Der weiße Vampir und andere Engel von Miezel ================================================================================ Kapitel 2: Der Kerker --------------------- Bereit für die nächste Runde? Na dann... _________________________________________________________________________________ Tief unter dem Palast war es dunkel und feucht. Die Wände bestanden aus rauen nur grob behauenen großen Steinen. Doch sie waren so dicht gefügt, das sie sich gegenseitig hielten. Nur die Fackeln in den Halterungen spendeten flackernd, ihr spärliches, unruhiges Licht. Der ganze Palast ruhte auf den Resten eines uralten Tempels einer längst vergessenen Gottheit. Jetzt wurden die Gewölbe nur noch als Kerker benutzt. Lange Zeit war es hier unten sehr ruhig gewesen, doch der neue Statthalter sorgte bei seinen jährlichen Besuchen immer für neue Bewohner. Eben waren wieder Schritte zu hören. Zwei große Soldaten kamen den Gang entlang. Der erste hatte eine Fackel in der Hand und verscheute damit den huschenden Schatten, von dem er annahm dass es Ratten waren. Manchmal zweifelte er daran, denn er dachte, auch Stimmen aus der Richtung des Schattens zu vernehmen. Dann fielen ihm auf einmal all die Schicksalsschläge, die er hatte erleiden müssen wieder ein. Das machte ihn jedes Mal traurig. Deshalb sah er immer zu, hier so schnell wie möglich zu verschwinden. Er erzählte es auch niemanden. Schließlich wollte er nicht als Spinner und Feigling da stehen. Der zweite Mann trug die zierliche Gestalt eines Mädchens. Ihr langer Zopf schwang ihm um die Beine. „Hat er sich mal wieder ausgetobt!?“ „Schnauze, wenn dir dein Leben lieb ist.“ Das war bis jetzt die ganze Konversation gewesen, seit sie zu „Aufräumen“ abkommandiert worden waren. Der erste blieb vor einer schweren Türe stehen. Er schloss sie auf, öffnete sie und trat zur Seite. Der zweite Mann verschwand mit dem Blut verschmierten Bündel im Inneren. Kurz darauf kam er alleine wieder heraus. „Morgen?“ fragte er. Der zweite wiegte den Kopf und schloss ab. „Ich denke 2 Tage.“ „Wieviel?“ „2 Sesterzen.“ Sie reichten sich die Hände und verschwanden eilig in Richtung Ausgang. Die Stille die sich einstellte war so dicht, das sie fast zu hören war. Nur die Fackeln knisterten ab und zu. Dann zuckte der Lichtschein über die Wände. Die Schatten sammelten sich vor der Tür, hinter der das Mädchen lag. Er baute sich auf, nahm Konturen an und zerschmolz wieder. Der Schatten sickerte durch die Ritzen in den Kerker hinein. In einer Ecke war etwas Stroh aufgeschüttet. Es roch schimmlig und war klamm. Darauf lag das Mädchen. Wie ein weggeworfenes Spielzeug lag sie da. Ihr Kittel war zerrissen und bedeckte sie nur dürftig. Der Schatten husche neben das Mädchen. Er löste den Zopf und ließ ihr Haar in weichen Wellen über ihren Körper fließen. Dann zog er sich zurück und wartete. Er hatte Zeit. Er war schon so alt. Älter als die gemessene Zeit. Er war schon immer hier und er würde noch da sein, wenn die Zeit nicht mehr gemessen würde. Erst weilte er unerkannt unter den Menschen, später wurde er angebetet, hatte sogar mal einen eigenen Tempel gehabt und war dann wieder vergessen worden. Von dem Tempel waren nur noch diese Gewölbe übrig geblieben und er. Das Mädchen begann sich zu regen. Sie murmelte etwas, dann strampelte sie wild und schlug um sich. Als sie