Der Wächter des Drachen von Xanderle (Fortsetzung von "Drachenherz" und "Die Söhne des Drachen") ================================================================================ Kapitel 21: Plötzlich Prinz --------------------------- Hallo ihr Lieben! Zuallererst will ich mich bedanken, dass ihr trotz der langen Zeit, in der ich nichts von mir hören, bzw. lesen liess, hereinschaut. Es gibt wirklich keine Entschuldigung dafür, eineinhalb Jahre für ein einziges Kapitel zu brauchen. Ich hätte die FF wenigstens als pausiert deklarieren sollen, aber ich dachte irgendwie immer „Demnächst macht Du weiter. Noch ein, zwei Wochen...“. Tja, und dann haben sich die Wochen gestapelt und gestapelt und gestapelt. Ich tue mich mit den Enden der Geschichten immer schwer, weil ich einfach nicht Schluss machen will oder kann, aber diesmal... Wahrscheinlich hat meine Faulheit diesmal einfach die Oberhand gewonnen. Und bestimmt hab ich die meisten von euch durch diese ewige Warterei vergrault. Das tut mir wirklich sehr, sehr leid! An diejenigen, die Aya und Takeru noch die Stange halten, tausend Dank! Ich kann nur hoffen, dass eure Geduld sich für euch lohnt, und das Kapitel euch gefällt. Lasst euch drücken! Alexandra Plötzlich Prinz Oder: Der Abend, an dem Hauptmann Nezu ohne Essen ins Bett muss. Verloren stand Yuna Nezu inmitten des prunkvollsten Gästezimmers, das der Feuerpalast zu bieten hatte, und rang die Hände. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Sie schluckte. „Yunicha?“ Feste Arme schlangen sich um Yuna. Sie spürte, wie ein Gesicht sich in ihr Haar schmiegte. Es war so lange her. Sacht aber bestimmt drehte Takeo sie zu sich. Dass sie wieder in diese Augen sehen durfte... Dass sie wieder diesen Halt haben durfte... Dass sie wieder lieben durfte... Langsam senkte Takeo den Kopf. Ja. Es war lange her. So fürchterlich lange. Yuna bewegte sich unruhig. Der Kuss landete auf ihrem Mundwinkel. „Yuna?“ Er hob ihr Kinn, doch sie wich seinem Blick aus. „Was ist?“ „I... ich ... Ich bin nicht mehr so, wie... wie Du mich gekannt hast, Takeo“, stammelte Yuna. Takeo erstarrte. Wollte sie damit sagen, dass sie ihn nicht mehr wollte? „Gibt es einen anderen, Yuna?“, fragte er ruhig. „Was?“ Erschrocken starrte sie ihn an. „Nein! Himmel, nein! Aber ... ich... Ich habe... nicht besonders auf mich geachtet. Auf mein Äußeres. Ich... hatte keinen Grund dazu. Und jetzt bin ich alt. Du dagegen ...“ „Was ist mit mir?“ Machte er Witze? „Sieh Dich doch an!“, wisperte sie. „Du bist in Bestform und ... und ...“ „In Bestform?“, fragte Takeo rau. „Ja. Für den Moment. Seit wir das Arbeitszimmer des Feuerlords verlassen haben, beult mir meine Bestform die Hosen aus.“ „Takeo!“ Zärtlich umfasste er ihr empor gewandtes, entrüstetes Gesicht. „Yuna...“, flüsterte er an ihren Mund. „Du wirst ja immer noch rot.“ „Ich ...“ „Und Du bist immer noch wunderschön.“ Sein Daumen strich sacht über ihren Wangenknochen. Dann küsste er sie. Und es war wieder wie damals. Die Trauer, die Einsamkeit, die endlosen Jahre. Alles verpuffte. Denn als er sie küsste, war alles wieder wie damals. „Yuna!“ „Ich liebe Dich!“, weinte sie. „Nicht weinen!“ Er küsste ihre Tränen fort. „Bitte wein doch nicht.“ „Es hat so weh getan, Takeo!“ Sie klammerte sich an ihn. „Ich weiß“, flüsterte er. „Ich weiß.“ Yuna wusste, er sprach die Wahrheit. Der gleiche Schmerz. Die gleiche Trauer. Die gleiche Fassungslosigkeit. Wie viele Jahre hatte sie gedacht, es könne nicht wahr sein? Nicht wirklich. Das Leben könne ihr so etwas nicht antun. Alles, nur nicht das! Nicht das Schlimmste! Und wie sehr sie damit Recht gehabt hatte. „Yunicha!“ Yunas Gedankengängen wurde ein Ende gesetzt. Sie schlang die Arme um ihn, erwiderte den tiefen, fast verzweifelten Kuss. Reden würden sie später. Takeo hob sein Eheweib auf die Arme und trug sie zum Bett. Ja. Reden würden sie. Aber erst am Morgen. Vier Stunden später Takeo lag neben seiner schlafenden Frau und blickte nachdenklich auf den kostbar bestickten Betthimmel des Gästebetts Seiner Lordschaft. Jemals wieder so zufrieden sein zu können... Noch vor Stunden war der bloße Gedanke daran lächerlich gewesen. Und doch hatte er sein Glück wiedergefunden. Der Herzog von Iweh sah keinen Sinn darin, mit den Jahren zu hadern, die dazwischen gelegen hatten. Er war lange genug verbittert gewesen. Jetzt würde er sie einfach nur festhalten. Seine Yuna. Seinen Sohn allerdings... Takeo seufzte. Der Blick des Jungen war mehr als abweisend gewesen. Hass war es zwar keiner gewesen, aber eben auch sonst keinerlei Gefühl. Warum auch? Für Hauptmann Nezu war er ein Fremder. Vielleicht gar eine Art Bedrohung. Takeo wusste besser als jeder andere, wie sehr man den eigenen Vater verabscheuen konnte. Blutsbande allein waren kein Garant für Zuneigung. Sein Blick fiel auf Yuna. Sie schlief tief und fest. Vorsichtig löste er sich aus ihrer Umarmung und verließ das Bett. Schließlich wollte er sie durch seine Unruhe nicht aufwecken. Er würde jedoch nicht der einzige bleiben, den der Schlaf in dieser Nacht mied. Gemächer des stellvertretenden Kommandanten, zur gleichen Zeit In langen, ziellosen Bahnen ging Aya im Schlafzimmer umher. Wo blieb er nur? Er reagierte sich jetzt schon seit vier Stunden ab. Normalerweise reichte ihm das zum Verarbeiten schlimmster Staatskrisen. Dabei kannte er noch nicht einmal die Hintergründe der ganzen Geschichte. Sie seufzte. Herzog. Er war der Sohn eines Herzogs. Erzherzog. um genau zu sein. Agni! Wie sollte sie ihm dies alles nur beibringen? Vor allem, da er es offensichtlich bevorzugte, durch Abwesenheit zu glänzen. Ratlos sank Aya auf eine Chaiselongue. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie Takeru sich im Augenblick fühlte. Sie selbst hatte immer gewusst, wer und wo ihre Eltern waren. Hatte sich immer auf den Rückhalt und die Liebe ihrer gesamten Familie verlassen können. Sie hatte nie erfahren müssen, wie es war, vollkommen auf sich allein gestellt zu sein. Er hingegen kannte seinen Vater nur aus Erzählungen. Hatte sich die liebevollen Schilderungen in kindlichem Eifer in den schillerndsten Farben ausgeschmückt und sein Vertrauen in einen zwar abwesenden, jedoch überlebensgroßen Vater gesetzt. Und nun war ebendieser Mann aufgetaucht und zwang Takeru dazu, sich mit der Wirklichkeit eines realen Menschen auseinanderzusetzen. Himmel, wo blieb er nur? Sie erhob sich und nahm ihre unruhige Wanderung erneut auf. Allem Anschein nach war ihr Bedürfnis ihrem Ehemann beizustehen wieder einmal wesentlich größer als dessen Bedürfnis nach Beistand. Oh, warum hatte sie sich nicht einfach in einen der unzähligen charmanten, unkomplizierten, OFFENEN Männer verlieben können, die bei Hofe in Scharen ein und aus gingen? Weil sie alle nicht Takeru Nezu gewesen waren. Ihr beherrschter, kaltblütiger, unkooperativer Sturkopf von einem Ehemann. Der tatsächlich die Stirn hatte, sie hier allein zu lassen, obwohl es bereits weit nach Mitternacht war... Vielleicht sollte sie einen gefährlichen Nachtspaziergang planen? Das würde ihn wahrscheinlich postwendend in Erscheinung treten lassen. Ungeduldig bearbeitete sie den sorgfältig manikürten Nagel eines Daumens mit den Zähnen. Als sie sich dessen bewusst wurde, nahm sie schnell die Hand fort. „Agni! Wenn er nicht bald...“ In just diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Hauptmann Nezu betrat das Zimmer, als sei nicht das geringste vorgefallen. Er hielt den Kopf gesenkt, damit beschäftigt, die dicken, wollenen Gamaschen an seinen Unterarmen abzuwickeln, drückte Aya im Vorbeigehen einen Kuss auf den Mundwinkel und verschwand im Waschraum. Soweit so gut. Dies war das übliche Prozedere, wenn er nach dem abendlichen Training die Privatgemächer betrat. Allerdings war die Uhrzeit alles andere als üblich. So spät wie es war, hatte der Oberhofmeister ihn wahrscheinlich aus der Trainingshalle werfen müssen. Aus dem angrenzenden Raum hörte Aya leises Plätschern. Sie ging zum Durchgang und beobachtete ihren Ehemann dabei, wie er über die große Waschschüssel gebeugt stand und sich wusch. Als er damit fertig war, griff er nach dem Wasserkrug und leerte dessen Inhalt ohne viel Federlesen über Kopf und Oberkörper. Sie reichte ihm ein Handtuch. „Danke!“ „Hast Du schon gegessen?“ „Nein.“ Er rubbelte energisch sein Haar trocken. „Gut. Ich hab Dir was warmgehalten.“ Das brachte ihr, als er an ihr vorbei ins Schlafgemach ging, einen sanften Kuss ein. Na wunderbar. Die Sache schien schlimmer, als gedacht. Im Schlafzimmer war Takeru damit beschäftigt, sich in aller Gemütsruhe ein frisches Hemd umzubinden. Aya wollte eben die Wärmeglocke von seinem Abendessen nehmen, als er ihr zuvor kam. Wie immer gehörte es nicht zu seinen Gewohnheiten, sich bedienen zu lassen. „Weißt Du eigentlich dass ich gemeinhin als Deine Ehefrau gelte?“, seufzte Aya.
 Takeru, eben dabei sich an den antiken, niedrigen Esstisch zu knien, runzelte die Stirn. „Sei nicht albern“, brummte er und begann zu essen. Natürlich. Jetzt war wieder SIE die Alberne. „Dieser Deckel dürfte maximal ein Kilogramm wiegen. Ich glaube, ich bin in der Lage, ihn zu heben.“ „Das bestreitet niemand.“ „Hm. Der selbe Niemand, der sich weigert, sich auch nur einen Tee von mir zubereiten zu lassen? Ich habe das GELERNT, musst Du wissen. Die ganze Teezeremonie von vorn bis hinten und wieder zurück. Meine Lehrerin pflegte zu sagen, es sei die höchste Kunst einer Frau, ihrem Gatten einen perfekten Tee zu kredenzen um ihn so mit Anmut, Perfektion und Hingabe zu beglücken. Allem Anschein nach kannte sie Dich nicht. Befürchtest Du, Du könntest verweichlichen, wenn jemand etwas für Dich tut, sei es auch nur eine Kleinigkeit?“ Takeru schluckte den ersten Bissen Mushu-Schwein hinunter und legte die Stäbchen beiseite. „Möchtest Du über irgendetwas sprechen?“, fragte er emotionslos. „Du nicht?“ „Nein.“ „Natürlich“ Aya blickte auf ihre Hände hinab. „Auch das musst Du allein regeln, nicht wahr?“ „Aya...“ „Wozu bin ich Deiner Meinung nach eigentlich da, Takeru?“ „Ich habe keine Ahnung, was das...“ „Wozu? Um drei Schritte vor Dir zu gehen? Um mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen? Mich in Watte zu packen und auf Händen zu tragen?“ Takerus Kiefermuskeln zuckten. „Mir war nicht bewusst, dass Du schlechter behandelt werden möchtest“, knirschte er. „Ich möchte wie ein Mensch behandelt werden, Takeru! Wie jemand, mit dem man gemeinsam einen Lebensweg beschreitet!“ „Das tun wir.“ „Oh. Das tun wir? Wirklich? Du teilst doch fast nichts mit mir. Keine Pflichten, keine Sorgen. Nichts!“ „Wie bitte?“ Er erhob sich. „Das ist lächerlich!“ „Lächerlich? Ich kenne ja scheinbar nicht einmal Deine genauen Lebensumstände!“, rief Aya aufgebracht. „Zum Beispiel die horrenden Rechnungen für meine Ausstattung... Dass nun Du derjenige bist, der sie bezahlt, das hattest Du wohl nur vergessen zu erwähnen. Und Geld? War Dir entfallen, wie viel Du davon hast?“ „Geld? Darum geht es hier? Um mein Geld? Das hielt ich, um ehrlich zu sein, für äußerst unwichtig.“ „Nein, es geht NICHT um das Geld! Es ist mir im Grunde vollkommen egal. Aber... unwichtig? Du hältst es also nicht mal für nötig, dass ich über unseren, nein... entschuldige: DEINEN finanziellen Hintergrund Bescheid weiss? Weil es unwichtig ist? Das ist Dein Argument?“ „Ja. Und das Ende dieser Diskussion“, erwiderte er beherrscht. „Wenn Du weißt, worüber Du eigentlich mit mir sprechen willst...“ „Du kannst mir gegenüber nicht einmal laut werden, oder? Wenn es nicht so traurig wäre...“ „Ich soll laut werden?“ Er hob abwehrend die Hand. „Weißt Du wie viele Menschen ich täglich herumschubsen und kommandieren muss? Wie oft am Tag ich meine Stimme erhebe? Und mit Dir soll ich genauso umgehen? Ausgerechnet mit Dir?“ Na bitte. Ging doch. Jetzt jedenfalls war er um einiges lauter geworden. „Was ich will, Aya, mehr als alles andere, ist Dein Glück. Mir war nicht bewusst, so weit am Ziel vorbeizuschießen.“ „Am Ziel vorbei?“ Aya gab ein ungläubiges Lachen von sich. „Du schießt nicht am Ziel vorbei! Du machst mich glücklich! Unfassbar, unsäglich, unbegreiflich glücklich! Aber ich möchte das selbe. Haargenau das selbe, Takeru! Dich glücklich machen.“ Ihre Augen wurden traurig. „Nur scheinst Du leider niemanden zu brauchen. Ich trage nichts bei, zu Deinem Glück. Nichts!“ „Nichts?“, stieß er aus. „Du BIST mein Glück, Aya. Bist es immer gewesen. Allein dass Du da bist, mir anvertraut wurdest...“ „Anvertraut? Das wurdest Du mir auch. Am Tag unserer Hochzeit. Und doch kann ich scheinbar nichts tun. Ich kann Dich weder schützen, noch verhätscheln, denn das lässt Du nicht zu. Scheinbar darf ich Dich nicht einmal einer einzigen Deiner Sorgen entledigen.“ „Doch. Das tust Du!“ Er umschloss ihr Gesicht mit den Händen. „Jeden Tag. Jede Stunde. Jedes Mal wenn ich Dich ansehe, werden meine Sorgen unbedeutend.“ Er zog sie in eine enge Umarmung. „Du willst, dass ich weniger ehrerbietig bin? Das kann ich nicht, Prinzessin. Nicht Dir gegenüber. Wenn Du willst, dass ich meine Gedanken öfter mit Dir teile, dann kann ich es versuchen. Aber mein Leben Aya... das teile ich mit Dir. Mit allem was ich habe. Höhen, Tiefen. Bis wir alt und grau sind. Ich kann es vielleicht nicht so zeigen, wie ich sollte, aber mein Leben... das bist Du.“ Aya schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte den Kopf an seine Brust. Die Träne, die sich über ihre Wange schlich, ignorierte sie dabei kurzerhand. Er nicht. „Ich wollte nicht patzig sein.