Papierherz von Ur (Bleistiftspuren bleiben) ================================================================================ Kapitel 2: Erdbeermilchshake und Thunfischbaguette -------------------------------------------------- Hier kommt also Nebencharakter Nr. 1: Jannis' bester Freund, für dessen Namen ich gestern schnell eine Umfrage gestartet habe. Ich hoffe, dass ihr ihn und das Kapitel mögt ;) Ich steh auf Subway (seit ich mich reingetraut habe :D). Danke für die lieben Kommentare bisher. Viel Spaß beim Lesen, Liebe Grüße :) ___________________________ »Also bedeutet das, dass du bald mit ihm ausgehst?« »Nein! Das bedeutet, dass er… unverschämt ist!« Mareks Augenbrauen zogen sich leicht zusammen, als er scheinbar angestrengt über diese neue Entwicklung der Dinge nachdachte. »Aber er sieht gut aus?«, sagte er dann. Er rollte das ‚R’ leicht, wenn er sprach. Jannis starrte seinen besten Freund an, der in einem schwarzen Mantel steckte und an einem Erdbeermilchshake nuckelte. Seine dunkelbraunen Augen sahen nachdenklich aus, so als wäre das, was Jannis ihm gerade geschildert hatte, ein großes, spannendes Rätsel. »Das hat doch damit gar nichts zu tun«, erwiderte Jannis völlig verwirrt und schnappte Marek den Milchshake weg. »Du solltest weniger davon trinken, das Zeug bekommt dir nicht«, fügte er hinzu. Marek war vollkommen unbeeindruckt davon. Er griff nach dem Becher und nahm ihn sich zurück. »Du solltest die Schuld an alledem nicht meinem Milchshake geben«, verkündete Marek sachlich. Jannis’ bester Freund war kleiner als er, hatte undefinierbar gefärbtes Haar und meistens sah sein Gesicht verträumt aus, als wäre er mit den Gedanken in einer anderen Welt. Manchmal redete er auch so, als wäre er in einer anderen Welt. Insgeheim hatte Jannis schon öfter vermutet, dass sein bester – und einziger – Freund ein Außerirdischer war. Vielleicht war das auch der Grund, dass Jannis sich mit ihm verstand. Denn abgesehen von Marek hielt er von Menschen nicht besonders viel. »Du kannst nicht behaupten, dass das nicht dreist war, mich vor allen anderen zu fragen, ob ich vergeben bin«, entrüstete er sich von Neuem. Die Antwort darauf war ein Schlürfen des Strohhalms. Sie waren in der Innenstadt unterwegs. Der Himmel war mit einigen, weißen Wolken übersät, es war angenehm mild und in der Fußgängerzone herrschte reges Treiben. »Aber du bist nicht vergeben. Außer vielleicht an mich«, sagte Marek und ein Schmunzeln breitete sich auf seinem gebräunten Gesicht aus. Jannis spürte, wie ihm Hitze ins Gesicht stieg. »Ich bin überhaupt nicht an dich vergeben. Du bist ja selber vergeben. Sebastian würde mir den Kopf abreißen, wenn du ihm gegenüber solche Scherze machst«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie saßen auf einer Bank am Rande des Getümmels. Jannis hatte einen wahnsinnigen Hunger, aber Marek nuckelte schon seit Ewigkeiten an seinem Milchshake und wollte ganz genau erläutert haben, was denn nun genau beim ersten Tutorium passiert war. Marek machte gern Späßchen darüber, dass Jannis noch nie an irgendjemanden vergeben gewesen war. Weder an eine Frau, noch an einen Mann. Marek selbst war überzeugt homosexuell und er ließ keine Gelegenheit aus, Jannis davon überzeugen zu wollen, dass auch in ihm eine ‚schwule Ader’ steckte. »Du bist entzückend, wenn du rot wirst, weißt du das? Bist du beim Tutorium auch rot geworden? Dann kann ich es deinem neuen Verehrer wirklich nicht übel nehmen, dass er dich angebaggert hat«, erklärte Marek gelassen und lächelte ihn verschwommen über seinen Milchshake hinweg an. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, empörte sich Jannis mit heißem Gesicht. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Marek ihm Komplimente machte. Hauptsächlich deswegen, weil er nie wusste, ob sie ernst gemeint waren, oder nur dazu dienten, ihn verlegen zu machen. »Ach, ich muss mich für eine Seite entscheiden? Das hättest du mir gleich sagen sollen. Du weißt doch, ich brauche immer so lange, um mich zu entscheiden…«, entgegnete Marek unverbindlich, stand auf und warf seinen leeren Milchshake- Becher in den Mülleimer neben der Bank. Jannis atmete tief durch, dann erhob er sich ebenfalls und sah Marek missmutig an. Sein bester Freund zupfte an seinen grauen Handschuhen herum, dann strich er sich durch die kinnlangen, dunklen Haare und lächelte Jannis aufmunternd an. Wozu er ihn ermuntern wollte, wusste Jannis nicht so genau. »Ich möchte zu Subway«, verkündete Marek, »ich hab Lust auf Thunfisch.