Papierherz von Ur (Bleistiftspuren bleiben) ================================================================================ Kapitel 18: Heiligabend mit Schuldgefühlen ------------------------------------------ Für Aurea :) Viel Spaß beim Lesen wünsche ich euch! Liebe Grüße :) _________________________ »You better watch out, you better not cry, you better not pout I’m telling you why...« Kalt glitzernder Christbaumschmuck. Geruch nach Truthahn. Künstlich lachende Stimmen, vermischt mit standardisierten Weihnachtsliedern… »He sees you when you're sleeping He knows when you're awake He knows if you've been bad or good So be good for goodness sake…« Fragen über die Schule, über die Zukunftspläne. Lügen. Erwartungen. »Noch ein Glas Punsch, Jannis?« Nein. Nein, er mochte keinen Punsch. Und keinen Truthahn. Er war Vegetarier, seit er sieben war, wieso merkte sich das niemand? »Geh und sag Onkel Rainer ›Hallo‹ und sag ihm, wie gern du später mal bei ihm arbeiten würdest.« Er wollte nicht bei Onkel Rainer arbeiten. Er wollte allein sein, allein mit seinen Büchern und mit Marek. Wieso verstand das niemand? »Santa's a busy man, he has no time to play He's got millions of stockings to fill on Christmas day…« Sein Körper fühlte sich schwer an, sein Kopf war wie betäubt. Er konnte kaum denken. Es war warm und weich und alles tat ihm weh. Wie durch einen Schleier aus dicker Watte hörte er, wie ein leises Stöhnen seine Lippen verließ. Er hatte vergessen, wie man die Augen öffnete. Wieso war er so müde? Ein leises, stetes Piepen drang an seine Ohren und endlich, unendlich langsam öffneten sich seine Augen und er sah verschwommen eine weiße, kalte Decke über sich. Er hatte keinen blassen Schimmer, wo er war. Sein Kopf brummte wie verrückt. Nur nach angestrengtem Nachdenken fiel ihm ein, wie er hieß und an was er sich als letztes erinnerte. Er erinnerte sich daran, dass er sich mit Kolja getroffen hatte, dass Kolja ihm angeboten hatte, mit ihm und seiner Familie Weihnachten zu feiern… aber danach war alles verschwommen. Weg. Verschwunden. Er wusste nicht, wie er hierher gekommen war. Langsam drehte er den Kopf zur Seite, um mehr von dem Raum zu erhaschen, in dem er lag. Sein Nacken und sein Kopf protestierten lautstark, doch Jannis achtete nicht darauf. Sein Blick fiel auf einen dunklen Haarschopf und die schmächtige Gestalt eines jungen Mannes, den er sehr gut kannte. Mareks Kopf lag auf seinen überkreuzten Armen. Seine dunklen Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Offensichtlich schlief er sitzend an dem Bett, in dem Jannis lag. Er wollte die Hand ausstrecken und durch Mareks Haare streichen, aber er konnte seinen Arm nicht bewegen. Im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass sein Arm in einen dicken Gips gewickelt war. Er war offensichtlich in einem Krankenhauszimmer. Aber wieso? Und wieso war Marek da? Jannis drehte den Kopf langsam zur anderen Seite und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Seine Augen blieben an einem aschblonden Haarschopf hängen. Auf einem sterilen Kunststoffstuhl, den Kopf an die Wand hinter sich gelehnt und ebenfalls schlafend, saß Sebastian. Er sah blass aus und hatte tiefe Augenringe. Jannis hatte keine Ahnung, wieso Sebastian hier war, bis ihm dämmerte, dass Marek kein Auto hatte. Vielleicht hatte Sebastian Marek hier her gefahren? Er unterdrückte ein schmerzvolles Geräusch und schloss einen Moment die Augen, um sich zu erinnern. Sein