Blutige Herbstnächte von Colariola (Wenn eine Party zum Albtraum wird...) ================================================================================ Kapitel 5: Hopeless... ---------------------- Kapitel 5. Hopeless... Mit einem Ruck war die Decke am Boden und das Rätsel, was den roten Fleck verursacht hatte, wurde gelöst. Keuchende Geräusche waren zu hören. Auf dem Dessertwagen lag Sora. Tot. Ihre Kleider waren zerrissen, mit Gewalt geöffnet worden, als hätte sich ein wildes Tier auf sie gestürzt. Ihre leeren Augen starrten ausdrucklos an die Decke und ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet. Die Hände waren an die Seiten des Wagens gebunden, ihre Füße ebenso. Und da war Blut. Überall war Blut. Die freigelegte Brust war übersät mit tiefen Schnitten, aus denen die rote Flüssigkeit über den ganzen Körper und den Wagen lief. Sie schienen irgendein Muster zu ergeben, doch niemand konnte sich darauf konzentrieren. Alle starrten stumm auf den toten, roten Körper, der hilfeschreiend vor ihnen lag. „AHHHHHHH!!!!!“ Mimi schrie. Sie schrie mit aller Kraft, lauter als jemals in ihrem Leben, bis ihre Lungen sämtliche Luft aufgebraucht hatten. Was sie sah, ließ sie immer weiter schreien, ließ sie nicht verstummen, zu schrecklich war das Bild. Sora war über und über mit Blut überströmt. Mimis Unterbewusstsein wollte sie dazu veranlassen, die Augen zu schließen, aber sie ließ es nicht zu. Das war Sora! Sora, die hier vor ihr lag, Sora, die gefesselt war, Sora, die blutete und blutete! Sie keuchte auf, dann stürzte sie auf den Dessertwagen zu. „SORA!“ schrie sie auf und hatte sie an ihren Schultern gefasst. Sofort begann sie sie heftig durchzuschütteln. Kraftlos wackelte der Kopf der Rothaarigen leicht hin und her, symmetrisch zu den Schüttelbewegungen Mimis und das Geräusch von schabenden Haaren auf Plastik hallte durch den Raum. „Sora! Sora bitte! Sag was, Sora!“ Aber es kam keine Antwort. Stattdessen starrten Soras glasige Augen weiterhin ausdruckslos an die Decke, durch ihre Cousine und alles Andere hindurch. Mimis Herz schnürte sich bei diesem Anblick schmerzhaft zusammen, als würde jemand einen glühend heißen Draht um es zurren und zerquetschen wollen. Nicht nur ihr Herz schien vor Schmerz zu schreien, auch ihre Lungen rebellierten. Es fühlte sich an, als würde ihr jemand sämtlichen Sauerstoff entziehen und sie hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Soras Augen waren leer… leer und ausdruckslos, wie das Gesicht einer Puppe. Die hellbraune Iris wirkte dumpf und kalt, als würde das Licht und Leben, das diese Augen einst erfüllten, auf einmal fehlen. Wie eine Flamme, die man ausgepustet hatte und nun war sie erloschen…leblos… Nein, das konnte nicht sein! Das durfte nicht!!! Panisch begann sie ihre Cousine noch stärker zu schütteln und brüllte sich die Seele aus dem Leib. „Sora! Sora! Tut doch was!“ Sie hob ihren Blick von ihrer blassen Cousine und starrte entsetzt in die Runde. Sora brauchte Hilfe! Jemand musste ihr doch helfen! Aber Mimis verzweifelter Blick schien von den Anderen nur zurückgeworfen zu werden. Wie versteinert standen die Anwesenden um den Dessertwagen und betrachteten stumm das sich darbietende, grauenhafte Schauspiel. Niemand schien fähig zu sein zu reagieren oder überhaupt etwas wahrzunehmen…alles spielte sich in Zeitlupe ab und fühlte sich so surreal an…so unwirklich… „Ruft einen Krankenwagen!