Office Mein von elfogadunk (Im Büro) ================================================================================ Kapitel 27: Die Abmachung ------------------------- Nach dem Frühstück half Anjali ihrer Mutter dabei, die Küche aufzuräumen und auch Rahul bot zu Anjalis Überraschung seine Hilfe an. Zu dritt war die Arbeit schnell erledigt und der geplante kleine Rundgang konnte beginnen. Er endete allerdings bereits wenige hundert Meter vom Haus entfernt an einem alten Traktor vor einer der großen Scheunen der Sharmas. Abrupt blieb Anjali stehen, drehte sich zu Rahul um und schaute ihm fest in die Augen, bevor sie mit ruhiger Stimme meinte: „Die ist für heute morgen.“ Sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. „Die für die Lüge über unsere angebliche Verlobung.“ Noch eine Ohrfeige. „Und die dafür, dass Sie mir einfach ohne meine Einwilligung hierher gefolgt sind und mir meinen lang ersehnten Urlaub verdorben haben.“ Und noch eine Ohrfeige. Schwer atmend stand sie vor ihm und blickte ihn wütend an. Er war allerdings so perplex, dass er im ersten Moment nichts erwidern konnte. Seine Wangen brannten von ihren unerwartet harten Schlägen und er schluckte schwer. „Sie werden meinen Eltern die Wahrheit sagen und diese ganze Lügengeschichte aufklären, samajha gaya?!“, wies sie ihn an und streckte ihm drohend ihren Zeigefinger entgegen. Die Ohrfeigen hatten zwar gerade ungeheuer gut getan, doch sie war noch längst nicht zufrieden. „Anjali, ich...“, begann er zögernd. „Ich spreche kein Wort Hindi. Und um ehrlich zu sein habe ich auch die Hälfte von dem, was deine Eltern mir erzählt haben, nicht verstanden...“ Verwirrt über diesen plötzlichen Themenwechsel starrte sie ihn an und meinte dann: „Äh... Und warum sagen Sie das erst jetzt…?“, wollte sie wissen. „Weil ich…“, wollte er erklären, doch sie schnitt ihm das Wort ab. „Im Endeffekt ist das jetzt aber auch vollkommen egal! Ich will, dass Sie meinen Eltern die Wahrheit sagen!“ „... Meinst du wirklich, dass das klug wäre? Ich meine, es...“ „Lieber jetzt als noch später.“, fuhr sie ihm zwischen seine Einwände. „Ich habe wirklich keine Lust, drei Wochen lang so zu tun, als ob ich mit Ihnen verlobt wäre!“ Damit drehte sie sich schnaufend und mit erhobenem Kopf um und machte sich auf Weg zurück zum Haus. Rahul jedoch stand wie angewurzelt da und schaute sprachlos zu, wie sie sich festen Schrittes und mit schwingenden Hüften von ihm entfernte. Wenige Meter vor ihrem Haus blieb sie stehen und wartete darauf, dass Rahul zu ihr aufschloss. Sie wollte keine unnötigen Zweifel bei ihren Eltern wecken, indem sie getrennt von ihrem – zugegebenermaßen sehr kurzen – Spaziergang zurückkamen. Als er sie endlich eingeholt hatte, fiel ihr auf, dass er ein wenig abwesend wirkte und sie fragte sich, ob ihre Ohrfeigen der Grund dafür waren. Falls das der Fall war, freute es sie, denn das war dann wohl eindeutig ein Zeichen dafür, dass er endlich einmal über sein Verhalten nachdachte – das hoffte sie zumindest. Kaum hatten sie das Haus betreten, trafen sie auch schon auf Anjalis Mutter, die die beiden verdutzt anschaute. „Was macht ihr denn schon wieder hier?“, wollte sie wissen. „Wir haben etwas vergessen. Nicht wahr, Rahul?