Weihnachtszeit von abgemeldet (Klein- Kai im Weihnachtsfieber) ================================================================================ Kapitel 5: 05. Dezember ----------------------- „Ray! Ray, wach endlich auf. Wir kommen sonst noch zu spät zur Schule.“ Angesprochener drehte sich allerdings nur grummelnd auf die Seite und präsentierte so dem Sprecher, den er als Kenny identifizierte, seinen Rücken. „Ich will aber nicht.“ Nuschelte der Schwarzhaarige. Er war mit den Anderen erst spät ins Bett gekommen, da sie eine gewisse Schmiere von ihren Möbeln wischen mussten. Leider hatte sich das als schwieriger erwiesen, als sie erst gedacht hatten. An der Toilette hing ein Schild. Sie konnte nicht mehr benutzt werden, bis ein Klempner kam. Nachdem Kai ihnen mit großen, unschuldig blickenden Augen gebeichtet hatte, was genau er hinunter gespült hatte, versuchte das Team alles erdenkliche, um das Stückchen Stoff wieder ans Tageslicht zu befördern. Ohne Erfolg. „Komm schon Ray. Selbst Tyson ist schon auf den Beinen.“ Kenny hörte nicht auf das Genuschel und rüttelte einfach weiter an der Schulter des Dösenden. Dieser schreckte bei den Worten auf. Wenn selbst der schlimmste Langschläfer unter ihnen schon aktiv war, musste es wirklich schon spät sein. Kenny verließ den Raum, als Ray aufsprang. Seine „Arbeit“ war getan. In Windeseile hatte der junge Chinese sich angezogen und flitzte in die Küche. Schon vor der Tür hörte Ray die Gespräche seiner Freunde und erkannte auch die Stimme von Hina. Selbst sie war schon da. Dann konnte er sein Frühstück wohl vergessen, wenn er nicht Schuld daran haben wollte, dass die Bladebreakers nachsitzen müssten. Er trat schnell ein und sah, wie die Anderen schon aufstanden und nach ihren Taschen griffen. Ray seufzte. Nicht einmal eine Tasse Tee würde ihm vergönnt sein. Sein Gesicht hellte sich jedoch ein wenig auf, als ein kleiner Wuschelkopf auf ihn zutrat und ihm, nach der begrüßenden Umarmung, ein kleines Päckchen reichte. „Da du verschlafen hast, haben wir dir dein Frühstück für unterwegs fertig gemacht. Tut mir Leid, ich habe dich einfach nicht wach bekommen. Deswegen habe ich Kenny zu dir geschickt.“ Ray musste sich leicht hinunter beugen, um die Worte zu verstehen, die Kai in den Stoff seiner Hose sprach. Der Kleine verkrallte sich schon fast mit Gewalt in Rays Kleidung und schien auch nicht gewillt, wieder los zu lassen. Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn. Kai war seit dem vorigen Tag unheimlich ruhig. Ob es wohl etwas damit zu tun hatte, dass sie ihn wieder mit Hina alleine lassen mussten? Er wurde erst aus seinen Gedanken gerissen, als Kai ihn zögerlich losließ und Tyson ihn am Ärmel in den Flur zog. Ray wuschelte Kai zum Abschied durch die Haare. Er wusste, wenn er den Kleinen jetzt in den Arm nahm, würde dieser ihn nicht mehr loslassen. Die darauffolgende Diskussion würde dann definitiv zu Nachsitzen führen. „Sei bitte lieb, Kleiner, so lange wir weg sind. Heute kommen wir ja früher zurück.“ Sagte der junge Chinese und wandte sich dann erst an Hina. „Der Klempner sollte so um elf Uhr kommen. Das Geld liegt auf der Anrichte. Bis heute Nachmittag.“ Kurz bevor er Tyson und den Anderen folgte, drehte er sich in der Tür noch einmal zu dem Mädchen um, das mittlerweile einen niedergeschlagenen Kai auf dem Arm hatte. „Tu uns allen bitte den Gefallen, Alexander nicht mehr sauber machen zu lassen.“ Lächelte er, hob noch einmal die Hand und ging dann hinaus. Das sich wieder ein ungutes Gefühl in seinem Bauch breit machte, ignorierte er einfach. ´So schlimm wie gestern kann es ja nicht werden.