“ rief Mimi verzweifelt, aber niemand rührte sich. Wieso nicht? Wieso tat den niemand etwas?! Sora blutete, sie war verletzt, sie brauchte einen Arzt! Wieso in Gottes Namen tat denn niemand was?! „Sie braucht Hilfe! Ruf einen Krankenwagen, sofort!“ schrie Mimi, konnte sich dabei nicht mehr richtig aufrecht halten und sank etwas in die Knie. Ihr Blick war an Joey hängen geblieben, der ihn ausdruckslos erwiderte. Er half ihr nicht. Niemand half ihr, niemand half Sora. Sie würde…Sora würde…eine Panikwelle durchbrach Mimis Gedanken und flutete ihre Blutbahnen, veranlasste sie sich wieder aufrichten und erneut nach einem Krankenwagen schreien. Diesmal sprach sie Joey direkt an. „Bitte, sie braucht einen Arzt, hilf ihr! Das Telefon!“ Sekunden später reagierte Joey endlich, erwachte aus seiner Starre, blinzelte geschockt und verwirrt, schien mit jeder Sekunde blasser zu werden, aber er kam wieder zu sich. Sofort drehte er sich um und raste aus dem Saal. Die Zeit, die wie angehalten erschienen war, begann mit dieser Veränderung wieder zu laufen. Kari, auf der anderen Seite des Wagens, hatte sich die Hände vor den Mund geschlagen und begann stark zu zittern. Yolei, ebenfalls auf der anderen Seite, gab Laute von sich, die sich nach leichtem Hyperventilieren anhörten und TK schien mit jeder Sekunde bleicher und bleicher zu werden. Keinem von ihnen war es möglich den Blick von Sora zu nehmen, obwohl sich alle in diesem Moment nichts sehnlicher wünschten. „Bitte Sora, bitte!“ Mimi hatte unterdessen zu weinen angefangen und schluchzte immer wieder auf. Sie hatte von den Schultern des rothaarigen Mädchens abgelassen und hielt nun ihr Gesicht in ihren Händen. Ihre leeren Augen schienen weiterhin direkt durch sie hindurch zu sehen und der Mund sah immer noch so aus, als wäre er zu einem stummen Schrei geöffnet. Mimi bebte, schluchzte und brüllte immer wieder auf ihre Cousine ein, aber es änderte sich nichts. All das konnte Izzy sehen. Er erkannte Soras Gesicht zur Hälfte, das schreckliche Bild dieser leeren Augen, das Rot, das den ganzen Körper umgab und wie ein Signalfeuer blendete…aber er fühlte nichts. Es war, als würde er das alles nicht selber erleben, als wäre er ein Beobachter, jemand, der hinter einer Scheibe saß und das Schauspiel aus zweiter Hand sah. Nicht hier, als teilnehmende Person, nicht jetzt, zu dieser Zeit..obwohl alle anderen den Schreck überwunden hatten, sich wieder bewegten und versuchten irgendwie auf das Geschehene zu reagieren, war er immer noch wie erstarrt…er war an einem ganz anderen Ort… „Sie atmet nicht!“ schluchzte Mimi auf einmal auf. Sie sah sich erneut hilfesuchend in der Runde um, aber wieder traf sie nur auf fassungslose Blicke. Die Panik schnürte sich erneut um ihr Herz und ihr Blick wanderte gehetzt zurück zu ihrer starren Cousine. Kurz schien sie zu zögern, dann bückte sie sich und presste ihre Lippen auf die kalten Soras. Sekunden später wandte sie sich von Soras Gesicht ab, sog gierig die frische Luft ein und begann ihre Hände rhythmisch auf ihren Brustkorb zu drücken. Es ertönte ein widerliches Knackgeräusch, das durch Markt und Bein ging und einem die Nackenhaare aufstellte und man spürte, wie sich einem leicht der Magen umdrehte. Danach war nur Mimis Keuchen zu hören, dass mit jeder Kompresse auf dem Herzen ihrer Cousine lauter wurde. Izzys Blick huschte zu Kari, die sich