Perlentaucher Weihnachtsmärchen 2009 von abgemeldet (~ Jeden Tag ein OneShot über Twilight zum Fest der Sinne ~) ================================================================================ (Un)Glückliche Zufälle oder Weihnachtswunder -------------------------------------------- Mit diesem letzten Märchen verabschieden sich die Perlentaucher und wünschen frohe Feiertage! Schade, dass es ein Ende haben muss, aber wer weiß? Vielleicht kommen wir nächstes Jahr wieder :D Vergesst nicht, den Autoren ein kleines Feedback für ihre Mühen zu hinterlassen, die sich für euch ins Zeug gelegt und die vielen, wunderbaren Geschichten erfunden haben, euch die Weihnachtszeit ein bisschen schöner zu gestalten. Autor: AmyLeeBabe Genre: All Human --------------------------------- Dies war mit Abstand die schrecklichste Weihnacht, die ich in den letzten zweiundzwanzig Jahren erlebt hatte. „Aber es muss doch eine Möglichkeit geben“, sagte ich bereits zum dritten Mal und fuhr mir mit einer verzweifelten Geste durch die Haare. „Tut mir Leid, Miss“, antwortete der Flughafenangestellte gelangweilt, „aufgrund des schlechten Wetters mussten wir leider alle Flüge bis morgen früh streichen.“ „Ja aber-“ „Hören Sie, Miss!“, rief eine unfreundliche Stimme hinter mir, „Sie sind nicht die Einzige, die gerne ein paar Informationen hätte!“ Ich drehte mich um und sah mich einem dicken Mann gegenüber stehen. Sein Gesicht war gerötet, er atmete schwer. Kein Wunder – die Luft in der Aufenthaltshalle des Sea-Tac Airport, Seattle, war abgestanden und der Körpergeruch von unzähligen wartenden Menschen tat sein Übriges. Neben dem Dicken stand ein kleiner ebenso dicker Junge, den ich sofort als seinen Sohn identifizieren konnte. In der rechten Hand hielt er einen Schokoriegel, dessen Konsistenz nicht mehr ganz fest zu sein schien. An seinem Mund klebte ebenfalls ein Stück Schokolade, auch diese konnte der vorherrschenden Temperatur nicht standhalten. Bei diesem Anblick wurde mir übel. „Wie bitte?“, giftete ich den Mann an, welcher mich auf solch unverschämte Weise unterbrochen hatte. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, meine Laune mehr als nur schlecht. Diese Weihnacht war – gelinde gesagt – eine Katastrophe. Das Ende einer Verkettung von unglücklichen Umständen. „Haben Sie ein Problem?“ Wohl wissend, dass ich den kleinen Mann provozierte, funkelte ich ihn wütend an. „Und wie ich ein Problem habe!“, entgegnete dieser aufgebracht und er versprühte Speichel. Dann ließ er seinen Koffer los. Als er einen Schritt auf mich zu machte, rutschte mir mein Herz doch ein paar Zentimeter in Richtung Hose. „Hey – beruhigend Sie sich mal!“ Ein junger Mann mit auffälligen bronzefarbenen Haaren trat aus der Schlange hervor. Er war groß, größer als ich und größer als der Mann. Dieser Tatsache schien er sich bewusst zu sein, denn sein Tonfall war abschätzend. Offenbar hatte er etwas gegen Männer, die es in Ordnung fanden, junge Frauen schräg von der Seite anzumotzen „Wir sind alle etwas angespannt, aber benehmen Sie sich doch bitte ihrem Alter entsprechend.