´ dachte er und rannte zu seinen Freunden, die schon ein wenig Vorsprung hatten. Kai hatte alle Mühe, seine Tränen zurück zu halten. Auch er hatte ein schlechtes Gefühl in der Magengegend. „So, wenn wir heute nicht aufräumen, müssen wir uns einfach eine neue Beschäftigung suchen.“ Sagte Hina zu ihm und lächelte zuckersüß. Dieses Lächeln sorgte bei Kai jedoch nur für noch mehr Unbehagen. „Wie wäre es, wenn wir ein wenig verstecken spielen, mh? Du versteckst dich und ich suche dann nach dir.“ Das Nicken, das sie von Kai erhielt war eigentlich nur, damit sie ihn endlich hinunter ließ. Er spielte nicht gerne Verstecken, aber der Zweck heiligte angeblich die Mittel. Er schlich sich ins Wohnzimmer und hockte sich lustlos hinter eine der großen Zimmerpflanzen, die in der Ecke standen. Er hörte, wie sie aufhörte zu zählen und wartete darauf, dass sie ins Wohnzimmer gelaufen kam. Er hatte sich hier versteckt, weil es für sie logisch wäre, hier als Erstes zu suchen. Jedoch hatte er sich anscheinend verrechnet, da nach kurzer Zeit die Treppe leise knarrte. Sie war auf dem Weg nach oben. Der Kleine lockerte seine hockende Haltung und runzelte die Stirn. Der einzige, für sie frei zugängliche Ort, war das Gästebad und das wäre das letzte Zimmer gewesen, in dem er sich versteckt hätte. Allein schon deshalb, weil sie im Flur gestanden hatte und es zu hören gewesen wäre, wenn er die Treppe betrat. Sonst waren dort oben doch nur die Schlafzimmer der Jungen und da hatte sie rein gar nichts zu suchen! Er seufzte und wollte gerade aus seinem Versteck kriechen, als er hörte wie es an der Haustür klingelte und Hina wieder ins Erdgeschoss kam. Vielleicht war es ja der Klempner. Auch, wenn es bestimmt zu früh dafür war. Der kleine Junge verfluchte sich innerlich dafür, dass er Ray noch nicht gefragt hatte, ob ihm einer zeigen konnte, wie man eine Uhr las. Digitaluhren verstand er zwar, aber Analoge nicht. Leider gab es in der Küche und im Wohnzimmer nur die, mit diesem verfluchten Zeiger. Er horchte und krabbelte nun endgültig aus seinem Versteck, als er eine fremde Männerstimme vernahm. Wenn das wirklich der Klempner war, hätte seine Babysitterin bestimmt keine Zeit mehr dazu, nach ihm zu suchen. Erschrocken blieb Kai jedoch im Türrahmen stehen, als er sah, wie Hina den fremden Mann umarmte. Das war niemals der Klempner. Also musste sie tatsächlich ihren Freund eingeladen haben. Er öffnete den Mund, um zu protestieren, aber die Beiden an der Haustür hatten ihn schon entdeckt und bevor er auch nur einen Ton von sich geben konnte, wurde er am Kragen gepackt und hoch gezogen. Kai zuckte zusammen und die Worte blieben ihm in Hals stecken. „Du hältst bloß die Klappe, du Zwerg. Ansonsten wird es dir wirklich Leid tun.“ Der Atem des Mannes schlug dem kleinen Jungen ins Gesicht, als dieser sprach. Ängstlich kniff Kai seine Augen zusammen und drehte seinen Kopf weg. „Yama! Pass auf, dass du ihn nicht gleich umbringst.“ Hinas Stimme drang nur langsam in Kais Verstand, da dieser sich, wegen des Luftmangels, immer mehr vernebelte. Endlich lockerte sich der Griff des Mannes und der Kleine konnte wieder tief Luft holen. Das Nächste was er spürte, war der harte Boden. Yama hatte ihn einfach fallen lassen! Kai ignorierte den Schmerz in seinem Rücken und versuchte so schnell und so unauffällig wie nur möglich zurück ins Wohnzimmer zu rutschen, ohne das Paar aus den Augen zu lassen. Wer auch immer diese Beiden waren, es würde die Polizei vielleicht interessieren. Ihm war das egal. Er wusste nur, dass dieser Mann kein freundlicher, neuer Spielkamerad sein würde. „Bist du auch ganz sicher, dass die Jungs sie nicht doch mitgenommen haben?