About Natsume von bienenstich ================================================================================ Prolog: 00 - Prolog [Pictures of you] ------------------------------------- About Natsume by bienenstich oOo Heiß, Impulsiv, Brodelnd, Versegend, Fiebrig, Kochend, Glühend, Leidenschaftlich, Feurig... oOo Remembering You standing quiet in the rain As I ran to your heart to be near And we kissed as the sky fell in Holding you close How I always held close in your fear Remembering You running soft through the night You were bigger and brighter and whiter than snow And screamed at the make-believe Screamed at the sky And you finally found all your courage To let it all go Remembering You fallen into my arms Crying for the death of your heart You were stone white So delicate Lost in the cold You were always so lost in the dark „Pictures of you“ – The Cure Das alles sind die Wörter mit denen man Natsume beschreiben könnte. Ich sagte „könnte“, das heißt nicht, dass ich dagegen bin, aber auch nicht, dass ich mit meinen Mitschülern und ihren Meinungen übereinstimme. Ich denke, es kommt wie immer auf die Persönlichkeit des Menschen, der die Meinung äußert, auf die jeweilige Situation und vor Allem auf Natsumes Laune an. Na gut, sie mag zu 99% der Zeit von seinem weniger sympathischen Ich besetzt sein, aber selbst die kann man in solche Phasen, wie z.B. Gleichgültigkeit, genervt, nervend oder pervers und andere einteilen. Aber genau weil es immer noch „nur“ 99% sind, kann man Natsume damit nicht vollständig beschreiben. Ich habe Natsume in den verschiedensten Momenten erlebt und jedes Mal wenn ich dachte „Ah, das ist also sein echter Charakter und der Rest war nur Fassade“, genau dann macht er wieder etwas völlig unmögliches, das mich an meiner Thesis zweifeln lässt, mich nebenbei noch fast in den Wahnsinn treibt und in gerade zu peinlicher Weise aus der Fassung bringt. Wir haben alle, meine Freunde, Klassenkameraden, Kohais, Sempais und Senseis, unterschiedliche Meinungen über Natsume und sind alle schließlich und endlich zu einem Wort gekommen mit dem wir Natsume Hyuuga beschreiben würden. Ein jeder von uns hat sich für dieses Wort aufgrund einer Erfahrung mit Natsume oder einer Erinnerung an ihn oder mit ihm dafür entschieden. Und ein jeder von uns ist sich demnach auch sicher, dass er Recht habe. Auch ich denke, dass ich ein Wort für ihn gefunden habe. Doch wenn ich ihn mir so anschaue und er seinen Kopf zu mir dreht, sodass er mich gleichgültig anschaut, wobei sein Blick mich gefangen hält, er kurz höhnisch lächelt und dann meinen Rock in Brandt steckt, komme ich nicht dabei herum, den Meinungen meiner Freunde Gehör zu schenken und über meine Entscheidung nochmals ernsthaft nachzudenken. Kapitel 1: 01 - Heiß [F.N.T] ---------------------------- oOo Fascinating new thing You delight me And I know you're speaking of me. Fascinating new thing Get beside me, I want you to love me. I'm surprised that you've never been told before That you're lovely and you're perfect And that somebody wants you. „F.N.T.“ – Semisonic Natsume als heiß zu beschrieben, wäre, wenn man das Wort so nimmt wie es sein sollte, eigentlich richtig. Man kann sich wortwörtlich Die Finger verbrennen, wenn man ihn anfasst (Feuer- Alice, meine lieben Kinder- Feuer- Alice!!!). Doch wenn man so denkt wie Locke und ihr Fanclub bleibt es nicht einfach bei dem „Autsch- ich- hab- mir- die – Finger- verbrannt“ – heiß. In ihrem Wortschatz bedeutet heiß etwas völlig anderes. Es bedeutet etwas, dass mir bei einer unserer freien Tage am Schulpool eingefallen ist. Natsume, der zwar ein unglaublicher Mistkerl ist, keine Befehle wahr nimmt, der arrogant, eingebildet, über die Maßen frech und übertrieben Stolz ist und der sich eine Lebensaufgabe daraus gemacht hat, alle und jeden in de Wahnsinn zu treiben, aus der Fassung zu bringen, anzufackeln oder in meinem speziellen Fall, alles zu tun, sieht ganz einfach umwerfend gut aus. Natsume, in all seiner Badehosen- Glorie, übertraf mit Sicherheit vieles, was sich einige Mädchen (und Jungen) in ihren kühnsten Träumen vorgestellt haben. Ich weiß nicht, was über mich kam, als ich anfing Natsumes Bewegungen zu folgen. Und aus irgendeinem Grund stießen mir Dinge in den Kopf, von denen ich im Nachhinein glaube, dass sie schon lange da waren und nur auf ihre Gelegenheit gewartet hatten aufzutauchen. Natsumes braun- gebrannte Haut, die sich bei Bewegung über seine Muskeln straffte, seine perfekt anatomisch richtigen Schulterblätter mit den breiten Schultern dazu und jeder noch so winzige Wassertropfen, von dem ich im übrigen glaube, dass sie genau nach Plan strategisch über seinen Rücken glitten, trieben mich einige Schritte zurück und ließen mich in Locke latschen, wodurch wir beide anschließend im Pool landeten. Natsumes rabenschwarzes Haar, welches im Sonnenlicht mysteriös schimmerte und welches bei einer leichten Brise den Blick auf sein makelloses Gesicht preisgab, ließ mich kräftig Wasser schlucken und ich geriet in Gefahr nicht mehr aufzutauchen. Und als dann (nachdem mich Locke an den Schulter packte und hinaufzog, um zu fragen, was mein Problem sei) sein Blick den meinen traf und mir zu allem Überfluss auch noch die Röte ins Gesicht stieß, tat ich etwas was ich sonst nie tat. Ich stimmte Locke zu, die mich schwärmend und fuchsteufelswild zugleich im Schwitzkasten hielt. „Natsume- kun sieht heute aber heiß aus.