“, antwortete Anjali und stieß Rahul bei ihren letzten Worten mit dem Ellenbogen unauffällig in die Rippen, als Zeichen dafür, dass er seine Lüge jetzt aufklären sollte. Doch gerade als er seinen Mund öffnen wollte, zwitscherte ihre Mutter los: „Das trifft sich hervorragend, denn weißt du, wer vor zwei Minuten angerufen hat, Anju? Misses Sinha! Ihre Tochter Pooja wird bald heiraten! Zur Hochzeit werdet ihr leider nicht mehr hier sein, aber zur Verlobungsfeier in zehn Tagen seid ihr herzlich eingeladen. Ich habe auch gleich angekündigt, dass du deinen reizenden Verlobten mitbringen wirst.“ Sie strahlte vor Freude, während Anjali jedoch aufgrund dieser Neuigkeit beinahe alles aus dem Gesicht fiel. „Ich weiß schon gar nicht mehr, wann wir das letzte Mal auf einer Hochzeit waren. Wir müssen unbedingt vorher noch einmal einkaufen fahren, vor allem weil Rahul sicher gar keine festliche Kleidung dabei hat. Am besten wir fahren…“ Die Worte sprudelten nur so aus ihrer Mutter heraus, doch Anjali hörte schon gar nicht mehr zu. Ihre letzte Chance, diese ganze Verlobungslüge aufzuklären, hatte sich soeben in Luft aufgelöst. Sie konnte die Wahrheit jetzt, wo ihre Mutter sie schon so großartig für die Feier angekündigt hatte, nicht mehr offenbaren. Es wäre unglaublich peinlich für ihre Eltern gewesen, wenn sie diese Mitteilung wieder hätten zurückziehen müssen. Sie bedeutete Rahul also mit einem weiteren Stoß in die Rippen und einem darauffolgenden unauffälligen Kopfschütteln, dass er den Mund halten sollte. Verwirrt schaute er sie an, folgte jedoch mehr als bereitwillig ihrer Anweisung. Erst als ihre Mutter auf der Suche nach ihrem Mann von dannen gezogen war, verlieh Anjali ihrer Frustration Ausdruck. „Das kann doch alles nicht wahr sein…!“, stöhnte sie genervt und warf die Hände vors Gesicht. Rahul sah sie nur fragend an und verstand das Problem nicht – was jedoch vornehmlich daran lag, dass er beinahe nichts von dem verstanden hatte, was Anjalis Mutter ihnen gerade in einem irren Tempo erzählt hatte. Nachdem Anjali ihm den Sachverhalt und das daraus entstehende Problem erklärt hatte, schaffte er es nicht im Entferntesten so zu tun, als ob ihn diese Wendung der Dinge stören würde. „Das heißt also: Alles wie gehabt. Die nächsten drei Wochen sind wir ein frisch verlobtes Liebespaar.“, resümierte er mit einem breiten Grinsen, das Anjalis Puls vor Wut schneller werden ließ. „Es sieht ganz so aus…“, antwortete sie missmutig und schloss schnaufend die Augen. Das Schicksal war ganz offensichtlich nicht auf ihrer Seite. Während des Spaziergangs, den sie zur Klärung der Situation doch noch angetreten hatten, verdeutlichte Anjali ihren Standpunkt. „Wagen Sie es ja nicht, die Situation auszunutzen!“, warnte sie Rahul. „Kein Getatsche und keine Küsse, klar?!“ „Das kann ich nicht versprechen. Ich meine, wir müssen schließlich glaubwürdig wirken, und solche Sachen gehören zu einer Beziehung nun einmal dazu oder nicht?“, erwiderte Rahul ruhig. „Und im Küssen bekommen wir beide ja schließlich langsam Übung…“, fügte er hinzu, während er seinen Arm um ihre Schultern legte und gespielt unbeteiligt in eine andere Richtung schaute. Anjali errötete leicht, da sie genau wusste, dass er auf ihren letzten Kuss im Büro anspielte, doch sie war alles andere als gewillt, jetzt mit ihm über diesen Aussetzer ihrerseits zu diskutieren und befreite sich deshalb aus seinem Griff. „Reden Sie keinen Unsinn! Meine Eltern mögen Sie aus unerfindlichen Gründen, also spielen Sie einfach weiter den charmanten Gentleman. So werden wir die drei Wochen schon irgendwie herumbekommen. Und in zwei Monaten werde ich meine Eltern anrufen und ihnen erzählen, dass unsere Verlobung geplatzt ist, weil Sie mich betrogen haben. Somit wäre die ganze Sache dann wieder aus der Welt.