kyoosha - leading heartbeat von ivy-company (Auf der jeweils eigenen Seite der Grenze...) ================================================================================ Kapitel 3: Für alle anderen. ---------------------------- Kapitel 3 Für alle anderen. Aber entgegen meiner Erwartungen zog er mich, als wir im Eingangsbereich angekommen waren, nicht in eines der Zimmer, in denen sich die anderen aufhielten. Nein, Kai ging ohne Umwege zur Haustür und öffnete diese. „Was hast du vor?“, fragte ich, als mir die frische Nachtluft entgegenwehte. Ohne zu antworten zog mich Kai weiter auf ein Auto zu. Sein Auto. „Wir gehen jetzt!“, meinte der Größere nur und ließ mich los, um in seinen Taschen nach etwas zu suchen. Wahrscheinlich nach seinem Autoschlüssel. Mein Herz machte erneut einen Hüpfer, doch ich riss mich zusammen. Der Jüngere war angesäuert und frustriert. Das bedeutete allerdings nicht, dass er es am nächsten Tag nicht bereuen würde, seine Band einfach so allein gelassen zu haben. „Kai, bist du sicher, dass du nicht wieder rein willst?“, fragte ich sanft. Der Angesprochene sah mich fassungslos an. „Einer der Idioten hat mein Geld geklaut!“ „Ja, schon, aber warum lässt du das denn an deiner Band aus? Du weißt doch gar nicht, ob es einer von ihnen war.“ Ich wollte diese Worte nicht aussprechen, aber ich musste es tun. Ich wollte nicht, dass Kai später von Schuldgefühlen heimgesucht wurde. Dafür war er mir viel zu wichtig. „Es geht mir auch gar nicht ums Geld allein“, meinte Kai verzweifelt. „Es geht darum, dass ich anscheinend der Einzige bin, der seine Bedürfnisse immer hinten anstellen muss, zum Wohle der anderen. Ich weiß, dass es Ruki nicht böse meint, wenn er mich fragt, ob ich mit seinem Hund Gassi gehe oder wenn Uruha und Aoi mich nachts darum bitten, dass ich sie aus einer Kneipe abhole, weil sie zu besoffen sind, um nach Hause zu finden, aber manchmal habe ich das alles so satt! Nur einmal möchte ich machen, was ich will. Was mir gut tut!“ Fahrig leckte sich Kai über die Lippen und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. Er atmete einige Male tief durch, um sich von seinem kleinen Gefühlsausbruch zu erholen, was ihm nicht zu gelingen schien. „Und wo ist dieser verdammte Schüssel!?“ Ohne ein Wort zu verlieren, ging ich auf meinen Freund zu und griff ihm in die rechte Hosentasche - die Tasche in der Kai immer seinen Autoschlüssel aufbewahrte und in die er immer als letztes schaute. Ich drückte auf den kleinen Knopf und schon blinkten die Lichter von Kais Auto auf. „Gehen wir“, meinte ich nur und sah den Jüngeren entschlossen an. Dieser war anfangs kurz überrumpelt, schien sich dann allerdings wieder zu fangen. Schnell klaute er mir die Autoschlüssel aus der Hand und öffnete dann lächelnd die Beifahrertür. „Kleine Spritztour gefällig?“ Ich schmunzelte und nickte, bevor ich mich ins Auto setzte. Nichts lieber als das. Kai wusste gar nicht, wie sehr ich mich auf diese kleine Spritztour freute. Ich beobachtete ihn dabei, wie er die Beifahrertür zuwarf und anschließend um das Auto herumging, um sich auf den Fahrerplatz zu setzen. „So. Und wohin fahren wir jetzt?“ „Wie gesagt... wir können zu mir fahren und nen Tee trinken...“ Ja, das taten wir öfter. Tee trinken und einfach nur reden. Und für mich gab es kaum einen Moment in meinem Leben, in dem ich mich wohler fühlte. Außer vielleicht, wenn ich hinter meinen Drums sitzen und die Welt mit all ihren Lastern vergessen konnte. Aber das war eine völlig andere Art von Wohlfühlen. Mit Kai zusammen war es viel... wärmer. „Warte mal...“ Gerade als wir auf den Hof meines Apartments fuhren, fiel es mir ein. „Du hast getrunken. Und bist Auto gefahren.“ „Aber wir sind heil angekommen!