Nullpunkt von Memphis ================================================================================ Kapitel 4: Ist denn die Wahrheit ein Zwiebel, von dem man die Häute nur abschält? --------------------------------------------------------------------------------- Es gab Tage, die lösten nur pure Frustation in mir aus. Damit meinte ich nicht irgendwelche Tage, bei denen was unheimlich schlimmes passiert war und man eigentlich gar nicht wusste, wie es überhaupt weiter gehen sollte. Nein, damit meinte ich einfach irgendein x-beliebiger Tag, der grundlos so unglaublich Scheiße war, dass man überhaupt nicht nachvollziehen konnte, wie man das verdient hatte. So einen Tag hatte ich heute und das auch noch an einem Sonntag. Ich mochte Sonntage sowieso nicht sonderlich gerne, weil da Eddy oft keine Zeit hatte, war irgendwie Familientag oder irgendwie sowas. Zu dem bedeutete Sonntag das wieder eine Woche vorbei war und danach Montag kam und Montage waren noch beschissener. Ich war aufgewacht, weil anscheinend die alte Dame über mir, Besuch von ihren Enkelkindern hatte, die dadurch herausstachen laut und nervig zu sein. Ich hatte sogar den leisen Verdacht, dass sie sich ein Spiel daraus machten, wer besonders viel Krach machen konnten. In jedem Fall war ich wach und fragte mich, warum es nicht mehr Kinder gab, wie ich eines war. Ich hatte nie Lärm gemacht, ehrlich nicht, ich hatte so gut wie nie geschrieen und meistens gezeichnet, so sollten Kinder meiner Meinung nach sein. Nicht wie diese kleinen Monster, die ständig laut „Oma!“ schrieen. So wollte man nicht aufwachen, schon gar nicht, wenn man unangenehmen Müll geträumt hatte, der mit Beerdigungen und geliebten Menschen, die nicht mehr da waren, zu tun hatte. Der Tage hatte also so der schlechteste Start gehabt, den ich mir vorstellen konnte. Das ich keine Milch und keinen Zucker mehr für meinen Kaffee hatte, machte es auch nicht besser. Noch schlimmer hätte es nur sein können, wenn mir der Kaffee aus gegangen wäre. Dann hätte ich nämlich die Wohnung verlassen müssen, um mir an der Tankstelle welchen zu kaufen. Wenigstens hatte ich mittlerweile wieder das Geld dafür. Als das Telefon klingelte, hatte ich schon den Verdacht, dass ich es bereuen würde, ranzugehen. Das hatte sich auch bestätigt, als mir Eddy eklärte, er wäre zu verkatert, um herzukommen. Er würde den Tag lieber kotzend im Bett verbringen. Da konnte ich nicht viel sagen, ich wusste, wie es war, wenn einen ein Kater völlig lahm legte. Es ärgerte mich nur, dass es ausgerechnet heute sein musste. Nicht das ich so fertig war, wie letzten Sonntag und es einen akuten Anlass gab, warum Eddy hier sein sollte. Aber zur Zeit fühlte ich mich einfach furchtbar unruhig, wenn niemand hier war. Es war, als würde einfach komplett etwas fehlen, wenn in dieser Wohnung niemand außer mir war. Die lauten Kinder über mir, die ihren Spass hatten, machten es nicht besser. Ihre fröhliches Geschrei schien in meiner leeren Wohnung regelrecht nachzuhallen und ich hatte den Fernseher lauter gedreht. Die Stimmen von fremden Menschen, die alle etwas nicht reales verkörperten waren angenehmer zu ertragen, als alles um mich herum. Was ich am Sonntagsprogramm allerdings nicht mochte, war das die Sender wohl irgendwie versuchten, Familien dazu zu animieren gemeinsam vor dem Fernseher zu sitzen und Spielfilme zu gucken. All der Familienschmu, das war doch zum Kotzen. Ich wollte an meinen Bewerbungsmappen arbeiten, naja, wollen, ich musste. Und gerade dieses Müssen schien einen unangenehmen Druck auf mich auszuüben, der dafür sorgte, dass ich mit jedem Strich, den ich machte noch frustrierter wurde. Das war doch alles Kacke. Wer auch immer behauptete, ich hätte Talent, der hatte keine Ahnung. Nichts sah so aus, wie ich es wollte. Jeder Strich schien falsch zu sitzen und die sonstige Ruhe, die ich durchs Zeichnen bekam, setzte ums