“ Mit dem Daumen wischte er sacht die Feuchtigkeit von ihrem Gesicht. „Und im Büro Deines Vaters... Ich hätte mich nicht so benehmen dürfen.“ „Du tust ja schon wieder so, als sei ich aus Zuckerwatte“, seufzte Aya. „Nein“, sagte er. „Aber ich... hätte vernünftiger sein müssen.“ „Es ist Dein gutes Recht ein einziges mal auch der Unvernünftige zu sein.“ „In einem riesigen Palast vollgestopft mit Feuerspuckern?“ „Hm. So betrachtet... vielleicht lieber doch nicht.“ Mit schimmernden Augen strich sie über seine Wange. „Gott, wie ich Dich liebe, Prinzessin!“ Prinzessin. Oh je... „Ach Du liebe Güte.“ „Liebe Güte?“ Er lächelte kläglich und hob eine Braue. „Das hältst Du für die adäquate Reaktion auf mein Liebesgeständnis?“ „Wie? Äh... nein. Doch. Ich... Liebster... Du solltest Dich besser setzen.“ „Um... zu essen?“, fragte er misstrauisch. „Hm.“ Aya knabberte an ihrem Daumennagel und überlegte, wie er die Neuigkeit wohl besser verarbeiten würde; mit vollem, oder leerem Magen? „Aya?“ Er nahm ihre Hand in seine und rettete ihren Fingernagel somit vor dem vollkommenen Ruin. „Was ist los?“ Eine Minute später wusste er es. „WAS?“ „Der Erzherzog von Iweh“, wiederholte Aya leise. „Dein Vater ist ein Herzog.“ „Bist Du verrückt geworden?“ Ungläubig starrte er sie an. Aya blinzelte. Hatte sie vorher tatsächlich gewollt, weniger ehrerbietig behandelt werden zu wollen? Konnte man diesen Wunsch auch zurücknehmen? „Nein.“ „Das ist lächerlich! Meine Mutter hätte nie...“ „Was, Takeru?“ „Sie hätte mir so etwas nie verheimlicht!“ „Also, wenn ich alles richtig verstanden habe, hatte sie Deinem Großvater versprechen müssen, Dir nichts zu erzählen.“ „Ach. HAT sie? Wie schön, dass sie sich dem Vater dieses... Herzogs mehr verpflichtet fühlte, als ihrem eigenen Sohn.“ „Takeru...“ „Herzog!? Ich fasse es nicht!“ „Was ist denn so schlimm daran?“ „Was?“ „Was ist so schlimm daran?“ „Das weißt Du nicht?“ „Nein.“ „Na... Dann kann ich es Dir auch nicht erklären!“ „Du weißt es selbst nicht, oder?“ „Aya, ich BIN kein Adliger! Ich bilde sie aus, instruiere sie. Gegebenenfalls schütze ich sie. Ab und an sah ich mich auch schon gezwungen, mich mit einem von ihnen anzulegen. Aber ich gehöre nicht zu ihnen. Definitiv nicht!“ „Zu mir gehörst Du sehr wohl. Und ich bin auch adlig.“ „Das ist etwas anderes.“ „Ich halte Dich eigentlich sogar für einen überaus passenden und würdigen Prinzen“, gab Aya leise zu. „PRINZEN?“ „Nun es ist der offizielle Titel für den Sohn eines Herzogs“, erinnerte sie ihn etwas kleinlaut. „Bei allem Kiesgruben dieser Welt...“ Takeru raufte sich die Haare. (Wie viele Menschen es gab, die wohl alles dafür gegeben hätten, den seltenen Anblick eines aus der Fassung gebrachten Blutwolfes zu erleben, sei an dieser Stelle nur beiläufig erwähnt). „Kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?“ „Na ja... Dein Essen ist inzwischen eiskalt und wahrscheinlich völlig ungeniessbar.“ Der nächste Morgen Als Takeo und Yuna am nächsten Tag, ungeahnt der bereits kursierenden Gerüchte, an einem kleinen Tisch der Gästeräume ihr Frühstück einnahmen, glaubte Seine Gnaden, sich endlich soweit im Griff zu haben, die Zeit ihrer Trennung anzusprechen. „Yuna...“ „Möchtest Du noch von den Eiern?“ „Nein. Ich wollte fragen...“ „Tee?“ „Nein! Wir müssen...“ „Vielleicht lieber Kaffee?“ „Nein, Yuna. Ich möchte wissen, wie es Dir und Takeru ergangen ist, während ihr auf euch allein gestellt wart.“ „Können wir nicht später darüber reden?“ „Später? Um wie viel später, Yuna?“ „Um... Ich weiss nicht!“, antwortete sie, fast trotzig. „Yuna, bitte! Kannst Du Dir nicht vorstellen, wie sehr mich diese Fragen quälen?“ „Vielleicht quälen mich die Antworten“, flüsterte Yuna mit abgewandtem Blick. „Denkst Du, sie für Dich zu behalten ändert etwas daran?“, fragte er sanft. Yuna schluckte. Takeo. Kluger, unnachgiebiger Takeo. „Nein.“ „Wohin seid ihr von Tsang Go aus gegangen?“ „Zu meiner Mutter“, begann sie stockend. „Einen Monat später zog ich dann mit ihr und Takeru zusammen nach Ba Sing Se. Ich dachte... Ich dachte, dort würde uns Dein Vater nicht finden, falls er... falls er mir den Jungen doch noch hätte wegnehmen wollen. Zuerst wollte ich sogar meinen Mädchennamen wieder annehmen. Aber... Es hat sich angefühlt, als würde ich Dich verraten.“ Takeo griff über den Tisch um ihren kalten Händen Wärme zu spenden. „Ich konnte es nicht“, flüsterte Yuna. „Ich konnte Deinen Namen nicht aufgeben. Ich konnte Dich nicht aufgeben. Es... es hat so lange gedauert, zu akzeptieren, dass Du tot sein sollst. Aber mit den Jahren musste ich es. Ich musste es, um irgendwie weiterleben zu können. „Ich weiß. Ich selbst konnte mich niemals wirklich dazu bringen, euch loszulassen. Umso schlimmer, dass ich...“ Takeos Stimme brach. Yuna sprang von ihrem Stuhl und überwand mit zwei schnellen Schritten die Distanz zwischen sich und ihrem Mann. „Was?“, flüsterte sie an seine Schläfe. „Ich habe doch gespürt, dass ihr nicht einfach so fort sein könnt! Ich hab es gespürt! Wie konnte ich dann einfach...“ In den gemeinsamen, viel zu kurzen Jahren hatte Yuna ihn niemals weinen sehen. Bis jetzt. Sie hielt ganz still, während Takeo - ihr ruhiger, unerschütterlicher Takeo - sein Gesicht gegen ihren Hals drückte und seinem Kummer freien Lauf ließ. Das erste Mal, seit er jenen glatten, glänzenden, regennassen Grabtafeln den Rücken gekehrt hatte. „Takeo.“ „Ich hätte jeden Stein umdrehen müssen, um euch zu finden. Jede noch so kleine Ritze absuchen!“ „Bitte hör auf damit!“ „Yuna...“ „Hör auf!“ Sie umfasste sein Gesicht. „Du kannst nichts dafür. Du hattest doch genug Beweise. Die Aussagen der Nachbarn. Unsere Gräber... Welcher normal denkende Mensch hätte denn annehmen können, dass das alles nur die Intrige eines verbitterten, alten Mannes war? Wenn, dann trifft mich die weitaus größere Schuld, denn ich nahm das bloße Wort Deines Vaters für bare Münze. Ich habe nicht einmal einen Beweis für Deinen Tod gefordert. Dabei wusste ich doch, wie sehr er sich wünschte, mich und Takeru los zu sein.“ „Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass er euch so einfach findet!“ „Er war Dein Vater.“ „Er war ... Als ich an jenem Tag zurückkehrte und von dem Brand erfuhr... Als ich ein paar Wochen später wieder einigermaßen klar denken konnte, kam mir der Verdacht, dass er es möglicherweise selbst war, der den Brand legen ließ. Ich...“ Er schloss die Augen. „Mit der Zeit glaubte ich tatsächlich, mein eigener Vater hätte meine Familie töten lassen. Ich hatte nicht gewusst, dass man etwas oder jemanden so hassen kann, wie ich diesen Mann gehasst habe. Irgendwann war es nur noch dieser Hass, der mich aufrecht erhielt. Er sollte büßen.“ „Hast Du ihn... Du hast ihn doch nicht umgebracht?“ „Nein“, stieß er aus. „Aber ich versagte ihm einen Erben. Er starb in der Gewissheit, dass seine Linie aussterben würde. Und er tat es langsam und qualvoll. Und mir... Mir war es gleichgültig wie viel Schmerz und Angst er auszustehen hatte. Mir war gleichgültig, dass er am Ende doch noch Schwäche zeigte. Mir war Gleichgültig, wie sehr er auf Beistand oder Vergebung hoffte; auf ein kleines Zeichen der Zuneigung. Am Ende erwies ich ihm nur, was er mich gelehrt hatte. Kälte.“ „Und das bereust Du heute“, stellte Yuna leise fest. „Bereuen?“ Ein trauriges Lächeln lag um seinen Mund. „Ich denke nicht.“ „Vielleicht kenne ich Dich immer noch besser, als Du Dich selbst“, murmelte Yuna und strich über sein Haar. „Ich höre es aus Deiner Stimme, dass Du es gern ungeschehen machen würdest.“ „Ungeschehen? Vielleicht. Aber nur, um nicht mehr sein Gesicht vor mir sehen zu müssen.“ „Was ist das anderes als Reue? Du bist kein grausamer Mensch, bist es niemals gewesen.“ „Ohne Dich zu sein hat mich verändert.“ „Ja. Aber Einsamkeit ist noch lange keine Grausamkeit.“ „Sie kann aber dazu führen. Es ist ein schmaler Grad. Und ich befürchte, das ein oder andere Mal habe ich ihn überschritten.“ „Das glaube ich nicht.“ Er zog sie auf seinen Schoss. „Ach, Yunicha. Du hast mir immer zuviel zugetraut“ „Nein“ Sie schüttelte den Kopf. Die Finger ihrer Linken nestelten unruhig an seinem Kragen. Er kannte diese Geste. Kannte sie so gut, dass unwillkürlich ein Lächeln über sein Gesicht glitt. „Was?“, wollte er wissen. „Was ist?“ „Ich... muss Dir auch etwas beichten.“ „Ja?“ „Ich... Um uns über Wasser zu halten musste ich...“ Sie presste die Lippen aufeinander. Takeo versteifte sich. Seine Stimme blieb jedoch ruhig. „Was?“, fragte er, auf das Schlimmste gefasst. „Wir mussten ins ärmste Viertel Ba Sing Ses ziehen.“ „Den Frieden?“ Takeo wurde blass. „Ja. Und ich musste mir Arbeit suchen. Die einzige, die ich finden konnte, war im Kohlminen-Werk in Dylang. Ich musste Takeru bei meiner Mutter lassen.“ Takeo unterdrückte den erleichterten Seufzer, der über seine Lippen kommen wollte. Er hatte sich schon ausgemalt, seine Yuna, die vor ihm nie einen Mann auch nur angesehen hatte, hätte sich an grobschlächtige, brutale Kerle verkaufen müssen. Diese größte Angst schien zwar gebannt, doch ihr schien etwas anderes auf der Seele zu brennen. „Was ist geschehen, Yuna?“ „Ich konnte damals nur alle zwei Monate nach Ba Sing Se, um nach den beiden zu sehen. Ich habe nicht bemerkt, dass Mama krank wurde. Sie hatte bei einem oder zwei meiner Besuche nur ein bisschen gehustet. Doch dann wurde es schlimm. Sehr schlimm.“ Um ihr die Sache zu erleichtern, drückte Takeo seine Frau fest an sich. „Was geschah?“, fragte er leise. „Ich wusste nichts von ihrer Krankheit. Sie hat mir nie geschrieben, dass es ihr schlecht ging. Wahrscheinlich, um mich nicht noch zusätzlich zu beunruhigen. Ich war damals so verzweifelt. Die Minengesellschaft war angeblich in Zahlungsnöten. Wir bekamen für fast drei Monate kein Geld. Und dann ging es Mama zu schlecht, um auch nur aufzustehen. Und Takeru...“ „Was?“ Diesmal klang Takeos Stimme rau. „Er war ganz auf sich allein gestellt; musste nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch noch meine Mutter.“ „Wie... wie alt war er?“ „Fast fünf.“ „Fünf“, echote Takeo. Seltsamerweise liess seine Fassungslosigkeit Yuna ganz ruhig werden. Ihr folgender Bericht klang nüchtern. „Einer der Nachbar brachte einigen Straßenjungen das Stehlen bei. Für die Hälfte der Ausbeute, versteht sich. Als er bemerkte, dass sich niemand um Takeru kümmerte, hat er ihn ebenfalls rekrutiert.“ „Er... musste stehlen?“ „Ja.“ Yunas gekünstelte Ruhe verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Sie schlug die Hände vors Gesicht. „Mein kleiner Junge musste sich Nachts ganz allein durch diese schmutzigen, stinkenden Straßen voller schmutziger, stinkender Menschen schlagen und hat versucht ihnen genug aus den Taschen zu klauben, dass ihm und Mama wenigstens etwas zu Essen blieb. Was ihm alles hätte passieren können... Und ich wusste nichts davon!“ Für einige Augenblicke konnte Yuna ihre Tränen nicht unterdrücken. „Er hatte solche Angst, Takeo! Solche Angst. Angst vor der Nacht. Angst vor den Menschen. Angst vor... dem Teufel.“ „Dem Teufel?“ „Ich habe es erst erfahren, als wir schließlich hier waren. Im ersten Jahr ist er fast jede Nacht schreiend aufgewacht. Er stammelte konfuses Zeug. Dass er in die Hölle müsse. Dass er...“ Ihr entwich ein letztes, abgehacktes Schluchzen. „Er hielt sich für böse. Er kann nicht länger als drei oder vier Monate in dieser Diebesbande gewesen sein, aber es... es hat seine Seele vernarbt. Und ich bin daran Schuld!“ „Nein, Yuna...“ „Doch! Wenn Seine Lordschaft damals nicht in Ba Sing Se gewesen wäre und Takeru aufgegabelt hätte... Wir haben ihm viel zu verdanken. Sehr viel. Er gab uns eine kleine Wohnung. Ich bekam Arbeit, Mama wurde langsam wieder gesund und Takeru konnte in die Schule gehen. Aber es hat lange gedauert, bis er wieder gelernt hat, was es heisst in Sicherheit und Geborgenheit zu leben. Richtig akzeptiert hat er es glaube ich erst, als er seine Ausbildung zum Kanijo begann. Es war seine Art, sich Sicherheit und Geborgenheit selbst zu schaffen; seine Art, mit der Angst umzugehen. Er hat wie ein Besessener an sich gearbeitet, damit ihn nichts und niemand je wieder bedrohen würde. Weder ihn, noch die Menschen, die ihm etwas bedeuten.“ Jetzt war Yuna wieder ruhig. Doch diesmal war es keine erzwungene Ruhe. Sie lehnte den Kopf an Takeos Schulter. „Für Außenstehende ist er schwer zu verstehen, Dein Sohn. Sie nennen ihn furchtlos. Kalt. Stur. Mutig über jedes vernünftige Maß hinaus. Das alles ist er auch. Aber die wenigsten wissen, dass diese Eigenschaften einer tiefen Angst entspringen. Für ihn ist dieser Palast und die Menschen darin der sichere Mittelpunkt seiner Welt. Sein Heiligtum, wenn Du so willst. Und diese Welt verteidigt er ohne Kompromisse. Vor allem den Feuerlord und dessen Familie. Er liebt sie. Ohne Vorbehalte. Vermutlich sogar mehr, als er mich oder Dich jemals lieben wird.“ „Wenn er es überhaupt jemals tun wird“, murmelte Takeo resigniert. „Welchen Grund hat er schon, mir zu vertrauen, oder mich zu mögen.“ „Scht. Er wird es.“ Yuna strich über seine Wange. „Du wirst schon sehen. Irgendwann wird auch er erkennen, wie ähnlich ihr euch seid. Er ist vielleicht stur. Manchmal schier unendlich stur. Aber nicht unbelehrbar. Sonst hätte Aya es niemals geschafft, ihren steinernen Wächter in einen Prinzen zu verwandeln. Prinz...