“ In diesem Moment konnte Natsume nun wirklich nicht anders beschrieben werden. oOo Kapitel 2: 02 - Impulsiv [Only one] ----------------------------------- oOo Here I go so dishonestly Leave a note for you my only one And I know you can see right through me So let me go and you will find someone Here I go, scream my lungs out and try to get to you You are my only one I let go, but there's just no one, no one like you You are my only, my only one. „Only one“ – Yellowcard Konnte man Narumi- Sensei und dem Fakt, dass er Natsume schon knapp zehn Jahre kannte, glauben, dann kann Natsume nur als recht impulsiv beschrieben werden. Schon bei ihrer ersten Begegnung soll sich Natsumes impulsive Seite bemerkbar gemacht haben, erklärte er eines schonen Central- Town- nachmittags in einem netten Café. Laut Narumi- Sensei war Natsume schon immer ein recht lebhafter Mensch gewesen, der zwar nachdachte, allerdings in immer recht unüberlegten Schritten vorging und sich unglücklicherweise jedermann zum Feind machte. So auch damals, als sich Narumi Natsume, der damals nur zarte acht Jahre alte gewesen sein soll, als sein zukünftiger Lehrer vorstellte und Natsume ihn kurzerhand in die Luft sprengte, erkannte er in Natsume einen Jungen, der auf Impuls verschiedene Menschen verschiedenartig grüßt. Luca- Pyon, der dabei war, bezeugte ihm, dass Natsumes Verhalten recht impulsiv war, allerdings, und das erklärte er mir auf dem Heimweg, schien Natsume von all den Pheromonen, Herzchen und Blümchen so genervt, dass jeder dermaßen „impulsiv“, wie Narumi- Sensei es verschönerte, reagiert hätte. Narumi- Sensei ließ sich allerdings durch nichts beirren, behielt seine These bei, dass Natsumes unverblümt impulsive Art ein sehr frühes, erstes Anzeichen seiner Pubertät war und dachte nicht im kleinsten daran Natsume statt “impulsiv“ als „explosiv“ einzustufen. Ich musste der Impulsiv- Theorie wohl zustimmen, den wie hätte er sonst am gleichen Abend, als ich aus dem Central- Town- Bus ausstieg und auf der Treppe über diesen dämlichen Baseballschläger (Ein Baseballschläger?! Wenn ich den Witzbold erwische…) fiel und so den Weg nach draußen fand, mich hätte auffangen können? Das war nun eindeutig impulsiv, es sei denn, und bei diesem Gedanken blickte ich von seiner Brust aus in sein Gesicht, er hätte mich beobachtet und gewusst, dass ich in Gedanken war und nicht aufpassen würde, wo ich hinlief… Pfft… Ja, klar… oOo Kapitel 3: 03 - Brodelnd [Hungry Eyes] -------------------------------------- oOo With these hungry eyes One look at you and I can't disguise I've got hungry eyes I feel the magic between you and I I wanna hold you so hear me out I wanna show you what love's all about Darlin' tonight Now I've got you in my sights With these hungry eyes One look at you and I can't disguise I've got hungry eyes I feel the magic between you and I I've got hungry eyes Now I've got you in my sights With those hungry eyes Now did I take you by surprise? „Hungry Eyes“ – Eric Carmen Wenn ich meine Klassenkameraden fragte, bekam ich fast immer die gleiche Antwort: Natsume ist in gewisser Weise brodelnd. Sie konnten es fühlen, sagten sie oder besser behaupteten sie. Während des Unterrichts, wenn Natsume wie gewöhnlich in der letzten Reihe saß und auch keiner wagte irgendeine Art von Kontakt zu ihm herzustellen. Sie konnten fühlen, wie Natsume-San da hinten saß und brodelte, sodass ihnen die Hitze langsam in den Kragen stieg und sie anfingen zu schwitzen und nervös hin und her auf ihrem Stuhl zu rutschen. Es ist ein höchst unangenehmes Gefühl, das sich nur selten vermeiden lässt, wenn Natsume gerade von einer Mission kam, wenn ihm irgendjemand in die Quere gekommen oder wenn er einfach nur schlecht drauf war. In diesem Punkt musste ich ihnen wirklich zustimmen. Auch ich fühlte oft, wie diese Hitzewelle mir langsam den Rücken hochstieg. Das Natsume nun wirklich brodelte bemerkte ich allerdings erst als ich mich eines Tages aus Versehen umdrehte. Es war aber nun wirklich ein Versehen und gar nicht meine Schuld, als ich mich, so still wie möglich und ohne, dass es jemand bemerkte hin und her schwenkte, mit der Hand unauffällig herum wedelte und ich mich schließlich umdrehte, um eine äußerst nervende Zeichnung, die wild während des Unterrichts umherflatterte, abzuschütteln. Ohne Erfolg. Doch als ich mich umdrehte waren alle Gedanken an das flatternde schwarz-weiß Bild, welches mit meinen Haaren spielte, vergessen und meine gesamte Welt wurde in rubinrot getaucht. Mir wurde schlagartig klar, warum sich niemand zu Natsume umdrehte. Natsumes Gesicht, das sonst von einem Manga- Heft verdeckt war, blickte steif und gerade auf den Punkt, wo noch vor kurzem mein Hinterkopf war. Er starrte zu mir. Er starrte mich an. Die Tatsache, dass ich ihn anstarrte ließ ihn, im Gegensatz zu mir, nicht mal blinzeln und die rubinroten Augen starrten nun direkt in meine. Es waren zwei brodelnde Kessel, die ab und an aufblitzten und die mich immer weiter beobachteten. Natsume ließ mich mit seinen Augen nicht los und bohrte sich immer tiefer in mich rein. Mir wurde schrecklich heiß, noch heißer als jede Hitzwelle, die mich sonst traf, wenn er brodelte. Direkter Kontakt schien Natsumes Wirkung auf mich zu vervielfältigen. Sein Blick war der eines Jägers und noch nie zuvor hatte ich so sehr das Gefühl die Beute zu sein, wie in diesem Moment. Aber dennoch fühlte ich mich besonders, wenn er mich so anschaute. Eine ganze besondere Beute. Eine ganz besondere Beute, die sich zu ihrem Jäger hingezogen fühlt? Ich wollte wegrennen, aber irgendwie auch aufstehen und mich ergeben. In diesem Moment gab es nur uns beide. Dieser höchst einmalige und intime Moment wurde vom Läuten durchbrochen und ich wusste nicht, ob ich darüber glücklich oder traurig sein sollte. „Ich weiß es auch nicht.“, sagte Kokoroyomi- kun. In meinem peripherem Blickfeld konnte ich sehen, wie er sein Kontrollband wider anlegte und ein Hauch rosa auf seinen Wangen lag. Ich sah wahrscheinlich genauso aus. Er allerdings nuschelte nur vor sich hin und gesellte sich zu Natsume. Er sagte mir nicht, was in Natsume so vorging, aber als ich mich auf den Weg in die Sondergruppe macht und an ihm vorüberging hörte ich noch etwas von wegen „sexueller Spannung“? Ich werde mich ganz sicher nie wieder umdrehen, wenn Natsume brodelte. oOo Kapitel 4: 04 - Versengend [Bring me to life] --------------------------------------------- oOo How can you see into my eyes like open doors leading you down into my core where I’ve become so numb. Without a soul my spirit sleeping somewhere cold until you find it there and lead it back home. „Bring me to life“ – Evanescence (feat. Paul McCoy) „… fieser Mistkerl…“ „… arroganter Winzling…“ „… spielt sich viel zu oft auf…“ „Und er versengt uns und alles, was ihm in den Weg kommt.