“ Kai grinste mich mit seinem typischen Grinsen an, sodass ich ihm einfach nicht böse sein konnte. „Kein Grund sich aufzuregen“, meinte er noch, während er den Wagen parkte. Ich wollte noch etwas sagen, den anderen doch ein wenig zurechtweisen. Wer wusste, wie oft Kai fuhr, wenn er getrunken hatte? Der Gedanke gefiel mir nicht und schon gar nicht, wenn es eine Gewohnheit von ihm war. Kai brachte sich dadurch nur selbst in Gefahr. Mir wurde fast schlecht, als ich daran dachte, was wäre, wenn ihm etwas passieren würde. Aber er war schon ausgestiegen und hatte die Beifahrertür geöffnet. „Jetzt komm schon. Nao... Mir wird langsam kalt.“ Was sollte ich auch tun? Das ließ sich auch drinnen klären. Bei einer Tasse Tee. Während wir redeten. Mein Apartment lag im ersten Stock. Wir waren gerade unsere Schuhe losgeworden, als ich spürte, wie Kai an mir vorbei ins Wohnzimmer zu meiner Linken ging. Nein, ich musste ihn nicht extra darum bitten, Platz zu nehmen. Kai war so oft hier, dass er sich hier fast schon wie bei sich zu Hause fühlen musste. Und ja, mir gefiel der Gedanke, dass er sich hier irgendwie Zuhause fühlte. Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte ich mich nach rechts und ging in die Küche, wo ich Wasser aufsetzte. Während ich darauf warte, dass das Wasser warm wurde, machte ich einen Schritt zurück und lehnte mich dort an den Küchenschrank, Unbewusst wanderte mein Blick dabei zu Kai, den ich von hier aus im Wohnzimmer sehen konnte. Der Schwarzhaarige hatte sich auf mein Sofa niedergelassen und lehnte entspannt den Kopf zurück. Ich genoss es zu sehen, wie perfekt Kai in das Bild meiner Wohnung passte. Der Arm des Jüngeren, lag auf der Lehne so als wäre sie nur für ihn gemacht worden. So als hätte ein Teil von mir schon beim Kauf meiner Einrichtung gewusst, dass mein gesamtes Inventar nur dem Ziel dienen sollte, dass sich Kai bei mir wohl fühlte. Und das tat er sichtlich. Kai hatte mir einmal gestanden, dass er mindestens die Hälfte seiner unangekündigten Besuche gar nicht mit vollem Bewusstsein tätigte. Je stressiger der Arbeitstag gewesen war, desto wahrscheinlich war es, dass sich Kai nicht vor seiner eigenen, sondern vor meiner Tür wiederfand. Als der Jüngere mir das gebeichtet hatte, hatte sich eine angenehme Wärme in meinem tiefsten Inneren entfaltet. Ich war glücklich über das Vertrauen gewesen, welches Kai scheinbar in mich und unsere Freundschaft steckte. Doch schon damals hatte ich geahnt, dass es mehr war. Es war mehr gewesen als das einfache Wissen, einem guten Freund etwas zu bedeuten. Die Befriedigung war tiefer, die Zufriedenheit größer als sie bei dem kleinen Geständnis hätte sein sollen. Die Worte eines Freundes sollten einen nicht in den Schlaf begleiten. Die Blicke sollten einem keinen wohligen Schauer bereiten. Die flüchtigen Berührungen sollten sich nicht in die Erinnerung einbrennen, sodass man nachts von ihnen träumte. Ich hatte es geahnt, bevor es überhaupt viel zu ahnen gab, doch schon damals war es zu spät gewesen. Ich hatte mich in Kai verliebt. Nicht Hals über Kopf. Es war ein langer Prozess, der das Kribbeln in meinem Herzen von Tag zu Tag intensiviert, es allerdings auch immer mit einem Beigeschmack begleitet hatte. Der Beigeschmack der Unmöglichkeit. Ich hatte es Kai angesehen. Auch in dem Jüngeren schien eine Veränderung vorzugehen, auch wenn ich anfangs betete, dass ich es mir nur einbildete. Eine einseitige Liebe war viel leichter zu ertragen, als zusammen eine erwiderte aber unerfüllbare Liebe überwinden zu müssen. Aber genau das schien nun unser Schicksal zu sein. Die Blicke, die wir uns zuwarfen wurden von Tag zu Tag länger. Die Berührungen immer sanfter und zahlreicher. Die Anspielungen wurden zu kleinen Geständnissen der Zuneigung. Einer dieser Blicke war der, den mir Kai in diesem Moment schenkte. Ich dachte gar nicht daran, dass ich ihn schon wieder anstarrte. Und selbst wenn, es war mir in diesem Moment völlig egal. Er hatte seinen Kopf ein wenig gedreht und sah mich mit dieser Art Lächeln an, bei der ich zergehen konnte. Ich würde alles dafür tun, damit dieses Lächeln nicht noch