Kopf tat weh. Das Denken tat weh. Undeutlich huschten Bilder durch seine Gedanken. Kolja, der ihm den Motorradhelm unter dem Kinn verschloss. Er war so müde, er wollte wieder einschlafen. Aber er konnte jetzt nicht einschlafen. Er hasste es, die Kontrolle zu verlieren, und in diesem Moment bestand er darauf, sich zu erinnern. Sich nicht zu erinnern war Kontrollverlust. Er war mit Kolja gefahren. Auf Koljas Motorrad. Es war einen Tag vor Weihnachten und Kolja hatte ihn zu seinen Eltern fahren wollen. Und dann? Jannis zermarterte sich das Gehirn, der Schmerz pochte von innen gegen seine Stirn und die Schläfen. Und dann, ganz plötzlich, strömte der Gedanke klar und deutlich in sein Bewusstsein. Die Kurve. Koljas Stimme, die in seinem Kopf widerhallte. »Du musst dich in den Kurven mit mir zur Seite lehnen. Egal wie tief das Ding runtergeht, ok? Man kippt nicht um, aber wenn du dich in die andere Richtung lehnst, dann fliegen wir aus der Kurve.« Und sie waren aus der Kurve geflogen. Unnatürlich laut hörte Jannis das Krachen und das Scheppern, das sicher vom Motorrad verursacht worden war. Sein Kopf würde sicherlich gleich explodieren. Er musste wissen, was mit Kolja passiert war. Unter größter Anstrengung wandte er sein Gesicht wieder Marek zu. »Marek?«, krächzte er, doch seine Stimme war so brüchig und leise, er hörte sie selbst kaum, »Marek, wach auf…« Augenlider flatterten, dann öffneten sich die dunklen Augen seines besten Freundes und ruckartig setzte er sich auf, starrte Jannis mit blassem Gesicht und unendlich besorgtem Gesichtsausdruck an. »Du bist wach! Soll ich jemanden holen, tut dir was weh?«, fragte er und seine Augen huschten unruhig hinüber zu den Geräten, an die Jannis angeschlossen war. »Wo ist Kolja?« Mareks Blick verfinsterte sich und Jannis spürte, wie die Angst vor den kommenden Worten in ihm empor kroch wie ein unaufhaltsamer Nebel am frühen Morgen eines Wintertags. »Als wir herkamen, war er noch im OP. Seither haben wir nichts mehr gehört, man bekommt ja keine Auskunft, wenn man kein Angehöriger ist«, sagte Marek behutsam. Ein Seufzen sagte ihm, dass Sebastian gerade erwacht war. »Du bist wach«, sagte er und kam um das Bett herum, stellte sich neben Marek und betrachtete ihn unsicher. »Ich will wissen, ob’s ihm soweit gut geht«, nuschelte Jannis. Jetzt, da er sich erinnerte, konnte er an nichts anderes denken. »Ich geh noch mal vorn an der Rezeption nachfragen«, sagte Sebastian und verschwand aus Jannis’ Blickfeld. »Du hast einen gebrochenen Arm und eine Gehirnerschütterung«, sagte Marek und seine Stimme klang ganz zittrig. Jannis interessierte es momentan herzlich wenig, was er für Wehwehchen abbekommen hatte, denn offensichtlich war es nichts Tragisches. »Wie kommt’s, dass du hier bist?«, wollte er wissen. Das Sprechen war anstrengend, aber er musste wach bleiben. Wenigstens so lange, bis er wusste, was mit Kolja los war. »Du weißt doch, dass du nur drei Nummern in deinem Handy gespeichert hast. Sie wussten, dass Kolja der Fahrer ist, also haben sie den nicht angerufen. Und deine Mutter steht ja nur unter ihren Initialen drin und nicht unter ›Mama‹ oder so etwas. Also haben sie mich angerufen…«, erklärte Marek mit immer noch brüchiger Stimme. Seine Hand tastete nach Jannis’ Fingern, die zur Hälfte aus dem Gips herausschauten. Mareks Finger fühlten sich eiskalt an. »Willst du nicht… keine Ahnung. Einen Tee trinken? Du fühlst dich an wie ein Kühlschrank«, murmelte Jannis leise. Wieso war Sebastian so lange weg? Wieso wollte niemand Auskunft über Kolja geben? Doch noch während er das dachte, öffnete sich die Tür und Sebastian kam wieder herein, dicht gefolgt von zwei in weiß gekleideten Krankenschwestern. »Und?