nun umgedreht hatte und mit dem Kopf vorneüber hing. Er sah, wie eine leichte Schauerbewegung durch ihren Körper fegte und konnte beobachten, wie es das Mädchen einige Male lüpfte. Als würde sie sich gleich erbrechen… Sein Blick huschte zurück zu Mimi, denn aus den Augenwinkeln hatte er eine Veränderung in diesem Bild bemerkt. Wieder hatte sie sich auf Soras Gesicht gestürzt und versuchte verzweifelt erneut etwas Luft in die leeren Lungen zu blasen. Die Lungen schienen sich nicht zu füllen, die Brust blieb flach und mit jedem Atemzug, dem Mimi mit größter Anstrengung versuchte in den Körper Soras zu pressen, spritzte etwas Blut aus den Wunden. Je stärker Mimi blies, desto mehr Blut trat aus, bedeckten Mimis Hände und färbten das Tischtuch noch dunkler. Es war ein Anblick, der unter normalen Umständen Izzy fast zum Würgen gebracht hätte. Tai und Yamato waren in Izzys Blickfeld erschienen. Er wusste, dass sie bis vor kurzem noch neben ihm gestanden hatten, aber nun waren sie beide neben die schluchzende Mimi getreten, die wieder in wilder Verzweiflung ihre Hände auf Soras Brust presste. Tai hob zaghaft seine Hand und legte sie sachte auf Mimis Schulter. Auch sein Gesicht war blasser als normalerweise und seine Augen hatten einen Ausdruck, den Izzy noch nie gesehen hatte… „Mimi…“ flüsterte er, aber sie reagierte bloß mit einem Aufheulen. Ohne Pause presste sie Soras Herz mit all ihrer Kraft zusammen und versuchte es verzweifelt wieder zum Schlagen zu bringen…Das Rot um ihre Kleider schien diesen Versuch zu verhöhnen…wie sollte es auch wieder schlagen, wenn da nichts war, dass es pumpen konnte? Yamato hatte unterdessen nach Soras Hand gegriffen und machte ein finsteres Gesicht. Und Izzy…er spürte immer noch nichts. Wie versteinert war sein Körper und seine Gedanken. Irgendetwas in seinem Innern begann zu schreien, begann zu toben und schien ihn zu etwas veranlassen zu wollen… aber er war nicht fähig diese Reize umzusetzen. Er war zu gar nichts fähig… „Das Telefon funktioniert nicht!“ Joey war wieder in den Saal gestürmt. Er keuchte angestrengt und blickte sich wie ein gejagtes Tier in der Runde um. „Es funktioniert nicht, keines! Die Leitung ist tot!“ presste er mühsam hervor. Er hatte sich auf seine Knie abgestützt und rang um Atem. Nun war es Yamato, der in Aktion trat. Er hatte in Sekundenschnelle etwas auf seine Hand getippt und hielt sich anschließend etwas Schwarzes ans Ohr. Izzy fragte sich kurz, wo das Handy herkam, bis er realisierte, dass Yamato es wohl schon die ganze Zeit in der Hand gehalten haben musste. Auch Tai hielt sich nun etwas ans Ohr und presste hoffend seine Lippen aufeinander. „Kein Netz… immer noch nicht…“ Der Blonde hatte das Mobiltelefon als Erster wieder sinken lassen und sah fragend zu Tai herüber, der kurze Zeit später ebenfalls den Kopf schüttelte, aber sofort damit begann die Nummer erneut einzutippen. Izzys Blick wanderte weiter. TK hatte sich unterdessen neben die immer noch würgende Kari gestellt und streichelte abwesend mit einer Hand über ihren Rücken. Auch er hielt sich mit der anderen Hand etwas ans Ohr und starrte leichenblass auf seine Füße. Dasselbe galt für den schwarzhaarigen Jungen, der allerdings mit eiskaltem Blick Sora fixierte, aber auch er ließ sein Handy wieder sinken. „Wir müssen sie in ein Krankenhaus bringen!