Shin no yuri von ChiisaiYume (Todeslilie) ================================================================================ Kapitel 5: The curse -------------------- Seit diesem Vorfall sprach Sayuri wieder weniger. Sie vermied auch meinen Blick. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass ihre Blicke und die von Yukio sich umso mehr kreuzten. Es schien mir, als würden sie die ganze Zeit miteinander sprechen. Über Dinge, über die ich nichts wissen durfte. Ich fühlte mich verletzt und hintergangen. Ich war immer der Meinung gewesen, unter Freunden verheimlichte man sich nichts. Und ja, auch Yukio war zu meinem Freund geworden. Und er wohnte jetzt auch hier. An diesem Abend, als das mit Yuudai passiert war, war mein Bruder nach Hause gekommen, als Yukio und Sayuri und ich noch immer im Wohnzimmer sassen. Als er mich sah, wurde sein Blick sofort ernst, was ich bisher noch nie bei ihm gesehen hatte. Aber er sah mich nicht mehr an. Jetzt sah er Yukio an. Die beiden sahen sich fest in die Augen. Es war wie ein stummes Zwiegespräch zwischen den beiden. Shin setzte sich auch zu uns, was der Grund war, warum wir nicht mehr über Yuudai und das alles sprechen konnten, obwohl ich noch viel Fragen hatte. Auf alle Fälle hatte ich Yukios hier sein erst erklären müssen, als meine Eltern nach Hause kamen. Und aus irgend einem mir unerfindlichen Grund schlugen sie sogar von sich aus vor, dass er hier wohnen sollte, nachdem Yukio und Shin – was mich wirklich überrascht hatte – mit ihnen gesprochen hatten. Ich hätte nie gedacht, dass mein Bruder sich dafür einsetzen würde, dass ausgerechnet ein Junge und noch dazu ein fremder hier wohnen durfte. Aber irgendwie hatte ich sowieso das Gefühl, dass Shin anders war als sonst. Viel ernster. Yukio wohnte also bei uns. Und so bewohnte er wieder das kleine Gästezimmer. Mein Bruder sah seit dem viel öfter bei mir vorbei, fragte mich, wie es mir ging und so weiter. Es war nervig, aber auch irgendwie süss. Was mich verwirrte war, dass ich nicht wusste, warum er das tat. Normalerweise mied er mich und jetzt plötzlich, seit er Yukio das erste Mal gesehen hatte, kümmerte er sich um mich wie verrückt. Ich sprach ihn einmal darauf an, aber er wich mir aus, fragte mich, was ich denn meinte. Ich hatte sowieso allgemein das Gefühl, ziemlich aussen vor gelassen zu werden. Aber ich traute mich, vor allem bei Sayuri und Yukio, einfach nicht zu fragen. Ich hatte Angst, dass sie sich dadurch nur noch mehr abschotten würden. Ich kam gerade vom Supermarkt zurück und hatte alle Einkäufe in der Küche verstaut. Ich war müde. Das war ich viel in letzter Zeit. Ich fühlte mich auch oft einfach nur schwach. So lief ich, ziemlich langsam und kraftlos, die Treppe hinauf. Doch vor meiner Zimmertür blieb ich stehen. Ich hörte die Stimmen von Sayuri und Yukio. Sie sprachen leise, flüsterten. Ich verstand sie kaum. Aber dennoch wollte ich nicht rein gehen. Ich war mir sicher, sie würden sofort aufhören zu sprechen, würde ich eintreten. Ich wollte wissen, über was sie sprachen, wenn ich nicht dabei war. „Hisa? Was tust du hier?“ Das war mein Bruder. „Shin.“ Ich fühlte mich ertappt. Doch er lächelte. „Wenn du es wissen willst, dann frag sie doch einfach.“ „Aber-“ „Kein aber. Geh! Sie werden schon ehrlich sein, glaub mir.“ Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Er machte mir enorm viel Mut mit seinem Lächeln. Er schien wie eine vollkommen andere Person als mein Bruder, den ich bisher gekannt hatte. „Danke!