“ Ein halb trauriges, halb amüsiertes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Dann ist er jetzt also tatsächlich einer?“ „Ja“, seufzte Takeo. „Ob er will oder nicht. Aber sag... wie ist das mit der Prinzessin und ihm? Wie kam es dazu?“ „Das ist mit Worten schwer zu beschreiben.“ „Wirklich?“ „Ja. Wirklich. Bist Du bereit für eine lange, wundervolle, unendlich romantische Geschichte?“, fragte sie mit feinem, ironischem Unterton und drückte einen Kuss auf seine Lippen. „Hm. Wie lange?“ „Ziemlich. Warum?“ Er küsste sie zurück. „Weil mir meine eigenen Romantik gerade ziemlich zu schaffen macht.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich.“ „Dann kann ich es Dir ja später erzählen“, flüsterte Yuna und bog, da ihr Gatte damit beschäftigt war, ihren Hals zu küssen, zuvorkommend den Kopf zur Seite. „Mhm. Vielleicht mit ein paar Pausen? Falls...“ Er schob leise raschelnd die Seide ihres Kimono von ihren Schultern. „Falls mir die Romantik noch einmal dazwischenkommt.“ Da war es. Dieses vertraute, liebevolle, fast spitzbübische Lächeln, das nur ihr vorbehalten war. So kam es, dass der samt und sonders vor Neugier platzende Hofstaat den Herzog von Iweh am Tag nach seiner doch recht heimlichen Ankunft erst gegen Mitte des Vormittags zu Gesicht bekam. Allerdings nicht für lange. Nachdem Takeo in Erfahrung gebracht hatte, wo sein Neffe sich derzeit aufhielt, begab er sich schnurstracks in den großen Park im Norden des Palast-Geländes. Er fand Yoshio auf einer Bank sitzend, in ein Buch vertieft. „Yoshio?“ „Onkel Takeo! Ich habe Euch gar nicht kommen hören.“ Yoshio legte seine Lektüre beiseite und wollte sich erheben. „Bleib sitzen“, bat der Herzog. „Hier draußen können wir diesen Schnickschnack getrost bleiben lassen.“ „Schnickschnack?“ „Das Verbeugen und all dieser Kram. Als ich jung war hat mir das nie gepasst. Und später ... leider gewöhnt man sich an zu viele Dinge.“ „Nun,“ Yoshio zuckte mit den Schultern. „Erdkönig Nuro ist Euer Vetter zweiten Grades. Da veranstalten die Leute schon mal solchen - wie sagtet Ihr noch - Schnickschnack.“ „Ja.“ Takeo setzte sich neben seinen Neffen, und streckte die langen Beine von sich. „Humbug!“ „Hm.“ Eine Weile saßen die beiden Männer in stummem Einvernehmen nebeneinander. „Ich habe Dir noch nicht gedankt“, unterbrach Seine Hoheit schliesslich die Stille. „Doch habt Ihr.“ „Nicht genug, Yoshio. Bei weitem noch nicht genug!“ „Onkel Takeo, denkt Ihr wirklich das sei nötig?“ „Ja! Du hast einiges aufgegeben, um mir meine Familie wieder zu geben.“ „Aufgegeben?“ „Du warst immerhin mein Erbe.“ „Ja. Und den Göttern sei Dank, dass dieser Kelch an mir vorüber schrammt. Diese ganze Diplomatie und Speichelleckerei... Ich weiß, Ihr selbst habt dem auch nie viel abgewinnen können, aber Mutter bestand darauf, dass ich mir bei Hof einen Namen mache. Dabei bin ich im Grunde meines Herzens ein etwas besser gestellter Bauer. Ich will ein Stück Land und meine Ruhe! Versteht mich nicht falsch; mit meinen 21 Jahren lechze ich natürlich ab und an nach ein bisschen Abwechslung. Ein kleiner Besuch in der Stadt, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber auf Dauer...“ „Warum hast Du Deiner Mutter nicht gesagt, dass Du keine gesellschaftlichen Ambitionen hast?“ „Das hatte ich!“ Yoshio schnaubte. „Mir wurde Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Und dann hat sie meine Schwestern ins Feld geführt. Fünf Mädchen und nur ein Sohn! Seit Vaters Tod...“ Yoshio beugte sich vor, legte die Ellbogen auf seine Knie und ließ seine Hände baumeln. „Mutter ist nunmal darauf angewiesen, die Mädchen bestmöglich zu verheiraten. Seit Vater tot ist, ist das scheinbar das einzige, voran sie denken kann. Ein Herzog für Milly, ein Graf für Oimi, für Hina mindestens einen Prinzen - ich frage mich, wie sie auf die Idee kommt, ein Prinz würde sich ein so launisches Weib anschaffen wollen. Für Tess einen Earl oder Conte. Nur die arme Emi wird es in ihrem Alter wohl kaum mehr über einen kleinen Landgrafen hinaus schaffen. Götter! Dass ich mir das Alles gemerkt hab ist schon zuviel des Guten.“ Yoshio fuhr sich durch die Harre und setzte sich wieder auf. „Glaubt mir, Onkel. Ich bin froh, die Last dieses Erbes los zu sein.“ „Ich wusste nicht, dass es eurer Familie so schlecht geht“, erwiderte Takeo betroffen. „Weil es das nicht tut. Nur Mutter scheint das zu glauben.“ „Ja, Odette war schon immer ehrgeizig. Besonders was ihre Kinder angeht. Ich werde mich darum kümmern, dass die Mädchen ein Angemessenes Debüt bei Hof bekommen.“ „Das müsst Ihr nicht.“ „Aber ich will, Yoshio! Du wirst vielleicht nie ermessen können, was Du für Yuna und mich getan hast. Wir sind Dir so unendlich dankbar! Nur... von meinem Sohn kann man das nicht gerade behaupten.“ Bedrückt blickte der Erzherzog in die Ferne. „Er wird schon noch zugänglicher.“ „Vielleicht“, murmelte Takeo leise. „Vielleicht aber auch nicht. Ich habe keinen Anspruch auf irgendwelche Zugeständnisse seinerseits.“ „Harter Brocken, was?“ „Einer der Härtesten, was man so hört. Himmel... Ist es widersinnig auf jemanden stolz zu sein, den man eigentlich nicht kennt?“ „Schätze nicht. Schliesslich scheint er ganz nach Euch zu kommen.“ „Yoshio?“ „Hm?“ „Du warst schon immer mein Lieblings-Neffe.“ „Nun, obwohl kein anderer Neffe zur Auswahl steht, zeugt es durchaus von Eurer exorbitanten Menschenkenntnis“, lobte Yoshio grinsend. Sein Onkel legte ihm einen Arm um die Schultern, drückte ihn kurz an sich. „Komm schon!“, sagte er dann. „Mal sehen was diese Feuerschlucker unter einem Frühstück verstehen.“ „Das wollt Ihr nicht wissen, Onkel!“ Als sie eben im Begriff waren, sich zu erheben, kam Yoshio eine Frage in den Sinn. Er blieb sitzen. „Was ist?“, wollte Takeo wissen. „Ich... Da ist etwas, was ich noch immer nicht verstehe“, murmelte der Jüngere. „Wie konnte Euer Vater so etwas tun? Wie konnte Akio Euch so etwas antun und Euch von Eurer Familie trennen?“ „Lange Zeit habe ich mich das selbe gefragt. Eine wirkliche Antwort habe ich nie bekommen. Mein Vater wuchs inmitten des Krieges auf. Der Stolz auf seine Abstammung und der Wunsch sein Land und seinen Namen zu schützen wurden dadurch nahezu krankhaft. Du denkst diese Intrige, die Yuna, Takeru und mich auseinander brachte, sei alles? Das war nur die Spitze des Eisbergs!“ Takeo nahm wieder neben seinem Neffen Platz. „Ich persönlich hielt ihn sogar zu sehr viel mehr fähig. Ich dachte, er hätte meine Familie auf dem Gewissen. Ich dachte tatsächlich, er hätte das Feuer legen lassen. Was auch stimmte. Ich wusste nur nicht, dass Yuna und Takeru damals bereits fort waren. Wahrscheinlich muss ich für seinen Einfallsreichtum in diesem Fall sogar dankbar sein. Hätte er sich nicht dieses haarsträubende Komplott ausgedacht, wäre er womöglich den letzten Schritt gegangen und hätte die beiden endgültig beseitigen lassen. Sein Land und sein Name bedeuteten ihm alles. Ich war für ihn nur sein kostbarer Erbe. Ein Mittel zum Zweck, um den Stammbaum am Leben zu erhalten. Als ich es damals gewagt hatte, eine in seinen Augen nichtstandesgemäße Verbindung einzugehen ...“ Ein bitteres Lachen kam aus Takeos Kehle. „Im ersten Augenblick dachte ich, er bringt mich um. Er tobte wie ein Wahnsinniger. Wäre ich damals nicht gegangen, er hätte entweder mich oder sich selbst verletzt. Einige Tage später kam er zu mir, drohte, mich zu enterben. Als er merkte, dass mir das egal war, versuchte er hinter meinem Rücken Yuna zu bestechen. Kurz vor Takerus Geburt erzählte sie mir davon. Daraufhin ging ich ein letztes Mal zu ihm und machte ihm klar, dass ich nichts mehr mit ihm oder dem Titel zu tun hätte. Danach geschah zwei Jahre nichts. Ich hoffte damals wirklich, er ließe uns nun in Ruhe. Darum ging ich auch nach Lungnai, als man mich bat, dem dortigen Baumeister des großen Deiches zu helfen, die Leute im Grenzland zu beruhigen. Einen Monat war ich dort.“ Von bösen Erinnerungen überwältigt schloss der Herzog die Augen. „Einen Monat. Und als ich nach Hause kam... waren sie fort. Das kleine Haus, in dem wir gewohnt hatten, ein Trümmerhaufen. Es hieß die Feuerstelle sei nicht ausreichend gesichert gewesen. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass das nicht stimmte. Doch es war egal. Ich hatte das einzig Wichtige in meinem Leben verloren. Ich wurde wieder als Erbe anerkannt. Meinen Vater interessierte nicht, dass er eigentlich keinen Sohn mehr hatte. Ihn interessierte nur der Fortbestand seiner geheiligten Ahnenreihe. Als ich wieder zu Sinnen kam, wuchs in mir der Verdacht, dass er hinter diesem Brand steckte. Und als ich endlich wieder zu fühlen begann, war es Verachtung. Verachtung und Hass auf meinen eigenen Vater.“ „Warum seid Ihr nicht gegangen?“ Takeo schüttelte den Kopf. Er war auf die folgende Antwort nicht stolz. „Rache“, raunte er. „Ich wollte ihn büßen lassen. Mit allem was in mir war. Ich nährte seine Hoffnungen, ließ ihn glauben was er wollte. Er wurde älter, gebrechlicher. Weicher.“ Ein fast grausamer Ton lag nun in Takeos Stimme. „Irgendwann wünschte er sich nicht mehr nur einen bloßen Erben, er wollte einen Enkel! Im Alter sehnte er sich mehr und mehr nach dem Anblick wachsenden Lebens. Nach Kinderlachen. Kinderlachen!“ Schmerzliche Bitterkeit lag in der Stimme des Herzogs. „Oh, ich hatte das Lachen meines Kindes noch im Ohr. Und ER glaubte, ich würde es vergessen, oder für ein anderes eintauschen? Ich ließ ihn büßen!“, flüsterte Takeo. In diesem Moment erinnerte er Yoshio mehr den je an einen Erzengel. „Als die Ärzte ihm nur noch noch ein bis zwei Jahre gaben rief er mich zu sich. Wann ich ihm einen Erben schenken würde, fragte er mich. Er war... fast freundlich. Nannte mich seinen Sohn und flehte mich regelrecht an.“ `Wann schenkst Du mir endlich einen Enkel, mein Sohn?´ „Ich blickte ihm in die Augen. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit sah ich ihn wirklich an. Dann gab ich ihm seine Antwort.“ `Niemals.´ „Niemals. Als er begriff, dass ich es ernst meinte, erlitt er einen Schlaganfall. Er wurde bettlägerig, konnte nicht einmal mehr sprechen. Die Ärzte bezweifelten sogar, dass er noch recht bei Verstand war. Doch ich wusste es besser. Sein Geist war noch hellwach und spukte in dieser ausgemergelten Hülle umher. Elf Monate später, an dem Abend als er starb, ging ich noch einmal zu ihm. Ich ...“ „Was?“, hakte Yoshio leise nach. „Ich tat etwas entsetzlich Grausames.“ Burg Nezushiro, vor 22 Jahren Takeo Isamu Virgil Nezu, Prinz von Iweh, stand am Bett seines Vaters und starrte auf den Alten hinunter. `Er stirbt´, dachte er. `Nach all dieser Zeit stirbt er endlich.´ „Hoheit, wenn Ihr Euch verabschieden wollt, solltet Ihr das jetzt tun“, flüsterte der Arzt, der eben seine Instrumente einpackte. „Er wird den Morgen wohl nicht mehr... Es tut mir sehr leid!“ „Ich verstehe.“ Takeo nickte. „Danke für Eure Hilfe. Leo wird Euch hinausbegleiten.“ „Ja. Danke. Und wie gesagt... mein Beileid!“ Beileid? Wozu? Kurz fragte Takeo sich, ob das Bedauern des Arztes über das Ableben des Herzogs der Tatsache entsprang, dass er diesem Patienten in den letzten beiden Jahren ein kleines Vermögen zu verdanken hatte. Vielleicht lag es auch nur daran, dass der gute Doktor Akio Nezu erst kennengelernt hatte, als dieser fast schon dem Siechtum anheim gefallen war. Zumeist wurde Hilflosigkeit leider einfach mit Liebenswürdigkeit gleichgesetzt. Takeo wusste es besser. Sein Vater war, von den letzten Monaten einmal abgesehen, selten hilflos gewesen. Und liebenswürdig? Nicht, seit er ihn kannte. Und das war immerhin schon ein 35 Jahre andauerndes Leben lang. Takeo griff nach einem Kerzenhalter, der auf dem Nachttisch stand, und beugte sich über das Bett. Der Geruch nach Alter, Zähigkeit und Angst lag in der Luft, nahm ihm beinahe den Atem. „Könnt Ihr mich verstehen, Vater?“, fragte er leise. „Ich weiß, Ihr könnt es. Ihr sterbt. Also hört gut zu.“ Takeo packte die unruhig umhertastende Hand seines Vater, als wolle er ihm Halt geben, beugte sich tief über ihn und suchte den Blick der immer noch erstaunlich wachen Augen. „Da seid Ihr nun“, flüsterte er. „Der Vorletzte der Nezus. Ich werde mein Versprechen halten und nicht wieder heiraten. Es wird keinen Erben geben. Hört Ihr mich?“ Die Pupillen des Alten weiteten sich. Er bekam also noch mit, was sein Sohn ihm auf den Weg geben wollte. Gut! „Nach Eurem Tod werde ich mich hinter den Mauern Eurer geliebten Burg verschanzen. Und ich werde darauf warten ebenfalls zu verrecken! Genauso ungeachtet und genauso einsam, wie Ihr es heute tun werdet. Euer Land - Euer unschätzbar kostbares Land - man wird es verschachern. An irgendjemanden. Der Titel, auf den Ihr so stolz seid; man wird ihn handeln wie eine Jungfrau auf einem Basar. Das wird Euer Vermächtnis sein.“ Die gichtgekrümmten Finger des alten Herzogs verkrampften, bis seine Fingernägel sich tief in den Handrücken seines Sohnes gruben. Takeo erwiderte den Druck, umfasste die ausgemergelte Klaue einige Augenblicke fast behutsam, um sie schließlich verächtlich fallen zu lassen. „Dies ist mein Vermächtnis an Euch, Vater.“ Eindringlich erwiderte er den fassungslosen, panischen Blick. „Denkt an den Enkel, den Ihr bereits hattet. Denkt an ihn. Denkt an meinen Takeru, während Ihr sterbt.“ Takeo schloss kurz die Augen. „Ich hoffe, es dauert lange“, raunte er. „Bei den Göttern, ich hoffe, es dauert lange!