«, wollte er wissen, die Augen auf Sebastian gerichtet. Er beachtete die beiden Frauen nicht, die jetzt die piependen Geräte betrachteten, sich leise unterhielten und dann anfingen, an ihm herumzumachen. »Also…«, begann Sebastian und sein zögerlicher Tonfall machte Jannis unmissverständlich klar, dass er keine guten Neuigkeiten mitbrachte. »Sein Vater und seine Schwester sind jetzt bei ihm…« Jannis sagte nichts, sondern starrte ihn nur an. Sebastian verknotete seine Hände miteinander. »Sie sagen… na ja, er hat die Vollnarkose nicht gut vertragen. Er ist noch nicht wieder aufgewacht.« Jannis’ Eingeweide verkrampften sich und sein Kopf fühlte sich an, als würde er mit tausenden, kleinen Nadeln durchbohrt. Das Piepen wurde unregelmäßiger. »Beruhigen Sie sich«, sagte die eine Krankenschwester fachmännisch und fummelte an irgendeinem Schlauch herum. »Lassen Sie mich in Ruhe«, sagte Jannis und schloss die Augen. Narkose nicht vertragen… noch nicht wieder aufgewacht. Was sollte das nun bedeuten? Koma? Das konnte doch alles nicht wahr sein. »Welches Datum haben wir?«, wollte er von Marek wissen. Seine Stimme klang brüchig. »Den… den vierundzwanzigsten«, entgegnete Marek zögerlich. Jannis atmete zittrig ein. Er hatte Kolja Weihnachten versaut. Er hatte ihn ins Koma befördert. »Es ist Weihnachten«, murmelte Jannis erstickt und schluckte schwer, um das Brennen in seiner Kehle zu unterbinden. Die Krankenschwestern wuselten wieder hinaus und die Tür ging zu. »Ich sollte derjenige sein, der nicht mehr aufwacht«, flüsterte er heiser, »ich war Schuld.« »Sag so was nicht«, entgegnete Marek heftig und Jannis wagte es, die Augen zu öffnen und seinen besten Freund anzusehen. Mareks Augen sahen ziemlich feucht aus. »Aber ich war Schuld… ich hab nicht…« Er brach ab. Immer noch war er schrecklich müde. Aber er konnte jetzt nicht schlafen. Vielleicht wachte Kolja ja doch bald auf? Das wollte er auf keinen Fall verschlafen… Die Tür öffnete sich erneut und ein älterer Mann in weißem Kittel trat ein. »Herr Hofstetter«, sagte er und kam zum Bett herüber geschritten. Jannis sah ihn nicht an. Er hatte keine Lust mit einem Arzt zu reden. Es sei denn, er wollte ihm sagen, dass Kolja wieder aufgewacht war. »Zunächst einmal wollte ich mich erkundigen, ob sie Familie haben, die benachrichtig-« »Nein. Habe ich nicht«, sagte Jannis kurz angebunden. »Seine Eltern wüssten sicher gern Bescheid«, warf Marek ein und richtete seine Augen auf den Arzt, der nun einigermaßen verwirrt aussah. »Aber sie sollen nicht kommen. Würden sie vermutlich sowieso nicht. Sagen Sie einfach, dass soweit alles ok ist und ich nicht kommen kann«, meinte Jannis abweisend. Marek seufzte und kramte in seiner Hosentasche. Dann stand er auf, wohl um dem Arzt die Nummer von Jannis’ Eltern zu geben. Jannis hatte Marek die Nummer irgendwann gegeben. Für Notfälle, dachte er verbittert. Er hörte nicht zu, als Marek kurz mit dem Arzt sprach. »Wie fühlen Sie sich?«, wollte der unbekannte Arzt wissen. Jannis schnaubte. »Bestens«, sagte er ungehalten. Ein kurzes Schweigen antwortete ihm. »Herr Reichenau und seine Tochter haben anfragen lassen, ob sie Sie sehen dürfen«, meinte er dann. Jannis starrte ihn an. Koljas Vater und seine Schwester? Wollten ihn sehen? »Nein.