“, sagte ich lächelnd und ging in mein Zimmer hinein. „Sorry dass ich störe.“, begann ich, „Aber ich will jetzt endlich wissen, was ihr die ganze Zeit vor mir geheim haltet!“ Die beiden tauschten einen Blick aus und diesmal versuchten sie noch nicht mal, es zu verbergen. Dann sagte Yukio: „Weisst du-“ „Nein!“ Ich liess ihn gar nicht erst du Ende sprechen, „Ich will es jetzt wissen! Sofort!“ „Hisa, bitte! Zwing mich nicht, es auszusprechen. Ich will nicht!“, bat mich Sayuri. Aber was konnte schon so schrecklich sein, dass sie Angst davor hatte, es auszusprechen. „Sag es mir! Ihm hast du es schliesslich auch erzählen können!“ „Nein.“, widersprach sie mir, „Er wusste es bereits.“ „Aber ich bin doch deine beste Freundin! Bitte erzähl es mir! Ich will dir auch helfen können! Bitte!“ Jetzt war ich diejenige, die bettelte. „Tut mir Leid. Aber es ist anscheinend nicht so, dass du meine beste Freundin bist.“ Ich starrte sie an. Ich konnte nichts sagen, nichts entgegnen. Nicht auf ihre Worte. Was sollte ich da schon grossartig antworten? Sie hatte klar und deutlich gesagt, dass ich für sie nicht ihre beste Freundin war. Tränen stiegen mir in die Augen. Es war lange her, dass ich wegen etwas anderem als körperlichem Schmerz geweint hatte und jetzt schmerzte es umso mehr. Ich hielt die Tränen nicht auf als sie meine Wangen hinunter kullerten. „Mag sein dass du das so siehst.“, sagte ich langsam, „Aber für mich bist du meine beste Freundin. Und deshalb will ich dir helfen. Und jetzt sag mir verdammt noch mal was hier los ist oder ich werde ernsthaft wütend!“ Jetzt schrie ich beinahe. Ich musste ein seltsames Bild abgeben. Wie ich da stand, weinte und gleichzeitig verzweifelt schrie. „Hisa...“ Sie schloss einen kurzen Moment die Augen, atmete tief durch, dann sah sie mir fest in die Augen und begann zu erklären: „Als ich dir am Abend als ich gekommen bin gesagt habe, dass ich Angst vor Berührungen hätte, war das halbwegs eine Lüge. Ich habe keine Angst vor Berührungen im allgemeinen. Ich habe Angst davor, was mit Menschen passiert, die ich berühre.“ „Die du … berührst?“ Ich verstand nicht. Jetzt noch weniger als zuvor. Sie nickte, zog ihre Knie an. Sie sah verletzlich aus, wie sie da so sass und begann zu zittern. Sie war einen Moment ruhig, ehe sie weiter erzählte: „Ich … habe Angst davor, dass ich für einen Menschen stark empfinde. Egal ob ich mich verliebe, ob ich jemanden hasse, Mitleid mit jemanden habe, oder … eine beste Freundin. Ich habe Angst vor solchen Gefühlen. Weil ich, weil ich … ich … ich...“ Sie begann zu weinen. Sie drückte ihren Kopf mit beiden Händen auf die Knie. Ihre Finger verkrallten sich in ihren Haaren. Ich wollte zu ihr hin, sie umarmen, sie trösten, ihr helfen, irgendwie. Doch sie schrie: „Bleib weg!“ Ihre Stimme klang hysterisch, beinahe verrückt. „Du stirbst.“, flüsterte sie. „Was für ein Quatsch!“, winkte ich ab und umarmte sie. Eine Schmerzwelle fuhr durch meinen Körper, schüttelte ihn, es hörte nicht auf. Mein Herz. Es war, als würde es brennen, in Flammen stehen. Ich konnte mich nicht bewegen, nur meine Augen waren weit aufgerissen Mein Blick irrte ihm Raum herum, ich konnte nichts erfassen, alles verschwamm, wollte ich es fokussieren. Ich hatte Angst wie noch nie bisher. Und dann war es schwarz. Ich sah nichts mehr. Ich suchte nach etwas, irgendetwas, das ich sehen konnte. Ich wurde panisch, wollte schreien, doch es ging nicht. Ich stand nur da, litt unglaubliche Schmerzen und drehte beinahe durch. „Hisa!