wie jemand, der gerade überlegt... sein Leben wegzuwerfen...“ Ein dunkler Schatten zog sich durch das Gesicht Shiratoris, und seine Worte wirkten zum Ende hin wie ein leiser Windhauch, der beunruhigend durch den Raum glitt und jedem, der sie hörte eine Gänsehaut brachte. Deutlich mussten Ai und Agasa schlucken bei dem Gedanken, die Frau, die sich bis vor kurzem noch so fürsorglich um Conan kümmerte, sei eine Doppelmörderin. „Aber... OK, so ist sie vielleicht aufgefallen, aber es klingt ja wie Sie selber sagen, nicht nach einem geplanten Mord, haben Sie so etwas wie ein Motiv?“ Der Kommissar schaute zögerlich zu seinem Chef, der nur stumm nickte, so schwach, dass seine Augen scheinbar unbeweglich auf die leere Wand am anderen Ende des Zimmers starrten und dort die selbe Stelle fixierten. „Nicht richtig... mehr etwas wie einen Ansatz... der uns letztlich auch her führte. Sie haben der Bluttransfusion gestern Abend wahrscheinlich nicht direkt beigewohnt, oder?“ „Ich bitte Sie, natürlich nicht, man wird dort doch nicht reingelassen!“ Der Professor schnaubte ungeduldig. Dass sich die Beamten förmlich jedes Wort aus der Nase ziehen lassen mussten. „Doktor Saguhara wirkte... laut übereinstimmenden Aussagen der beteiligten Schwestern und Ärzte... nervös, angespannt, aber auch leicht euphorisch. Er soll nach der Transfusion noch lange in die Nacht in seinem Büro gearbeitet haben und einen länglichen Bericht über diese Aktion Doktor Asunaja heute Morgen gebracht haben. Dieser Bericht ist aber...“ „... verschwunden?“ Ai wurde es plötzlich noch kälter an ihren Armen. „Wir haben keine Ahnung, was da drinne stand, sehr wahrscheinlich etwas wegen Conans Behandlung, denn vorher soll er sich eigentlich ganz normal verhalten haben. Da mehrere Leute den Bericht zwar aus der Ferne gesehen, aber außer Asunaja und Saguhara ihn offenbar niemand gelesen hat, sind wir relativ sicher, dass es um diesen Bericht geht. Deshalb kamen wir eigentlich hierher... um zu fragen, ob Ihnen gestern Abend, vielleicht auch auf den Fluren, irgendetwas ungewöhnliches auffiel... Irgendetwas.“ Nun musste auch der Professor merklich schlucken, deutlich genug, dass es den Polizisten auffiel. Jetzt war auch bei ihm der Groschen gefallen. 'Doch... doch nicht etwa... Wäre das möglich, dass irgendjemandem etwas an Conan stutzig genug vorkam? Oder war gar einer von der Organisation hier? Aber... wer sollte warum dann diese Person dann töten wollen? Oder, wenn es jemand von der Organisation war, warum wurde nicht gleich Conan selbst...? Nein...' Etwas anderes machte ihm fast mehr Sorgen, dass Megure scheinbar auch in diese Richtung dachte. „Was... was meinen Sie... mit... ungewöhnlich?“ Er konnte sich ein leichtes, aber dennoch merkliches Zittern in Stimme und Körper nicht verkneifen. Ihm war kalt, ein Schauer rannte über seinen Rücken, lähmte jede schauspielerische Sicherheit, die er nach eigenem Empfinden, verglichen mit Shinichi und Shiho zumindest, sowieso nicht besaß. Stutzig blickte ihn Shiratori von der Seite an, unterließ aber einen Kommentar, um seinem Vorgesetzten den Vortritt zu überlassen und als stiller Beobachter von nun an zu fungieren. 'Was haben die beiden denn auf einmal? Dieser angsterfüllte Blick...' „Naja, wenn wir das so genau wissen würden, Professor, würden wir ja nicht fragen. Klassische Dinge wären in diesem Fall wohl... Fehlverhalten am Arbeitsplatz, um es mal korrekt und allgemein zu formulieren. Ärztepfusch, oder auch Verstöße gegen gewisse Regeln... Wir gehen davon aus, dass der Bericht einen Kollegen denunzierte, und dieser daraufhin die beiden einzigen wissenden, samt dem wichtigen Dokument vernichtete. Aber wie gesagt, eigentlich wissen wir nur, dass es einen Bericht gab, die Zeugenaussagen sind da übereinstimmend genug, niemand Lebendiges weiß aber offiziell, was drinne stand.“ Shiratori konnte fast in Zeitlupe miterleben, wie sich Agasas Miene mit jedem Wort besserte, er ein wenig freier durchatmen konnte. 'Ganz sicher... er hatte an etwas anderes gedacht... etwas... ganz anderes. Aber was?' Und dann fiel sein Blick zum kleinen Mädchen neben dem großen Mann, welches seine Arme vor sich verschränkt hatte. Nicht um ernst zu wirken... im Gegenteil, auch sie zitterte leicht und rieb sich unmerklich die Hände hinter den jeweiligen Armbeugen. Sie war nicht erleichtert, ihre Angespanntheit blieb. Dass die Polizei nicht auf eine Merkwürdigkeit Conans in diesem Augenblick kam, war ihr fast klar. Dafür gäbe es genug andere Gelegenheiten, die besonders Kommissar Megure verstreichen ließ; bei Shiratori war sie sich nicht so ganz sicher. 'Aber... viel interessanter ist wohl doch die Frage... ob Noir etwas damit zu tun hat... und diese Schwester... hm... nur warum?' „Sagen Sie... Herr Kommissar, was genau hat Doktor Saguhara vor der Bluttransfusion gemacht? Sie meinten doch, dass laut Zeugenaussagen sich sein... Stimmungswandel in diesem Zeitraum vollzog.“ Die zarte Stimme wirkte trotz allem ungleich fester im Vergleich zu der des alten Mannes neben ihr, auch viel gefasster, überlegter, allein diese Pause, um nach einer Umschreibung für die äußerliche Veränderung des Opfers zu suchen... '...ist ehrlich faszinierend. Man fragt sich fast, wer hier die unreifere Person ist.' „Shiratori!“, stieß ihn Megure unsanft von der Seite an, als dieser auch nach mehreren Sekunden nicht antwortete. „Oh... ah... was er vorher gemacht hat? Also vorwiegend die Koordination und Einteilung des Personals für den Eingriff.“ „Mehr nicht?“ „Nun...“ Er musterte seine Notizen einen Augenblick. Ja, da war was, das wusste er von Anfang an. Aber dieses etwas ging so gegen ihre Vermutung, dass er es bisher als nebensächlich abgetan hatte. Es führte nämlich in eine ganz... andere Richtung. „Doch... eine Sache hat er auch selbst noch vorher gemacht, die Blutgruppe überprüft.“ „Die Blutgruppe?“ „Naja, Sie wissen doch, es ist alles etwas komplizierter, als einfach nur A, B, AB oder 0, da gibt’s mindestens 29 verschiedene Arten, die bis jetzt anerkannt und beschrieben sind. Und die Krankenhäuser in großen Städten wie hier sind natürlich darauf spezialisiert, möglichst immer die wirklich richtige Blutgruppe zu nutzen, auch wenn man gewisse Abweichungen bekanntermaßen hinnehmen kann. Darum muss, auch wenn der Patient nicht viel Blut mehr hat, eine kleine Probe noch entnommen und getestet werden. Eine kleine, aber wichtige Tätigkeit, auf die Doktor Saguhara sehr viel Wert legte und, so weit ich verstanden habe, sie auch immer selbst ausführte. Angeblich gab es in seiner Vergangenheit mal einen Krankheitsfall, bei dem eine Verwechslung von Blutkonserven auftrat, deshalb nimmt er diese Aufgabe besonders ernst. Das scheint aber mehr ein Gerücht unter seinen Kollegen zu sein.“ Leicht blass um die Nase suchte Agasa nach seiner Mitbewohnerin. Stumm richtete er die Frage an sie und ebenso stumm antworteten ihre Augen.. 'Wäre es möglich, dass er in Conans Blut eine Auffälligkeit fand, die dort nicht sein dürfte?' 'Nein... nein... das ist unmöglich.' Sie beruhigte mit Gewalt ihr eigenes Herz. Wie viele Tests hatte sie mit den Labormäusen damals gemacht, deren Blutproben vor und nach der Einnahme des APTX 4869 – gesetzt, dass sie noch lebten in ihrer neuen 'Form', untersucht und penibel verglichen. Zugegeben, bei ihr und Conan war das schwieriger und sie musste sich mehr auf allgemeine Normwerte berufen, um den Vergleich zu jungen Erwachsenen zu haben, aber in einem war sie sich trotzdem sicher. Jede Substanz, die im Blut vorkommt und ihre Konzentration darin im Laufe des Lebens ändert, jedes Hormon, jede Zellstruktur... hat sich dem Körper eines Kindes angepasst, ausgenommen die Synopsen im Gehirn. Die sind geblieben, und erlaubten ihnen ihr Wissen und ihre geistigen Fähigkeiten zu behalten. Es gab da natürlich noch... die verstärkte Zellteilung nach der Einnahme... aber dafür müsste man am lebenden Objekt längere Studien machen, damit das auffällt. Sonst bemerkt man es nicht, wenn man nicht danach sucht. Und eine einzelne kleine Blutprobe ist dafür definitiv unbrauchbar. 'Nein, ganz sicher, mit einer Blutprobe kann man nichts auffälliges bei ihm finden, was auf seine wahre Natur hinweist.' Wie oft sie sich diesen Gedanken einredete, bis er endlich auch ihren Körper durchdrang, wusste sie im Nachhinein gar nicht mehr. Aber es waren viele Male. Dann endlich schien es zu wirken, die Kälte wurde geringfügig weniger. Das Problem war ja nicht gelöst, aber zumindest dieser eine Gedanke ad acta gelegt. 'Man sollte sich an den kleinen Dingen des Lebens freuen.' Der zarte Seelenbalsam war angenehm für sie, die Summe der bisherigen Ereignisse des Tages, Conans Gedächtnisverlust, die Feststellung, wer scheinbar schon alles wie viel über ihn wusste, der Mordversuch, Kirikas Auftritt, aber auch ihr ganzes Gespräch mit Conan, welches für sie nur im Ansatz erahnen ließ, was er bereits wusste... was sie vielleicht nie erfahren würde... das bedrückte sie... fast wörtlich, sie spürte den unbändigen Druck auf ihrem Körper jetzt am deutlichsten. Erst in diesem Moment, in dem mal etwas sich halbwegs positiv zu entwickeln schien... etwas so lief, wie sie es dachte oder gehofft hatte wenigstens... in diesem Moment erst wurde ihr die psychische Belastung klar, die auf sie einwirkte. Und wie sehr dieser Moment dagegen half. 'Ohne solche kleinen Erfolgserlebnisse zerbricht man früher oder später daran. Sag, ist das ein Grund, warum du dich auch in deinem jetzigen Körper so sehr um die Fälle bemühst, Shinichi? Du würdest es nie offen zugeben, magst edlere Motive vorschieben, vielleicht auch die Suche nach der Organisation, und wahrscheinlich... sind dir diese großen Ziele auf kurze Sicht wichtiger, aber... über all die Zeit, die du jetzt schon als Conan rum läufst, all die vielen Rückschläge und dem Zusehen müssen, wie Ran in ihren Sorgen allein bleibt um die Person, die hilflos vor ihr steht... sind da die Lösungen von Kriminalfällen, das korrekte Aufdecken von Geheimnis,sen das Beseitigen solcher Probleme... dein Seelenheil? Du brauchst sie, nicht wahr? Du brauchst diese Erfolgserlebnisse, wie alle anderen auch. Sonst würde dir auch... der Himmel auf den Kopf fallen. Die geheime Organisation, die dich tot sehen will, um jeden Preis, die Freundin, deren Leben du zwischen Ruin und möglicher Auslöschung nicht halten kannst, der für jemanden wie dich als Stillstand zu bezeichnende Lernprozess in der Grundschule, das nicht ernst genommen werden... viele Kleinigkeiten, einiges sicher bedeutsamer als anderes, aber alles in allem... geht es nicht, ohne ab und zu... etwas Auflockerung, etwas, das einem Mut macht, Hoffnung gibt. Ein Ziel ist eines, um anzufangen, aber wenn man keine Schritte vorwärts machen könnte, würde man früher oder später definitiv wieder aufgeben. Dafür... brauchst du deine Fälle auch.' Auf dem Flur wurde es wieder unruhiger, hastiges Gemurmel von Patienten und Mitarbeitern, wie auch ungleichmäßige Schritte vieler Füße wurden hörbar lauter, bis... „Herr Kommissar, Herr Kommissar!“ Wild riss ein junger Beamter die Tür zum Krankenzimmer auf, stürmte herein, und konnte nur vom ernsten, bösen Blick des gerufenen Megures zur Räson gebracht werden, und stellte sich gerade steif vor diesem auf. „Was gibt es denn?“, zischte er ungehalten zwischen den Zähnen. „Herr Kommissar! Es wurde eben noch eine Leiche gefunden!“ „WAS?“ Allen stand mit einem Schlag der Mund offen. „Einer der Assistenzärzte, die wir bereits befragt haben, wurde in seinem Büro tot aufgefunden. Seine Pulsadern wurden mit einem Skalpell aufgeschnitten wie bei den vorangegangenen Opfern. Der Anblick der Traube um die Bürotür, die vergeblich von den wenigen anwesenden Polizisten zurück gedrängt wurde, verstärkte Megures mulmiges Magengefühl noch. Sein Blick fiel jedoch etwas abseits auf eine bestimmte Mitarbeiterin des Krankenhauses. 'Sie...' Ihr Blick war von Angst und Schrecken gezeichnet, die Farbe war gänzlich aus ihrem Gesicht verschwunden, und die zittrige Starre, die ihren Körper durchfuhr war deutlich zu sehen, selbst auf die paar Meter Entfernung und in Relation zu den anderen, ebenfalls geschockten Schaulustigen. „Shiratori. Hm.“ Er deutete ihm mit einem leichten Zucken an, den informellen Beschatter der Verdächtigen aufzusuchen, was der jüngere Kommissar nur kurz abnickte und sich unauffällig abseilte. Das Büro war genauso ordentlich wie die anderen auch, wenn auch gewisse, nun rote Bereiche es unangenehm einfärbten. Kein schöner Anblick, da die Pulsadern sehr viel Blut noch abgaben, welches dem über seinem Tisch bewusstlos werdenden Mann vom Arm über das Tischbein und die Kleidung auf den Boden ran und sich dort verteilte. So weit konnte man die Szene einfach deuten, auch wenn das, wie er über viele Jahre und viele Fälle gelernt hatte, auf vielen Ursachen beruhen konnte. „Selbstmord?“ Die Frage richtete sich an den jungen Mann von der Spurensicherung, der nach den beiden anderen Opfern auch dieses tötete. „Wenn Sie mich fragen, Kommissar...“ Er zögerte etwas, musterte, den Blick unter seiner Dienstmütze verbergend, nochmal alle von ihm aufgelesenen Hinweise, neigte seinen Kopf hin und her, bis er sich seinem Vorgesetzten zuwandte. „Ja... eindeutig.“ Megure musste unwillkürlich schmunzeln angesichts der naiven Blauäugikeit der Jugend, die aus dem vielleicht 27 Jahre alten Mann sprach. „Wenn Sie wüssten, wie oft ich 'eindeutig Selbstmord' bei Morden gehört habe...“ Auch der junge Mann musste leicht lächeln, auch wenn dieses im nächsten Moment, als sein Blick zurück zur Leiche fuhr, erstarrte. „Schon klar, aber diesmal ist es ganz... sicher... Also... ähem...“ Er räusperte sich übertrieben, vergaß den Gedanken, seine Überzeugung rechtfertigen zu wollen und konzentrierte sich darauf, die reinen Fakten vorzutragen. „Doktor Saguchi Hanamura, Assistenzarzt, 38 Jahre, war ebenfalls gestern Abend dabei bei der Transfusion bei dem kleinen Jungen von Herrn Mori dabei. Der Tod erfolgte durch zu hohen Blutverlust nachdem die Pulsadern aufgeschnitten wurden. ... ironisch, oder? Gestern hat er einem kleinen Jungen das Leben gerettet, der zu wenig Blut im Körper hatte, heute stirbt er daran...“ „Bitte nur die Fakten!“ Der Beamte zog sein Gesicht noch tiefer unter die Mütze. „Das OP-Messer, das zum Schneiden benutzt wurde, lag hier neben dem Tisch, das Blut stammt aus seinem Körper, die Fingerabdrücke darauf sind alleine seine und sie sind weder verwischt, noch irgendwie unregelmäßig für jemanden, der sich selbst damit das Leben nahm...“ Ein Räusper entfuhr dem Kommissar. 'Na toll... ein angehender Columbo. Wir sollten echt mal unseren Einstellungskriterien ändern, dass die Leute nicht immer denken, wir spielen hier Krimis nach. Obwohl das Argument nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn die Fingerabdrücke nicht nur an sich zu Hanamuras Hand passen, sondern auch eine sinnvolle Haltung darstellen und nicht verschmieren... dann muss er es wohl zumindest gehalten haben. „Insbesondere haben die Finger klare Grenzen des Blutergusses auf dem Skalpell hinterlassen.“ „Na schön, also... ein Selbstmord, zumindest können wir das annehmen, hat es dann etwas mit unseren bisherigen Fällen zu tun?“ „Sehr wahrscheinlich. Die anderen Opfer wurden auch mit einem Skalpellmesser von hinten zunächst gezielt in die Bandscheiben gestochen, um keinen Widerstand zu leisten und dann wurden ihnen mit dem exakt gleichen Schnittmuster wie hier die Pulsadern aufgeschnitten. Dass er sich nicht selbst in die Bandscheiben sticht, ist dabei klar.“ „Hm... Oder jemand versucht ihm was anzuhängen. Schließlich kennen wir das Motiv der anderen Morde noch nicht. Es ist doch etwas auffällig, dass genau jetzt...“ „Ich denke, da haben wir ein ganz gutes Argument. Sehen Sie mal, was da noch auf dem Schreibtisch liegt.“ Unauffällig, aber auch durch die umstehenden Patienten verlangsamt, bewegte sich Shiratori in Richtung der Verdächtigen. Er wollte in diesem Moment möglichst nicht durch seine Autorität bemerkt werden, also musste er sich in zivil durchkämpfen. Ihr Gesicht war leichenblass und der Schock des Anblicks schien sie zu lähmen. Unwillkürlich kam in ihm das Gefühl hoch, er könnte sich geirrt haben. Sie sah nicht danach aus, diesen Tod verursacht zu haben. Was der Kommissar in seinem Anschleichen nicht bemerkte, dass er auch selbst verfolgt wurde von einem kleinen Mädchen, welches sich die Menschenmenge noch um einiges besser zu Nutze machen konnte. 'Selbst, wenn es nichts mit dem Blut zu tun hat, diese Person ist sicher verdächtig und es ist ja bis jetzt nicht richtig geklärt, woher diese Kirika genau über Conan Bescheid wusste. Es wäre also denkbar, dass diese Schwester auch...' Plötzlich blieb er stehen, etwa noch zwei Meter leicht seitlich der Schwester, die ihn immer noch nicht wahrnahm, wandte sich selbst leicht um, als hätte er sie bemerkt, und sah einem unauffälligen Mann direkt ins Gesicht. „Und... Hiwabara?“ 'Ach so... der Polizist der sie beschattete!' Die Stimmen beider Beamter waren sehr leise, doch Ai konnte in ihrer Position gut zuhören. Hiwabara schüttelte langsam den Kopf. „Sie hat, seit Sie mich auf sie ansetzten, nur kurz eine Ecke aufgesucht, wo sei eine Weile saß, ist dann eher ziellos umher geirrt, bis die Menschenmenge sie auf das hier aufmerksam machte. Dazwischen kam sie diesem Raum nichtmal nahe, Herr Kommissar. Wenn sie ihn nicht schon vorher getötet hat, dann war sie es zumindest in diesem Fall nicht. Und wenn Sie ihr Gesicht im Moment gesehen hätten, als sie durch einen Spalt den Tatort erblickte... das war nicht gespielt, oder wenn, dann mit so großer schauspielerischer Klasse, dass ihr Verhalten vorher keinen Sinn machte. Denn da war sie ja verdächtig.“ Er seufzte lange aus. „...dann ist sie es wohl wirklich nicht. Das hiesige Opfer haben wir erst nach ihr verhört. Könnten natürlich... unabhängige Fälle sein, und sie trotzdem unschuldig...“ „Nein... das bezweifle ich sehr.“ Wie aus dem Nichts tauchte Megure hinter den beiden auf. Auch er konnte sich in der Menge besser verstecken, als sein lang gewachsener Kollege, hatte sich aber einfach mit seiner Marke Durchgang verschafft und die in Gedanken versunkenen Polizisten überrascht. „Wir haben gerade das Büro durchsucht und dabei sehr konkrete Hinweise gefunden, dass Doktor Hanamura sein Gehalt mit dem Handel von Patientendaten aufbesserte.“ „Was?“ „Ja, es sind sehr genaue Daten, für die... im besten Fall noch lediglich Krankenkassen und große Firmen bezahlen, um über ihre Kunden und Patienten genauer medizinisch informiert zu sein. Allerdings fanden sich auch Spuren zu... Gruppierungen, die mit Organhandel ins Ausland Geld machen und die ihm dafür ein ordentliches Sümmchen bezahlt haben, wenn er ihnen mitteilte, wann in diesem Krankenhaus Kinder sich in so einem risikoreichen Zustand befanden, dass ein Tod durch menschliches Versagen gar nicht auffallen würde...“ Er schluckte, gerade angesichts der Informationen, die ihm die Notizen und Unterlagen Hanamuras enthüllten, alles versehen mit einem Abschiedsbrief in dem er seine Taten bereute und auch den Mord an den beiden Ärzten, die ihm auf die Schliche kamen, als er von einem kleinen Jungen mit starkem Blutverlust und einer Gehirnerschütterung berichtete. Vermutlich verdankte Conan Doktor Saguhara sein Leben zu verdanken, ohne das je zu erfahren. Und der Arzt musste dafür sinnlos sterben. „Wir überprüfen gerade die Kontobewegungen des Opfers, aber die ersten Stichproben haben seine Unterlagen bestätigt.“ „Also... kein Versuch vom wahren Täter abzulenken, mit diesem doch recht... auffälligen Fall von Selbstmord?“ Es war fast schon perfekt, um die Verdächtige zu entlasten... und das konnte stutzig machen. Nur leider... „Wenn Sie mir sagen können, wie die Verdächtige auf mehreren ausländischen Konten gefälschte Daten in diesem Umfang einrichten konnte, und sie dem Opfer unterjubelte, während wir sie beschatteten, bitte, nur raus damit. Aber ich fürchte, ihr Alibi ist in dem Fall... mindestens ebenso lückenlos, wie das jedes anderen in diesem Krankenhaus, ausgenommen Hanamura selbst.“ „W-was sagten Sie, Herr Kommissar?“ Nun doch. Nun hatte sie doch noch wieder ihre Sinne gefunden, stand immer noch leichenblass vor ihnen, sah ihn aber direkt an. „Ist... ist Doktor Hanamura etwa...“ „Wahrscheinlich ist er der Täter, ja. Aber bitte, überlassen Sie das der Polizei, gehen Sie lieber in Ihr Büro und ruhen Sie sich aus. Sie sehen gerade nicht gut aus.“ Mehr in Trance als bewusst nickte sie stumm und drehte sich um. „Also vielleicht doch einfach der Schock über den Tod, was?“ „Denkbar, Shiratori, denkbar. Fakt ist nur, wir haben gegen sie eh nichts in der Hand und die Beweise gegen Hanamura sind erdrückend und auch kaum zu widerlegen.“ Sein Handy weckte ihn aus seiner Lethargie. Ein paar Schritte nur kam die Schwester, langsam, sich an der Wand stützend, bis zum Ende des Flures, an dem sie ein kleines Mädchen abpasste. Ais kühler, berechnender, und vor allem in diesem Moment sie durchschauender Blick, ließ sie stocken, stehen bleiben. „Nein. Nicht Doktor Hanamura. Sie haben die beiden getötet.“ Ihre Reaktion blieb aus, ihre ganze Haltung änderte sich nicht, so dass Ai sie genau beobachten konnte. Sie erschien ihr gealtert, sichtbar älter, ihre Haare leicht ergraut, ihre Züge stärker in Falten gelegt. 10 Jahre vielleicht würde sie sie nun älter schätzen, als noch vor einer Stunde. „Was meinst du..., kleines Mädchen?“ Die Blässe in ihrem Gesicht war ein deutliches Zeichen für ihre Unsicherheit. Sie kannte die Antwort genau, aber wollte immer noch... so tun als wüsste sie es nicht. Es regte Ai zu einem ironischen Schmunzeln an. „Ein plötzlicher Mordfall, scheinbar wie aus dem nichts, an einem Ort, an dem Leben eher gerettet werden soll. Eine Verdächtige, die sich, wenn auch ohne Motiv, quasi auf dem Präsentierteller anbietet. Und dann... kriegt man auf einmal wie aus dem Nichts doch noch einen anderen Täter, der seine Unschuld auch nicht mehr beweisen kann. Und dessen Schuld kann nicht vorgetäuscht sein, weil so ein Trick nicht möglich wäre für eine einzelne Person... oder eine kleine Gruppe. Allerdings... klingt es ganz nach der Methodik... der Soldats.“ Die Frau schluckte einmal kurz. Sie hatte nicht erwartet, in diesem Krankenhaus mit diesem Namen konfrontiert zu werden, schon gar nicht von einem kleinen Mädchen. „Das ist der eigentliche Grund für Ihre Blässe nicht wahr? Sie haben in deren Auftrag Doktor Asunaja und Doktor Saguhara getötet. Das belastete sie die Zeit über. Aber nun hat jemand anderes noch einen Sündenbock besorgt, um sie rauszuboxen. Und damit sind Sie... auch für seinen Tod verantwortlich. Das war Ihr erster Gedanke beim Anblick von Hanamura, nicht wahr. Er starb, damit Sie nicht ins Gefängnis kommen, obwohl Sie die Schuldige sind. Auch wenn er tot ist, hinterlässt Hanamura vielleicht eine Familie, Freunde... sein Ruf ist ruiniert, nachdem, was an Beweisen gegen ihn erbracht wurde, und er kann sich niemals gegen diese falschen Behauptungen zur Wehr setzen... nur wegen Ihnen.“ „Du... du bist auch... wie er?“ Ihre Stimme war noch etwas zittriger geworden, als vorher. „Du bist auch... durch das Zellgift verjüngt!“ Ai nickte kurz. Es zu leugnen, war in diesem Moment eh witzlos. Und zu fragen, woher sie etwas über das APTX4869 wusste, aber offensichtlich von Sherry nichts gehört hatte, blieb wohl besser ihr Geheimnis, als dass Ai es ihr durch Nachfragen erklärte. „Sie haben Noir gerufen, nicht wahr? Daher wussten sie so frühzeitig von Conans Unfall und hatten Heiji ihrerseits bestellt. Der Professor war an meiner Seite, vom Anruf, dass Conan etwas passiert war, bis heute Morgen, als Heiji auftauchte, er konnte ihn also nicht angerufen haben.“ „Wer... wer ist Noir? Tse... wenn der Junge eingeliefert würde... sollte ich diese Nummer wählen, die man mir gab... er ist durch ein Zellgift der Organisation verjüngt, was aber unter keinen Umständen herauskommen sollte.“ „Kam es aber. Doktor Saguhara bemerkte es, verfasste einen Bericht für Doktor Asunaja über seine Ergebnisse, was den Doktor animierte, sich genauer mit dem Fall zu befassen. Er hat Conans Geheimnis selbst wohl mittlerweile durchschaut. Dass er sich einfach wie kein kleines Kind verhält, schon gar nicht in Anbetracht seiner Amnesie. Und als Doktor Asunaja Sie ansprach, als Sie gerade zurück kamen von den letzten Untersuchungen, haben Sie ihn kurzerhand befehlstreu umgebracht.“ Ihre Augen wanderten zum Boden, suchten dort beruhigende Eintönigkeit. „Das ist nun mal die Aussage bei Les Soldats. erledige deinen Auftrag, oder du stirbst. Und aus den Aussagen zu dem Jungen war mir schon klar, dass er bedeutsam für sie ist. Aber...“ Sie brach ab. Ihr Gedanke war ihr halbwegs klar, aber wie sie ihn formulieren sollte, nicht, also beließ sie es ganz. Sie konnte es nicht rechtfertigen, definitiv nicht. Sie hob nur ihre Hand vor die Augen, betrachtete die dünnen Finger im Licht der Lampen. „Sie haben es getan, es ist zu spät, es zu bereuen, und das wissen Sie.“ „Was willst du von mir? Du weißt doch scheinbar schon alles.“ „Ich will wissen, wie Doktor Saguhara auf Conans Geheimnis kam.“ Ihr Blick wurde noch ernster, pinte die Frau an ihrer Position förmlich fest. Nun musste auch die Krankenschwester schmunzeln, wandte ihren Blick wieder auf. „Das Blut, junge Dame.“ „Das Blut liefert keinen Hinweis. Ich habe so viele Tests mit Blut, sowohl von Labormäusen und auch menschlichen Probanden gemacht. Jede Substanz, jedes Hormon, jede Zelle, welche sich im Blut findet, wird bei der Anwendung des Giftes in ihrer Konzentration auf das Niveau eines Kindes angeglichen; was nebenbei in den meisten Fällen bedeutet, es bleibt erhalten. Und selbst wenn dort etwas mal leicht abweicht... wie sollte das so bedeutsam sein, dass es wirklich auffällt? Das kann es nicht sein, aber etwas anderes hat Saguhara offiziell auch nicht gemacht. Also was sonst?“ „Nichts... nichts sonst.“ Nun wanderte ihr Blick noch weiter nach oben, zur Decke, zum Licht, welches ihre Augen so intensive blendete, als wollte sie blind werden. „Was ist... mit Stoffen, die gar nicht in einem Kinderkörper sind? Dort gar nichts zu suchen haben? Der Brunnen der Jugend steht in der menschlichen Fantasie doch dafür, etwas vorhandenes zu erhalten, oder vergangenes wiederzubeleben. Er kann nicht... zerstören, was da ist.“ Ihre Stimme wurde brüchig und leise, sie schritt, mehr schleichend, schlürfend, als gehend, an ihr vorbei, und ließ Ai in Verwirrung allein. 'Welche Substanz war vorher nicht da? Selbst Hormone kommen in geringen Mengen bei Kindern vor. Und selbst wenn, warum solle ein Arzt gleich einen so absonderlichen Schluss ziehen? Oder hat er einen ähnlichen gezogen, aber nicht genau den? Nein, sie schien ja meine Aussagen zu bestätigen, dass es um Conans Blut ging... also was...' „Na siehst du, Hotaru, war doch gar nicht schlimm, die Spritze!“ „Nein, Mama, die war ganz klein und dann noch der lecker Lutscher jetzt!“ Das Sohn-Mutter-Gespann ging gerade an ihr vorbei, als Ai der Atem stockte. 'Natürlich! Aber dann war es... reiner Zufall.' „WAS sollen wir?!“, schrie Megure in sein Handy, dass dem Zuhörer am anderen Ende – Takagi - ebenso wie den Leuten um ihn herum die Ohren abfielen. „Sie haben mich schon richtig verstanden, Kommissar. Sie müssen das unbedingt Kunieda fragen! Sagen Sie ihm, dass er keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, es ist eh alles verjährt. Und dann brauchen wir eine bestimmt hundert Mann starke Truppe am Fluss. Heiji hat darum gebeten, schnell. Ran ist verschwunden, und der Täter ist vermutlich Herr...“ Der enge Waldweg, den Kirika fuhr, ließ bei Conan keine Assoziationen wach werden. Wenn das der Weg zum Schloss war und er ihn gestern gefahren ist, war das zum einen das erste und einzige Mal, dass er ihn sah in seinem Leben, und zum anderen hatte er keine große Bedeutung für seinen Fall gehabt. Aber eigentlich war es ein total friedlich wirkendes Gebiet, kein Vergleich zu Tokio, es war angenehm, es half zu entspannen, allein, wenn man hier war. Allerdings war es auch huckelig, ohne Ende und mehr als einmal kam ihm beim vor sich hin stolpern ein leichter Schmerz in seinen Kopf zurück. Wirklich verheilt war diese Wunde einfach noch nicht. Plötzlich wurde Kirikas Blick schärfer. „Dort!“ „Was, das Schloss?