“ TK hatte seinen Blick vom Boden gelöst und sah zielstrebig in die Runde. In seinen Augen blitzte unbändige Entschlossenheit auf, die so gar nicht zu seinem blassen Gesicht passte. Die Hand, mit der er sein Handy festhielt, verkrampfte sich um selbiges regelrecht und auch die andere, die unterdessen auf Karis Schulter ruhte, schien diese fester zu packen. „Das wird nicht mehr nötig sein…“ ertönte eine feste Stimme. Alle Blicke wandten sich zu dem schwarzhaarigen Jungen, der diesen Kommentar von sich gegeben hatte. Er hatte die Arme ineinander verschränkt und hatte seinen Blick weiterhin nicht von Sora gelöst. „Was soll das heißen?! Wir müssen alles tun…“ aber TK würde in seiner Wut jäh unterbrochen. „Nein, er hat recht… sie hat keinen Puls… das Herz schlägt nicht.“ Yamato hatte Soras Handgelenk in seine Hand genommen und die Sätze mehr zu sich selber geflüstert, als zu irgendjemand anderem, trotzdem hatte jeder sie klar verstanden. Niemand antwortete ihm. Jeder wusste in seinem tiefen Inneren, dass es zu spät war, aber niemand wagte es auszusprechen. Izzy sah, wie Mimi immer weiter ihre Wiederbelebungsversuche unternahm, er sah, wie Tai das Handy auch langsam senkte und mit versteinerter Miene auf den Boden starrte, sah, wie Yolei aus dem Saal rannte und sah, wie Yamato langsam damit begann Mimis Hände von Soras Körper zu lösen. Aber er konnte immer noch nicht reagieren. Das alles…kam ihm so bekannt vor…so schrecklich bekannt „Nein!“ Mimi schrie auf, schlug Yamatos Hände weg und versuchte weiter eine Herzmassage bei ihrer Cousine. „Nein nein, wir dürfen nicht aufgeben! Wir müssen alles tun! “ Neue Tränen schüttelten sie und sie peitschte wie wild gegen jede Berührung eines anderen Menschen. Auch Tais Hand, die die ganze Zeit auf ihrer Schulter geruht hatte, wurde energisch weggeschlagen. „Sie…sie darf nicht…“ Ihre Tränen schnitten dem brünetten Mädchen die Stimme ab und wieder drangen laute Schluchzer aus ihrer Kehle. Es war ein Anblick, dem einem eine Gänsehaut über den Rücken jagte und Einige wieder beschämt den Blick abwenden ließ. Tai schluckte hart, bevor er Mimi erneut an der Schulter fasste und einen stummen Blick mit Yamato tauschte. Er tat es Tai gleich und legte ebenfalls eine Hand auf Mimis andere Schulter. Mit sanfter Gewalt begannen sie damit das zitternde Mädchen vom Dessertwagen wegzudrücken, was Mimi aber nicht widerstandslos hinnahm und so schrie sie laut um sich. Immer wieder wehrte sich die Brünette mit aller Kraft und begann die beiden Männer von sich zu stoßen, bis Yama beide Arme um den zitternden Körper schlang und Mimi nun fast schon grob mit sich zog. Weg von dem Blutbad, dem toten Körper, der schrecklichen Szene, von der sich Izzy immer noch nicht abwenden konnte, aus der er immer noch nicht erwachte. Der schreckliche Traum, der sich wiederholte, wollte nicht enden… … die Farben verschwammen, die Geräusche änderten sich. Der Boden unter seinen Füßen begann wie verrückt zu vibrieren und schüttelte seinen ganzen Körper durch. Was war hier los? Er versuchte eine Hand auszustrecken, die Augen zu öffnen und etwas zu sehen, aber die Angst lähmte ihn. Die unglaubliche Angst, die in Sekundentempo seine Adern hochkroch und ihm fast den Atem raubte. Wo war er? Was passierte hier? Er war nicht mehr im Ballsaal, das wusste er. Die Geräusche waren anders, die Temperatur, der Geruch. Der Boden schüttelte immer stärker, schleuderte ihn umher und auf einmal spürte er einen unglaublichen Schmerz. Aber es hörte nicht auf, immer weiter wurde er durchgeschüttelt während ihm der Schmerz und die Panik fast die Luft raubten. Auf einmal wurde es noch schlimmer, er spürte, wie ihn jemand an seinem Oberkörper nach oben riss, während sein Unterkörper mit aller Kraft nach unten gezogen wurde. Ein Schneiden, das sich quer über seine Brust zog und ein weiterer Gegenstand, der seinen Kopf traf…dann war es vorbei… „Koshiro!