Eisprinzessin von wesaysummer ================================================================================ Kapitel 1: Eisprinzessin ------------------------ „Ich hasse mein Leben, ich hasse mein Leben, ich hasse mein Leben!“, fluchte ich, während ich um Balance rang. Lachen drang an mein Ohr und erinnerte mich daran, dass es etwas gab, was noch schlimmer war als meine bedauernswerte Existenz. „Am aller-, aller-, allermeisten hasse ich dich, du fieser Verräter von Freund! Warum tust du mir das an? Und warum kann ich mich nicht wehren?“ Mit zitternden Knien hielt ich mich an der Bande fest, während sich vor mir alle köstlich auf dem halsbrecherischen Grund amüsierten. Alle, außer mir. Eis gehörte in eine Waffel, plus Geschmack – vorzugsweise Vanille – aber zur Hölle nochmal nicht unter meine Füße! Und doch stand ich jetzt hier, auf wackligen Beinen, in einer überfüllten Eislaufhalle, und alles nur wegen ihm. Besagter bester Freund grinste immer noch und sagte mit unschuldigem Lächeln: „Weil du mich liiiebst. Du willst es nur nicht zugeben.“ Dabei kam er mir und meinem Gesicht, das nun ein mehr als erschrockener Ausdruck zierte, immer näher. „Weg!“, quietschte ich. „Du bist die Inkarnation Satans, bevor ich was mit dir anfange, friert die Hölle zu.“ Wobei, das hier war meine persönliche Hölle, und es war eisig. Verdammt. „Schlechter Vergleich, vergiss es. Die Message zählt!“ Pete sah aus als könne er sich nur schwer das Lachen verkneifen. „Jetzt komm schon, hör auf zu heulen. Wir sind hier, ich habe es mit meiner unwiderstehlichen Überzeugungskraft geschafft, dich auf’s Eis zu befördern, dann kannst du auch was draus machen.“ Lustiger Geselle. „Ich kann mich aber nicht bewegen.“, jammerte ich. Er verdrehte die Augen, doch grinste dabei. „Dann komm, mein kleiner Hasenfuß. Ich helf dir.“ Und so machte ich erste wacklige Schritte, meine Hände fest in Petes Arm gekrallt. ‚Oh Gott, wenn mich meine Teamkameraden jetzt sehen könnten… Ihr äußerst männlicher, immer kompetenter Torwart scheitert an einer Runde Eislaufen. Wie peinlich!‘, ging es mir durch den Kopf und ich änderte meine bisher ungewöhnlich blasse Gesichtsfarbe in einen satten Rotton. Nach einigen Runden waren sogar leichte Fortschritte zu erkennen. Petes Arm hatte ich wieder losgelassen, nachdem er meinte, seine Finger würden gleich an Blutmangel verrecken, und gerade war ich meine erste Runde gelaufen, ohne mich hinzulegen. Gut, nur sehr langsam, aber hey – ich wollte nicht Eisschnellläufer werden, sondern diesen Nachmittag einfach nur ohne Blessuren überleben. „Hey, du stehst ja immer noch.“, lachte Pete und kam mit einer eleganten Drehung neben mir zum Stehen. „Ach, fick dich.“, murrte ich, konnte dann aber mein triumphierendes Grinsen nicht mehr verbergen. „Ich bin ne ganze Runde gelaufen. Da guckste, was?“ „Jaja, hast du ganz toll gemacht. Du Held, der du diese überaus schwierige Aufgabe gemeistert hast.“, lachte mein sogenannter bester Freund. Aber nicht mit mir. Diesmal würde er das zurückbekommen. Machte sich auch noch über meinen Erfolg lustig, das Schwein! „Na warte…“, knurrte ich und stolperte los, in der Hoffnung ihm wehzutun. Kurz bevor ich ihn erreichte, zog es mir allerdings das Bein weg und ich legte einen halben Spagat hin. „Waah!“, machte ich und schnappte nach Petes Hand. Dieser half mir unter Lachkrämpfen wieder auf. „Mein Gott, Nils! Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so absolut untalentiert ist wie du.“ Ja, wusste ich. „Ich wollte ja nicht hier hin, du hast mich gezwungen.“, warf ich ihm vor. „Ich hasse das Eis und das Eis hasst mich! Es ist böse.“ Pete schüttelte den Kopf. „Willst du dich raus setzen?“, fragte er süffisant. „Sonst verkühlt sich die Eisprinzessin noch das werte Hinterteil.