“ Er blickte zwischen mir und dem Dicken hin und her. Eine Sekunde starrte ich ihn wortlos an. Der junge Mann hob seine Augenbraue. Erst öffnete ich den Mund, besann mich jedoch dann eines Besseren. Der Klügere gibt nach, denk dran, Bella. Wortlos schnappte ich mir meinen Koffer und trat ein paar Schritte vom Informationsschalter zurück. Die Schlange hinter mir war immens – zahllose Menschen, alle verschieden und doch gleich. Zumindest was ihre Laune anging. Der Tiefpunkt war längst überschritten. Als mein Blick zufällig auf die große Uhr an der Wand fiel, seufzte ich laut. Halb fünf. Eine Zeit, in der die meisten Mütter anfingen, das Weihnachtsessen zuzubereiten und ein paar vereinzelte Nachzügler ihre Weihnachtsbäume schmückten. In der Luft zahlloser Häuser auf der ganzen Welt lag ein ungreifbarer Schimmer aus Vorfreude und Aufregung. Würden die gekauften Geschenke auch genauso gut ankommen wie erhofft? Die Weihnachtsgans, würde sie dieses Jahr endlich gelingen? In manchen Herzen war vielleicht auch ein Hauch von Wehmut zu finden: Würde dies das letzte Weihnachten sein, welches man mit seinen Kindern und Kindeskindern verbrachte? Wie oft würde man noch auf den harten Kirchenbänken sitzen müssen, bis der letzte Lebenswille ausgehaucht war? Von all’ diesen Emotionen verspürte ich keine. Von weihnachtlicher Stimmung keine Spur. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte, über die Köpfe der Leute hinweg irgendwo ein freies Plätzchen zu erspähen. Erfolglos. Es wurde gedrängelt, geschubst und gequetscht – die Aufenthaltshalle platzte aus allen Nähten. Nach einigem Suchen und Drängeln ergatterte ich zufällig eine freie Stelle direkt am Fuße der riesigen Panoramafenster. Ein kleiner Junge hatte hier zuvor auf dem Boden gesessen, seine Mutter hatte ihn gerade schimpfend auf die Beine gezogen. „Es zieht hier, Schatz. Komm, Daddy hat uns ein Hotelzimmer besorgt.“ Neidisch musterte ich die beiden wie sie ihr Hab und Gut packten und sich in Richtung Ausgang drängelten. Ich wünschte, ich hätte ebenfalls ein Hotelzimmer ergattert, doch leider war ich eine der zahllosen Fluggäste, die ihr Weihnachtsfest in der überfüllten Flughafenhalle des Seattle Airport verbringen würden. Frustriert ließ ich mich auf den Boden sinken und lehnte meine Stirn an die eiskalte Scheibe. Hier hätte man sicherlich einen wunderbaren Ausblick auf das Rollfeld gehabt, würde es nicht aus Strömen regnen. Ich konnte kaum ein paar Meter weit gucken, die Dunkelheit tat ihr Übriges. Alles, was ich sehen konnte, waren unzählige Regentropfen, die die Scheibe hinunter perlten und ein unregelmäßiges Muster hinterließen. Ich seufzte und setzte mich so bequem hin, wie es eben möglich war. Versuchte, das laute Stimmengewirr auszuschalten. Mich in mir selbst zu verkriechen. Gern wäre ich jetzt bei meiner Mutter gewesen, hätte mit ihr Weihnachten gefeiert. Wir hatten uns darauf gefreut, sahen wir uns doch nicht allzu oft. Ich war aufgrund meines Vollzeitjobs ziemlich beschäftigt und hinzu kam, dass wir nicht einmal im selben Staat wohnten. Die geografische Trennung jedoch ließ sich am besten mit einem Flugzeug überwinden – hatte ich gedacht. Und jetzt saß ich auf dem Flughafen fest, sämtliche Flüge nach Arizona oder zu anderen schönen Orten dieser Welt waren gnadenlos gestrichen worden. Renée hatte ich bereits über meine kleine Verspätung informiert, wie erwartet war sie ziemlich geknickt. Es tat mir sehr leid für sie, aber wenigstens war sie nicht alleine. Nichtsdestotrotz wäre ich liebend gern bei ihnen gewesen, ich liebte Weihnachten. Ich liebte die harmonische Stimmung, die sich auf leisen Sohlen durch die leeren Straßen schlich und in jedem Haus, in jeder kleinen Ecke eine wundervolle Atmosphäre hinterließ, die sich wie eine warme Wolldecke um die vielen Menschen legte, die das Fest der Liebe feierten. Nun, allen Anscheins nach hatte die harmonische Stimmung vor den Eingangstüren des Flughafens Halt gemacht. Ein riesiger Weihnachtskranz, der an der Decke befestigt war, war das einzige Utensil, welches wohl weihnachtliche Stimmung verbreiten sollte. Mein Magen knurrte. Ich öffnete meine Augen und suchte die