Order von Mebell (24 Tage - 24 Befehle (Oder: Der etwas andere Adventskalender)) ================================================================================ Kapitel 23: 23.Dezember ----------------------- 23.Dezember Wie es mit dem Morgen im Allgemeinen so ist, kommt der des 23. Dezembers viel zu früh und vor allen Dingen viel zu plötzlich. Noch immer hängen Farins Gedanken am gestrigen Tag: den schnatternden Enten, der merkwürdigen Oma und diesem nicht bestimmbaren Gefühl, dass er einen kurzen Blick in die Twilightzone geworfen hat. Und natürlich dem Fakt, dass Bela alles in allem mal wieder nur durch Abwesenheit glänzte. Das dritte Türchen in Folge. Ein endlos langes Seufzen verlässt die Lippen des Gitarristen, müde (und das nicht nur vom wenigen Schlaf) reibt er sich über die leicht schmerzenden Augen. Sein Blick streift kurz Wischmopp, der mittlerweile ein wenig zerrupft wirkt. Das Cape hängt nicht mehr ganz so akkurat um den bepelzten Hals, einer der angeklebten Zähne hängt auf halb acht, droht der Absturz. Versuchend, sich so wenig wie möglich zu bewegen und auch ja nicht seine angewärmte Bettdecke zu verlieren, angelt Farin nach dem Teddy, setzt ihn auf seinem Schoß ab. Er sieht ihn sich ein wenig genauer an, stoppt irgendwann bei den schwarzen Knopfaugen, die ihm wie stets leblos entgegen schauen. „Du weißt auch nichts damit anzufangen, nicht?“ Farin braucht das "Nichts" nicht zu konkretisieren, weiß er doch, dass von Wischmopp keine Antwort zu erwarten ist. Was nichts an der Tatsache ändert, dass er trotzdem mit ihm redet und sich dadurch wirklich ein klein wenig besser fühlt. Ist es doch immer noch würdevoller als Selbstgespräche führen. Ein bisschen zumindest. „Bin ich denn der Einzige von uns beiden, der... ich meine bin nur ICH es, der darin mehr sieht? Oder gehört das alles zu dem Adventskalender? Interpretiere ich da zu viel hinein? Bela war schon immer flatterhaft, klar, weniger schamlos... das ging seit unseren Anfangstagen weiter als normal... aber...“ Der Satz bleibt offen. Gedankenverloren drückt Farin den Zahn an Wischmopps Mäulchen fester, zurrt den Umhang zurecht. „Das kann doch nicht nur eine Laune gewesen sein. Das in der Umkleidekabine... okay... das war eine typische Aktion vom ihm... Knall auf Fall, aber das am Ballhaus... das war geplant... hundert Prozent! Er war nüchtern und bei vollem Bewusstsein und...“ Auch dieses Mal findet Farin kein Ende, schafft es nicht seinen verwirrten Gedanken eine klare Form zu geben, ihnen eine Sprache zu verleihen. Frustriert fährt er mit dem Finger die Umrisse der Fledermaus nach, die immer noch am Cape hängt und so absolut Bela ist, dass es jetzt im Moment gerade nur schmerzt. „Da war definitiv mehr, auch von seiner Seite aus. Aber warum... warum dann dieses auf Abstand Halten? Sollten diese dummen Befehle denn nicht dazu dienen, dass wir uns wieder näher kommen? Unsere Freundschaft retten? Hat er denn gar keine Sehnsucht?!“ Schließlich kommt die Katze doch noch aus dem Sack. Allein der Schlag trifft nur den Gitarristen. Übergeht Wischmopp diese skandalöse Erkenntnis doch schließlich mit gnädiger Gelassenheit und Ruhe und so still, wie es sich Farin von manchen Leuten nur wünscht. Ja, der Blonde hat Sehnsucht nach Bela. Wünscht sich nichts mehr, als einen Blick der grünen Augen zu erhaschen, die so beruhigende dunkle Stimme des Älteren zu hören. Vielleicht auch den ein oder anderen Kuss rauben zu können. Und ja, es tut ihm weh, dass Bela nicht so fühlt wie er. Augenscheinlich. Dass er Tage ohne ihn verbringen kann, Farin am langen Arm verdursten lassend. Es sät Zweifel in dem Gitarristen. Bedroht sein Zuckerwatteland im Schatten dunkler Wolken. Bis jetzt ging es Farin immer nur um seine eigenen Gefühle. Sich über sich selbst und seine Beziehung zu dem Drummer klar zu werden. Nun aber kommen diese Fragen, die böser sind als jedes s oder v Wort. Was, wenn das alles für Bela gar nichts ist? Sondern nur eins von vielen Spielen? Farin sich am Ende zum totalen Trottel macht mit dieser Liebe, die möglicherweise