Order von Mebell (24 Tage - 24 Befehle (Oder: Der etwas andere Adventskalender)) ================================================================================ Kapitel 5: 5.Dezember --------------------- 5. Dezember Mmmh. Das ist Farins erster Gedanke und gleichzeitig sein erstes Wort am nächsten Morgen. Kein „lecker“ Mmmh, sondern ein „angenehm“ Mmmh. Die Decke reicht diesmal sogar über die Füße, es ist herrlich kuschelig warm und Farin wacht ganz, ganz langsam auf und ist tatsächlich sogar ausgeschlafen. Das Gefühl, etwas geschafft zu haben, das er immer hat, nachdem er Songtexte geschrieben hat, hält noch an und führt beinahe dazu, dass Farin sich auf die andere Seite dreht, seine Wange ins Kissen gräbt und die Beine anzieht, bis er halb zusammengerollt liegt. Beinahe. Farin ist schließlich nicht Bela. Deshalb steht er schließlich auch auf, hastet auf Zehenspitzen, um die Kälte nicht in seine mollig warmen Zehen zu lassen, zur Dusche, und stellt, als er beim Spiegel vorbeikommt, das dämliche Grinsen ein, weil es irgendwie nach Psychopath aussieht. Die gute Laune lässt sich weniger leicht vertreiben. Farin schiebt es darauf, dass er ein Morgenmensch ist, als er beim Frühstück feststellt, dass er sich beinahe auf das heutige Päckchen freut. Und ein kleines bisschen neugierig ist. Dementsprechend schnell ist er auf den Beinen, als es klingelt, nur die Teetasse lässt er ein wenig widerwillig aus den Händen. Seine Finger sind viel zu lang und viel zu dünn und es ist viel zu kalt. Er sollte mal die Heizung aufdrehen. Farin öffnet rasch die Tür, schleift das draußen stehende Paket samt neongelbem Zettelchen in den Flur und schließt die Kälte wieder aus, ehe er dazu kommt, das Gekrakel zu lesen. "Fünfter Befehl: Dekoriere dein Haus!" An sich nichts Schlimmes. Immerhin ist Weihnachten und dieses ganze Theater soll eine Art Adventskalender darstellen. Ein bisschen Dekoration könnte seinem Haus sicherlich nicht schaden. Das einzige Problem an der ganzen Sache ist, dass Farin Bela nur allzu gut kennt. Und dessen Hang zur Übertreibung. Als er sich, bewaffnet mit einer Schere, die er geschwind aus der Küche geklaubt hat, daran macht, vorsichtig das Paket zu öffnen, offenbart sich ihm dann auch das gesamte Maß dieser Übertreibung. Dutzende von (natürlich verhedderten) Lichterketten, ein Plastik Weihnachtsmann sowie Rudolph, Unmengen von Kunstschnee aus Dosen (als hätten sie davon selbst nicht bald genug) und der obligatorische Türkranz, es ist wirklich an alles gedacht. In der kitschigsten Form, die man sich nur vorstellen kann. Die schwere Last ins Wohnzimmer schleifend (zumindest sollte die Heizung dort schon mit ihrer vollen Kraft arbeiten und wenn nicht gibt es noch immer einen ordentlichen Deckenberg), macht sich Farin daran seinen Auftrag genauer unter die Lupe zu nehmen. Sich selbst fragend, ob er es mit all den kleinen Glühlampen schaffen würde, aus seiner Einfahrt einen Flugzeuglandebahn zu basteln, fängt er auch schon wie automatisch an, die Knoten aus der Lichterkette zu wimmeln und kleine Schleifchen, die am Kranz aufgrund des Transportes aufgegangen sind, wieder zusammenzubinden. Es ist eine Aufgabe. Das muss Farin sich eingestehen. Doch wohl anders, als es sich Bela gedacht hat. Farin hätte sein Haus so oder so noch dekoriert. Denn egal, wie sehr er flucht, diese unsägliche Jahreszeit hier verbringen zu müssen, mit all ihrem Schnee, Matsch und schaurigen Temperaturen, ein Scrooge ist er deswegen lange noch nicht. Ganz davon abgesehen, dass auch kein kleiner Timmy in der Nähe zu sein scheint. Das eigentlich Knifflige an diesem “Türchen” ist die Frage, wie er aus dieser gewaltigen Ansammlung blickender Kurzschlussverursacher und krebserzeugender Plastikhaufen aus China, etwas zaubert, das man halbwegs als geschmackvoll bezeichnen kann. Aber Farin hat ja schon immer die Herausforderung geliebt. Deshalb entwirrt er mit schier unendlicher Geduld die völlig verhedderten Lichterketten. Irgendwie beruhigt ihn diese eintönige Tätigkeit. Knoten für Knoten verschwindet aus den Ketten. Dabei sind Farins Gedanken weit weg, alles, was er wahrnimmt, sind die kleinen Birnchen. Als endgültig jeder Knoten beseitigt ist, kommt es Farin vor, als wenn gerade einmal fünf Minuten vergangen sind. In Wirklichkeit hatte er Unmengen von Zeit mit dieser stumpfen Beschäftigung vergeudet. Seufzend erhebt sich Farin vom Sofa. Jetzt beginnt der schwierige Teil. Die Lichterketten hinter sich herschleifend, sucht er mit geübtem Blick nach einem geeigneten Platz. Dummerweise passen die bunt blinkende Ungetüme absolut nicht in das aufgeräumte Weiß seines Wohnzimmers. Genauer gesagt, passen sie auch nicht in seine restliche Wohnung. Stil, Ordnung und Ruhe strahlt sie aus. Da ist kein Platz für Weihnachten. Kurzerhand übermannt Farin eine seiner Meinung nach geniale Idee. Immer noch mit den Lichterketten im Schlepptau stolpert er eher als dass er läuft aus seinem Wohnzimmer Richtung Haustür. Fluchend zieht er sich seine Schuhe an, das Monster von Weihnachtsdeko nimmt ihm seine Bewegungsfreiheit. Mit dem Fuß tritt Farin die Türe auf, unsanft wirft er die Lichterketten vor den nächsten Busch. Dann macht er sich daran, all den anderen hässlichen Kitsch hinaus zu bringen. Vor dem Busch türmt sich nun nach und nach eine Ansammlung auf, mit der man schon einen ordentlichen Dekoladen eröffnen könnte. Zum Schluss hievt Farin eine Kabeltrommel die Kellertreppe hoch in seinen Vorgarten. Schwitzend macht Farin sich an die eigentliche Arbeit. Die Lichterketten werden liebevoll über die Büsche und den Zaun drapiert, der Plastik Weihnachtsmann begrüßt nun jeden an eben diesem, direkt daneben blinkt Rudolph das Rentier. Der Kunstschnee wird kurzerhand über den kompletten Vorgarten verteilt. Auch wenn dies eher nach Puderzucker als nach Schnee aussieht. Das große Finale bildet der riesige Türkranz an der Haustür. Als Farin den Strom anstellt, gleicht sein Garten wirklich einer Landebahn für Flugzeuge oder wahlweise einem UFO-Landeplatz. Es sieht einfach nur schrecklich aus. Schrecklicher als in jedem amerikanischen Weihnachtsfilm. Trotzdem ist Farin hochzufrieden. Bis Silvester wird kein einziges, nerviges Fangirlie mehr vor seiner Tür stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)