“ Versengend, nannten sie ihn. Wenn ich an meine älteren Mitschüler, die männlichen normalerweise, denke, dann verstehe ich, was sie damit meinen. Ich bin schon tausendmal dabei gewesen, wenn Natsume sein Alice an älteren Schülern ausprobierte. Sie schienen aber auch nie schlauer zu werden oder davon genug zu kriegen von Natsume versengt zu werden. Sie hörten nicht auf, Natsume zu belästigen und ihn zu beleidigen. Wenn man Natsume in die Quere kommt, kann man nichts anderes erwarten, als einen kurzen Trip ins Fegefeuer. Wenn sie ihn also versengend nannten, dann stimmte es auch. Für sie. Doch wenn ich an „Natsume“ und „versengend“ denke, dann kommen mir im ersten Moment nicht all die verkokelten Röcke, die ich im Lauf der Jahre weggeworfen habe, all die Stunden vor dem Spiegel, in denen ich versucht habe, versengte Haare zu glätten oder so wenig wie möglich abzuschneiden, oder all die Momente in denen ich mich danach mit Natsume gestritten habe und an Hotarus Schulter ausgeweint hatte, in den Sinn. Sondern Natsumes Blick, während er versucht mich anzukokeln. Testend, gerade zu neugierig, wie mein Körper, mein Alice, Ich selbst darauf reagieren würde. Vorsichtig, unsicher und fragend- Würde er mich vielleicht damit verletzten? Ernsthaft? Würde ich mich dann von ihm entfernen? Weg von ihm? Für immer? Hatte er es dieses Mal zu weit getrieben? Und spielerisch und zufrieden, als würde es ihm unglaublich viel Spaß machen und als wäre er zufrieden damit mich als sein persönliches Spielzeug zu kennzeichnen… sein Eigentum. Wenn ich mir meine Sempai so anschaue- verkokelte Klamotten, verkraustes Haar und unsichere, Angst erfüllte Augen, die Hass versprühten- ja… versengend ist das Wort für sie. Aber wenn ich daran denke, wie Natsume mich anschaut, wenn er dabei ist mich anzuzünden, dann kommt es mir so vor, als würde mein ganzer Körper brennen. In diesen Momenten würde ich ihn am Liebsten so nah wie möglich an dieses Feuer, mit welchem er mich entzündet hat, reißen und mich an ihm festklammern, sodass wir gemeinsam brennen. Oh, ja. Natsume ist versengend. oOo Kapitel 5: 05 - Fiebrig [Total Eclipse of the Heart] ---------------------------------------------------- oOo And if you'll only hold me tight We'll be holding on forever. Once upon a time there was light in my life But now there's only love in the dark Nothing I can say A total eclipse of the heart „A total Eclipse of the Heart“ – Bonnie Tyler Ich kenne diese Momente ganz genau. Diese Momente, in denen Natsume auf einer Mission war und am nächsten Morgen nicht auftaucht. Diese Momente, in denen Luca- Pyon mit abwesendem Blick den Klassenraum betritt und leise nuschelte: „Er ist nur etwas fiebrig und hat heute keine Lust auf Naru…“. Fiebrig. Wir alle wissen, was das bedeutet, aber keiner spricht es aus. Man kann die Luft förmlich schneiden und jeder wendet den Blick traurig ab und versinkt und taucht nicht vor der nächsten Stunde wieder auf. Natsume in einem fiebrigen Zustand ist nicht leicht zu erreichen. Er sperrt alle aus. Luca- Pyon, You- Chan, Lehrer oder Andere. Ich habe Natsume nur ein paar Mal „fiebrig“ erlebt. Es tut weh ihn so zu sehen. Herzzerreißend und ich möchte einfach nur noch weinen, wenn er dann so da sitzt. Der Grund, warum er uns wohl alle ausschließt. Damals, vor ein paar Monaten in einer heißen Julinacht habe ich mir besonders Sorgen gemacht. Natsume hatte Luca- Pyon komplett vertrieben und ihn in sein Zimmer geschickt und wir anderen wussten nur von You- Chan (unserer Quelle aus der Gefahren- Gruppe), dass Natsume wieder da war. Er sagte es keinem. Ich schlich mich nachts zu ihm, da es uns verboten wurde (von Natsume und den Lehrern) zu Natsume zu gehen. Ich wusste nicht, was zu tun war, außer mich neben ihn vors Bett zu setzten und mit anzusehen, wie sein Alice mehr und mehr tobte. You- Chan nannte es ein Ventil. Stress, Trauer, Wut- all das ließ ihn aufheizen, schwitzen und wortwörtlich aufglühen bis er fiebrig nur noch so dasaß und wartete bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er duldete mich nicht, beschimpfte mich und versuchte mir Angst einzuflößen. Er versuchte krankhaft auf Abstand zu halten und meine Hände, die die seine fest umklammerten abzuschütteln. Er gab erst auf, als ich ihn unter die Dusche zwängte, mich zwischen ihn und den Schalter drängte und die älteste Stufe einstellte. Als fette, dicke Rauchwolken von Natsumes nackten Schultern aufstiegen und nur in seiner Schulhose mitten in der Dusche saß und den eiskalten Wasserschauer auf sich niederprasseln ließ. Natsume war fiebrig. Er glühte nicht nur äußerlich. Sein Alice überrannte ihn und ließen seine Körpertemperatur zu unmenschlichen Graden ansteigen. In diesen Momenten konnte man sich nur durch eine Berührung an ihm verbrennen, auch wenn er es nicht wollte. Und Natsume, er schaute nur auf meine Hand, die seine Hand, einer der wenigen sicheren Stellen an seinem Körper, immer noch fest hielt. Vielleicht konnte ich das auch Dank meines Alices. Ich wusste es nicht. Wir sagten nichts. Nie, in solchen Situationen, da wir beide es nicht aussprechen wollen. Er reißt sich erst von meiner Hand los, wenn er nach einem Handtuch greift, um mich darin einzuwickeln, da er weiß, dass ich das kalte Wasser, das auch auf mich nieder rasselte, erst dann bemerken würde. Er zog mich dann näher an seine nackte Brust, immer noch heiß, aber nicht mehr