Mut von Mamitasu (Hat es sich gelohnt?) ================================================================================ one shot -------- Erleichtert ließ sich Hyde schwer auf den Stuhl fallen und streckte die Beine von sich. Den anderen ging es ähnlich, auch wenn der Sänger ihnen keine Beachtung schenkte. Zu sehr war er von seinen Gedanken gefangen, die sich im Kreis drehten. Irgendwie wollte es ihm nicht klappen, den Strudel, welcher sich aus seinen immer wieder kehrenden Antworten und Fragen gebildet hatte, zu durchbrechen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Er hasste es, sich im Kreis zu drehen. Wenn es nicht gerade auf der Bühne war und er über die Musik, welche ihn durchflutete, seine Schüchternheit vergaß und sich mehr schlecht als recht zu ihrem einzigartigen Spiel bewegte. Es war alles perfekt. Nein, perfekt gewesen. Jetzt war nichts mehr so wie vorher. Alles lag in Scherben. Sein ganzes Leben war nichts weiter als ein Haufen zerrissenes Papier. Alles war ihm gewaltsam genommen worden. Auf nichts hatte er Einfluss gehabt und doch hatte er das untrügliche Gefühl schuldig zu sein. Ein tiefes Seufzen entrann sich seiner Kehle. „Haido? Du solltest auch heimgehen?“ Leise drang die sorgenvolle Stimme an sein Ohr. Mit Verzögerung begriff er auch die Bedeutung der Worte. Langsam hob er seinen Kopf und sah den Sprecher an. Der Ausdruck seiner Augen musste sehr beunruhigend sein, denn sein Gegenüber kniete sich vor ihn. Endlich erkannte er um wen es sich handelte. Was wollte Tetsu von ihm? „Haido, geht es dir nicht gut?“ Unüberhörbare Sorge schwang in der Stimme des Bassisten mit. Dieser konnte sich Hyde erst recht nicht entziehen. War er doch zu empfindlich bezüglich aller Nuancen, die Tetsus Stimme aufweisen konnte. Ergeben seufzte er, bevor er eine Antwort hervor brachte, die nicht einmal ihn überzeugte: „Mit mir ist alles in Ordnung.“ Langsam erhob er sich, nicht weil er wirklich gehen wollte, sondern um den so unendlich geliebten braunen Augen mit all ihrer Wärme, Sorge und was sie noch alles auszustrahlen vermochten, zu entfliehen. So stand er also nun und war endlich für einige weitere Minuten dem gedanklichen Strudel entkommen. Er sah sich in dem kleinen Aufenthaltsraum um. Sakura war gegangen ebenso wie Ken, stellte er ernüchtert fest. „Ich sollte auch gehen“, sprach er mit tonloser Stimme und drehte sich zu Tetsu um, dieser stand ebenfalls. „Das solltest du“, wurde ihm bestätigt. So nahm er seine wenigen Habseligkeiten, die er, wann immer er das geschafft haben sollte, auf dem kleinen Tisch verstreut hatte. Nach wenigen Minuten war alles in seiner Tasche und er an der Tür. Es erklang kein Wort des Abschiedes. Keine Andeutung, dass sie sich wieder sehen würden. Aber auch keine Ansage bezüglich ihrer momentanen beruflichen Lage. Er legte seine Finger um das kalte Metall des Türgriffs und genoss das leichte Prickeln, was seine Finger entlang fuhr und auch vor seiner Handinnenfläche nicht halt machte. Er drückte die Klinke herunter, schob die Tür auf, trat hinaus und schloss den Eingang hinter sich. Nur wenige Schritte hatte er sich von dem Raum entfernt, als er die Schultern hängen ließ, seinen Blick auf den Boden heftete und die Hände in den Hosentaschen vergrub. Wieso musste das alles nur ihnen passieren? Und wieso alles auf einmal? Diese beiden Fragen waren die Schlimmsten der Wiederkehrenden, denn er wusste keine Antwort auf sie. Ebenso wenig konnte er sich beantworten, warum er wieder allein war. Oder sich so unendlich verlassen fühlte. Es konnte doch nicht