“ Aber dieses baute sich noch nicht vor ihnen auf, sondern eine kleine Gestalt, die mit einem Hut und leichter Wanderkleidung bestückt, am Straßenrand stand und skeptisch das herannahende Fahrzeug begutachtete. Der Mann mit Brille schaute nicht schlecht, als es hielt, die Fensterscheiben sich senkten und er neben der jungen, hübschen Fahrerin ein kleiner, mit großen Augen unsicher starrender Junge saß, der ihm sehr bekannt vorkam. „Hallo.“, grüßte Kirika naiv freundlich lächelnd, was Herrn Hino lediglich zu einem lauten, beängstigenden Schlucken anregte. „H-Hallo... Conan!“ Kapitel 21: Das Geheimnis von Schloss Kunieda --------------------------------------------- Hallo liebe Leser, ich hoffe, euch hat das Kapitel um den kleinen Fall der Blutspuren zwischendurch gefallen. Ist eine andere Idee von mir mal gewesen, woran man noch unter Umständen Conans wahre Identität herausfinden könnte, was durch Zufall so denkbar wäre. ;] Und nachdem ich dann als Foltermeister verschrien bin – und ich bin stolz auf diesen Titel! *Yeah* - hier nun also das Geheimnis um den Hügel, das Schloss, Kunieda, den Fisch, den Architekten, Tashijas Verschwinden, das Buch, die Fotos.... Falls ihr euch wegen der Wortzahl gewundert haben solltet – ich wollte es nur schon ankündigen, hier steht... ALLLLLLLLLLLLES... naja fast. ;p Und ja, auch Ran wird nun essentieller Bestandteil sein, ganz sicher. Wir nähern uns dem großen Finale. (Hiernach noch drei Kapitel, wenn alles passt.) Nochmals Danke an alle Kommischreiber. Falls ihr es nicht wisst, seit heute ist diese FF die meist kommentierte von meinen bisherigen. ^____________________________________________________^ In diesem Sinne kann ich mich wohl nur mit dem bisher... zweitlängsten Kapitel, das ich je online stellte bedanken; die Vermouththeorie aus der letzten FF war noch 100 Wörter länger. *hust* Nun aber genug der Vorrede, außer... ach ja, zwei Leerzeilen bedeuten Wechsel hier vom einen Schauplatz zum Anderen, eine Zeile lediglich ein ganz neuer Gedanke, mit leichtem Zeitverzug. Also viel Spaß mit diesem Kapitel und bis nächste Woche. LG, Diracdet ______________________________________________________________________________ Kapitel 21: Das Geheimnis von Schloss Kunieda 'Es ist kalt.' Das war nicht nur eine spontane Empfindung, Ran war wirklich kalt, als sie auf dem kühlen Stein- und Erdboden aufwachte, der sich insbesondere an ihren Beinen durch die noch dünne Spätsommerkleidung geschlichen hatte. Es war kalt... und dunkel. Zwar leuchtete ein künstliches Licht von oben auf ihre Position herab, aber niemals genug, um den Raum um sie herum genügend zu beleuchten. Sie versuchte die Augen zu öffnen, es genauer zu erblicken, aber ihr linkes Auge schien irgendwie verklebt. Ein schwacher Metallgeruch drang in ihre Nase und sie erkannte, was dort den Lidmuskel blockierte. 'Getrocknetes... Blut? ...Der Stalaktit!' Ihre Erinnerung an die letzten Momente, bevor sie bewusstlos wurde, kamen, noch in diesem leicht lethargischen Zustand, in dem sie sich befand, zurück. 'Das Blut... das war Conans... das heißt... dieser Stalaktit... war das Rohr, das Conan die ganze Zeit meinte. Ich dachte, nach unten hin schmaler werdend sei einfach aus der Perspektive seines Blickwinkels begründet... es war wirklich ein dünner werdendes, unregelmäßiges Rohr... unregelmäßiger Zylinder, wohl eher...' Sie schüttelte ihren Kopf, was für Gedanken ihr gerade durch den Kopf schossen, sie war wohl immer noch ein wenig benommen. Oder sie fürchtete sich vor dem, was ihr wahrscheinlich gleich klar werden würde, wenn sie versuchte, aufzustehen. Ihre Arme taten ihr weh von einer ungünstigen Stellung, stark verschränkt hinter ihrem Rücken... und sie atmete trotz leichter Erschöpfungserscheinungen nur durch die Nase, wie wohl während ihres ganzen Schlafes bis eben... 'Bin ich... gefesselt?!' Die Frage erübrigte sich eigentlich schon bei dem Gedanken, wie es zu ihrer 'Pause' kam. 'Die Stimme!' Sie erkannte sie genau, auch im Rückblick war dieses eine Wort, dieses „Doch!“, mit dem er ihre Gedanken besah, genug, um ihn zu identifizieren. 'Er ist der Täter... das heißt... wenn alles andere wahr ist... verdammt, hab ich wohl richtig mit meiner Vermutung gelegen.' Ihre Gedanken umschlichen noch dunklere Vorahnungen aufgrund einiger Details dieser Person. 'Aber er scheint nicht da zu sein, gerade. Ich muss hier weg!' Endlich schien sich in ihrem Körper genug Kraft gesammelt zu haben, um sich aufzurichten. Sie wollte zumindest versuchen, sich gegen die Fesseln zu wehren. Gegen den Streifen Klebeband auf ihrem Mund kam sie momentan nicht an, aber der störte sie auch weniger als diese... Sie schrak mit einem Mal hoch, als sie ihre Finger bewegte und an den vermeintlichen Seilen um ihre Handgelenke sich zu schaffen machen wollte. Deswegen war ihr, neben dem eine unbekannte Zeit auf dem Boden liegen so kalt; ihre Hände waren sehr kühlt noch und eingeschlafen vom zu lange darauf liegen. Es waren keine Seile, die ihr da Widerstand gegen den Bewegungsdrang leisteten. 'K-Ketten?!?' Dem mit dem Schreck verbundenen Aufreißen der Augen gab auch der leichte verkrustete Rest Blut ihre Wunde vom Kopf nach, ihre Augen konnten sich an das Licht gewöhnen, und sie sich und ihre Umgebung besser begutachten. Es war tatsächlich Erde und Gestein, kaltes Gestein, auf dem sie mehr oder minder zusammen gekauert auf der Seite gelegen hatte. Eine Ecke einer großen Höhle, die dem schmalen Gang, über den sie Einsteig fand, kaum gleichkam. Ein bisschen was hatte es von ihrer naiven Vorstellung der Bathöhle, die Bruce Wayne unter seinem riesigen Anwesen versteckte und damit Platz für darin zu verbergende Geheimnisse gab. 'Gar nicht so weit von der Realität wahrscheinlich...' Aber das interessierte sie eigentlich herzlich wenig, verglichen mit den schweren, und ebenfalls kalten Eisengliedern, die ihre Handgelenke, ihre Oberarme, ihre Fußgelenke und auch ihre Oberschenkel jeweils dreimal umwanden und jeweils mit einem mittelgroßen Vorhängeschloss gesichert waren. 'Was soll das? Wieso... so viel?' Die Person, die sie niedergeschlagen hatte, konnte sie doch wohl schlecht für eine Entfesselungskünstlerin halten. Sie war eine gewöhnliche Oberschülerin. 'Das ist doch... lächerlich!' Oder kannte er ihre Karatefähigkeiten und fürchtete mögliche Schwierigkeiten, unverhoffte Gegenwehr ihrerseits? 'Unsinn. Ist doch egal, ob man mit Seilen oder Ketten gefesselt ist, wenn man weder Arme noch Beine bewegen kann, ist nicht viel mit Selbstverteidigung, unabhängig davon, was man mal erlernt hat.' „Verdammt, hast du ne Idee, was Ran auf einmal bemerkt haben könnte, Kazuha?“ Heiji rannte, seine Freundin hinter sich her zerrend und mit Gewalt ihre Hand festhaltend, um ja nicht noch eine Person zu verlieren, Richtung Schloss, was wegen der blöden Wegbeschreibung zum Hügel mit wenigstens einem Teil Umweg am Fluss entlang verbunden war. Durch den Wald selbst nämlich führte kein direkter Weg und die leicht moorige Landschaft ließ eher auf noch größere Hindernisse schließen, als ein längerer Weg. Auch wenn das bei aller Liebe nicht das war, was er wollte. Kazuha konnte so gehetzt kaum antworten, rang sich in einem kräftigen Atemzug aber dennoch durch. „Keine Ahnung, ich glaub nur, es war nichts zum Hügel, sie hat ihn ja gar nicht richtig angesehen.“ „Dann... das Buch, das könnte es sein. Stephen King. Ich hab mir da noch keine großen Gedanken zu gemacht, weil ich mich selbst nicht so gut mit ihm auskenne. Du vielleicht, Kazuha?“ „'Carrie'... 'The Shining'... 'Es'... da gibt es so viele, allein im Horror und Sci-Fi Genre...“ „Moment mal... 'allein Horror und Sci-Fi'?“ Unwillkürlich wurde Heiji langsamer, gab ihr damit auch Gelegenheit, durchzuschnaufen. „Na- natürlich, glaubst du, er hat nur sowas gemacht? Von ihm stammten unter anderem auch... ähm... ja, die Bücher, die zu 'Die Verurteilten' und 'Green Mile' verfilmt wurden.“ 'Ein Gefängnis?' Ein kleiner Schauer durchfuhr seinen ganzen Körper. 'Der Hügel... bei den Ausmaßen wäre das genau... der Fisch von Herrn Hino... würde dann fast Sinn machen, wenn man... natürlich, das hatte Inspektor Takagi doch auf der Hinfahrt erwähnt, deswegen diese komischen Maßnahmen Kuniedas und seine Reaktion auf Herrn Tashija... und auch warum er den Architekten nicht mochte und Hino nach der Geschichte mit dem Fisch behielt. So passt alles ins Bild... außer...' „Verdammt, wir müssen weiter Kazuha, geht es wieder?“ „Ja... ja sicher, wir müssen... müssen schließlich Ran finden.“ „G-genau.“ Er drehte sich schnell wieder nach vorne, begutachtete kurz die Anzeige seines Handydisplays, die immer noch im wahrsten Sinne des Wortes Funkstille anzeigte, und lief los. Dennoch, er hatte es nicht verhindern können, dass Kazuha sein Gesicht kurz zuvor sah und auch richtig deutete. 'Du weißt auch nicht wirklich, wo sie ist, oder?' Endlich leuchtete der erste Strich an der Leiste auf, der ein minimales Funksignal erkannte. Grob noch 200 bis 300 Meter, wenn man Hinos Ausführungen trauen durfte... „WAS?!“ Dem Schrei des besorgten Vaters in Takagis Handy folgten mehr als ein Satz heftigster Beschimpfungen, die Heiji erwartete, ein Stück weit auch versuchte, nicht wie geplant zu ignorieren, denn... ja, er war mit schuld, dass Ran vor seinen Augen verschwunden war. Er hatte extra die Nummer vom Inspektor gewählt, in der Hoffnung dieses 'Gespräch' umgehen zu können, aber da war ihm der Detektiv aus Tokio zuvorgekommen, respektive eigentlich Takagis Ausruf „Was, Ran ist weggelaufen?“, welche der zwei Meter neben ihm in Herrn Tashijas Zimmer postierte Kogoro Mori nun wirklich nicht überhören konnte. Augenblicklich war er heran gestürmt, hatte Takagi sei Mobiltelefon weggenommen, ihn durch den Hörer angeschnauzt, so laut es nur ging, bis der Inspektor irgendwann ihm das Telefon wieder weggeschnappt hatte und Heiji die Gelegenheit gab, sich zu äußern. „Verdammt, Mori, hören Sie mir zu, Ran ist vermutlich zum Schloss gerannt, weil sie eine Idee bezüglich des Falles hat. Sie muss irgendwo im Kellergewölbe sein, vielleicht erwischen Sie sie noch. Wir sind so schnell es geht auch dort. ... Und sehen Sie nach, ob Herr Tomoko noch da unten ist, er meinte doch, er wollte was im Keller erledigen.“ „Äh... wieso?“ „Mhm... mhm... MHM!“ Sie versuchte es trotzdem eine Weile, sich irgendwie als kommende, weibliche Houdini auszugeben und sich aus den Ketten heraus zu winden, nur um festzustellen, dass es wirklich keinen Sinn hatte. Würde man bei Seilen zumindest ganz schwach merken, wie sich die einzelnen Fasern, aus denen das Seil bestand, um eine Winzigkeit weiteten, sich vielleicht sogar lockerten, so war davon bei Eisen nicht auszugehen. Es ging ohne große Probleme bis exakt zur Ausdehnung der Glieder, inklusive des Schlosses, welches diese zusammen hielt... 'Und nicht den Bruchteil eines Millimeters weiter. Verdammt!' Der einzige positive Effekt, wenn man davon sprechen konnte in dieser Situation, war, dass die Anstrengung sie wieder etwas erwärmte. Dafür verlor sie aber auch zusehends an Kraft, spürte immer stärker das Gewicht der massiven Ketten auf ihrem Körper. Selbst wenn ihre Beine frei wären, wüsste sie nicht, ob sie im Moment aufstehen könnte. 'Du musst es dir wohl eingestehen, Ran... du hast echt Mist gebaut.' Ihr Blick wurde trübe bei dem Gedanken an Kazuhas Worte, bis kurz bevor sie den zündenden Einfall hatte mit dem Buch. Nicht zuletzt dank Mamorus Assoziation. Tja, mit dem Buch wäre es fast schon banal einfach, auf das Geheimnis des Hügels zu kommen. Das Problem war nur, den Eingang dieser Höhle findet man trotzdem nicht ohne weiteres... 'Auch wenn es bei genauerer Betrachtung auch drinne steht... das war wirklich eine perfekte Quelle, Herr Tashija. Ich hätte wohl nur wie Sie... es jemand anderem noch erzählen sollen, bevor ich herkam.' „Ah, sieh an, wer da wach ist.“ Alle ihre Gedanken verflogen schlagartig angesichts der brummigen Stimme von 'Katsui Tomoko!'. „Wie bitte, Tomoko ist der Mörder?“ Auch Takagi verlor etwas den Atem, als er, mit Kogoro die Treppe in die Kellergalerie hinunterstürmend, mehr stürzend, als laufend, in den Hörer schrie. „Ganz sicher, es ist ne vielschichtige Sache, ich erkläre es Ihnen, wenn wir da sind. Sehen Sie Ran oder Herrn Tomoko? Wenn nur letzteren, halten Sie ihn fest, wir können auch ohne den entscheidenden Hinweis ihn überführen. Er ist zweifelsfrei der Täter.“ „Herr Tomoko? RAN? RAAAAN?“ Aber weder das weite Kellergewölbe, noch die einzelnen Galerien, zu denen der von den Schreien, die seit dem Anruf nun über eine Minute ertönten, herannahende Yamamura aufschloss, gaben irgendeinen Menschen frei. Es sah alles wie immer aus, und wirkte in den Augen des einsamen Vaters, trotz aller Kunst nun leer, unmenschlich leer. „Ran.“ Die Kälte in dem belüfteten Raum war ihm vorher viel weniger beißend vorgekommen, als nun. Sie erklomm jede Ader in seinem Körper. Tomoko wollte hier unten arbeiten, wusste, er durfte das Haus nicht verlassen... und nun war er weg, wie auch Ran. Es war ziemlich klar... „Er hat sie.“, sprach er innerlich hohl vor sich hin. „Heiji, sie ist nicht hier, was sollen wir tun?“, rief der Inspektor erneut ins Telefon, nur um eine mehr als unerwartete Antwort aus anderer Richtung zu hören. „Sie müssen nicht schreien, Herr Inspektor. Wir sind bereits da.“ Heiji und Kazuha standen beide leicht verunsichert, und sichtbar erschöpft vom Rennen, an der Treppe. Kogoro wollte sofort losstürmen auf diesen verantwortunglosen, neunmalklugen, eingebildeten..., wurde aber im Schritt aufgehalten. Yamamura, der mehr zwischen den Zeilen erfahren hatte, was die beiden Männer mittlerweile wussten – was er selbst kaum glauben konnte, aber glauben musste – baute sich vorahnend vor dem dem 'Schlafenden Detektiv' auf, hielt ihn zurück, um den Anderen die Chance zum Reden zu geben. „Was sollen wir tun, Heiji? Es ist nirgends etwas von ihr zu sehen und gerufen haben wir auch schon wie verrückt. Meinst du, es gibt hier einen Geheimgang?“ Der Oberschülerdetektiv biss sich wütend auf die Zähne. „Nein... wahrscheinlich nicht. Ich habe das vorhin schon so gut es ging überprüft, als wir hier waren. Und wenn Herr Yamamura und Herr Hino in den Jahren ihrer Anwesenheit nichts merkten, dann ist da wohl auch nichts zu finden... oder zu schwierig. So ein... Mist!“ Er war sich ganz sicher, sie musste den Hinweis richtig gedeutet haben, so wie er... aber vielleicht sah sie noch mehr darin, etwas, das ihm entgangen war. Aber er kam einfach nicht drauf... es war zum Verzweifeln. Durchaus konnte dieser Hinweis noch wo anders hin führen als zum Schloss, ein Radius von einem Kilometer wäre denkbar, so weit seine Gedanken gediehen waren. „Dann stimmt es also?“ Mitten in das allmählich eintretende Schweigen, als auch Kogoro wenigstens etwas seinen Puls beruhigte und sich mehr auf Ran fixierte, meldete sich nun auch der Maler. „Katsui ist... ein Mörder?“ „Also...“ „Er hat Atsushiro... getötet? Wie... wie geht es Conan... wirklich?“ Heiji atmete einmal tief durch, sie hatten nur eine Chance, sie mussten 'hinten rum gehen'. „Dafür ist keine Zeit. Ich erkläre es Ihnen auf dem Weg zum Fluss. Ist Herr Hino nicht da?“ Ein leichtes Zucken der Schultern des Künstlers beantwortete die Frage negativ. „Gibt es auf dem Schloss zufällig eine Taucherausrüstung?“ „N-nein, ganz sicher nicht.“ „Natürlich, wenn dann geht alles schief. Wissen Sie wenigstens, wo Herr Hino den vergifteten Fisch vor einem Jahr fand?“ „So ungefähr... doch, ist gar nicht so weit vom Hügel entfernt.“ „Schön, dann bringen Sie uns hin, aber vorher, Takagi, rufen Sie Megure an. Sie müssen es ihm nicht erklären, es genügt zu sagen, dass Ran verschwunden ist. Er muss auf der Stelle zwei Dinge in die Wege leiten. Erstens wir brauchen eine ganze Menge Polizisten und insbesondere einige Taucher. Wir müssen den Fluss absuchen, um die Stelle mit dem Fisch damals. Und zweitens... er muss jemanden zu Tomoji Kunieda schicken. Er muss wissen, wo der Eingang ist.“ „Welcher Eingang?“ Alle schauten verwirrt zum jungen Mann, dessen Miene immer finsterer wurde. „Mhm... Hm!?“ Wild zuckte sie mit dem Kopf und ihren Augen zur Seite, wies fragend auf ihre Fesseln hin, so weit ihr das ohne zu sprechen möglich war. „Die Ketten? Oh... nur für den Fall, dass sich doch noch jemand anderes hier her verirrt... was aber nicht mehr passieren wird, glaub mir... eine kleine Sicherheit. Die Schlüssel zu den Schlössern gibt es übrigens nicht mehr, du wirst also, selbst wenn jemand kommt, um dich zu retten, noch eine Weile so bleiben. Und... nun ja... wart's ab, das... willst du jetzt noch gar nicht wissen.“ Seine Stimme und Sprache hatten sich überhaupt nicht verändert, er wirkte immer noch etwas ironisch wie eh und je, aber eigentlich nicht böse. Nur... sein Blick... hatte einen Touch von Besessenheit angenommen, eine dunkle, von Wahn überschattete Seite. Eigentlich war sie ja schon vorher verängstigt, aber diese Augen... dieses, den ganzen Künstler entstellende Gesicht... ob sie sich gegen ihn hätte wehren können, wenn sie nicht angekettet wäre, wurde immer zweifelhafter in ihrem Kopf. Schließlich war er ja auch nicht schwach. „Also... es wird dich hier eh keiner hören, zumal jetzt keiner mehr in der Nähe ist. Dennoch würde ich es bevorzugen, wenn du nicht gleich losschreist , wenn ich das Klebeband abmache... oder genauer gesagt, ein falsches Wort und ich garantiere dir, es wird das letzte in deinem Leben sein. Kapiert?“ Die Angst lähmte Rans Körper immer mehr, es war definitiv etwas psychopatisches in seinem Ausdruck, der keine andere Antwort duldete. Schluckend nickte sie schwach, worauf hin er sich hinunter beugte zu ihr und den Knebel mit einem für sie schmerzhaften aber kurzen Ruck entfernte. „W-warum...“ Sie stockte schon nach einem Wort, erschrak über ihre eigene, furchtbar leise, zitternde Stimme. „Was denn... kaum gibt man dir die Gelegenheit wieder zu sprechen, schon kommt die erste Frage...“ Ein ironisches Grinsen leuchtete durch sein Gesicht, gefolgt von Resignation. „Aber was soll's, wenn du schon mal hier bist. Du siehst doch die großen Maschinen im Hintergrund, oder? Oder warst du bisher nur mit den Ketten beschäftigt?“ Ein Lachen konnte er sich nicht verkneifen, und was Ran am meisten beunruhigte, es war gar nicht mal böse, es hatte eher etwas schelmisches. Er hatte... klare Vorstellungen, was im Folgenden passieren würde, war sich seiner Sache sicher, und das bedeutete in ihrem Fall mit mit sehr großer Wahrscheinlichkeit... 'Nein... nicht dran denken, Ran!' Sie musterte mit großen Augen die alten, stählernen Gerätschaften, die Gerüche, die ihr erst jetzt so richtig bewusst wurden, Chemikalien, Farbstoffe vermutlich. „Was... ist das?“ Er schmunzelte amüsiert, betrachtete mit leichter Wehmut die Maschinerie. „Das? Das ist... das Geheimnis unseres gütigen Gastgebers. Das ist des edlen Herrn Kunieda stille Reserve.“ „Geldfälscherei? Kunieda? Wie kommst du darauf, Heiji?“ Die Frage brannte nicht nur Takagi auf den Lippen, seit er diese Aussage seinem aufgebrachten Chef an den Kopf warf. Sie liefen nicht, aber bewegten sich zügig in Richtung des Flusses „Na... das ist etwas umfangreich, aber einfach gesprochen, erinnern Sie sich an Ihre Formulierung zu Kuniedas wirtschaftlichem Aufstieg, nachdem er nach 15 Jahren in diesem Wald, wie aus dem Nichts, wieder auftauchte? Er hätte immer Glück mit seinen Geschäften gehabt, Beziehungsweise, wenn mal etwas schief lief, konnte er trotzdem immer wieder noch einen Verlust abwenden und sich rechtzeitig wieder behaupten. Als ob ihm quasi nie das Geld ausging“ „Der alte Fuchs hat sich hier eine kleine Fälscherwerkstatt aufgebaut. Den ganz alten Geräten nach zu urteilen, hat er echt mal mit einzelnen Münzen nach dem zweiten Weltkrieg angefangen.“ Erneut musste Tomoko schmunzeln. „Da hätte er einen Materialkünstler fragen sollen, wie schnell das Eisen und das Kupfer ausgehen, wenn man Münzen prägt. Zumal der Gewinn minimal ist, da der Gegenwert gesetzlich festgelegt ist und nichts mit den Produktionskosten zu tun hat. Die kleinsten Münzen kosten selbst in Massenproduktion mehr, als sie wert sind. Aber damit hat er sich wohl solange über Wasser gehalten, bis er... zurück kehrte in die Zivilisation.“ „Er... ist Geldfälscher?“ „War, wohl eher... heutzutage ist er reich genug, dass alle Erinnerungen daran verblasst sind, bis auf diese Räume, die ich nun nutze.. Habe den Eingang selbst nur durch Zufall kurz nach meinem Eintreffen auf dem Schloss gefunden, bin gewissermaßen drüber gestolpert, wenn du verstehst.“ Sie verstand die Ironie nur zu gut... man fand es einfach nicht, wenn man nicht danach suchte! Er bewegte bedächtig den Kopf. „Tse... wenn man drüber nachdenkt. Wie viele Verlustgeschäfte er, wahrscheinlich durch Geldwäsche kompensiert hat... Es ist wie schummeln beim Würfelspielen. Jeder würfelt abwechselnd, und gewonnen hat wer nach beliebig vielen Zügen am weitesten ist. Und mit diesem Falschgeld hat Kunieda einfach jedes Mal, wenn er drei oder weniger würfelte, den Zug für ungültig erklärt und wieder gewürfelt, bis ein hoher Wurf rauskam. Jedes verlustgeschäft mit Falschgeld ausgeglichen und die Uhren auf Null gestellt und weiter gemacht. Die perfekte Methode zu schummeln...“ Sein Kopf schüttelte sich leicht hin und her, als negierte er seine eigenen Aussagen. „Was für ein... Hochstapler.“ „Aber Heiji!“, korrigierte ihn Kazuha von der Seite. „Das ist doch kein Beweis, dass er Falschgeld gedruckt hat, nur weil sein Glück immer anhielt.“ „Ach ja... überleg mal, er war 15 Jahre lang verschwunden, in diesem Wald, dann tauchte er auf, und baute sich wie aus dem Nichts ein neues Vermögen auf. Und obwohl er sein Schloss für Künstler anbot, hat er immer eine Art Geheimnis draus gemacht; es geschlossen, als er umbaute, diese komische Kommunikationstechnik hier, der rausgeworfene Innenarchitekt... Alles spricht dafür, dass er noch etwas zu verbergen hat, was seinem Dasein mindestens mal wichtig war, was aber niemand sehen darf.“ „Ja, aber selbst angenommen, es wäre so etwas illegales, wodurch er an Geld rankam. Wieso gerade Geldfälscherei? Bietet sich bei seinen Leidenschaften und diesem Schloss dann nicht eher Kunstfälschung oder ähnliches an?“ „Aber doch nicht unterirdisch. Da fehlt doch das genügende Tageslicht.“ „Wie... unterirdisch? Ah... Heiji, wie kommst du die ganze Zeit darauf, dass es unterirdisch ist?“ „Na wegen dem Hinweis mit dem Buch, welcher uns den eigentlichen Sinn des Hügels klar machen sollte!“ Yamamura sah verwundert auf. „Der zweite Fleck?“ „Nein...“ Endlich zeigte sich auf seinem Gesicht etwas mehr Zuversicht. Je länger er die Gedanken ordnete, desto sicherer wurde er. es passte endlich (fast) alles zusammen. „Ich meine Stephen King's...“ „Na schön.“ Herr Tomoko überließ seine Gedanken an die Vergangenheit mit einer trüben Erinnerung fahren und sah auf seine hilflose Gefangene herab. „Dann bin ich wohl dranne mit fragen...“ Ohne Vorwarnung griff er sie am Kragen und zog sie samt der Ketten, deren Gewicht Ran erst jetzt, so in der Luft baumelnd, richtig spürte, hoch zu sich, bis etwa 30 Zentimeter vor sein Gesicht. „Du bist die dritte Person, die innerhalb von acht Tagen hierher findet. Und auch wenn das von nun an wohl irrelevant ist, wüsste ich zu gerne, wie ihr drauf gekommen seid. Na los!“ Er schüttelte sie einmal heftig, dass sie noch mehr zusammen zuckte und nur kurz die Antwort hervor stieß. „Das Buch!“ „Welches Buch?“, herrschte er sie wild an. „Das Buch... der Hinweis, den Herr Tashija hinterlassen hat!“ Im nächsten Moment fing sie sich eine Ohrfeige ein und wurde unsanft zurück auf den Steinboden fallen gelassen. „Erstens sagte ich, du sollst hier nicht rumkreischen, verdammt. Zweitens, der Hinweis im zweiten Fleck vertauscht doch genau die Tatsachen, damit geht man doch gewissermaßen in die völlig falsche Richtung. Der Hinweis ist eh Mist und ich hab ihn nie verstanden, obwohl er doch für mich gedacht war, oder nicht?“ „N-nein...“ Sie schluckte, betäubte mit zusammengkniffenen Zähnen den Schmerz vom Aufprall auf das Gestein. Warum sollte sie ihm eigentlich antworten... allem Anschein nach... würde sie eh nicht mehr lange... 'Nein, es wird jemand kommen, ganz sicher. Ich muss es nur lange genug hinaus zögern. Noch will er ja reden, also vermassel es nicht, Ran!' Sie atmete einmal tief durch. „Nein, das war das falsche Buch. Das wollte er nicht haben, aber Herr Yamamura besaß sein eigentliches Wunschbuch nicht.“ Mit einem mal wurden die Augen des 3D-Künstlers riesengroß und blitzartig kniete er wieder vor ihr mit glühenden Augen. „W-Welches... Buch... dann?“ „Ich kenne den Titel nicht, nur den der Verfilmung, welcher daran angelehnt wurde.“ „Nun sag schon!“ „Die Verurteilten.“ Nun war sie etwas sicherer in ihrer Stimme, er wusste wirklich nichts von dem Buch, und sie war die Wissende. Und die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Er schritt etwas zurück, suchte das spärliche Licht der Lampe, um zu rekapitulieren. Ja, auch ihm war der Hinweis mit einem mal total klar, so klar, dass er mit bitterer Ironie zu lachen anfing. Selbstironie. „Die Verurteilten... Andy Dufresne, der um aus einem unentkommbaren Gefängnis zu fliehen, 20 Jahre lang einen Tunnel mit einem kleinen Juwelierssteinhammer in die Wand treibt...“ „Und das größte Problem, in all der Zeit... ist die viele Erde, die sich durch den Tunnelbau ansammelt und er an allen möglichen Orten versucht zu verstreuen. Genau. Das ist das Geheimnis des Hügels Tashija, Herr Tomoko. Ein Tunnel von dieser Höhle, die Herr Kunieda geschaffen hatte, zum Fluss in einem Kilometer Entfernung. Für einen großen Menschen wie Sie breit genug ergibt das direkt die Maße des Erdhügels.“ „E-ein Tunnel zum Fluss?! Einen Kilometer???!!!“ Der ganze Zug war bei diesen Worten stehen geblieben. „Du meinst, Kunieda hat in den ganzen Jahren...“ „Nein, Herr Mori. Herr Kunieda hatte das nicht nötig, er hatte lediglich ein kleines Versteck, irgendwo unter oder in der Nähe des Schlosses, weil er ja alleine war im Wald... er konnte ohne weiteres alles entsorgen. Den Tunnel hat ein Künstler, der hier wohnt und seinen Falschgeldbetrieb neu hat aufleben lassen, gebaut, um nicht Rückstände von der Arbeit durch das Schloss oder nahe daran vorbei bringen zu müssen.“ „Katsui?“ „Ja. Er muss durch Zufall auf das Versteck gestoßen sein und hat es sozusagen... wieder aufgemacht.“ „Aber...“, wollte ihn der Künstler unterbrechen, aber Heiji schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß, warum gerade er... ich komme gleich dazu. Aber es macht wohl am meisten Sinn, die Geschichte chronologisch zu erzählen, auch wenn dadurch die Beweise erst nach der Aussage kommen.“ Er rieb sich unwillentlich an der Stirn, es würde noch ganz schön ausarten, alles zu erklären. „Keine Ahnung, wie viele Nächte er hier dran gearbeitet hat, aber es ist eindeutig, dass die Erde mal von Wasser bedeckt war. Wir haben Muschelreste im Hügel gefunden. Das war es übrigens auch, was Herrn Tashja später zu der Annahme verleitete, es sei ein uralter Hügel, er war eher auf dem Land, aber hatte starke Anzeichen, als stamme er aus früheren Epochen, mehr Richtung letzte Eiszeit vielleicht sogar. Die Erde ist aber in Wahrheit einfach unterirdisch aus Flussnähe, wo wirklich vor langer Zeit noch Wasser war und diese Muscheln wohl auch herstammen. Insofern lag Tashija nicht völlig daneben. Nur war es trotzdem etwas, das Herr Tomoko wohl in einem Jahr angelegt hat, je nach Aufwand und Möglichkeiten.... Der Boden hier ist weich, also wird er mit einer eigenen, versteckten Taucherausrüstung vom Fluss gestartet sein und hat sich bis in diese... Höhle, schätze ich, vorgearbeitet. Und diesen Tunnel vom Fluss aus mit einer Steinplatte abgedeckt, die unauffällig wirkt und der Polizei, als sie den Fluss durchsuchte, entging.“ „Unauffällig?“ Auch Takagi war immer noch nicht ganz überzeugt. „Der Eingang zum Tunnel in die Verurteilten war ja in der Zelle von Dufresne, er musste es also gut tarnen. Die Abdeckung war ein Poster von Rita Hayworth, einer damaligen Schauspielikone. Sein Trick war, etwas zu nehmen, was eben einfach zu unauffällig war, etwas, was man erwartete... oder sagen wir mal, was keinerlei unerwartetes in sich trug...“ Er zögerte selbst etwas bei dem Gedanken. Ob es dieser Punkt war, der Ran auch am anderen Ende des Tunnels weiter half? Schwer zu sagen, er konnte daraus einfach nichts machen. War der Eingang ein Baumstumpf neben dem Schloss, oder so? Das wäre doch alles viel zu ungenau. „Schön, das erklärt den Hügel, aber nicht, wie du hier herkamst.“ „Doch, das Poster von Rita Hayworth. Es verdeckte den Eingang in Dufresnes Zelle.