fiebrig, und rubbelte mir die Arme, weil er wusste, dass er die beste Wärmequelle war, die es momentan für mich gab. Immer noch schweigend brachte er mir dann trockene Kleidung, zog sich selber um und brachte mich dann zu meinem Zimmer. Er sprach nicht, ich sprach nicht, aber wenn ich bemerke, dass seine Haut unter seinem Hemd immer noch unnatürlich heiß ist, kann ich nicht anders als mich unter meiner Bettdecke zusammenzurollen und zu fragen, wenn es nicht mehr nur bei fiebrig bleiben wird. oOo Kapitel 6: 06 - Kochend [Sway] ------------------------------ oOo Don't stray, don't ever go away I should be much too smart for this You know it gets the better of me Sometimes, when you and I collide I fall into an ocean of you, pull me out in time Don't let me drown, let me down I say it's all because of you And here I go, losing my control I'm practicing your name so I can say it to your face It doesn't seem right, to look you in the eye Let all the things you mean to me Come tumbling out my mouth Indeed it's time to tell you why I say it's infinitely true. „Sway“ – Bic Runga You - chan nannte es kochend. Die Art von Verhalten, das Natsume in letzter Zeit an den Tag legte. Und dabei schaute mich dieser kleine 10-jährige so an, als wäre es das offensichtlichste, dass es gab. In diesen Momenten verschwamm mein Bild von Natsume immer. Er ließ alles um sich herum kochen und die Hitze ließ die Luft um ihn an- und aufsteigen. Die Anderen spürten es auch, wenn er kochte - Sie kochten mit. Schweißperlen bildeten sich im Nacken und Kleidung fing an, an uns heften zu bleiben. Sogar im Winter. Zu dieser Zeit versuchte nun absolut jeder Natsume aus dem Weg zu gehen, selbst Luca - Pyon. Zwar sandte er Natsume mildernde Blicke, allerdings tat er dies aus sicherer Entfernung. Ich verstehe diesen Teil von Natsume so was von gar nicht, und die Anderen schienen dieses Thema dringend vermeiden zu wollen, da sie Angst hatten, Natsume würde es mitbekommen. Sie sandten immer nervöse Blicke in seine Richtung und verkniffen sich jegliche Kommentare, während Hotaru entweder in sich hineinlächelte oder mit ihm kochte. Stimmt ja, sie verstand ich dann auch nicht. Der einzige, der mit dieser Situation klar zu kommen schien, war You - chan. Er gab diesem Phänomen sogar einen Namen. Er erschien komischerweise auch immer dann im richtigen Moment, wenn es passierte und war dazu noch auch fähig, und dafür gebührte ihm nun wirklich der größte Respekt, Natsumes Laune wieder zu bessern. Wie er das tat, wusste ich nicht, denn was er tatsächlich „tat“, war, aufzutauchen, sich neben mich zu setzen, einmal kurz in die Runde zu schauen, alle Alice, außer unseren engsten Freundeskreis (und damit meine ich alle, die keine Angst vor diesem „kleinen Geisterjungen aus der Gefahrengruppe“ hatten) mit einem Blick, den Natsume auf jeden Fall stolz macht, zu vertreiben. Danach blickte er zufrieden drein, suchte Natsume auf, der sich irgendwie dadurch beruhigt zu haben schien, und ließ sich seltsamerweise von ihm loben (wegen dem Blick?!). Wenn ich es mir Recht überlegte, verstand ich sie beide nicht. Doch irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass Natsumes Laune irgendwas mit mir zu tun hatte. Ich schien irgendetwas zu tun, dass ihn so wütend machte, dass er kochte. Aber zur selben Zeit, schien er seinen Zorn auf jemand anderen zu lenken, der noch mehr Schuld zu haben schien als ich. Ich mochte diesen Natsume nun wirklich nicht. Er war distanziert, wütend und irgendwie enttäuscht. Das seltsame Gefühl, ihn trösten zu wollen und zu ihm zu gehen, mich neben ihn zu setzten und ihm zeigen zu wollen, dass ich ihm zuhörte, mir seine Meinung wichtig war und dass ich seine Gesellschaft genoss, überkam mich dann immer viel zu schnell. Es war die Art, wie ich mich fühlte, die mich dazu veranlasste, den kochenden Natsume nicht zu mögen. Er schaute so aus, als wäre er betrogen worden. Und als ob ich an diesem Verrat schuldig wäre. Und zu allem Überfluss fühlte ich mich auch so, weshalb ich aufstand und zu Natsume rannte. Ich lächelte ihn an und man konnte nun ganz leicht sehen, wie seine Schultern sich entspannten und seine Augen fast sanft auf mich herabschauten. Dann kochte er nicht mehr. oOo Kapitel 7: 07 - Glühend [Fix you] --------------------------------- oOo When you try your best, but you don't succeed When you get what you want, but not what you need When you feel so tired, but you can't sleep Stuck in reverse And the tears come streaming down your face When you lose something you can't replace When you love someone, but it goes to waste Could it be worse? Lights will guide you home And ignite your bones And I will try to fix you „Fix you“ – Coldplay Seit ich auf die Alice Academy gehe, habe ich vieles gelernt: Dass man sich nicht (niemals nie!) zwischen Hotaru Imai und ihr Vermögen stellt, dass man in Sumire Shoudas Nähe nicht all zu ehrlich sein sollte (besonders nicht über deine Meinung über bestimmte Schulschwärme), dass man in der Nähe von Kokoroyomi keine all zu intimen Sachen denken sollte (wenn du willst, dass sie intim bleiben) und, dass man nicht jeden Blödsinn, den dir deine Mitschüler so verzapfen, glauben sollte. Sachen, wie Hinweise, Ratschläge und vor Allem Schullegenden. Ganz besonders Schullegenden. Und diese Schule ist voller solcher Legenden. Ein paar mögen wahr sein- Das Loch im Westflügel, im Nordgang im 2. Stock ist ja schließlich auch noch da. Manche mögen vielleicht teilweise wahr sein- wie z.B. die Sache mit diesen Schultänzen- die meisten endeten ja zusammen. Allerdings gibt es auch total hirnrissige. Und bis zu jenem Abend war ich auch völlig sicher, dass diese hier ebenso dazu gehörte. Zum ersten Mal hörte ich von ihr von Mochu, der mit seinem Leben darauf schwört, ES gesehen zu haben. Sollte man es schaffen, Natsume in den Durchgang im 3. Stock genau bei Sonnenuntergang