“, war das erste, das ich wieder hörte. Arme, die mich fest hielten war das erste, das ich wieder spürte. Ich klammerte mich an Yukio, zitterte, die Augen noch immer weit aufgerissen. Dann weinte ich, als der Schock nachliess. Es war so gewesen wie damals in Zens Haus, nur tausend mal schlimmer. „Yukio! Yukio!“ Ich hatte keine Ahnung ob ich ihm weh tat, so fest hielt ich ihn. Aber im Moment bezweifelte ich, dass ich allein stehen konnte. „Ist schon in Ordnung. Ist wieder gut. Wirklich!“ Er strich mir sanft über den Kopf, hielt mich fest und ich war ihm so dankbar dafür. „Was war das?“, fragte ich flüsternd. „Sayuri.“, sagte er nur. Und ich konnte nicht anders als ihm einfach zu glauben. Ich wollte nicht, aber, so unglaublich es sich auch anhören mochte, es leuchtete mir mehr ein als es jede logische Erklärung in diesem Fall hätte tun können. „Aber, was ist passiert?“, fragte ich weiter, noch immer flüsternd. „Du bist gerade gestorben.“, sagte er schlicht. Es erschreckte mich nicht mehr und ich fragte mich ernsthaft, warum. Und dennoch, dass ich gerade gestorben sein sollte, war vollkommen unmöglich und unlogisch. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was am Tod so anders sein sollte als an diesen Höllenqualen, die ich erlebt hatte. „Das kann nicht sein.“, widersprach ich ihm schwach. „Was Sayuri vorhin sagen wollte, war, dass jedes Mal, wenn sie eine Person, für die sie, egal in welchem Zusammenhang, stark empfindet, berührt, stirbt diese Person. Das ist ihr, wie soll ich sagen, Fluch? Das trifft es vielleicht.“ „Und warum lebe ich noch? Wenn ich doch gerade gestorben bin?“, fragte ich. Ich klammerte mich noch immer an Yukio. Ich suchte nach Überraschung, Angst oder so etwas in mir drin. Wie konnte ich nur so etwas glauben? Doch da war nichts. Es war, als würde ich das ganze von weit weg beobachten, so wie wenn man in einem Kino sitzt. Ich fühlte keine Verwirrung, fand nichts von all dem, was er erzählte seltsam. „Weil du besonders bist.“, antwortete er auf meine Frage. Ich war einen Moment still. Mir fiel der Abend ein, an dem Yuudai gekommen war. „Ihre Eltern?“, fragte ich. „Ja. Sie hat sie getötet als sie gerade in dem Alter war, in dem man Gefühlte beginnt zu verstehen.“ Es war still zwischen uns, bis Sayuri wieder etwas sagte: „Es tut mir Leid. Willst du sehen, was mich immer daran erinnert, was ich bin und was ich tue?“ Ich gab ihr keine Antwort, aber sie erwartete auch keine. Und so zog sie sich ihr Hemd über den Kopf, öffnete den BH. Yukio stand da, sah ernst Sayuri an. Auch ich sah hin. Was sie uns zeigen wollte, war ein Tattoo. Es begann an ihrem rechten Handgelenk, wo eine Lilie auf ihrer Haut verewigt war. Der Stiel der Pflanze schlang sich um ihren Arm herum immer weiter hinauf. Bis zu ihrer Schulter. Dort wurde aus dem Stiel die Wurzel, die seltsamerweise Dornen hatte. Die Wurzel reichte über beide Schlüsselbeine und auf ihrer linken Brust, direkt übe ihrem Herzen, bildete die Wurzel einen Kneul. Es sah aus, als würde er ihr unter die Haut tauchen. Das ganze Tattoo war mit einer dünnen, schwarzen Linie umrandet und schattiert und innen war es schneeweiss. „Ein Tattoo?“, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiss nicht, was es ist. Ich habe das schon seit ich geboren wurde. Aber ein Muttermal kann es ganz offensichtlich nicht sein. Ich habe es mir einfach gemacht und mir einfach selbst gesagt, dass ich vermutlich gezeichnet bin.“ „Gezeichnet.“, wiederholte ich. Das Wort machte mir Angst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)