“ Seine Augen wanderten ihren energischen Blick verwundert ab. „Ein Kunstwerk, das eigentlich auffällig wäre, aber an genau diesem Punkt gerade nicht. Dafür daneben die Steinfiguren, die er mit dem Hammer selbst geschaffen hatte und einige Schmuggelware, die er durch Red bekommen hatte, alles war auffällig, bis auf das Poster, welches eigentlich nichts zu suchen hatte in der Zelle. Da wurde es mir klar, was der andere Hinweis bedeutete war.“ „Hm... wirklich schlau, meine Kleine. Obwohl, es nicht deinem Vater oder der Polizei zu erzählen, war wohl eher dumm. Aber OK, nun verstehe ich wenigstens, wie der kleine Junge hier herkam... und du wirst es niemandem mehr sagen können, wo das Poster von Rita Hayworth ist...“ Die Angst ließ Ran zittern und einmal mehr versuchte sie sich mit Gewalt zu befreien, vergebens. „G...Glauben Sie bloß nicht, dass nicht noch jemand anderes den Weg hier runter findet!“ Sein Lächeln nahm in diesem Augenblick zum ersten Mal etwas diabolisches an. „Nein... wenn du hoffst, dass dich doch noch jemand retten kommt, muss ich dich enttäuschen. Ich habe den Eingang jetzt von innen verriegelt, da kommt so schnell keiner mehr durch. Und wenn... nun bis dann wird es diese Höhle nicht mehr geben... genauso wenig wie dich!“ „Das heißt, wir suchen jetzt diesen Eingang auf Flussseite?“, klärte Kogoro nochmal den 'Plan' Heijis. „Ja. Das ist der einzige Anhaltspunkt, den wir sonst noch haben. Und es erklärt auch alle weiteren Entwicklungen um Herrn Tashija und Herrn Hinos Fisch, denn...“ Er wollte gerade ansetzen, weiter zu erklären, als ihn sein Kollege erneut unterbrach. „Aber der Tunnel ist deiner eigenen Aussage zufolge einen Kilometer lang, unter Wasser, wohlgemerkt!“ Heijis Miene wurde finster, er suchte einen ausweichenden Blick. „Deswegen hattest du nach einer Taucherausrüstung gefragt, nicht wahr?“ „Sicher... ich kann nur hoffen, dass Megures Taucher schnell genug hier sind... aber es dauert alles in allem sicher eine halbe Stunde noch...“ Er stockte, schluckte heftig, weil er genau wusste, dass er nur eine einzige Hoffnung hatte. „Wir müssen einfach... davon ausgehen, dass Ran so lange überlebt.“ Die Farbe im Gesicht aller, insbesondere Kogoros, verschwand endgültig. „Aber momentan ist das Schloss eh leer, Ran.“ „Was?“ „Tja... sie sind mir leider auf die Schliche gekommen, wohl nicht zuletzt dank deines Besuchs. Aber vor zehn Minuten sind sie gegangen, weil sie hier nichts fanden. Und kämen sie doch, wie gesagt, erstmal müssten sie hier rein kommen... und so schnell könnten sie dich wegen der Ketten eh nicht befreien. Nicht ohne entsprechendes Werkzeug.“ Er starrte, als würde er rührselig werden, auf die großen Geräte. „Ich muss diesen Ort jetzt verlassen. Das war mir schon klar, als die dritte Person in dir hier her kam, aber schade ist es schon. Kunst ist echt teuer heutzutage und so eine kleine Gehaltsaufbesserung für bessere Materialien und Arbeitsgeräte... ist schon nicht schlecht. Zum Glück hab ich alle Baupläne bei mir.“ Ohne sich umzudrehen, wies er auf einen wasserdichten Koffer, der etwas abseits stand. „Durch... den Tunnel?“ „Sicher... eine kleine Grotte gab es hier schon früher, aber die war durch die Druckfarben und andere Reste total verseucht. Darum ja der Tunnel. Aber darum musst du dir keinerlei Gedanken machen, Ran. Diese Höhle wird in etwa zehn Minuten durch ein paar Explosionen vernichtet, samt aller ihrer Beweise, und ich verschwinde dadurch.“ „E-Explosion?“ Ihre Augen weiteten sich bis zum Anschlag, er wollte alles hier in die Luft jagen, zusammen mit ihr!! „Keine Angst, von der bekommst du eh nichts mit. Denn zu dem Zeitpunkt... ruhst du bereits... mindestens bewusstlos, auf dem Grund der Grotte.“ „Moment mal, ja? Er hat durch den Tunnel die Reste der Druckfarben entsorgt, um sie nicht durch das Schloss zu transportieren?“ „Exakt, gewissermaßen ein Abfluss für den chemischen Dreck. Und raten Sie mal, wen das traf. Das ist ja wie ein kurzer, spontaner Klumpen im Wasser, zwar auch flüssig, aber absolut tödlich für kleiner Lebewesen...“ „Daijos metallvergifteter Fisch?“ Dem Maler fielen sprichwörtlich die Schuppen von den Augen! „Genau.“ „Alles hätte auf ewig geheim bleiben können, wären nicht Daijos dämlichen Fisch und Atsushiros idiotisches Idol Manrique gewesen. Es war einfach ein dummer Zufall, verdammt!“ „Aber... das kann eigentlich nicht sein...“, korrigierte Yamamura nachdenklich. „Du willst sagen, der Fisch hat sich von den Abflüssen aus dem Tunnel vergiftet, wurde dann an Land gespült, wo ihn Daijo zufällig fand? Aber nach dem Bekanntwerden, dass der Fisch an Metallvergiftung starb, hatte man den Fluss doch untersucht, und er war sauber.“ „Sie denken zu sehr an eine große Fabrik, die kontinuierlich Giftstoffe in Flüsse kippt, Herr Yamamura. Herr Tomoko betrieb ja die Anlage sowieso nur nachts und auch nicht jede Nacht, nehme ich ganz stark an. Wahrscheinlich musste er nur einmal im Monat oder so, kurz den Stein beiseite schieben um das Wasser zu reinigen. Und bei der kleinen Menge gegen den doch gar nicht so kleinen Fluss, sind solche Verunreinigungen nach ein paar Tagen, spätestens einer Woche verschwunden.“ „Es war ein doppelter Zufall sogar. Dass der Fisch – es gibt praktisch keine Fische in diesem Fluss! - gerade dann auftauchen musste, als eine hohe Dosis der Substanzen ihn traf. Und dass ausgerechnet Daijo an diesem Tag an dieser Stelle vorbei kommen musste. Der Fisch war gar nicht mehr da, als ich ein paar Tage später an die Stelle kam...“ Er schien mehr mit sich selbst zu reden, als er die Ereignisse rekapitulierte, die ihn zu seiner bevorstehenden Flucht trieben, als mit Ran. „Aber... war es dann nicht danach... wieder alles vorbei?“, hakte sie schüchtern nach. „Deshalb hat Herr Kunieda Herrn Hino nach dem Eklat um den Fisch auf dem Schloss behalten...“ Der Inspektor sinnierte kurz, als sie den Fluss erreichten. „Er wusste, was vor sich ging, ahnte es zumindest...“ „Ich denke, er ging davon aus, dass jemand seine Maschinen wieder in Gang gebracht hatte, einen Tunnel hat er noch nicht angenommen, wohl eher, dass jemand kurz zuvor an anderer Stelle die Farben per Hand in den Fluss kippte.“ „Aber Heiji...“ Kazuha sah ihn verwundert von der Seite an. „Sollte dann nicht Kunieda eher noch eingreifen wollen, schließlich kannte der Künstler dann sein Geheimnis?“ „Kunieda ist seit mindestens 20 Jahren, als er aus dem Schloss auszog, raus aus dem Geschäft, seine Straftaten sind allesamt verjährt, wenn man ihm überhaupt etwas nachweisen könnte. Wenn Herr Tomoko die Geldfälscherei selbst neu anfing, verwischte er damit eh Kuniedas Spuren auf den Maschinen und war selber stärker erpressbar als Kunieda. Wer würde einem daher gelaufenen, kleinen Künstler glauben, dass der große Tomoji Kunieda Geldfälscher ist? Und letztlich...“ „Ich glaube fast... er gönnte es mir.“ „Was?“ „Ich denke einfach... er hat diese Räume deswegen nicht mit Zement aufgefüllt als er ging, um einem findigen, aber armen Künstler die gleiche Chance zu geben, die er sich selber gab. Das ist doch... praktisch die Philosophie des ganzen Schlosses.“ Ran sah etwas Ruhe, etwas Gelöstheit in seinen Zügen. Für einen Moment war er wieder der Künstler, den sie kennen gelernt hatte. Zwar etwas grob, aber freundlich und auch sehr sicher in seinen Aussagen, mit Gefühl versehen, und Sinn für Realität. Der Erschaffer von 'Natrium und Chlorid', dem Bildnis, welches ihr dank Kazuha vorhin auffiel, und welches ihr so viele Gedanken bescherte... Die Liebenden, die sich nie treffen, so nah sie sich auch sein mögen. Sie schluckte hart... 'Womöglich wird es bei uns auch so laufen... Shinichi... zumindest... von meiner Seite aus.' Das war eine Lücke, die sie nie wirklich füllen konnte, wie ihr nun wieder klar wurde. Sie hat niemals erfahren, was er wirklich... für sie empfand. War da nun mehr als Freundschaft? Wenn ja... wie viel mehr? Im Augenblick ersehnte sie eigentlich, es wäre nicht mal Freundschaft, als ihre Gedanken immer mehr über dem kreisten, was in den nächsten Minuten passieren würde. Denn sonst würde sie ihm mit ihrem eigenen Tod... nur Trauer bescheren... sie wollte ihn nicht die Trauer spüren lassen, die sie selbst wegen seiner Abwesenheit oft empfand. Dieses Gefühl wünschte sie nun wirklich niemandem. In diesem Augenblick tauchte er wieder vor ihr auf, nahm sie mit den Ketten hoch und schleifte sie an den Geräten hinter sich vorbei zum Rand eines kleinen... „Ein See?“ „Nicht doch, die Grotte, ein kleiner geschlossener Tümpel, der schon da war, als ich hier das erste Mal herkam. Aber seit gut zwei Jahren gibt es da auch einen offenen Zugang zum Fluss, wie dir Atsushiro ja indirekt mitteilte.“ „Was... was haben Sie mit Herrn Tashija eigentlich für ein Problem gehabt? Er hat den Hügel durchschaut, aber...?“ „Na schön, aber wenn Daijos Fisch als Fake durchging und auch Atsushiro ihm nicht glaubte, wieso wurde dann alles noch anders? Nur wegen des Hügels?“ Der Künstler wanderte Baum für Baum am Flusslauf entlang, beugte sich ab und an runter, um mit seiner Erinnerung des viel geahndeten Bildes, welches sich nun als Beweis für Geldfälschung herausstellte, zu vergleichen. Heiji versuchte auch seinem kurzen Blick von vorhin aus der Galerie folgend eine entsprechende Stelle zu suchen. „Indirekt. Zunächst war der Hügel kein Problem, weil Herr Tashija ihn wie gesagt für ein antikes Bauwerk, oder sogar noch älter hielt. Er fand darin nämlich diese Muschelschale. Übrigens, diese Muschelschale war auch auf einem der 300 Bilder, die er vom Hügel gemacht hat, als in der Abendsonne leuchtender Punkt zu sehen.“ „Ja, von dem Alter hat er dauernd erzählt, aber das wäre doch eher beruhigend für Katsui gewesen.“ „War es auch... bis vor einem halben Jahr, als er Herrn Kunieda davon erzählte. Herr Hino hatte dieses Gespräch nur aus der Ferne beobachten können, aber es schien deutlich, dass Kunieda nichts von dem Hügel wusste, es danach aber abstritt.“ „Natürlich!“, schlug sich Takagi in die Faust. „Man kann als Künstler der drei, vier Jahre hier ist, vielleicht behaupten, den Hügel noch nie gesehen zu haben, aber Kunieda hat die ersten 30 Jahre seines Leben hier verbracht, fast die Hälfte davon allein.“ „Genau, wenn er ihn nicht kannte, dann gab es diesen Hügel vor 50 Jahren auch noch nicht! Tashijas Theorie war hinfällig... aber mehr als das... kam nun seine Philosophie ins Spiel.“ „Cesar Manrique?“ „Wenn ich dem im Jenseits mal irgendwann begegne... Atsushiro musste schlussfolgern, dass der Hügel künstlich und von einem der Künstler des Schlosses angelegt wurde, und damit eben genau gegen Manriques Philosophie die Natur veränderte, entstellte, anstatt sie erhaltend in ihrer Pracht darzulegen. Mehr noch, wie ich am Ende herausfand, als ich ihn danach ausfragte, fand er recht schnell den Zusammenhang zum Fluss, wegen dieser Muschelreste, damit auch die Idee zum Tunnel, und damit war ihm auch der Ursprung des vergifteten Fisches klar. Du kannst dir vielleicht denken, dass ich bei seiner Einstellung zur Natur dann unten durch war. Weil ich indirekt einen Fisch tötete! Verdammt, wenn das unter Verbrechen fallen würde, wäre es immer noch fahrlässige Tötung vor eineinhalb Jahren!“ Wollte er sich gerade rechtfertigen für den 'Fischmord'? Eine etwas verwirrende Miene zeichnete Rans Gesicht. „Hier ist es!“, schrie Yamamura mit einem Mal aus, als er einen bestimmten Baum überprüfte. „Also von hier an Stromaufwärts, OK.“ „Warte, Heiji!“, hielt ihn Kazuha auf, als er gerade seinen Kopf ins Wasser stecken wollte. „Schon... Klar. Herr Mori, Herr Yamamura, Sie beide müssten das übernehmen – Kazuha, du bleibst gefälligst hier! Ich vermute, es ist irgendein unscheinbarer Stein, oder sogar eine Sandhügelattrappe, die den Eingang verdeckt, Sie müssen also jeden Stein umdrehen. Inspektor Takagi muss mit dem Walkie Talkie, das wenigstens hier draußen funktioniert, auf die eintreffenden Männer von Megure warten. Wenn wir den Eingang bis dahin nicht haben, müssen wir sowohl den Fluss als auch das Schloss umstellen, damit er nicht entkommt. Ich erkläre Ihnen solange den Rest kurz.“ Damit wandten sich die zwei beauftragten um, legten zumindest ein wenig Oberbekleidung ab, der Fluss war immerhin recht tief, und fingen an, ohne die erhoffte Sauerstoffflasche, den Fluss abzusuchen. „Also, dann hat Herr Tashija also kurzerhand vor einem halben Jahr geschlussfolgert, dass Herr Tomoko an einem unbekannten Ort eine Geldfälscherei betrieb?“ „Nein, ich denke, er wusste, dass jemand durch einen Tunnel illegal etwas in den Fluss kippte, unregelmäßig versteht sich. Daraufhin hat er angefangen, sich intensiver mit dem Hügel zu befassen, um denjenigen unter Druck zu setzen und einen Fehler machen zu lassen.“ „...Die Baumaßnahmen um den Hügel, die hunderte an Fotos, mit dem winzigen Leuchtpunkt von Muschel, die er im Flur verstreute, damit auch wirklich jeder sie genau sehen konnte... Und das Buch sollte dann wohl der Hinweis an Seijiro sein, falls er es war.“ „Sie unter Druck setzen?“ „Ich sagte doch... für ihn war ich ein Mörder! Ein Mörder!“ Ihr Blick wanderte nach unten, sie erblickte die Ketten, die sich um ihre Beine wanden. Ein trauriger Aspekt schlich sich ein. „Vielleicht waren sie das in seinen Augen schon damals... aber... jetzt sind sie wirklich einer, Herr Tomoko.“ Sie war leise geworden, eigentlich wollte sie es ihm laut und direkt ins Gesicht sagen, sie hatte nichts mehr zu verlieren... und dennoch überwog die Angst vor ihrem eigenen Tod und lähmte ihre Stimme. Seine großen Finger erschienen unter ihrem Kinn, hoben es hoch, so dass sie ihn mit leicht feuchten Augen ansah. Etwas glitzerte auch in seinem Blick. „Glaubst du, das weiß ich nicht selber? Ich hätte es gerne anders gemacht, ich hab ihm die Beteiligung an dem Geschäft angeboten... und wäre er nicht von Mama und Papa gut versorgt, er hätte sich vielleicht auch überzeugen lassen. Er kannte das Gefühl nicht, als Künstler seinen Weg zu suchen, Klinken zu putzen ohne Ende und schließlich doch nur hoffen zu können, dass sich bald jemand findet, der Interesse an den eigenen Werken hat. Ich bin nicht so fantasievoll wie Seijiro oder Daijo und ich habe bei weitem nicht das Vermögen, über welches Atsushiro von Haus aus verfügte, definitiv nicht. Meine einzige Leidenschaft war es, aus allen möglichen Materialien, die es auf der Welt gibt, etwas schönes zu machen... eine teure Leidenschaft, die den wenigsten als Kunst zusagt... ich bin kein großer Künstler, das weiß ich. Verzeih mir, wenn du das von mir dachtest, dann bin ich wohl ein besserer Blender als ich dachte. Das einzige Material, das mich nie im Stich gelassen hatte, waren die Metalle... und wenn man immer wieder das gleiche Motiv von japanischen Kaisern drauf eingraviert, dann wird man irgendwann ganz gut darin. Und diese Kunst wird einem wenigstens abgenommen, nicht wahr?“ Er ließ sie auf dem Boden liegen, ging etwas abseits ein größeres, für Ran nicht zu erkennendes Objekt holen. Metalliches Klirren und Klacken war zu hören. „Dann... habe ich jetzt aber noch eine Frage, meine Liebe...“ Das Objekt entpuppte sich als eine Art großer Stahlträger, vielleicht so lang wie sie selbst groß war, und dazu eine lange Kette, dicker als die Fesseln. „Wie geht es eigentlich... Conan?“ „Aber... wenn er seit einem halben Jahr Druck macht auf Herrn Tomoko, was ist vor einer Woche nun passiert?“ „Das... nun, um es kurz zu machen, ich denke, ihm verging das Warten allmählich. Keine Ahnung, ob ihn etwas bestimmtes aufmerksam machte, aber er ahnte definitiv, dass es Herr Tomoko war, nur zwei Dinge fehlten ihm. Ein Beweis für dessen Schuld und, genau wie uns, der zweite Eingang zur Höhle. Dort würde er ja auch einen Beweis finden. Aber vermutlich hat ihn der 3D-Künstler zu dem Zeitpunkt bereits genauer observiert, wollte dessen Schritte besser verfolgen, er hat ihn ja aufmerksam auf sich gemacht. Was Herr Tashija brauchte, um seine Vermutungen bezüglich des zweiten Eingangs zu überprüfen, war Zeit. Zeit, in der Herr Tomoko ihm nicht nachschlich, sondern ihn beschäftigt vermutete... Na, jetzt klar?“ Das Licht ging Takagi förmlich auf. „Die Wäsche!“ Heiji nickte nachdenklich, als Herr Mori einmal mehr nach Luft schnappend auftauchte, mit resigniertem Kopf wieder tief einatmete und erneut untertauchte. „Es war ein Ablenkungsmanöver. Während die Wäsche lief, hätte er Zeit gehabt, selber zu suchen. Und zu seinem eigenen... Schaden wurde er wohl auch fündig.“ „Nur hat das Tomoko auch bemerkt und ihn in seinem Versteck vermutlich...“ „Es würde mich sehr wundern, wenn er ihn dort gefangen hält... es ist wahrscheinlich nur noch seine Leiche dort, was aber als Beweis mehr als ausreichend sein sollte gegen Tomoko.“ „Das heißt... Herr Tashija brachte die Wäsche rein, machte die Waschmaschine an, ging dann aber wieder?“ „Während der Wäsche war 'Niemand' im Waschraum, ja. Und um nicht sofort Verdacht zu erwecken, hat Herr Tomoko notwendigerweise die Wäsche danach heraus genommen und in sein Zimmer gebracht. Darum meinte ich vorhin, es wären drei unterschiedliche Personen für die drei Phasen des Waschvorgangs. Übrigens ist das auch der Beweis, weshalb es Herr Tomoko war. Er hat nur deshalb ihm etwas gesagt, damit dieser ein verdächtiges Alibi hätte, sollte er etwas dummes planen, eine Sicherheit für Tashijha. Ein Waschtag, von dem niemand sonst etwas wusste und der wie gerufen in eine 'Tatzeit' fällt. Das, was uns als falsches Alibi von Seiten des Täters erschien, war eigentlich ein Druckmittel des Opfers Atsushiro Tashija... Er hatte die Reaktion Tomokos dummerweise unterschätzt und das mit seinem Leben bezahlt.“ „Und was ist nun mit Conan...“ Nachdem sich Ran von dem kurzen Schrecken der Frage erholte, kam sie unmittelbar zu der Antwort, die ihr am sinnigsten erschien. „Er ist gestern Nacht an den Folgen des hohen Blutverlustes gestorben. Sie sind... bereits ein Doppelmör...!“ Aber in diesem Moment fing sie sich erneut einen Schlag ins Gesicht ein. „Lüg' mich nicht an, verstanden? Wäre er wirklich schon tot, hättet ihr euren Mordfall perfekt, schließlich seid ihr alle mit diesem Eindruck zum Schloss gekommen, es wäre ein Verbrechen passiert. Und bei einem nachweislichen Mordfall hätte die Polizei nicht diese Schmierenkomödie abgezogen, sondern wäre gleich in voller Montur angerückt. Was ist wirklich passiert?“ Sein Leuchten wurde noch etwas beängstigender, er war nahe an etwas, was Ran nur mit Wahn beschreiben konnte. Die Schläge taten zwar weh, aber sie waren alle noch kontrolliert, doch wenn er wollte, konnte er mit einem gezielten Hieb sie umbringen. „Er... er kann Ihnen nichts tun, Herr Tomoko. Lassen Sie... lassen Sie ihn in Ruhe, bitte!“ Dieses Flehende in ihrer Stimme, ihrem Blick war etwas völlig neues an ihr, was ihm bisher nicht auffiel. Einzig und allein, weil sie anfingen, über Conan zu reden? „Was. Ist. Mit. Ihm?“ Die Frage war eigentlich weniger drängend als vorher, dafür eben betont abgehackt. „Er hat sein Gedächtnis verloren... durch den Schlag gegen den Stalaktiten.“ Der Moment Ruhe, in dem Herr Tomoko erfasste, dank welchen Glückes er im Augenblick noch ein freier Mann war, regte ihn zu einem ironischen Lachen an. „Lassen Sie... ihn in Ruhe! Er kann Ihnen nichts anhaben mehr! Verdammt, Herr Tomoko!“ Nun brachen tatsächlich einige Tränen aus ihr heraus. „Es ist mir egal, wenn Sie mich töten, aber lassen Sie den kleinen Jungen in Ruhe, er ist keine Gefahr für Sie!“ Sein Lachen erstarb, er blickte sie leicht verwirrt an. „Warum... bedeutet er dir so viel? Er ist nicht mal dein richtiger Bruder. Und du benimmst dich wie ein verblendetes kleines Mädchen, das seine erste Liebe anhimmelt.“ Rans Herz stockte bei dieser Aussage. Die Gleiche... wie bei Kazuha. Nahm sie es mittlerweile für bare Münze, er war Shinichi, sie liebte Shinichi, also liebte sie diesen Conan? Oder wollte sie nur auf Nummer sicher gehen, falls er es war? Beides schien ihr einfach nicht die richtige Antwort zu ihrer eigenen Frage, die sie sich nicht beantworten konnte: Was war Conan Edogawa für sie... jetzt? Zum Zeitpunkt der Ereignisse. „Warum haben Sie ihn nicht beim ersten Mal getötet, als Sie die Chance hatten?“, wich sie seiner Frage aus. „Konnten Sie es nicht?“ Eine gewagte Anklage gegen seine Strebsamkeit und Sicherheit, aber nachdem, was sie eben schon von ihm verlangte, war ihr das auch egal. Er sah sie skeptisch an, dann wandte er sich um zu der Kette und dem Träger. „Vielleicht... ich weiß es nicht, ob ich tatsächlich Reue verspürte, als ich ihn mit der Platzwunde neben dem Stalaktiten liegen sah. Ich fühlte seinen Puls und meinte, keinen mehr zu vernehmen... ich hielt ihn für tot. Aber ob man seinem Gewissen da so trauen kann...“ „Aber im Unterschied zu Herrn Tashija konnte er Conan nicht in diesem Versteck lassen. Conan hat vermutlich auch ganz bewusst, wie Tomoko klar sein musste, diesen Ort gefunden, also war er eine gar nicht so dummer Junge und man würde ihn sehr intensiv, nicht nur im Wald, suchen und noch mehr Verdacht gegenüber den Künstlern hegen.“ „Deshalb der Trick mit der Treppe, der gleichzeitig auch dazu diente, etwaige restliche Lebensgeister ihm auszutreiben...“ Er schien seinen eigenen Worten nicht ganz zu trauen. Der Abend gestern war einfach... er war ihm mittlerweile wie ein Traum erschienen, genau wie der Mord an seinem Kollegen... und Freund. „Es ist wohl wirklich besser, wenn ich diese Gefilde verlasse... in Japan habe ich kein Leben mehr.“ Sein Blick fiel herab auf das junge Mädchen, welches verzweifelt über das Leben eines dritten nachdachte. Ein müdes Lächeln überkam ihn. „Na schön, soll der kleine Conan machen, was er will.“ Mit einem mal wollte sich ihr Blick aufhellen, gefror aber sofort wieder, als sie vor sich die große Kette erblickte, die er eben geholt hatte. „Aber wie gesagt, das gilt nicht für dich.“ „Was? Was... wollen Sie mit... Mhmmm...“Als sie mit jedem Wort lauter wurde, holte er blitzschnell von der Seite die Rolle Klebeband und knebelte sie wieder. „Ganz ruhig, es ist eh gleich vorbei.“ Er nahm die Kette und wickelte sie dreimal eng um ihren Bauch, zog ein entsprechend größeres Vorhängeschloss aus der Tasche und verband die Glieder aller drei Ringe miteinander. Schon jetzt merkte Ran, wie das zusätzliche Gewicht ihr noch mehr auf die Lunge drückte, ihre Atmung war erzwungen flacher geworden, und das noch verstärkt durch das Klebeband, wegen dem sie nur durch die Nase Luft bekommen konnte. Das andere Ende der Kette machte er mit einem gleichen Schloss an dem Stahlträger fest, an dem er die diese durch mehrere innere Löcher wand und mit lautem Knacken sicherte. „Das Gewicht wird dich unter Wasser halten. Die Ketten alleine hätten vermutlich nicht gereicht, aber damit wirst du wie ein Stein zu Boden sinken und auch da bleiben. Und vergiss nicht, solltest du doch den Drang verspüren, aufzutauchen, in etwa vier Minuten geht hier alles hoch... oder besser, kommt alles runter. Darum lieber unten bleiben, dann wird dein Schönheit nicht von den Felsen zerstört.“ Er nahm sie hoch und nun merkte sie erst das Gewicht des Trägers richtig – und damit auch Herrn Tomokos Armkraft. Das Eisen an ihrem Körper musste ihre eigene Masse übertreffen, sie fühlte sich als würden zwei übermächtige Kräfte an ihrem Bauch ziehen, Herr Tomoko nach oben, der Träger nach unten, und sie würde unter der Spannung zerreißen. Mit einem starken Schwung beförderte er sie in ein kleines Boot, in dem sie beim Aufschauen noch eine Taucherflasche und kleineres Gepäck sah. Daraufhin stieß er das Boot an und folgte mit dem Koffer hinterher. Etwa in der Mitte der Grotte, vielleicht fünf, sechs Meter gerade mal vom Ufer, hielt er an, zerbrach die Paddel und warf sie ins Wasser. Ein betrübter, resignierter Blick des Mädchens traf ihn. „Von hier an gehen wir getrennte Wege, Ran. Allerdings... beide unter Wasser.“ Damit nahm er sich die Sauerstoffflasche und das Gepäck, setzte sie auf und stieß mit großem Schwung das Boot um, dass beide ins Wasser fielen. Augenblicklich wurden Ran zwei Dinge bewusst. Erstens, diese Grotte war wirklich die Kloake all der Geldfälschungsarbeit, die hier in den letzten Jahren - und Jahrzehnten zuvor - verrichtet wurde. Die öligen Druckfarbreste, und Metallspäne, die sich im Wasser bewegen konnten, vernebelten ihre Sicht; der Begriff Schmutzwasser war definitiv nicht untertrieben, zumal durch die Ablagerungen am Grund auch das regelmäßige 'durchfluten' mit dem sauberen Flusswasser wenig Einfluss hatte. In der Entfernung sah sie eine Silhouette sich davon bewegen, die sie als den tauchenden Tomoko interpretierte. Zweitens, er hatte, was die Wirkung des Trägers anging, leider vollkommen recht. Seine gravitative Anziehung an den Grund war übermächtig und ihr Körper klappte wie ein Messer um den am untersten Punkt befindlichen Bauch zusammen und gleitete scheinbar ohne Widerstand nach unten. Fünf Meter, tiefer war es wohl gar nicht, so schnell kam sie unten mit einem stumpfen Geräusch an, aber es genügte, dass sie so angekettet niemals auch nur in die Nähe der Oberfläche kommen würde. Vielleicht anderthalb Meter über dem Grund endete ihr Kopf als höchster Punkt. „Verdammt, wo bleiben die nur, sie müssten den Eingang doch bald finden!“, drückte Heiji sein Unbehagen aus, mit jedem Meter, den Herr Mori und Herr Yamamura abtauchten, ohne fündig zu werden. Ein dumpfe, schlimme Vorahnung traf Kazuha in der Magengegend, sollte sie nicht täuschen. Aber sie konnte nicht ahnen, dass ihre Freundin in diesem Moment bereits verzweifelt gegen die um sie befindlichen Wasserwände kämpfte und um ein wenig Sauerstoff rang. Lange bevor sie sie von hier erreichen konnten... 'Nochmal, es muss doch...' Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, versuchte sie sich aus den Stahlfesseln zu winden, nicht zuletzt aus den entscheidenden, um ihren Bauch... nur leider war das am aussichtslosesten, da der Bauch die dünnste Stelle zwischen Hals und Knien war und daher nicht überwunden werden konnte. Sie beruhigte sich, wollte den wenigen verbliebenen Sauerstoff sparen, ob ihr noch irgendein Gedanke kam. Sie schaute sich um, so nah am Boden konnte man wieder was erkennen, und erschrak mit einem Mal. Ganz klar war da, einen Meter neben ihr, eine Person, der das gleiche Schicksal widerfahren war wie ihr. Angekettet an ein großes metallenes Objekt - kein Träger, wie bei ihr, aber wohl vergleichbar massiv – und in diesem Tümpel ertränkt. Sein Körper war noch gut zu erkennen, konnte also nicht so lange schon hier drinne liegen... vielleicht eine Woche... 'Herr Tashija?' Einmal noch rekapitulierte sie die ganze Situation. Dem Anschein nach wussten Heiji und die Anderen nicht, wo diese Höhle war. Selbst wenn, sie war wohl wie ihre Ketten verriegelt und nicht so leicht zu betreten. Sie selbst war unter Wasser, wo man sie auch dann nicht so schnell finden würde, wenn man hier her käme. Käme jemand, könnte diese Person sie trotzdem nicht einfach aus dem Wasser holen, wegen dieses verflixten Träger. Und selbst dann würde in weniger als drei Minuten hier alles in die Luft fliegen und sie und den Retter mit sich nehmen. Schlussendlich... konnte niemand anderes ihren Tod verhindern... und sie selbst... scheiterte seit mindestens 15 Minuten an dem Versuch... überhaupt diese Ketten zu lockern, ohne die sie wohl trotzdem nicht vom Stahlträger wegkam. Ihre Luft wurde weniger, ohne dass sich in der Stille etwas änderte, oder ihr eine Idee, oder auch nur die Hoffnung auf eine Rettung kam. Langsam wurde das Verlangen der Lungen unerträglich, sie würde nicht mehr lange bei Bewusstsein sein – ein weiteres Mal hatte Herr Tomoko Recht behalten. Sie würde die Explosion gar nicht mehr mitbekommen... 'Es... tut mir Leid... Conan.' Und damit stellte sie jede weitere Anstrengung gegen die Ketten ein und ergab sich ihrem Schicksal. Kapitel 22: Sinnlose Rettung ---------------------------- Hallo liebe Leser, ich hoffe, euch hat die Aufklärung zum Künstlerfall beim letzten Mal gefallen.