zu bringen, so würde er anfangen zu glühen. Er ging sogar so weit zu sagen, er glühe, wie ein Glühwürmchen. (Allerdings traute er sich nicht so weit zu gehen, es laut auszusprechen, sodass Natsume es auf der anderen Klassenzimmerseite auch hören konnte.) Egal, wie blödsinnig sich das auch anhören mochte, war es doch verführerisch. Natsume als Glühwürmchen? Bei dem Gedanken musste Kokoroyomi auch lachen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich beschloss, Natsume irgendwie dahin zu locken. Ich wusste auch noch, dass es mich fast verrückt machte, dass keiner meiner Anläufe ihn auch nur annähernd dahinführte. Er ignorierte mich und selbst wenn er auf mich einging, warf er mir nur Beleidigungen entgegen, die sich entweder gegen mein Aussehen, meinen Verstand oder gegen mein Verhalten richteten. Vielen Dank auch. Auch bei mir gab es eine Grenze und ich beschloss, den glühenden Natsume ein Glühwürmchen meiner Fantasie bleiben zu lassen und mich anderen Dingen zu widmen. Was dann genau passierte ist, traf nicht nur mich unerwartet. Aber in dem Moment als ich aus der Türe des Klassenzimmers verschwinden wollte und mich in Richtung Mensa begeben wollte, um meinen Frust in mich rein zu… essen, schnappte mich jemand an meinem Blusenkragen und schleifte mich in die entgegen gesetzte Richtung- in Richtung 3. Stock. Der Durchgang im dritten Stock… Geradezu instinktiv erkannte ich Natsumes warmen Finger in meinem Nacken, den Klang seiner Schritte, die vor Selbstvertrauen nur so strotzten und das leise genervte Murmeln. Es gab keinen Zweifel, dass er sich genau dort hin bewegte, wo ich ihn haben wollte. Der Durchgang im dritten Stock… Er wusste von dem Gerücht? Das hatte ich nun nicht erwartet. Das er genervt war schien er mir ganz deutlich klar zu machen, als er meinen Kragen im Durchgang losließ, sich gegen ein Fenster lehnte und mich erwartungsvoll anschaute, als warte er auf meine Erleuchtung. Ich hatte sauer (das war gar kein Ausdruck) an meinem Kragen gezogen, um noch ein bisschen Würde zu bewahren, bis ich ihn mir genauer anschaute. Mochu hatte Recht. Er war zwar kein Glühwürmchen, aber seine Haut glühte trotzdem. Genervt und ganz offenbar nicht wissend, was für ein Anblick er war, stand Natsume rot glühend im Sonnenunterganglicht getaucht und starrte mich an. Ich war sprachlos und wie verzaubert von Natsume und diesem Naturspektakel. Er stand da und blickte mich verärgert an, offenbar irritiert, dass seine letzte Beleidung völlig unbemerkt an mir abgeklatscht war. Ich dagegen bewunderte nur, was sich da vor mir abspielte. Natsumes harte Züge, die sonst an die einer römischen Marmorstatue erinnerten, wurden weicher als ich es je erwartet hätte. Die Unzufriedenheit in seinem Kiefer und selbst die Verärgerung zwischen seinen Augenbrauen schienen angesichts der Tatsache, dass sie in sanftes Rosarot getaucht wurden, wie zu verblassen. Und eh ich mich versah, fuhr ich mit meiner Hand die Form seines Kiefers, seiner Wangenknochen und letzten Endes seiner Schläfe entlang. Alles sah nicht nur weicher aus als gedacht, es war es tatsächlich auch. Was genau ich tat erkannte ich erst in dem Moment, in dem die Sonne hinter dem Westwald unterging und die Dunkelheit über den Korridor hereinbrach. Und so tat ich, was ich in diesem Moment tun konnte. Überrascht riss ich meine Hand aus seinem persönlichen Umfeld, stolperte einige Schritte zurück und stotterte etwas, was sich nach „Entschuldigung“ und „Was zum Kuckuck ist in mich gefahren“ in meinen Ohren anhörte. Meine Stimme klang fremd und meine Finger, auch wenn sie zitterten, kribbelten wie verrückt, also ballte ich sie zu Fäusten. Bevor ich mich noch weiter blamierte, tat ich das einzige, was mir in diesem Moment sinnvoll vorkam. Ich rannte mit glühenden, pulsierenden Ohren an Natsume vorbei und erhaschte nur noch kurz einen Blick auf seine Rückseite. Er stand immer noch wie versteinert da. Seinen Blick konnte ich mir nicht vorstellen, seine Laune schon eher. Aber eines blieb in diesem kurzen Blick hinter mich fest in meinem Kopf sitzen. Natsumes Nacken glühte immer noch. oOo Kapitel 8: 08 - Leidenschaftlich [Cold] --------------------------------------- oOo We kiss The Stars We writhe We are Your name Desire Your flesh We are Cold We're so cold We are so Cold We're so cold Your mouth These words Silence It turns Humming We laugh My head Falls back „Cold“ – Static X Ich habe es nachgeschlagen. Das Wort „leidenschaftlich“. Da stand etwas von „lebhaft“, „übermäßiger Gefühlsdrang“ und von „ungezügelter Begierde“. Meine weiblichen Sempais, Kameraden und Kohais sind alle (ausnahmslos alle!) der Meinung, dass Natsume, sollte es jemals passieren (Gott, bewahre uns!) ein unglaublich leidenschaftlicher Liebhaber sein wird. Allerdings will das Bild von einem „lebhaften“ Natsume, der von einem „übermäßigen Gefühlsdrang“ gepackt „ungezügelt“ umherläuft nicht in meinen Kopf. Die anderen Mädchen sind sich allerdings sicher, meinten sie. Früher oder später würde Natsume- Kun, der wahrscheinlich mit dem Augen, Händen, Körper (Da gab es noch mehr!) eines leidenschaftlichen Liebhabers geboren wurde, auch diese „ungezügelte Begierde“ gegenüber einer Frau (oder einem Mann, was, wenn ihr mich fragt, einiges erklären würde) zeigen. Und wenn es soweit sei, würden sie da sein- An Ort und Stelle. Ich habe ihnen das logischerweise nicht geglaubt, da ich Natsume schon sieben Jahre lang kannte und außer seinen „ungezügelten“ Lüstlingsattacken sonst keine Art von „ungezügelter Begierde“ erkennen konnte. Doch selbst Hotaru war anderer Meinung. Sie sagte, dass die anderen Mädchen Recht hatten und dass Natsume früher oder später auch diese Seite finden würde oder schon längst gefunden habe. Ich glaubte ihr nicht, wobei sie mir aber versicherte, dass ich ganz sicher dabei sein werde, sollte er es je zum Ausdruck bringen. Will sie es