Ai shite iru von HiYasha (Eine Reise, die ihr Leben veränderte) ================================================================================ Kapitel 37: Ertappt ------------------- Ertappt Er war eingenickt. Vorsichtig streckte er die langen Beine, durch die ein Ameisenkribbeln drang, und versuchte, sie wieder zu bewegen. Sie musste aufgewacht sein, er hatte gehört, wie sie ihn gerufen hatte. Aber als er mit einem Ruck den Kopf hoch nahm und zu ihrem Bett hinüber schaute, war sie schon wieder eingeschlafen. Wie ein Engel lag sie in dem weißen Bett, die goldenen, kurzen Locken lagen verstreut auf dem blendend weißen Kopfkissen. Er stand auf und schritt zu ihr hinüber. Die Hand auf der Stirn registrierte immer noch deutlich zu viel Temperatur, aber das gefährlich hohe Fieber war verflogen. Er fühlte sich verantwortlich für sie, und auch wenn es ihr schon längst wieder besser ging, so kam er immer wieder vorbei, um nach ihr zu sehen. Sie hatte lange im Fieber gelegen, und wenn er sie nicht her gebracht hätte, wäre sie wohl gestorben… das malte er sich zumindest aus. Auch wenn es vielleicht reichlich übertrieben war… sie hatte doch nur eine Grippe gehabt. Aber er wollte ihr einfach nicht mehr von der Seite weichen. Was dort in der Waldhütte genau passiert war, hatte er niemanden erzählt. Denn auch wenn er wirklich nicht prüde war, so wollte er nicht, dass intime Details die Runde machten. Es war ihm ja selbst peinlich, wie weit er gegangen war. Es hatte sie verbunden, zusammen geschweißt. Das bildete er sich zumindest ein. Auch wenn er sich manchmal schalt, dass es nur ein heißes Zusammentreffen mit einer Kranken gehabt hatte, die ihm Fieberwahn über ihn hergefallen war. Es war ihm noch peinlicher, dass er bei der Erinnerung an dieses Zusammentreffen auch noch feuerrot anlief. ‚Meine Güte, jetzt reiß´ dich mal zusammen!‘ Er schalt sich selbst, wie gefühlsduselig er geworden war. Er, der taffe Kerl, der einsame Wolf, der mutterseelenallein wochenlang durch die Wälder streifte. Er hatte schon geile Freundinnen gehabt… aber so scharf hatte ihn noch keine angemacht. Vielleicht hatte sie ja gar nicht ihn gemeint, als sie ihn verführt hatte. Er blickte auf ihre Züge, sie wirkte so rein und unbescholten. Sie war so krank gewesen, und nach all den Wochen allein im Wald in dieser Hütte, die so abgelegen und einsam lag, da hätte sie bestimmt jeden umarmt, der herein gekommen wäre… aber sie hatte immer wieder seinen Namen genannt. Woher kannte sie den nur? Es war ihm ein absolutes Rätsel, schon beinahe unheimlich. Es war doch nur ein Spitzname, den sie ihm gegeben hatten, weil sein eigentlicher Name so altmodisch klang. Wie konnte sie ihn wissen? Es war unmöglich! Noch dazu, wo sie nicht mal aus diesem Land kam. Er grübelte und ärgerte sich gleichzeitig. Es durfte doch nicht wahr sein, dass er über so esoterischen Kram nachdachte und hier das Schicksal zu spüren meinte, das ihm diese Frau in sein Leben geweht hatte. Es war doch nur eine heiße Nummer mit einer kranken Irren - das hatte er versuchte sich einzureden, war aber sofort zurück geschreckt. Nein! Sie war keine Irre. Nicht dieser süße Engel! Nicht seine Waldnymphe. Sie war sein Schicksal. So einfach war das. Und er würde sich nicht mehr dagegen wehren. Er hatte ja inzwischen erfahren, dass sie wirklich aus einer Irrenanstalt in Österreich ausgebüchst war. Sie musste gut klettern können, denn sie war die blanke Hauswand hinunter gestiegen, vielleicht an der Regenrinne entlang. Mut hatte sie auf alle Fälle, und einen ausgeprägten Drang nach Freiheit. Wie er auch. Und sie war so klug wie geschickt. Flink hatte sie ihr ganzes Geld zusammen gekratzt, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hatte, und dann war sie nach Deutschland abgehauen, mitten hinein ins Wolfsreservat im Bayerischen Wald. Ihre Freiheit musste ihr sehr wichtig gewesen sein, dass sie sich so am Rand der Zivilisation verbarg, weitab von Menschen in einer schlichten Hütte. Es hätte gefährlich werden können, die Wölfe streiften dort frei herum. Seine Wölfe! Seine, Konrad Ganterers Wölfe. Er, genannt Koga (von den beiden Anfangsbuchstaben von Vor- und Zuname), aber nur von seinen engsten Freunden, Koga, der