^^ Diese Methode mit dem ständigen Wechsel der Szene war mal eine etwas andere Art, die aber dramaturgisch einfach besser war, angesichts des Umfangs des Falles. Auf jeden Fall bedanke ich mich ganz herzlich einmal mehr bei den fleißigen Kommi-Schreibern. Vielen lieben Dank. Ich bin wirklich über diese Zustimmung mehr als begeistert. ^__________^ Wie ihr seht, es wird diesmal nur bedingt kürzer. ;ppp Denn es wurde ja noch nicht geklärt, wo nun Rita Hayworths zweites Poster hängt, nicht wahr? Und glaubt mir, diese Analogie wird sich als sehr genau herausstellen... Und vielleicht müsst ihr euch diesmal noch ein wenig zurück erinnern... nicht viel, nur ans erste Kapitel der FF (Nicht den Prolog, keine Angst, nur das erste Kapitel). XPPPPPPPPPP Mehr sage ich mal noch nicht vorweg, ihr werdet es ja lesen. Also viel Spaß mit diesem Kapitel und dann bis nächste Woche. LG, Diracdet^^ _____________________________________________________________________________ Kapitel 22: Sinnlose Rettung „Sind Sie nicht der bekannte Fotokünstler, Daijo Hino?“ Das Lächeln Kirikas verwirrte den Fotographen noch mehr als Conans ungewöhnlicher Ausdruck. Hinos Blick war über die Jahre und seine Arbeit mit Bildern eigentlich geschärft genug, um das zu erkennen. 'Es ist falsch. Dieses Lächeln... ist einfach falsch. Im Gegenteil, ihre Augen strahlen nur Kälte aus... Kälte... und Angst?' Er schluckte heftig, die Situation schien ihn zu überrumpeln, hatte man ihm doch vor Kurzem erst gesagt, Conan liege noch mindestens bis heute Abend im Koma. Dann dieses komische Verhör, die erneute Erinnerung an sein berüchtigtes Foto von vor gut einem Jahr, die unruhige Nacht nach dem Bild des halbtoten Jungen... er wollte jetzt einfach nur mal etwas frische Luft schnappen und seine Gedanken neu ordnen. Und nun... gut, es war zwar aufgrund der Lage eine wenig befahrene Straße, aber dennoch, wo, wenn nicht hier sollte mal ein Auto vorbeikommen? Aber dieses Auto warf ihn auf besondere Weise aus der Bahn. Eben jener Junge, der eigentlich noch schlafen sollte – und mit diesen leeren Augen, als würde er ihn von gestern nicht wieder erkennen... Und mehr noch diese merkwürdige Frau... diese Frau, die ihm mit ihrem bloßen Blick einen Schauer über den Rücken jagte. „Äh... ja... ja, der bin ich. Conan hat Ihnen mich schon vorgestellt?“ Als der Blick des Jungen daraufhin nur noch skeptischer wurde, noch unwissender, überkam den Künstler ein leichtes Angstgefühl. „C-Conan? Was ist denn, ich bin es, Daijo Hino. Der, den du gestern Löcher in den Bauch gefragt hast.“ Auf diese Antwort hin zeichnete sich schon eine Reaktion ab auf Conans Gesicht, eine abweisende, leicht finstere. „Was... was ist...?“ „Wir würden gerne zum Schloss Kunieda, sind wir hier richtig?“, durchschnitt Kirika, als hätte sie gar nichts vom Blickkontakt der beiden mitbekommen, jeden roten Faden mit einem kecken Lächeln, als könne sie keiner Fliege was zu Leide tun. Auch Conan musste jetzt schlucken. Sie log, definitiv. Sie war doch offiziell erst vor nicht allzu langer Zeit aus Frankreich nach Japan gekommen, hatte sie selber gesagt. Das hieß, dass sie einen kleinen, höchstens mittelmäßig bekannten Fotokünstler kennt, schien reichlich unrealistisch. Hinzu kam, wenn sie ihn kannte, wusste sie auch, dass er auf diesem Schloss lebte und damit natürlich auch, dass allein ihn anzutreffen ein sicheres Zeichen war, dass sie auf dem richtigen Weg waren. 'Überhaupt...', kam ihm jetzt in den Sinn, 'Wir hatten im Krankenhaus doch gar nicht erwähnt, wo genau ich den Unfall hatte und ob Ran ihr das so deutlich gesagt hatte vorher... unwahrscheinlich, so, wie sie sich anfangs wegen meiner Amnesie benahm, glaube ich eher, dass sie draußen deswegen ziemlich... heftig reagieren und wenig anderes an sich ranlassen würde... Also wieso kennt sie das Schloss, und auch die Künstler? Wer ist sie... wirklich?' Angesichts der Gedanken, die er sich über seine Vergangenheit machte und die Schlüsse, die ihm dabei kamen, glaubte er langsam sie zu verstehen, und doch, nun war alles wieder anders. Nun wusste allerdings sie nicht mehr deshalb so viel über ihn, weil sie sich kannten... sie kannte ihn... als ob sie ihm nachspionierte... „Äh... ja... sicher, ich komme doch gerade da her. Dieser Weg führt nur zum Schloss. Noch ein Kilometer etwa.“ Sollte das gespielte Unwissenheit sein? Conan musste mit einem Mal schlucken: Kirika wusste ja auch nichts über den Mordfall! Und dieser Fotokünstler, wenn er aus dem Schloss kam... war womöglich der Mörder! „Sollen wir Sie vielleicht mitnehmen zurück zum Schloss, wenn es eh noch ein Kilometer ist?“ 'Schock, sie weiß es wirklich nicht!!' Conan wurde direkt mulmig, als er in die leicht verängstigten Augen Hinos blickte. Wovor hatte der Angst? Es konnte doch fast nur sein, dass er Conan fürchtete... dass dieser ihn verriet... oder nicht? Das ungute Gefühl, welches den Jungen seit einigen Minuten quälte... es wollte einfach nicht weniger werden. Und Herr Hino schien zögerlich zu überlegen, mit einzusteigen. Schließlich zog er Kirika am Arm, dass sie sich zu ihm umdrehte und er ihr andeutete, den Künstler nicht mitzunehmen. „Was hat er denn?“ „Conan? Oh er hat sich bei dem Sturz von der Treppe leider doch stärker verletzt, als gehofft. Steigen Sie ein, wir erklären es Ihnen unterwegs. ... Ach so... Conan wollte wissen, ob Sie ein Mörder sind?“ Beide, der Junge wie der Künstler, waren für einen Moment leichenblass nach hinten gekippt, Kirika nahm überhaupt keine Rücksicht auf sie. Sie... sie... sprach einfach aus, was die Anderen dachten und wie es war. In zweierlei Hinsicht war das beeindruckend. Dass sie zum Einen so viel wusste, was ihr niemand hätte erzählen können. Woher wusste sie von der Treppe, von dem Mordversuch, von Hino, Kunieda...? Und zum Anderen, dass sie es einfach hinnahm und offen darüber redete. Das war quasi absurd. Jede Form höheren... 'geheimen' Wissens assoziierte man doch mit... nun ja, Geheimnissen, mit Verschwiegenheit. Sie aber offenbar in diesem Fall nicht, was Conan umso mehr zu der Frage brachte, warum sie ihm etwas vorenthielt was seine Vergangenheit anging. Selektiv differenzierte und manche bedeutsamen Dinge ausließ und andere quasi als unbedeutend ausplauderte... Woher kam ihm das nur bekannt vor? Es war als hätte er das schon mal erlebt, vor nicht all zu langer Zeit. Eine Person, die ihm sein Unterbewusstsein nur schemenhaft, als Silhouette darstellte, vermutlich ein Mann, der auf ähnliche Weise geredet hatte. War das... die Macht der Soldats, von der sie im Krankenhaus gesprochen hatte? Letztlich war die Reaktion Hinos fast erzwungen. 'Er hat sich doch stärker verletzt als gehofft. Ich erkläre es Ihnen unterwegs.' Da würde jeder neugierig werden, egal ob er etwas damit zu tun hatte, oder nicht. Gleichzeitig vermittelte sie den Eindruck, ihm nichts Böses zuzutrauen... was die Frage nach dem Mörder zu einem geschmacklosen Scherz degradierte. Und genau so nahm er ihn auch wahr, lächelte verlegen, als würde er es lustig finden, als hätte Conan nur Angst vor dem großen bösen Mann, den er verkörperte. Der gestern auch leicht frustriert reagierte, als ihn Conan dauernd mit Fragen zum Fischfoto löcherte. Schließlich willigte er ein, nahm auf dem Rücksitz hinter Conan Platz, und nahm nur noch wahr, wie die Augen beider Vorderleute ihn eindringlich musterten. Conan war gar nicht wohl bei dem Gedanken, wer da hinter ihm sein könnte... Und mit einem Mal schien auch Kirika dies ernst zu nehmen, fixierte seine Bewegungen im Rückspiegel messerscharf mit Augen, die plötzlich wie die eines Adlers wirkten, der sein Ziel aus der Luft anvisierten. Mit wachen, traurigen Augen beobachtete Hino den kleinen Jungen, nachdem ihm Kirika erklärt hatte, was sich nach seinem Aufwachen – welches überraschenderweise kurz nach dem Verlassen des Krankenhauses von Ran und den Anderen eintrat – herausstellte. Dass die Gehirnerschütterung durch den Sturz ihm sein Gedächtnis genommen hatte und er ihn deswegen nicht wieder erkannte. Lediglich der Rat des Arztes, die letzten Erlebnisse vor dem Unfall zu rekapitulieren, vor allem auch die Treppe, um mögliche Traumata zu vermeiden, brachte ihn erneut, mit einer Freundin, Kirika Yuumura, wieder her. Den Mord, von dem sie eigentlich nichts wissen durfte, ließ sie auch aus, und alles andere formulierte sie so schwammig, dass Hino es ohne weiteres mit den Aussagen von Ran und den Anderen in Einklang bringen konnte und durch Erklärungsfetzen diese Aussagen in ihrer Quintessenz auch Conan und ihr wiedergab. Ein in sich geschlossenes System, welches jedweden Verdacht, den er gegen Conan, Herrn Mori und Heiji Hattori erhob, zerschlug. Zu geübt war er im Interpretieren von Augen und Gesichtsausdrücken, als dass ihm Conan da etwas vorspielen könnte. 'Seine Geradlinigkeit, die Zielstrebigkeit und Präzision, die sich gestern in seinen Augen widerspiegelte, ist vollkommen weggeblasen und einer undefinierbaren Leere gewichen.' Der Junge selbst konnte sie wohl nicht mal richtig deuten und die Amnesie schien die mit Abstand sinnigste Erklärung. Dann war da aber noch... Kirika Yuumura. 'Nie zuvor habe ich solche Augen gesehen! Als ob sie die tiefsten Tiefen und höchsten Höhen menschlicher Existenz bereits zur Genüge gesehen hätte, und sich seitdem daran weder erfreut, noch in irgendeiner Form... davon fasziniert ist. Und um das zu übertünchen dieses falsche Lächeln, das fast nur auf... Amüsement zurück zu führen ist. Als ob sie... als ob sie belächelt, was wir Sterblichen hier tun. Sie steht über den Dingen, ganz darüber... ohne das im Geringsten zeigen zu wollen. Merkwürdig.' Conan beschäftigten drei Probleme im Moment. Das eine war eine Neubewertung der Situation. Er hatte Kirika bis zu diesem Augenblick vertraut. Und das nicht ohne Grund, weniger aus Intuition, nein. Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt, wenn auch nicht die volle. Sie wusste viel, sie kannte seine Vergangenheit. Was er gerade enträtselte, war für sie ein offenes Buch, in dem sie blättern konnte, vielleicht mit ein paar Abstrichen bei seinen jüngeren Gedanken, kurz vor dem Treppensturz. Nicht, dass ihm diese Gedanken irgendwie bekannt wären oder er sie nutzen könnte, um ihr gegenüber einen Vorteil zu haben. Daher gab es wohl nichts, was er im Moment wusste, was sie nicht besser wusste. Nun aber log sie, in mehrerlei Hinsicht. Sie schien seine Aktionen genauer zu kennen, zu wissen, was er tat, obwohl sie, gerade sie, es nicht wissen konnte. Sie log, für jemanden, der es wusste, offen und frei heraus. Machte das all ihre Aussagen von vorher zunichte? War alles nur Illusion und er musste ganz von vorne wieder anfangen, sich zu verstehen? Eigentlich nicht, denn ihm selbst kamen sie unterschwellig bekannt vor, diese Assoziationen, sie ergaben Sinn, bis zu dem gewissen Grad, den er im Auto ansprach. Er konnte einfach kein Kind sein. Da lag ein grundsätzliches Problem, nämlich, dass Ran ihn nicht erkannte, als sie sich trafen. Es passte auf perfide Weise, überlegte man sich, was seine Vergangenheit scheinbar war, als großes Konstrukt zusammen, wenn auch diesem noch einige Lücken anhafteten. Es musste... einfach die Wahrheit sein. Hinzu kam nun der erste der Künstler, dem wohl gleich die zwei anderen folgen würden. Dem Anschein nach hatten ja Heiji und Herr Mori den Fall noch nicht gelöst, als Herr Hino das Schloss verließ, sonst hätte er ihnen mittlerweile davon erzählt. Was würde er dort vorfinden? War es wirklich so klug, dahin zu fahren, wegen Ran? Er durchbrach damit alle Pläne der Detektive, auch wenn Kirikas Geschichte sich durchaus in das Bild einfügen würde... Aber dennoch ist da der wahre Täter noch irgendwo im Schloss... zumindest höchst wahrscheinlich. Aber das alles lief nur nebenbei in seinem Kopf ab, etwas anderes störte die Konzentration, seit geraumer Zeit, noch bevor Hino einstieg. Ein komisches Gefühl. Eine innere Unruhe, Vorahnung... Angst vor einem kommenden Ereignis. Etwas völlig unbestimmtes, dem er nichts Richtiges abgewinnen konnte. War doch etwas passiert? Mit Ran womöglich? Ihr Mitfahrer machte nicht den Eindruck als ob dem so wäre, er war aber sicher auch schon eine Weile draußen, vielleicht zwischendurch. Irgendetwas... aber so unbestimmt, dass Conan es einfach nicht einordnen, nicht fassen konnte. 'Ob es mein Alter Ego könnte?' Augenblicklich kam er zum dritten Grund für seine abschweifende Haltung. Das wollte er eigentlich noch mit Kirika klären, bevor sie zum Schloss kamen, aber dann kam die huckelige Straße, die seiner Verletzung nicht gut tat, das mulmige Gefühl und nun Daijo Hino dazwischen. Wer... wer war er denn nun... wirklich? Er war so weit zu sagen, er sei kein Kind, verbunden mit einer gewissen Assoziation zu Ran. Aber wer war denn nun diese erwachsene Person, aus der irgendwann Conan Edogawa entstand, und wie? Zunächst dachte er, dass dies für ihn eine unbeantwortbare Frage wäre, weil er einfach keinen Anhaltspunkt besaß, das stimmte jedoch nur fast. Ganz am Anfang, kurz, nachdem er aufgewacht war und mit dem Mordaspekt konfrontiert wurde... da gab es diesen einen Moment. Heiji wollte sagen, dass Conan sich keine Gedanken mehr darum machen müsste, weil er, der 'Detektiv des Westens', sich darum kümmern würde. Eine Aussage, die ihn damals stutzig machte, weil Tokio eher den Osten Japans bezeichnete. Die Frage nach dem Pendant zu Heiji Hattori wäre da beinahe abgewürgt worden, weil der Arzt, Dr. Asunaja, so beeindruckt von Conans Schlussfolgerungen war. Merkwürdig beeindruckt, wie ihm im Nachhinein auffiel. Aber er bekam eine Antwort... von Ai. Der Detektiv des Ostens sei gerade mit einem größeren Fall beschäftigt und deshalb nicht erreichbar. Konnte das eine ironische Umschreibung sein für... Der Detektiv des Ostens war mit einem größeren Fall beschäftigt, hat sich da in Schwierigkeiten gebracht, und versteckte sich... durch welchen Zaubertrick auch immer, im Körper eines Kindes... Und ach ja, das Kind bist du, Conan, aber verrat's keinem, ja? Es war insofern weit her geholt, als das alles nur Spekulation war, ein Beispiel für die Möglichkeiten, die es gab, wenn auch ein fruchtbares. 'Da war vor allem noch der Punkt, dass Ai meinte... er und Ran seien befreundet, worauf hin Ran auch so merkwürdig guckte... Schon allein bei der Nennung 'Detektiv des Ostens', starrten sie komisch. Kann natürlich einfach der Schlussfolgerung an sich geschuldet sein... Obwohl eigentlich auch wieder nicht, wenn diese Leute wussten oder auch nur ahnten, was ich als Conan Edogawa drauf hatte, dann wäre so etwas doch relativ harmlos. Außer... ich hab zufällig tatsächlich gerade auf mich verwiesen...' Er musste sich ein sarkastisches Schmunzeln verkneifen. Ja, wenn er sich selbst damit meinte, war der Satz für jeden, der ihn verstand, wirklich ein Meisterstück an Ironie. Ein Wunder, dass keiner lachte. Der Name dieses Detektivs, obwohl nur ein einziges Mal genannt, blieb ihm jedenfalls hängen, was er auch als auffälliges Zeichen sah. Der Name rief keine so abweisende Reaktion vor wie Conan Edogawa. 'Shinichi Kudo. Ob das mein... richtiger Name ist?' Weiter als bis zu dieser Frage kam er aber nicht, wegen besagter Störungen. Das Gefühl wurde mit Erreichen des Schlosses, welches sich ruhig in die Landschaft einordnete und im Moment mehr eine düstere, alle Laute verschlingende Aura von sich gab, unerträglich. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Und er sollte sich nicht so viel Zeit lassen, es herauszufinden, so viel stand fest. „Könnten... könnten wir uns etwas... beeilen?“, brachte er zögerlich hervor, unwissend, wie er es sonst formulieren sollte, da er keinen wirklichen Hinweis hatte. „Ganz ruhig, kleiner Mann.“, versuchte Hino, als er sich aus dem Wagen zwängte, zu besänftigen. „Deine Vergangenheit läuft dir schon nicht weg. Siehst du, Herrn Moris Wagen ist auch noch da, also alles in Ordnung.“ „Hallo, Katsui, Seijiro? Herr Mori, Heiji?“ Keine Antwort. „Ist keiner da?“, rief er etwas lauter, als sie die Eingangshalle passiert hatten und im Wohnzimmer standen, das ebenso gähnende Leere bot. „Merkwürdig, ob die beim Hügel sind?“ „Wohl kaum, Rans Schuhe standen im Eingangsbereich.“, konterte Kirika trocken. „Ich hab die ganze Gruppe ja vorhin noch im Krankenhaus gesehen, samt ihrer Schuhe, ihre sind die einzigen, die ich auch im Flurbereich fand, die anderen kannte ich nicht.“ „Äh... welcher Hügel?“ „Ach ja, du weißt es nicht mehr. Der große Erdhügel, mitten im Wald, den Atsushiro Tashija, unser verschwundener Kollege vor ungefähr einem Jahr entdeckte. Heiji Hattori wirkte sehr interessiert daran. Aber... wir wissen alle, wo der Hügel ist und können den Weg auch beschreiben. Selbst wenn nicht, mehr als einer muss sie doch nicht dahin begleiten. Und das wäre vermutlich Seijiro, unser Maler, da Katsui nicht unbedingt gerne 'Touristengruppen', wie er es nennt, betreut.“ Nachdenklich fasste er sich ans Kinn. 'Warum sollten alle jetzt weg sein?' „Was ist denn das für eine Treppe, Herr Hino?“ Conan hatte dem Mann kräftig am Hosenbein zerren müssen, bevor dieser aus seinen Gedanken aufschaute, und selbst eine Erleuchtung hatte. „Ach ja, die Kellergalerie. Da, wo wir unsere früheren Werke ausstellen. Katsui wollte heute Nachmittag da unten arbeiten, ich erinnere mich. Und da unten herrscht guter Lärmschutz, er wird uns wohl einfach nicht gehört haben. Gehen wir mal nachsehen, ob er genaueres weiß.“ Nach unten klang gut in Conans Ohren. Etwas zog ihn nach unten, etwas mit diesem Gefühl. Und mehr hatte er ja leider nicht. Sein eklatanter Fehler war, dass er vom Fall praktisch nichts wusste, auch wenn dessen womöglich ganze Aufklärung in den Tiefen seines Unterbewusstseins ruhte. Er hätte schon im Krankenhaus fragen sollen, aber das hatte Heiji mit eiligen Plänen unterbunden. Hier war nun keiner, außer Herrn Hino, der aber noch nichts über den Fall erfahren sollte, und Kirika, die zwar scheinbar etwas wusste, aber nichts verriet. Es blieb ihm wirklich nur das Gefühl, das ihn seit geraumer Zeit quälend voran trieb. Zum Schloss selbst, und nun in den Keller. Und mit jedem Schritt, erst recht nach der Feststellung, welche Schuhe noch da waren, war er überzeugter, es hatte mit Ran zu tun. Der Person... für die er vor seiner Amnesie... vielleicht... Die längliche Treppe führte die drei tief in den dunklen Bereich des Schlosses, in denen auch Kirika und Conan einmal mehr erstaunt wirkten. „Reichlich dunkel, für ne Galerie.“, stellte Kirika kühl fest. „Die Räume sind ja auch dahinten, das hier ist nur ein Vorflur.“ „Aber ist das ein Grund für diese Dunkelheit, ein bisschen mehr Licht wäre doch echt nicht das Problem hier drinne, oder?“ „Nun ja, wir haben uns dran gewöhnt, und... notwendig finde ich es nicht. Hey... Katsui, bist du da?“ Er rief etwas gedämpfter, so abdichtend waren die Türen selbst nicht mehr, der Korridor der Treppe schluckte mehr Lautstärke. Doch unerwarteterweise bekam er auch diesmal keine Antwort, und fand die Tür beim Aufschließen... offen vor! „Was... was geht hier vor sich? Wieso ist die Tür offen?“ Allmählich gingen Conan und Kirika ein Licht auf, was passiert war. „Alle im Schloss Anwesenden sind durch irgendein Ereignis überstürzt aufgebrochen, haben quasi alles stehen und liegen lassen. Nur... Ran offenbar nicht.“ „Aber wieso finden wir sie dann nicht?“ Die Stimme des Mannes wurde leise, die bösen Vorahnungen der anderen beiden übertrugen sich nun auf ihn. „Dass sie verschwunden ist... auf die gleiche Weise, wie Herr Tashija.“ Sie waren hier richtig, daran bestand für Conan keinerlei Zweifel. Die zweite offene Tür, zur anderen Galerie bedeutete, dass hier unten auch gesucht wurde bereits, wenn auch ohne Erfolg. 'Verdammt! Was...' Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, ging sein Blick Richtung Treppenaufgang und fing den berühmt berüchtigten Vorleger ein. „Was ist das?“ Er deutete mit skeptischen Blick auf das große Stück alter Webkunst. „Oh man, könnt ihr Detektive endlich mal den blöden Teppich in Ruhe lassen?“ Hino fasste sich an die Stirn, spürte leichten Schweiß darauf. „Wieso... lassen?“ „Man, seit einer Woche wurde dieser Teppich bereits dreimal umgedreht, durchgeschüttelt, untersucht... Die Polizei vor einer Woche, Herr Mori gestern, wobei du übrigens sehr aufmerksam zugeguckt hast, und heute auch Heiji! Was habt ihr nur damit? Da ist nichts drunter, hier!“ Wütend stapfte er an ihnen Vorbei, riss den Teppich mit großem Ruck um, rollte ihn zusammen und stellte ihn an die Seite. „Wollt ihr rüber gehen, und nach Falltüren suchen, bitte schön, sagt Bescheid, wenn ihr was habt! Ich würde aber gerne Ran suchen, wenn sie tatsächlich verschwunden sein sollte.“ „Aber sie ist hier irgendwo verschwunden.“, gab Conan leise, aber bestimmt zurück, während er sich auf dem Boden unter dem Teppich zu schaffen machte, sehr zur Verärgerung des Künstlers. Ein Blick zu Kirikas ruhigem, unbeteiligten, neutralen Ausdruck aber ließ auch ihn seinen Blutdruck senken. „Da... da ist nichts, Conan. Du findest da auch nichts, wenn die anderen nichts fanden.“ Er wusste, dass dieser Gedanke Hinos richtig war. Wenn man eines weder der Polizei noch einem guten Detektiv vorwerfen konnte, unabhängig von seinen Fähigkeiten der Fallaufklärung, dann Schlampigkeit bei klaren Zielen. Akribie war ein Markenzeichen der modernen Gesetzeshüter und eine Notwendigkeit für freiberufliche Kriminologen. Er musste nachdenken. „Wir sind hier im Keller... es gibt die Galerien, zu denen alle Zutritt haben, mit sicherlich einigen Besuchern ab und zu... eigentlich sehr ungeeignet. Und dann hier den Vorflur... in dem es nichts gibt... außer diesen Teppich.“ Stirnrunzelnd ließ er sich auf dem harten Holzpanelen-Boden nieder, stützte sein Kinn auf den rechten Arm und diesen wiederum auf die gefalteten Knie. „Nichts... außer dem Teppich... nichts außer dem Teppich.“ Immer und immer wieder säuselte er diese Worte vor sich hin, suchte nach dem Sinn, und drehte sich doch nur im Kreis. „Es ist nichts da, außer ihm.“ Herr Hino, der hinter ihm auf der Treppe stand, setzte sich langsam runter und sah ihn von hinten an. „Wieso... seid ihr alle so fixiert darauf?“, fragte er zögerlich nach? „Hm?“ „Naja, OK, da ist ein Teppich, der hier wohl eher überflüssig ist, aber warum interessiert dass euch, dich, die Polizei, und auch die Detektive so sehr? Ich bin Künstler, darum bilde ich mir nicht ein, so wie ihr denken zu können. Du aber hast auch solche Ansätze von einem Detektiv, das fiel mir schon gestern auf. Aber ich verstehe es eben nicht.“ „Seine Existenz, Herr Hino. Er ist da, wie sie sagten, ohne notwendig zu sein. Eine Auffälligkeit, eine Unregelmäßigkeit. Das begründet einen Fall. Wäre alles 'normal', ohne Abweichungen, dann könnte es doch keinen Fall geben, weil dieser sich durch die Abweichung definiert. Der Teppich ist eine solche Abweichung, und nebenbei die einzige hier. Also hat er einen Grund. Das ist unser einziger Hinweis.“ „Warum?“ „Warum... Was?“ Er drehte sich um, sah dem Mann mit der Brille tief in die Augen. „Warum... nur weil er parallel zu Atsushiros Verschwinden da ist, sollte er Teil des Falles sein? Warum muss alles einen Grund haben, was auch ohne ginge? Warum... ist der Teppich nicht einfach da, und der Fall... etwas ganz anderes?“ „Etwas... ganz... anderes?“ „Genau... ich meine...“ Doch er kam nicht weiter, weil Conan aufsprang und nach oben starrte. „Das Licht... es ist so wenig, dass man kaum was auf dem Boden erkennen kann! Und der Teppich ist das Einzige, was hier nicht hingehört.“ Wie ein Geistesblitz durchfuhr ihn die Erkenntnis. Ja, jetzt konnte er sich ganz sicher sein, dass sein früheres Leben aus Detektivarbeit bestand. „Natürlich. das heißt, der Teppich... ist nicht das eigentliche Versteck. Es ist... einfach eine Ablenkung. Hier ist irgendwo etwas, ein Eingang vielleicht eine Falltür wie Sie sagten, Herr Hino, die aber wegen dem Teppich einem einfach nicht auffällt.“ „Moment mal Conan...“, unterbrach ihn Kirika, „...so schlecht ist das Licht nun aber auch nicht, dass man eine Falltür oder ähnliches hier nicht erkennen würde.“ „Eine Falltür nicht...“ „Aber eine ansonsten augenscheinliche Tarnung geht bei dem Licht schon unter!“, vervollständigte Hino, den die Erkenntnis auch traf. „Natürlich, bei solchen Lichtverhältnissen würde man vieles einfach nicht erkennen, was normalerweise offensichtlich nicht passt.“ Damit kniete auch er sich hin, und fühlte mit den Händen den Boden ab. „Wobei... in einem Schloss von Künstlern wäre das naheliegendste wohl einfach... HIER!“, schrie er förmlich aus, als er etwa fünf Meter vom eigentlichen Liegeort des Teppichs, an der Seite, wo niemand lang gehen würde, fündig wurde! Augenblicklich kamen Kirika und Conan angerannt und betrachteten... „Was... ist denn hier?“ „Man sieht es nicht, schon gar nicht bei so bescheidenem Licht. Aber man fühlt es, es ist eine ganz dünne Stoffschicht, die bemalt wurde. Und zwar in den Farben und den Form der umliegenden Holzpanelen. Bei normalem Licht auch schwer zu erkennen, aber durchaus möglich, aber hier... undenkbar, wenn man nicht danach sucht.“ Er zog vorsichtig am Rand das unten mit dünnen Klebeblättchen locker festgemachte Stoffstück ab. Nur um darunter die praktisch identische Sicht auf Panelen zu bekommen. Beinahe identisch, bis auf die deutlich sichtbaren Rillen, die rechteckig durchführten, und das kleine Loch, zum Hineinfassen. „Ein Eingang in einen geheimen zweiten Keller?“ „Ja, da, wo man ihn nicht erwartet, gerade weil alles da ist, was man erwartet, nämlich nichts. Wie Sie selber sagten, es ist einfach anders, als man bei einem Detektiv denken würde.“ Conans Zuversicht über diesen Erfolg war getrübt von dem immer stärker werdenden Gefühl, dass er sich beeilen müsste. „Schnell, wir müssen sehen, wohin der Weg führt!“ Hino griff in das Loch, wollte die Tür öffnen, blieb aber stecken. „Verdammt, es klemmt! Ach... nein, es klemmt nicht, es ist von der anderen Seite zu... da ist ein Widerstand, vielleicht ein Schloss oder so, es klingt metallisch. Man kann einen Zentimeter vielleicht anheben, dann bleibt es stecken.“ 'Nein! Nein, nein, nein, wir können doch jetzt nicht so dran scheitern... Ran!' Er beugte sich mit vor, wollte Hino helfen, auch wenn seine bescheidene Kraft wenig daran änderte. Und wenn es wirklich ein Schloss war, dass dort ihnen im Weg war, würden sie auch zu dritt nichts erreichen... „Geht aus dem Weg!“, kam es ohne jede Emotion auf einmal von hinten, von Kirika. Beide wollten sich gerade entnervt umdrehen, blickten dann aber mitten in den Lauf einer Pistole, und schraken zurück. Hino noch einen Schritt weiter als Conan, krabbelte rücklinks mehrere Schritte zur Seite, besah sich den Blick der jungen Frau. Er war kalt, eiskalt... der Tod in Person stand da vor ihnen. Und was oder wen auch immer ihr verlängerter Arm mit der Beretta traf... es wäre ihr... egal. „W-wer... wer zum Geier sind Sie?!“ Aber sie antwortete nicht, sondern richtete die Pistole nur schweigend auf das Loch in der Falltür. „Waah, sind Sie wahnsinnig, wenn die Kugel vom Schloss abprallt, wird sie in diesen Raum zurück reflektiert und...“ „Meine Kugeln bestehen aus einer weichen Bleilegierung. Diese kommt durch das Holz durch, wird aber am Schloss zerstört. Außerdem kommt es nur auf den Winkel an, wie die Kugel das Schloss trifft, um es zu öffnen. Das ist einfach.“ „Einfach?! Das ist Milimeterarbeit, ein Grad daneben und einer von uns ist tot! Stopp, ich rufe die Polizei... ich...“ Aber ihr Blick ließ ihn verstummen. Er sagte aus, dass er sie gerade bei der Arbeit störe, und sie das entsprechend mit einer weiteren Kugel beantworten würde, sollte er weiter machen. Daraufhin ergriff er panisch die Flucht nach oben und ließ sie mit Conan alleine zurück. Der Junge schluckte heftig, beobachtete die Pistole und die Frau, die sie hielt. Ihr Blick war nicht nur kalt, er war auch beängstigend selbstsicher. Sie war eine ganz andere Person als vorher. „Wer... wer sind Sie... wirklich?“ Er bemerkte selbst erst ein paar Sekunden später, dass er sie mit 'Sie' anredete in diesem Moment. Sie war einfach nicht die Person, die er kennen gelernt hatte, zumindest dachte er das. Sie hatte sich entfremdet. Ihre Blickrichtung änderte sich nicht, sie sah ihn nicht an. „Du weißt, dass ich die Antwort auf diese Frage nicht kenne, Conan! Ich habe meine Identität vergessen. Und du weißt... wie ich mich nenne. Wer bin ich, Conan?“ Sie löste einen Arm von der Pistole, so dass sie nur mit dem rechten diese auf das Schloss ausrichtete, aufrecht stehend, aus einem Meter Entfernung, so das Conan sie in der ganzen Statue von der Seite sehen konnte. Ein Bild, das er in seinem Unterbewusstsein gespeichert hatte und das in diesem Augenblick hoch kam. „Du... bist... Noir!“ „Ja.