einmal verblasste. Ein einziges Mal hatte ich es erleben müssen. An einem Tag hatte ich wirklich gedacht, Kai würde nie wieder lächeln, so verzweifelt war er gewesen. Wahrscheinlich nicht verzweifelter als ich selbst, aber es hatte mir so weh getan, ihn so zu sehen. Am Boden zerstört, weil er keinen anderen Ausweg gesehen hatte. Kai, derjenige, der immer für alles einen zufriedenstellenden Ausweg fand. Aber an diesem Tag hatte es nur einen Ausweg gegeben. Und wir hatten ihn zusammen gewählt. Uns einstimmig dafür entschieden. Ohne Wenn und Aber. Weil wir dachten, es wäre das Beste. Aber das Beste für wen? „Für alle.“ Das war meine Antwort gewesen und damit hatten wir diese Frage auf sich beruhen lassen. Wahrscheinlich deshalb, weil wir beide wussten, dass wir uns damit belogen. Ja, es war wirklich das Beste für alle. Für alle anderen. Als ich der Meinung war, dass das Wasser so langsam die richtige Temperatur haben musste, wandte ich meinen Blick ab und machte den Tee fertig, bevor ich ihn in zwei Tassen verteilte. Diese stellte ich zusammen mit ein wenig Knabberzeug und Zucker – ja, Kai trank seinen grünen Tee, anders als die meisten Japaner, mit Zucker – auf ein kleines Tablett, mit dem ich ins Wohnzimmer ging. Er rutschte gleich ein wenig zur Seite, um mir Platz zu machen, aber wenn ich ehrlich war, wollte ich gar nicht mehr Platz. Ich wollte mich so nah es nur ging neben ihn setzen. Seine Nähe genießen. Doch ich ließ es mir nicht anmerken, stellte das Tablett auf den kleinen Wohnzimmertisch und setzte mich anschließend auf die Couch. Ich sah Kai dabei zu, wie er Zucker in seinen Tee gab und immer wieder leicht in die Tasse pustete, während er mit einem Löffel die grüne Flüssigkeit verrührte. Auch ich nahm meine Tasse in die Hand und nippte daran, dem Jüngeren immer wieder verstohlene Blicke zuwerfend. Er sah so friedlich aus, wie er da auf meiner Couch saß und langsam in eine Traumwelt abdriftete. Oft saßen wir minutenlang so da. Er sah verträumt ins Nichts und ich sah verträumt zu Kai. Über was er wohl nachdachte? Manche Blicke hatte ich mit der Zeit zu interpretieren gelernt. Wenn er angestrengt die Augenbrauen zusammenzog, ging es meistens um Songs. Wenn er begann auf seiner Unterlippe herum zu kauen bis sie fast aussah wie rotgeküsst und den ganzen weiteren Abend meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, dann dachte er über die Band nach. Nur wenn er, so wie jetzt, leicht lächelnd in den Raum hineinsah, wusste ich nicht, was in seinem Kopf vorging. Manchmal wünschte ich mir, dass ich es war, der dieses Lächeln auf sein Gesicht zauberte, doch rief ich mich dann selbst zu Vernunft. Selbst wenn ich der Grund für diesen unglaublichen Anblick wäre, so wäre das nichts, worauf ich stolz sein könnte. Es war egoistisch von mir, zu hoffen, dass Kais Gefühle für mich nur halb so stark waren, wie meine für ihn. Denn schon das musste unerträglich sein. „Ist das ein neuer Song?“, ertönte Kais sanfte Stimme und riss mich damit aus meinen Gedanken. Dieses Mal war ich wohl derjenige gewesen, der in eine Traumwelt abgedriftet war. Erst als ich sah, wie der Jüngere neben sich deutete, begriff ich. Dort lagen ein paar Notenblätter auf einer alten Trommel, die neben dem Sofa stand und die ich gern als Ablage missbrauchte, wenn mein Couchtisch mal wieder überfüllt war. „Ja, ist es, aber ich hab da noch ein paar Probleme. Es passt einfach noch nicht richtig zusammen.“ „Darf ich?“ Fragend hob Kai den Papierstapel an und ich nickte ihm lächelnd zu. Wir halfen uns oft gegenseitig bei den Songs, wenn einer von uns nicht weiter wusste, und meistens brachte das die Lieder wirklich weiter. Es war wie eine kleine Muse, die einem den entscheidenden Hinweis, der zur Fortsetzung half, ins Ohr flüsterte. Meine Muse saß gerade neben mir und sah sich die Blätter an, auf die ich Noten und Anmerkungen geschrieben hatte. Gut, dass sich Kai schnell an meine schreckliche Schrift gewöhnt hatte. „Wie wärs, wenn ab hier die kleine Trommel für...