“ Yamas tiefe Stimme ließ Kai inne halten. Jedoch hatte der Mann nicht ihn gemeint, sondern Hina, zu der er sich gewandt hatte und Kai damit den Rücken zudrehte. Er war neugierig, was der Mann damit meinte, rutschte jedoch immer weiter ins Wohnzimmer. Das ungute Gefühl verstärkte sich immer mehr und in Kai stieg eine dunkle Ahnung auf. „Ganz sicher. Ich habe sie heute Morgen unauffällig darüber ausgefragt. Sie sind hier irgendwo im Haus, aber ich weiß nicht wo. Der Bengel hat sie gestern nach oben gebracht. Angeblich in die jeweiligen Schlafzimmer, aber ich habe dort nichts gefunden.“ Ein Ruck ging durch Kais Körper und er stand auf, sobald er im Wohnzimmer ankam. Das schnurlose Telefon lag auf dem Couchtisch und, ohne darüber nach zu denken, war Kai zutiefst erleichtert, dass es Ray gewesen war, der als Letzter damit telefoniert hatte. Tyson oder Max hatten die Angewohnheit es zu verschludern und Kenny nahm es grundsätzlich mit in sein Zimmer, wo es liegen blieb, bis es wieder gebraucht wurde. Bevor er jedoch die Nummer der Polizei eintippen konnte, wurde er schmerzhaft am Oberarm gepackt und herum gewirbelt. Das Telefon rutschte ihm aus der Hand, als er verschreckt in das breite Gesicht Yamas blickte. Der große Mann hatte sich zu ihm hinunter gebeugt und zog den Kleinen nun noch näher an sich heran. „Was hattest du denn vor, Kleiner?“ wurde er höhnisch gefragt. Kai wusste, dass es besser für ihn wäre den Mund zu halten, allein schon deshalb, da er sowieso nicht wusste, was der Mann meinte. Aber Kai wäre nicht Kai, wenn er auf dieses Wissen gehört hätte. „Ich hatte vor ne Pizza zu bestellen.“ Als er ein Brennen auf seiner Wange spürte, wusste er, dass der Mann keinen Humor besaß. Jedenfalls nicht in dieser Situation. „Unverschämtes Balg. Ich frage dich noch einmal. Wo sind sie?“ „Ich weiß noch nicht mal was Sie meinen.“ Falsche Antwort. Das wurde Kai klar, als er die zweite Ohrfeige bekam. „Die Blades deiner Freunde und das deines Bruders.“ Schockiert schaute Kai in die blauen Augen seines Gegenübers, dachte allerdings nicht daran, aufzugeben. „Ich habe keinen Bruder.“ Brüllte er dem Mann entgegen, der damit nicht gerechnet hatte. Der Griff lockerte sich und sofort wurde die Chance von Kai genutzt, indem er den Mann von sich wegschubste und aus dem Wohnzimmer rannte. Bevor Hina reagieren konnte, war der kleine Junge in der oberen Etage angekommen und rannte in sein Zimmer. Blitzschnell warf er die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss herum. So schnell würden die Beiden hier nicht reinkommen. Kai lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und wischte sich über das Gesicht. Er hatte vergessen die Blades aus dem Schrank zu holen. Die Säuberungsaktion und die verstopfte Toilette waren in diesen Momenten einfach wichtiger gewesen und da sie bis spät abends gebraucht hatten, wurde das abendliche Training verschoben. Kai stürmte zu seinem Schrank und wühlte in seinen Pullovern. Ray würde ihn zwar für dieses Chaos schelten, aber schlimmer wäre es, wenn die Diebe ihre Blades bekommen würden. Nacheinander fand er Dragoon, Draciel und Driger. Dranzer hatte er sowieso immer bei sich. Er verstaute die Blades in einen kleinen Rucksack, den Ray sonst benutzte. Er drehte sch panisch um, als er ein lautes Gebrüll vor der Tür hörte und die ersten, starken Schläge das Holz erzittern ließen. Kai bekam Angst. Er war hier gefangen und die Tür würde auch nicht mehr lange halten, wenn Yama die Kräfte nicht verlassen würden. Das Zimmer besaß kein Telefon und mit dem Computer wusste Kai noch nichts anzufangen. Der Gedankenblitz traf ihn, als er auf den Balkon blickte. Der Baum, der daneben im Garten stand, war zwar noch nicht so hoch wie der Balkon, aber es war zu schaffen. Schnell zog er die Schiebetür auf und trat hinaus. Ohne Schuhe und Jacke würde er sich hier draußen schnell erkälten und bei der Kletterei könnte er sich den Hals brechen, aber er schob das einfach von sich. Er