daran liegen, dass Sakura eben bekannt gegeben hatte, dass er die Band verließ. Denn das hatte er schon vorher gewusst. Dem Drummer war leider keine andere Möglichkeit geblieben, wenn er nicht die komplette Band ruinieren wollte. Und das wollte keiner von ihnen. Zumindest war Hyde sich sicher, von keinem solche Gedanken zu kennen. Natürlich war dies keine Garantie, aber er vertraute seinen Bandkollegen. Und einem besonders. Aber der ihm nicht mehr. Schon wieder wollte ihm ein Seufzer entweichen. Doch schaffte er es im letzten Augenblick diesen zu unterdrücken. Seine Gedanken kehrten aber zu seiner Umgebung zurück. Gerade rechtzeitig, denn er war im Begriff die Straße einfach so zu überqueren. Das hätte ein übles Ende genommen, wenn er das Auto, welches gerade an ihm vorbei fuhr, in die Rechnung mit einbezog. So trottete er lieber zu der Ampel, um die Straße zu überqueren. Bevor es grün wurde, war er gedanklich bei dem Tag angelangt, an dem sein Herz zerbrochen wurde. „Haido? Was tust du da?“ Hecktisch sah sich der Sänger um, zu sorgenvoll, zu gut erhalten war die Stimme in seinen Gedanken. Er fühlte sich in die Szene vor etwa drei Monaten zurück versetzt. Damals hatte er sich ebenfalls zu schnell gedreht. Ihm war dabei kurzzeitig schwarz vor Augen geworden, da sie zuvor ihr letztes Konzert ihrer Tour 'Carnival of True' gegeben hatten und er somit völlig erledigt gewesen war. Nachdem er den Schwindel bekämpft gehabt hatte, hatte er sich einem überraschten, enttäuschten und ebenso traurigen Tetsu gegenüber gesehen. „Nichts“, hatte er ehrlich erwidert. Anscheinend war das falsch gewesen, denn die Enttäuschung in den Augen Tetsuyas hatte zugenommen. „Wieso sitzt du auf seinem Schoss?“ Seine Stimme hatte dabei eine so eigenartige Nuance gehabt. Eine, die er noch nie zuvor vernommen hatte. „Ich wär unsanft auf dem Boden gelandet, wenn mich Sakura nicht aufgefangen hätte“, hatte er erklärt gehabt. Doch war dies nicht ausreichend gewesen. Denn die Trauer in Tetsus Blick hatte die Enttäuschung überlagert, bevor die nächste Frage gestellt worden war. „Was hat der Kuss zu bedeuten?“ Hyde hatte riesengroße Augen bekommen, aus denen er seinen Freund wortlos angestarrt hatte. Als Tetsu jedoch andeutete zu gehen, war der kleine Sänger aufgesprungen und zu dem Bassisten gelaufen. Er hatte diesen am Arm ergriffen und festgehalten. „Der Kuss hat nichts zu bedeuten. Es war lediglich ein freundschaftliches Streifen der Lippen“, hatte er beteuert. Doch es hatte nicht ausgereicht. Tetsu hatte sich grob von ihm losgemacht und war zur Tür gegangen. Im Rahmen war er stehen geblieben und hatte sich noch einmal an Hyde gewandt. Mit Tränen in den Augen hatte er ihn angeschrien: „Wirklich? Es war NUR freundschaftlich? Wer's glaubt wird selig. Es ist aus.“ Besonders der letzte Satz hatte in seinen Ohren nach geschallt. Und er tat es wieder. Immer wenn er sich an diese Szene erinnerte, konnte er Tetsu vor sich sehen. Das Tränen nasse Gesicht war so nah und doch so unendlich fern. Seitdem war jegliche Zuneigung zwischen ihnen verschwunden. Und das alles nur, weil er Sakura zum Dank für dessen Hilfe einen kleinen Kuss auf die Lippen gehaucht hatte. Das Ganze hatte nicht ein Mal eine Minute gedauert. Und doch hat es ausgereicht seine Beziehung zu dem einzigen Menschen, der ihn völlig so akzeptierte wie er war, zu zerstören. Wenn es anatomisch gesehen möglich wäre, würde er sich am liebsten so in den Hintern treten, dass er einige Meter fliegen würde. Doch ging dies leider, eher zum Glück, nicht. Die Kälte, die Tetsu