“ Dies waren die letzten Worte, die der Prinz von Iweh zu seinem Vater sprach, bevor er sich, entsetzt über sich selbst, abwandte und das Zimmer verließ. Er würde es nie wieder betreten. Das unverständige Brabbeln und Röcheln eines Sterbenden begleitete ihn für den Rest seines Lebens. Zurück in der Gegenwart „Ich bin nicht stolz darauf“, schloss Takeo seinen Bericht. „Doch damals ... Ich konnte nicht anders.“ „Vermutlich hätte ich das auch nicht gekonnt. In der Hölle soll er ...“ „Nein, Yoshio! So etwas wünscht man niemandem. Heute weiß ich das.“ „So weise bin ich noch nicht, Onkel. Noch lange nicht. Aber... was ist danach geschehen? Ihr habt Euer Versprechen gebrochen, indem Ihr mich als Erben eingesetzt habt. Warum habt Ihr Euren Sinn geändert? Was ist geschehen?“ „Du bist geschehen.“ „Wie bitte?“ „Du warst der Erstgeborene der neuen Generation.“ „Und?“ Takeo lachte fast unwillig auf. „Du bist noch zu jung, um zu wissen, wie Kinder sind. Unsere Bitterkeit sagt ihnen nichts und darum kann man sie nicht aufrechterhalten. Zumindest nicht ganz. Kinder wollen nur wissen, ob man sie mag, oder nicht. Und Dich... mochte ich.“ „Ihr wart trotzdem ein alter Knautsch-Bock.“ „Zweifellos.“ „Aber... Ich mochte Euch auch.“ „Zweifellos.“ Hauptmann Osaru hatte die neusten Neuigkeiten über seinen Freund zunächst verwundert, wenn auch ein wenig amüsiert zur Kenntnis genommen. Bis er erkennen musste, dass MANN offensichtlich nicht die Absicht hatte, ihn in dieser Sache zu Rate zu ziehen. Geschweige denn, ihn auch nur einzuweihen. Fast der ganze Tag verstrich, ohne dass Han Takeru auch nur zu Gesicht bekam. Entsprechend kurzangebunden war er beim abendlichen Training. „ N´ Abend.“ „Guten Abend“, antwortete Takeru, während er zu einem Waffenständer ging, um zwei Kampfstäbe zu holen. „Und? Wie geht es uns heute denn so?“, erkundigte Han sich süffisant. „Mir?“ Takeru drehte sich um und runzelte die Stirn. „Gut. Bei Dir bin ich mir allerdings nicht sicher.“ „Sooo. Du bist Dir nicht sicher? Dann lass Dir gesagt sein, es geht mir hervorragend!“ Han entblößte zwei blendend weiße Zahnreihen. „Und sonst? Nichts... NEUES?“, knirschte er. Takeru presste die Lippen aufeinander. „Nein.“ „Ach. Das ist ja lustig. Ich hab da nämlich was ganz anderes gehört. Hier renne plötzlich ein alter Spinner herum, der Dir verdammt ähnlich sehen soll, heisst es. Und obendrein knutscht er noch mit Deiner Mutter, heisst es.“ „Heisst es?“ „Ja.“ „Sieh an. Immer wieder schön, Teil des neusten Tratsches zu sein.“ „Ich hätte mir diesen Tratsch nicht anhören müssen, wenn ich das Ganze von Dir erfahren hätte!“ „Was erfahren? Es ist nichts weltbewegendes passiert.“ „Nichts weltbewegendes?“, schnaubte Han. „Nein! Dein Vater ist ja nur von den Toten auferstanden!“ „Und?“ Aus den Augenwinkeln beobachtete Takeru einige junge Soldaten, die sich, wie jeden zweiten Tag um diese Uhrzeit auf der Galerie eingefunden hatten, um ihren beiden Vorbildern bei der Arbeit zuzusehen. Momentan wurden die Jungs allerdings etwas unruhig. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Zwei Kage, die lieber miteinander zankten als zu trainieren, waren ein wahrlich seltenes Schauspiel. „Könnten wir mit dem Training beginnen?“, fragte er ruhig. „Sicher!“, blaffte Han. „Und schönen Dank auch für Dein Vertrauen in mich. Es ist wirklich erhebend, für Dich so wichtig zu sein wie das Badewasser vom Vortag!“ Takeru, eben im Begriff Han einer der beiden Kampfstäbe zu reichen, erstarrte in der Bewegung. Hatte er eine ähnliche Diskussion nicht schon gestern führen müssen? Sein Bedarf an `Kommunikation´ war langsam mehr als gedeckt. „Oh! Tut mir leid, Han! Hab ich Dein Feingefühl verletzt? Ich war fälschlicherweise davon ausgegangen, einen erwachsenen Mann vor mir zu haben. Kein schmollendes Kind!“, bemerkte er ätzend. „Ereignisse, die einem nicht in den Kram passen, zu ignorieren ist also erwachsen?“ Han fasste sich an die Stirn. „Tausend Dank für die Erläuterung dieser aufschlussreich schwachsinnigen Sichtweise.“ „Ich werde nicht über diese Sache diskutieren.“ „Aber warum auch? Stoß stattdessen doch lieber alle Welt vor den Kopf! Redselig und einsichtig wie immer, was?“ „Dann solltest Du Dich so langsam dran gewöhnt haben!“, knurrte Takeru. Damit hatte er nicht ganz Unrecht. Hauptmann Nezu betrachtete - anders als sein Waffenbruder - das Gespräch offenbar als beendet, denn er trug die jämmerlich unbenutzten Waffen wieder an ihren Platz. „Meine Herren, der Anschauungsunterricht fällt heute flach!“, bellte er in Richtung der tuschelnden Rekruten auf der Empore und bedeutete ihnen mit einer knappen Kopfbewegung, gefälligst das Feld zu räumen. Angesichts seiner gegenwärtigen Laune beeilten sich die jungen Männer dermassen, dem Befehl folge zu leisten, dass es vor dem schmalen Durchgang zu einem kurzen Gerangel kam. Han starrte indes erbost auf den Rücken seines Freundes und zählte bis sieben. Dann beschloss er, es sei vielleicht besser seine verletzen Gefühle vorerst beiseite zu schieben und zum Kern der Sache vorzudringen. „Komm schon, Takeru! Was ist es? Bist Du sauer, dass Du nun kein hergelaufener Straßenköter mehr bist, der sich im Schweiße seines Angesichts ganz allein hochgearbeitet hat?“ Langsam drehte Takeru sich um. „Wie bitte?“, knurrte er. „Darauf war ich niemals stolz. Und das weisst Du auch!“ „Schade. Jeder andere wäre es nämlich. Und zu Recht. Nichtsdestotrotz ändert das Auftauchen eines namhaften Vaters nichts daran, dass Du Deine Karriere nur Dir selbst zu verdanken hast.“ Eisiges Schweigen. Han warf ratlos die Hände in die Luft. „Zum Teufel, Taku, was stört Dich denn an ihm? Der Mann dachte, er hätte Frau und Kind verloren. Und ich eröffne Dir jetzt mal was ganz neues: Er hat sich nicht eben mal eine neue Familie gesucht, nein! Schlappe neunundzwanzig Jahre hat er um sie getrauert. Um seine Frau und um seinen kleinen Sohn.“ „Soll ich ihm deswegen jetzt um den Hals fallen?“, zischte Takeru ungehalten. Han verschränkte die Arme. „Reizend! Ich wusste bis heute tatsächlich nicht, was für ein Arschloch Du sein kannst.“ Er klang ernüchtert. „Hättest Dich nur erkundigen müssen.“ „Tja. Dumm nur, dass ich es selbst dann nicht geglaubt hätte. Mein Schädel muss offensichtlich doch mal was abbekommen haben. Ist aber nicht weiter schlimm. Bist ja jetzt auch ein adliges Zuckerbübchen. Da finden sich bestimmt gleich viel, viel bessere und vor allem mundfaulere und weniger aufdringliche Freunde als ich, nicht wahr? Wink einfach mit Deinem neuen Titelchen. Und falls sich immer noch keiner freiwillig meldet, leg noch ein paar Silberlinge drauf!“ Hauptmann Nezus schlagkräftige Antwort auf diese Bemerkung gefiel Han nicht besonders. Der Ehefrau seines Gesprächspartners ebenso wenig. „Du hast HAN geschlagen?“ Fassungslos sah Aya mit an, wie ihr Mann sich in aller Seelenruhe hinter seinem Schreibtisch setzte. „Ein Kinnhaken, weiter nichts.“ „Weiter nichts? Meinst Du diese Art Kinnhaken, die, wenn ich mich richtig erinnere, bei anderen schon zu multiplen Kiefer-Frakturen geführt haben?“ Takeru vertiefte sich in irgendwelche Listen. „Würde es Dir etwas ausmachen, mir zu sagen, wie es dazu gekommen ist?“, wollte Aya wissen. „So was kommt schon mal vor.“ „Dann war es ein Trainingsunfall?“ „Nein.“ „Ah. Du findest also, es geht mich nichts an?“ „Ich finde, Du... bauscht es auf.“ „Aufbauschen? Für Dich ist es also schon aufbauschen, wenn man gewisse Dinge klären will. Warum wundert mich das nur so gar nicht? Dann bausche ich in Deinen Augen wohl ständig etwas auf?“ „Ab und an.“ „Wie... reizend.“ „Aya...“ „Ja?“ „Mir scheint, Du willst streiten.“ „Ja. Ausnahmsweise. Da ich aber nur auf wenig Resonanz stoße, überlasse ich Dich wieder Deinem Versuch aus einem Wasserbüffel einen Moskito zu machen.“ „Aya...“ „Ich gehe jetzt nach Hauptmann Osaru sehen“, beendete Aya die Diskussion mit hoheitlicher Würde, drehte sich auf dem Absatz um und verliess hoch erhobenen Hauptes das Zimmer. Takeru starrte brütend die Tür an, durch die sie verschwunden war. Wenn er so weitermachte stünde er am Ende dieser Farce noch ohne Freund da. Ohne Freund, Familie oder gar Eheweib. Aber... nicht so weiterzumachen würde bedeuten... Es würde bedeuten... Er wusste es nicht genau. Aber irgendwie schien es seinen Prinzipien zu widersprechen, einen verlorenen Vater ohne Wenn und Aber in die Arme zu schließen. Da könnte ja jeder kommen! „Agni! War das wirklich Takeru?“ Aya schnalzte mitleidig mit der Zunge, als sie Hauptmann Osarus in Mitleidenschaft gezogenes Gesicht sah. „Ja. Aber macht ihm keinen Vorwurf, Prin...äh... Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich Euch nun ansprechen soll.“ „Wie wäre es einfach nur mit Aya?“ „Einverstanden. Jedenfalls war das ganze meine Schuld. Ich habe Takeru provoziert. Mit Absicht.“ „Provoziert? Warum?“ „Ich dachte, wenn er seine Wut nicht rauslässt, erwischt es demnächst jemand anderen. Dann doch lieber mich. Ich werde damit fertig.“ Als Dr. Giu eine dicke Schwellung an seinem Wangenknochen abtastete, zuckte Han schmerzhaft zusammen. „Dachte ich jedenfalls“, ächzte er. „Und er war nicht bereit darüber zu reden? Auch nicht mit Euch?“, fragte Aya. „Nicht ein Wort.“ „Oh Agni. Manchmal ...“ „Er braucht nur Zeit, Hoh... äh, Aya. Er hat sich mit Veränderungen schon immer schwer getan.“ „Selbst mit den positiven?“ „Mit denen wahrscheinlich sogar noch mehr“, versuchte Han zu scherzen, während seine Lippe mit Alkohol betupft wurde. „AU!“ „Je mehr Ihr herumzappelt, desto mehr schmerzt es“, klärte Dr. Giu seinen Patienten mitleidlos auf. „Wenn ich das Zeug trinken dürfte, statt damit besprenkelt zu werden, täte es mit Sicherheit weniger weh!“ „Ein weit verbreiteter Irrglaube. Alkohol hemmt das Schmerzempfinden nicht wirklich, er...“ „Wisst Ihr, was ebenfalls ein weit verbreiteter Irrglaube ist? Die Annahme, ich würde meinem behandelnden Arzt keine verpassen.“ Dr. Giu richtete sich auf. „Ich denke, das sollten wir nähen“, sagte er. „Das sagt Ihr jetzt nur, um es mir heimzuzahlen“, hauchte Han, blass geworden. „Nun, das werden wir nie wissen, nicht wahr?“ Der Arzt lächelte süßlich. Der selbe Tag, Schlafenszeit In dieser Nacht sass Hauptmann Nezu noch spät auf einer der schmiedeeisernen Bänke auf seiner weitläufigen Dachterrasse. In gebeugter Haltung, die Ellbogen auf den Knien, hockte er da und betrachtete seine locker herabhängenden Hände. Wie unnütz sie waren. Unbrauchbare Hände. Vollkommen nutzlos. Wussten nicht, was zu tun war. Stattdessen verharrten sie in Untätigkeit. Frustriert ballte er sie zu Fäusten. Scheinbar die einzige ihm mögliche Reaktion auf die Situation der vergangenen Tage. Seit wann schafften es Zorn und Ratlosigkeit, ihn derart auszubremsen? Was war mit seinem Verstand? Seiner analytischen Distanz? Er war Soldat, verdammt noch mal. Soldat! Denk nach, Mann! Denk einfach ruhig darüber nach. Doch seine sonst so zielgerichteten Gedanken weigerten sich, eine eindeutige Richtung einzuschlagen. Er wusste auch ziemlich genau warum. Ausnahmsweise weigerte er sich schlicht und einfach, bestehende Tatsachen zu akzeptieren. Es sah ihm nicht ähnlich. Früher oder später müsste er es ohnehin tun. Aber noch...? Noch hatte er keine Lust dazu. Müde fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht und seufzte. Er konnte sich nicht ausstehen, wenn er so widersinnig war. Hatte Han Recht? Hatte er sich in der Rolle der Halbwaisen so sehr gefallen, dass er seinen Vater nun nicht mehr akzeptieren wollte? Takeru war froh über den Weg, den sein Leben genommen hatte. Wie könnte er es auch nicht sein, hatte ihn dieser Weg doch bis hierher geführt. An Ayas Seite. Als Sohn eines reichen, mächtigen Mannes wäre er ihr vielleicht nie begegnet. Und wer konnte schon sagen, wie ihre Begegnung mit den Bienenfaltern ausgegangen wäre. Möglicherweise hätte es sie nicht einmal mehr gegeben. Dieser Gedanke war so unerträglich, dass er ihm fast abwegig erschien. Nun ja, EINE parallele Realität gab es durchaus, in der eine wahllose Kette von Ereignissen dazu geführt hatte, dass die Familie Nezu nicht auseinander gerissen wurde, Lady Jins Kater KEINEN Bienenfalter-Schwarm aufgeschreckt hatte und der älteste Sohn des Erzherzogs von Iweh am Hofe König Nuros schließlich der Tochter Zukos II begegnete, was ebenfalls den Beginn einer unsterblichen Liebe einläutete. Aber da die Quantenphysik in der Feuernation noch in den Kinderschuhen steckte - oder quasi nonexistent war - konnte dies unser wackerer Held ja nicht ahnen. (Außerdem war jene Liebe nicht gar so schicksalhaft und romantisch wie diese. Anm. des Autors) Ja, er war mehr als glücklich, wie sein Leben verlaufen war. Trotzdem grollte er nun dem verlorenen Vater. Oder besser: dem Vater, der ihn verloren hatte. Ach verdammt... „Takeru?“ Er blickte auf. Auf das Mädchen, für das er, wenn es sein müsste, alle Entbehrungen, alle Strapazen und alle Schmerzen dieser Welt noch einmal durchleben würde. Nein, er würde sich niemals wünschen, sein Leben wäre anders verlaufen. Ob mit oder ohne Vater. „Ja?“ „Willst Du heute wieder nicht schlafen?“ „Doch, Prinzessin.“ Er erhob sich und griff ihre Hand. „Doch.