« Jannis verdrehte die Augen, konnte ein leichtes Schmunzeln jedoch nicht verhindern. »Erdbeermilchshake und Thunfisch. Das passt zu dir«, sagte er nur kopfschüttelnd und wandte sich nach links, um den Weg zu Subway einzuschlagen. Auf dem Weg dorthin berichtete Marek von seinem letzten Treffen mit Sebastian. Die beiden waren erst seit wenigen Wochen zusammen und auch wenn Marek einige Zeit lang einen ziemlichen Verschleiß an Männern gehabt hatte, schien es ihm mit dem Fotographen- Azubi doch ziemlich ernst zu sein. »Ich glaube, wenn man mich früher zum Sternegucken im Garten eingeladen hätte, dann wäre ich eilends von der Bildfläche verschwunden«, sagte Marek nachdenklich, »ich steh nicht so auf dieses romantische Zeug. Aber Basti war schon ziemlich niedlich dabei. Ich hätte nichts gegen Sex unterm Sternenhimmel gehabt, aber ich glaube, mit dem Thema Sex ist er noch ein wenig überfordert.« Jannis räusperte sich verlegen und schob sich die Brille auf der Nasenwurzel nach oben. Das Thema Sex gehörte nicht unbedingt zu seinen Favoriten. »Ich frage mich, ob es besser wäre, wenn er unten oder oben liegt. Was meinst du?« Und er wandte sich mit ehrlichem Interesse zu Jannis, dessen Kopf mittlerweile vermutlich einer überreifen Tomate glich. »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung«, gab er etwas knatschig zurück. Marek wusste genau, dass er sich nicht für Sex interessierte… »Ich weiß, dass du keine Ahnung hast«, belehrte Marek ihn und pustete sich eine seiner dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht, »weißt du noch damals, als du mit Jess…« Jannis streckte die Hand aus und hielt seinem besten Freund den Mund zu. »Fang bloß nicht davon an!«, ermahnte er den Kleineren. Marek kicherte gegen seine Hand und hob seine eigene, um mit zwei Fingern zu schwören. Sie erreichten Subway und Marek hatte Gott sei Dank das Thema Sex fallen lassen. Gut gelaunt stieß er die Tür auf, Jannis folgte ihm und schon im nächsten Moment packte er Marek am Kragen und zog ihn rückwärts aus dem Laden. »Thunfisch!«, klagte Marek lauthals. »Pscht!«, zischelte Jannis und zog seinen besten Freund hastig um eine Ecke. Marek sah ihn vorwurfsvoll an. »Dir ist hoffentlich klar, dass du einen sehr guten Grund brauchst, um mich rechtmäßig und ohne schreckliche Folgen noch länger von meinem Thunfischbaguette fernzuhalten?«, fragte er bedächtig und hob seine schmalen Augenbrauen. Jannis warf einen Blick über die Schulter. »Der Typ hinter dem Tresen«, flüsterte er und kam sich vor wie ein Verbrecher, oder noch schlimmer, wie ein Spion, »das ist er. Der dreiste Erstsemester aus meinem Tutorium!« Mareks Augen weiteten sich interessiert und er wandte den Kopf, um einen Blick durchs Fenster zu werfen, doch der wurde ihm wundersamerweise von einer großen Speisekarte, die an der Scheibe klebte, verwehrt. »Du meinst er ist da drin und verkauft Thunfischbaguettes?«, fragte Marek unverhohlen begeistert und gespannt. Jannis gab ein undefinierbares Geräusch zwischen einem Stöhnen und einem Knurren von sich. »Er verkauft sie nicht nur, er belegt sie auch. Wir müssen wo anders essen gehen!« Mareks begeisterte Miene verfinsterte sich sogleich. »Oh nein, mein Lieber. Das kommt nicht in Frage. Sei ein Mann und stell dich deinen Ängsten, ich will mein Thunfischbaguette. Sofort!« Und mit diesen Worten bugsierte sein bester Freund ihn zurück in die Subwayfiliale, in der der nervtötende Erstsemester stand und gerade ein junges Mädchen mit Cookies und Fanta bediente. Als er das Bimmeln der Tür hörte, hob er den Kopf mit der komischen Frisur und setzte zu einem ‚Guten Tag!’ an. Dann erkannte er Jannis und ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Hallo!