seitdem ihm gegenüber an den Tag legte, war Strafe genug. Was, ihn aber am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass Tetsu das Freundschaftliche so in Frage stellte. So als ob er irgendetwas wüsste, was ihm, Hyde, entgangen war. War dies möglich? Natürlich war es das. Wenn Hyde eines wusste, dann war das seine eigene Unfähigkeit Annäherungsversuche, die nicht derart plump waren, dass sie selbst einem Blinden ins Auge stachen, zu erkennen. Er seufzte und fuhr sich ergeben durch die Haare. Also war er doch mehr Schuld an dem Zerbrechen seiner Beziehung, als er sich bisher bewusst war. Aber wieso drohte jetzt auch seine Freundschaft zu Sakura zu zerbrechen? Hatte dessen Ausstieg etwas mit der Sache im Backstagebereich des Nippon Budokan zu tun? Nein, Sakura hatte die Band verlassen, weil man ihn wegen Drogenbesitzes verhaftet hatte. Außerdem hatte der Drummer ihn nach Tetsus Aussage aufgefordert, diesem hinterher zu gehen. Doch er war, da wo er gestanden hatte, zu Boden gesunken und in sich zusammen gesackt. In dem Moment hatte er aufgegeben. Er hatte die Liebe seines Lebens ziehen lassen. „Es würde nichts bringen“, hatte er zu Sakura gesagt. Dabei war seine Stimme niedergeschlagen und voller Schmerz gewesen. Nur wenig später hatte Hyde damals die Hand des Drummers auf seiner Schulter gespürt. Doch Trost hatte diese genauso wenig wie die Worte ihm gespendet. „Es wird alles gut.“ Dies hatte Sakura geglaubt und er die ersten Tage auch. Er hatte sich daran geklammert wie ein Ertrinkender. Doch er war untergegangen. Wegen seiner Feigheit war er wieder alleine. Wieso hatte er es nicht geschafft am folgenden Tag zu Tetsu zu gehen und sich wenigstens zu entschuldigen? Ach ja, weil der Blick des Bassisten bei der Begrüßung so eisig gewesen war, dass er das Gefühl gehabt hatte, sein Blut würde in seinen Adern erfrieren. Dem war natürlich nicht so gewesen, aber er hatte erneut aufgegeben. Und nun stand diese Sache immer noch zwischen ihnen, obwohl er doch nichts dringender brauchte als seinen besten Freund. Aber Freundschaft war ebenso vergänglich wie Liebe. Hatte man ihm das nicht mehrfach gesagt? Hyde spürte Widerstand und kämpfte sich aus seinen Gedanken hervor. Wie kam er denn hierher? Er blickte sich um und zuckte mit den Schulter. Nach einem weiteren dieses Mal sehnsuchtsvollen Blick auf die Tür drehte er sich um und eilte die Straße entlang. Er musste heim, wenn er nicht auf der Straße in Tränen ausbrechen wollte. Er stand so kurz davor seine Selbstbeherrschung zu verlieren, dass er zur nächsten U-Bahnstation rannte und erst wieder zur Ruhe kam, nachdem er in einem der Waggons saß und seine Stirn an die Fensterscheibe lehnen konnte. Das kalte Glas tat gut. Es kühlte seine erhitzte Stirn und beruhigte seine Nerven. Erleichterung machte sich in dem Sänger breit, nachdem er seine Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte. Langsam ging er den kleinen Flur entlang und betrat sein Schlafzimmer. Achtlos ließ er seine Sachen auf den Boden und sich, nachdem er sich entkleidet hatte, auf das Bett fallen. Er schloss die Augen. „Tetsu.“ Ein Flehen. Ein Betteln. Ein Ausdruck seines Schmerzes. Dieses eine Wort war so viel und doch so wenig. Da keine Antwort kam, liefen ihm die Tränen über die Wangen und versickerten im Kopfkissen. „Wieso?“ Er wusste es und doch musste er sich die Frage immer wieder stellen. Denn wenn er damit aufhören würde, würde er vergessen, was passiert war. Und das ging auf keinen Fall. Er durfte nicht vergessen. Nicht solange es noch Hoffnung gab. Und die gab es doch noch. Oder? Oh ja, die gab es noch. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Guten Morgen“, damit war der kleine Sänger in den Bandraum getreten und hatte sich anschließend umgesehen. Dabei hatte er feststellen dürfen, dass er und Tetsu alleine waren. So konnte ihm dieser nicht ausweichen und musste auch antworten. Und wie dieser das getan hatte. Ein einziges Wort, aber mit so vielen Emotionen gesprochen, dass selbst oder gerade Hyde hatte spüren können, wie innerlich zerrissen Tetsu gewesen war. „Wie geht es dir?“ hatte er das Gespräch weitergeführt. „Hervorragend.“ Lügner hatte Hyde gedacht gehabt und das Grinsen im Gesicht des Bassisten als falsch abgetan ebenso wie die Fröhlichkeit, die dieser an den Tag gelegt hatte, als er sich seinen Bass gegriffen und darauf eine kleine Melodie gespielt hatte. Doch hatte der Sänger nichts gesagt gehabt. Nein, er hatte sich dazu gesellt und zu dem Bassspiel gesummt. So wie sie es in den Monaten davor immer getan hatten. Zwar hatte es sich in diesem Moment anders an gefühlt, aber nicht falsch. Und diese Erinnerung gab ihm immer noch Hoffnung, so dass er seine Gefühle nicht weg sperrte, sondern in jeder Minute, die er zum Denken hatte, weiter unter seinem fehlenden Mut, seiner Dummheit und seiner Liebe litt. Die Tränen liefen weiter über seine Wangen, bis er eingeschlafen war. Quälend langsam vergingen die nächsten Tage. Immer wieder trafen sie sich zu Bandbesprechungen und jedes Mal starrte Hyde auf den leeren Platz. In einigen Augenblicken kam es ihm so vor, als ob er um Sakura mehr trauerte als um seine zerbrochene Beziehung. Aber dem war nicht so. Oder doch? Heftig schüttelte er den Kopf und riss seine Augen von dem leeren Platz. Sie glitten zu Ken. Dort verweilte sein Blick, bis er erkannt hatte, wie der Gitarrist ihn ansah. Mitleid war deutlich in den braunen Augen zu lesen und es behagte ihm nicht. Wie viel wusste Ken? Was dachte er? Hyde ließ seinen Blick weiter wandern und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Tetsus Augen funkelten vor unterdrücktem Zorn. „Es tut mir Leid“, entschuldigte er sich. „Was habe ich verpasst?“ „Ich habe gesagt, dass einige Drummer bei uns vorspielen wollen.“ Die Kälte in Tetsus Stimme entging dem Sänger nicht. Die Tatsache, dass dieser sein Leader-Face nicht aufgesetzt hatte, bemerkte er genauso. „Warum?“ Keine Sekunde später bereute er die Frage. Und wie er sie bereute. Wenn Hyde nicht gewusst hätte, dass Tetsu die Band über alles ging, dann hätte er für sein Leben schwarz gesehen. Doch so bekam er lediglich eine scharfe Antwort, die ihm einen Stich ins Herzen versetzte. „Du willst Sakura ersetzen?“ Unbewusst hatte Hyde seine Stimme erhoben. „Natürlich. Wir können nicht warten, bis sein Ruf wieder hergestellt ist.“ Die gereizte Tonlage Tetsus ließ ihn zusammen zuckte. „Aber er gehört genauso zu laruku wie Ken, du oder ich“, entgegnete Hyde trotzig, nachdem er seine Schultern gestrafft hatte. „Du hast es doch selbst von ihm gehört. Er ist zum Wohle der Band ausgestiegen. Also halte uns jetzt nicht auf, weil du ihm nach trauerst.“ Der unausgesprochene Vorwurf im letzten Satz traf Hyde wie ein Schlag in den Magen. Benommen sah er zu dem Bassisten, der einst sein bester Freund gewesen war. Er setzte zu einer Erwiderung an, doch brachte er kein Wort heraus. Dafür stürmte er Stuhl umwerfend und Tür knallend aus dem Raum. Mit zitternden Beinen lehnte er sich an die Hintertür. Dachte Tetsu wirklich, dass er und Sakura? Er konnte nicht einmal den Gedanken zu Ende führen. Wie konnte Tetsu da so etwas glauben? Er schluchzte und rutschte an der Tür nach unten. Seinen Kopf legte er in den Nacken und sah in den von Smog verhangenen Himmel. Wieso nur? Wieso musste es nur so kompliziert sein? Und warum nur war er so feige? „AH!