“ Takeo gab indessen eine recht gute Imitation seines Sohnes zum besten. Auch er sass auf einer kühlen, nächtlichen Terrasse, in so ziemlich der gleichen Haltung und auch seine Gedanken kreisten unablässig um das vorliegende Dilemma. In so ziemlich der gleichen fatalistischen Manier. Sein Sohn. Sein Takeru. Wie viele Jahre hatte er um ihn getrauert? War von einem kleinen Gespenst mit leuchtenden Augen und hellem Lachen aus dem Schlaf gerissen worden? Nacht für Nacht. Und es hatte nie aufgehört Selbst jetzt noch, nach beinahe drei Jahrzehnten. Wann immer ihm ein Junge oder junger Mann mit dunkelblondem Haar über den Weg gelaufen war, hatte dieses erdrückende Gefühl der Schwermut auf ihm gelastet. Und jetzt... Jetzt hatte er seinen Sohn tatsächlich vor Augen und konnte doch nichts tun, um seine Familie wieder zu vereinen. So seltsam es war, aber dies liess ihn den Schmerz über den Verlust umso tiefer spüren. Wann würde Takeru bereit sein, mit ihm zu sprechen? Wann würde er beginnen, ihn als Vater zu sehen? Was, wenn niemals? Takeo beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und vergrub den Kopf in den Händen. Er hatte doch schon so viel gewonnen. Nach all den Jahren der Bitterkeit hatte er plötzlich wieder Yuna an seiner Seite. Yuna, die die Einsamkeit und Kälte aus seinem Herzen vertrieb. Er seufzte. Vielleicht war es gierig, mehr zu wollen. Überheblich. Aber das wirkliche Glück war so nah. So greifbar nah. Doch ohne seinen Sohn, würde es nie vollkommen werden. Ohne sein Kind würde für immer diese eine, dunkle, klaffende Wunde in seiner Seele verbleiben. „Takeo?“ Er schrak zusammen. „Was tust Du denn hier? Es ist kalt.“ Yuna trat hinter ihren Mann und umarmte ihn. „Kalt?“ Seltsam. Erst als er ihre Wärme im Rücken spürte, merkte er, dass der Rest seines Körpers fröstelte. „Du hast Recht“, murmelte er. Yuna fuhr zärtlich mit den Fingern durch sein Haar. „Er wird sich beruhigen“, versprach sie leise. „Und dann?“ „Dann wird er Dich auch an sich heran lassen.“ „Woher willst Du das wissen“, seufzte Takeo. „Weil er Dein Sohn ist. Mehr als Du denkst.“ „Wirklich? Wann immer ich ihn ansehe... Ich weiss nicht, wie er zu dem geworden ist, der er heute ist. Ich habe ihn nicht aufwachsen sehen, Yuna. Und nichts von dem, was er erreicht oder erfahren hat, ist mein Verdienst. Ich konnte ihm nichts von den Dingen geben, die ein Vater seinem Kind geben sollte. Keine Liebe, keine Geborgenheit, nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Wenn er sich nicht mit mir abgeben will, ist das sein gutes Recht.“ „Nein. Ist es nicht.“ Yuna löste die Umarmung und richtete sich auf. „Von mir hat er nichts auf den Weg bekommen ausser seiner Haarfarbe, Takeo. Den Rest hat er von Dir.“ „Nur weil er mir ähnlich ist, muss er mich nicht mögen“ „Nein?“ Yuna drückte einen Kuss in sein Haar. „Das ist Ansichtssache.“ Am nächsten Tag machte Hauptmann Nezu gleich in aller Götter-Frühe eine vollkommen neue Erfahrung. Die morgendliche Teambesprechung im Büro des Kommandanten war vorüber, Offiziere und Kage waren eben im Begriff, den Raum zu verlassen, als Kuroto den Kopf hob. „Nezu? Auf ein Wort!“ Takeru blieb wie angewurzelt stehen. Er kannte diesen Tonfall. Nur war er noch nie Adressat des selbigen gewesen. „Kommandant?“ Kuroto wartete, bis alle Übrigen sein Büro verlassen hatten. „Haben Sie heute Morgen das Gesicht von Hauptmann Osaru gesehen?“, erkundigte er sich beiläufig. Takeru lag auf der Zunge, dass das nur schwer zu übersehen gewesen sei, da es sich leider an der Vorderseite von Hans Kopf befand, enthielt sich jedoch einer solch zynischen Bemerkung. „Ja“, entgegnete er nur. „Eine Ahnung, wie er zu der Beule an seinem Kiefer gekommen ist?“ „Ja.“ „Ja?“, knurrte Kuroto. „JA? Das ist alles? Hauptmann... Ich habe im Augenblick keine Lust auf Ihre Austern-Taktik. Da es nur zwei Männer gibt, die in der Lage sind Osaru eine ordentliche Rechte zu verpassen und ich nicht annehme, dass Seine Lordschaft sich dazu herabliess, dürften es wohl Sie gewesen sein.“ „Ja.“ „Darf ich vielleicht den Grund dafür erfahren?“ „Es handelt sich um... eine Privatangelegenheit.“ „Eine Privatangelegenheit?“, fragte Kuroto, als hätte er sich verhört. „Ja, Sir.“ „Sie halten es also für privat, wenn Sie einen meiner besten Männer so zurichten, dass ich seine blau geschundene Visage mindestens noch vier bis fünf Tage vor Augen habe? Verdreschen Sie in Ihrer Freizeit Ihre Freunde und Kameraden, solange Sie wollen. Das ist Ihr Problem. Aber wenn Sie einen MEINER Offiziere verletzen, dann nehme ICH die Sache persönlich. Ist das klar?“ Etwas perplex stand Takeru im Raum. Wie reagierte man gleich noch auf die Rüge eines Vorgesetzten? Seit seiner Kadettenzeit war ihm dies nicht mehr untergekommen. „Ob das KLAR ist?“, bellte der Kommandant. Takeru stand stramm wie ein Besenstiel. „Ja, Sir“, quetschte er durch die Zähne. „Gut. Ich dachte schon Ihre neuen Familienverhältnisse wären Ihnen zu Kopf gestiegen.“ WAS Takeru bei diesen Worten zu Kopf stieg, war das eigene Blut. Er sah rot. „Sir..!“ „Sie können wegtreten!“ „Kommandant, ich...“ „WEGTRETEN HAB ICH GESAGT! Haben Sie neuerdings Wasserkastanien in den Ohren?“ Stocksteif, vor Wut und schlimmeren Dingen blass um den Mund drehte Takeru sich auf dem Absatz um und verliess den Ort seiner Schmach. Draussen wartete leider schon Yuna; nichtsahnend, dass sie in diesem Leben keinen ungünstigeren Zeitpunkt hätte wählen können, um sich mit ihrem Sohn auszusprechen. Im Gegenteil. Sie wurde von der verzweifelten Hoffnung getrieben, er könnte sich in der Zwischenzeit möglicherweise - so ganz vielleicht - beruhigt haben. Die teils neugierigen, teils nervösen Blicke, die die vorbeieilenden Wächter und Soldaten ihr zuwarfen, hätten ihr eigentlich Warnung genug sein sollen. Schließlich öffnete sich die Tür. Takerus Gesichtsausdruck erstarrte - falls überhaupt möglich - noch mehr, als er seiner Mutter ansichtig wurde. Yuna atmete tief durch und fasste sich ein Herz. „Takeru...“ „Mutter.“ Ein knappes Nicken und schon wollte er weiter. „Takeru, warte!“ „Ich bin im Dienst.“ „Ich habe den Kommandanten bereits gefragt, ob ich Dich bei Gelegenheit sprechen könnte. Er hatte nichts dagegen.“ Ach. Sieh an. So schnell konnten `private Angelegenheiten´ wichtig genug werden, ein wenig Dienstzeit zu opfern. „Ich habe zu tun, Mutter!“ „Ja. Natürlich hast Du das. Aber paar Minuten Deiner Zeit wirst Du wohl entbehren können.“ „Ich halte es für klüger, dieses Gespräch ein andermal zu führen“, knirschte Takeru, der sein Nervenkostüm für sechs Uhr einundzwanzig durchaus schon strapaziert genug fand. „Damit Du alles in Dich hineinfressen kannst? Nein.“ „Gut. Wenn Du darauf bestehst. Hier entlang.“ Takeru führte seine Mutter in einen mit strategischen Karten und der Nachstellung historischer Schlachten vollgestopften Raum. Sollte Kuroto dies als Anlass für eine weitere Rüge nehmen, bitte sehr... Er ging zum nächstbesten der Tische, stemmte die Arme ab und starrte brütend auf eine Miniatur-Ausgabe des Feuerpalastes inclusive aller Verteidigungsanlagen. Yuna nahm die Botschaft dieser Haltung bekümmert zur Kenntnis. Seine gesamte Rückenpartie - ja jeder einzelne Muskel, der auch nur im entferntesten an der Körpersprache ihres Sohnes Anteil hatte - bildete ein Bollwerk zutiefst von sich selbst überzeugter Kompromisslosigkeit. „Du willst reden, Mutter? Schön. Sprechen wir doch darüber, warum ich bis vorgestern Abend nichts davon wusste, der Sohn eines Erzherzogs zu sein.“ „Er... er war enterbt worden!“, versuchte Yuna sich zu verteidigen. „Und somit weit davon entfernt, jemals Herzog...“ „Das tut nichts zur Sache!“, knurrte Takeru. „Jetzt ist er es. Du wusstest um seine Abstammung und somit auch um meine.“ „Aber... was hätte es denn genutzt, Takeru?“ „Was es genutzt hätte?“ Der Hauptmann wirbelte herum und sah ihr ins Gesicht. Yuna wünschte fast, er würde es nicht tun. Seine Augen waren die reinsten Eisschleudern. „Ich hätte ein klein wenig mehr über meinen Vater gewusst!“ „Alles was wichtig war, habe ich Dir erzählt“, versuchte Yuna sich zu verteidigen. „Ich habe immer versucht, Dir Deinen Vater näher zu bringen. Damit Du Dir ein Bild von ihm machen kannst. Damit Du weißt, wie er war “ „Ja.“ Ein hartes Lachen. „Aber nicht WAS er war.“ „Seine Abstammung hat ihn nie definiert!“ „Ach ja?“ Er machte einen ungehaltenen Schritt auf sie zu. „Dann ist das auch der Grund, warum sich die Leute um mich herum samt und sonders plötzlich völlig absurd verhalten und nicht mehr wissen, wie sie mich behandeln sollen? Weil es auch mich mich nicht definiert, wessen Sohn ich bin? Dieser Mann...“ Aufgebracht deutete er in Richtung des Gästeflügels. „Dieser Mann ist es gewohnt, dass die Menschen vor ihm kratzbuckeln. Auf den leisesten Wink hin bemüht sich ein ganzes Heer von Dienern um seine erlauchten Wünsche! Glaub mir, es definiert ihn, wer und was er ist. Und jetzt definiert es auch mich. Und ich mag es nicht von anderen definiert zu werden. Ganz und gar nicht!“ „Tak...“ Zu guter Letzt schienen ihm Hirschzebras nun doch noch durchzugehen. „Und WAGE nicht, zu behaupten, es sei kein Unterschied, ob man der Sohn eines Stadtschreiber ist, wie Du immer behauptet hattest, oder der eines gottverdammten Herzogs!“ Als dem Hauptmann klar wurde, dass er gerade dabei war, hemmungslos seine Mutter anzuschreien, straffte er sich. „Ich hätte ein Recht gehabt, es zu erfahren!“, schloss er mit erzwungener Ruhe. „Ja, wahrscheinlich. Doch wozu wäre es gut gewesen? Um Dich ins Ungewisse zu stürzen? Damit Du Dir Fragen stellst, die Dir niemand hätte beantworten können? Fragen, die Dich vielleicht von Deinem Weg abgebracht hätten?“ „Mein Weg? Hattest Du Angst, ich würde hier alles stehen und liegen lassen, um ein Erbe einzufordern, das mich einen feuchten Dreck interessiert?“ „Vielleicht hätte es Dich interessiert, wenn Du es früher gewusst hättest. Es ... es ist immerhin das Vermächtnis Deines Vaters. Noch bis vor zwei Tagen hätte Dir das sehr wohl etwas bedeutet! Und ich... Unter keinen Umständen wollte ich, dass Du oder ich jemals wieder etwas mit Akio Nezu zu tun hätten. Deshalb hatte ich ihm auch versprochen Dir nichts zu sagen, Takeru!“ „Versprochen?“ Er lachte hart. „Meinem Großvater? Einem Mann, der seinen eigenen Sohn verstieß und verleugnete. Dich ins Unglück stürzte, trotz Deines Babys und uns uns selbst überließ? Diesem Mann hast Du Dich mehr verpflichtet gefühlt, als mir?“ „Ich hatte es versprochen! Du selbst müsstest das doch verstehen. Du selbst brichst ein einmal gegebenes Wort niemals. Und weisst Du auch von wem Du diese Eigenschaft hast? Von Deinem Vat...“ „Ich will im Augenblick wirklich nichts mehr von ihm hören!“ Takerus Stimme war gefährlich leise. Und gefährlich kalt. Yuna schluckte und blickte auf ihre Hände hinab. „Es tut mir so leid, Takeru. Unendlich leid. Aber hast Du auch nur eine Ahnung, wie tief meine Wunden damals waren? Mit welchem Schmerz ich zu kämpfen hatte? Ich hielt Deinen Vater für tot, Takeru! Das Erbe der Nezus war das kleinste meiner Probleme. Und es kümmerte mich nicht.“ Mit fest verschränkten Armen starrte ihr Sohn auf den Boden. „Ach... Aber mich soll es jetzt auf einmal kümmern?“, knirschte er. „Nicht das Erbe. Nur Dein Vater!“ „Du kannst den Mann nicht von seinem Titel trennen. So leid mir das tut, Mutter. Außerdem... ein Erbe hat mir nie gefehlt. Ein Vater allerdings schon. Du kannst nicht von mir erwarten, ihn aus heiterem Himmel mit offenen Armen zu empfangen.“ „Ein offener Geist wäre mir schon genug, Takeru!“ „Sicher!“, schnaubte er bitter. „Mir Sturheit vorzuwerfen trifft schließlich immer ins Schwarze, nicht wahr?“ „So war das nicht gemeint! Ich...“ „Ich halte die Debatte vorerst für beendet. Guten Tag, Mutter.“ Als Yuna sich allein in dem kleinen Raum wieder fand, seufzte sie tief. Ja, es wäre wirklich besser gewesen, dieses Gespräch auf später zu verschieben. Unnötig zu sagen, dass Hauptmann Nezus Miene für den Rest des Tages abweisend genug war, ihn unbehelligt all seinen Aufgaben nachkommen lassen zu können. Ausserdem, wenn er jetzt schon seine Freunde verprügelte und seine Mutter anbrüllte... Takeru war das nur Recht. Er hatte die Schnauze gestrichen voll. Voll von verärgerten Vorgesetzten. Voll von plötzlich undurchschaubaren Müttern und dubiosen Herzögen. Und voll von schmollenden Freunden. Ja, Han schmollte. Nun ja. Das war zwar albern, aber des Feuerbändigers Wille ist sein Schmelzofen. Irritierend war nur, dass selbst Aya begann, ihm spekulative, besorgte Blicke zuzuwerfen. Takerus Lippenpartie wurde stündlich schmaler. Bereits am frühen Nachmittag hatte er das Gefühl, sein Kiefer müsse demnächst abfallen vom ständigen Zähneknirschen. Ein konfuser Bediensteter des Palastes, der den Fehler beging sich angesichts des Hauptmanns WESENTLICH tiefer zu verneigen als angemessen oder üblich, entging nur knapp einer Backpfeife. Zur gleichen Zeit, am fast gleichen Ort Der Herzog von Iweh streifte neugierig durch den riesigen Palast Zukos des Zweiten. Er ließ sich Zeit. Betrachtete beeindruckend große Wandgemälde, besonders schön angelegte Brunnen, bestaunte die eleganten Linien der Pavillons und Loggien, die filigranen Schnitzereien antiker Vertäfelungen. Sein Ziel waren die inneren Gänge des Ostflügels, in denen, wie er in Erfahrung gebracht hatte, die etwas neueren Gemälde hingen. Das erste überlebensgroße Portrait, welches ihm drohend entgegen starrte, war Sozin selbst. Sozin, der Kriegstreiber. Rechts davon hing, ebenso groß und streng, ein Bild Azulons. „Ts. Ausgemergelter Kerl!“, murmelte Takeo. „Scheint zu stimmen, dass er sich nur von Quellwasser und Haferschleim ernährt hat.