Halle nach einem Restaurant ab. Dies war schnell gefunden – die längste Schlange in der Halle war nicht die vor dem Informationsschalter, wie ich gedacht hatte, sondern die vor dem einzigen noch geöffneten Restaurant. Also kein Stück Weihnachtsgans. Immerhin blieb mir mein Sarkasmus treu, wenn es schon nicht das Wetter tat. Seufzend und hungrig kramte ich in meinem Rucksack herum und ärgerte mich maßlos, dass ich nichts zu essen eingepackt hatte. Ich hätte es zwar ohnehin nicht mit an Bord meines Fliegers nehmen können, aber jetzt würde ich einiges für einen mickrigen Müsliriegel geben. Meine letzte Mahlzeit lag bereits über sieben Stunden zurück, es war mein Frühstück gewesen. Letztendlich holte ich mein Lieblingsbuch hervor, Sturmhöhe. Eigentlich schaffte es die traurige Geschichte von Cathy und Heathcliff jedes Mal aufs Neue, mich zu fesseln. Dies Mal nicht. Die lauten Stimmen von tausenden von Menschen hinderten mich daran, in die fiktive Traumwelt einzutauchen und die vollgestopfte Halle hinter mir zu lassen. So sehr ich es mir in diesem Moment wünschte, die Realität hielt mich mit festem Griff umklammert. Nach einigen Minuten legte ich das Buch weg und rieb mir über die Arme. Die Frau hatte Recht gehabt, hier zog es tatsächlich. Ich fror trotz meines warmen Pullovers, hauptsächlich wegen der kalten Scheibe, an die mein Rücken gelehnt war. Laut seufzend rappelte ich mich auf und schnappte mir meine Habseligkeiten, um mich auf den Weg zu dem Sandwichautomat zu machen, der mir in dieser Sekunde ins Auge gestochen war. Seltsamerweise schien ich die einzige Person zu sein, die den Automat entdeckt hatte, denn die anderen Wartenden schenkten dem Gerät keine Beachtung. Normalweise hätte ich es nie in Erwägung gezogen, ein Sandwich aus einem Automaten zu essen, der in einem Flughafengebäude stand, allerdings machte Hunger ja bekanntlich alles möglich. Ich stellte meinen Koffer ab und legte meine Jacke obenauf. Das Buch behielt ich in der linken Hand, während ich mit meiner Rechten auf einen Knopf drückte. Ein Schinken-Käse-Sandwich. Und verdammt – es sah verstörend lecker aus, wie es dort hinter der Scheibe lag. Gleich würde es aus der Halterung fallen und ich würde endlich wieder etwas in den Magen bekommen. Dann würde ich diese bescheidene Weihnacht wenigstens nicht hungrig zubringen. Es dauerte circa fünfzehn Sekunden, bis mir klar wurde, dass der Automat defekt war. „Mist!“, fluchte ich leise und drückte mehrmals erfolglos auf die Knöpfe. Keine Reaktion. Die Sandwiches blieben an ihrem Platz und schienen mich hämisch anzugrinsen. Reflexartig schlug ich gegen die Scheibe und prompt schoss ein schwacher Schmerz durch meine Hand. Im Schlagen war ich nicht sonderlich geübt. „Scheiße!“ Wieder fluchte ich und wollte mir gerade meine Hand genauer ansehen, als eine Stimme direkt neben mir ertönte. „Kann ich Ihnen helfen?“ Ich hob den Kopf und erwartete einen Angestellten zu sehen, der meine Misere zufällig mitverfolgt hatte. Ich irrte mich. Es war der junge Mann, der mir vorhin am Informationsschalter geholfen hatte. Er musterte mich besorgt, schließlich blieb sein Blick an meiner Hand hängen. „Haben Sie sich verletzt?