“ Er fiel nach hinten, als jemand die Tür aufzog. „Nicht so stürmisch.“ Er konnte trotz des Versuches von Ken anzüglich zu klingen die Sorge in dessen Stimme hören. Mühsam setzte sich Hyde aufrecht hin und sah fragend zu seinem älteren Kollegen auf. „Tetsu möchte weiter machen.“ „Gut.“ Langsam erhob sich der Sänger. „Was ist nur los mit euch?“ Dieses Mal versuchte Ken nicht einmal seine Sorge zu verstecken. „Das weißt du doch“, antwortete Hyde leise und sah auf den Boden. „Ist das wirklich alles?“ „Ja.“ Auch wenn seine Stimme nicht annähernd so fest klang, wie er es sich erhofft hatte, so setzte sich Ken trotzdem in Bewegung. „Und auch wieder nicht“, fügte Hyde so leise hinzu, dass nur er es hören konnte. Die Drummer kamen und gingen. Bei jedem Weiteren, der ging, atmete Hyde auf und schöpfte neue Hoffnung, dass sie Sakura wieder als Drummer nehmen würden. Doch jedes Mal kam ein anderer Schlagzeuger und sie versuchten es erneut. Resignation hatte sich bei ihm breit gemacht, denn auch dieses Mal würde es einen Neuen geben. Es war nur die Frage wann, aber das würde ihnen Tetsu gewiss in den nächsten Minuten erörtern. Immerhin saßen sie zu einer Besprechung zusammen. „Und nun?“ wollte Hyde mit gelangweilter Stimme wissen. „Versuchen wir es auf eine andere Art und Weise.“ Er wollte sich nicht erlauben, Hoffnung zu schöpfen. So wartete er auf den Harken, der kommen würde. Denn er kannte Tetsu gut genug, um zu wissen, dass dieser nicht aufgeben würde, bis sie wieder komplett waren. „Und wie genau?“ mischte sich Ken ein. „Wir werden uns dieses Mal vorher mit dem entsprechenden Kandidaten treffen und in einem Gespräch hoffentlich feststellen, ob wir zusammen passen oder nicht“, erklärte der Leader und Hyde konnte spüren wie die Hoffnung in ihm starb. „Und wann ist das?“ „Morgen Vormittag.“ Hydes Konzentration ließ nach und er gab sich seinen Erinnerungen mit Sakura hin. All den Interviews, in denen nur sie beide Gäste waren. „Weil ich ihn erst ausfindig machen musste.“ Er horchte auf und sah zu Ken, welcher fragend drein blickte. Hyde folgte dessen Blickrichtung und blieb bei Tetsu hängen. Dieser fügte ernst hinzu: „Ich hab mich an ihn erinnert und bin der Auffassung, dass er ganz gut zu uns passen könnte. Aber ich möchte ihn euch erst vorstellen, bevor wir unser Zusammenspiel testen. Immerhin ist es mit den anderen Drummern jedes Mal schief gelaufen. Und ich glaube, dass wir uns einige Versuche hätten sparen können, wenn wir uns vorher richtig unterhalten hätten.“ Nun war Hydes Hoffnung endgültig Tod. Er wusste, wie stur Tetsu war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Er wusste ebenso, dass es der Leader nicht dulden würde, wenn er dem Drummer keine Chance geben würde, nur weil er lieber mit einem Jahre langen Freund weiter zusammenspielen möchte, anstatt sich an jemand Neues zu gewöhnen. Ergeben seufzte er und nickte, nachdem er dem fragenden Blick seines Leaders gewahr geworden war. „Damit sind wir für heute fertig. Seid Morgen bitte beide pünktlich.“ Tetsu schenkte beiden einen eindringlichen Blick, der dem Sänger das Gefühl gab sein Innerstes Preis zugeben. Bevor er sie endgültig entließ, nannte er ihnen noch den Namen und die Adresse des Cafés, in dem das morgigen Treffen statt finden sollte. „Morgen also.