“ Er schritt weiter und erblickte, wie er es befürchtet hatte, denjenigen der Feuerlord-Versammlung, bei dem ihm die Galle hochzukommen drohte. Ozai. Ironischerweise der bestaussehende dieser Burschen. Ozai der Prächtige. Arrogant, herrlich anzusehen, aber kalt und öde wie ein seit Millionen Jahren erloschener Vulkan. Um sein Haupt die Darstellung einer feurigen, gloriosen Sonne, unter seinen Stiefeln die übrigen Elemente im Staub. „Eins muss man Dir lassen; Siehst Deinem Sohn leider verdammt ähnlich“, murrte Takeo zur Geißel des Krieges empor. „Frag mich nur, warum Du noch nicht auf dem Müll gelandet bist.“ „Es soll mich erinnern.“ Takeo drehte sich um. „Euer Lordschaft.“ Er neigte das Haupt. Eine Geste, die erwidert wurde. „Hoheit!“, antwortete Zuko. „Ich wollte Eure Ahnen nicht beleidigen.“ „So? Warum nicht? Diese drei hier haben sich zu Lebzeiten wahrlich mit genug fragwürdigem Ruhm bekleckert. Ich glaube, dafür dürfen sie ruhig die ein oder andere kleine Schmähung erdulden. Besonders dieser hier!“ Zuko starrte zu seinem Vater hinauf. Takeo konnte förmlich spüren wie Mylords Laune sich verdüsterte. „Warum hängt ein Portrait Eures Onkels neben ihm?“, fragte er rasch, um das Gespräch auf etwas Erfreulicheres zu lenken. „Nun, da mein Vater sich den Thron nur erschlichen hatte, ist es eigentlich mein Onkel, dessen Bildnis an dieser Stelle aufgehängt werden sollte. Also habe ich genau das getan. Ausserdem macht es den Anblick meiner illustren Vorväter erträglicher. Es zeigt mir, dass nicht alle Tatzus Idioten waren. Oder sind.“ „Ihr hängt sehr am General. Nicht wahr?“ „Ich liebe ihn“, antwortete Zuko schlicht. „Er ist Onkel, Vater, Ratgeber und Freund für mich. Aber genug der Sentimentalität.“ Zukos Aufmerksamkeit galt nun wieder seinem Gast. „Ich nehme an, Euer eigentliches Ziel sind nicht die offiziellen Herrscher-Portraits hier, sondern eher die Hallen aus Stein, unter der großen Kampfarena.“ „Nun, man sagte mir, dort hingen auch Bilder von... von Takeru.“ „Allerdings. Die Kage geniessen seit jeher ein sehr hohes Ansehen. Um ihre Tapferkeit zu honorieren liess Zuko der Erste im dritten Jahrhundert die Hallen aus Stein erbauen. Dort befinden sich unter anderem die sterblichen Überreste aller Leibwächter und eine Galerie mit Portraits jedes einzelnen von ihnen.“ „Und erbaut hat sie Euer Namensvetter?“ „Ja. Doch ich fürchte, das war die größte seiner Taten. Mein Vater suchte für mich einen Namensgeber der - wie soll ich sagen - seinen Vorstellungen von Ruhm und Glorie widersprach. Einen Schwächling und Versager sozusagen. Also wählte er Zuko den Bedächtigen. Ein bescheidener Mann, mit Liebe zur Kunst und Gärtnerei, doch leider nur ein Verfechter des Friedens, ohne jegliche Ambitionen auf die Weltherrschaft. Ein nahezu unverzeihlicher Makel, so als Feuerlord.“ „Klingt nach einem angenehmen Burschen. So als Feuerlord“, erwiderte Takeo. „Ihr könnt froh sein, seinen Namen zu tragen.“ „Oh, das bin ich! Mehr als froh. Ich würde Euch seine Galerien gerne persönlich zeigen, aber mich ruft die Pflicht. Ich weiss jedoch einen geeigneten Ersatz. Einen Moment bitte.“ Zuko winkte einen zwanzig Meter entfernt stehenden Soldaten zu sich. „Herr?“ „Leutnant Rige, lass bitte nach Hauptmann Osaru schicken.“ „Sofort, Mylord!“ „Ich fühle mich zwar geehrt“, meinte Takeo, nachdem der Soldat fortgeeilt war, um den Auftrag auszuführen. „Aber ist ein so hochrangiger Offizier wirklich der geeignete Fremdenführer?“ „Fremdenführer?“ Mylord lüftete amüsiert die Braue. „Ihr seid kein Fremder.“ „Nein?“ „Momentan seid Ihr ein Teil der Familie, den wir noch kennenlernen müssen.“ „Das seht Ihr wirklich so?“ „Natürlich“ „Man nennt Euch zurecht einen Diplomaten.“ „Oh Agni!“, lachte Zuko. „Das tun nur Menschen, die mich nicht wirklich kennen.“ „Ich denke, Ihr sucht Euch aus, wann Ihr Diplomatie walten lasst, und wann nicht.“ „Hm... könnte hinkommen.“ Mylord verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Euer Gemälde ist anders, als das der übrigen Lords“, merkte Takeo an, als sein Blick auf das offizielle Bildnis Zukos des Zweiten fiel. „Anders?“ „Nun, zum Einen seid Ihr der einzige ohne Bart. Ist er denn nicht Sitte?“ „Ist er. Oder besser gesagt, er war es. Die traditionelle Frisur und der Odoro sind meiner Meinung nach genug Zugeständnisse an meine Vorfahren und mein Volk. Bei der Gesichtsbehaarung hört der Spass allerdings auf, da ich es vorziehe, die Ähnlichkeit mit meinem Vater auf ein Minimum zu beschränken.“ „Verständlich.“ Takeo legte den Kopf leicht schräg, noch immer in die Betrachtung des Bildes versunken. „Sie haben Euch gut getroffen.“ „Wirklich? Diese offiziellen Gemälde sind doch Kokolores.“ „Außerdem spricht die Balance der Farben für sich. Das Feuer ist auf diesem Bild viel bescheidener dargestellt. Die übrigen Elemente haben viel mehr Raum als in den Bildern Eurer Vorfahren.“ „Vielleicht ist dem Maler das Orange ausgegangen“, spekulierte Zuko. „Nein, ich glaube, Ihr wolltet es so.“ „Ich mag´s eben bunt.“ „Und ausgewogen?“ „Das, und eine beklagenswerte Schwäche für Grün. Ich gebe meiner Frau die Schuld daran. Ah!“ Zuko deutete nach links. „Da ist er ja. Unser allseits beliebter und berüchtigter Hauptmann Osaru.“ Han salutierte vor seinem Herrscher und stand, weitere Anweisungen abwartend, stramm. „Gute Güte“, murmelte Zuko nach einem Blick auf Hans Gesicht. „Hat eine der Hofdamen ihre neuen Schminkpuder an Euch ausprobiert, oder ist dies das farbenfrohe Ergebnis eines Faustschlags?“ „ÄhmmmFaustschlag, Mylord.“ „Aha. Takeru?“ „Äh...“ Zuko seufzte. „Tja. Es war zu erwarten, dass ihn das Ganze etwas aus der Bahn wirft. Falls es Euch tröstet, Hauptmann, dieses Blauviolett steht Euch erstaunlich gut.“ „Es freut mich immer, einen Beitrag zur Verschönerung unseres prächtigen Palastes leisten zu können, Sire.“, erwiderte Han stoisch, was ihm ein anerkennendes Grinsen seitens Seiner Lordschaft einbrachte. „Wie Ihr Euch denken könnt habe ich Euch natürlich nicht nur rufen lassen, um Euer kunstvoll zerschundenes Gesicht zu begutachten, Han. Kennt Ihr Seine Gnaden den Erzherzog von Iweh bereits?“ „Ich hatte bislang nicht die Ehre.“ Han zeigte keinerlei Regung. Innerlich platzte er vor Neugier. „Nun, dann habt Ihr sie jetzt. Herzog, ich möchte Euch Han Freiherr von Osaru vorstellen, persönlicher Leibwächter meines Sohnes Kiram, Träger des Phönixordens sowie diverser andrer Auszeichnungen und außerdem bester Freund Eures Sohnes.“ „Meines... Es freut mich, Euch kennen zu lernen, Hauptmann.“ „Dies kann ich nur erwidern.“ Han neigte den Kopf. „So, da Ihr nun in so guten Händen seid, ruft mich leider die Pflicht“, verabschiedete Zuko sich von seinem Gast. „Hauptmann, ich denke die Hallen aus Stein und die kleineren Galerien der Trainingshallen dürften die Hauptziele Eurer Führung sein. Ach, und in der privaten Sammlung meiner Frau im Südflügel hängt noch das ein oder andere Bild von Takeru aus der Zeit als er grade mal dreizehn war. Nach der Sache mit den Bienenfaltern, hat sie den armen Kerl glaub ich ein halbes Dutzend Mal malen lassen. Ihr wisst ja, wo diese Gemälde hängen.“ „Selbstverständlich, Mylord.“ „Gut. Dann entschuldige ich mich jetzt.“ Die beiden Männer warteten, bis Seine Lordschaft entschwunden war. Dann begann Han sein neues Anhängsel im Schlendergang durch den Palast zu führen. „Ihr... kennt also meinen Sohn?“, erkundigte Takeo sich nach kurzer Zeit. „Ja, in der Tat. Wir besuchten gemeinsam die Militär-Akademie.“ „Ich bin froh, dass er dort einen Freund gefunden hat.“ „Nun... Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich hab ihn anfangs nicht ausstehen können.“ „Nein?“ „Nein. Er war seltsam. Ist er immer noch.“ Han grinste, erkannte aber an einem beunruhigten Blick seines Gesprächspartners, dass sein Sinn für Humor im Augenblick nicht gewürdigt wurde. „Verzeiht, Hoheit. Vergesst was ich gesagt habe. Und bitte, schenkt diesem Veilchen an meinem Kinn keinerlei Beachtung. Ein kleiner Zwist unter Freunden. Ich habe Takeru nur ein wenig gereizt. Was schwer genug ist, wie ich Euch versichern kann. Aber Euer Sohn ist keineswegs seltsam. Das treffendere Wort wäre besonders. Das ist er auf jeden Fall. Und wenn ich ihn im ersten Jahr nicht mochte, lag wohl vor allem daran, dass ich seinetwegen nur Jahrgangs-Zweiter wurde. Woran sich leider nie etwas geändert hat“, schloss er murrend. „Ist er wirklich so gut?“, murmelte der Herzog. „Nein. Besser.“ „Ich habe gehört, er könnte es mit bis zu zehn gut ausgebildeten Männern gleichzeitig aufnehmen?“, murmelte Takeo. „Zehn?“ Han schnaubte. „Da hat jemand aber mächtig untertrieben.“ „Untertrieben? Ihr beliebt zu scherzen?“ „Normalerweise beliebe ich schon. Nur im Augenblick nicht. Zehn Mann ringen ihm vielleicht ein müdes Lächeln ab. Wobei... wir sprechen von Eurem Sohn und... wie soll ich sagen? Er ist nicht gerade für sein sonniges Gemüt bekannt. Also würde er vermutlich eher nicht lächeln, vor allem da er jeden potentiellen Feind sehr, sehr ernst nimmt.“ „Und mich sieht er wohl leider als solchen“, seufzte Takeo resigniert. „Nein. Nicht als Feind. Er weiss Euch nur nicht einzuordnen. Ihr dürft nicht aufgeben! Takeru ist ein harter Brocken, ja. Unzugänglich wie ein Dachsfuchs-Bau. Aber nicht unversöhnlich. Und die Mühe ist er allemal wert! Keiner weiss das besser als ich. Euer Sohn ist verdammt vielschichtig. Und jede einzelne Schicht ist zäh wie Bullen-Leder. Doch es gibt niemanden, der selbstloser wäre. Oder loyaler. Hat man ihn erst auf seiner Seite, stellt er sich alles und jedem in den Weg, der einem Schaden will. Und sei man es selbst. Darum prüft er wohl auch so genau, wem er diese Loyalität schenkt, und wem nicht. Ihm gegenüber würde ich das natürlich niemals zugeben, aber... er ist wirklich nahezu ohne Fehl und Tadel, Euer Sohn. Er braucht nur Zeit, sein Misstrauen zu überwinden, Hoheit. Mehr nicht.“ „Ich bete zu den Göttern, dass Ihr Recht habt.“ „In diesem Fall habe ich das sogar. Vielleicht sollte ich mir das Datum merken“, sinnierte Han. „Ihr seid ihm ein wahrhaft guter Freund.“ Takeo lächelte. „Na ja...“, meinte Han bescheiden. „Muss ich wohl. Mit ihm als Freund steht man was das angeht etwas unter Zugzwang. Die Schlamassel aus denen er mich schon rausgehauen hat waren nicht gerade von Pappe. Außer diesem komischen, bunt angemalten und mit Süßkram vollgestopften Geburtstags-Schwein. Das war tatsächlich aus Pappe und hat uns in eine ziemlich brenzlige Situation manövriert. Ich meine, wer zur Stichflamme weiss schon, was eine Piñata ist? Ich dachte, sie wollten Waffen in dem Ding schmuggeln.“ Am Abend des selben Tages Angespannt stand Hauptmann Nezu vor dem großen Spiegel im Schlafgemach und zerrte vergeblich seinen Kragen in Form. Das Ding war unglaublich eigensinnig. Ausgerechnet heute Abend. Ausgerechnet an einem Donnerstag. Seit ungefähr drei Jahren bedeutete Donnerstag Abend Pai Cho mit Lord Zuko. Ergo hatten Manieren und Erscheinung in Bestform zu sein. Uniformen sowieso. Wahrscheinlich hatten die Wäscherinnen das verfluchte Ding zu heiss gewaschen. Oder falsch aufgehängt. Oder vertauscht. „Verdammte Seide!“, fluchte er ungehalten. Hinter sich hörte er die leisen Schritte seiner Frau. Bestimmt drohte ihm jetzt eine weitere Grundsatzdiskussion. Im Bemühen den viel zu engen Kragen der Uniformjacke zu öffnen, riss Takeru beinahe einen der kostbaren, goldenen Knöpfe ab. „Lass mich machen.“ Sanfte Hände drehten ihn um, öffneten geschickt die obersten Verschlüsse, zupften hier und da, strichen den Stoff über seinen Schultern aus und knöpften die Uniform wieder zu. Siehe da. Auf einmal sass alles wie angegossen. Stirnrunzelnd blickte Takeru auf Ayas Scheitel hinab. „Den solltest Du demnächst neu annähen lassen“, murmelte sie und strich über den leicht gelockerten Knopf. Diese Knöpfe, aus reinem Gold gefertigt, in das das Drachenkopf-Wappen Seiner Lordschaft geprägt war, waren allein den Kage vorbehalten und somit Symbol ihrer Sonderstellung. In ihrer Schmuckschatulle lag seit einer halben Ewigkeit ein ebensolcher Knopf. Ein Knopf, den Prinzessin Aya - nach einem kurzen aber heftigen Handgemenge ihres Leibwächters mit einem unzurechnungsfähigen Bediensteten - heimlich vom Boden ihrer Bibliothek aufgelesen hatte. Was Takeru wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie dieses kleine Ding hütete, wie einen Staats-Schatz? Sie lächelte leicht. „Was?“, wollte Takeru wissen. „Nichts“, antwortete Aya und drückte einen kurzen Kuss auf seine Lippen. „Du hast doch etwas.“ „Ich?“ Aya blinzelte. Das war... Dieser Mann hatte vielleicht Nerven. „ICH soll etwas haben?“ „Ja.“ „So wie Dein Kragen eben?“ „Bitte? Was hat mein Kragen damit zu...?“ „Takeru, das Einzige, womit im Augenblick etwas nicht stimmt, bist Du.“ „Was? Ich...“ „Und der Einzige, der das nicht bemerkt, bist auch Du.“ Zärtlich umfasste sie sein Gesicht. „Deine Uniform ist vollkommen in Ordnung. Tadellos, wie immer. Bis auf den Knopf, den Du eben fast abgerissen hast. Deine Freundschaft zu Han ist ebenfalls vollkommen in Ordnung, bis auf den Schlag, den Du ihm gestern verpasst hast. Deine Stellung, Dein Leben hier, wir, unsere Ehe. Nichts davon ist in Frage gestellt. Der Einzige, der das tut, bist Du selbst.“ Takeru holte tief Luft und wollte sich abwenden. Allerdings liess sein Eheweib das nicht zu. „Liebling, ich weiss, dass es nicht einfach ist“, flüsterte sie. „Und ich weiss, dass Du versuchst, so zu tun, als berühre Dich das alles nicht. Aber das tut es. Also rede mit mir!“ „Worüber?