« Marek sah ihn missmutig an. »Aber sie machen sich sicher auch Sorgen um dich«, meinte er. Jannis schnaubte. »Erstens kennen sie mich nicht und zweitens bin ich Schuld daran, dass ihr Sohn im Koma liegt«, gab er zurück. »Dass Herr Reichenau im Koma liegt, ist die Schuld der Narkose und nicht Ihre«, erklärte der Arzt und war schon wieder auf halben Weg durch das Zimmer. »Ich werde ausrichten, dass es Ihnen noch nicht gut genug geht, um so viel Besuch auf einmal zu empfangen.« »Die Schuld der Narkose… was für ein ausgemachter Schwachsinn. Wenn ich nicht zu blöd gewesen wäre, mich beim Motorradfahren anständig in die Kurve zu lehnen, dann wären wir gar nicht hier gelandet«, murmelte Jannis mehr zu sich selbst als zu Marek. Sebastian schwieg die ganze Zeit über. Er hatte sich wieder auf den Stuhl sinken lassen, auf dem er vorher geschlafen hatte. Jannis fragte sich dumpf, was seine Eltern sagen würden, wenn das Krankenhaus an Heiligabend bei ihnen anrief, um zu erklären, dass Jannis einen Motorradunfall gehabt hatte. Er stellte fest, dass es ihm völlig egal war, was seine Eltern dazu sagten. »Du siehst müde aus«, sagte Marek leise und streckte die Hand aus, um Jannis sachte über die Wange zu streicheln. Jannis warf ihm einen kurzen Blick zu, dann wandte er den Kopf ab. Seine Augenwinkel brannten, aber er wollte jetzt nicht auch noch anfangen zu heulen. Also schloss er die Augen und im nächsten Moment wogten der Schlaf und die Erschöpfung über ihn hinweg und rissen ihn mit sich. »Bin ich hier richtig beim Literaturwissenschaftstutorium?« »Ich hab eine Frage. Hast du eine Freundin?« »Wenn ich dir ein Getränk spendiere, sagst du mir dann, ob der Typ da drüben dein Freund ist?« »Wusstest du, dass die Milch, die Kühe geben, rosa wird, wenn die Kuh zu viele Karotten gegessen hat?« »Kolja. Mein Name ist Kolja.« »Ich finde dich halt interessant. Am liebsten würde ich alles über dich wissen.« »Wir gehen also ins Museum, ja? Und seit wann heiße ich Karina?« »Wie wäre es mit einem Deal? Ich höre nach der Schachtel auf zu rauchen.« »Wenn ich dich irgendwann mal küssen möchte, dann soll keine Zigarette dazwischen kommen.« »Ich versuche zu flirten.« »Danke für den schönen Tag. Ich mag dich wirklich, weißt du?« Jannis schlug die Augen auf. Helles Licht flutete in das Krankenzimmer und kaum dass er erwacht war, hörte er wieder das leise Piepen. Sein Kopf tat immer noch weh, aber nicht mehr so schlimm wie nach seinem ersten Erwachen. Er registrierte eine Krankenschwester im Zimmer, die gerade eine Spritze aufzog. »Guten Mittag«, sagte sie freundlich und schlug die Bettdecke ein Stück zurück, um mit der Spritze an ihn heranzukommen. »Wie lange hab ich geschlafen?«, fragte er und unterdrückte ein Gähnen. In seinem Kopf spukten Erinnerungen an Kolja und er hatte das Gefühl, während des Schlafens ununterbrochen von ihm geträumt zu haben. Ungerührt beobachtete er, wie sie ihm was auch immer in den Arm spritzte. »Fast einen ganzen Tag lang, seit Sie gestern wach waren«, erklärte ihm die Schwester. Jannis sah sich um. Da standen immer noch zwei Stühle neben seinem Bett, doch von Marek und Sebastian war nichts zu sehen. »Die beiden jungen Herren sind in der Caféteria und essen Mittag«, erklärte sie ihm, als sie seinen suchenden Blick bemerkte. »Ich möchte aufstehen«, erklärte er ihr. Sie sah ihn blinzelnd an. »Sie können noch nicht…«, begann sie, doch Jannis schnitt ihr das Wort ab. »Ich mag Krankenhäuser nicht. Und wenn Sie es nicht erlauben, dann stöpsele ich mich eigenhändig ab und verziehe mich!