Verrecken einfach nicht ein. Ich radierte frustriert die Linien aus, die ich schon zehn mal gezeichnet hatte und bekam langsam ernsthafte Zweifel an einem möglichen Kunststudium. Wenn man davon absah, dass die nicht nur Zeichungen wollten und ich eigentlich noch zigtausend andere Sachen für die Mappen machen sollte, die ich noch viel weniger konnte. Ich hatte vom Fotographieren ungefähr soviel Ahnung, wie ein Stein von einem Vogel. Sah ja ganz hübsch aus, aber keine Ahnung wie ich das hinkriegen sollte. Mit Plastiken kannte ich mich auch nicht aus, ich hatte nicht mal irgendwelches Material dafür da, um welche herzustellen und Malen, malen hasste ich. Von dem Geruch der Acrylfarben wurde mir jedes Mal schlecht und irgendwie schienen bei mir Farben nie die Wirkung zu haben, die ich mir wünschte. Gott, allein wenn ich an meine ganzen Defizite dachte, schien es mir hirnrissiger, mich überhaupt an einer Uni zu bewerben. Ich zeichnete noch verbissener weiter. Ich konnte doch einfach nichts anderes. Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, wenn das mit dem Studium nichts wurde. Meine Noten waren wirklich nicht gut und es interessierte mich auch einfach nichts anderes. Ich würde für einen Bürojob vermutlich morgens nicht mal aus dem Bett kriechen. Mir fiel es ja oft genug schon zu schwer für die Schule aufzustehen. Ich versuchte die Striche, die ich mit viel zu viel Druck aufgrund meines Frustes gezeichnet hatte, wieder weg zu radieren, weil sie einfach nicht gut waren. Beim Radieren riss mir das Papier. „So ein Scheiße!“ Ich hatte wirklich genug. Ich schmiss das Zeug von mir auf den Boden und es war mir sowas von egal, wenn dabei etwas zerknitterte. Es war ja doch nichts dabei, bei dem es wichtig gewesen wäre. Mit trotziger Miene saß ich jetzt auf dem Bett, starrte den Fernseher an und kaute dabei auf meinen Fingernägeln. Ich wusste nicht, was ich nun tun sollte. Ich war einfach viel zu frustiert, um jetzt weiter zu zeichnen. So hatte das einfach keinen Sinn. Aber wenn ich nicht zeichnete, musste ich etwas anderes tun. Ich konnte einfach nicht nur da sitzen und nichts tun. Dann wäre mir wieder diese unnatürliche Stille in der Wohnung aufgefallen, gegen die der Fernseher auch nichts tun konnte. Ich stand von meinem Bett auf, ging zu meinem Schreibtisch und starrte von dort aus dem Fenster, kaute immer noch frustriert an meinen Nägeln. Das Wetter war auch noch ekelhaft schön. Es war doch Herbst, sollte es nicht stürmen und regnen?! Selbst die Natur enttäuschte mich. Ich wandte mich ab und lief unruhig im Zimmer umher, ging zu meinem Schreibtisch und hoffte, ich würde da irgendwas finden, dass mich plötzlich aus dieser Frustration riss. Da war natürlich nichts. Ich schüttelte mein Bett auf, schaute in meinem Kleiderschrank, in den ich meine Klamotten einfach nur hineingeworfen hatte und einen Dreck tun würde, sie zu ordnen. Ich verließ mein Zimmer und ging in die Küche. Ich vermied es dabei, die Tür zum Wohnzimmer auch nur anzusehen, dieses Zimmer war so ziemlich das letzte, was ich gebrauchen konnte. Einzig das Schlafzimmer meiner Großeltern, dass ich seit Jahren nicht betreten hatte, versuchte ich noch mehr zu verdrängen. Die Einkäufe von Mittwoch standen noch weitest gehend unangetastet auf der Anrichte. Da ich mir schon wieder in den Finger gebissen hatte und keinen Bock hatte, mir schon wieder eine Nagelbettenzündung zu erkauen, fand ich das Lebensmitteleinräumen vermutlich eine gute Alternative zur Beschäftigung meiner Hände war. Die Nudeln und der Reis verstaute ich in den oberen Schränken und fand bei der Gelegenheit ein Netz mit Zwiebeln, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatten. Wann zum Henker, hatte ich mal Zwiebeln gekauft? Aber es würde zumindest den unangenehmen Geruch erklären, der seit einiger Zeit in der Küche hing. Mit angeekelten Gesicht hob ich die Zwiebeln