“, grollte er. „Ich weiß selbst nicht, was ich von dem Ganzen zu halten habe. worüber sollte ich also sprechen wollen?“ „Eben darüber. Diese Ratlosigkeit wäre schon mal ein Anfang. Sprich darüber. Vielleicht wird Dir dann einiges klarer. Ob Du es glaubst oder nicht, aber manchmal hilft es, die Dinge auszusprechen.“ Er drehte sich wieder zum Spiegel und rückte seinen Gürtel zurecht. „Bitte, Takeru!“ Aya schmiegte sich an seinen Rücken und umarmte ihn fest. „Gib mir bitte das Gefühl, dass Du mich brauchst. Dass ich Dir wenigstens ein Bisschen helfen kann.“ „Aya.“ Er griff ihre Hände, die auf seinem Brustkorb lagen und barg sie in seinen. „In dieser ganzen Sache bist Du die Konstante. Mein Ruhepol. Egal was kommt. Ich habe Dich. Ich habe Deine Liebe. Denkst Du wirklich, das würde mir nicht helfen? Es hilft mir mehr als alles anderes. Ich weiß, dieser Mann ist mein Vater. Aber... ich fühle es nicht. Obwohl ich es in seinen Augen sehe. Da ist so viel Hoffnung. Stolz und... Zuneigung. Und ich weiß nicht, ob ich das je erwidern kann. Ob ich seinen Erwartungen gerecht werden kann. Mir ist bewusst, dass er für das was mit unserer Familie geschehen ist nichts konnte. Dennoch... vor zehn, vielleicht auch noch fünf Jahren, hätte ich alles darum gegeben, einen Vater zu haben. Und nun...“ „Es ist aber doch nicht so, dass Du keinen Vater mehr willst, oder?“ „Nein.“ „Warum willst Du ihn dann nicht einmal anhören?“ Er presste die Lippen aufeinander. Aya rieb die Wange an seiner Schulter. „Ich verstehe, dass Du Zeit brauchst, aber ... Du bist der Mensch, den ich auf der Welt am meisten liebe. Und er... scheint Dir so ähnlich. Schon allein das ist für mich Grund genug, ihn zu mögen.“ „Aya ...“ „Und unsere zukünftigen Kinder? Findest Du nicht, sie haben ein Recht auf ihren Großvater?“ „Sie werden einen Großvater haben. Den besten, den sie sich wünschen können: Deinen Vater! Aber Takeo Nezu? Ich weiß nicht, wer er ist, wie er ist. Mein Vater war er jedenfalls nie.“ „Aber doch nur, weil ihm die Möglichkeit dazu geraubt wurde!“ Die Linie von Takerus Kiefers bleib unversöhnlich. Aya seufzte. Sie hätte sich die Worte ebenso gut sparen können. „Schon gut“, sagte sie leise und löste sich widerwillig von ihm. „Du solltest Dich beeilen, schliesslich wirst Du zum Pai Cho erwartet. Ausserdem dreht sich unsere Diskussion ohnehin schon wieder im Kreis. Ich werde nichts mehr dazu sagen. Letztendlich musst Du die Sache allein entscheiden. Aber bitte triff die Entscheidung, mit der Du leben kannst.“ „Und Du glaubst zu wissen, welche das ist?“ „Wissen nicht. Doch ich habe da so eine Vermutung.“ Ein letztes Mal strich sie seinen Kragen zurecht, legte die Hand an seine Wange und verschwand. „Nun?“, brummte Zuko, das Kinn auf die locker verschränkten Hände gestützt, während er die Lage auf dem Pai Cho-Brett unter die Lupe nahm. „Mylord?“ „Du hast mir noch nicht gesagt, wie Aya zu der ganzen Sache steht.“ Takeru musste nicht erst fragen, welche `Sache´gemeint war. „Sie sagte, ich müsse es selbst entscheiden.“ „Kluges Kind.“ „Sie meinte aber auch, es sollte die Entscheidung treffen, mit der ich leben kann“, seufzte Takeru. „Ich frage mich nur, welche das ist?“ „Wirklich?“ Geschickt schlug Zuko Takerus Fächerstein. „Ich denke, tief drin ist Dir die Antwort auf diese Frage bewusst.“ Takerus finsterer Blick ruhte auf den Spieltisch. „Wenn Du es nicht versuchst, wirst Du Dich immer fragen, was passiert wäre, wenn Du Dich auf ihn eingelassen hättest.“ Zuko blickte auf. „Oder etwa nicht?“ „Was ist, wenn ich nicht das bin, was er erwartet?“, fragte Takeru leise. „Du hast offenbar nicht bemerkt wie er Dich ansieht. Dieser Mann hat nach vielen, vielen Jahren endlich seinen Sohn wieder. Und nur weil Dir das nicht in den Kram passt, wird er nicht aufhören wie ein Vater zu fühlen. Auch Deine Weigerung ihn zu akzeptieren, wird nichts daran ändern. Du bist sein Sohn.“ „So einfach ist das?“ „Ja. So einfach ist das. Und das sollte es auch sein. Glaub mir, Du kannst von Glück sagen, dass Dein Vater so fühlt. Es gibt... gab Ausnahmen von der Regel.“ Takeru wusste nur zu gut, dass Mylord auf den eigenen, lieblosen Erzeuger anspielte. Er fragte sich, wie sein abweisendes Verhalten dem Herzog von Iweh gegenüber wohl auf einen Mann wirken musste, der stets vergeblich versucht hatte, die Liebe und Anerkennung eines kalten, stolzen Vaters zu erringen. Plötzlich verspürte er das ungewohnte Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. „Es gab eine Zeit, da... hätte ich alles für einen Vater gegeben“, begann Takeru stockend. „Doch da war keiner. Auch nicht in den dunkelsten Stunden. Und dann, nachdem wir hierher gezogen waren... Ich sah Eure Familie wachsen, sah Euch und Eure Kinder. Wie sehr ich mir damals gewünscht habe, ebenfalls Euer Kind zu sein.“ Seine Stimme war tonlos. Es koste ihn eine Menge, diese Dinge auszusprechen. „Dazuzugehören.“ „Ich weiß“, antwortete Zuko leise. „Und in mir hast Du einen Vaterersatz gesucht.“ Die Kiefermuskeln des Hauptmanns zuckten. „Vielleicht steht es mir nicht zu“, raunte er. „Aber inzwischen betrachte ich Euch als solchen.“ Über Zukos Gesicht glitt langsam ein ebenso spöttisches, wie gerührtes Lächeln. „Darf ich Tian bitten, dieses Ereignis im Kalender blau anzustreichen?“ Sein Schwiegersohn schwieg, nahm das Pai Cho-Brett ins Visier und machte einen kurzen Zug. „Takeru“, seufzte Zuko. „Seit langem bist Du für mich wie ein sechstes Kind. Im Grunde könnte man fast sagen, Du warst mein Erstes. Je länger ich Dich habe aufwachsen sehen, umso stolzer hat es mich gemacht“, fuhr er fort. „Und umso mehr hast Du zu uns gehört. Meinen Söhnen warst Du ein Vorbild, meiner Tochter sogar ein Retter. Jeder Mann wäre stolz auf einen Nachkommen wie Dich. Ich bin es jedenfalls immer gewesen. Und da Du mir die Ehre erweist, mich als eine Art Vater zu betrachten, will ich dieses Privileg nutzen, um Dir einen gut gemeinten Rat zu geben. Oder vielleicht sogar eine Art Bitte. Gib dem Herzog eine Chance. Gib Dir selbst diese Chance. Ich bin sicher, mehr braucht es nicht.“ „Aber ich habe bereits eine Familie.“ „Ja. Die hast Du. Ohne Wenn und Aber. Das heißt jedoch nicht, sie könnte nicht noch um einen Mann erweitert werden. Du magst im Augenblick nicht viele Gemeinsamkeiten mit ihm sehen, aber für einen Außenstehenden liegen sie auf der Hand. Und ich finde, ihn nicht als Vater anzuerkennen, ist unnötig grausam und sieht Dir nicht ähnlich.“ „Grausam?“ „Allerdings. Wenn ich mir vorstelle, eines meiner Kinder so früh verloren zu haben... Der bloße Gedanke macht mich krank. Es ist ein Band, das nichts auf der Welt zerstören kann, Takeru. Und egal, wie sehr Du versuchst es zu durchtrennen, das einzige, was Du damit erreichst, sind unnötige Schmerzen für Deinen Vater. Aber selbst die werden ihn nicht davon abhalten Dich zu lieben.“ „Der Mann kennt mich nicht einmal.“ „Nein?“ Seine Durchlaucht hob die Braue und verschob seinen Bambus-Stein. „Wenn Du meinst. Pai!“ „Ihr seid enttäuscht von mir.“ „Enttäuscht?“ Zuko entfuhr ein Lachen. „Aber niemals! Tatsächlich verhältst Du Dich wie erwartet.“ „Engstirnig?“ „Hm... auch.“ „Unfair.“ „Ein wenig“, antwortete Mylord mit mildem Lächeln. „Irrational.“ „Vielleicht ein bissch... Ja. Total irrational. So gesehen eigentlich äußerst amüsant.“ „Ach, verd...“ „Lass es ruhig raus, Junge. Ich kann‘s ab.“ „Nein. Schon gut“, erwiderte Takeru beherrscht und schob seinen blauen Fischotter neben Zukos Lotus-Stein. „Was? Da soll mich doch der... „Cho Tsum“, murmelte Hauptmann Nezu, peinlich berührt, seinen Sieg verkünden zu müssen. „Entschuldigt!“ „Hm!“ Zuko verschränkte die Arme. „Wohl vergessen, mich gewinnen zu lassen, was?“, brummte er. „Ähm...“ „Kommt in letzter Zeit bedenklich oft vor.“ „Nun, ich...“ „Revance!“, schnarrte Mylord und begann seine Steine vom Brett zu klauben. „Und diesmal fängst Du an!“ „Wie Ihr wünscht.“ Der nächste Tag, 11 Uhr vormittags Der Herzog von Iweh sass neben seiner Schwiegertochter auf einer Chaiselongue, trank Tee und blätterte durch ihre alten Bilder und Zeichnungen. „Mir scheint, Ihr seid auf diesem Gebiet sehr begabt“, murmelte er. „Es geht so.“ Aya zuckte leicht mit den Schultern. „Mein Hauptinteresse liegt eher bei der Musik.“ „So?“ Takeo blickte auf. „Nun, ich finde Eure Bilder jedenfalls sehr schön.“ „Wirklich?“ Aya lächelte ein liebenswert wissendes Lächeln. „Irgendwie bezweifle ich, dass Ihr die Stilleben oder Landschaftsmalereien besonders fesselnd findet.“ „Nun... Hauptmann Osaru sagte mir gestern, Ihr hättet früher auch das ein oder andere Bild von Takeru angefertigt.“ „Ja?“ Unbegreiflicherweise röteten sich Ayas Wangen. „Äh... ja. Mein Zeichenlehrer liess mich oft meine Fähigkeiten in der Portrait-Malerei an ihm üben. Also... Die Portraits sind hier“, rettete sie sich aus der Bredouille und griff nach ihrer zweiten, noch volleren Zeichenmappe. „Allerdings...“ „Was?“, wollte Takeo wissen. „Die meisten dieser Bilder zeige ich nicht so oft.“ „Nicht so oft?“ „Eigentlich... nie.“ „Oh.“ Takeo legte leicht den Kopf schief. „Das ist schade.“ „Nein, nein!“ Aya knetete etwas verlegen die Hände. „Ich zeige sie Euch gerne. Es ist nur so, dass... Ziemlich viele dieser Portraits zeigen Takeru.“ „Ja?“ „Also... ziemlich viele. Die meisten.“ „Ist das ein Problem?“, fragte Takeo taktvoll. „Nein. Eigentlich nicht.“ Ein leises Lachen entfuhr Aya. Sie wusste selbst nicht, warum sie so befangen war. Es waren nur Bilder. Bilder die ihre damalige Verletzlichkeit allerdings mehr als deutlich zum Ausdruck brachten. „Den Großteil habe ich bisher noch nie jemandem gezeigt. Nicht einmal Takeru. Er kennt nur die offiziellen. Also, die, die mich mein Zeichenlehrer anfertigen liess.“ „Verstehe. Ihr habt ihn also wesentlich öfter zu Papier gebracht, als ihm bewusst ist.“ „Ja. Wesentlich öfter.“ „Aya...“ Eine warme, beruhigende Hand legte sich auf Ayas verknotete Finger. „Ihr brauchte Euch nicht dafür zu entschuldigen, Euch in meinen Sohn verliebt zu haben. Im Gegenteil. Es ist für mich und die Familie der Nezus eine unschätzbare Ehre.“ Sein Lächeln erinnerte Aya so sehr an ein anderes, dass sich der Herzog bevor er sich´s versah im wärmsten Strahlen sonnen konnte, das die Feuernation zu bieten hatte. „Himmel, wie jung er hier ist! Noch ganz ohne Narben.“ „Das war ungefähr einen Monat vor seiner Verletzung.“ „Hübscher Bursche.“ Ein wehmütiges Lächeln glitt über Takeos Züge. „Ich wette, die Mädchen... Äh, Verzeihung!“ „Ihr müsst Euch nicht entschuldigen!“ Aya lächelte. „Und Eure Wette gewinnt Ihr. Die Hofdamen waren alle ganz hingerissen. Ich habe nie verstanden, warum sich dass nach seiner Verwundung geändert hatte. Für mich...“ „Für Euch sah er noch genauso aus, nicht wahr?“, fragte Takeo leise. „Ja.“ Unbewusst strich Aya mit den Fingern zärtlich über die Kohlezeichnung. „Und mit jedem Jahr... Nun... er... er wurde nicht gerade hässlicher“, schloss sie schwach. „Ich bin sehr froh, dass er eine Frau gefunden hat, die ihn so sehr liebt, wie Ihr das tut.“ „Er war da, seit ich denken kann. Und auch wenn ich mir dessen früher nicht bewusst war, so hat er doch immer auf mich aufgepasst. Schon als Junge.“ „Ich habe davon gehört“, antwortete Takeo. „Er war wohl sehr mutig für sein Alter.“ Stolz auf seinen Sohn machte seine Stimme rau. „Er war mutig genug für jedes Alter!“ In stillem Einvernehmen sassen die Beiden auf dem Sofa und blätterten weiter in den alten Zeichnungen. „Das hier ist das Erste. Oh Agni, die Proportionen stimmen ja überhaupt nicht!“, lachte Aya beim Anblick des letzten Bildes in der Mappe. „Das war ein gutes halbes Jahr nach seiner Ernennung zum Kage. Oh, da fällt mir ein, es existieren irgendwo noch Zeichnungen von Takeru als kleinem Jungen. Seit der Gründung der Weberei lässt meine Mutter jedes Jahr ein Gruppenbild aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Weberei machen. Auf mindestens zweien davon ist auch Takeru zu sehen.“ „Wirklich?“, fragte Takeo begeistert. „Wisst Ihr, wo...“ Leider ging in ebendiesem Moment die Tür auf, um einen ahnungslosen Hauptmann Nezu einzulassen. Als er sah, wer in seinen eigenen vier Wänden beherbergt wurde, erstarrte Takeru. „Takeru.“ Rasch erhob Aya sich. „Ich habe Deinem Vater ein paar alte Bilder gezeigt. Möchtest Du nicht...?“ „Nein“, beschied ihr Gatte knapp. „Ich möchte nicht.“ Takeo runzelte die Stirn und erhob sich ebenfalls. „Hältst Du es für angebracht, mit Deiner Ehefrau in diesem Ton zu...“ Takeru richtete sich zu seiner vollen Größe auf und musterte den Herzog von oben bis unten. „Haltet IHR es für angebracht, mich zu erziehen?“, erkundigte er sich kühl. „Nein. Verzeih“, murmelte Takeo. „Es... ist wohl das beste, wenn ich jetzt gehe.“ „Ja. Das ist es wohl.“ „Takeru!“, rief Aya angesichts dieser eklatanten Unhöflichkeit ungläubig aus. „Entschuldigt!“, murmelte sie an den Herzog gewandt. „Ich werde die erwähnten Zeichnungen für Euch heraussuchen lassen und bringe sie Euch später vorbei. Zum Nachmittags-Tee?“ „Sehr gerne! Ich bin Euch wirklich sehr verbunden, Aya.“ Takeo nahm ihre Hand in seine und neigte das Haupt. Mit einem letzten Blick auf seinen Sohn verliess er schliesslich den Raum. „Möchtest Du mir erklären, was das sollte?“, erkundigte sich Takeru gefährlich leise, als sie allein waren. „Ich hatte Besuch“ Aya hob ihr Kinn. „Ah. Besuch.“ „Ja. Hast Du etwas dagegen?“ „Wenn dieser Besuch uneingeladen ist? Ja!“ „Ich hatte ihn hereingebeten.