würde nicht zulassen, das Hina und ihr Freund die Blades bekämen. Kurz fragte er sich, was die Beiden eigentlich mit ihnen wollten, konzentrierte sich aber lieber wieder auf das vor ihm Liegende. Als er auf die Balkonbrüstung stieg, vermied er es nach unten zu schauen. Es war nicht wirklich tief, aber er war ja auch nicht gerade groß. Kai verfluchte in diesem Moment seine geringe Körpergröße und stieß sich ohne zu überlegen ab. Er hatte nicht genug Schwung und wäre beinahe abgestürzt, wenn er nicht reflexartig nach einem der letzten Äste gegriffen hätte. Tränen schossen ihm in die Augen, als die Rinde die Haut seiner Hände abschürfte. Mit letzter Kraft zog er sich den Ast hinauf und setzte sich rittlings hin, um kurz tief Luft zu holen und um sich zu beruhigen. Das wäre fast schief gegangen. Nachdem seine Knie aufgehört hatten zu zittern, begann er an dem Stamm hinab zu klettern. Mit seinen schmerzenden Händen war das nicht leicht, aber durch seinen unfreiwilligen Flug, war er näher am Boden als geplant. Trotzdem brannten seine Hände fürchterlich und bluteten, als er unten ankam. Gerade, als er den ersten Fuß auf die Erde stellte, hörte er über sich ein fürchterliches Splittern. Yama musste die Zimmertür aufgebrochen haben. Ohne sich noch einmal um zu drehen, rannte er auf die Hecke zu und drückte sich einfach durch die Äste. Hinter sich konnte er noch ein frustriertes Aufbrüllen vernehmen, dann war er endlich an der Straße angelangt. Fröstelnd blieb Kai stehen und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Seine Kleidung war an manchen Stellen eingerissen, was die Kälte ungehindert an seine Haut ließ. Aber darum konnte er sich jetzt auch nicht kümmern. Er musste schauen, wo er Hilfe herholen konnte. Zu seinem Unglück war auf den Straßen niemand unterwegs. Sie waren entweder alle arbeiten oder in der Schule. Wenn er nur wüsste wie spät es ist, dann könnte er sich verstecken und auf den Klempner warten. Aber, wenn das noch Stunden dauern würde, wäre die Kälte nicht aus zu halten. Dann doch lieber laufen und sich mit Bewegung einigermaßen warm halten. Dunkel erinnerte er sich, wo die Schule der Bladebreakers war. Vielleicht hatte er auch das Glück, dass er vorher Jemanden traf, der ihm helfen würde. Tapfer lief er in die Richtung, in die Max und die Anderen heute Morgen verschwunden waren. Bei den zwei Mal, die er ebenfalls in der Schule war, hatte er nicht wirklich auf den Weg geachtet. Kais Glück war anscheinend schon vollkommen aufgebraucht, da ihm kein Mensch entgegenkam. Erst, als er nach zehn Minuten Fußmarsch aus dem Vorort heraus war, liefen ihm welche über den Weg. Leider wurde er nicht beachtet. Sie hielten ihn wahrscheinlich für einen Rumtreiber. Kai schaubte. Er war erst drei Jahre alt und wurde trotzdem gemieden. Er war verletzt, hatte keine Schuhe an und sein Pullover und seine Jeans waren zerrissen und keiner kümmerte sich um ihn. Das war echte Nächstenliebe. Der Einzige, der den kleinen Russen beachtete, war ein Mann, den Kai absolut gar nicht sehen wollte. Er drehte sich blitzschnell um, als er einen Schrei hörte und blieb vor Schreck stehen. Am Ende der Straße stand Yama und er zeigte mit dem Finger auf ihn. So schnell Kai konnte, rannte er los. Die Schule musste doch hier in der Nähe sein. Er sah sie, als er um die nächste Ecke bog. Erleichternd aufatmend spornte Kai sich noch einmal an und rannte durch das Tor. Er sah, dass eine Frau aus der Eingangstür der Schule trat und wollte gerade schreien, als er von irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und hinfiel. Seine verletzten Hände protestierten und fingen wieder an zu bluten und auch seine Knie waren aufgeschürft. Erschrocken blickte er hinter sich und sah geradewegs in Yamas Gesicht, das ihn fies angrinste. Kai keuchte und versuchte sich auf zu rappeln, aber er war mit seiner Kraft am Ende. Brutal wurde er am Kragen gepackt und herumgedreht. „So, hier ist jetzt Ende, du kleines Miststück. Ich muss zugeben, dass du schon ganz schön mutig für dein Alter bist, aber du hast keine Chance. Also her mit den Blades.