fotografieren?! Ich war mir sicher, wirklich sicher, dass mir diese Erfahrung erspart bleiben würde. Wie man sich doch irren kann. Der Tag an dem der Himmel über mir zusammenbrach war ein viel zu heißer Julitag. Ich war in der Blüte meiner Jugend, als mich dieser Sturm überrannte und jegliches Weltbild zerstörte. Wir hatten an jenem Tag einen Mathetest geschrieben und als ob das nicht Energie verzehrend genug war, hatte ich im Übrigen fast gar nicht geschlafen und das Mittagessen obendrein auch noch verpasst. Kurzum, es war ein gelungener Tag. Man bemerke bitte den Sarkasmus! Ich hatte mich mit den anderen unter die Bäume vor den Wald gesetzt und über den Test geredet, oder besser, die anderen haben geredet. Ich war irgendwann so niedergeschlagen über die Ergebnisse, zu denen die anderen kamen, dass ich sie ausklickte und in den Himmel starrte. So bemerkte ich auch nicht, dass sie nacheinander alle gegangen waren, bis ich nur noch alleine da saß. Da der Nachmittag noch jung war, als ich wieder zu Bewusstsein kam, beschloss ich, noch einen Happen zu essen und vielleicht ein Nickerchen zu machen. Also stand ich auf, drehte mich um und knallte volle Kanne in Natsume. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, was er hier mache und warum er, zum Kuckuck, genau jetzt hier aufkreuzen musste und meine Laune, die sowieso schon einen Tiefpunkt erreicht hatte, neue Bestleistungen erreichen lassen musste. Aber das war dann schon alles. Ich knallte hart gegen ihn, so hart, dass es mich eine Schritte zurück stolpern ließ und sodass er nach meinen Oberarmen griff und wartete bis mein Gleichgewicht wieder hergestellt war. Ich hätte wissen müssen, dass was nicht mit ihm stimmte, als er meine Arme nicht mehr los ließ. Ich hätte wissen müssen, dass was nicht mir ihm stimmte, weil er mir intensiv in die Augen blickte. Aber, da ich nun in erster Linie überrascht war, starrte ich ihn erschrocken an und stotterte ein paar Wörter aus, die ihm eigentlich hätte sagen sollen: „Lass sie los!“, „Was machst du denn?“ und „Durch welches Loch kamst du schon wieder gekrochen?!“. Aber egal, wie sehr ich zappelte, wie sehr ich zog und ihn fragte, was los war, er ließ mich nicht los und blickte mich weiter an. Und dann… lächelte er mich höhnisch an. Das war doch die Höhe! Ich wusste nicht wie, aber die Wut schien mir für einen kurzen Moment neue Kräfte zu verleihen und ich versuchte nach ihm zu treten. Er wich geschickt mit einem Schritt zur Seite aus, bevor er mich in den Schatten des Baumes trieb und völlig unvermittelt auf den Mund küsste. Auf einmal war es still und mein ganzer Körper erwachte wie aus einem tiefen Schlaf. Meine Lippen fingen an zu kribbeln, meine Finger und alle Körperteile, die Natsume beabsichtigt oder unbeabsichtigt berührte, taten es meinen Lippen gleich. Mein Verstand war wie vernebelt und ich konnte nicht anders, wie auf meinen Körper zu hören, die Augen zu schließen und die Explosionen unter meiner Haut und tief in meinem Inneren zu genießen. Natsumes Hände waren warm und glitten von meinem Oberarm in mein Haar und zogen mich noch näher an ihn. Und ich… ich brauchte Luft! Ich zappelte ein bisschen und Natsumes Lippen ließen zwar von meinen ab, allerdings nicht von mir. Und während ich einen scharfen Luftzug nahm, wanderten Natsumes Lippen zu meinem Nacken. Ich konnte nicht anders. Ich fing an zu kichern. „Das kitzelt.“, sprudelte es aus mir heraus. Sofort waren seine Lippen verschwunden und seine Augen funkelten mich wütend an. Ich sah, wie er versuchte sich zu beherrschen, um nicht in Wut auszubrechen. Er nahm Abstand und seine Hände ließen von mir ab und ballten sich zu Fäusten. „Werd endlich erwachsen!“, sprach er wütend, machte kehrt und stolzierte davon. Leidenschaftlich. Ungezügelt. Sie hatten Recht. oOo Kapitel 9: 09 - Feurig [Take a Bow] ----------------------------------- oOo Death You bring death, and destruction to all that you touch Pay You must pay You must pay for your crimes against the earth Yeah hex Feed the hex Feed the hex on the country you love Now beg You will beg You will beg for their lives and their souls Now burn You will burn You will burn in hell, yeah you'll burn in hell You'll burn in hell Yeah you'll burn in hell You'll burn in hell Yeah you'll burn in hell For your sins „Take a bow“ – Muse Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass jeder, der Natsume kennt und gesehen hat, wie Natsumes Hand in Flammen steht, kurz bevor es dein Hintern tut, es sich schon Mal vorgestellt hat. Aber nur der kleine Junge aus dem Grundschulbereich, das Mädchen aus der Mittelschule, Iinchou und ich haben es je gesehen. Einen feurigen Natsume. Natsumes Hand verbrannte im Allgemeinen nicht, egal wie lange die Flamme seine Hand umzüngelte. Er verbrannte sich eigentlich nie. Selbst wenn er es darauf anlegte. Nicht, wenn er mit dem Feuer des Bunsenbrenners in Chemie spielte, und auch nicht, wenn er das Feuer bei unseren Lagerfeuern mit den Händen anschürte. Und deshalb machte ich mir auch keine Sorgen um ihn an jenem Tag. Im Gegenteil, ich war damals auch schon neugierig. Neugierig zu sehen, wie er wohl aussehen wird, umrahmt con Glut und Flammen- ohne zu verbrennen. Es war heiß und kalt zugleich, als wir in jener Nacht barfuss vor einem brennenden Labor der Techno- Gruppe standen und nur fassungslos mit ansehen konnten, wie immer mehr vereinzelte Schüler noch herausgestürmt kamen. Rechts und links von mir benützten ältere und jüngere Schüler ihre Alice um das massive Feuer zu bekämpfen, welches sich bereits ein weiteres Stockwerk hinauf geschlichen hat, seit wir unsere Betten mitten in der Nacht verlassen hatte, um möglicherweise Hilfe zu leisten. Ich stand bei dem Klassensprecher, der besorgt im nassen Gras auf und ab ging und herausstürmende Schüler zu den Sanitätern oder zu ihren Freunden zu geleiten. Es schien fast so, als würde