“ Takerus spürte, wie seine Kiefermuskeln noch mehr verkrampften. Ihm war klar, dass Aya einen Besuch seines Vaters kaum hatte ausschlagen können. Sie war viel zu gut erzogen, um so etwas zu tun. Allerdings schien ihre Haltung plötzlich unerwartet trotzig und alles deutete darauf hin, dass seine Frau auf eine Auseinandersetzung aus war. „War Dir klar, dass dies kaum in meinem Sinne sein kann?“, knirschte er. „Ja. Das war es. Aber wenn ich darauf Rücksicht nehmen müsste, was Dir momentan alles NICHT in den Kram passt, müsste ich vermutlich das Atmen einstellen!“ Wie bitte? „Wie bitte?“ Langsam wurde Takeru die Sache zu bunt. „Ich denke, Du hast mich verstanden!“, erwiderte Aya mit der hoheitlichen Macht einer über tausendjährigen Ahnenreihe im Rücken. „Du kannst Dich nicht einfach abkapseln, Dich nicht erklären und dann von mir stillschweigende Kooperation verlangen. Ich werde bestimmt nicht in aller Seelenruhe dabei zuzusehen, wie Du alles und jeden, der Dir beistehen will, vor den Kopf stößt.“ „Alles und jeden, oder Dich?“, presste Takeru durch zusammengebissene Zähne. „Im Augenblick findet nichts was ich tue oder sage Dein Gehör, geschweige denn Deinen Beifall. Ich könnte ebenso gut ganz den Mund halten. Was Dir vermutlich ohnehin lieber wäre. Schliesslich tendiere ich ja dazu Dinge - wie sagtest Du noch? - aufzubauschen.“ „Aya...“ Sein Tonfall war warnend. Sein Weib war allerdings nicht in Stimmung, darauf zu reagieren. „Oh...“, flötete sie. „Habe ich wieder zu viele Worte benutzt? Wie viele Sätze darf ich zu einem solchen Thema denn anbringen? Oder sollte ich am besten gleich das Denken sein lassen? „Aya, hör auf!“, knurrte er, kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren. „Aufhören? Nein! Ich will es wissen, Takeru! Sag mit wenigstens eines: ist es mir jetzt sogar verboten, in der Sache zwischen Dir und Deinem Vater eine neutrale Stellung zu beziehen?“ „Du solltest MEINE Stellung beziehen!“ Aya blinzelt. Hatte er sie eben... angebrüllt? Sie holte tief Luft. „Vielleicht würde ich das, wenn ich wüsste, was Deine Stellung zu dieser Sache ist.“ Ihre Stimme zitterte. „Aber Du sprichst ja nicht darüber! Du verschanzt Dich lieber hinter Deinen meterdicken Mauern! Ich versuche im Augenblick nur, Deinen Vater ein bisschen kennenzulernen. Das ist das Wenigste, was er verdient! Und da DU das offensichtlich nicht willst, muss ich es eben tun. Und glaub es, oder nicht, ich tue es für Dich!“ „Für mich? Danke, aber auf diese Art Hilfe kann ich verzichten!“ „Fein!“ Aya ballte die Fäuste. „Wie Du willst! Dann stehe ich ab jetzt eben auf Seiten Deiner Eltern, wenn Du das so sehen willst. Dein Vater ist wenigstens kein engstirniger, sturer, gefühlloser Dummkopf!“ „Gefühllos?“ Takeru lachte ungläubig. Wie oft in seinem Leben hatte er sich diesem Vorwurf schon ausgesetzt gesehen? Der nüchterne, prosaische Hauptmann Nezu. So kalt. So methodisch. Und so emotionslos. Und nun musste er ebendiese Anklage ausgerechnet von der Frau hören, die es von allen Menschen auf dieser Welt am besten wissen sollte. Er fühlte sich... allein. Im Stich gelassen. Und irgendwie verraten. „Ja? Gefühllos?“, stiess er aus. „So gefühllos wie damals, als ich mit fünf Jahren fremder Leute Taschen leeren musste? So gefühllos wie ich war, wenn ich mich von den anderen Kadetten als vaterlosen Schlammwühler beschimpfen lassen musste? Oder etwa so gefühllos wie an dem Tag, als ich erkennen musste, dass Du mich wegen meiner Narben nicht mehr ansehen wolltest?“, schrie er. Aya war blass geworden. „Das ist nicht wahr!“, flüsterte sie. „Du weisst, dass das nicht wahr ist! Ich hatte damals...“ „Es ist mir egal, welche Gründe Du hattest“, sagte er, jetzt wieder vollkommen beherrscht. „Ich kannte sie nicht! Das einzige, was ich damals wahrnahm war die Scham. Aber die muss ich mir wohl eingebildet haben, gefühllos wie ich bin!“ „Takeru...!“ Aya spürte einen Kloss im Hals. Damit einher ging die sofortige Bereitschaft einzulenken. Bis sie seine nächsten Worte hörte. „Wahrscheinlich wäret Ihr mit Masaru Shouta doch besser bedient, Prinzessin. Ich bin fast sicher, er wäre um ein vielfaches gefühlvoller als ich.“ „Was?“, hauchte Aya. „WAS?“ Sie starrte ihm in die Augen, um herauszufinden woher in Teufels Namen all dieser Groll kam und warum er sich mit einem Mal so vehement gegen sie zu richten schien. Takeru jedoch drehte sich nur auf dem Absatz um und liess eine perplexe, erschrockene und sehr aufgewühlte Ehefrau zurück. Yuna eilte durch die Gänge. Der Grund für ihre Eile? Sie war auf der Jagd. Als sie bei Takeos Rückkehr von seinem Besuch bei Aya eben reine Hoffnungslosigkeit in seinem Gesicht gesehen hatte, war der Faden ihrer mütterlichen Geduld gerissen. Genug war genug! Was fiel dem Jungen eigentlich ein, so kalt mit dem eigenen Vater umzuspringen? Etwas entfernt hörte eine bekannte Stimme. Aha! Hier steckte er also. Sie nahm einige tiefe, beruhigende Atemzüge und bog ums Eck. Da stand er und teilte in aller Seelenruhe einige vor ihm stehende Kanjios zur Wache ein. Yuna wartete, bis auch der letzte Palastwächter mit seinen Aufgaben betraut und auf seinen Posten geschickt worden war. Sie musste sich gar nicht erst bemerkbar machen. Ihr Sohn wusste natürlich längst, dass sie hier war. „Mutter?“ Mit dieser recht frostigen Frage auf den Lippen drehte Takeru sich um. „Takeru. Kann ich Dich sprechen?“ „Sicher.“ „Unter vier Augen?“ Er zeigte auf eine Tür zu seiner Rechten und bedeutete ihr, voran zu gehen. „Nun?“, fragte er, nachdem die Tür sich geschlossen hatte. Yuna holte ein weiteres Mal tief Luft. „Wie lange willst Du das hier noch durchziehen?“, fragte sie schliesslich betont ruhig. „Bitte?“ „Du weisst genau, wovon ich spreche!“, stiess sie aus. „Du bist borniert, unvernünftig und ungehobelt.“ „Ich war nie für mein höfisches Benehmen bekannt“, entgegnete Takeru kühl. „Ach nein? Ausser es handelt sich um die entsprechenden Leute, nicht wahr? Wie die Tatzus zum Beispiel?“ „Ich wüsste nicht, was die fürstliche Familie mit unserer gegenwärtigen Situation zu tun hätte.“ „Wirklich nicht? Was wäre, wenn Du immer noch nichts weiter wärest, als ein Kage?“ „Ich BIN nichts weiter, als ein Kage!“ „Wenn Du das glaubst, machst Du Dir selbst etwas vor, Takeru! Du bist jetzt Lord Zukos Schwiegersohn. Du hast, was Du immer wolltest. Eine Familie. Eine große Familie. Nicht nur mich oder Deine Großmutter.“ „Was...“ Takerus Hände ballten sich zu Fäusten. „Was wird das? Was willst Du mir vorwerfen? Mangelnde Loyalität Dir oder Mimschi gegenüber?“ „Loyalität? Zu seiner Familie ist man nicht nur loyal, Takeru. Man liebt sie!“ „Das tue ich!“, knirschte Takeru. „Ich liebe Dich und ich habe Großmutter geliebt.“ „Das weiss ich. Doch darum geht es gar nicht. Aber wenn Du inzwischen nicht in den Kreis der Tatzus aufgenommen wärest, würdest Du Deinen Vater sicher mit anderen Augen betrachten!“ „Wie bitte? Was hat mein Verhältnis zur Familie Seiner Lordschaft mit meinem Vater zu tun?“ „Nun, ganz offensichtlich brauchst Du jetzt plötzlich keinen Vater mehr!“ „Ganz offensichtlich“, zischte Takeru aufgebracht. „Wurden mir ein Haufen Lügen aufgetischt! Hast Du Dir schon mal überlegt, dass das mit ausschlaggebend sein könnte, mit was für Augen ich meinen Vater betrachte? Vielleicht hätte ich mich bereits beruhigt, wenn er kein gottverdammter Herzog wäre! Oder, wenn mich jemand über diese klitzekleine Tatsache irgendwann einmal aufgeklärt hätte!“ „Er kann nichts dafür!“, rief Yuna. „Weder dafür, ein Herzog zu sein, noch dafür, dass ich ihn für tot hielt, noch für die Dinge, die ich Dir über ihn verschwiegen habe!“ „Und soll ich Dir etwas verraten Mutter? ICH kann auch nichts dafür!“ „Ich weiss!“ Sie wich seinem Blick aus. „Ich weiss. Du kannst von Allen am wenigsten dafür. Es ist nur...“ Sie schloss die Augen. „Kannst Du nicht wenigstens ihm verzeihen? Wenn Du auf jemanden wütend sein willst, dann sei es auf mich! Du hattest Recht mit Deinen Vorwürfen mir gegenüber. Ich hätte es Dir sagen müssen. Ich hätte Dir sagen müssen, wer Dein Vater war. Aber ich hatte Angst, dass es Dich mir entfremdet. Dass Du mich dann noch weniger brauchen würdest. Und was wäre mir dann noch geblieben, Takeru? Was? Trotzdem hätte ich es Dir sagen müssen. Aber... er? Warum kannst Du ihm nicht vergeben, oder ihn wenigstens anhören? Für all das, was geschehen ist kann er nichts! Warum grollst Du ihm so sehr? Er will doch nur...“ „Ja, Mutter! Ja, ich grolle ihm! Mein Vater - der Vater, der nie da war - hatte einen guten Grund dafür. Den einzigen Grund, den ich verzeihen konnte. Er war TOT! Aber der Mann den Du so vehement verteidigst, ist nicht tot! Welche Entschuldigung hätte er also, uns im Stich gelassen zu haben? Welche Entschuldigung, Mutter?“ „Er wusste doch nicht, dass wir noch leben!“ „Dann hätte er es verdammt noch mal besser wissen müssen!“ „Verdammt, Takeru ...!“ „Dieser... Herzog ist nicht mein Vater. Mein Vater starb bei einem Aufstand im Grenzland zur Feuernation.“ „Du weigerst Dich tatsächlich immer noch, auch nur mit ihm zu sprechen?“, verlangte Yuna zu wissen. „Ich habe diesem Mann gegenüber keinerlei Verpflichtung.“ „Takeru!“ Sie griff nach seinem Ärmel. „Stellst Du mich wirklich vor diese Wahl?“ „Ich stelle Dich vor keine Wahl!“, widersprach er und entzog sich ihrem Griff. „Doch! Doch, das tust Du.“ Sie nahm einen zitternden Atemzug „Das erste Mal, als man mir meinen Ehemann genommen hat, war es sein Vater. Und jetzt? Jetzt ist es sein Sohn, der mir verweigert, endlich glücklich zu sein?“ „Ich verweigere Dir gar nichts. Wenn Du mit ihm gehen willst, dann nur zu.“ „So“, flüsterte Yuna rau. „Wie großzügig. Ich darf mit ihm gehen. Aber meinen Sohn, den soll ich dafür aufgeben?“ „Ich bin hier, Mutter. Wenn Du mich sehen möchtest ...“ „Was ich möchte, Takeru, ist meine Familie! Meine Familie! Verstehst Du das denn nicht?“ „Dieser Mann mag Deine Familie sein. Meine ist er nicht!“ „Wie kannst Du es wagen...“ Tränen sammelten sich Yunas Augen, teils vor Wut, teils vor Verzweiflung. „Wie KANNST Du? `Dieser Mann´, wie Du ihn so abschätzig nennst, hat Dich im Arm gehalten, als Du Deinen ersten Atemzug nahmst. Dieser Mann hat auf Dich gewartet, Dir entgegengefiebert, Dich gesegnet, bevor Du überhaupt da warst. DIESER Mann ist fast daran zerbrochen uns verloren zu haben. Dich verloren zu haben. Es hat ihm das Herz gebrochen, seinen Sohn zu verlieren. Und nun willst Du ihm diesen Sohn vorenthalten? Einem Mann, der nichts von dem, was Dir oder mir widerfahren ist, verschuldet hat? Er konnte nichts dafür, Takeru! Nichts! Er ist ebenso ein Opfer wie Du und wie ich. Er ist schon gestraft genug. Er durfte seinen Sohn nicht aufwachsen sehen. Wer bist Du, ihm jetzt Vorhaltungen zu machen? So hab ich Dich nicht erzogen!“ „Das liegt vielleicht daran, dass Du selbst mich kaum erzogen hast“, knurrte der in die Ecke getriebene Wolf unbeherrscht. „Was?“, hauchte Yuna und machte einen Schritt zurück. „Erzogen hat mich der Hunger“ Wie eine kalte, unbeteiligte Klinge schnitt Takerus Stimme durch die Luft. „Erzogen hat mich die Angst. Erzogen hat mich das beißende Ungeziefer unter meiner Bettdecke und der ranzige Gestank in meinem Haar. Erzogen haben mich die verächtlichen, mitleidigen Blicke der Menschen auf der Straße.“ Geschockt sah Yuna diesem Fremden ins Gesicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben, begriff sie, was die Leute meinten, wenn sie Hauptmann Nezu unbarmherzig nannten. All die Vorwürfe, die sie sich immer gemacht hatte ... Sie so deutlich aus einem anderen Mund zu hören tat weh. Unsäglich weh. Und doch erkannte sie nun zum ersten Mal die Haltlosigkeit dieser Anklagen. Zum ersten Mal gestand sie sich selbst zu, ihr Bestes versucht zu haben, um sich und ihren kleinen Sohn durchs Leben zu bringen. Immer! Manche Entscheidungen waren vielleicht falsch gewesen. Doch sie war jung gewesen. Entsetzlich jung. Entsetzlich verzweifelt. Und so entsetzlich allein. „Es tut ... mir leid, dass ich nicht da sein konnte, als Du mich am meisten gebraucht hast“, wisperte sie mit zitternder Stimme. „Es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, für Dich zu sorgen. Ich wollte es! Ich wollte es so sehr! Aber wir schaffen leider nicht immer, was wir wollen, nicht wahr?“ Sie blickte auf ihre abgearbeiteten, rauen Hände. „Aber ich habe Dich geliebt, Takeru. Jede Sekunde Deines Lebens. Doch so sehr ich Dich auch geliebt habe, jetzt stehst Du da und ... und ich kenne Dich nicht wieder! Die Dinge die Du sagt ... vielleicht sind sie wahr, wahrscheinlich war ich eine schlechte Mutter.“ „Das wollte ich damit nicht...“ „Wahrscheinlich habe ich damals alles falsch angepackt. Aber jetzt kann ich endlich etwas richtig machen. Vielleicht nicht mehr für Dich. Aber für mich. Und das tue ich! Du hast inzwischen Deine eigene Familie, Takeru. Bleib bei ihr. Halte sie fest. Freue Dich an Deinen künftigen Kindern. Das ist ein Privileg, das leider nicht jedem vergönnt ist.“ Sie hob eine Hand und legte sie an seine versehrte Wange. Die Narben unter ihren Fingern waren ein weiteres, stummes Mahnmal ihres Unvermögens ihn zu schützen. „Ich werde jetzt gehen“, sagte sie leise aber entschlossen. „Versuch auf Dich achtzugeben. Wie... wie Du das immer getan hast.“ Mit diesem Worten wandte sie sich zur Tür. „Mutter...“ Mit einem sanften Klicken fiel die Tür ins Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)