“, fragte er überflüssigerweise und deutete auf meine Hand. Ich nickte nur und spürte, wie mein sich Gesicht erhitzte. „Nein“, sagte ich schnippisch und bedankte mich gedanklich bei meinem Schicksal. Reichte es nicht, dass ich an Weihnachten auf dem Flughafen festsaß? Musste ich auch noch versuchen, gewalttätig gegen einen Sandwich-Automaten vorzugehen und mich obendrein auch noch von einem attraktiven Mann erwischen lassen? Dass er attraktiv war stand außer Frage, denn allein sein Gesicht war – verzweifelt suchte ich nach dem richtigen Begriff – einfach schön. Er hatte markante Wangenknochen und eine schöne Haut. Sie war ziemlich blass, aber die Farbe verlieh ihm eine eigenartige Erhabenheit. Seine hohe Stirn war hinter ein paar vereinzelten rotstichigen Haarsträhnen verborgen, was seine dunklen Augenbrauen noch mehr betonte. Diese waren geschwungen, die rechte Braue jedoch etwas mehr als die linke. Ich biss mir auf die Lippe, als mir klar wurde, warum er seine Brauen hochgehoben hatte – ich hatte ihn angestarrt und er hatte es bemerkt. Mir schoss das Sprichwort „Schlimmer geht’s immer“ durch den Kopf, während ich mich mental für mein präpubertäres Verhalten ohrfeigte. Kaum traf ich auf einen gutaussehenden Mann, war ich kurzzeitig nicht mehr ganz Herr – oder besser Herrin – meiner Sinne. Wahrscheinlich war dies der Grund, warum ich ein mehr oder weniger einsames Singleleben führte. Der Mann guckte erwartungsvoll und ich versuchte krampfhaft, mich an seine Worte zu erinnern. „Ihre Hand“, sagte er schließlich und nickte in deren Richtung, „wie geht es Ihrer Hand?“ „Ach so“, sagte ich hastig und versteckte sie reflexartig hinter meinem Rücken, „Es geht schon wieder, danke.“ Mein Gegenüber lächelte leicht. „Tut mir Leid“, sagte er trotzdem, „ich würde Ihnen gerne helfen, aber leider hab ich nicht sonderlich viel Ahnung, wenn es um das Verarzten schöner Frauen geht.“ Schleimer, schoss es mir durch den Kopf, als ich seine Worte zwischen dem lauten Stimmengewirr vernahm. Trotzdem wurde meine Hautfarbe um einige Nuancen dunkler. Da hatte man einmal einen handgreiflichen Ausbruch und schon kamen die gutaussehenden Fremden aus ihren Löchern gekrochen… „Keine Ursache, es ist nicht so schlimm“, spielte ich notgedrungen noch einmal auf meinen kleinen Fauxpas an und lächelte mehr oder weniger reserviert zurück. Beim männlichen Geschlecht sollte man immer vorsichtig sein, vor allem, wenn sie einem fremd waren und man sie noch dazu in einem Flughafengebäude antraf. Sollte man, wie gesagt. Nichtsdestotrotz erschien es mir einfach unmöglich, hinter dem charmanten Lächeln des Mannes fragwürdige Absichten zu vermuten. Außerdem gab es wirklich Schlimmeres, als auf einen kleinen Flirtversuch einzugehen, wenn man sonst nichts zu tun hatte. Er lachte und beobachtete mich einen Moment lang dabei, wie ich nach meinem Koffer griff und mich suchend in der Wartehalle umsah. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen beim Warten Gesellschaft leiste? Es sieht nicht so aus, als würden wir hier in den nächsten paar Stunden wegkommen“, bot er schließlich an und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich lächelte und ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. „Ich denke nicht.“ Er folgte meinem Beispiel und sah sich vergebens nach einem freien Sitzplatz um. Oh, ich vergaß – nach zwei freien Sitzplätzen. „Ich sehe, Sie haben keine Sitzplätze reserviert. Verdammt – darauf hatte ich eigentlich gehofft, als ich Sie angesprochen habe.“ Stirnrunzelnd warf ich ihm einen schnellen Seitenblick zu, bevor ich merkte, dass er leise vor sich hin gluckste. Als er meinen skeptischen Blick bemerkte, fing er vollends an zu lachen. Seine Augen verengten sich leicht und er bekam leichte Lachfältchen. Wunderbar. Optimismus, das war genau das, was ich in meiner momentanen Situation gebrauchen konnte. „Du siehst so aus, als könntest du eine ordentliche Portion Optimismus gebrauchen“, meinte er zusammenhangslos und warf mir einen schnellen Seitenblick zu. Ich sah sein Grinsen trotzdem. Dass er mich klammheimlich geduzt hatte, fiel mir gar nicht auf. Gegen meinen Willen musste ich lachen. Offenbar war er die einzige Person in dieser Halle, deren Laune noch nicht den Tiefpunkt erreicht hatte. Und bei dieser positiven Ausstrahlung war es für meine Laune ein Leichtes, sich ebenfalls ein bisschen zu heben. Wir setzten uns zusammen auf den dreckigen Boden, erst jetzt fiel mir auf, dass er kein Gepäck bei sich hatte. „Wo ist dein Gepäck?