“ Hyde fuhr sich durch die Haare und lehnte sich nach hinten. „Morgen entscheidet sich wie wir weiter machen.“ Gegen seinen Willen musste er sich an die Bandgründung erinnern. „Hide! Hide!“ Bedächtig hatte der 22jährige seinen Kopf gehoben und seinen alten Schulfreund angesehen. Dieser hatte wild leuchtende Augen gehabt. „Ich will eine Band gründen.“ Zu dem Zeitpunkt war Hyde nicht mitgerissen gewesen. Denn es hatte nicht ihn betroffen. So hatte er damals, vor rund sechs Jahren, auch nur mit einem „Schön für dich“ geantwortet und es bereut. Denn der Schmollmund, den Tetsu daraufhin aufgesetzt hatte, war ihm durch Mark und Bein gegangen. „Ich will dich als Sänger.“ Dieser Satz hatte ihn überrascht und gleichzeitig gefreut, auch wenn er mit seiner Band 'Jerusalem's Rod' glücklich war, hatte er schon seit einiger Zeit Interesse an einer Zusammenarbeit mit Tetsu gehabt. Aber gefragt hatte er nie und nun stand genau der vor ihm. Er hatte zugestimmt. Und nun waren sie hier. Hatten so vieles erreicht und standen jetzt an einem Scheideweg. Was sollte er tun? „Wirklich? Es war NUR freundschaftlich? Wer's glaubt wird selig. Es ist aus.“ Gequält schloss er die Augen, als die Worte seine Gedanken überfluteten. „Du hast es doch selbst von ihm gehört. Er ist zum Wohle der Band ausgestiegen. Also halte uns jetzt nicht auf, weil du ihm nachtrauerst.“ Hielt er sie wirklich auf? Hinderte er Ken und Tetsu daran einen neuen Drummer zu finden und weiterzumachen? Wäre es besser, wenn er aussteigen würde? „Ich will dich als Sänger.“ Er fasste einen Entschluss, als Tetsus Stimme in seinen Gedanken verklang. Entschlossen schlug Hyde seine Augen auf. Er würde weiter der Sänger L'Arc~en~Ciels sein. Er würde es sich, Sakura und auch Tetsu zeigen. Seine Stärke würde er allen zeigen. Ab Morgen würde ihn nichts mehr so leicht aus der Bahn werfen. Er würde stark werden, denn er nahm es sich mit jeder Faser seines Körpers vor. Die Schüchternheit gehörte der Vergangenheit an. Vielleicht, bestimmt sogar, konnte er sie nicht komplett ablegen, aber zumindest in einem Teil seines Lebens würde sie keine große Rolle mehr spielen. Genau. Er ballte seine Hand zur Faust. Er wollte diese Chance nutzen und er würde es tun. Zufrieden mit sich stand Hyde auf und ging in sein Schlafzimmer. Hyde starrte in den abkühlenden Kaffee. Er sah weder die schwarze Flüssigkeit noch nahm er die Tasse wahr. Seine Augen waren auf einen Punkt gerichtet, der ebenso lange her war wie das Gefühl vollster Zufriedenheit. Er sah Tetsus schlafendes Gesicht vor sich. Der erste Morgen, an dem er neben ihm aufgewacht war. Sie waren am Abend zuvor zusammengekommen. Sie hatten nicht mehr als einen scheuen Kuss auf die Lippen ausgetauscht, bevor sie sich Schlafen gelegt hatten. Und doch war es der perfekte Abend gewesen. Zumindest für ihn, Hyde, war er das gewesen. Und der Morgen hatte dem Abend in nichts nachgestanden. Denn er hatte genug Zeit gehabt, Tetsus Gesicht zu inspizieren. Sich jede Falte, jede Unebenheit einzuprägen. Seine Finger waren behutsam über die Haut gefahren. Er hatte eine Vorsicht walten lassen, als ob er eine seiner Glasfiguren vor sich gehabt hätte. Nein, er war vorsichtiger gewesen. Denn Tetsu war tausendmal mehr Wert als eines der Stücke seiner blauen Glassammlung. Ein Lächeln huschte über Hydes Züge, als er sich Tetsus Lächeln vorstellte, was dieser ihm geschenkt hatte, nachdem der Bassist aufgewacht war. Der Sänger dachte gerne daran zurück. Denn dadurch wusste er, wofür er kämpfte und um was. Langsam hob er die Tasse, setzte sie an seine Lippen und nahm einen