“ Es hatte aufgehört… und er hatte seine Augen öffnen können… aber da war nur dieses Rot…überall war rote Farbe. Sie war so intensiv…es war, als würde er in diesem Rot ertrinken… „Koshiro!!!“ Eine Frauenstimme…Wärme…süsslicher Geruch…ein Donnergrollen… „Izzy!“ keuchend wich Izzy zurück und unterdrückte einen Aufschrei. Wie in Trance fasste er sich an seine Brust und begann heftig zu Atmen. Was war passiert? Er spürte, wie sein Kopf und seine Brust leicht schmerzten, aber es schien mit jedem Atemzug weniger zu werden. Die Wärme war verschwunden, der süßliche Geruch ebenso, stattdessen spürte er Kälte über sich einbrechen. Verwirrt begann er zu blinzeln… kein Rot mehr, in dem er dachte zu ertrinken… stattdessen blickte er in tiefes Braun. Vertrautes Braun. Braun, dass ihn besorgt anstarrte? Izzy blinzelte einige weitere Male, bis er den leichten Druck auf seiner Schulter zu spüren begann. „Ist alles OK, Izzy?“ Tais Stimme…sie klang genauso besorgt wie die Iris, als welche Izzy das Braun erkannte, die ihn ansah. Er identifizierte den Druck auf seiner Schulter als Tais warme Hand, die ihn fest umklammerte und in diesem Moment unglaublichen Halt gab. Erst jetzt spürte er, dass seine Knie zitterten. Ganz langsam begann sich sein Atem wieder zu beruhigen. „Tai…was ist denn passiert?“ Der besorgte Gesichtsausdruck wandelte sich in einen leidenden um und Izzy viel auf, wie blass sein Freund aussah. Die gesunde Gesichtsfarbe seines Freundes, die Beweis seiner Liebe zur Natur war, hatte einen ungesunden, weißen Touch. Gequält blickte Tai auf den Boden und schien nicht zu wissen, wie er antworten sollte. „Du sahst so seltsam aus und hast nicht reagiert…“ murmelte er und blickte seinem Freund für kurze Zeit wieder in die Augen. Danach wanderte der Blick wieder auf den Boden. Izzy hatte nicht reagiert? Worauf denn? Er schüttelte verwirrt den Kopf. Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war diese Rote Farbe…die Schmerzen…diese Stimme…wo war er hier? Tai schien zu merken, dass sein Freund immer noch verwirrt war. „Und davor Sora…sie…“ stotterte er, nicht wissend, wie er es aussprechen sollte. Diese Worte reichten jedoch, um Izzy wieder in Erinnerung zu rufen, was geschehen war. Sora… die Wunden…Mimi…das Blut… Er schluckte hart und wandte seinen Kopf dem Dessertwagen zu, der nun wieder von dem weißen Tuch überdeckt wurde. Er konnte Soras Körperformen durch dieses erkennen und sah den roten Fleck, den Mimi schon von Anfang an bemerkt hatte. Die Erinnerung an Soras tote Augen brannte sich wieder in sein Gedächtnis und er musste den Blick abwenden. Er spürte, wie sein Magen rebellierte und ein ätzender Geschmack sich in seinem Mund ausbreitete. Es war das erste Mal das er ein kleines bisschen zu realisieren schien, was wirklich geschehen war. Zumindest einen Teil. Was zuvor mit ihm passiert war, dieses Vibrieren, diese Schmerzen…das wusste er nicht…was genau hatte das zu bedeuten? „Was habe ich…“ flüsterte Izzy, in der Hoffnung aufgeklärt zu werden, wurde von Tai aber unterbrochen. „Du hast dich nicht mehr bewegt. Ich dachte, du…“ aber weiter sprach Tai nicht. Er wollte Izzy nicht aufbinden, dass er dachte, er hätte aufgehört zu atmen. Er hatte ausgesehen, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Noch nie hatte er bei Izzy so einen Gesichtsausdruck gesehen… „Mimi!