“, wollte ich neugierig wissen und musterte den Mann einmal mehr, während er es mir erklärte. Er hatte grüne Augen, die gerade auf mein Gesicht gerichtet waren. Ein kleines Muttermal war der einzige „Makel“, den sein Gesicht aufzuweisen hatte. Als er lachte, konnte ich nicht anders als mitzulachen. Zugegeben, ich hatte ihm nicht zugehört, aber sein Lachen war furchtbar ansteckend. „Ich bin Edward“, sagte er schließlich, das Lächeln zierte noch immer seine Lippen. „Bella“, sagte ich und schüttelte ihm die Hand. Sein Händedruck war beinahe sanft, ungewöhnlich für einen Mann. Ungewöhnlich, aber nicht abschreckend. „Ich wollte eigentlich nach Arizona“, erzählte er, „meine Eltern leben dort. Meine Geschwister sind bereits vor ein paar Tagen runter geflogen, ohne mich.“ „Echt?“, unterbrach ich ihn, „Arizona? Hey, das war ursprünglich auch mein Ziel. Meine Mom wohnt in Phoenix.“ „Tatsächlich?“ Edward lachte. „Das ist ja ein Zufall.“ Ja, was für ein Zufall. Vielleicht würde diese Weihnacht doch nicht so schlimm werden, wie ich gedacht hatte… Edward und ich redeten noch stundenlang, er hielt mich bei Laune. Wir redeten über unsere Jobs, über das Wetter, über Schnee und über Weihnachtsgeschenke. Edward war mehr als nur sympathisch. Und als am nächsten Morgen die Maschine nach Arizona bereitstand, gingen wir zusammen über die Gangway und stiegen gemeinsam in das Flugzeug. Ein Jahr später „Frohe Weihnachten, ihr Lieben!“ Das Geräusch von anstoßenden Sektgläsern erklang. Während ich an dem perlenden Getränk nippte, ließ ich meinen Blick über die Anwesenden schweifen. Menschen, die ich liebte. Meine Mom, Renée. Sie lächelte leicht, ihre Augen glänzten. Sie war glücklich. Dieses Weihnachtsfest verlief genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte. Ich war da und hatte sogar meinen Freund mitgebracht, die Weihnachtsgans war gelungen und alle Anwesenden trugen ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Nun ja, fast alle. Direkt neben ihr stand Phil, mein Stiefvater. Im Gegensatz zu Renée zierte sein Gesicht kein Lächeln, er guckte etwas gequält. Wie jedes Jahr hatte er sich hoffnungslos zu viel von der köstlichen Weihnachtsgans in den Mund geschaufelt und wie jedes Jahr hatten die Magenkrämpfe nicht lange auf sich warten lassen. Trotzdem – für ihn waren Krämpfe ein kleiner Preis, den er für eine delikate Mahlzeit zahlen musste. Ich musste grinsen, als er skeptisch die Weihnachtsplätzchen beäugte, die in diesem Augenblick an ihn weitergereicht wurden. Nach kurzem Zögern jedoch konnte er nicht länger widerstehen und schob sich eins in den Mund. Esme, Edwards Mutter, stand auf Renées anderer Seite. Ähnlich wie meine Mutter, schien sie sehr zufrieden mit dem Abend. Noch waren die Geschenke nicht ausgepackt, aber ich war mir sicher, dass Edwards Mutter sich über Edwards und mein Geschenk freuen würde. Ich lächelte, als ich an den kleinen Gegenstand dachte, der ein paar Meter von uns entfernt in hübschem Papier eingewickelt war. Ich hatte Edwards Mutter bereits vor knapp elf Monaten kennen gelernt und schon beim ersten Treffen hatte ich sie ins Herz geschlossen. Es war unmöglich, Esme und ihre herzliche