“ WAS? Meine Gesichtszüge entgleisten mir sehr unprinzessinnenhaft, während er laut lachte und wieder losfuhr. Das war der Overkill. Ich setzte ihm nach, diesmal ohne das leichteste Stolpern und beschleunigte. Ha! Wenn man schnell fuhr, war das ja ganz einfach! Ein fieses Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, als ich Petes Rücken anvisierte und nochmal einen Zahn zulegte. Na warte, du hinterhältiger, blöder, - OH SCHEISSE! Meine Augen wurden schätzungsweise so groß wie Untertassen, als ich bemerkte, dass zwischen mir und meinem Opfer jetzt eine Gruppe Jugendlicher stand. Scheiße, scheiße, scheiße, wie bremste man bloß?! Panisch schrie ich auf, als ich frontal in die Gruppe knallte. Schnell schloss ich die Augen, dann spürte ich den mir schon vertrauten Schmerz an meinem Hintern und legte mich aufgrund meiner Geschwindigkeit sogar komplett auf den Boden. Mein Kopf schlug auf dem Eis auf und ich sog zischend Luft ein. Das war kein Spaß, das war lebensgefährlich. Vorsichtig öffnete ich die Augen wieder, nachdem sich der Schmerz ein wenig gelegt hatte und die Kälte durch meine Klamotten drang. Das Maß der Zerstörung war unübersehbar. Zwei Mädchen saßen auf dem Eis und schimpften lautstark, ein Kerl stand daneben und schüttelte den Kopf – wahrscheinlich über meine Intelligenz – und direkt vor mir rappelte sich ein anderer gerade wieder auf. Er strich sich die blonden Haare aus den Augen, grinste und hielt mir eine Hand hin. Kurzfristig war ich paralysiert von seinem wirklich blendenden Lächeln und starrte ihn nur blöd an, dann ließ ich mir aufhelfen, wurde mal wieder rot und nuschelte ein „Danke“. „Pass mal besser auf wo du hinfährst.“, sagte eines der beiden Mädchen und warf mir einen bösen Blick zu, während sie wieder auf die Beine kam. „Ich fand’s lustig.“, warf der Blonde ein, während seine Augen amüsiert funkelten. „Sie hat schon Recht, ich bekomme besser wieder weniger gefrorenen Boden unter meine Füße, bevor ich jemanden oder mich selbst töte. Eh, ja – Entschuldigung für’s Umrennen. Kommt nicht wieder vor.“, erklärte ich peinlich berührt und schlitterte unsicher Richtung Ausgang. Gott, wie blamabel! Und dann dieser Kerl… Er sah nicht umwerfend gut aus, aber sein Lächeln war echt der Wahnsinn. Ich schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben. Das war nun wirklich sehr unangebracht. Gut, ich war zwar der so ziemlich einzige stockschwule Fußballspieler überhaupt, aber auch diese Seltenheit hieß nicht, dass ich bei dem nächstbesten Kerl (vor dem ich mich nebenbei bemerkt auch direkt total zum Affen gemacht hatte) weiche Knie bekommen musste. Die waren zum Fußballspielen sowieso eher hinderlich. Deprimiert stolperte ich über den gummiartigen Boden um meine Schlittschuhe zurückzugeben. Dann setzte ich mich auf eine der Bänke und versuchte Pete ein wenig im Auge zu behalten, der schließlich nicht wusste, dass ich den Ort des Grauens verlassen hatte. Er stützte gerade heldenhaft eine Blondine, die offenbar unsicher auf ihren Schlittschuhen war. Ich zog die Augenbrauen hoch. Komischerweise hatte ich eben diese Blondine vor kurzer Zeit noch ziemlich gut laufen sehen. Meine Güte, was für eine Anmache. Pete war zwar auch eher einer, der alles Weibliche anbaggerte, was nicht schnell genug laufen konnte, aber Weiber waren echt hinterhältig. Glücklicherweise musste ich mich nicht mit diesen merkwürdigen Geschöpfen auseinandersetzen. Ja, eigentlich hatte ich nicht sonderlich unter meiner Sexualität gelitten. Mir war quasi schon immer klar gewesen, dass ich mit Mädchen einfach nichts anfangen konnte. Als ich dann mit 16 zuerst Pete und nach und nach meiner Familie und anderen Freunden gestanden hatte, dass ich schwul war, wurde ich angenehm überrascht. Pete hatte mich einfach gefragt, ob ich ihn wirklich