“ Sprach er auf einmal laut aus und riss seinen Freund so aus seinen Gedanken. „Yamato hat sie rausgetragen“, antwortete Tai leise. Sein Blick wirkte immer noch besorgt und die Hand auf seiner Schulter war weiterhin vorhanden. Ein Nicken Izzys zeigte ihm, dass er verstanden hatte. Mimi war also nicht mehr hier. Ja, das war so auch wirklich besser…beinahe schmerzlich sah er die verzweifelten Versuche Mimis um ihrer Cousine das Leben zu retten. Ihre Rufe, das verweinte, verzweifelte Gesicht… es war eine Erinnerung, die ihn dazu brachte hart schlucken zu müssen. Was musste es für ein Alptraum sein einen geliebten Menschen so vorzufinden. Er hatte Sora nicht gut gekannt und er merkte schon, wie dieses Ereignis an seinen Nerven zerrte. Dieses schreckliche Bild…die arme Mimi. Was war hier nur passiert…? Und was sollte jetzt geschehen? Wie reagierte man auf so was? Er sah sich fragend in der Runde um. Mimi und Yamato fehlten, Yolei war auch nicht da und er konnte sich vage erinnern, sie aus dem Raum rennen gesehen zu haben. Die anderen Anwesenden standen immer noch an ihren Plätzen, schienen aber nicht miteinander gesprochen zu haben. Scheinbar saß der Schock immer noch tief. Izzy war ratlos. Er wusste, dass es etwas Wichtiges gab, das sie jetzt unternehmen mussten, etwas sehr Wichtiges. Er konnte hören, wie ihn sein Unterbewusstsein beinahe anbrüllte, dieses Etwas zu tun, aber was war es denn nur? Aus irgendeinem Grund spürte er wieder Panik in sich aufsteigen. Er musste herausfinden, was das war, das er vergaß! Er musste! Als der andere brünette, junge Mann aufsprang, wurde das Rätsel gelüftet. „Wieso…“ flüsterte er erst und verschaffte sich so die Aufmerksamkeit der Anderen. „Wieso zum Teufel ruft denn niemand die Polizei?!“ brüllte er und sah wütend in die ihm zugewandten Gesichter und in Izzys Kopf machte es Klick. Ja, das war es, was sie unbedingt tun mussten. „Das habe…das habe ich versucht…“ antwortete ihm Joey und spielte dabei nervös mit seinen Fingern. Unsicher sah er dem Brünetten in die Augen. „Was heißt hier „versucht“?“, fragte er spöttisch und baute sich bedrohlich vor Joey auf. „Die Leitung ist tot, ich wollte den Krankenwagen rufen, aber als das nicht klappte, dachte ich, vielleicht bei der Polizei…“ stotterte er hilflos. „Was heißt, die Leitung ist tot?!“ brüllte er und packte Joey an dessen Kragen. „Hier ist jemand gestorben, nein, brutal aufgeschlitzt worden! Ich verlange, dass du die Polizei rufst!“ schrie er den verängstigten Joey an, der sich nicht zu helfen wusste und ungeschickt versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. „Ich weiß nicht wieso…“ murmelte dieser ängstlich, fasst nach Davis Händen und begann zu zappeln. „Beruhige dich, Daisuke“ erklang auf einmal die ruhige Stimme des Schwarzhaarigen. Er hatte ebenfalls einige Schritte auf Joey zugemacht und verschränkte schon fast gelassen die Arme ineinander. Trotzdem strahlte dieser Mann etwas Bedrohliches aus… er wirkte, als wäre er unberechenbar. Sein