«, sagte er unfreundlich und sah sie missmutig an, »Ich will Kolja sehen.« Ihr Blick wurde milder, als er danach fragte. »Er liegt auf der Intensivstation, wir können nur Angehörigen gestatten-« »Hören Sie«, sagte er und setzte sich so plötzlich auf, dass die Schwester zusammenzuckte. Alles tat ihm nach dieser Bewegung weh. »Ich bin Schuld, dass er überhaupt dort liegt. Und ich kenne seine Familie. Fragen Sie von mir aus dort nach, ob sie es mir gestatten. Aber ich will ihn sehen!« Sie sahen sich einen Moment lang an, doch Jannis würde nicht nachgeben. Und wenn er sich nachts auf die Intensivstation schleichen musste, ihm war das völlig egal. Sie seufzte leise. »Ich werde Dr. Mertens fragen, was sich machen lässt«, sagte sie und verschwand. Eine Stunde später saß er in einem Rollstuhl und wurde von Schwester Anna – die sich nachträglich vorgestellt hatte – durchs Krankenhaus geschoben. Marek und Sebastian hatten nicht mitkommen dürfen, aber sie wollten in seinem Zimmer auf ihn warten. Jannis’ Herz hämmerte rasend schnell, als sie ihn durch eine Glastür schob, einen Gang entlang und schließlich bis vor eine Zimmertür, auf der in schwarzen Ziffern die Zahl 1013 prangte. Schwester Anna öffnete die Tür und Jannis sah sofort Herrn Reichenau - ebenfalls in einem Rollstuhl - an einem einzelnen Bett sitzen. Auf einem der Plastikstühle, wie Jannis sie ebenfalls in seinem Zimmer hatte, saß Marit. Herr Reichenau wandte sich um, als er die Tür gehen hörte, Marit blickte weiterhin in Richtung Bett. »Jannis«, sagte er und drehte den Rollstuhl um, während Schwester Anna ihn ins Zimmer schob und die Tür schloss, »wie geht es dir?« Jannis konnte seine ehrliche Besorgnis kaum ertragen. Verstand dieser Vater denn nicht, dass Jannis seinen Sohn beinahe umgebracht hatte? »Es geht schon«, sagte er mit trockener Kehle und Marit wandte sich nun auch zu ihnen um. Sie lächelte Jannis an, als sie ihn sah, und machte eine grüßende Handbewegung, die er mit der linken Hand halbherzig erwiderte. Dann fiel sein Blick auf Kolja. Sein blondes Haar lag auf dem weißen Kissen, die Augen waren geschlossen, die Haut blass. Alles in allem sah er aus, als würde er schlafen. Schwester Anna schob Jannis hinüber zum Bett, sodass sein Rollstuhl zwischen Marit und Koljas Vater zum Stehen kam. Er war sich nicht sicher, ob er es sich nur einbildete, aber es sah beinahe so aus, als würde Kolja lächeln. Es war nicht zu fassen. Selbst in so einer Situation hörte dieser Mensch nicht auf zu lächeln. Jannis spürte, wie seine Augen erneut zu brennen begannen. »Wir lassen euch beide mal kurz allein«, sagte Herr Reichenau neben ihm und Jannis konnte nicht antworten. Er starrte nur in Koljas Gesicht. Schritte ertönten und dann ging die Tür zu. Auch hier herrschte das stetige Piepen, doch in Koljas Zimmer standen noch mehr Geräte, an Kolja hingen noch sehr viel mehr Schläuche. Er hatte eine aufgeplatzte Augenbraue und eine Schürfwunde auf der linken Wange. Jannis streckte unter größter Anstrengung die linke Hand aus und strich über Koljas rechte, unverletzte Wange. Er wusste, dass Kolja ihn nicht hören konnte, aber Jannis hatte das Gefühl, er müsste es sagen, sonst würde er platzen. Undeutlich spürte er, wie ihm eine Träne über die Wange rollte. »Es tut mir Leid.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)