wieder ganz bei Sinnen war folgten unkontrollierbares Zittern und heftige Weinkrämpfe. Jetzt war seine Zeit gekommen. Er schwebte aus dem lichtlosen Teil des Kerkers und sammelte sich in vagen Schein der Fackel, der mühsam durch die Gitterstäbe der Türe drang. Er umgab sich mit zuckender Dunkelheit wie mit einem großen Umhang. Da wo eigentlich das Gesicht hätte sein sollen waren nur zwei außergewöhnliche Augen zu sehen. Der hypnotische Blick zog das Mädchen in seinen Bann. Er sprach zu ihr nicht mit Worte, doch sie verstand ihn. Er zeigte ihr, was ihr bisher alles widerfahren war. Wie sie weggeschleppt worden war von zu Hause, als Bezahlung der Pacht. Sah die traurigen Augen der Mutter, den ohnmächtigen Zorn des Vaters. Sie war die älteste Tochter, die Ernte war schlecht, sie war entbehrlich. Dann der lange Marsch, den sie fast nicht überlebt hatte. Die Freundin, die ihr half als sie nicht mehr weiter konnte. Auf dem Markt wurden sie getrennt, obwohl sie sich aneinander geklammert hatten. Die Arbeit in der Küche ihrer ersten Herrschaft. Sie sah wie sie geschlagen wurde, doch immer so, dass sie keine Narben behielt. Das hätte ihren Wert gedrückt. Endlich ihr Dienst im Palast und der letzte Tag. Wieder schüttelte sie ein Weinkrampf. Ihr war übel. Der Schatten sagte, er könne dem ein Ende bereiten, wenn sie es wolle. Sie hätte die Wahl. Sie könne ins Nichts eingehen oder ein Teil des Schattens werden, ihm dienen und so ewig leben, unbehelligt von den Menschen, keinem anderen Herren als ihm verpflichtet. Nein, dienen wollte sie keinem mehr, nie mehr. Lieber wollte sie sterben. Alles sollte vorbei sein. „Ist das deine Entscheidung?“ fragte die Stimme in ihrem Kopf. „Ja, ich will sterben. Ich will zu den Meinen. Ich weiß sie warten auf mich. Ich will keine Angst mehr haben. Lass es enden.“ „Dann soll es so sein.“ Er schwebte auf sie zu, umfing sie sanft die ein Hauch und beugte seinen Kopf zu ihr hinab. Sie spürte es kaum, als es sie am Hals berührte und ihr Leben mit all ihren Erinnerungen in sich aufnahm. Sie wurde müde und schlief ein um nie wieder aufzuwecken. Vor der Tür rasselte ein Schlüsselbund. Der Schatten zerfloss und glitt ins Dunkel zurück. Die Soldaten von Vortag kamen herein. Der erste kniete sich neben das Mädchen und schüttelte es. Dann hielt er die Hand auf und grinste. Murrend gab ihm der andere die Sesterzen. „Eigentlich schade drum.“ Grummelte er ohne zu erklären ob er das Mädchen oder die Sesterzen meinte. „Red nicht, fass mit an. Wer weiß wann wir hier den nächsten reinbringen.“ „Na lange wird’s wohn nicht dauern.“ Hinter den beiden huschte der Schatten aus dem Kerker. Wieder einmal wunderte er sich, wieso jemand nicht bei ihm bleiben wollte. So viele wollten lieber ins Licht und damit ins Nichts als ihre Existenz mit ihm zu teilen. So trieb er bis hinauf an die Oberfläche. Er blieb im Palast. Er mochte die Sonne nicht, da gab es für ihn zu wenig Verstecke und er mochte nicht noch einmal zu einer Gottheit erhoben werden. Ein Teil seiner Schwärze löste sich von ihm, flatterte über den Gang in die Helligkeit des Tages und zerfloss. Jetzt war sie weg. Endgültig. _________________________________________________________________________________ Schmecken Kekse jetzt? *Sicherheitshalber welche da lass* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)