“ Fordernd streckte der Mann die Hand aus und zog mit der anderen Hand, Kai an dessen Oberarm zu sich. Wieder traten Tränen in die rot- braunen Augen. Nicht nur aus Schmerz, sondern auch aus Enttäuschung. Er war so weit gekommen und nun dies. Seine Knie gaben unter dem kleinen Körper nun endgültig nach und er wurde nur noch von dem stahlharten Griff gehalten. Ein scharfer Schmerz schoss durch Kais Schulter und ließ ihn ungewollt leise aufschreien. Seine Sicht wurde unschärfer und er würde nicht mehr lange gegen die Ohnmacht ankämpfen können. Trotzdem krallten seine Finger sich in den Stoff des Rucksackes, nicht bereit, diesen her zu geben. Entfernt hörte er eine weibliche Stimme irgendwas rufen, dann wurde alles schwarz und er ließ sich fallen. Tumult, der von draußen kam, ließ Ray aufschrecken. Er war doch tatsächlich in Japanisch eingeschlafen! Jedoch war sein Lehrer beschäftigt und hatte es nicht bemerkt. Er beobachtete wie Herr Sakatzi hinaus auf den Flur trat und sich umsah. Kurz darauf ertönte die Stimme des Direktors aus den Lautsprechern. „An alle Lehrer und Schüler. Aus bestimmten Gründen ist es Ihnen untersagt, in der Pause das Gebäude zu verlassen.“ Das war alles. Ray blickte sich um. Auch Tyson, Max und Kenny sahen sich verwirrt an. Erst, als Sirenen laut wurden, sprang die Klasse auf und drängte zum Fenster. Die Bladebreakers konnten ungehindert auf die Zufahrt blicken. Rays scharfe Augen weiteten sich, als er zwei Personen erkannte. „Kai.“ Hauchte er und wirbelte zu Tyson herum, der es trotzdem gehört hatte. Sie packten Max und Kenny und rannten zur Tür. „Hey, wo wollt ihr hin?“ brüllte ihnen ihr Lehrer hinterher. Sie achteten nicht darauf und sprinteten zum Ausgang. Ohne aufgehalten zu werden, erreichten sie den Pulk und drängten sich nach vorne. Mit Schrecken erkannten sie, dass einer der Sanitäter, Kai auf dem Arm hatte und dieser anscheinend schlief. Ray zog scharf die Luft ein, als er Kais Zustand erkannte. Seine Kleidung war zerrissen und dreckig, seine Hände und Knie bluteten, die rechte Wange schimmerte blau und der Rest des Gesichtes war zerkratzt. Was war hier nur passiert? „Hey, Kinder, was macht ihr hier?“ Einer der Polizisten schritt auf sie zu. Ray versuchte sich zu beruhigen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie mussten trotz alledem bei ihrer Geschichte bleiben. „Wir kennen den kleinen Jungen. Das ist der Bruder eines Teamkameraden von uns. Wir sind für ihn verantwortlich.“ Rays Stimme zitterte. Er beobachtete beim Sprechen, wie der Sanitäter sich mit Kai abwandte und ihn in den Krankenwagen brachte. „Kenji, das geht in Ordnung.“ Ein Zweiter Polizeibeamter war zu der kleinen Gruppe getreten und lächelte das Team warm an. „Ich kenne sie. Das sind die Bladebreakers. Sie sagen die Wahrheit.“ Erstaunt zog Kenji die Augenbrauen hoch. „Woher kennst du sie denn?“ „Ach, mein Sohn ist ganz verrückt nach Beyblade und kennt daher natürlich auch die Weltmeister. Und, wenn du dir stundenlang irgendwelche Kämpfe ansehen musst, bleibt es auch nicht aus, dass du auch irgendwann weißt, wer jeder Einzelne von ihnen ist. Der kleine Junge ist der Bruder von Kai Hiwatari.“ Kenji nickte daraufhin nur und sprach kurz mit dem Fahrer des Krankenwagens. „Ich bringe euch später zu dem Krankenhaus. Erst werden wir jedoch zusammen aufs Revier fahren müssen. Ich brauche eine Zeugenaussage von euch allen.