unerwidert ist? Das alles minutiös vom Älteren geplant wurde, nur damit dieser am Ende den wirklich großen Lacher einheimsen kann? Frustriert wirft Farin Wischmopp mit Schwung zurück zum Fußende, vergräbt sein Kopf in die Kissen. Doch erneut wird er unsanft durch das Türklingeln aus seiner hohen Kunst der absoluten Ignoranz gerissen. Versucht, dieses Mal wirklich liegenzubleiben und Bela einfach Bela sein zu lassen, ist er zwar, doch das Etwas in ihm ist wieder einmal viel zu stark. Rasch wirft er das Kissen auf Wischmopp, schaufelt sich aus seiner Decke hoch und hastet zur Tür. Das gleiche Spiel wie jeden der letzten Tage: Erwartungsvoller Moment, Öffnen der Türe, Enttäuschung. Nicht einmal einer dieser gottverdammten Körbe. Nur ein gefalteter Zettel und der knallige Klebezettel: "Dreiundzwanzigster Befehl: Kaufe noch einige Kleinigkeiten für Weihnachten ein!" Als er den Zettel aufklappt, begrüßt ihn die gewohnt krakelige Handschrift und drei Unterpunkte. 1. Eine Flasche Wein Ganz schlecht. Farin hat in etwa so viel Ahnung von Wein, wie eine Kuh vom Fliegen. Still hofft er auf eine gute Beratung. 2. Kerzen Leicht verwirrt starrt er auf das eine Wort. Was genau soll ihm das jetzt wieder mitteilen? 3. Eine Packung Kondome und eine Tube Gleitgel Farin liest den Punkt einmal. Dann ein zweites Mal. Beim dritten Mal realisiert er das Geschriebene, wird tomatenrot, passend zur Haarfarbe, und reißt die Augen auf. Das Schlimmste an der Sache ist aber, dass er nicht mal mehr weiß, ob Bela scherzt oder gewisse Dinge todernst meint. * Scheinbar ist die halbe Bevölkerung heute noch auf den Beinen, um irgendwelche Dinge zu besorgen. Egal wo Farin hinsieht, überall drängeln sich Menschen in den Einkaufspassagen. Mittlerweile hat Farin schon eine ziemlich teure Flasche Wein in einer ebenso exklusiven Tüte (Wozu ist man Rockstar?), glücklicherweise ist in dem astronomischen Preis auch eine Beratung inklusive gewesen. Jetzt kann er nur hoffe, dass der aufgeblasene Verkäufer in dem kleinen Weingeschäft mit seiner Empfehlung Recht behält. Auch die gewünschten Kerzen befinden sich in einer weniger exklusiven Tüte, sind sie doch nur aus irgendeinem der unzähligen Dekoläden. Theoretisch könnte Farin jetzt einfach zu seinem Auto laufen und nach Hause fahren. Theoretisch. Da ist immer noch ein Punkt auf seiner Liste, der brav darauf wartet, Beachtung zu bekommen. Kurz schielt er zu einer bekannten Drogeriekette, nicht wirklich sicher, ob er dort alles Gewünschte bekommt. Sein nächster Blick gilt einem abgewrackten Sexshop am Ende der Passage. Es wäre nicht das erste Mal, klar. Aber letztes Mal hing ein lachender Bela an seinem Arm, der alles völlig gelassen gesehen hat und mit dem Verkäufer geplaudert hat, während er vergnügt im Laden herumgestöbert hat. Aber auch allein wäre das kein Problem gewesen, wenn es nicht FÜR Bela wäre und er nicht die ganze Zeit diese Bilder im Kopf hätte... Farin schneidet seine Gedanken ab, indem er einfach die Tür öffnet und den Laden betritt. Maulverbot für alle Szenarios und Könnte-sein-Gedanken. Die Verkäuferin lächelt ihn strahlend an. Nicht versaut. Klar, das ist auch nur ein Geschäft hier. Auch wenn ihr Ausschnitt ziemlich tief ist. Ehe er in ebenjenem versinkt, sieht er sich eilig im Laden um, nimmt sich, das Hallo der Dame halblaut erwidernd, Kondome von vor der Kasse und scannt das Geschäft auf Tuben. In einer Ecke wird er fündig, liest sich die großen Schilder durch (würde er die Tubenrückseiten lesen, würde vermutlich sein Kopf platzen vor lauter Blut) und nimmt schließlich eine der Teureren, er will ja nichts falsch machen. Mit Willenskraft (als Bühnenperson lernt man so etwas) zwingt er sein Gesicht dazu, eine normale Farbe anzunehmen, legt Gleitgel und Kondome auf die Theke und zückt sein Portemonnaie. Die Verkäuferin lächelt ihn unentwegt an, während sie beides in die Kasse eintippt, und nennt den Preis. „Viel Spaß“, wünscht sie mit zuckersüßem Verkäuferstrahlen. Farin tritt draußen gegen den nächsten Baum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)