alles glatt gehen und wir diesen Unfall ohne weiteren Schäden überstehen würden, aber wir wussten immer noch nicht, wie viele von uns noch drinnen waren. Die Nacht war eiskalt und der kalte Angstschweiß, der uns den Rücken runterließ, ließ uns frösteln, auch wenn die Luft zum Schneiden dick, heiß und voller Ruß war. Es war in diesem Moment, als der Klassensprecher und ich gerade an der Nordseite des Gebäudes nach dem Rechten sahen, als das Feuer sich endgültig auch auf seine Umgebung ausbreitete, oder besser gesagt, auf den Baum, der nur einige Meter von uns entfernt war. Ich wusste nicht, wie schnell etwas bis zur Asche verbrennen konnte, bis einer der Äste, der fast neben uns beiden dort oben zu brennen begann, sich langsam neigte und schließlich, wie ein brennender Funke in Richtung Boden krachte. Ich erinnere mich noch, wie der Klassensprecher nach meinem Arm griff und mich weg von dem Baum zerrte. Er hatte bereits gesehen, dass sich das Feuer auf den nächsten Ast ausgebreitet hat- auf den Ast direkt über uns. Ich hörte ihn verzweifelt schreien und ich spürte, dass er fester an meinem Arm zerrte. Doch es war alles umsonst. Ich sah, wie der Ast nachgab. Das Feuer hatte ihn völlig umhüllt und zerstörte seine Verbindung zum Stamm des Baumes. Es erinnerte an eine Sternschnuppe, wie er mit unglaublicher Geschwindigkeit auf uns nieder rasselte. Und mit einem riesigen Knall explodierte die Wand neben uns und mit ihm der Ast und obendrein der ganze Baum. Als ich wieder zu mir kam, saß ich im nassen Gras und der Klassensprecher, eindeutig der Ohnmacht nahe, kniete neben mir und stützte meine Schulter. Oder es sollte zumindest so aussehen- Ich stützte eher ihn. Seine Finger krallten geradezu schmerzhaft in meine Schulter und sein Blick ruhte auf dem Überbleibsel von dem leicht brennenden Stück Wurzeln, das vor fünf Sekunden noch ein Baum gewesen war. Und neben uns stand Natsume in Flamme gehüllt. Seine Augen glühten zusammen mit dem Feuer und die Flammen, die seinen Körper umgaben, ließen seine Haut so erscheinen, als würde ein Feuer und seiner Haut sein Unwesen treiben. Sein Schulhemd stand offen und war an manchen Stellen angekokelt, ein Zeichen dafür, dass er schon ziemlich lange sein Alice zu benutzen schien und müde war. Und unter seinen Armen, umflattert von seinem Hemd und beschützt durch seinen Körper, hingen ein verheulter Grundschüler, der eindeutig noch zum Kindergartenbereich gehörte, und auf der anderen Seite, eine Mittelschülerin, die mit weit aufgerissen Augen und wildem Haar, am ganzen Körper zitternd, sich an Natsume krallte. Komplett am Ende und immer noch teilweise brennend, stolzierte er zu uns und ich konnte die Mittelschülerin wimmern hören. Vorsichtig ließ er beide auf das nasse Gras gleiten und der Klassensprecher eilte sofort zu den beiden. Als er seinen Blick auf Natsume ruhen ließ, zuckte dieser nur kurz mit der Schulter und zeugte damit mit seiner Mangel an Interesse an einer Erklärung. Der Klassensprecher nickte, sah mich noch mal kurz an und sagte uns, dass wir bald zu den anderen zurückkehren sollten und Ruhe bräuchten, bevor er den Grundschüler auf den Arm nahm und einen beruhigenden Arm um die Mittelschülerin legte und sie, womöglich, zum Sanitäter brachte. Kaum war er hinter dem Gebäude verschwunden, sank Natsume ins Gras neben mir. Er sah völlig fertig aus und ich hörte zu, wie sein Atem sich wieder verlangsamte. Ich sah wieder zum Gebäude. Das Feuer ging langsam zurück und es bestand keine Gefahr mehr. Weder für die anderen Schüler, noch für mich, das wusste Natsume. Die Stelle an dem der Baum stand war völlig zerstört und im Hinterkopf fragte ich mich, ob dort jemals wieder etwas wachsen könnte. Selbst einige Bäume, die etwas weiter weg standen, waren leicht angekokelt und die verbrannte Blätter vielen wie schwarzer Regen zu Boden. Als ich mich wieder zu Natsume drehte, sah er mich direkt an. Er brannte noch ein bisschen, als seine Hand nach meinem Gesicht suchte. Ich wollte sagen: „Ich bin okay.“ Aber ich war immer noch zu fasziniert. Er war noch etwas feurig, aber ich hatte ihn bereits in voller Flamme gesehen. oOo Kapitel 10: 10 - Warm [Without you Here] ---------------------------------------- oOo Your love's a gathered storm I chased across the sky A moment in your arms became the reason why And you're still the only light that fills the emptiness The only one I need until my dying breath And I would give you everything just to Feel your open arms And I'm not sure I believe anything I feel And now, now that you're near There's nothing more without you Without you here And I'm trying to believe In things that I don't know The turning of the world The color of your soul That love could kill the pain Truth is never vain It turns strangers into lovers And enemies to brothers Just say you understand I never had this planned And now, now that you're near There's nothing more without you Without you here Without you here There's nothing more without you Without you here My head lies to my heart And my heart it still believes It seems the ones who love us are the ones That we deceive But you're changing everything You're changing everything in me And now, now that you're near There's nothing more without you Without you here „Without you here“ – Goo Goo Dolls Aber dennoch, trotz aller Erinnerungen und Erfahrungen, habe ich doch immer nur diese eine Erinnerung/ Erfahrung in mir vor Augen. Mir ist nicht viel in Erinnerung geblieben von dieser Zeit. Alles verblasste angesichts der Tatsache, dass es Natsume war, der in diesem Moment die Hauptrolle spielte. Es war Sommer. Wahrscheinlich der heißeste, den ich je in der Academy erlebte. Unterricht war unmöglich geworden, auch die Lehrer schienen das verstanden zu haben. Die Tage verbrachten alle möglichst im Schatten oder im Pool. Sie sind langsam vergangen. Soviel weiß ich