hoch, die auch noch tropften und beförderte sie in den Mülleimer. Dabei hinterließen sie einen ekligen, schmierigen Vergammlungsfilm, den ich vermutlich entfernen sollte, bevor ich da weiter etwas in den Schrank legte. Ich seufzte, noch ein Punkt der für den perfekten, schlechten Tag sprach. Es gab doch nichts widerliches als die Reste von verschimmelten Lebensmitteln zu entsorgen. Ich suchte nach dem Küchenpapier, beziehungsweise ich schaute an dem Platz, wo normalerweise immer Küchenpapier stand und stellte fest, das keines mehr da war. Ach, so ein Fuck, das nervte mich wieder tierisch. Um sowas hatte sich meine Großmutter immer gekümmert. Ich hatte einfach keinen Kopf für so einen Scheiß. Ich hasste einkaufen, ich hasste es einen eigenen Haushalt haben zu müssen, das war doch alles Beschiss! Ich knallte den Küchenschrank zu und stapfte aus der Küche, sollten die Einkäufe doch liegen bleiben, wo sie waren. War doch sowieso egal, ob hier alles im Chaos versank. Wen interessierte das schon? Für wen sollte man überhaupt die Wohnung sauber halten? Es war doch wirklich alles Scheiß egal. Ich stand im Flur und atmete mehrmals tief durch, ich musste mich wieder beruhigen. Meine Hände zitterten und ich verstand nicht, warum ich wegen so einer Lapalie beinahe die Nerven verloren hätte. Ich fuhr mir mit den Händen über die Augen, atmete nochmal durch und fühlte mich ein bisschen ruhiger. Ich sollte nicht so am Rad drehen, alles war okay. Es war wirklich alles in Ordnung, nur ein bisschen Dreck in der Küche. Das bekam ich in den Griff, alles kein Problem. Ich hatte noch Klopapier, damit müsste man das auch wegwischen können. Ich würde es jetzt holen, die Küche sauber machen, die Einkäufe einräumen und dann wieder etwas zeichnen. Der Sonntag konnte nicht ewig dauern. Ich musste es nur bis morgenfrüh schaffen und wenn man bedachte, dass ich davon sicher zehn Stunden Schlafen würde, musste das machbar sein. Ich ging ins Bad, um dort das Toilettenpapier zu holen von dem zum Glück noch genug da war. Wenigstens konnte ich an sowas denken... Das Toilettenpapier befand sich in dem Unterschrank des Waschbeckens und als ich mich wieder aufrichtete, mit meiner grandiosen Beute in der Hand, musste ich unweigerlich in den Spiegel sehen. Ich sah abgeschlagen und übermüdet aus, was circa dem entsprach, wie ich mich fühlte. Müde war ich in letzter Zeit sowieso ständig, vielleich trank ich deswegen soviel Kaffee. Der Eindruck meiner Reflektion wurde zudem auch nicht verbessert, dass der Spiegel selbst ziemlich dreckig war. Man sah Zahnpastaspritzer, Wasserflecken darauf und Streifen, wenn ich den beschlagenen Spiegel mit dem Handtuch abgewischt habe, um mich darin zu erkennen. Ich könnte eine Fotoreihe mit Menschen vor dreckigen Spiegeln machen, aber ich hatte den leisen Verdacht, dass das weder sehr neu, noch sehr kreativ war. Ein Gedanke war es zumindest wert gewesen. Mit dem Klopapier bewaffnet, widmete ich mich dem Schleimangriff der verschimmelten Zwiebeln. Wenn man nicht dran dachte, was es war, ging es eigentlich mit dem Aufputzen und es war schneller erledigt als erwartet. Allerdings sollte ich bei nächster Gelegenheit den Müll wegbringen. Ich räumte die restlichen Einkäufe in die Schränke, fand dabei noch eine Packung Käse zwischen den Schokoriegeln, die ich schon vermisst hatte. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob der Käse noch genießbar war, nachdem er fast eine Woche lang in dem beheizten Raum gelegen hatte. Allerdings war die Verpackung noch geschlossen. Ich zuckte mit den Schultern und legte sie einfach in den Kühlschrank, ich konnte ihn ja bei Gelegenheit mal probieren. Ich würde bestimmt nicht dran sterben und notfalls konnte ich damit noch Nudeln überbacken. Mit Käse schmeckte doch sowieso alles viel besser, selbst meine begrenzten Kochkünste. Ich schaute mich in der nun halbwegs ordentlichen Küche um und stellte fest, dass ich für die ganze Aktion nicht mal zwanzig Minuten gebraucht hatte und ich so gesehen, wieder nichts zu tun hatte. In der Küche hörte ich auch nur das Ticken der alten Uhr, die direkt über der Tür hing. Mit jedem Tick war wieder ein Moment meines Lebens vorbei. Verschwendung nur hier zu stehen, oder? Mann, ich war schon wieder so unglaublich müde. Ich ging aus der Küche und weg von der depressiv machenden Uhr. Tick Tack - Mach was aus deinem Leben! - Tick Tack - Solange du noch Zeit hast! - Tick Tack. Die Uhr konnte mich mal kreuzweise, ich versuchte gerade mein Bestes, okay? Ich tat wirklich was ich konnte, damit wieder alles glatt lief. Das war nur nicht immer so leicht... Ich hätte jetzt gerne Eddy angerufen, aber damit hätte ich mich lächerlich gemacht. Deswegen stand ich jetzt nur vor dem Telefon und starrte es an. Als wenn das nicht lächerlich wäre. Gut, er hatte zwar gesagt, ich konnte mich immer bei ihm melden, wenn etwas nicht stimmte. Aber ich war auch kein Kleinkind, dass nach seiner Mama rufen muss, bloß weil es Angst vor dem Alleinsein hatte. Außerdem war ja alles in Ordnung, mir kam die Wohnung nur irgendwie etwas leer vor und ich wusste, dass sich Eddy Sorgen machte, wenn ich ständig wollte, dass er hier war. Er machte sich sowieso schon genug Gedanken um mich, immerhin kam er mindestens dreimal die Woche zu mir oder fragte, ob ich nicht bei ihm vorbei schauen wollte. Im Moment wünschte ich mir, dass das Telefon klingelte und er dran war, um mir zu sagen, dass er in der nächsten halben Stunde hier auftauchen würde. Aber auch verbittertes Niederstarren, während ich an meinen Fingernägeln kaute, brachte das Gerät nicht dazu einen Pieps von sich zu geben. Scheiße, ich musste echt drauf stehen, mich zum Vollhonk zu machen. Warum sollte Eddy jetzt anrufen? Ich wusste, dass er einen Kater hatte und vermutlich den ganzen Tag das Bett nicht verlassen hat, außer um zu kotzen. Wenn Eddy mal soviel trank, dass er verkatert war, dann richtig. Er hielt eben nichts von halben Sachen, anscheinend auch nicht in dieser Hinsicht. Obwohl ich wusste, dass ich mich albern benahm, blieb ich noch einen kurzen Moment vor dem Telefon stehen, in der irrsinnigen Hoffnung, dass es doch plötzlich klingen würde. Tat es nicht. Ich war genervt von mir selbst. Komm, Enno, du bist doch ein großer Junge, du schaffst es doch mal einen Tag ohne deinen Helden Eddy auszukommen! Super, jetzt machte ich mich sogar im Gedanken über mich selbst lustig. Wenig amüsiert darüber, kickte ich das Telefontischchen, das etwas verzweifelt wankte, aber wohl doch soviel Standhaftigkeit besaß und nicht umfiel. War mir egal, ich ging in mein Zimmer. Ich machte mich doch nicht mehr vor mir selbst zum Volldepp. Ich konnte armselig sein, aber das war selbst mir zu low. In meinem Zimmer, in dem der Fernseher immer noch lief, schmiss ich mich auf mein Bett und angelte nach dem Zeichenzeug, das wunderhübsch davor verteilt war. Abfotographieren, das war doch bestimmt künsterlischer wertvoll. Ehrlich, seit ich mich mit diesen Mappenkram beschäftigen musste, hatte ich keinen Schimmer, was wirklich gut war und was man überhaupt unter Kunst verstehen musste. Kunst war doch Kacke. Fäkalkunst? Ich zeichnete einen kleinen Pilz und war zufrieden mit ihm. Er grinste mich ab. Pilze, was besseres ging wohl gerade nicht. Ich zeichnte glückliche Pilze, traurige Pilze, große Pilze, Pilze, die aussahen wie Penise, Pilze mit einem großen Schirm, Pilze mit Beinen und Pilze mit Armen. Ein ganzes Blatt voller itzibitzi kleiner Pilze und ich fühlte mich wirklich besser dadurch. Davon ermutigt beschloss ich noch ein paar Seiten meines Skizzenbuchs mit itzibitzi kleinen Penisen, Regenschirmen, Tomaten und Nasen zu füllen. Über die Nasen war ich besonders zufrieden, sie sahen genauso aus, wie Nasen aussehen sollte. Groß und