“ In dem ewig andauernden Bruchteil einer Sekunde der zwischen diesem Wort und dem Schuss verging, wurde ihm die Bedeutung dieses Namens klar. Sie war eine Mörderin. Sie war... sein Feind denn er war Detektiv. Sie war das genaue Gegenteil von ihm, von seinen Zielen, seinen Idealen... und doch vertraute er ihr bis eben. Und sie war nicht einfach Mörderin... sie war Noir, eine Profikillerin! Nein... nicht einfach eine Profikillerin, der beste Auftragsmörder, den es auf der Welt gan. Und offenbar auch eine der besten Scharfschützen der Welt. Dem ohrenbetäubenden Schuss folgte unmittelbar das krachende Zerspringen des eisernen Schlosses unter der Tür und Kirika hob, ohne zu ihm zu schauen, die Tür hoch. „Du... bist... eine Mörderin.“ „Du solltest jetzt gehen, Conan.“ „Du...!“ „Willst du Ran retten?“ Er stockte. 'Ran!' „Ich habe eben, parallel zum Schuss, eine Art... Platschen gehört, als fiele etwas ins Wasser. Du solltest dich beeilen, wenn du sie retten willst.“ „Was?“ Er blickte noch eine Sekunde zu ihr, sah wie ihr Blick etwas an Kälte verlor, einem Anflug von Traurigkeit wich. Dann sprang er, ohne weiter nachzudenken, in das tiefe Loch und lief in die eine Richtung, die der Gang nur kannte. Kirika stand einen Moment da, blickte sich um, und folgte dann mit etwas Abstand. Der Gang war für seine kindlichen Verhältnisse groß, aber für Erwachsene definitiv eng. Dennoch konnte er sich relativ schnell vorwärts bewegen, lief immer geradeaus, vielleicht 30 Meter über unwegsames Gelände, auf ein undeutliches Licht zu, welches sich ihm zu erkennen gab. „Ran? Ran! RAN!!!“ Aber keine Reaktion, lediglich das Geräusch leise fließenden Wassers, welches sich in einer Art unterirdischen Grotte gesammelt zu haben schien. Kirika sah ihn laufen, konnte aber in dem Tempo nicht hinterher, also blieb sie ruhig und suchte bestimmt ihren Weg. Plötzlich blieb sie stehen, als ein kleines Geräusch sie zur Obacht rief. 'So ist das...' Das Licht stellte sich als eine künstliche Lichtquelle in einer hallengroßen Höhle, welche merkwürdige Maschinerie, die er nicht wirklich einordnen konnte, beherbergte, heraus. Metallische Gerüche und Farbdämpfe sammelten sich in der Luft, hier wurde eine kleinere bis mittlere Industrie betrieben, etwas hergestellt, nur was? 'Keine Zeit, Ran ist wichtiger!' Er hörte das Wasser, suchte die Quelle, und fand die kleine Grotte, etwas seitlich vom Eingang zur großen Höhle. Am hinteren Ende war ein kleiner Durchfluss, aus dem das Wasser wohl entkommen konnte... „Das Wasser!“ In der Mitte der Grotte fand er ein kleines, umgekipptes Boot, unereichbar, ohne zu schwimmen, und daneben zerbrochene Paddel... und. 'Ein paar Luftblasen!' Man musste schon gut hinsehen, aber da stiegen kontinuierlich kleine Luftblasen auf, etwa einen Meter abseits des Bootes. 'Es... tut mir Leid... Conan... Shinichi!' Ihre Luft war fast am Ende und sie meinte, bereits zu haluzinieren, denn ein Schatten schien sich im Wasser in ihre Richtung zu bewegen. Aber dann wurde der Schatten größer, bekam immer konkretere Strukturen, wurde deutlicher und dunkler. 'Was... was ist das?' Ihre Augen weiteten sich als sie die Kontur erahnte, und dann auch der Brille gewahr wurde, die das Licht, das bis hier unten durchdrang, an seinen Bügeln streute. 'Conan!' Wild zappelnd suchte sie nach einem Weg, ihm ein Zeichen zu geben, wo genau sie war, und gab schließlich einen verzweifelten Stoß ihrer restlichen Luft durch ihre Nase frei, um ihn als größere Blasenansammlung den Weg hinauf zur Oberfläche steigen zu sehen. 'Da ist sie! Und sie lebt noch!' Diesmal merkte er wirklich wie ein kleiner Stein von seinem Herzen abfiel. Aber gleich wieder wurde es schwerer in seinem Gemüt, als er erkannte, warum sie da unten nicht wegkam. 'Ketten?! Und ein großes Gewicht? Verdammt.' Kaum hatte er sie erreicht, unternahm er nur kurz den sinnlosen Versuch, mit seinen beschränkten Kräften an dem Eisenträger etwas auszurichten. Als dies wie erwartet sinnlos blieb, tauchte er bis zu ihrem Kopf, sah ihr tief in die Augen. Darin stand eine Hoffnung, die er selbst gar nicht im Moment aufbrachte. Und eine, die ihr gar nicht zustehen sollte, weil sie kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Und dennoch, sie war da diese Hoffnung eindeutig, und sie richtete sich ganz auf ihn. Allein seine Anwesenheit schien ihm Hoffnung zu geben. Ohne lange drüber nachzudenken, riss er den Klebestreifen von ihrem Mund. Wenn sie überhaupt eine Chance haben sollte, zu überleben, brauchte er mehr Zeit. Erneut, wie als er aufwachte, war sein Gesicht so nah an ihrem, dass es seine Gefühle zum Wallen brachte. Und er ahnte mittlerweile, warum das so war. Warum sie ihm das Leben retten konnte, einzig und allein, weil sie ihn rief, als er bewusstlos war. Und warum er sie nun unbedingt auch retten musste. Er ignorierte alle Emotionen, die in ihm aufstiegen, nahm ihren Kopf in beide Hände und drückte seine Lippen auf ihre. Sie brauchte Luft und er konnte immerhin jederzeit wieder die fünf Meter zur Oberfläche tauchen. Auch Ran schien von dieser Berührung verwundert, verstand aber den tieferen Sinn und drückte ihrerseits die verbrauchte Luft ihrer Lungen über die Nase hinaus. Es dauerte ein paar Sekunden und als Conan losließ, meinten beide, im Gesicht des anderen einen schwachen, vom grünlichen Wasser mit seinen vielen Verschmutzungen fast unkenntlich gemachten Rotschimmer zu erkennen. Kurz gab er ihr ein fragendes OK-Zeichen, welches sie nur abnickte, und er tauchte so schnell es ging, wieder hoch. „Haaah!“, atmete er endlich wieder 'frische' Luft ein, auch wenn man bei den Farb- und Metallgerüchen nicht von frisch sprechen konnte. Dazu kam, er merkte, wie sein von der Transfusion noch geschwächter Körper auf die Anstrengung mit gewaltsamem Ungehorsam gegen seine geplanten Aktionen reagierte. Er musste sich ranhalten, solange er noch etwas zu tun in der Lage war. „Kirika! KIRIKA!!!!!“, schrie er verzweifelt nach der einzigen Person, die ihm helfen konnte. Unter Wasser waren selbst solche Gewichte nicht mehr überschwer. Die junge Frau müsste Ran unter Wasser bis zum Rand tragen können, dass sie wenigstens nicht mehr unter Wasser wäre. Alles weitere konnte man später klären, da hätte man mehr Zeit. Aber es kam keine Antwort. Und Kirika war auch nirgends zu sehen. „KIII-RIII-KAAAAAAAA!!!!! Verdammt... Kirika... wo bist du?“ Ihm wurde nun doch wieder Angst. Sicher Ran, würde unter Wasser mit seiner Luft zwei Minuten ohne große Probleme aushalten und er konnte sie dann wieder beatmen, nur würde das das Problem nicht lösen. Er wusste nicht wo der Erbauer dieser Höhle war, der Ran ertränken wollte, und ob diese Person bald wieder käme. Und selbst wenn nicht wie lange, bis hier runter jemand anderes käme? Herr Hino schien eher aufgeschreckt wegzurennen, als würde er nur jemanden holen. Und Kirika war nun auch noch verschwunden. Er blickte sich um, von der Oberfläche aus, suchte nach etwas brauchbarem, am besten natürlich den Schlüssel für die Ketten... Aber der war nicht zu finden. 'Ich muss zurück!' Tief Luft holend unternahm er den zweiten Tauchgang durch das trübe Wasser. 'Ran hat eine kleine Wunde über dem Auge.', erinnerte er sich. 'Sie sollte auf jeden Fall auch nicht länger als absolut nötig hier unten bleiben, sonst holt sie sich eine Blutvergiftung!' Die Angekettete saß ruhig und möglichst ohne jede unnötig Bewegung in ihrer Position. Dass sie selbst nichts tun könnte, war ihr schon länger klar, und etwas anderes als auf Conan vertrauen war auch nicht drin. Sie musste ihm vertrauen... auch, weil sie Heiji das Vertrauen entsagte und nur deswegen in dieser gefährlichen Situation sich befand. 'Da ist er wieder.' Conan tauchte vor ihr auf, machte ein paar bezeichnende Gesten, um ihr den Schlüssel anzudeuten. Sie verstand, konnte aber nur den Kopf schütteln. 'Den letzten für das Schloss am Eisenträger hat Herr Tomoko mitgenommen, die der anderen Ketten vernichtet.' Sein Blick trübte sich wie das Wasser zu einem beunruhigenden Ton, und er tauchte hinunter zu dem Schloss des Trägers, welches etwa auf Höhe ihres Bauchnabels war. 'Wie kriege ich dieses Schloss nur auf... Ein Dietrich oder so... eine Nadel, irgendetwas, das... natürlich!“ Die Fahrt hierher hatte ihn doch zur Genüge daran erinnert, dass sein Kopf mit einem Verband... '... und einer Sicherheitsnadel verbunden ist.' Er schnappte sich die Nadel zielsicher mit einem Griff, zog sie aus ihrem Verband und fing an, im Schloss herumzustochern. Irgendwie meinte er, wenn schon ein Dietrich einer seiner ersten Gedanken war und er mal Detektiv war, dann musste in seinem Unterbewusstsein das Wissen versteckt sein, wie man mit so einer Nadel Schlösser knackte. Es war ein einfaches, handelsübliches Vorhängeschloss für Privatleute, keine Herausforderung für Einbrecher oder so. Also musste es gehen. 'Es muss einfach!' Ran beobachtete aus dem Augenwinkel seine Versuche, an dem Schloss zu manipulieren. Es gab wohl keine wirkliche Hilfe auf der Oberfläche, wenn er zu so einem verzweifelten Trick zurück greifen musste. Wusste er überhaupt, was er tat, wenn er noch ohne Gedächtnis war? Oder hatte er es schon wieder? Es sah nicht wirklich so aus, er stocherte mehr drin herum... wobei auch Ran nicht im Ansatz wusste, wie man solche Schlösser knackte, nur dass es bei Standardschlössern wohl tatsächlich funktionierte. Das hatte Shinichi ihr mal erzählt und gemeint, es selbst erlernt zu haben. 'Wenn das keine angeberische Lüge war... bitte Conan...' Sie stockte, war nahe einem kleinen Schockzustand. An seinem Kopf schien sich ein wabernder Schatten zu bewegen, sich nach oben auszubreiten. 'Oh mein Gott, seine Platzwunde von gestern!' Seine Wunde war ja viel größer als ihre und brauchte länger zum Verheilen, darum der Verband. Ohne die Klammer lockerte er sich. Dazu das geschwächte Immunsystem, das nun den Angriff des unsauberen Wassers abwehren musste. Wild zuckte sie hin und her, wollte ihn wegscheuchen, dass er das Wasser verließ, aber er konnte nicht. Auch er hatte bemerkt, was an seinem Kopf vor sich ging, zog aber einen anderen Schluss. 'Wenn ich jetzt auftauche, kann ich nicht nochmal runter Ran, weil die Wunde sonst zu stark aufgeht oder sich voll saugt mit dem Wasser. Ich muss es jetzt schaffen, auf der Stelle, in diesem Atemzug.' Das war ihm von Anfang an klar, als er sich entschied, die Sicherheitsnadel zu benutzen und er versuchte ruhig alle Winkel auszutesten und die Reaktion des Schlosses abzuwarten. Eine Minute war er nun wieder unter Wasser, Ran also schon anderthalb auf seiner Luft. Aber er bewegte sich mehr und hatte kleinere Lungen, hoffte, dass sie so besser und länger es aushielt, aber ihm wurde die Luft schon mehr als knapp. 'Verschwinde Conan, bitte!' 'Da!' Es hatte sicher nochmal dreißig Sekunden gedauert, als das Schloss sich drehte und die interne Verankerung des angebauten Kettengliedes löste. Seine Luft war quasi verbraucht und mit letzter Kraft schob er das Schloss durch die Kettenglieder durch, die es verband. 'Nur noch... eine, dann...' Aber in diesem Moment wurde die Schwäche seines Körpers übermächtig, ihm schwarz vor Augen und sein Griff erschlaffte. In Zeitlupe für Ran, bewegte der Auftrieb den Körper langsam von ihr weg nach oben. 'CONAN!' Sie versuchte, wieder die Konzentration zu gewinnen 'Er hat es doch geöffnet. Ich muss mich doch jetzt... hhm... rauswinden können. Noch ein bisschen. Na los!' Endlich drehte sich das Schloss, als sie sich zur Seite wand, nach unten weg, gab nur noch die Ketten frei. Sie musste sich noch zweimal um ihre eigene Achse drehen, um die Windungen los zu bekommen, dann aber war sie frei. Zumindest frei von dem Träger. Und sie merkte, dass Herr Tomoko ein weiteres Mal recht behalten sollte: mit den übrigen Ketten zumindest konnte sie auftauchen und auch über Wasser bleiben. 'Conan!' Sie kniete sich auf den Grund, und stieß sich mit aller Kraft davon nach oben ab, um die Wirkung des Gewicht der Ketten auszugleichen. Der kleine Junge trieb immer noch aufwärts und das mit dem Kopf nach unten, also ohne von alleine Luft zu bekommen, selbst wenn er auftauchen würde. 'Ich komme, Conan!' Es war wie ein gerader Strahl, den sie durch das trübe Wasser erzeugte, gebildet von den vielen Luftblasen, die durch die schnelle Bewegung entstanden. Genau auf Conan zu. Aber wie ihn in gefesselter Form ergreifen und transportieren? Es gab wohl nur eine Position, wie ihr in den Sinn kam. Sie änderte den Winkel ihrer Bewegung ein wenig nach vorne, kurz an ihm vorbei und presste ihre Unterarme – die Oberarme waren ja von Ketten an ihren Oberkörper gebunden – soweit es ging nach hinten, erzeugte eine Art Korb aus ihren Armen und Händen, in dem sie Conan halten wollte. 'Komm schon, komm schon.' Wenigstens einmal muss sie ihm doch auch helfen können. So oft hatte er ihr schon geholfen, sowohl als Conan als auch als Shinichi. Und diesmal einmal mehr war es ihre Schuld, dass alles so schlimm lief. Wenn jetzt ihretwegen Conan etwas passierte und sie überlebte seinetwegen, das würde sie sich nicht verzeihen, niemals. Jugendliche Dummheit, Übermut, diese Laster waren ihr beinahe zum Verhängnis geworden. Sollten sie, jeder hat eine Strafe für Fehler verdient, auch wenn sie natürlich angemessen sein musste. Aber mit anzusehen, wie der eigene Retter starb, weil er sich für sie opferte? Das wäre mehr als jede physische Strafe, das wäre Folter, und zwar für den Rest ihres Lebens. Da tauchte er vor ihr auf, jetzt musste sie ihn erwischen. Wenige Zentimeter vor ihm, ging ihr Kopf an seinem Körper vorbei, er striff die Arme und... 'Hab dich!' Die Hände griffen zuerst noch ins leere, als sie seinen Oberkörper von unten fassen wollte, aber im zweiten Versuch packte sie ihn von beiden Seiten – bei einem Kind reichte dafür sogar die Spanne der gefesselten Hände gerade so aus – und klemmte ihn dazwischen. Bruchteile von Sekunden später durchstieß sie die Oberfläche mit tiefem Seufzer und lautem Knall. Der Winkel war günstig, so dass sie weniger als zwei Meter vom Ufer entfernt wieder aufkam im Wasser und die restliche Strecke sich an Land robbte. „Na los. noch ein bisschen!“ Sie kämpfte sich mit letzter Kraft das kurze Stück vorwärts, Conan nie aus ihrem Griff entlassend, bis sie endlich erschöpft, aber sicher, bis zur Taille auf trockenem Land war. Hechelnd wendete sie sich zur Seite, ließ ihn ab und drehte sich zu ihm um. „Co-Conan? Conan, wach auf!“ Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Conan! Du hast mich gerettet, du kannst jetzt doch nicht... nicht gehen!“ Seine Atmung schien flach, aber sie war da... und konstant. Das Problem war die Wunde an seinem Kopf, der rote Fleck auf dem Verbandsmaterial wurde größer und größer. Sie war wieder aufgegangen und anstatt einfach Blut zu verlieren, hatte er sich diesmal womöglich vergiftet. Und sie konnte ihm im Moment ja dennoch nicht weiter helfen, sie war immer noch in Ketten und kaum weniger erschöpft als er. „CONAN! Wach auf, verdammt!“ Die Tränen liefen diesmal ohne Unterlass, sie konnte sie nicht zurückhalten. Es war ja scheinbar niemand anderes da, sonst hätte er nicht im Alleingang das Schloss geöffnet. „Conan, wach bitte auf! Wir sind doch jetzt... in Sicher...“ Noch einmal stockte sie, und alle ihre Hoffnungen zerbarsten an einem Fakt, den sie für einige Minuten vergessen hatte. „Die Bomben! Gleich fliegt hier alles in die Luft! Conan! Conan!“, aber er wachte nicht auf, egal wie laut sie schrie. Und selbst wenn, weder hatte er die Möglichkeit sich zu bewegen, noch konnte sie sich bewegen... und die Sicherheitsnadel ließ er los, als er im Wasser bewusstlos wurde. „Es bleibt sicher keine Minute mehr... C...Conan.“ Keine Reaktion, außer ein schwaches Lächeln, welches sich auf seinen blau angelaufenen Lippen abzeichnete. „Nein...“, hauchte sie verzweifelt. „Nein.“ Es war nur ein Meter zwischen ihnen und... zwar hatte Tomoko gemeint, es fällt einem die Decke auf den Kopf, aber er konnte wohl kaum das ganze Schloss zum Einsturz bringen. Sie nahm ihre Kräfte noch einmal zusammen - ihre Erschöpfung basierte ja im Wesentlichen auf der vielen verbrauchten Luft unter Wasser und so konnte sie sich besser erholen – und robbte sich auf den kleinen Jungen zu, igelte sich um ihn ein, und schließlich, nach einigem hin und her, über ihn drüber, schirmte seinen ganzen Körper mit ihrem ab. Sie vergoss eine letzte Träne, eine die ihn auf der Stirn traf. „Es tut mir Leid, Conan. Vielleicht... hast du ja das Glück, dass dir keine Steine auf den Kopf fallen, wenn sie stattdessen mich treffen. Ich kann es.. nur hoffen. D-Danke, dass du mich schon wieder gerettet hast, Conan. Lebwohl.“ Sie beugte sich runter, schloss die Augen und wartete. Etwa acht Sekunden später explodierte die erste Bombe, vielleicht zwanzig Meter neben ihnen, mit lautem Getöse. Kapitel 23: Rans Entscheidung ----------------------------- Hallo liebe Leser, schön, wenn ihr euch immer noch her verirrt – oder muss ich jetzt allmählich in Deckung gehen, damit nicht Messer geworfen werden, weil ich immer ne Woche Pause nach... etwas dramatischeren Kapitel-Enden mache? ;ppppppppppppppp Also ein Versprechen, am Ende dieses und auch des nächsten – des letzten – Kapitels, wird es nicht um Leben und Tod für Ran und Conan gehen, ehrlich! ^-^ Was nicht heißt, dass ihr nicht unter Umständen dennoch hiernach die Messer neu schärft.... *Muhahahahhahahah* *Schluck* So, mal weg von den Metaphern und Hyperbeln, ich hoffe, der ganze Fall um die Künstler hat euch gefallen, mein bisher komplexester wohl. Aber man soll ja immer noch nach höherem streben. Beim nächsten Mal wird es ne ganz andere Gruppe an Leuten betreffen... Und an dieser Stelle wie immer ein herzliches Danke schön an die fleißigen Kommischreiber.^^ Die letzten beiden Kapitel betreffen essentiell ein... anderes Thema, ich will gar nichts groß vorweg nehmen, außer dass der Titel nicht ihre Entscheidung vom letzten Kapitel, Conan mit ihrem Körper vor den Explosionen zu schützen, meint... So, dann wünsche ich viel Spaß beim Lesen, am Ende des Kapitels melde ich mich nochmal kurz. Insofern, bis nachher. ^.~ LG, Diracdet _____________________________________________________________________________ Kapitel 23. Rans Entscheidung Das Getöse der Explosion gar nicht weit neben ihnen warf einzelne Steinkörner bis in Rans Gesicht. Die pieksenden Nadelstiche spürend krümmte sie ihren Körper nur noch mehr um den kleinen Jungen, um, wie auch immer, ihn vollkommen abzuschirmen. Die Bewegung hatte fast schon etwas von einem Reflex, denn sie wusste selbst nicht, ob sie noch ganz bei sich, oder durch den Schock dieser ersten Explosion bereits in ein leichtes Koma gefallen war. Nicht, dass sie sich dann hätte krümmen können, aber zu solchen Gedanken war sie gar nicht mehr fähig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Brocken von einer anderen Seite oder, wovor Ran sich am meisten fürchtete, von oben, kommen würden. 'Gleich ist es vorbei...' In doppelter Hinsicht, wie sie zu verdrängen suchte. Die Angst würde verschwinden, aber auch keine wirkliche Erleichterung folgen. Wieso musste es gerade so enden? Die einzige Frage, die ihr jetzt klar vorschwebte. Jetzt, wo ihr zwei Dinge eigentlich klar waren. Die Person vor ihr, das musste doch Shinichi Kudo sein, ihr verschwundener Freund. Der vermisste Detektiv, der ihr schon mehrfach das Leben rettete. Und... dass sie ihn liebte. Dass das, was sie vor langer Zeit einem vermeintlichen Kind erzählte, ansonsten aber den meisten Leuten gegenüber gewissenhaft verschwieg, keine leeren Worte waren. Dass es keine Gefühlsschwankungen waren, keine bedeutungslosen Sehnsüchte. Es war echt. Sie hatte sich an ihn gewöhnt, und hatte dann die Welt ohne ihn erlebt. Hatte versucht, ohne ihn zu leben, normal zu leben, hatte neue, andere Menschen kennen gelernt, Höhen und Tiefen – oh ja, die tiefste Tiefen – erlebt, aber... dabei nur eines festgestellt. 'Wirklich ohne dich konnte ich nie, Shinichi. Das ist wohl der Unterschied zwischen einem kleinen Flirt... und wahrer Liebe. Sie kann... einfach nicht abgeschlossen werden.' Die Sekunden verrinnten wie Ewigkeiten und die starre, auch jenseits der Fesseln unbequeme Haltung Rans ließ sie glauben, sie befinde sich vielleicht bereits unter Tonnen Gestein begraben. Aber... da war nichts... nichts außer dem altbekannten Stahl, der sie in diese Form zwängte. „Wo... wo bleiben die anderen Explosionen?“ Es war still, die Höhle hatte bis auf das Geräusch des Wassers hinter ihr jedweden Ton scheinbar verloren, der Widerhall ihrer Stimme drang direkt zu ihr zurück. „Es gibt keine weiteren.“ Mitten in diese Ruhe drang die feste, emotionslose Stimme einer ihr vertrauten Person. Erschrocken hob sie ihren Kopf, wandte ihn nach rechts, und sah im Profil vor sich entstehend eine junge Frau mit vor ihrem Körper verschränkten Armen. „K-Kirika?!“ „Ich habe die anderen Bomben entschärft.“ „W-was?!“ Sie starrte sie nur völlig baff an. Wo kam Kirika jetzt her? Eigentlich gleich bedeutend mit der Frage, wo überhaupt Conan so plötzlich herkam. Aus dem Krankenhaus? Warum? Und wie? Wie sind sie hier rein gekommen, in die Höhle? Es war doch verschlossen. Und wieso dann 'nur' die beiden, wo waren die Anderen? Und woher wusste Kirika von den Bomben? Und wie konnte sie sie entschärfen? Die Fragewelle in diesem Moment überrollte sie förmlich. Ging es bis eben 'nur' um leben oder sterben, war ihr fast alles andere egal, so wurde ihr nun klar, wie unverständlich, verwirrend die Situation eigentlich war. „Wie... die... 'anderen' Bomben?“, stammelte sie zögerlich. Es war wohl die überflüssigste Frage von allen. Mindestens eine war ja offensichtlich übrig geblieben und eben hochgegangen. Kirika antwortete auch nicht direkt, bewegte ihre Augen leicht nach oben, fixierte einen Punkt hinter Ran. Das Mädchen windete sich krampfhaft um, um selbst zu sehen, was sie meinte. An der Stelle, wo sich jetzt ein Haufen Geröll sammelte und im Wasser eine neue Insel aufzutürmen schien, befand sich bis eben der Tunnel hinaus aus der Grotte. „Ich wollte sicher gehen, dass der Täter nicht nochmal zurück kommt. Deswegen hab eich diese Bombe nicht entschärft.“ „A-aber... wie? Woher weißt du, wie man Bomben ent...“ Sie erstarrte in ihren eigenen Worten, als sie sich gerade umdrehte und mitten in den Lauf von Kirikas Baretta blickte. Ihr kalter Blick, den Ran früher als einfach nur neutral, schüchtern interpretierte, kam ihr nun wie die verklärte Fratze des Todes höchst persönlich vor. Es war etwas abgestumpftes dahinter, etwas, das die Angst in Rans Augen als völlig belanglos bewertete. Was diese Frau in ihrem Leben schon gesehen haben mag, war ihr nie wirklich klar, aber in diesem Moment wusste sie eines ganz sicher. An den Anblick von Toten, wie auch sterbenden Menschen, die über ihr Schicksal Bescheid wussten, die vielleicht vor ihrem Henker um Gnade bettelten, war sie vollkommen gewöhnt. Es war für sie... alltäglich, wie in diesem Augenblick. Es hatte keinerlei Einfluss auf sie. „Wer... bist... du?“ Ein dunkler Schatten schien über ihr Gesicht zu huschen, ansonsten aber blieb es absolut regungslos. „Der Nachhilfeunterricht ist wohl vorbei.“ Sie entsicherte kurz die Waffe und richtete sie aus auf Ran. Verängstigt schloss sie die Augen, wandte sich um... dann fiel der Schuss, und sie selbst in eine tiefe Dunkelheit, genannt Ohnmacht. „Hallo? Ist hier unten wer?“ Der laute Ruf drang nur langsam zu ihr durch. Aber dann deutlich. Sie hörte jemanden, jemanden rufen. Und sie vernahm das Geräusch von Wasser in einer Höhle sowie durch die Nase den Geruch von Farben und Metallen. Sie war immer noch hier, sie war immer noch am Leben! Und sie fühlte sich... unbestimmt behaglich, anders als vorher. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, blickte geradeaus, in das schlafende Gesicht eines kleinen Jungen. „Conan!“ Sofort bemerkte sie seine Blut- und Wasser getränkten Bandagen am Kopf, die Wunde, die wieder aufgegangen war. „Conan?! Conan, wach auf, bitte!“ Sie rüttelte ihn heftig, in der Hoffnung, eine Reaktion zu erhalten, doch seine Miene blieb unbeweglich. 'Meine Arme?' In diesem Augenblick erst wurde ihr klar, was sich so ungewöhnlich im Vergleich zu vorher anfühlte. Sie war frei! Um sich blickend fand sie die Reste der Ketten neben sich liegend, und die Schlösser... „... zerbrochen?“ Sie wirkten direkt zerstört, mit grober Gewalt. 'Kirika? Hat sie etwa... mit ihrer Pistole nur die Schlösser...' Der Gedanke schien ihr direkt absurd, selbst wenn sie, wovon Ran überhaupt keine Vorstellung hatte, eine gute Schützin sei, sie war vollkommen unverletzt und die Schlösser Zentimeter neben ihrem Körper gewesen... Und dennoch... jemand anderes war es doch auch nicht. „Da, da sind sie, das ist Herr Moris Tochter, glaube ich!“ Endlich, im faden Licht der einzelnen Lampe nahm sie die Polizeiuniformen wahr. Sie waren gerettet. „Wie geht es dir? Da ist noch der kleine Junge, von dem Herr Hino sprach. Er ist verletzt. Ruf einen Krankenwagen, schnell!“ Vieles von dem, was in den folgenden Stunden noch passierte, bekam Ran erst später richtig mit, auch sie war erschöpft und leicht benommen ins Krankenhaus gebracht wurden und erfuhr es im Nachhinein von Kazuha und den Anderen. Heiji hatte dank Herrn Yamamura den Eingang vom Fluss etwa hundert Meter weiter stromaufwärts gefunden. Eine dünne Steinplatte, die mit Erde säuberlich überdeckt und auch teilweise mit wasserfestem Universalleim fixiert wurde. Nur von außen zu verschließen, dann aber praktisch unauffindbar. Die Polizei, die angerückt war mit zwei Tauchern, teilte sich auf. Die beiden Taucher folgten mit Ausrüstung und bewaffnet dem Tunnel unter dem Wald in die Tiefe, bis vor ihnen das Licht einer künstlichen Quelle auftauchte. Der verängstigte Herr Tomoko wollte umdrehen, kam auch bis zum Ende seines großen Tunnelbauwerks, fand aber wie von Kirika geplant diesen verschlossen und sich damit in einer Sackgasse wieder. Einen Moment wollte er sich noch wehren, schwach war er ja nicht, aber zwei Probleme, jenseits der beiden Polizisten machten ihm zu schaffen. Am Ausgang würden sicher noch deutlich mehr auf ihn warten. Und diesen müsste er erstmal erreichen, da er schon mehr Sauerstoff als üblicherweise bei einem Tauchgang durch den Tunnel verbraucht hatte und sein Vorrat bald zur Neige gegangen wäre. Da es keinen Ausweg gab, außer besagten in einem Kilometer Entfernung, ergab er sich letztlich kampflos den Beamten. Der zweite Trupp begab sich zum Schloss, nicht zuletzt, weil man unterwegs noch zwei Anrufe erhielt. Der eine kam aus der Villa eines 82 Jährigen Mannes, dessen Augen von einer sehr umfassenden Erfahrung, was diese Welt betraf, zeugten. Am Krückstock gehend, mit leicht verrauchter, leiser Stimme, war Tomoji Kunieda immer noch eine imposante Gestalt, die Kommissar Shiratori dort gegenüber stand und Respekt einflößte. Als er sich mit den Vorwürfen, die Takagi geschildert hatte, konfrontiert sah, glitt ein resignierendes Lächeln über seine Lippen, während er die tiefe Nachmittagssonne dieses Herbsttages sich in leuchtendem Orange auf die Stadt ergießend durch seine Panoramafenster beobachtete. „Hm... Das Leben ist doch... wirklich wie ein Spiel. So lange es nicht vorbei ist, kann einem noch der dümmste Fehler vom Anfang das freudige Ende kosten, selbst wenn man quasi auf der Ziellinie steht, nicht wahr, Herr Kommissar?