“ Er überflog schnell das Blatt, ehe er nickte. „... für 7 Takte einsetzt?“ Er deutete auf eine Stelle, die ich mehrmals überarbeitet hatte. „Das hab ich schon ausprobiert. Aber dann kommen sich die Bassstimme und die Drums hier in die Quere, weil hier die Taktart wechselt.“ Ich hatte auch schon mit den anderen an diesem Song gesessen. Eigentlich ging es nur noch um den Feinschliff, aber gerade der wollte mir nicht gelingen. Es war wirklich zum Verzweifeln. Seit Tagen brütete ich schon darüber, deshalb war ich unheimlich froh, dass Kai nun angeboten hatte, sich das Ganze mal anzusehen. „Und wenn in dem Takt...“ Er deutete auf der zweite Seite auf die Stelle, die ich ihm eben als Problemstelle gezeigt hatte. „...einfach alle Instrumente aussetzen? Wenn nur Shou singt? Dann gibt es kein Problem zwischen Drums und Bass und ihr setzt einfach im zweiten Takt wieder ein.“ Ich starrte auf das Blatt. Sah mir genau die besagten Stellen an und ging die Bassstimme im Kopf durch, während ich wie automatisch mit den Händen auf die Tischkante klopfte, um es auszuprobieren. „Warte warte...“, hielt mich Kai allerdings auf und legte das Notenblatt auf den Couchtisch. „Hier kannst du statt Viertel vier Achtel spielen.“ Dann rutschte er selbst auf dem Sofa nach vorne und klopfte mir die Takte auf der Tischkante vor. Anschließend griff ich wieder nach dem Papier und ging das Ganze noch mal in der Theorie durch. „Hört sich gut an!“, meinte ich erst zögernd, nickte dann aber. „Doch... Das ist gut!“ Um es mir besser vorstellen zu können, begann ich wieder, meinen Sofatisch als Drumset zu missbrauchen. Konzentriert sah ich auf das Notenblatt. Es hörte sich wirklich gut an! Zumindest das, was sich in meinem Kopf abspielte. Mein kleines Gedankenkonzert wurde von Kais Lachen sanft durchbrochen. „Was ist?“, fragte ich ihn, selbst grinsend. Sein Lachen war einfach zu ansteckend. „Du bist zu langsam!“ meinte er lächelnd. Ich sah ihn mit gespielter Empörung an. „Das bin ich gar nicht!“, verteidigte ich mich trotzdem. So etwas konnte ich als eingefleischter Drummer doch nicht auf mir sitzen lassen! Kais Einstellung schien bei dem Thema ähnlich zu sein. „Doch bist du. Deine Vierteltakte kommen viel zu langsam. Schau, so muss sich das anhören.“ Auch er begann neben mir auf den Tisch zu klopfen. Zwar war er nur eine Millisekunde schneller als ich, doch ich hörte den Unterschied deutlich heraus. „Du bist zu schnell!“, gab ich stur zurück und klopfte weiter im richtigen Rhythmus auf den Tisch. Von Kais Getrommel ließ ich mich nicht weiter stören. „Quatsch, ich bin nicht zu schnell. Hör doch mal!“ Schon begann er "Ride with the Rockers" auf meinem Tisch zu spielen, um mir zu beweisen, dass er das bessere Taktgefühl hatte. Was natürlich nicht stimmte! „Was ist denn heute mit dir los, Kai? Bist du so aufgekratzt, dass du nicht mal mehr vier Viertel hinbekommst?“, neckte ich den Jüngeren, der unverdrossen meinen Tisch weiter bearbeitete. „Also eigentlich halte ich dich für einen sehr guten Schlagzeuger, aber heute bist du eine Schlaftablette. Vielleicht hätten wir lieber Kaffe statt Tee trinken sollen?“ Kai grinste mich verschmitzt an. Ich riss im gespielten Schock den Mund bei seiner frechen Bemerkung auf und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Wenn du so weiter machst, hol ich gleich mein Metronom raus!“ Kaum hatte der Satz meinen Mund verlassen, war mir klar, dass die Formulierung nicht gerade günstig gewesen war. Ich glaubte zu hören, wie Kai bei meinen Worten kurz aus dem Takt kam, bevor er sein Getrommel völlig einstellte. _______________________________ Wir wünschen euch allen (achtung, wers nich hören will, einfach diesen satz überlesen xD) schöne Weihnachten ^^ Und freuen uns natürlich über jedes einzelne kommi! >___< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)