“, teilte Anjali Rahul höchst motiviert ihren Plan mit, doch dieser war davon wenig begeistert. „Ich werde dich also betrügen?“, hakte er skeptisch nach. „Ganz sicher nicht. Wer dich einmal erobert hat, sollte dich nie wieder gehen lassen. Lass dir also besser eine andere Ausrede einfallen.“ Verblüfft schaute sie ihn an und fragte sich, ob er tatsächlich meinte, was er sagte, denn sein Gesicht wirkte überraschend ernst. „Wobei ich allerdings nicht glaube, dass das nötig sein wird. In zwei Monaten werden wir mit aller Wahrscheinlichkeit wirklich verlobt sein.“, fügte er hinzu und wartete, sie aus dem Augenwinkel heraus beobachtend, auf ihre Reaktion. Sie seufzte allerdings nur und fragte: „Sie können es nicht lassen oder?“ „Ich meine es ernst. Das wirst du bald einsehen. Wieso sonst sollte ich mit dir hierher geflogen sein?“, entgegnete er, doch Anjali zuckte nur ratlos mit den Schultern. Es ermüdete sie, dass es ihr einfach nicht gelang, diesen Mann richtig einzuschätzen. Deswegen wollte sie dieses Gespräch auch nicht weiterführen. Die vor ihr liegenden Wochen würden diesbezüglich schon anstrengend genug werden. Um das Thema zu wechseln, zeigte sie ihm also wirklich ein wenig die Umgebung mit den weitläufigen Feldern und erzählte ihm ein paar Sachen über ihre Familie. Er hörte aufmerksam zu und schien zu Anjalis Überraschung ehrlich interessiert an dem zu sein, was sie zu berichten hatte. Wieder zu Hause angekommen, wartete bereits das Mittagessen auf die beiden. Anjalis Eltern redeten auf Rahul ein und Anjali genoss noch für eine Weile seinen rat- und hilflosen Anblick, bevor sie schließlich offenbarte, dass er weder Hindi noch Punjabi sprach. Ihre Eltern empörten sich daraufhin darüber, dass ihnen dieser Umstand nicht eher mitgeteilt wurden war und entschuldigten sich bei Rahul dafür, dass sie es nicht von selbst bemerkt hatten. Den restlichen Tag verbrachten die vier damit, auf der Terrasse in der Sonne zu sitzen und sich über die aktuellsten und spannendsten Neuigkeiten auszutauschen. Während Anjali und ihre Eltern ein angeregtes Gespräch führten, hielt Rahul sich zurück. Er genoss es einfach, Anjalis Ausführungen zu lauschen und ihre dabei weit ausholende Gesten zu beobachten. Er empfand ihr Art als einmalig und er schätzte sich glücklich, dass das Schicksal auf seiner Seite war und er sie die nächsten Wochen quasi für sich allein hatte. Ihm war bewusst, dass er diese Zeit weise nutzen musste, denn eine solche Chance würde sich ihm ganz sicher nicht noch einmal bieten. Die drei Ohrfeigen von heute morgen nahm er dafür gern in Kauf und er wusste auch, dass er sie im Grunde genommen auch verdient hatte. Er hatte von Anfang an geahnt, dass Anjali sich seine Dreistigkeit nicht einfach bieten lassen würde – und damit konnte er auch leben, denn am Ende würde sich all der Ärger lohnen. Anjalis Liebe war ihm das wert, so viel war sicher. Während Rahul diese Überlegungen anstellte, ruhte sein Blick, ohne dass er selbst bewusst registrierte, die ganze Zeit liebevoll auf Anjali. Da sie jedoch so in ihr Gespräch vertieft war, bekam sie davon nichts mit – ihr Vater allerdings schon, und er nahm diese Tatsache zufrieden zur Kenntnis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)