“ Ray schaute erschrocken. „Moment, wir waren doch in der Schule. Wir haben das doch alles erst nach Ihnen bemerkt.“ „Ja, das mag so stimmen, aber wir haben eine gewissen Hina Akamishi festgenommen und sie hat nur gesagt, dass sie die Babysitterin ist, die ihr engagiert habt.“ Jeden der Bladebreakers klappte die Kinnlade hinunter, jedoch beeilten sie sich, als die beiden Polizeibeamten sie zu sich riefen und stiegen ohne ein Wort in die Streifenwagen. Die Befragung dauerte nicht wirklich lange, da sie währenddessen zusammen bleiben konnten und jeder etwas dazu sagte. Es war auch nur wenig, da sie mit Hina nicht sehr viel zu tun gehabt hatten. Sie konnten der Polizei nur erzählen, dass sie bei dem „Einstellungsgespräch“ sehr freundlich und warmherzig gewirkt hatte. Der Polizist hielt sein Versprechen und sorgte dafür, dass sie ins Krankenhaus kamen, wo sie Kai schon abholen konnten. Der kleine Junge sprang strahlend vom Bett, als die Bladebreakers in das zugewiesene Zimmer eintraten. Er trug die typische Krankenhauskleidung, seine linke Gesichtshälfte war jetzt sogar schon leicht angeschwollen und er trug den rechten Arm in einer Schlinge. Ray nahm ihn hoch und strich dem Kleinen vorsichtig ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Kai, was ist denn nur passiert?“ Dieser schüttelte nur den Kopf und schmiegte sich enger an den jungen Chinesen. Der Arzt trat kurze Zeit später ein und übermittelte ihnen die Diagnose. „Es ist nichts Ernstes. Ein paar Kratzer, blaue Flecken, aufgeschürfte Hände und Knie und eine ausgekugelte Schulter. Er soll die Schlinge heute und morgen noch tragen, danach sollte er den Arm schmerzlos wieder bewegen können. Selbst nach dem Einrenken ist das Gelenk noch gereizt. Auch sollte er das Bett hüten. Er war leicht unterkühlt und es könnte sein, dass er sich erkältet hat. Wir nahmen an, dass er noch nicht älter als vier Jahre ist und haben deshalb die Krankenversicherung von Kai Hiwatari in Anspruch genommen.“ Ray nickte. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass sie ja keine Papiere für den kleinen Jungen hatten. Nach dem Arzt betrat ein junger Polizeibeamter den Raum, der Kai anlächelte und ihm einen kleinen Lutscher reichte. „Kommt Kinder, wir bringen euch nach Hause.“ Ray schaute verwirrt um sich und traf genau auf die braunen Augen des Sprechers. „Muss Alexander denn nicht noch eine Aussage machen?“ Der Polizeibeamte lächelte zu dem kleinen Jungen, der sich mit leuchtenden Augen voll und ganz dem Lutscher widmete. „Nein, das hat er schon gemacht, kurz nachdem die Behandlung zu Ende war.“ Kai stockte und zappelte nun auf Rays Armen, bis dieser ihn runter ließ. Der kleine Junge ging zu dem Bett und zog einen kleinen Rucksack unter diesem hervor. Etwas klapperte darin. „Kai, was soll das? Du hast keine Jacke und Schuhe angezogen, aber einen Rucksack mitgenommen?“ Kommentarlos reichte Angesprochener den Rucksack an Ray weiter. Dessen Augen weiteten sich erschrocken, als er den Inhalt sah. Dort lagen ihre Blades! Alle Vier. „Ich denke, du hast viel zu erzählen, wenn wir wider zu Hause sind.“ Sagte Tyson, als auch dieser einen Blick in den Rucksack geworfen hatte. Ray nahm Kai wieder auf den Arm, nachdem dieser nur matt genickt hatte und anscheinend wieder müde wurde. Zu Hause angekommen, sahen sich die drei begleitenden Polizeibeamten im Haus um. Viel war nicht zu sehen, außer der eingeschlagenen Tür von Rays und Kais Zimmer. Ray brachte den kleinen Russen in Tysons Bett und ließ ihn schlafen, während das restliche Team die Trümmer wegräumten. Als der junge Chinese auf den kleinen, schlafenden Körper blickte, nahm er sich im Stillen das Versprechen ab, ab sofort auf ungute Gefühle zu hören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)