“ Er setzte sich mit grimmiger, aber auch gelöster Miene, in seinen warmen Sessel, und erklärte, kurz, und direkt auf die Fragen des Polizisten antwortend sein Wissen über das Geheimnis seines Schlosses. Insbesondere, wo der Eingang zur Höhle zu finden war. Dieser Information folgend leitete er die anrückenden Beamten an, wie sie zum Versteck kommen würden. Der zweite Anruf stammte aus dem Polizeihauptquartier und besagte, dass ein gewisser Daijo Hino, der im Schloss Kunieda wohne, einen Notruf gemeldet hatte, weil im Schloss eine wild gewordene Frau mit einer Waffe um sich schoss. Leider erreichte dieser Notruf die Polizisten erst am Schloss, die Frau, die wenige Minuten vorher vorschriftsmäßig ordentlich und der Sirene Platz machend, an ihnen vorbei fuhr, hatten sie nicht mehr abfangen können. Lediglich die geöffnete Falltür, wie von Shiratori beschrieben, sowie darin, wie von Takagi vorhergesagt, Ran Mori. Woher der kleine Junge kam, erklärte der Künstler dann ohne selbst die Situation zu verstehen. Eine Untersuchung bezüglich Kirika gab es zwar, aber diese brachte lediglich zwei Dinge hervor. Erstens, sie besaß einen gültigen Waffenschein und war wohl auch seit ihrer Ankunft in Japan in einem Tokioter Schützenverein aktiv und für ihre beeindruckenden Fähigkeiten dort bekannt. Zweitens waren Herrn Hinos Aussagen maßlos übertrieben, da sich die zerstörten Patronen lediglich am Schloss der Falltür sowie an den Kettenschlössern zu Rans Fesseln fanden. Ihre Fingerabdrücke hatten sich an den Bomben, ausgenommen den Resten der einen Explodierten, nachweisen lassen, ansonsten war in der gesamten Höhle nichts außer ihren Fußspuren. Da niemand verletzt war und auch Herr Hino zugestehen musste, dass sie offiziell vorhatte, das Schloss mit ihrer Baretta zu öffnen, konnte man ihr höchstens gefährliches Verhalten vorwerfen, was aber aufgrund einer Notsituation und ihrer gegebenen Möglichkeiten wenig Aussicht hatte, vor Gericht irgendeinen Bestand zu haben. Letztlich beließ es Kommissar Megure sie einmal persönlich darauf hinzuweisen, die Waffe nicht einfach so mit sich zu führen und schon gar nicht unter Menschen zu benutzen. Mireille wohnte dieser 'Rüge' mit einem ironischen Grinsen auf den Lippen und einer Tasse Tee in den Händen bei. Shiratori, Megure und nicht zuletzt Takagi, der sich vor beiden für gewisse 'Unstimmigkeiten' bei der Auskunft zu Conans Zustand und den Ermittlungen im Fall des verschwundenen Künstlers Atsushiro Tashija rechtfertigen musste, diskutierten eine ganze Weile über diesen Fall, während sie im Krankenhaus – in dem es ja immer noch einen weiteren mysteriösen Fall gab, auch wenn dieser offiziell gelöst war – auf die Ergebnisse zu Conans möglicher Vergiftung warteten. Ran hatte sich außer einer leichten Unterkühlung durch das Wasser und den kalten Boden in der Höhle nichts zugezogen, und wartete nun ebenfalls seit zwei Stunden darauf, dass Conan aufwachte. „Er hat sich leider nicht nur eine leichte Blutvergiftung zugezogen.“, gab einer der Ärzte, der sie mit ungewöhnlich distanziertem Blick beobachtete, an. „Da er unter Wasser das Bewusstsein verlor, hat er auch einiges von dieser Brühe geschluckt. Glücklicherweise hat die Polizei eine Probe mitgebracht, so konnten wir abschätzen, was diese Substanzen in seinem Blutkreislauf anrichten und das Blut reinigen. Aber vorläufig, auch wegen seiner Erschöpfung, ist er nach so einer Behandlung in einem kritischen Zustand. Wir müssen abwarten, wie er reagiert.“ Das war, wie gesagt, vor zwei Stunden. Mittlerweile war es Abends, und die dunkle Nacht ließ ihr Gesicht im Fenster reflektieren. Sie sah den traurigen Blick, den sie selbst aufsetzte, den sie eigentlich schon so lange nicht mehr sehen wollte. Daneben tauchte das Gesicht Professor Agasas auf, der sich zu ihr setzte, Ai, Kogoro, Kazuha und Heiji etwas weiter weg, die drei Polizisten abseits, die beiden Fälle leise erörternd. Herr Yamamura und Herr Hino waren vor einer Weile aufs Präsidium gefahren, um ihre abschließenden Aussage zu machen. Der alte Mann beobachtete sie eine Weile, fand sie tief in Gedanken versunken. „Ran...“ „Sagen Sie, Professor... wieso sind die Ärzte jetzt auf einmal so abweisend zu uns gewesen? Sind sie wütend, dass Conan einfach so mit Kirika abgehauen ist aus dem Krankenhaus?“ „Weißt du es noch nicht?“ Sie schüttelte neugierig den Kopf, was ihn laut schnaufen ließ. Er erklärte ihr kurz, was sich zwischendurch ereignet hatte, dass drei Ärzte ihr Leben verloren hatten, und dass aufgrund der Verbindungen das Gerücht wohl die Runde machte, wonach Conan ein Unglücksbringer sei. Dem Schock in ihrem Gesicht folgte ein deutlicher Trotz. „Schwachsinn!“ Sie wollte eigentlich laut protestieren, aber ihre Stimme gab unwillkürlich nach. Sie kniff die Hände zusammen, sah wieder in ihr künstliches Spiegelbild. „Es ist doch... Ironie, oder nicht, Professor?“ „Äh... was?“ „Das Spiegelbild. Eigentlich ist es Glas, gemacht, um durchzusehen, um Licht hinein zu lassen... aber es lässt immer nur da mehr Licht hinein, wo weniger vorhanden ist. Jetzt, wo es draußen dunkel ist, wird das wenige Licht, das von draußen reinkommt, überstrahlt von den Flurlampen und stattdessen können alle hier hinein sehen. Und wir sehen nur..., wofür wir uns eigene Geräte in die Badezimmer hängen und Fenster nicht brauchen. Die Leute kaufen sich Jalousien und Abdunklungen, nur um diesen Effekt zu vermeiden...“ Was war nur mit ihr los? Wollte sie sich irgendwie ablenken? Auch Ai und Kazuha beobachteten von einiger Distanz ihre kurze Ansprache. „Ich meine nur... das Glas macht nichts als Dasein. Dennoch... über das Jahr gerechnet macht die Scheibe die Hälfte des Tages das Gegenteil von dem, was sie soll. Ist das dann ihre Schuld? Selbst... selbst wenn Conan ein Talent hat... Verbrechen um sich zu scharen... er ist es doch auch, der sich darum bemüht sie aufzuklären. Er verübt sie doch nicht... und er ist auch nicht... verantwortlich für sie.“ Sie kniff die Lippen zusammen, verdrückte die Träne, die sich in ihrem Auge bildete. Es war ihr selber merkwürdig, warum sie diese Assoziation hatte... praktisch... Physik. Mamoru. Unwillig stützte sie ihre Stirn auf den rechten Arm. Wieder kam der Gedanke an diesen Studenten, der damals einfach verschwand, nachdem er ihr diese eine Botschaft hinterlassen hatte. 'Wenn die Raben vom Tower wüssten, warum man ihnen die Flügel abschnitt, würden sie niemals in Erwägung zu ziehen, davon zu fliegen... und man könnte sie in Frieden leben lassen.', fügte sie noch an. Irgendwo schien es naheliegend, was er sagen wollte. Ja, Shinichi wollte Ran nicht in Gefahr bringen. Unter dem Gedanken, dass eine mächtige Organisation im Hintergrund stand, so wie es ihr Vermouth und Gin angedeutete hatten - eine die ihn womöglich verfolgte - mehr als verständlich. Und vermutlich hätte sie sich früher viel weniger eingemischt, wenn sie diesen Gedanken vorher kannte. Aber... das alles traf einen Aspekt nicht! Sie sah auf, blickte sich um. 'Der Professor. Ai... wie auch immer sie richtig heißt... vielleicht erfahre ich das eines Tages ja. Heiji. Inspektor Takagi. Kirika und Fräulein Bouquet. Sicher seine Eltern. Miss Jodie vom FBI. Womöglich auch Sonoko? Das sind schon zehn...zehn Leute, die dieses Geheimnis offenbar kennen, Shinichi. Wie oft habe ich dich gefragt? Wie oft habe ich auch mit aller Macht förmlich darum gebettelt, es von dir zu erfahren.Wie oft hast du mich als Conan wegen dir weinen sehen. Und glaub mir, ich habe deinen Blick in diesen Momenten auch bemerkt. Es hat dich nicht... kalt gelassen. Egal, ob du es warst oder nicht. Das... das kann doch nicht sein... dass sie alle so viel bessere Argumente fanden, dich zu überführen als ich.' Es war einfach nicht möglich für sie, das in Betracht zu ziehen, so... dumm war sie doch nicht. Einen Teil konnte sie sich denken, seine Eltern hätten niemals Ruhe gegeben, deswegen mussten sie es ja wissen. Der Professor hatte die beiden noch am Tag seines Verschwindens bekannt gemacht, also hatte Shinichi es ihm wahrscheinlich freiwillig erzählt und danach erst gemerkt, dass er das besser nicht tun sollte... aber dann... 'Ist ja nicht so, dass ein Mensch einem Kind so einfach abnehmen würde, er wäre in Wahrheit ein Erwachsener, dafür braucht es einige gute Gründe.' Und er war auch nicht der Typ, der rumlief und es jedem Dahergelaufenen erzählte. Sie mussten also in aller Regel von selbst drauf kommen. An dieser Stelle kam hinzu, dass Ran ihre persönlichen Beweggründe in jedem Fall als... fragil ansah, um es diplomatisch zu formulieren. Es waren Dinge, die ihr nunmal an Shinichi aufgefallen waren und später an Conan auffielen. Seien es äußere Sachen, seien es Fähigkeiten und Fertigkeiten... oder Unfähigkeiten wie seine musikalische 'Begabung', oder auch seine ganze Art an sich. Das würde die wenigsten der genannten Personen überzeugen können. Im Gegenteil, würde sie damit jemand anderes zur Einsicht bringen wollen, Conan Edogawa wäre Shinichi Kudo... man würde sie eher für paranoid erklären. Nein... es gab nur eine Möglichkeit... er gab einen Unterschied... er sah einen Unterschied zwischen diesen Leuten... und ihr. Sie war in irgendeiner Form anders. Und deswegen durfte sie es noch weniger erfahren als zum Beispiel Heiji oder Ai. Warum machte er bei ihr so eine Ausnahme? Sie seufzte demoralisiert. 'Tut mir Leid, Mamoru, aber ich denke, du irrst dich. Das ist nicht der Aspekt, um ihn zu durchschauen.' Es war noch etwas tieferes. Eine Assistenzärztin öffnete die Tür zu Conans Zimmer, sah sich mit leichter Blässe um, fand die Gäste stumm hoffend zu ihr aufsehend und gab ein gezwungenes Lächeln. „Es geht ihm gut. Er ist eben wach geworden.“ Mit beruhigender, leiser Stimme schloss sie hinter sich die Tür, postierte sich davor. „Ich würde Sie bitten, kurz zu warten...“ „Sagen Sie...“, unterbrach Heiji sie zögerlich, aber sie ahnte, worauf er hinaus wollte. „Wie gesagt, es geht ihm wohl gut, physisch, es scheinen keine bleibenden Schäden von der Vergiftung zurück zu bleiben. Auch wenn man das so schnell sicher nicht genau sagen kann. Was seine Amnesie angeht...“ Ihr Blick trübte sich leicht. „Nun er erinnert sich an alles, was seit dem erstmaligen... Schlag auf den Kopf passierte. Also hat er zumindest nichts nochmal vergessen. Dennoch hat auch der Besuch des Schlosses wohl wenig Erinnerungen geweckt. Wir sind da nicht wirklich weiter gekommen.“ „Also ist er weiterhin ohne Gedächtnis, aber hat genauso gute Chancen, wie vorher?“ „Nun ja, wir wissen nicht genau, wie gut Dr. Asunaja seine... 'Chancen' einschätzte. Dr. Hagui ist auch relativ optimistisch, hat aber nur ein paar wenige Anhaltspunkte bis jetzt. Er meinte aber aus dem kurzen Gespräch, welches er mit Conan führte die Information herauszuhören, dass sich sein Gehirn langsam wieder aufbaut. Er scheint unglaublich schnell lernen zu können und hat in den wenigen Stunden seit er heute Vormittag erwachte ein recht komplexes Netzwerk seiner Vergangenheit wieder herstellen können. Vermutlich... wird er sich an das meiste mit ein bisschen Hilfe sehr bald schon erinnern... Aber eine Garantie gibt es noch nicht.“ Sie versuchte schwach zu lächeln, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Man merkte ihr an, wie ihr, wie auch dem behandelnden Arzt, der kleine Junge nicht ganz koscher vorkam. Und das nicht nur wegen der Morde im Krankenhaus. „Können... können wir ihn dann jetzt noch besuchen?“, fragte Ran zögerlich von der Seite. Die halbpositive Erklärung zu Conans Amnesie ließ sie in der Luft hängen und zwang sie dazu, sich selbst ein Bild machen zu wollen. „Eigentlich nicht wirklich. Um es kurz zu machen, Dr. Hagui empfiehlt Ihnen, höchstens kurz reinzugehen, hallo zu sagen, sich aber praktisch auch zu verabschieden, er braucht die Ruhe einer langen Nacht. Das hilft ihm, seine vielen Eindrücke zu ordnen und seine Vergangenheit besser zu verstehen. Längere Aufenthalte würden bei seiner Neugier eh nur dazu führen, dass er noch mehr über sich selbst erfragt, und ob er damit besser zurecht käme in seiner Situation, ist fraglich.“ Alle nickten bedenklich, die Polizisten etwas abseits sahen das als persönliches Signal, sich auf den Weg zurück zum Revier zu machen, da Conan zwei von ihnen noch gar nicht wiedererkannte und der Dritte wohl keine große Hilfe für ihn war. Sie wussten, es ging ihm gut, alles andere würde wahrscheinlich Zeit brauchen. Als Megure mehr stumm abnickte und den Anderen einen erholsamen Abend wünschte, legte die Krankenschwester nachdenklich den Zeigefinger ans Kinn. „Vielleicht sollten auch von den Übrigen nicht alle kommen. Nicht gleich wieder so viele Leute. Er hat insbesondere nach Fräulein Mori gefragt, wohl wegen der Ereignisse in dieser Höhle...“ Ran schluckte heftig, ballte ihre Hände neben sich zu Fäusten. Ihr Vater beobachtete skeptisch ihren undeutlichen Gesichtsausdruck, lenkte dann aber ein. „Gut, dann geh ich mal schon vor zum Auto, Mausebein. Grüß den Nervenzwerg von mir.“ Er drehte sich ohne aufzusehen um, marschierte schnurstracks ein paar Schritte, blieb dann aber wieder stehen. „Ach ja, Ran?“ „Was?“ „... Sag ihm Danke schön, er hat dir immerhin das Leben gerettet.“ Was er damit wirklich meinte, war Ran sehr genau klar. 'Ich werde mich auch in deinem Namen bedanken, keine Sorge, Paps.' Damit zog er ab, gefolgt von Kazuha, die ihm auf Hinweis Heijis nachging. Er wollte sich auch kurz verabschieden – und er würde auf Ran achten, da solle sie sich nicht fürchten. Der Professor überlegte kurz, ob er mit rein käme, aber Ai winkte leise von der Seite ab. „Gehen Sie... auch schon mal vor. Ich glaube, er möchte noch... etwas klären... etwas, das keinen Aufschub duldet. Wir kommen gleich nach.“ Sie warteten, bis auch er im Aufzug verschwunden und dieser gemäß dem Blinklicht in die nächsttiefere Etage gedriftet war. Der Flur war erstaunlich leer um diese Zeit. Es war halt... ein Kinderkrankenhaus... und die offizielle Besuchszeit war um. Auch wenn es noch nicht nachts war... es war einfach still. Beruhigend still. Mochten die Neonreklamen Tokios im Hintergrund noch so strahlen und das Nachtleben Shibuyas noch bis zum nächsten Sonnenaufgang dauern, hier war es still, hier konnte man ruhen... hier konnte Conan seine Gedanken, wie die Schwester sagte, ordnen. „Na los.“, ermutigte Ai Ran von der Seite. „Er wartet sicher nicht ewig.“ Mit einem leichten Schweißgefühl in den Fingern drückte sie die Klinke der Tür ins Krankenzimmer runter und trat in den Raum mit gedämpfter Beleuchtung. „Ran!“ Die Miene des kleinen Jungen im Bett heiterte sich sofort auf, als er sie sah, lediglich mit einem kleinen Pflaster an der Stirn versehen, ansonsten aber offenbar unversehrt. Auch sie wurde sofort etwas munterer, als sie seine kindliche, ehrlich freudige Stimme vernahm. Es ging ihm... so weit gut. Neben ihm stand Dr. Hagui, eine älterer etwas untersetzter Mann mit leicht angegrautem Haar, einen Notizhalter unter den Arm geklemmt und musterte die Besucher skeptisch. „Nur Sie drei?“ Seine Stimme war rau, aber gutherzig, bestimmt, aber auch väterlich fürsorglich. Er erlaubte, was er erlauben konnte, ohne seinen Patienten damit unnötig zu belasten. „Na gut. Machen Sie... nach Möglichkeit nicht länger als fünf Minuten, er braucht wirklich etwas längeren Schlaf, gerade in seinem Alter.“ Ein mildes Lächeln drang von seinen Lippen, als er sich Conan zuwandte. „Also bis Morgen früh, Conan. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Dr. Hagui!“ „Einen schönen Abend wünsche ich.“, gab er im Vorbeigehen den Anderen noch auf den Weg und schloss leise die Tür hinter sich. „Geht es dir gut, Ran?“, kam es zögerlich nach einem Moment der Stille. Sein Blick glitt zur verwundeten Stelle auf ihrem Kopf. „Ach das? Keine Sorge, das war...“ Sie zögerte etwas, sollte sie ihn offen damit konfrontieren, was sie erfahren hatte? „Es ist... es ist... einfach nur eine kleine Verletzung, als mich Herr Tomoko niederschlug. Nicht weiter wichtig.“ Was sollte das für eine Erklärung sein? Er kannte Herrn Tomoko gar nicht, hatte auch unmöglich bis jetzt dazu etwas erfahren können – zumindest, so weit sie die Geschichte mitbekommen hatte. „Ist es... die gleiche Verletzung wie meine?“ Unwillkürlich glitt auch seine Hand zur Stirn, zum neuen Verband. Die Wunde tat nicht mehr weh, im Gegenteil, sie schien einigermaßen verheilt, zumindest verursachte sie keine Schmerzen mehr beim Denken. Ran zuckte bei der Aussage etwas zusammen, was ihm letztlich zur Bestätigung reichte. „Ein... Stalaktit. Ein Tropfstein, gleich beim Eingang der Höhle, dort fand ich auch... Spuren von deinem Blut... vermutlich.“ Er nickte leicht angestrengt, starrte mit etwas betrübtem Blick nach draußen. „Da war meine Überlegung mit dem Rohr wohl eher verwirrend, was?“, murmelte er vor sich hin. „Naja, falsch wars nich', Conan, aber hilfreich für die Untersuchung auch nich.“ Heijis nun wieder deutlicher hervortretende Akzent beruhigte ihn irgendwie. Er deutete an, dass es wohl wirklich vorbei war, er war wieder in Sicherheit... und ab Morgen könne er sich genauer dem Leben von Conan Edogawa widmen. 'Alias...' „Es ist schön, dass es dir gut geht, Conan.“, stellte Ai mit einem schwachen Lächeln fest, ohne ihn genau zu beobachten. Sie wirkte leicht abwesend, was ihm nicht entging. 'Du bist wie ich, Ai Haibara. Kann das sein? Bist du... wie ich womöglich?' Der Gedanke hatte ihn auch schon eine Weile beschäftigt, seit er für sich feststellte, kein Kind sein zu können. Sie war ihm ähnlich. In dieser Hinsicht nur, aber doch sehr auffällig. „Du wusstest von Anfang an, wer Kirika ist, oder?“ Ihre Miene verzog sich augenblicklich zu einer Fratze und auch Heiji und Ran entglitten kurzzeitig die Gesichtszüge. Ja... dieser kalte Blick vorhin in der Höhle, die Waffe, die sie mehr als beeindruckend benutzen konnte... Kirika Yuumura war eine... eine... „Du... du weißt es auch... also jetzt?“, brachte Ai nur stockend hervor. „Ja... auch wenn ich nicht weiß... woher ich sie kenne.“ Er schluckte. Eigentlich wollte er dieses Thema noch nicht heute Abend anschneiden. Fetzen zogen an seinem inneren Auge vorbei. Ereignisse... mit Kirika... mit einer zweiten Frau, einer blonden Frau, die ebenfalls eine Waffe trug... und sie benutzte. Sie beide... sowie mehrere Leute, gekleidet in ein dunkles Schwarz, welches alles Licht aufsaugte und wie ein Schattenriss die Figuren begrenzte. Und... Blut... viel... Blut. Da waren noch mehr Dinge, die er nicht einordnen konnte, Bilder, die keinen Sinn ergaben, wie das vermeintliche Rohr, welches sich als natürliches Gestein mit regelmäßiger Form herausstellte. Aber er war sich ganz sicher, wenn er nur etwas länger mit jemandem darüber diskutieren würde, der seine Vergangenheit etwas besser kannte, der seine Gedankengänge nachvollziehen konnte, dann würde es genügen, diese Einzelteile zu einem Bild zusammen zu fügen und sich weitesgehend zu erinnern. Der Nebel lichtete sich... allmählich, ganz sicher. Auch wenn er das, nach den Erfahrungen mit Kirika, nicht offen dem Arzt sagen wollte. Eigentlich konnte er es kaum abwarten, aber dennoch, er war wirklich müde, erschöpft. Diese Nacht würde er ruhen, nicht über Shinichi Kudo nachdenken, so hoffte er. Und Morgen... Morgen würde er sich um das Geheimnis seiner Identität kümmern. Gelassen, die Anspannung lösend, atmete er tief aus. „Na schön... das sind Fragen, die mich Morgen beschäftigen sollen.“ „Genau!“, stimmte Ran ihm zu. „Ruhe dich eine Nacht aus Conan und...“ Sie hielt inne, trat einen Schritt nach vorne, sah ihm tief in die kleinen Augen. In den ihren standen Ansätze von Tränen, aber sie blieb stark. „Ich wollte dir danken, Conan.“ Mit einem Mal tauchte eine deutliche Farbe in seinem Gesicht auf. „Was... ähä... nicht doch... ich...“ „Nicht nur für dieses Mal.“ „Was?“ Er verstummte, sah sie verwundert an. „Du weißt es nicht mehr... aber... es war heute nicht das erste Mal, dass du mir das Leben gerettet hast, Conan. Und ich... ich... Dummerchen kann immer nicht mehr tun... als Danke sagen. Eigentlich... müsste ich das... viel öfter noch tun... aber es klingt fast schon bedeutungslos, wie eine Floskel, meine ich manchmal.“ Sie wandte sich ab, als er ihre Worte nur stumm vor sich hin starrend annahm. Sie gab ihm auch gar nicht weiter die Gelegenheit, ihr zu widersprechen. Länger würde sie es einfach nicht aushalten. „Schlaf... schlaf gut Conan...“ Sie wollte gerade mit den anderen gehen, als „Warte! Warte, Ran. Bitte!“ Sie stockte, wollte sich fast nicht umdrehen. Aber Heiji sah sie kurz an und auch Ai nickte nur. „Wir warten draußen. Macht ganz in Ruhe.“ Als die Tür wieder zu war, lehnte sich Ran mit dem Rücken zur Wand an diese. So weit wie möglich weg von Conan, und ihm nicht in die Augen sehen, lautete die Devise. „Gibt... gibt es noch etwas, Conan?“ „Ja, ich... ich wollte noch etwas mit dir besprechen.“ Sein Herz pochte wie wild bei dem Gedanken an das, was er klären wollte, was er einfach nicht auf Morgen aufschieben wollte, egal wie viel Kraft es ihn jetzt noch kosten würde. „Könntest du dich hier aufs Bett setzen, ich wollte nicht... so aus der Entfernung darüber reden.“ Nun wurde auch ihr Herz merklich lauter und schneller. Sie sollte sich... zu ihm setzen? Es war also etwas... persönliches, was er ihr sagen wollte? Musste das sein? Langsam, Schritt für Schritt ging sie die wenigen Meter in Richtung Bett. Überlegte, ob sie nicht einfach nein sagen konnte... aber warum? Er war der Patient, der kleine, hilflose Junge, der unter Amnesie litt und gerade auch eine Blutvergiftung überstanden hatte. Der eigentlich Ruhe brauchte, aber sich extra noch einmal aufrappelte, um vorher mit ihr zu reden. Sie konnte ihm unmöglich diesen kleinen Gefallen verwehren. Und außerdem... musste auch sie es wissen... was er so wichtiges jetzt noch von ihr wollte. Die Matratze gab ihrem Gewicht leicht nach und hob sie an Conans Ende ihr gegenüber ein wenig an, so dass er ihr automatisch besser ins Gesicht sehen konnte. Sie versteckte es hinter einigen Haarsträhnen, er konnte nur die Züge ausfindig machen, ihre Gedanken, Emotionen, Stimmungen aber nicht ablesen. „A...also, worum geht es, Conan?“ Er sah sie lange an, suchte nach geeigneten Worten. „Mein... mein Leben, Ran.“ Nun schaute sie doch verunsichert auf. „Was... meinst du?“ Er suchte den Blickkontakt abzubrechen, sah nach draußen. „Mein Leben... als Conan Edogawa... es ist vollkommen... absurd. Es passt einfach nicht... nicht so.“ „Ach das... du hast halt kein so normales Leben, aber das... das renkt sich wieder ein, wenn du erstmal Morgen...“ „Es hat sich bereits wieder eingerenkt.“ Sie sah erschrocken auf. „Ich... ich meine, natürlich sind da viele Lücken, viele Details die ich nicht verstehe, aber die groben Züge, die Umrisse glaube ich erkennen zu können.“ Sie konnte es nicht vermeiden, ihre Freude über diese Aussage durch ein warmes Schmunzeln deutlich zu machen. „Das ist... doch schön, Conan. Dann kannst du bald... dich an alles wieder erinnern. Das freut mich, wirklich. Aber... wieso wolltest du dann...“ „Es fehlt etwas.“ Nun starrte er wirklich fest in Richtung Fenster. „Ich weiß... dass mein Leben alles andere als ungefährlich ist... das habe ich heute ja zur Genüge festgestellt... und dass ich deswegen... wohl nicht immer alles offen gesagt habe, was ich sagen wollte... oder müsste...“ Ihre Augen weiteten sich und sie nahm ihn fest ins Visier. 'Jetzt? Er will... jetzt darüber reden... warum?' Nicht, dass es ihr ungelegen kam, wenn er in diesem Moment das aussprechen wollte, was sie seit langem glaubte, aber... merkwürdig kam es ihr schon vor. Was hatte denn seine Meinung geändert... seit gestern? Die Amnesie? Oder die Ereignisse im Schloss? „Wieso... erzählst du mir das jetzt?“ Und warum musste sie nachfragen und riskieren, dass er sich nochmal umentschied? „Es gibt da noch etwas.“ Er zwang sich, den Blick vom Fenster abzuwenden, das Folgende konnte er ihr nur ins Gesicht sagen, alles andere wäre bedeutungslos in seinen Augen. „Etwas... das... zwar offenbar auch noch nie... ausgesprochen wurde... etwas was ich wohl auch... verheimlicht habe bis jetzt... aber ich sehe einfach keinen Grund.“ „Was?“ Ihr Herz klopfte auf einmal rasend schnell. Es gab ihr ein unglaublich warmes Gefühl... aber... da war noch etwas anderes. Ein leichter Schauer durchzog sie, ein bitterer Geschmack auf der Zunge, ein unwohliges Kribbeln im Magen. Es waren alles keine positiven Signale ihres Körpers, wie sie für diesen Moment geplant hatte. Nein, ihr war direkt schlecht bei dem Gedanken, was er gleich sagen könnte. Heftig atmend nahm sie ihren Mut zusammen. „Du... hast es nicht gesagt, kennst aber den Grund nicht?“ „Es mag sicher einen absonderlichen Grund gegeben haben... früher. Aber was auch immer es war... es... gilt einfach nicht mehr. Die Realität muss Conan Edogawa eingeholt haben, aber er hat unnötig daran festgehalten.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ „Ich sagte doch... ich denke, ich verstehe schon recht vieles über... 'ihn', mich. Aber dennoch, dieser Punkt, der definitiv essentiell für mich ist... fehlt einfach. Dafür kann ich keinen Grund so recht mehr finden. Und ich... ich möchte, dass du es weißt... was ich herausgefunden habe... über mich.“ Alle ihre inneren Organe zogen sich förmlich zusammen, ließen sie verkrampfen. Schmerzhaft windete sich ihr Magen und Darm Trakt gegen seine Worte. Conans Gesichtsfarbe bekam einen leicht roten Ton, aber Ran bemerkte es nicht mal, sie sah ihn nicht an, kämpfte gegen die Windmühlen in ihrem Körper einen aussichtslosen Kampf. Sie musste eine Wahl treffen und sie kannte die eine richtige Entscheidung, die ihr Körper ihr aufzwang. Die eine, gegen die sich nur ihr Herz mit aller Kraft sträubte. „Also... also weißt du... ich... Ran... ich...“ „Halt.“ Mitten in sein Gestammel fegte sie jede Zuversicht mit dieser einen Silbe gewaltsam hinfort. Es war ein kaltes, starkes 'Halt', nicht gehaucht, nicht halbherzig. Es kam aus voller Überzeugung. Auch wenn sie eines nicht konnte, ihm jetzt in die Augen zu sehen. Betont wurde es noch von einer ausgestreckten offenen Handfläche. Sie hielt sie ihm direkt vor das Gesicht, ein unüberwindliches Stopp, welches ihm Einhalt gebot. „Was... hast du... Ran?“ „Sag es mir nicht, Conan.“ „Aber...“ „Ich will es nicht wissen!“, fauchte sie heftig. Er wollte fast noch etwas erwidern, jedoch war diese Reaktion so unerwartet, dass es ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug. „Ich bitte dich, Conan. Lass dir von Heiji deine Vergangenheit erklären. Vorher... will ich es... wirklich nicht wissen.“ Sie drehte sich um, ignorierte mit stoischer Selbstbeherrschung jedes weitere seiner Widerworte, wie auch jedes ihres Herzens, welches gerade zu brechen drohte, so taten ihr die Schmerzen darin weh, und schritt zur Tür, trat hinaus und schloss sie wieder hinter sich. Dann erst öffnete sie die feuchten, wenn auch noch nicht nassen Augen, und erblickte Heiji und Ai genau vor ihr auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs, vielleicht vier Meter getrennt, ebenfalls an die Wand gelehnt und sie mit festen, fragenden Blicken anvisierend. „Was... ist passiert?“, begann der junge Mann ernst. „Er... wollte mir die Wahrheit sagen.“ Der Schlag hatte gesessen. 'Dieser Idiot! Kaum hat er Gedächtnisverlust, erzählt er alles herum.' Diese Interpretation geisterte beiden durch den Kopf, nahm ihnen jede eben noch vorhandene Ruhe. „Hat er...“ „Nein. Ich habe ihn abgehalten.“ Ran hatte es noch nie gesehen, Heiji ebenso wenig und wohl auch noch nie jemand anderes, der sie nur in dieser Form kannte, aber nach diesen Worten stand Ai Haibara sprachlos mit weit geöffnetem Mund da. Hatte jede Selbstbeherrschung, die sie sonst so auszeichnete, eingebüßt. Starrte nur bewegungslos zu der jungen Frau. „Du hast ihn... abgehalten, dir die Wahrheit zu sagen?! Wa... warum?“ Rans Blick wanderte zu Boden, eine melancholische Grundstimmung in ihren Augen wurde übertüncht von aufkommenden Tränen, die sie bald nicht mehr würde zurück halten können. „Ist das... ist das denn nicht klar?“ Sie grinste selbstironisch, während ihre Stimme bebte. „Er wollte es... er wollte es mir sagen, ohne zu wissen, warum er es vorher verschwieg! Das wäre doch... das wäre doch genauso, als würde ich ihn zwingen, es preiszugeben.“ „Aber... wenn er dich sonst anlügt...“ „Ich weiß... ich... habe damals, vor langer Zeit versucht, ihn... zu einer Erklärung zu zwingen... aber er hat dicht gehalten, egal, was ich tat.“ Die Gedanken an ihre frühe gemeinsame Zeit mit Conan kamen ihr hoch. Die Zeiten als Shinichi einfach nur länger für einen Fall weg und der kleine Conan immer für sie da war. Wie sehr sie mittlerweile selbst diese Zeiten vermisste, war unerträglich. Sie schniefte, um noch einmal Luft für eine Erklärung zu haben. „Damals... wurde mir eines klar. Falls er mich anlügte... so hatte er einen Grund... einen verdammt wichtigen Grund. Ich konnte ihm unter diesen Umständen doch kein Geständnis abpressen. Das hätte... jede Freundschaft zwischen uns zerstört... wenn ich ihm dieses Vertrauen nicht entgegen bringen würde. Und jetzt... ohne das Wissen um diesen Grund... es einfach auszusprechen... wenn ich weiß, dass er den Grund nicht kennt, und wie wichtig er früher für ihn war... das wäre doch nichts anderes, als es von ihm zu erzwingen, oder? Oder?“ Das Herz des kleinen Mädchens wurde bei dem Anblick ihres Gegenübers schwer wie Blei, sank in ihr scheinbar nach unten. „Nach all... all der Zeit?“ Ran konnte nicht mehr, es wurde ihr zu viel. „Entschuldigt... entschuldigt mich, ich brauche frische Luft.