Schluck. Er war versucht es wieder auszuspucken, denn der Kaffee war mittlerweile kalt und schmeckte scheußlich. So stand er auf und kippte den Rest in die Spüle, bevor er die Tasse in diese stellte. Festen Schrittes ging er in sein Schlafzimmer und zog sich ein T-Shirt über. Anschließend beehrte er den Flur mit seiner Anwesenheit. Nachdem die Schuhe ihren Platz an seinen Füßen gefunden hatten und er seinen Schlüssel in der Hand hielt, fuhr er sich noch einmal durch die Haare und atmete tief ein und aus, danach öffnete er die Wohnungstür und war auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Er war etwas zu früh, so dass er seine Schritte verlangsamte und die Gegend in Augenschein nahm. „Hey Haido“, wurde er aus seiner Musterung gerissen. „Hallo, Ken!“ erwiderte er nach einem Blick zu dem Neuankömmling. „Wie geht’s?“ Damit begann der Smalltalk, welcher länger dauerte als der Sänger angenommen hatte. Erst als sie Tetsu erreicht hatten, verstummte ihr wenig interessantes Gespräch. „Da seid ihr zwei ja“, wurden sie von dem Bassisten begrüßt. „Dann lasst uns mal reingehen“, hielt sich dieser gar nicht lange mit Smalltalk auf. Ken und Hyde folgten ihm, wobei der Blick des Sängers abschätzend durch den Raum glitt. Nett, dachte er und folgte den anderen beiden bis in den hinteren Teil. Dort ließen sie sich an einem Tisch nieder. „Er dürfte gleich kommen.“ Doch die Person, die zu ihnen trat, war eine Kellnerin. Tetsu lehnte höflich ab, während Ken und Hyde jeweils einen Kaffee bestellten. Einige Minuten stillen Wartens verstrichen, ehe die junge Dame erneut an ihren Tisch trat. Mit einem süßen Lächeln stellte sie die Tassen vor Hyde und Ken ab. Anschließend ließ sie die drei jungen Männer wieder allein. „Welche Zeit hast du ihm denn genannt?“ wollte Ken wissen. „11 Uhr“, war die knappe Antwort des Bassisten. Hyde sah auf seine Armbanduhr und seufzte. „Warum sind wir dann schon hier?“ „Weil ich wollte, dass ihr beiden pünktlich seid.“ Der Sänger sah Ken an und wusste, dass dieser das selbe dachte wie er. „So unpünktlich sind wir aber auch wieder nicht“, empörte sich daher Hyde. „Nein, aber auch nicht die Zuverlässigsten.“ Tetsu bedachte ihn mit einem Blick, der dem Sänger die Antwort hinunter schlucken ließ, anstatt sie auszusprechen. So verfielen sie erneut in Schweigen. Zu ihrem Glück ließ der Drummer-Kandidat nicht mehr allzu lange auf sich warten. Denn nachdem beide Kaffeetassen zur Hälfte geleert waren, näherte sich ihnen ein jungen Mann. Skeptisch besah sich Hyde den Neuankömmling. „Hallo“, grüßte dieser. „Ich bin Yukihiro Awaji.“ Aus den Augenwinkeln nahm der Sänger eine Bewegung war. Er wandte leicht seinen Kopf und sah, dass Tetsu auf gestanden war. „Schön, dass du da bist“, fing der Bassist ganz leader-like an. „Ich bin Tetsu und das sind Ken und Haido“, dabei zeigte er auf die entsprechenden Personen. „Schön euch kennen zu lernen.“ Hyde nickte nur und begann den Drummer eingehend zu mustern. Er war etwas kleiner als Tetsu, dünn und hatte dunkle, kurze Haare. Er hatte so gar nichts gemein mit Sakura. Und wie der Kerl redete. Irgendwie sagte Hyde dieser Mensch gar nicht zu und doch begann er dem Gespräch zu lauschen, auch wenn er keinen Ton von sich gab. „Was hältst du von unserer Musik?“ mischte sich der Sänger nun doch ein und ignorierte bis auf Awaji-san jeden. Er achtete auch weniger auf dessen Worte, als auf die Haltung, die Mimik und die Stimme. So fand er wesentlich mehr heraus als wenn er jedes Wort einzeln wüsste. Und war zu seinem eigenen Erstaunen zufrieden mit der Antwort. „Wie findest du gemeinsame Entscheidungen?