noch, und… Natsume war nicht da. Alle machten sich Sorgen. Und diese Hitze ließ uns alle bei diesem Gefühl verweilen. Sie blockierte all meine Gedankengänge und ließ mich an meinem letzten Gedanken hängen, ob Tag oder auch in der Nacht. Hitze am Tag und Kälte in der Nacht machte uns alle schwummrig, träge und verwandelten meine eh schon zusammenhanglose Gedanken in noch dubiosere Wachträume. Ich dachte damals oft an Natsume und wie man wohl eine Mission in solch einer Affenhitze überwältigen sollte. Und da Hotaru sich verbarrikadiert, Luca unauffindbar, Iinchou zu beschäftigt und der Rest genau so nutzlos und für nichts zu gebrachen war, wie ich, war Natsume so ziemlich meine letzte Rettung. Ob er nicht da war, spielte da keine Rolle. An ihn denken, kann ich auch ohne ihn. Aber auch, wenn ich ihn verfluchte, dafür, dass er wahrscheinlich irgendwo da draußen, an einem wesentlich kühleren Ort, der Hitze hier entkam, schmerzte meine Brust doch jedes Mal, wenn irgendwer nur seinen Namen nannte. Ich hatte an jenem Abend mein Fenster offen gelassen, in der Hoffnung, die Hitze würde hinaus gezogen werden und etwas Kälte würde in mein Zimmer ziehen- Das war ein Fehler. Ich hätte wissen müsse, dass die Temperaturen in der Nacht geradezu winterlich herunterfallen und mein Zimmer in einen Kühlschrank verwandeln würden. Auch hätte ich wissen müssen, dass dann ein T-Shirt mit Shorts nicht wirklich das passende Outfit sind. Aber faul, träge und vor Allem müde, wie ich war, kauerte ich mich lieber in meinem Bett zusammen und versuchte anhand einer überhaus nutzlosen, zusammengerollten Position noch etwas Wärme zu erhaschen, anstatt aufzustehen und das Fenster zu schließen. Hatte ich schon erwähnt, dass das ein Fehler war? Egal, wie sehr ich mich zusammenkauerte und die Enden meiner Decke sorgfältig, um mich verschloss, damit keine Kälte unter sie hindurch kroch, siebte sie sich doch durch das dünne Material und durch meine Klamotten. Es war schweinekalt und ich fragte mich, wie ich mir heute Mittag noch Kühle gewünscht hatte, wenn sie doch jetzt mir das Einschlafen erschwerte. Meine Trägheit wurde zu einem Zappeln und zu einem hin und her Wälzen, die leider die Gänsehaut und das Frösteln nicht abschütteln konnten, und der Schleier, der heute Mittag noch meine Gedanken benebelte, verwandelte sich in eine Klarheit, die es mir unmöglich machte einen Moment der Ruhe zu finden. Und es war in einer dieser Momente, als ich das leise Knacken und das sanfte Tappen von draußen hörte. Das Zimmer wurde mit einem Mal dunkler, der Mond wurde von einem großen Schatten bedeckt, die Nacht wurde noch stiller und ich wagte es nicht, mich umzudrehen, um den Besucher in die Augen zu blicken. Ich brauchte es nicht, ich wusste, wer mich besuchte. Ich hörte angestrengt, wie vom Fenstersims herunter glitt, das Fenster leise ins Schloss fallen ließ und sich den schwach beleuchteten Weg durch mein Zimmer suchte. Die Muskeln in meinem Rücken entspannten sich sofort, als ich das Gewicht auf meiner Matratze spürte und die Last, die Sorge, die ich den ganzen Tag mit mir rum trug, löste sich in dem Augenblick auf, in dem seine Hand nach meiner griff und sie festhielt. Natsumes Hand war wunderbar warm. Ich spürte, wie die überaus familiäre Wärme in mein Gesicht schoss, die gleichzeitig nichts und gleichzeitig alles mit Natsumes Hand zu tun hatte. Ich griff nach seiner Hand. Er dagegen zog sanft an meiner Schulter und rollte mich auf meinem Rücken, wobei er meinen Blick suchte. Ich öffnete die Augen etwas zu schnell, um später noch behaupten zu können, dass ich bereits geschlafen hatte… aber es war jetzt sowieso egal. Er blickte mich wieder auf dieselbe Art an. Die Art, zu der ich nicht „Nein“ sagen konnte. Es war ein sanfter Blick, die Art von Blick, die er nur selten trug: Seine Gesichtszüge wurden weicher und das Purpur seiner Augen wurde noch dunkler und verloren jegliche Art von Bedrohlichkeit. Es war mein Blick. Ich liebte diesen Blick. Natsume ließ meine Hand zu sich wandern und seine Augenbrauen zogen sich auf eine missbilligende Weise zusammen und er brauchte das Wort „Trottel“ nicht mal auszusprechen. Seine ganze Haltung sprach von dem Missfallen, dem ihn meine kalten Hände bereiteten. Er war ein Heuchler, den genau in dem Moment, in dem ich die Konturen seines Gesichtes nachfuhr, spürte ich unter meinen kalten Fingerkuppen eisige Haut. Sein Gesicht war wohl doch zu lange den eiskalten Temperaturen von draußen ausgesetzt und brauchten so wie es aussah die Wärme mehr als ich. Anscheinend sagt ein Blick mehr als tausend Worte. Doch in diesem Fall brauchte er das nicht. Natsume verstand meine Gefühle und all das, was ich ihm sonst noch nicht so sagte mit einem kurzen Blick in meine Augen. Ich hob meine Körper an und zog die Enden der Decke unter mir hervor und hob sie an, sodass Natsume unter sie schlüpfen konnte. Er schien zu zögern, tat es allerdings nach wenigen Sekunden, ohne meinen Blick oder meine Hand loszulassen. Ich war zwar schlaftrunken, aber ich bemerkte, dass er sich einige Male versteifte, als ich näher zu ihm rückte… und ich bemerkte auch, wie er nach mehrerem Versteifen und Entspannen meine zweite Hand ergriff. Ich bemerkte, dass Natsumes Atem in meinem Nacken mir wohlige Schauer den Rücken runter jagten und dass er anscheinend ein Problem damit hatte, dass sich unsere Beine streiften und ich bemerkte… dass nicht nur Natsumes Hände warm waren, sondern alles an ihm. Und das war Natsume für mich. Mein Wort für ihn. Alle anderen Wörter mögen stimmen, Natsume mag heiß, impulsiv, brodelnd, versengend, fiebrige, kochend, glühend, leidenschaftlich oder feurig sein, aber für mich würde er vor Allem warm sein. Natsumes Körper, sein Alice und sein ganzes Wesen waren warm. Warm, wohlig warm, weshalb ich mich noch näher an ihn kuschelte. oOo Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)