“ Ohne sich nochmal umzusehen rannte sie davon Richtung Treppenhaus, dort wo in einem mit Liften bestückten Krankenhaus nicht so viele Leute langgehen würden. Einfach nur raus, einfach nur weg von Conan, an einen Ort, wo sie ihren Tränen endlich freien Lauf lassen konnte. Die beiden blickten ihr eine Weile nach, hörten noch lange das Schluchzen und Heulen von ihr und wussten... er hörte es auch. Durch die Tür, die vor ihnen sich aufbaute und Conan von ihnen trennte. „Nach all der Zeit... all den offensichtlichen Lügen und Ausreden, die er gebrauchte...“ „Nicht zu vergessen, die vielen Versetzungen, und sie alleine lassen, obwohl sie ihn brauchte...“, ergänzte Heiji. „Natürlich. Nach alldem... ist ihr einziger Gedanke, im Moment, da er ihr die Erlösung anbietet...“ „... das Vertrauen zu ihm. Das Vertrauen in den Sinn seiner Taten, so sehr sie sie auch quälen mögen.“ „Ran hat die Entscheidung eines Freundes getroffen, die Entscheidung eines Liebenden. Sie hat diese Beziehung nicht riskiert, um dem, woran sie glaubte, den Vorzug zu geben, vor ihrer eigenen... Freude in diesem Leben.“ „Sie hat die richtige Entscheidung getroffen, Haibara.“ Sein Gesicht verfinsterte sich zu einem schmerzverzerrten Beispiel an Resignation. Und Ai konnte das nur nachempfinden. „Ja, die Entscheidung... gegen sich selbst.“ Hallo nochmal liebe Leser, eine kleine Erklärung hier. Ich habe beim Schreiben und Überarbeiten dieses Kapitels immer wieder wegen einer Stelle überlegt. Warum hat Kirika Rans Ketten zerschossen? Also, ich fragte mich, ob es heraus kam für euch, oder ob ich es an irgendeiner anderen Stelle vielleicht noch sinnvoll erläutern könnte – aber keine war wirklich passend. Und nach einigem hin und her entschied ich mich, es zu lassen, und in einem 'echten' Buch hätte ich das als kleines Rätsel für den geneigten Leser wohl sogar mit Freuden so getan. Hier aber dachte ich, ich erkläre es kurz für den Interessierten. Wer lieber selber drüber nachdenkt, sollte den folgenden 'Spoiler-Absatz' überlesen. Eigentlich ist es relativ einfach, Kirika wollte, dass Ran sich um den noch bewusstlosen Conan kümmert, der auch verarztet werden musste. Dass bald jemand käme und so, war klar, weil Hino ja meinte, er würde die Polizei wegen ihr rufen und dann wohl auch zurück kommen. Aber auch er könnte sie so schnell nicht aus den Ketten befreien, könnte sie in dieser Form auch schlecht aus der Höhle raus holen, wenn er erst Conan vielleicht ins Krankenhaus fahren müsste. Dann bliebe Ran noch ne Weile in der Höhle allein und gefesselt und wer weiß, ob nicht doch noch der Täter wieder käme, durch eben die Falltür im Keller. Kurzum, es ging darum, genau wie bei den Bomben, eine mögliche Gefahr in naher Zukunft auszuschalten. Das Problem war, dass Ran da nicht 'mitgespielt' hatte, sondern selber bewusstlos wurde, weil sie dachte, sie würde gerade erschossen. Tja, Pech gehabt, Kirika. Dennoch war das Grundproblem für einen Moment zumindest gelöst – Ran war frei, würde auch nicht ewig weiter schlafen – ich gebe ihr mal nicht so lange, grob zehn Minuten – und da der Täter nicht so bald wieder kommen könnte, der Tunnel war ja verschüttet, und Herr Hino kam auch bald – mindestens würde er die Falltür überwachen – empfand sie es dann als besser, sich nicht länger als nötig mit quälenden Polizeifragen hier zu beschäftigen, wenn sie auf diese wartete. Und Natürlich konnte sie diese Gedanken auch nicht alle gegenüber der Polizei bei der späteren Untersuchung angeben, weshalb auch dort keine Erklärung ihrer Motive stattfand. Also... boah, kann ich manchmal ausartend labern, das sollten fünf Zeilen werden... XD Aber nun wisst ihr auch das, wenn es euch interessiert. Also, bis nächste Woche zum großen Finale... naja groß vielleicht nicht, Finale aber definitiv. ;-] LG, Diracdet Kapitel 24: Das Geheimnis der Raben ----------------------------------- Hallo liebe Leser, herzlich willkommen zum Finale von Licht und Dunkelheit. Passend zum Titel mit dem Thema dunkle Vögel, die Licht bringen... Erleuchtung... wie auch immer. XD Zunächst einmal... möchte ich diesmal allen Kommi-Schreibern und auch allen Favo-Listeneintragern vielmals danken, nicht zuletzt für ihre Treue zu der doch mittlerweile langen Reihe, die sich immerhin schon über sechs FF und zusammen grob 500000 Wörter zieht. Mein tiefster Respekt angesichts dieser Leistung ist euch sicher, ehrlich. ^////////////////^ Das heißt, in diesem Fall ein riesiges Danke schön an (alphabetisch geordnet): -alexa-, AiHaibara, Chevelle, Claire, fahnm, holmesthoughts, Holmes_Watson, Kikili, kleine1, LayRose, Leira, life-of-books, mangacrack, Noelyn, Nuadize, Phinstrael, Ryoko-chan, Sha_Na, Shelling__Ford Shi_Ran-chan, Vertschl, Watson_Holmes. Allen nochmal großen Dank. ^///////////////////////////^ Wenn ich jemanden vergessen habe, lieber gleich Bescheid sagen, nobody is perfect. ;] Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle der fachlichen Beratung in Kunstfragen durch Leira, die – wer es noch nicht gesehen hat, gleich angucken - noch ein Bild für diese FF gemacht hat – auf Anfrage meinerseits die wiederum durch Anregung eines Kommentars entstand. Das von Seijiro Yamamura angefangene Bild, welches die Hofnarren Kogoro und Conan in Aktion zeigt, wie es in seiner fertigen Form mal aussehen dürfte. Wirklich toll geworden, mir gefällt's super! Vielen Dank, Leira. ^________________________________________^ Zu sagen habe ich zu diesem Kapitel gar nicht mehr viel... es ist vielleicht etwas... ich weiß nicht, ein ungewöhnliches Ende, meine Gedanken halt zu Ran und Conan und Shinichi. Und davor zu einigen anderen Themen, teilweise auch im Manga – ja irgendwo habe ich die 8000 Worte ja hergeholt. ;p Nun noch etwas formelles: Grob sind wir jetzt bei der Mitte dessen angekommen, was ich geplant habe in dieser Reihe, will heißen, es gibt auch wieder eine Fortsetzung, allerdings erst in etwa einem halben Jahr, sprich September/Oktober um den Dreh. Wer dann immer noch nicht genug hat von Conan & Kirika... und dem Rest, und rechtzeitig vorgewarnt werden will, dem lege ich die Option nahe, mir jetzt nach diesem Kapitel Bescheid zu geben, ob per ENS oder Kommi oder auch im Gästebuch, dann vermerke ich mir das und vergesse es auch nicht bis zum nächsten Mal. ^.~ Ganz ohne FF von mir solltet ihr dennoch nicht auskommen müssen, es wird wohl wieder den einen oder anderen OS geben zur Auflockerung zwischendurch. So, damit kann ich mich wohl wirklich nur noch verabschieden, euch viel Spaß beim Lesen und dann einen angenehmen Sommer 2010 wünschen. Liebe Grüße, Diracdet Kapitel 24: Das Geheimnis der Raben Der Sonnenstrahl, der mitten durch die großen Fenster der Mensa schien und ihm eine für diese Jahreszeit und Region ungewöhnliche Wärme auf der Haut verlieh, wurde kurzzeitig durch einen vorbeifliegenden Schatten unterbrochen, der ihn von seinem Mittagessen aufsehen ließ. Ein verdächtiges Lächeln glitt über die Lippen des jungen Mannes, als er die Gabel beiseite legte und dem Vogel bei seinem Flug folgte. „Na... mal wieder ganz in Green'schen Funktionen versunken..., Mamoru?“ Als die beiden vorsichtig die Tür öffneten, fanden sie Conan wie in Schockstarre auf dem Bett sitzend, die Hände fest in die Decke gekrallt, vor. Seine Züge wirkten entgleist, er konnte die Ereignisse eben einfach nicht verstehen. Noch immer hallten in seinen Ohren die Geräusche nach, die er vernahm, kurz nachdem Ran das Zimmer verlassen hatte. Sie hatte geweint. Seinetwegen. Dass er deswegen Schuldgefühle haben würde, schien ihm normal, aber... es waren nicht einfach Schuldgefühle... sein Magen verkrampfte zu einem schmerzenden, lähmenden Pfropfen in seinem Inneren, der kaum auszuhalten war. Er hatte nicht einfach etwas falsch gemacht. Das, was er vernahm, was hängen blieb in seinem Kopf, konnte er nicht ertragen, wollte er niemals hören... und diese Überzeugung war so stark, dass sie ihm deutlich aus früheren Zeiten entstammen musste. Bilder waren aufgeflackert, Bilder, die das sahen, was er nur hörte. Ran weinen. Und das nicht einfach nur so, wie er es sich vielleicht vorstellte. Nein, es war als bombardierte ihn sein Unterbewusstsein mit einer Rundumperspektive ihres Gesichts, von allen Seiten, auch mit leicht unterschiedlichen Frisuren, und unterschiedlicher Bekleidung... Wie oft hatte er sie weinen sehen? Und wie zum Geier konnte er das zulassen, wenn es ihm so übel aufstieß? Jedes Bild ein weiterer Stich... keine kleine Nadel, es war wie ein großes Messer, welches ihm durch das Herz stach. Immer... und immer wieder... „H... Heiji? Was... habe ich gerade getan?“ So recht konnte er diese Frage auch nicht beantworten... vielleicht wollte er es auch einfach nicht. „Ran wollte wohl... einfach nicht... dass du etwas tust, was dich später... belasten könnte...“ Diesen Satz konnte er nicht normal sprechen, er wusste zu genau, dass es so war, warum es so war, aber... „Und was könnte ich später bereuen?“, bekam er trotzig zur Antwort. Der Osaker schwieg, blickte etwas zur Seite, was sein Gegenüber nur noch mehr frustrierte. „Heiji... Ran meinte, du würdest es mir erklären. Also... was ist mit meiner Vergangenheit? Sag mir Heiji Hattori...“ Er zögerte ein wenig, aber wenn Ran es so explizit ausdrückte, sollte er es wohl einfach riskieren. „... bin ich Shinichi Kudo?“ Beide stockten, schluckten heftig. Er war schon so weit? Er wusste es quasi? Auch Heiji, der sonst öfters die Schlussfolgerungen seines Kollegen mitgehen oder wenigstens nachvollziehen konnte, stand völlig verständnislos da. „Was... das... können wir doch morgen...“ „Jetzt, Hattori!“ Er brauchte einfach Klarheit und wurde unangenehm laut. Mit Ruhe und Schlaf war es vorbei für ihn, er würde die Nacht zu keinem von beidem kommen, solange ihn diese Gedanken wach hielten. Unmöglich! Der kurze Wutausbruch blieb auch nicht ohne Folgen für sein Gedächtnis. Irgendwie war ihm dieser Detektiv wohl wirklich vertraut, wie Ran es andeutete... und scheinbar konnte dieser ihn auch öfters in Rage bringen. 'Hattori', ja, er hat ihn schon öfters so angesprochen... sehr oft. Durch das Funkeln in Conans Augen getrieben, gepaart mit der Erkenntnis, dass man wohl selbst einen Shinichi Kudo ohne Gedächtnis nicht lange über die Wahrheit hinweg täuschen konnte, schloss Heiji bedächtig ausatmend die Augen und nickte ab. Er sah noch kurz zu Ai, die, ruhig in sich gekehrt den Blickkontakt meidend, auch nur stumm zustimmte. „Ja..., du bist Shinichi Kudo. Der Detektiv des Ostens.“ „Oh, hi Steve!“ Das ironisch betonte Lächeln wich einem warmen, wenn auch müde wirkenden Schmunzeln. Der großgewachsene Mann aus Bristol schob sein Tablett vorsichtig – da er etwas übereifrig beim Getränk gewesen war, dem Japaner gegenüber auf die breite Tischfläche und setzte sich gemütlich hin. „Professor Taylor meinte, du hättest ne Idee, die Dyson-Reihe bei Plasmen zu lösen.“ „Betonung auf Idee, das kannst du laut sagen. Frag mich in 'nem Monat nochmal... oder 'nem Jahr.“ Eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn, das Fröhliche verschwand für einen Augenblick von seinem Gesicht. „Und bei dir? Ich dachte, gestern Abend war das große Kopplungsexperiment geplant. Hast du die Clusterkondensation gesehen?“ „Schön wär's...“ Er seufzte heftig. „Es gab ungeplante Verzögerungen, die eine Linse hat sich im Nachhinein doch als falsch justiert herausgestellt, dann wieder umjustiert, was uns drei Stunden gekostet hat, dann erneut runterkühlen, wieder den Beobachtungspunkt suchen...“ „Lass mich raten, irgendwann um zwei Uhr nachts wart ihr fertig.“, grinste Mamoru. „So ungefähr...“ Seine Augenringe waren der deutliche Nachweis einer kurzen Nacht, wie so oft bei Experimentalphysikern, wenn sie erstmal maßen. „Aber gefunden haben wir das nicht, was wir suchten... und dann ist natürlich durch das zweimalige runterkühlen das flüssige Helium ausgegangen.“ „Achso!“ Er lachte leicht ironisch auf. „Das heißt dann mindestens eine Wochen Pause, bis neues Helium kommt?“ „Wohl eher zwei, zur Zeit ist der Markt etwas knapper, da dauert das eher länger... Nun ja... das altbekannte Problem halt. Aber du hast abgelenkt.“ Sein Blick wandelte sich von wehleidig zu neugierig. „Hm?“ „Ich fragte nach deiner Arbeit gerade und du hast nur kurz abgewunken. Ich weiß ja, von Keldysh und ähnlichem brauchst du nicht anfangen, mir was erklären zu wollen, aber wenn du so kurz angebunden wirkt, steckt mehr dahinter.“ „Ach ja?“ Er schaute überrascht von seinem Teller auf. „Spontan würde ich tippen... dass du keineswegs über Greensfunktionen... vielleicht nicht mal über Physik an sich nachgedacht hast.“ „Gut erkannt. Ich lasse meine Gedanken sich während des Mittags nie um Physik drehen. Der Moment Pause hilft mir sehr, danach wieder weiter zu kommen bei einem Problem.“ Steves Blick wanderte langsam, Mamorus folgend, zum Fenster. „Was dann? Das Wetter?“ „Nein... ein vorbeifliegender Rabe.“ Wie sie genau den Weg fand, wusste Ran nicht mehr, ihre Augen hatten nur wie Feuer gebrannt und nach dem salzigen Nass zum Löschen förmlich gebettelt – als ob ihre Tränen nicht die Ursache des Brennens wären. Aber nun stand sie vor einem Seitenarm des Teimuzu, hinter dem sich die Skyline in ihren Neonfarben erhob. Sie schaute sich um. Keine Straße war hier vorhanden, aber ein kleiner Weg, der zurück zum Krankenhaus führte, welches etwas 50 Meter hinter ihr endete. Es war die Gartenanlage des Hospitals, eine beruhigte Zone, fernab der lauten Zivilisation Tokios. Sanfte Laternen, gehalten in einem sehr hellen Gelbton, fast weiß, gaben der Dunkelheit ein gemütliches Licht, und es war immer noch so warm, dass man es aushalten konnte. Ran stand am Flussufer und beobachtete das im schwachen Wind vibrierende Spiegelbild ihrer selbst. „Was... hab ich getan?“ Das Richtige. Das vermittelte ihr ihr ganzer Körper, der sich langsam, ganz langsam aus seiner Verkrampfung löste. Sie hatte aufgehört zu weinen, weil sie nicht mehr konnte, gewissermaßen von ihrer eigenen Physis dazu gezwungen wurde, es zu lassen. Ihr Magen rebellierte nicht mehr, ihre Anspannung war nur noch in einer leichten Gänsehaut wahrzunehmen, die sie auf den Wind zurück führen konnte, um sich selbst zu belügen. Allein ihr Herz... es wirkte in diesem Moment... einsam, isoliert zwischen den anderen Organen, die ihm widersprachen... und keine Abneigung gegen die Situation verspürten. „Er wollte es dir sagen, Ran.“, sprach sie ihr Porträt im Wasser an. „Und du hast es abgelehnt, aus gutem Grund... du Dummkopf.“ Obwohl sie wusste, dass sie Recht hatte mit ihrer Entscheidung, sie musste es sich immer und immer wieder sagen und glaubte es dennoch nicht so richtig. Sie hatte eine Chance liegen gelassen... 'Eine... Chance? Oder gar... die... Chance?' Ein bittersüßes Lächeln auf ihren Lippen, welches sie nun auch vor sich sehen konnte, beantwortete ihre Frage. Wie meinte sie zu Conan? Lass dir erst von Heiji deine Vergangenheit erklären..., dann kannst du es mir sagen. 'Das wird er aber nicht tun. Nichts hat sich wirklich von gestern zu heute geändert, wenn er sich erinnern sollte... es war lediglich ein weiterer Fall dazwischen, der nun... glimpflich ausgegangen ist.' Resigniert schloss sie die Augen. Es war absolut sicher. Freiwillig würde er es ihr... niemals sagen. Und womöglich hatte sie ihre letzte Option auf solch ein Geständnis... eben mit voller Absicht in den Wind geschossen. Gebannt lauschte der kleine Junge den zwar einigermaßen gestrafften, aber ausführlichen Erläuterungen zu seiner Vergangenheit. Über den Detektiv Shinichi Kudo und seine unfreiwillige Rückentwicklung zum Grundschüler. Über Gin und die Organisation, über APTX 4869... und dessen Erfinderin, die auf so ungewöhnliche Art und Weise auch in dieser Situation gelandet war. Ai selbst gab zeitweise Kommentare ab, die kleinere Lücken Heijis füllen konnten. Aber weniger als sie selbst vermutete. Wie kleine Bilderfetzen tauchten Erinnerungen vor seinem Auge auf, hervorgerufen durch seine Assoziationen und Conans Schlussfolgerungen, das fiese Grinsen beim Namen Gin bekam nun ein deutliches Gesicht. Ebenso wie eine gewisse Schauspielerin, eine ihr nicht unähnliche FBI-Agentin... viele Gesichter und dann, als Ai sich vorstellen wollte. „Akemi... Miyano!“ Der Name tauchte fast eigenständig aus dem Nichts auf, das Bild der dazugehörigen Person fehlte noch, wie auch sonst alles um sie herum. Einfach nur der Name. Er dachte schon es wäre ihrer... Ais Name, aber sie schüttelte nur bedenklich den Kopf. „Das... ist der Name meiner großen Schwester.“ Ihr trauriger Blick verhieß ihm, nicht weiter nachzufragen, aber aus seinen Gedanken ging er nicht mehr weg. Es war wie ein dunkler Fleck, der danach schrie aufgeklärt zu werden. 'Was ist mit Akemi Miyano?' Heiji ließ bewusst ein bestimmtes Thema aus: Ran. Er kam nie direkt auf sie zu sprechen, auch wenn es praktisch unumgänglich war um zu erklären, dass und warum er nun gerade bei ihr und ihrem Vater wohnte. Was unter anderem beinhaltete, zu sagen, dass sie mit ihm an diesem verhängnisvollen Tag im Tropical Land war. Zu zweit. Was Conan daraus machte, war seine Sache. Er würde ihm gegenüber ganz sicher nicht aussprechen, was er sich sicher war, welche Gefühle der junge Mann für Ran empfand. Aber das musste er auch nicht. Man konnte es Conans Gesicht ansehen, wann immer auch nur ansatzweise eine Erklärung sie betreffend kam, verzog sich sein Gesicht zu einer undeutbaren, verschlossenen Miene. Das lag daran, was aber weder Heiji noch sonst irgendjemand von Conan jemals erfahren würde, an einer weiteren Gruppe an Erinnerungen, die in seinem Kopf auftauchte. Um die einzelnen Bilder, die er eben erst durch die Geräusche von Rans Tränen in seinem Bewusstsein wieder entdeckte, bildeten sich kleine Filmstreifen, Fünf-Sekunden-Episoden seines Lebens, die den Moment festhielten, als er sie weinen sah. 'Ich will keine Lügen mehr hören!' 'Tut mir Leid... ich... wäre gerne so stark wie er...' 'Wo bist du nur, Shinichi...' 'Wenn du... nur manchmal Shinichi sei könntest, Conan. Das wäre wirklich toll.' Und mit einem Mal bekamen die Messerstiche, die sein Herz trafen, klare Konturen. Er erinnerte sich an die vielen Fragen, die sie ihm immer wieder stellte, an die Lügen, die er ihr erzählte, und den bitteren Beigeschmack, jedes Mal, wenn er sah, dass er sie nur noch mehr enttäuschte damit. Letztlich war ihm sehr wohl klar, warum er gerade ihr gegenüber es immer noch vorenthielt. Mehr als bei allen anderen fürchtete er mögliche Konsequenzen, die noch schlimmer wären, als die gegenwärtige Situation. Die letzten Erläuterungen bekam er gar nicht mehr mit, starrte geistesabwesend zum Fenster. „Was... ist mit dir, Conan?“, unterbrach Ai Heiji irgendwann, schaute den Jungen beunruhigt an. „Ich weiß es nicht.“ Flüsternd nur drang seine Stimme hervor. „Was... weißt du nicht?“ „Ich weiß nicht recht, was ich jetzt tun soll, wegen Ran.“ „Ach die Raben vom Tower? Ja, ja, wir Engländer bleiben eben immer etwas traditionell gestimmt. Doch, die sind bei den meisten hier immer noch so bedeutsam in den Köpfen. Das ist also sogar in Japan bekannt mit den Vögeln?“ „Ja, sowas verbreitet sich eben gerne auf der Welt...“ Er würgte seine eigene Stimme mit einem Schluck Wasser ab, es klang ja fast schon spöttisch. Aber Steve schmunzelte nur ironisch, er wusste genau, woran er dabei war. „Das ist aber nicht alles, oder? Raben gibt es definitiv auch bei euch.“ Nun musste auch er wieder schmunzeln. „Ist ne längere Geschichte. Kurz bevor ich aus Japan abreiste, traf ich ein sehr... amüsantes Pärchen, ein Oberschüler, der ein Problem hatte, und eine Oberschülerin, die damit ein Problem hatte...“ „Klingt wie das Drehbuch für einen neuen Teenie-Film.“ „Ich weiß, und teilweise... erfüllten die beiden auch gewisse Kriterien und doch... sie waren auch beide, auf ihre jeweilige Art... ziemlich einzigartig. Gerade sie, Ran, jemandem wie ihr bin ich noch nie begegnet.“ „Mit 25 sollte man auch noch nicht die ganze Welt kennen, oder?“ Er grinste schief, legte sein Besteck etwas zur Seite und beugte sich etwas vor. „Also?“ „Sagen wir einfach... sie erinnerten mich an die Raben vom Tower und ihre Beziehung zu den Engländern... und den Londonern im Besonderen.“ Er blickte stur, fragend, zu dem kleinen Mädchen, bis sie sich von ihm abwandte. „Was schon, dasselbe wie immer! Du kennst meine Meinung... nein, mein Wissen, was das Thema anbelangt. Wenn Ran es erfährt, also was genau dich in diesen Körper getrieben hat, dann wird sie auch zur Zielscheibe der Organisation. Und du bist dir sicher im Klaren, was Ran zu unternehmen bereit ist wenn sie es erfährt. Du hast es heute... wiedermal... erlebt. Mein Gott, ich weiß, dass es schwer für sie ist und ich weiß, dass du dir mindestens eine Mitschuld daran gibst, dass sie momentan so leidet, aber immerhin ist sie noch am Leben, Kudo!“ Sie stockte etwas. Hatte sie jetzt doch zu viel verraten? Immerhin hatte Heiji darüber kein Wort verloren. Seine Miene blieb jedoch unverändert, also hatte er wohl so weit schon selbst wieder alles zusammen bekommen. „Was, wenn sie es mittlerweile selbst weiß?“ Beide starrten ihn erschrocken an. „Wie bitte, meinst du...“ Er sah lange auf seine Bettdecke, überlegte, ordnete die Erinnerungen, die sich in seinem Kopf ansammelten und zusammen fügten. „Es ist... leider alles etwas verzwickter, als ihr denkt. Und ja, Haibara, ich kenne deine Meinung zur Genüge und teile sie grundsätzlich auch... aber die Situation ist nicht mehr dieselbe. Sonoko hat mich drauf gebracht.“ „Was, Sonoko? Heißt das, sie weiß es wirklich??“ Heiji blieb völlig verwirrt der Mund offen stehen. „Ja, aber nicht von mir, aus anderer Quelle... nicht wichtig.“ „Und ob das wichtig is, Kudo! Sie ist Rans beste Freundin, sie wird es ihr sagen, oder gesagt haben...“ Aber Conan schüttelte nur ruhig mit dem Kopf. „Sie hat es ihr... bis jetzt nicht gesagt, und zwar nur, weil sie den Grund kennt, warum ich es ihr bis jetzt auch nicht erzählt habe. Den fand sie wohl... überzeugend.“ Er fasste sich an den Kopf. In diesem Moment kam die Schifffahrt von vor einer Woche in Erinnerung. Bisher verband er damit im wesentlichen eines, einen Ausspruch von Chris Vineyard, Vermouth. 'Warum konntest du mir das nicht vor 20 Jahren sagen? Oder vor 18, oder vor neun?' Was sollte er ihr wann sagen? Er war doch selbst als besagter Shinichi Kudo gerade mal 17. Und nun kam eben der Moment danach, Sonoko, ihre Uhr... und die Pistole, die sie trug. Sie war eine Soldats geworden, im Austausch für das Wissen, das es ihr ermöglichen sollte, Ran zu helfen. Und was sie erfuhr war das Einzige vielleicht, was sie daran hinderte, es ihr direkt zu sagen; wer da mit ihr unter einem Dach wohnte. „Sie weiß Bescheid, mehr braucht ihr dazu nicht zu wissen, vorläufig!“ Abwinkend hob er die Hand, auch wenn der toternste Blick dabei, die Verharmlosung als schändliche Übertreibung entlarvte. Er erinnerte sich nicht zuletzt auch daran, dass Morgen früh gegen sechs Uhr Sonokos Ultimatum auslaufen würde. Dann würde sie es auf eine Art und Weise Ran beibringen, die jede Entschuldigung seinerseits, jede Rechtfertigung wertlos machen würde, so die Drohung. Eigentlich bei Ran unvorstellbar, aber wenn er es einer Person zutraute, dann Sonoko Suzuki. „Das Problem... ist... dass etwas getan werden muss, weil Ran... einfach schon zu viel weiß. Sie weiß, dass es einen Fall gibt, dass es eine Organisation gibt und vermutlich auch, dass sie mir nach dem Leben trachtet. Ran... Ran ist nicht länger inaktiv, abwartend. Das war sie schon auf der Schifffahrt nicht mehr... und was heute beinahe passiert wäre, ja ich hab's auch kapiert. An einem gewissen Punkt... ist Halbwissen viel schlimmer, viel gefährlicher, als die ganze Wahrheit.“ Ai stockte kurzzeitig das Herz. Genau das! Genau das, was sie vorhin mit Professor Agasa durchstand, als sie der Polizei von Kirika erzählte. Die Angst, er würde aus seinem 'naiven' Wissen über sie heraus der Polizei den Tipp geben, sie sei eine Auftragskillerin und die Polizei müsste etwas unternehmen. Es hätte viele Beamte getötet, weil er etwas wusste, aber bei weitem nicht alles, was für eine objektive Bewertung notwendig war. Er wusste nichts von Noir, und sie hatte dafür gesorgt, dass in der Bibliothek von Herrn Kudo auch nichts mehr darüber zu finden war. So hoffte sie zumindest, auch wenn sein Verhalten es zu bestätigen schien. Wenn Ran in einer ähnlichen Position sein sollte... mit ihrer Persönlichkeit, mit ihrer Natur, die sie so sehr an ihre eigene Schwester erinnerte, dann... '...muss ich dir wohl Recht geben, Kudo. Sie ist in viel größerer Gefahr jetzt, als vielleicht der Professor oder Heiji.' „Es geht nicht anders, es muss diesbezüglich etwas unternommen werden.“ Verbissen krallte er seine Hände noch fester ins weiche Bettzeug. Das kleine Mädchen blickte bedächtig auf ihre Füße, überlegte eine Weile. „Nun... wenn sie es... wirklich weiß... dann solltest du...“ „Nein!“ Sie sah unsicher auf und erkannte eine Form von Bitterkeit und Selbstironie in dem traurigen Gesicht ihres Gegenübers, die ihr noch nie bei Conan Edogawa untergekommen ist. „Sie kann... es einfach nicht... nicht wirklich wissen, höchstens sehr sicher sein.“ „Warum nicht, Kudo?“ Auch Heiji war nun verwirrt, suchte die Antwort in seinen Zügen zu erkennen. „Weil ich... ihr schon vor langer Zeit... systematisch... absolut jedwede Möglichkeit, es von sich aus nachzuweisen, genommen habe.“ Wie viel Zeit Ran in ihr Spiegelbild starrte, bis sie akzeptierte, was geschehen war, und was es bedeuten würde... vielleicht nur eine Minute, vielleicht zehn, sie wusste es nicht mehr. Wie der Weg, den sie hier hergelaufen war, beschränkte sich ihr Sichtfeld gerade auf ihr eigenes kleines Universum. Und einen Gedanken. Er würde es ihr nicht sagen, wenn er sich erinnert. 'Das heißt, ich bin wieder am Anfang... und muss selber nach der Erklärung suchen.' „Welche Erklärung eigentlich?“, fauchte sie sich selbst zu. Es war ihr einigermaßen klar, auch dank ein paar Ideen, die ihr Mamoru damals gab, zum Beispiel, was das Frühlingsfest anging, wie sich die Dinge abspielten... nur... 'Gegen Shinichi... gibt es nun mal nur eines, um sich durchzusetzen. Keine Vermutungen, Meinungen, Ideen, Theorien... einfach nur... ein Beweis. Mehr verlangt er letztlich nicht.' Aber diesen Beweis gab es nicht, den gab es einfach nicht mehr, zumindest nicht für sie. Dafür hatte er – so er denn Shinichi Kudo sein sollte – selbst gesorgt. „Du hast ihr... die Möglichkeiten genommen??“ Ai versuchte, unbeeindruckt zu wirken, behauptet hatte er das schon mal, aber so recht glauben wollte sie es nicht. Heiji hingegen wirkte sprichwörtlich wie vom Donner gerührt. Conan hob seine rechte Hand, spreizte Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger gekonnt ab. „Dreimal, Hattori. Dreimal war sie wirklich drauf und dran, mich zu enttarnen. Und die Art und Weise, wie ich sie überzeugte, ich wäre nicht Shinichi Kudo... ließ... und lässt ihr keine Option mehr offen.“ So viel konnte er sich erinnern, und auch zusammen reimen daraus. Diese drei Ereignisse waren so fest eingebrannt in sein Gedächtnis, dass sie sich bei Heijis Erläuterungen relativ schnell aus seinem Unterbewusstsein lösten. Besonders das letzte von ihnen... stieß ihm übel auf. Er hatte erst im Nachhinein verstanden, was Ran damals vermutete und wie. Und das hat ihm für eine Woche jedwede Stimmung runter gezogen in den Keller... was er damals tat, war mehr, als gegen ein paar Prinzipien verstoßen, die er besaß... viel mehr. Aber so weit waren sie noch nicht. Langsam atmete er aus. „Das erste Mal... war kurz, nachdem sie Conan Edogawa erst kennen lernte, lange bevor ihr beide auftauchtet. Ich hab damals aus Leichtsinn den Fehler gemacht und Ran einen Trick gezeigt, den sie von Shinichi kannte. Die Gemeinsamkeit war zu auffällig, und nachdem ihr Vater seit meiner Ankunft solchen Erfolg hatte und ich immer komische Kommentare abgab, war sie wohl einfach skeptisch geworden. Vermutlich hat sie, gerade wegen dieser einen Sache Verdacht geschöpft. Sie hat mich während des darauffolgenden Falles beobachtet und bemerkt, dass ich mich a, nicht wie ein Kind und b, wie Shinichi Kudo verhielt. Am Ende dieses Falles, wenige Stunden danach, wollte sie mich zur Rede stellen. Aber da ich vorbereitet war – sie hatte es zwischendurch schon einmal versucht, wir wurden aber unterbrochen – hatte ich vorher dem Professor Bescheid gegeben und er hat mit dem Stimmverzerrer als Shinichi bei ihr angerufen, während ich vor ihr stand.“ „Davon hatte er mir mal erzählt...“, bemerkte Ai nachdenklich. „Eigentlich ein recht überzeugender Beweis, wenn man so will. Immerhin konnte er auf ihre Fragen und alles antworten.