Blick galt nun wieder Joey. „Du wirst es nochmals versuchen“, teilte er ihm in einem Tonfall mit, der keinen Wiederspruch zuließ. Davis starrte Joey noch einige Sekunden mit einem tödlichen Blick in den Boden, bevor er ihn unsanft losließ und drohend die Arme verschränkte. Er und Ken sahen wie eine geschlossene Front aus, die den Kellner still bedrohte. In Joey kroch eine gewisse Angst hoch. Er fasste sich instinktiv an die Kehle, keuchte ein bisschen und eilte, einen letzten ängstlichen Blick auf die beiden Männer werfend, aus dem Saal. Nun hatte Ken wieder sein Handy hervorgezogen und schaute misstrauisch auf den Bildschirm. Sein sich verfinsternder Blick ließ darauf schließen, dass er immer noch kein Netz bekam. Trotzdem wurde probeweise eine Nummer eingetippt und das Handy ans Ohr gehalten. Zur gleichen Zeit hatte sich TK, Kari halb stützend, halb tragend, in Bewegung gesetzt und steuerte ebenfalls die Tür an. „Wo willst du hin?“ fragte der Schwarzhaarige in seinem eisigen Tonfall, während er das Handy wieder sinken ließ. Auch Tai hatte Izzys Schulter nun losgelassen und verfolgte die Szene angespannt. „Raus“, war TKs einzige Antwort, ohne seinen Blick von der Tür zu wenden. „Oh nein, niemand verlässt dieses Zimmer!“ das war nun wieder Daisuke, der seine Stimme erhoben hatte. TK beachtete ihn gar nicht, sondern steuerte weiterhin mit Kari den Ausgang an. „Hast du nicht gehört? Bleib gefälligst hier!“ kreischte ihm der Braunhaarige hinterher. „Hier ist jemand gestorben und niemand wird diesen Raum verlassen, bis wir nicht ganz genau wissen, was hier passiert ist!“ „Ich glaube, er hat recht…“ verwundert blicke Izzy zu Tai, der nachdenklich auf den Dessertwagen starrte. Da TK immer noch keine Anstalten machte auf die Forderung der beiden einzugehen, setzte sich nun Daisuke in Bewegung, todernst und mit einer Ausstrahlung, die Izzy fast schon Angst machte. „Bist du schwer von Begriff?! Hast du was an den Ohren?! Niemand verschwindet hier!“ Er hatte TK fast eingeholt, als dieser sich plötzlich mit vor Wut sprühenden Augen umdrehte. „Zu deiner Information, es haben schon einige das Zimmer verlassen! Und ich werde keine Sekunde länger mehr hier bleiben!“ Sein wütender Blick hatte sich in einen besorgten umgewandelt, als er auf Kari niederblickte. Das Küchenmädchen sah allerdings nicht gut aus. Sie war immer noch kreidebleich und hatte seit der Enthüllung des Dessertwagend keinen Ton mehr von sich gegeben. Ihr Blick war geschockt und abwesend und Izzy war sich nicht einmal sicher ob Kari überhaupt noch hier war…oder war sie auch wo anders…so wie er, vor wenigen Minuten… „Oh doch, das wirst du!“ Davis hatte sich nun auf TK gestürzt und packte diesen an dessen Kragen. „Hört auf!“ „Hör auf, Daisuke!“ schrie Tai. Er und der Schwarzhaarige waren Gleichzeitig auf die Dreiergruppe zugestürmt, beide packten einen von Davis Armen und versuchten ihn von TK loszubekommen. „Nimm deine Finger von mir!“ „Wag es ja nicht hier abzuhauen!“ „Ich sagte, lass mich los!“ „Lass ihn los, Davis!“ TK und Davis prügelten sich fast, Davis durch die beiden anderen Männer behindert und TK, der immer noch Kari versuchte zu stützen, die bedrohlich zu wanken schien. Izzy wusste nicht, was er tun sollte. Sollte er sich auch noch ins Getümmel stürzen? Überfordert begann er damit, auf seiner Unterlippe herumzubeißen und huschte mit seinem Blick zwischen den Männern hin und her. Als er Kari wieder ansah, in ihr weißes Gesicht, ihre wesenlosen Augen, wusste er auf einmal, wem er helfen würde. „Nimm verdammt noch mal deine Hände von mir!!