und liebevolle Art nicht zu mögen. Den Arm um seine Frau geschlungen stand Carlisle Cullen dort. Er wirkte entspannt, ein kleines Schmunzeln umspielte seine Lippen, als er seiner Frau etwas ins Ohr flüsterte. Sie lächelte daraufhin leicht und ergriff seine Hand. Rosalie lächelte ebenfalls. Das Licht der Kerzen ließ ihre blonden Haare in einem wunderschönen Goldton glänzen, sie sah aus wie ein Engel. Ihre Hand wurde von Emmett gehalten, Edwards großem Bruder. Dieser schielte schon seit Minuten immer wieder heimlich in Richtung Weihnachtsbaum, wo jede Menge bunt verpackte Geschenke darauf warteten, aufgemacht zu werden. Abermals musste ich grinsen, als ich an Emmetts Geschenk dachte. Ich kannte niemanden, der eine so einschüchternde Figur und gleichzeitig so ein liebes Wesen hatte. Wenn ich Rose und Emmett dort so stehen war, bedankte ich mich einmal mehr bei meinem Schicksal, welches mich vor genau einem Jahr zu Edward geführt hatte. Ohne ihn hätte ich zweifelsohne nie diese wunderbaren Menschen kennen gelernt und ein Leben ohne sie wäre sicher nicht dasselbe gewesen. Alice war ähnlich aufgeregt wie Emmett. Sie hatte unheimlich viel Zeit darauf verwendet, für jedes Mitglied unserer beiden Familien das richtige Geschenk zu kaufen und allein die Mühe, die sie sich dafür gemacht hatte, machte sie so unendlich liebenswert, wie es nur Edwards Schwester sein konnte. Jasper war – im Gegenteil zu Alice – wie immer die Gelassenheit in Person. Er stand schräg neben ihr und während er Phil lauschte, der wieder hingebungsvoll von der Weihnachtsgans schwärmte, hatte er seinen Arm um Alice’ schmale Taille gelegt und streichelte mit seinen Fingern sanft über den Stoff ihres Kleides. Insgesamt strahlten diese Personen so viel Liebe aus, dass ich es kaum in Worte fassen konnte. Die Art, wie sie im lockeren Halbkreis standen, zusammen lachten und ab und zu ernst mit den Köpfen nickten, hätte jedem Außenstehenden sofort sehen lassen, wie nah sie sich standen. Obwohl sich unsere beiden Familien sich erst vor genau einem Jahr kennen gelernt hatten, war in den letzten Monaten eine so tiefe Freundschaft zwischen den einzelnen Personen entstanden, dass ich mich manchmal fragte, wie ich es je ohne solch wundervolle Menschen ausgehalten hatte. Jeder von ihnen, auf ihre ganz eigene Weise, war in den letzten Monaten ein fester Bestandteil meines Lebens geworden, hatten mein ohnehin schon schönes Leben in so vielen Hinsichten bereichert, dass ich sie alle – Edward, Renée, Alice, Rosalie, Esme, Carlisle, Emmett, Jasper, Phil – um keinen Preis missen wollte. Ich liebte sie alle. Mit all ihren Ecken und Kanten. Und letztendlich es waren genau die kleinen Makel, die alle Menschen so menschlich machen, die sie so unendlich liebenswert machen. Edward sparte ich mir bis zum Schluss auf. Auch sein Arm war um meine Taille geschlungen, ich stand so nah bei ihm, dass ich beinahe spüren konnte, in welchem Takt er ein- und ausatmete. Vor genau einem Jahr war ich Edward begegnet. An einem Ort, von dem ich nicht einmal ansatzweise geglaubt hatte, dass er so eine Person wie Edward beherbergen würde. Letztendlich war es eine Verkettung von unglücklichen Umständen gewesen, die mich heute so glücklich machte. Die uns heute so glücklich machte. In diesem Moment beugte sich Edward zu meinem Ohr. „Woran denkst du, mein Engel?“, wollte er leise wissen und lächelte mich an. „An dich“, antwortete ich ebenso leise und sah zu, wie Edwards Lächeln noch ein Stückchen größer wurde. „Ich liebe dich, Bella“, wisperte er in mein Ohr. „Frohe Weihnachten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)