für zu blöd hielt, das zu bemerken. Meine Eltern waren zuerst ein wenig überrascht gewesen, hatten dann aber erklärt, dass meine Schwester eben für die Enkel sorgen müsse. Und die Leute, die nicht damit klar gekommen waren, hatten mir mal gepflegt den schwulen Arsch küssen können. So hatte Pete es jedenfalls ausgedrückt, und irgendwie hatte er Recht. Ich musste grinsen, als ich an meine Teamkameraden dachte. Nachdem ich ihnen hoch und heilig geschworen hatte, dass ich sicher niemanden von ihnen begrapschen oder bespannen wollte, waren sie einheitlich dazu übergegangen, das irgendwie cool zu finden. Pete hatte das Mädchen mittlerweile schützend um die Hüfte gefasst um ihr Halt zu geben und ich verdrehte die Augen. Jaja, armes, hilfloses, kleines Schätzchen. „Hey, hast du aufgegeben?“ Ich sah mich um und erblickte den süßen Blonden, der sich neben mich gesetzt hatte. Sein Lächeln war noch unglaublicher als ich es in Erinnerung hatte, was daran liegen könnte, dass ich sehr mit meinem feindlichen Untergrund beschäftigt gewesen war. Auf jeden Fall spürte ich die heute so vertraute Röte in meinen Wangen und grinste schwach zurück. „Und das wundert dich? Ich bin wirklich lebensgefährlich mit Eis unter meinen Füßen.“ Er lachte nur. „Wie ich schon sagte, ich fand’s lustig. Wenn das einer gefilmt hätte…“ „Dann wäre ich auf Ewigkeiten blamiert.“, vervollständigte ich trocken. „Vielleicht. Vielleicht würde ich es aber auch nur für mich behalten.“ Der Blonde zwinkerte. „Ich bin übrigens Jan.“ „Nils“, nuschelte ich. Mir war bisher nicht aufgefallen, dass seine Augen fast schwarz waren. Verlieh ihm was Geheimnisvolles, irgendwie. „Weißt du, Nils, ich find dich cool. Hast du nicht Lust, mal’n Kaffee oder so mit mir trinken zu gehen?“, fragte er dann. Ich sah ihn ungläubig an. Ich blamierte mich total und er fand mich cool? Das war jetzt nicht sein Ernst. „Also, äh..“, stotterte er plötzlich und wurde leicht rot. „Ich kann natürlich verstehen, wenn du nicht willst, aber… es muss ja nicht unbedingt ein Date sein. Ich kann mich durchaus benehmen und.. ja. Wir könnten auch einfach Freunde werden. Also, ich geh dir schon nicht an die Wäsche.“ Seine Augen sahen dabei so ehrlich aus, dann ich gar nicht an seinen Worten zweifelte, aber darum ging’s ja auch nicht. „Ja, ne. Also, ich.. äh, bin schwul. Und ich hab unter gegebenen Umständen auch nichts dagegen… wenn du mir an die Wäsche gehst.“ OH GOTT, hatte ich das gerade gesagt?! „Im übertragenen Sinne! Also, momentan. Und so.“ Mein Kopf ähnelte wahrscheinlich einer Ampel und ich hatte immer noch nicht gesagt was ich wollte. „Also, der Punkt… Kaffee. Äh, ja. Find ich gut.“ Jan strahlte plötzlich. „Super! Äh – ich geb dir einfach meine Nummer, und du rufst mich an, okay?“ Ich war gerade dabei die letzten Ziffern einzugeben, da hörte ich meinen Namen. Pete kam mit beiden Armen wedelnd auf mich zu. „Na Prinzessin, einen aufgerissen?“, fragte er frech und warf Jan einen interessierten Blick zu. „Na, Casanova, eine vernascht?“, konterte ich. „Oh, touché.“, grinste er. „Ich bin Pete, Nils‘ bester Freund.“, stellte er sich vor. „Jan“, antwortete der Blonde und ergriff die dargebotene Hand. Na, da war aber heute jemand förmlich. „Also, ruf mich an, ja? Wir sehen uns.“, sagte Jan anschließend zu mir, strich mir kurz über die Wange und lächelte. „War nett, dich kennenzulernen.“, wandte er sich an Pete, dann ging er. Dieser grinste mich an. „Eine echte Sahneschnitte, was?“ Wieder lief ich rot an. „Halt die Klappe.“ „Schon gut, schon gut. Wollen wir gehen? Genug Hölle für heute?“ Aber definitiv. Ganz klares Ja. Mit drei Ausrufezeichen. Wobei, ein Gutes hatte es ja. Eine elfstellige Handynummer und ein umwerfendes Lächeln. Zwei Gute also. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)