“ brüllte TK nun regelrecht und versuchte Davis in den Bauch zu boxen, was aber damit endete, dass er Tais Rippen traf. Das überraschte Aufkeuchen und die Lockerung um Davis Arm verschafften diesem einen Überraschungsmoment, den er auch sofort nutzte um TK gegen die nächste Wand zu schmettern. Kari, die mitgerissen worden war, verlor beinahe das Gleichgewicht und konnte nur durch Izzys schnelle Reflexe aufgefangen werden, der in dieser Sekunde bei den dreien angekommen war. „Du elender Spinner!“ keifte TK und versuchte nach Davis zu treten während dieser nur fester zudrückte. „Schluss jetzt! Hört auf mit dem Scheiß!“ brüllte nun der Schwarzhaarige wieder dazwischen und versuchte Davis vor dem um sich tretenden TK weg zu zerren. „Aber sie muss hier raus!“, rief TK und klang nun schon fast verzweifelt. „Kari, sie muss hier weg, sie… “ „Kari?!“ brüllte Davis dazwischen und ließ TK nun endlich etwas los, was aber auch der Verdienst des anderen Jungen sein konnte. Tai hatte sich unterdessen wieder von TKs Schlag erholt und half Izzy das Mädchen zu stützen, das einfach nur mit leeren Augen auf den Teppich starrte. Er musterte sie unsicher. „Kari?“. Keine Reaktion. Darauf schien Tai einen Entschluss zu fassen. Als er zu TK blickte, der sich nun endgültig aus Davis Griff hatte lösen können, nickt er ihm zu. „Bringen wir sie raus.“ „WAS?!“ rief Davis wieder. Er hatte bereits wieder begonnen sich gegen den Griff des Schwarzhaarigen zu wehren. Fester zurrte Ken seine Arme um den Körper des anderen. „Nur über meine Leiche! Das Mädchen da ist tot! Niemand wir diesen Raum verlassen bis ich nicht weiß, was verdammt noch mal hier passiert ist!“ schrie er schon beinahe hysterisch und warf Tai einen todernsten Blick zu. „Vielleicht war es ein Unfall?“ warf Izzy fast flüsternd ein, obwohl er sich sehr wohl bewusst war, wie unrealistisch dieser Vorschlag klang. „Ein Unfall?!“ brüllte Davis außer sich vor Wut „Sie hat sich also ausversehen an den Wagen gefesselt und ihre Organe in Stückchen geschnitten?!“ Izzy antwortete nicht und kämpfte gegen das Ekelgefühl an, das anhand dieser Worte wieder in ihm aufstieg. Für kurze Zeit trat Ruhe in der Runde ein, in der man nur angestrengtes Schnauben hörte. „Nein…“ keuchte Davis und rang nach Luft „…wir warten auf die Polizei…solange wird sich niemand vom Fleck bewegen.“ „Ich fürchte, dann wird die Polizei hier niemals eintreffen“, flüsterte auf einmal eine leise Stimme, die von der Tür des Zimmers her kam. Alle Blicke richteten sich sofort auf besagte Stelle und entdeckten einen verängstigten Joey, der mit blassem Gesicht in die Runde sah. „Was?! Wieso?!“ Davis stimme hatte sich wieder bedrohlich gehoben und die etwas gelassener Körperhaltung, die er bis vorhin noch hatte, änderte sich sofort wieder in eine angriffslustige Position. „Die Telefonleitung ist immer noch tot…“ stotterte Joey. „Na dann bring das gefälligst in Ordnung!“ wurde zurück geschrien, so dass Joey verängstigt einen Schritt rückwärts machte. „Aber das wird nicht möglich sein…“ antwortete er und sah panisch zwischen den verwirrten Gesichtern hin und her. „Die Leitung wurde durchgeschnitten…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)