“ Sachlich sprach Hyde weiter mit dem Drummer und erfuhr so noch einige Sachen, die ihn wirklich interessierten. Mit jeder weiteren Frage mochte er den jungen Mann mehr. Irgendwann unterbrach Tetsu ihre Unterhaltung, in dem er vorschlug, dass sie sich am nächsten Tag im Studio treffen könnten. Ausnahmslos jeder stimmte zu. Nachdem der Drummer gegangen war, wandte sich der Bassist an die anderen beiden. „Und wie findet ihr ihn?“ „Er scheint in Ordnung zu sein“, antwortete Ken. Hyde nickte lediglich und lächelte, als er den erstaunten Blick Tetsus sah. „Es ist aus.“ Mittlerweile war es fast ein Jahr her, dass er die Worte aus dem Mund seines über alles geliebten Bassisten gehört hatte. Und doch kehrten sie immer wieder. Es gab keine Woche, in der er nicht mindestens ein Mal von der Nacht nach ihrem Konzert im Nippon Budokan geträumt hatte. Am meisten blieb ihm dabei, die Szene im Backstagebereich im Gedächtnis, das Aus seiner Beziehung. Einer Beziehung, die so frisch gewesen war, dass er es zu dem Zeitpunkt immer noch nicht glauben konnte, dass er überhaupt eine hatte. Hideto seufzte tief und richtete seine Aufmerksamkeit auf sein Spiegelbild. Er sollte nicht so viel in der Vergangenheit leben, auch wenn es schwer fiel. Die Gegenwart brauchte seine ganze Aufmerksamkeit, immerhin gaben sie heute ihr erstes Konzert nach dem Ausstieg von Sakura. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. In den letzten Monaten hatte er Tetsu gezeigt, wie stark er sein konnte, wenn er wollte. Und er wollte immer noch. „Ich will dich als Sänger.“ Und er will der Sänger bleiben, weswegen er seine Gedanken nach hinten stellte, um eine klasse Show zu liefern. Immerhin wollten die Fans was geboten bekommen und er wollte ihnen was bieten. Sie sollten nicht umsonst auf L'Arc~en~Ciel gewartet haben. Erschöpft aber mehr als glücklich betrat Hyde den Backstagebereich. Neben sich hörte er Ken mit Yukihiro reden. Von Tetsu bekam er nichts mit, er wusste nur, dass dieser hinter ihm war. Da fiel ihm sein Entschluss wieder ein, Stärke zu zeigen, und so blieb er stehen. „Kann ich kurz mit dir reden?“ fragte er den Bassisten, als dieser neben ihm war. Verwunderung blickte dem Sänger entgegen, aber er erhielt ein Nicken. So führte er Tetsu in einen anderen Bereich als den, in dem der Gitarrist und der Drummer verschwunden waren. „Es tut mir furchtbar schrecklich leid was Ende Januar passiert ist. Und ich weiß, dass es eigentlich unverzeihlich ist. Trotzdem bitte ich dich...“ „Nein“, wurde der Sänger abrupt unterbrochen. „Du hast es recht, es ist unverzeihlich. Deswegen kannst du dir einen Atem sparen.“ Aufgebracht wurde er von Tetsuya angesehen, welcher sich umdrehte und los ging. „Ich liebe dich, Tetsu“, rief Hideto dem Bassisten hinterher. „Und ich möchte dich glücklich sehen“, fügte er hinzu, nachdem Tetsuya stehen geblieben war. „Und wenn du ohne mich glücklicher bist, dann soll es so sein. Aber bitte lach wieder aus vollem Herzen, denn das tust du seit Monaten nur sehr selten. Und du hast bisher immer deinen Spaß gehabt, auch wenn du uns zu guter Arbeit anhalten musstest. Ich möchte den alten Tetsu wieder sehen. Wenn ich dafür aus deinem Leben verschwinden muss, dann tu ich das. Denn du bist, der Mensch, der mir alles bedeutet und es schmerzt mich immer noch, wenn ich daran denke, wie sehr ich dir weh getan habe.“ Demütig senkte Hyde seinen Kopf und wartete einfach auf eine Reaktion des Bassisten. Doch es kam keine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)