«, sagte er und sah aus, als würde er sich wie ein Schneekönig freuen. Jannis bemühte sich, eine professionell distanzierte Miene zu wahren. »Guten Tag«, sagte er abweisend. Marek neben ihm betrachtete den Blondschopf interessiert. »Ich mag diese Frisur«, erklärte er unverblümt. Der aufdringliche Erstsemester wandte sich erstaunt zu Marek um. »Danke«, sagte er und musterte Marek gespannt, als würde er versuchen, ihn einzuschätzen. »Ich muss jetzt dringend ein Thunfischbaguette haben«, erklärte Marek sachlich, als wäre es das Normalste auf der Welt einem wildfremden Menschen zu sagen, dass man seine Frisur mochte, »sonst sterbe ich.« Jannis grübelte darüber nach, wie der Kerl noch mal hieß. Kristian? K… Nico…? Nein. Er hatte ihm seinen Namen gesagt, da war er ganz sicher. Aber kein Wunder, dass er ihn wieder verdrängt hatte. »Ein Halbes oder ein Ganzes?«, erkundigte sich der Nervsack grinsend. »Ein Ganzes, Cheese & Oregano, gebacken und mit Extra- Käse!«, erklärte Marek mit leuchtenden Augen. Jannis sah zu, wie der Blonde gut gelaunt und ausgesprochen beschwingt – so als würde ihm diese leidige Arbeit wirklich Spaß machen – das Baguette belegte und in den Ofen schob. Dann wandte er sich mit leuchtenden Augen und einem leichten Schmunzeln an Jannis. »Und was nimmst du?« »Ein halbes Vegetarisches, Sesam, auch gebacken und ohne Extrakäse«, brummte Jannis ungehalten und verschränkte die Arme vor der Brust. Jannis warf einen Blick auf das Namensschild. Den Nachnamen konnte er auf die Schnelle nicht lesen, aber der Vorname begann mit K. Also doch Kristian? »Alles an Salat drauf?« »Keine Oliven und keine grüne Paprika. Peperoni können ruhig ein paar mehr drauf«, sagte Marek und beobachtete, wie Jannis’ persönliche Tutoriumsnervensäge mit Plastikhandschuhen bewährten Fingern Salat auf dem Thunfisch verteilte. »Sweet Onion«, sagte sein bester Freund, noch bevor der andere nach der Soße fragen konnte. Jannis grübelte immer noch über den Namen nach, als sich der Blondschopf an ihn wandte. »Keine Oliven und Peperoni, auch Sweet Onion«, sagte er und blickte Marek hinterher, der glücklich summend mit seinem Baguette hinüber zu einem der Tische ging. Resigniert stellte Jannis fest, dass der Tisch in Blickweite des Tresens lag. »Wenn ich dir ein Getränk spendiere, sagst du mir dann, ob der Typ da drüben dein Freund ist?«, fragte die personifizierte Dreistigkeit. Jannis starrte ihn an. »Nein!« Marek packte unterdessen in aller Seelenruhe sein Baguette aus. »Nein, du sagst es mir nicht, oder Nein, er ist nicht dein Freund?«, erkundigte sich der Andere unvermindert grinsend, während er Jannis’ Baguette in Papier einwickelte. »Nein, ich sage es dir nicht und Nein, er ist nicht mein Freund!«, empörte sich Jannis und fragte sich einen Moment lang, wieso der andere lachte, bis ihm auffiel, dass er die Frage gerade beantwortet hatte. Unwirsch schnappte er dem Vollidioten das Baguette aus der Hand und zahlte beide Bestellungen. Er und Marek luden sich meistens abwechselnd zum Essen ein und die letzte Pizza hatte Marek gezahlt. »Guten Appetit«, sagte K., dessen Namen Jannis vergessen hatte und er schnaubte nur, wandte sich ab und stapfte hinüber zu Marek, wo er seine Jacke auszog und sie über den Stuhl hängte. »Du hast mich verleugnet, ich hab’s gehört«, meinte Marek amüsiert. »Wir sind nicht zusammen! Und ihn geht das sowieso gar nichts an! Sehe ich etwa schwul aus?«, fragte er leicht aus dem Zusammenhang gerissen. Marek biss mit Unschuldsmiene in sein Baguette und schloss genießerisch die Augen. »Er sieht tatsächlich gut aus«, entgegnete er mampfend, ohne auf Jannis’ Frage zu antworten. »Ich kann mich nicht mal an seinen Namen erinnern«, schnaubte Jannis, um Marek zu verdeutlichen, wie wenig ihn dieser aufdringliche Kauz interessierte. Marek biss erneut in sein Baguette und wischte sich mit dem Daumen etwas Soße aus dem Mundwinkel. »Das kommt schon noch wieder, keine Sorge. Dir ist doch klar, dass Desinteresse das Gegenteil von deiner Empörung ist, oder?« Manchmal, dachte Jannis und wickelte energisch sein Baguette aus, manchmal wollte er seinen besten Freund knebeln und in irgendeinen Besenschrank sperren, damit er nicht ständig in seinen Gedanken herumdümpelte und sie ihm anschließend vorhielt. Hinter dem Tresen schmunzelte K. immer noch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)