laufend. Ich war definitv ein großer, großer Künstler. Ich seufzte und sobald ich die Augen zu machte, spürte ich wieder dieses frustrierte Gefühl, also sorgte ich dafür, dass ich die Augen nicht lange geschlossen hielt, sondern einfach weiter sinnloses Zeug zeichnete. Gießkannen, Gießkannen waren doch immer für einen Spass zu haben, oder? Man konnte ihnen hübsche Hüte aufsetzen, Hüten mit großen Blumen und Federn oder gleich einem ganzen, toten Fasan! Ich hätte vielleicht doch noch Eddy anrufen sollen. Mein Blick suchte meinen Wecker. Es war halb zwölf, ob er noch vorbei kommen würde? Eddy hatte doch gesagt, ich sollte ihn anrufen, wenn es mir nicht gut ging und gerade wankte ich auf einer schmalen Zwischen absoluter Frustration und purer Resignation. Als gut würde ich das also nicht bezeichnen. Hm, Eddy müsste allerdings morgenfrüh arbeiten und er übernachtete immer ungern und darauf würde es hinauslaufen, falls er noch vorbei kommen würde. Egal, ich wollte ihn sehen. Ich würde nicht schlafen können, bevor er nicht hier war, das wusste ich und irgendwie war dieses Gefühl etwas beängstigend. Was wäre, wenn Eddy irgendwann mal nicht mehr kommen würde, weil er jemand gefunden hatte, der ihm wichtiger war? Bei dem Gedanken zog sich mein Magen unangenehm zusammen und bestärkte mich darin, bei ihm anzurufen. Vielleicht wollte ich mir damit nur beweisen, dass ich mir keine Sorgen machen musste und er immer kommen würde, wenn ich ihn brauchte. Ich ging in den Flur zum Telefon und hatte seine Nummer schon halb eingetippt, als mir aufging, dass sich seine Mutter bestimmt nicht freuen würde, wenn ich schon wieder so spät bei ihnen anrufen würde. Ich sollte ihm auf dem Handy anrufen, dass hatte er ja eigentlich immer an. Die Nummer kannte ich allerdings nicht auswendig, da ich mich selten auf diesem Weg meldete und ich mir generell schwer tat lange Zahlenreihen zu merken. Die Nummer hing aber gut leserlich, noch für meine Oma, an dem Pinboard beim Telefontischchen und ich tippte sie langsam ein. Das Freizeichen war mehrmals zu hören und ich hoffte so, dass nicht die Mailbox ranging. Die brachte mir nämlich gar nichts, ich musste mit Eddy direkt sprechen und zwar jetzt. „Ja?“, meldete sich eine sehr verschlafene Stimme. Mist, anscheinend hatte er schon gepennt. Das verringerte die Chance, dass er noch vorbei kommen würde drastisch. „Hey, Eddy, ich bin´s.“ Meine Stimme klang rau und richtig fertig. Verdammt, ich wollte doch gar nicht so erbärmlich auf ihn wirken. „Enni, was ist los?!“ Er klang sofort alamiert und seine Besorgnis ließ mich sofort etwas ruhiger werden. Ich konnte gar nicht anders, als ein bisschen zu lächeln. Ich war ihm wichtig, wenigstens ihm. „Kannst du noch vorbei kommen?“, fragte ich und mein Herz schlug dabei schneller als mir lieb war. Ich hatte immer noch Angst, er würde Nein sagen und das wäre heute einfach zu viel. War der Anruf wirklich eine gute Idee gewesen? Seine Stimme tat mir gut, aber er durfte mich nicht ablehnen. Nicht er. Ich hörte ihn am anderen Ende der Leitung laut seufzen und mein Herz wurde schwer. Ich war ihm lästig, oder? Ich war einfach zu viel... Ich... „Ok, kann ich machen... soll ich irgendwas mitbringen?“ Ich hörte, wie es raschelte. Anscheinend wühlte er sich gerade aus seinem Bett, um jetzt zu mir zu kommen. „Nein.“ Ich brauchte nur dich. Wahrscheinlich war Eddy längst bewusst, wie wichtig er für mich war. Vielleicht enttäuschte er deshalb niemals mein Vertrauen. Ich war wirklich froh, dass ich ihn hatte... Und als er dann neben mir im Bett lag, die Lautstärke des Fernsehers so leise, dass ich seinen gleichmäßigen Atem hören konnte, fühlte ich mich, als wäre in meinem Leben alles in Ordnung, solange er nur immer kommen würde. Meine Schulter berührte seine. Ich schloss die Augen und schlief ein, jetzt war er ja hier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)