“ „Letztlich hat es nur zwei Dinge bewiesen für sie. Erstens, dass sie sich nicht unbedingt auf irgendwelche Gemeinsamkeiten stützen konnte als Begründung... Sie kennt mich besser als jeder andere, aber deswegen kann sie auch niemandem so einfach weismachen, dass ich es bin. Sie bemerkt zu kleine Details. Und zweitens... dass sie mir nicht die Möglichkeit geben sollte, vorbereitet zu sein.“ „Stimmt, er meinte, Ran hätte damals am Telefon gesagt, er klinge wie ein alter Mann... sie muss dieses Telefonat später... nicht mal ernst genommen haben, wenn sie erneut darüber nachdachte.“ Er nickte schwach zur Zustimmung. „Dennoch, auf ein paar zufällige Zusammenhänge... kann man keine Theorie gründen.“ „Was war der zweite Fall?“ „Das war... als sie mich das erste Mal ohne diese falsche Brille sah.“ „Du machst Witze, oder? Sie hat sich an dein Gesicht als Kind erinnert?“ „Was denkst du denn, für wen ich sie trage, Hattori?“ Er nahm sie ab, betrachtete die dicken, überhaupt nichts schärfer oder unschärfer darstellenden Linsen, die ihn durch die zweite Kindheit begleiteten. „Ich gebe zu, ich hätte auch nicht gedacht, dass ihr ein Blick genügen würde, um es zu bemerken. Wenn man sich praktisch täglich sieht, gehen die Entwicklungen so langsam und stetig von statten, dass das Gehirn sie unbestimmt mit nimmt und man das Gesicht aus Kindertagen kaum noch im Kopf hat. Eigentlich wollte ich eher verhindern, dass sie diesem Gesicht dauerhaft ausgesetzt ist, früher oder später musste es ihr sonst bekannt vorkommen und Fotos hat sie zur Genüge, wo wir als Kinder abgebildet sind.“ „Schön, aber ist das... nicht einfach nur... ein weiterer Zufall?“ Conan blickte ihn mit böse funkelnden Augen an. „Zu dem Zeitpunkt kannte sie Conan Edogawa schon ne Weile, Hattori, da wusstest du auch schon, wer ich bin, um es etwas einzuordnen. Dass ich, der auftauchte, als Shinichi Kudo verschwand, ihm wie aus dem Gesicht geschnitten bin, nur zehn Jahre jünger, mit einer übergroßen Brille, die ich nie ablege, auch nicht beim Baden oder Schlafen, ist mehr als ein kleiner Zufall. Dass ich wie Shinichi gerne Fußball spiele, mich für alle möglichen Kriminalfälle interessiere und besonders Sherlock Holmes mag, dass ich nicht das geringste Gespür für Musik habe, dass ihr Vater seitdem als Detektiv quasi Übernacht zum Meister seines Faches wurde ohne sich daran zu erinnern... dass ich mich total wie er verhalte, sobald ich mal nicht mehr kindlich wirke... Einzeln sind das alles nur Zufälle, das stimmt. Aber zusammen genommen würde ich das in einem Fall niemals mehr als Zufall hinnehmen... vielleicht nicht mal gegen das Unmögliche. Und damals kannte Ran bereits alle diese Aspekte. Sie wusste, dass es keine Zufälle mehr sein konnten.“ „Und wie hast du sie dann überzeugt?“ Ein ironisches Schmunzeln zog sich über sein ganzes Gesicht. „Damals? Gar nicht.“ Ai schluckte einmal mehr, aber Heiji verstand es nach kurzem Überlegen. „Das meinte sie eben. Ran sagte, du hättest einmal, als sie dich bedrängte, dein Geheimnis preis zu geben, dich so stur gegen jeden Anlauf gewehrt, dass ihr klar wurde, dass du einen wichtigen Grund hattest, es ihr nicht zu sagen.“ Er nickte, diesmal etwas deutlicher. „Das wurde mir später klar... und jetzt ist es wohl genauso gewesen... als sie mich abhielt, es auszusprechen.“ „Aber wenn das nicht das letzte Mal war, wieso ist Ran dann wieder abgekommen.“ „Das wisst ihr sehr genau, schließlich wart ihr beide dabei und ein wesentlicher Bestandteil, sie zu überzeugen.“ „Das Frühlingsfest?!“, fiel es beiden wie Schuppen von den Augen. Er hatte ihnen nie ganz genau erzählt, woher Ran damals ihren Verdacht schöpfte und auch diesmal ließ er offen, wie lange sie damit wohl rumgelaufen war. Vom Fall des verstorbenen Zauberers hin zum Frühlingsfest. Die lange Zeit, die sie ihn beobachten konnte, wie viele Vergleiche sie ziehen konnte. Jemanden in dieser Zeit nicht zu überzeugen, dass Conan Edogawa und Shinichi Kudo das gleiche Verhalten an den Tag legten, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gab, war unter diesen Umständen die größere Kunst. Ran musste absolut ohne Zweifel gewesen sein. Allein wie sie damals, kurz zuvor richtig seine Blutgruppe kannte. Hätte sie falsch gelegen, und man hätte, warum auch immer, den Test nicht gemacht, Conan wäre gestorben. Über diesen Zweifel war sie damals erhaben. „Sie hat es zu dem Zeitpunkt gewusst. Und... was sie mir am Tag nach dem Frühlingsfest sagte, was sie hinter Shinichi Kudos Verschwinden und Conans Auftritt vermutete... sie war verdammt nahe an der Wahrheit. Das APTX 4869 konnte sie nicht raten, da tippte sie auf eine Erfindung vom Professor, ansonsten aber lag sie richtig.“ Ein trüber Blick schlich sich durch seine Augen. „Was hast du, Conan?“ Er sah ein Stück zur Seite. „Hast du dir nie den Gedanken gemacht... was unser kleines Doppelgängerspiel beim Frühlingsfest... für Ran damals bedeutete? Hast du dir das nie überlegt, so im Nachhinein, Ai?“ Sie zuckte einen Schritt nach hinten, ihre Züge wirkten unsicher, seine Stimme hatte etwas anklagendes. Und Heiji sollte es aussprechen. „Du hast ihre Fähigkeit zur Beobachtung in Frage gestellt.“ „Wie bitte?!“ „Wie Conan schon richtig sagte, man kann von Zufall bald nicht mehr reden, wenn sie ihn über längere Zeit erleben konnte, all seine Eigenheiten kennen lernte, und dann erstmal der Funke entzündet wurde, er könnte Shinichi Kudo sein. Und wenn es kein Zufall ist... bedeutet das, wenn es doch nicht stimmt, dass beide ein und dieselbe Person sind...“ „Dass sie sich scheinbar alles einbildet, exakt. Dass sie fantasiert, dass es gar keine Zufälle gibt, vielleicht nicht mal Ähnlichkeiten. Dass sie womöglich aus Sorge um Shinichi sich eine Erklärung einredet, die es ihr leichter machen würde, die sagt, er sie da, wenn auch gut getarnt. Und damals ha Sonoko genau das auch gedacht und keinen Hehl draus gemacht. Und dann wurde sie durch uns bestätigt... Es ist mehr als eine Lüge, wenn man jemandes Realitätsbild für gestört erklärt, Ai.“ Ihre Gesichtsfarbe hatte viel verloren, die Blässe war deutlich zu erkennen. Dennoch, so leicht wollte sie hier nicht als die Böse rausgehen, die ihn zu dieser Tat ermunterte und nicht mit den Konsequenzen lebte. Angespannt ballte sie die Fäuste zusammen, suchte ihre Füße als Blickpunkt zu halten. „Es... ging darum, sie vor der Organisation zu schützen, Kudo. Verdammt, jeder auf dieser Welt, der die Existenz der Männer in Schwarz für eine paranoide Wahnvorstellung hält, für eine Verschwörungstheorie ohne Halt, besitzt de facto ein gestörtes Realitätsbewusstsein, ist dir das nicht klar?“ Eine große Hand drückte sie von der Seite auf die Schulter, Heiji versuchte, sie etwas zurück zu halten. „Ganz ruhig, niemand macht dir Vorwürfe, es war Kudos Entscheidung, was er getan hat und dazu steht er auch. Aber etwas verwundert mich dann schon. Wenn du Ran beim Frühlingsfest wirklich überzeugen konntest, dass keine Gemeinsamkeit von Conan und Shinichi Kudo echt war, wie konnte sie überhaupt noch einmal auf diesen Gedanken kommen?“ Conans Blick verfinsterte sich zunehmend. Er musste es nun wohl loswerden, weil er es angekündigt hatte. Und Heijis Frage war genau diejenige, die auch ihn damals beschäftigte. „Das hatte mich auch überrascht. Ich dachte, sie hätte die Ereignisse ums Frühlingsfest vielleicht jetzt anders bewertet und würde früher oder später immer wieder Eigenschaften an mir finden, die sie zu Shinichi treiben... Aber... wie ich später herausfand... war dem keineswegs so. Sie hatte eine Nachricht an Shinichi schicken wollen und zufällig lag gerade Conans Handy in der Nähe, ich hatte es vergessen. Natürlich vibrierte das in diesem Moment los und ließ ihr keine andere Wahl als stutzig zu werden. Deswegen habe ich ja seitdem auch zwei Handys, eins für Conan und eins für Shinichi... Jedenfalls... mit einer von mir auf Tonband aufgenommenen Nachricht und besagtem zweiten Handy konnte ich sie täuschen. Nur...“ Er stoppte, blickte abwesend ins nichts einer leeren Zimmerecke. „Was nur?“ „Ran hatte anfangs wegen des Handys gar nicht geglaubt, dass ich Shinichi bin.“ „Was, aber was...“ „Sie hatte es später mal, fast beiläufig erwähnt, wie es eigentlich war. Wie gesagt, seit dem Frühlingsfest war ich nunmal nicht Shinichi in ihren Augen, egal was ich tat. Und da ihre Nachricht nicht an sein, sondern an mein Handy ging, zumal ja bis dato ich immer meine Nummer unterdrückt hatte, damit sie sie nicht erkannte... dachte sie, ich sei der Mittelsmann zwischen ihr und ihm.“ Heijis Augen weiteten sich, ein dunkler Verdacht keimte auf. Wenn das, was befürchtete wahr war, dann hatte sich Conan diese Aktion bis heute nicht verziehen. „Sie glaubte, du hättest dich von Shinichi per Handy beraten lassen, um bei den Fällen helfen zu können?“ Er stimmte nur murmelnd zu, ohne ihn anzusehen. „Tja und dann wartete sie, dass genau das wieder passieren würde. Was es aber... verständlicherweise nicht tat. Im Gegenteil, ich sprach munter drauf los, ohne mein Handy überhaupt zu berühren.“ „Verdammt, Kudo... das meinst du doch nicht ernst!“ „Doch... es war mein Handy, aber ich benutzte es nicht, um Shinichi Kudo zu kontaktieren... ergo... musste ich selbst Shinichi Kudo sein. Es war kein Vergleich, keine Zufälle, oder sonst etwas so einfach abstreitbares wie in den anderen beiden Fälle. Es war eine klare... und korrekte Schlussfolgerung, die Ran damals zog. Nur deswegen hat sie überhaupt wieder daran gedacht dass ich Shinichi sein könnte. Und ich habe ihr erneut bewiesen, dass sie falsch lag.“ Er schluckte hart, sein Magen zog sich wieder zusammen, weil er daran erinnert wurde. „Du hast ihr... damit eingeredet, sie könne nicht logisch argumentieren, weil ihre Schlussfolgerung falsch war, sie aber den Fehler nicht fand!“, Stammelte Heiji geschockt. 'Es tut mir Leid, Ran!' Ausgerechnet er, der so einen hohen Wert solchen Schlussfolgerungen anrechnete, ausgerechnet er musste ihr, die ihm so viel bedeutete, diese abspenstig machen. Wenn es etwas gab, das er genauso sehr bereute wie seine Unvorsichtigkeit einst im Tropical Land, so war es dieser Betrug gegenüber Ran, dieser eine, mehr als alle anderen zusammen. Er widersprach allem, was ihm wichtig, geradezu heilig war. Sie konnte... nie wieder... eine solche Schlussfolgerung treffen, so lange sie davon ausging, dass diese eine falsch war, wenn sie den Fehler nicht fand. Es würde hängen bleiben, in ihrem Leben, das wusste er genau. „Sag mir Heiji, wenn man jede Assoziation als Einbildung abtut und die eigene Fähigkeit aus Beobachtungen Schlüsse zu ziehen in Frage stellt... wie soll man dann jemals irgendetwas beweisen können?“ „Gar nicht!“ Ai übernahm die Antwort. „Du hast Recht, Kudo. Es gibt keine Möglichkeit mehr. Das heißt, Ran spekuliert nur, selbst wenn sie ziemlich überzeugt sein sollte.“ „Nein.“, unterbrach er sie forsch, nur um dann selbst wieder in leichte Lethargie zu verfallen. „Nein... ich glaube es gibt doch noch etwas... auch wenn ich selber nicht weiß, was.“ Er hatte wirklich ein Talent, andere Leute zu verwirren, wie er ihren verdutzten Blicken entnahm. „Vor kurzem waren wir bei ein paar Physikstudenten... und einer von ihnen hatte so einen komischen Kommentar abgegeben, als wollte er Ran sagen, wie sie es doch... nachweisen könnte...“ „Halt stopp! Irgendwelche Studenten? Woher sollten die von deinem Geheimnis wissen??“ Conan wich Heijis Blick aus, suchte Ais Augen, fixierte sie eine Weile, bis sie verstand. „Soldats!“ „Mhm...“ Heiji hingegen verstand mittlerweile nur noch Bahnhof. „Wer oder was sind Soldats, bitte? Könntet ihr mich mal aufklären? Ich hätte auch noch ein paar Fragen zu dieser Kirika, nebenbei. Die wollte ich vorhin schon stellen, aber da war noch Ran da.“ Er schnaubte, atmete heftig aus, aber blieb scheinbar unbeachtet. „Später... Heiji... später...“ Damit drehte er die Decke um und stieg ohne Vorwarnung aus dem Bett auf. „Was... was hast du vor, Conan? Du kannst jetzt nicht einfach rausgehen.“ „Ich muss aber... ihr... ihr braucht das nicht zu verstehen.“ Sie konnten nichts von Sonokos Ultimatum wissen, sollten sie auch nicht. Das war etwas, was nur ihn, Ran und sie etwas anging. Eigentlich nur ihn und Sonoko, aber letztlich ging es nunmal um Ran. „Ich werde die Sache jetzt klären, komme, was da wolle.“ „Aber Ran ist wahrscheinlich schon mit ihrem Vater weggefahren.“ „Wohl kaum! Wenn sie so aufgelöst, wie sie sich anhörte, bei seinem Wagen erschienen wäre, wäre er längst wieder hier, um mir die Hammelbeine lang zu ziehen.“ Damit zog er sich, ohne sie zu beachten, seine Sachen wieder an, und schritt an ihnen vorbei. „Aber was willst du tun?“ „Das sagte ich doch, ich beende es... jetzt! Wenn Ran einen Beweis hat, dann soll sie ihn aussprechen. Dann sei es so. Dann erfährt sie die Wahrheit. Immer noch besser, als wenn sie kopflos auf Organisationsmitglieder losgeht! Und wenn nicht...“ Er zögerte ein wenig, sah die beiden mit vor Bitterkeit verzerrtem Gesicht an. „Dann... muss sie aufhören... danach zu suchen. Dann muss ich sie eben vor den Kopf stoßen und sagen, ich bin nicht Shinichi Kudo und sie soll es lassen, mir dahin gehend nachzuspionieren. Sie weiß, dass sie bereits in gefährlichem Fahrwasser ist. Und wie gesagt, in dieser Situation ist Halbwissen schlimmer als Wissen, aber auch schlimmer als Unwissen.“ Ob er sie dazu wirklich bringen konnte... ihm zu versprechen, sich nicht in seine Angelegenheiten einzumischen, so lange er als Conan noch da war... fraglich. Aber er musste es wenigstens versuchen. Gesetzt, dass Ran nicht doch so einen Trumpf in der Hand hatte. Aber eigentlich ging er von einem wesentlich schlimmeren Szenario aus. 'Ich werde wohl... ihr das Herz wirklich brechen müssen, damit sie aufhört.' Und er wusste, dass es nicht das einzige sein würde, an diesem Abend. „Ohne die Details zu erklären, wird es schwierig dir zu folgen.“, stellte Steve leicht missmutig fest, während er ein wenig Salat zu sich nahm. „Tja... aber die Details... sind etwas umfangreich und eigentlich möchte ich auch nicht über sie reden. Du musst dich damit begnügen.“ „Dann viel Erfolg, es klar darazulegen.“ „Sagen wir, er hatte besonderes Interesse, ihr zu verdeutlichen, dass er besagtes Problem nicht hätte, was sie aber anzweifelte.“ „Er verheimlichte ihr was, aber sie kam ihm auf die Schliche. Etwas offener kann man es doch wohl sagen, oder?“ „Gewissermaßen. Aber... so weit ich das aus ihren Aussagen heraushörte... hat er wirklich alles Mögliche unternommen, dass sie es nicht erfuhr. Im Wesentlichen auch, weil sie unter Umständen das gleiche Problem dann bekäme. Und ich garantiere dir, er war gut darin... wirklich gut.“ In diesem Moment gab es Steve ernsthaft auf, über das 'Problem' an sich zu spekulieren. Eine profane Jugendliebelei hatte er vermutet, aber das war für Mamoru kein nennenswertes Thema, soweit er ihn einschätzte. Also konzentrierte er sich rein auf die merkwürdige Beziehung, die sein Freund und Kollege beschrieb. „Also hast du ihr geholfen, ihm dieses Problem... nachzuweisen?“ „Nein... das geht nicht. Es gibt keinen Beweis... nicht mehr. Er hat sich da als echt gründlich erwiesen, würde ich sagen. Darum... hab ich ihr... von den Raben erzählt.“ Nachdenklich starrte sein Gegenüber ein paar Sekunden in die Luft, bis der Groschen fiel, und ein ironisches Grinsen ihn überkamen. „Oha... so ein Paar also... hohoa, du kannst manchmal echt fies sein, weißt du das, Mamoru?“ Er nahm nur vergnügt einen zweiten Schluck Wasser, und grinste, lächelte dabei leicht melancholisch. „Ich halte nun mal nicht viel von Leuten, die zu sehr Perfektion in irgendetwas anstreben. Sie verlieren irgendwann etwas wesentliches aus den Augen. Und darauf wollte ich ihn nur mal wieder aufmerksam machen. Außerdem... ich weiß nicht, ob auch nur einer von beiden bisher dieses... 'Rätsel' gelöst hat. Bin ja danach gleich abgereist.“ Conan hatte von einem Flurfenster aus einen Blick auf den Fluss werfen können und dort eine einsame Gestalt in der Nähe einer Laterne erblickt. Das musste sie sein. Sie suchte sich einen ruhigen Platz zum Nachdenken, das passte zu ihr. Er lief zunächst ein Stück, bis er sie deutlich dort stehen sah, mit dem Rücken zu ihm, dann wurde er langsamer. Bis er etwa fünf Meter hinter ihr stehen blieb Scheinbar hatte sie ihn immer noch nicht bemerkt. Sie blickte nur in das vorbeifließende Wasser, auf ihr verzerrtes Spiegelbild. „Hallo Ran.“ Erschrocken fuhr sie herum, erblickte den kleinen Jungen mit dem Verband vor ihr stehend. Ihre Augen waren noch rot, aber getrocknet. „Aber Conan, du solltest dich doch ausruhen, du darfst gar nicht dich hier draußen...“ „Er hat es mir gesagt.“ Augenblicklich war sie stehen geblieben, ließ ihre hochgefahrenen Hände sinken, ihr Blick trübte sich wieder. Er war hier absichtlich hergekommen, um mit ihr zu reden. Seine Augen waren etwas klarer als noch vorhin. Er erinnerte sich also „Oh... hat er das?“ Ihre Stimme klang ebenfalls bitter, wenn auch Trauer mitschwang. „Und... willst du mir nun noch immer etwas wichtiges sagen?“ Sie versuchte mit aller Kraft, den Sarkasmus aus ihrer Tonlage rauszuhalten, aber sie konnte nicht. „Nein...“ Das war nun wirklich keine Überraschung mehr für sie, und dennoch, der Stich ins Herz hat gesessen. „Warum... bist du dann hier?“ „Ich wollte dich etwas fragen.“ Es hatte wohl keinen Sinn, jetzt Floskeln anzufangen, ob das nicht bis Morgen warten könnte. Er erinnerte sich zur Genüge, dass er es ablehnte, sich ihr zu offenbaren. Also war es auch keine leere Frage, die er extra stellen wollte. „Schieß los. Es ist kalt... und wir sollten nicht so lange mehr draußen bleiben.“ Sie versuchte ruhig, gelassen zu wirken, ihm nicht zu viel weitere Angriffsfläche zu geben, als sie ohnehin schon tat. „Warum quälst du dich so für ihn?“ „Was?“ Nun musste sie doch aufschauen. Sein Gesicht zeichnete sich durch die gleiche Miene wie ihres aus. „Warum quälst du dich für Shinichi Kudo, Ran? Er ist ein Idiot, mal ganz ehrlich. Seine kriminologischen Fähigkeiten und Erfolge in allen Ehren, aber wenn er sich nicht blicken lässt die ganze Zeit und nicht merkt, was er dir damit antut, dann ist er ein Idiot. Und wenn er es bemerkt, es ihn aber kalt lässt, oder gar er sich daran erfreut, es amüsant findet, dann ist er noch ein größerer Idiot! Warum...“ „Hör auf!“ Sie schrie ihn förmlich an. Worauf das hinaus lief war ihr schon klar... aber sie war nicht gewillt, es so anzuhören. „Schon gut... aber hast du einen... irgendeinen Grund daran, an ihn zu glauben, Ran? Irgendeinen?“ „Das... das weißt du doch... genau!“ Sie hatte es ihm ja im unpassendsten Moment gesagt damals, noch am Abend nach dem Tropical Land Besuch. „Ich weiß, was du gesagt hast, aber es gibt nicht mal den Ansatz eines Anzeichens, dass er das erwidern würde. Oder dass er es überhaupt verdient hätte, was du empfindest.“ Das hatte noch mehr gesessen. Jedes Wort brach ihr förmlich das Herz. Er sprach es so fest und so gefühlskalt aus, dass es einfach nicht mehr gespielt wirkte. Es war, als gab er ihr in diesem Moment einen Korb. Ganz offen, wohl wissend, wie sie reagieren würde. „Was... was willst du Conan? Was soll ich dir noch sagen. Du hast bereits... am Abend als wir uns kennen lernten, mein größtes Geheimnis erfahren.“ „Ist das alles? Hast du mir... sonst jetzt nichts zu sagen, Ran?“ Sein Herz pochte unregelmäßig und heftig, auch ihm war mehr als unangenehm. Sie sollte ihre Chance bekommen, wie versprochen, hier und jetzt. „Nichts, was du mir vorhalten möchtest? Jetzt wäre deine Gelegenheit, Ran. Oder möchtest du mir etwas an den Kopf werfen. Ich hätte nichts dagegen.“ Er schloss die Augen, wartete ab, dass die Messer geflogen kämen..., aber es blieb still. Als er sie wieder öffnete, stand Ran immer noch an selber Stelle, blickte ihn verunsichert an. 'Also nicht. Dann war es das wohl... mit uns, Ran.' „Du bist ihm wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.“, begann sie mit einem Mal schüchtern. Das wieder, das hatte er doch schon durch. „Jeder hat einen nahezu identisch aussehenden Zwilling auf der Welt, das ist nichts Besonderes.“ „Und du bist genau wie er, in allem, was du machst, sagst, und denkst. Allein schon wieder dieser energische Handlungstrieb jetzt.“ Plötzlich konnte sie sich ein verhustetes Lachen nicht verkneifen. „Das sind teils Zufälle im Wesen und teils, weil ich doch auch sein Fan bin. Das weißt du doch, Ran. Sonst noch irgendwas?“ Sie hob beschwichtigend die Hand, unterdrückt ihrerseits ein leichtes Kratzen im Hals. „Schon gut, Conan ich weiß, ich bilde mir da nur was ein und auf meine... 'Logik', wenn man sie so nennen will, sollte ich mich nicht verlassen.“ Ein selbstironisches Lächeln, über eine Befriedigung, die keine war, ergriff ihn und er senkte langsam den Kopf. 'Wie sagt man so schön... Schachm...' „Nur eines noch Conan. Warum?“, unterbrach sie ihn. Er sah verwirrt auf. „Was... warum?“ „Warum... tust du all das? Warum ich?“ Seine Augen weiteten sich leicht, als er einen Funken Hoffnung in ihren Augen sah. „Du hast mir... mehr als einmal schon das Leben gerettet... genau wie Shinichi... aber dennoch macht er mir mehr Sorgen als alles andere... wie auch du, der immer wegläuft und Verbrecher fangen will. Auf der einen Seite gibst du dir Mühe, alle meine Fäden zu dir zu zerschneiden... auf der anderen Seite gibt es so viele Andere, die einen Einfachen gefunden zu haben scheinen. Warum dieser... exklusive Aufwand für mich?“ Er schluckte hart. Nein... doch nicht... doch nicht so was. „Sag mir Conan... warum stutzen die Londoner den Raben im Tower die Flügel?“ Vor seinem geistigen Auge sah er mit einem Mal einen Physiker, ironisch grinsend, auf ihn herabsehen. 'Es ist legitim, seine eigenen Fehler ausmerzen und auf Nummer sicher gehen zu wollen. Auch ist es in Ordnung darin nach Perfektion zu streben, keine Frage. Erreichen wird man sie eh nie. Aber selbst wenn... Perfektion an sich... ist auch ein Fehler. Es ist wie einzelner, blinkender Punkt auf der Landkarte, das auffälligste, was es gibt quasi. Und alle drum herum fragen sich stets nur eines. Warum zum Geier hat jemand sich die Mühe zur Perfektion gemacht? Und das... ist der Anfang vom Ende für dein Geheimnis, Shinihi Kudo. Die Frage, die, wegen deiner besonderen Vorkehrungen, die Ran keine Chance lassen sollen, nur Ran stellen kann. Warum diese Perfektion?' „Die Raben... aber die sollen halt nicht wegfliegen! Schließlich geht sonst das britische Königreich unter, Ran. Die Legende kennst du doch auch.“ „Aber dann würde es doch genügen, sie in Käfige zu stecken. Das wäre weniger schmerzhaft, ganz sicher.“ Ihr Lächeln blieb mit einem Touch von Traurigkeit versehen, wurde aber dennoch breiter, während Conan eine leichte Gänsehaut verspürte. Das konnte doch nicht wahr sein. Dieser... Physiker. „Du kennst die Antwort, Conan, warum stutzt man ihnen die Flügel?“ Er antwortete nicht, weil die einzige, richtige Antwort unvermeidlich die für ihn falsche war. „Weil man sie dann einsperren würde, Conan. Weil sie Gefangene wären. Dafür sind sie viel zu bedeutsam. Sie kriegen alles, was sie wollen dort, haben ein wunderbares Leben, wenn ihnen nur nichts passiert. Innerhalb des Towers sind sie sicher. Außerhalb weiß man nie was ihnen zustoßen könnte. Wen sie wüssten, was sie dort erwarten würde, sie würden gar nicht erst versuchen, wegzufliegen. Kommt es dir bekannt vor? Wie oft hast du mir das Leben schon gerettet, wie oft hast du mich getröstet, wegen Shinichi, Conan? Alles hast du getan für mich... außer mir jemals zu helfen, zu ihm zurück zu kommen. Warum?“ Eigentlich klang es anklagend und doch... auch wieder sehr freundlich, liebevoll. Und in diesem Moment war ihm letzteres sehr viel unbehaglicher. „Nein, warte Ran, du... siehst das falsch... ich...“ „Ja... das ist wohl möglich, dass ich falsch sehe. Die Augen... sehen doch bekanntlich nur das Unwesentliche.“ „Was?“ „Du weißt doch... Conan... der kleine Prinz. Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Damit schloss sie kurz die ihren, atmete tief durch. „Das gilt auch für dich, der äußerlich kleine Junge, mit ungewöhnlichen Hobbys. Aber mein Herz sagt mir etwas anderes. Du bist nicht so traditionell eingestellt wie die Briten, also hast du... nicht wirklich das gleiche Motiv... wie sie. Und wenn es irgendetwas gebe, wobei ich dir wirklich helfen könnte in deinem Fall, der definitiv existiert..., dann hättest du es mich mittlerweile wissen lassen und nicht versucht, mich davor abzuschotten. Es bleibt nur... was mein Herz mir sagt. Dass du etwas... empfindest, dass ich eine besondere Person für dich bin. Stimmt's?“ Nun öffnete sie die Augen wieder, starrte in ein leicht gerötetes Gesicht, wohl wissend, dass ihres keine andere Farbe hatte. „N...Nein, Ran... das... das stimmt nicht, ich...“ Sie schritt die kurze Distanz auf ihn zu, und ehe er einen Schritt zurück machen konnte, hatte sich zu ihm hinunter gebeugt und ihn auf beide Schultern gefasst. „Conan... Was du... fühlst, ist letztlich nur dir wirklich bekannt. Ich kann es nicht wissen, nur aus dem ableiten, was ich... fühle, aufgrund dessen, was du für mich tust. Ein Mädchen... kann nicht darüber hinweg sehen, wenn man ihr immer und immer wieder so hilft, wie du es bei mir machst. Und auch nicht, wie du allgemein reagierst auf mich.“ Sie sah ihn nun auf Augenhöhe genau an, Tränenansätze in ihren noch von vorhin geröteten Augen. „Es geht nicht spurlos an mir vorbei, wenn jemand so etwas für mich tut. Wenn... wenn du wirklich nur ein Kind bist, Conan, dann ist es vermutlich bedeutungslos für dich. Und wenn du es doch bist, Shinichi... ich kann nun sagen, dass es keine leeren Worte damals waren. Ich. Liebe. Dich.“ Damit drückte sie ihn an sich und ließ ihn nicht mehr los. „Aber... Ran...“ Er gab diesen Versuch aber auf, da sie nicht wirklich reagierte. Er wollte dieses Thema nie ansprechen, so lange er nicht vor ihr stehen könnte, als Shiinichi, und sollte Ran ihn am Telefon bedrängen, wollte er es abwürgen... aber... dass sie selbst... auch noch um die Organisation wissend... von sich aus es ihm sagen würde... damit hatte er nie gerechnet. „Man sieht nur mit dem Herzen gut, Shinichi. Ich erkenne dich... an deinem Wesen, und an nichts anderem.“ Schließlich gab er nach. Als sie es bemerkte, wurde ihr noch etwas wärmer ums Herz, und sie musste leicht schmunzeln. 'Du hattest doch Recht, Kazuha... vielleicht habe ich mich doch in ein Kind verliebt... aber nur äußerlich.' 'Das Wesen der Menschen... erkennt man nicht an ihren Eigenschaften und auch nicht an ihrem Alltagsverhalten. Man erkennt es daran, was sie tun, wenn sie vor neue, unbekannte Situationen gestellt werden. Wenn sie spontan handeln müssen. Und dieses ist das eindeutige Wesen, welches man nur mit dem Herzen richtig sehen kann. Was du getan hast, seit du verjüngt wurdest, das ist dein Wesen. Und zu verleugnen, dass du es aus Liebe zu ihr ihr so schwer gemacht hast... ist praktisch aussichtslos. Schließlich... guckt man, wenn man das erkennt... bereits mit dem Herzen.' Lächelnd nahm er sein leeres Tablett, stellte es in der Ablage ab und ging wieder an seinen Arbeitsplatz. „Ich danke dir... Ran!“ „Wofür?“ Sie ließ ihn immer noch nicht los, antwortete mehr träumend. „Dass du mir eine Bürde abgenommen hast.“ „Ist doch... nicht viel du hast mich heute schon vorm Ertrinken gerettet, oder?“ Nun ließ sie doch kurz ab, sah ihn an. Sein Gesicht war auch rot. „Ich... ich...“ „Ist es immer noch so schwer... weil du es nicht als Kind sagen möchtest? Du bist kein Kind... Shinichi...“ Er schwieg einen Moment, schloss dann die Augen. „Du hast Recht Ran... dein Herz... lügt dich nicht an. So wie ich es... wohl auch nie wirklich konnte. Der Grund, warum ich dich so verletzt habe... war dass ich nicht wollte, um alles in der Welt, dass sie jemals auf dich aufmerksam werden. Denn du bist... das wichtigste für mich auf dieser Welt. Ich... liebe dich, Ran.“ In einiger Entfernung stand ein kleines Mädchen, beobachtete das ungleich wirkende Paar skeptisch, drehte sich dann langsam um und ging zurück zum Krankenhaus. 'Du hast dich also entschieden, Kudo... und ich hoffe, du bereust diese Entscheidung nicht irgendwann... nicht zuletzt... wegen Ran.' Ein leiser Wind zog um die Häuser und durch das freie Gelände am Fluss. Der Sommer ging zu Ende, der Herbst... mit seinen stürmischen Zeiten würde bald ein völlig neues Bild dieser Landschaft bringen. Und dann würde sich zeigen, was eine wackelige Liebe im Sturm der Zeit ertragen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)