Wolfsfreund, der Biologiestudent, der Waldschratt, der Klettermaxe. Er hatte die goldäugigen Gesellen beobachtet, seit sie dort frei gelassen worden waren. Schon als Biologiestudent, dann als Forscher hatte er seine ganze Freizeit in dem Naturreservat verbracht, und rein zufällig war er über diese Hütte so tief im Wald gestolpert. Er kannte sie, war mit den Waldarbeitern mehrmals dort gewesen, als sie die Zäune aufgebaut hatten. Eigentlich war er zufällig vorbei gekommen und hatte die dünne Rauchfahne gesehen. Dass sie gesucht wurde, hatte er erst viel später von ihrer Ärztin erfahren, die extra aus dem Sanatorium in Österreich gekommen war. Fast ein Jahr hätte sie dort gelebt, versteckt und verborgen, keiner hätte sie gefunden… nur Koga, der Waldschratt. Warum gerade er? Warum gerade sie? Er schüttelte unwillig den Kopf. Er war Wissenschaftler, kein Romantiker. Und doch hatte es ihn vollgepackt, konnte er nicht mehr von ihr lassen. Immer wieder zog es ihn hierher, lenkte er seinen schwarzen Geländewagen auf den Krankenhausparkplatz und rannte die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer. Sie warteten, dass sie wieder ganz zu sich kam, dann sollte sie mit der Therapie und vor allem den Tabletten gegen ihre Schizophrenie beginnen. Die Ärztin war sich sicher, dass ein gewaltiger Schub der Krankheit sie dazu getrieben hatte, zu fliehen. Sie hatte sie verfolgt, hatte Nachbarn und die Leute auf der Bank befragt, sich Aufzeichnungen von Videokameras angesehen: sie war immer alleine gewesen! Niemand hatte sie begleitet, und die letzte Aufzeichnung einer Verkehrskamera zeigte einen vollgepackten Wagten mit nur der jungen Frau am Steuer. Es gab keinen Koga, oder schon, aber nur ihn, jetzt, hier… Ganz allein hatte sie fast ein Jahr dort verbracht, in der Hütte im Wald. Sie schien sehr geschickt gewesen zu sein, hatte sich dort eingerichtet und recht gut gelebt, ohne dass auch nur irgendjemand auf sie aufmerksam geworden wäre. Und auch wenn sie in ihrem Fieberwahn nach einem Koga gerufen hatte… vielleicht hatte sie ja den Spitznamen des jungen Mannes gehört, der sie gerettet hatte… meinte die Ärztin. Manchmal sprach sie in einer fremden Sprache. Nach den vielen Büchern zu urteilen, die er für sie eingepackt und mitgenommen hatte, hatte sie sehr intensiv Japanisch gelernt. Die Hütte war voller Kalligraphien gewesen, Übungsblätter und Lehrbücher. Sie hatte eh einen Japanfimmel. Na gut, er hatte einen Wolffimmel. Genau, die alte Wölfin war bei ihr gewesen. Hatte einfach in ihrer Hütte gelegen. Wie sie das geschafft hatte, das Vertrauen dieses Tieres zu gewinnen… das war ihm ein Rätsel. Er hatte ja auch gesucht, nach diesem Koga, hatte den ganzen Wald abgegrast und diesen Kerl gesucht, von dem sie immer sprach… und der nicht er sein konnte. Aber er hatte niemanden gefunden. Keine Spuren! Keine Anhaltspunkte! Nichts! Er war der einzige Koga weit und breit. So langsam war er bereit, der Ärztin zu glauben, dass er Sarahs Schicksal war, dass sie schon lange auf der Suche nach ihm war und ihn nun gefunden hatte, dass ihre Seele nun gesunden konnte, heil werden konnte, weil sie ihn gefunden hatte. Ihren Koga, in Fleisch und Blut. Mann, seine Kumpels würden ihn auslachen bei all dem mythischen Kram, den er hier verzapfte. Das durfte er niemand erzählen. Aber er begann selbst daran zu glauben, dass sie zusammen gehörten, irgendwie! Welche Frau konnte denn besser zu ihm passen als sie? Als ob er sie ebenfalls gesucht hätte. Welches Mädel war denn schon bereit gewesen, wochenlang im Wald zu hausen? Und gar unter Wölfen? Jede war ihm bisher weggerannt. Und nun hatte er seine absolute Traumfrau gefunden, und einen heißen Feger obendrein. (Nein, nicht wieder rot werden!) Er könnte sie fragen, ob sie Lust hätte, ihn zu begleiten. Er musste bald wieder zurück wochenlang in den Wald, er könnte dort mit ihr in der Hütte wohnen, wenn ihr das nicht zu fad wäre. Wenn sie nicht zurückwollte, nach Hause, zu ihren Eltern, der Schule, wo sie unterrichtete. Er würde sie fragen… „Kouga?“ Wieder rief sie nach ihm mit flatternden Lidern. Er schritt an ihr Bett und nahm ihre Hand. „Ja mein Schatz, ich bin hier!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)