Endlich mal eine Liebesgeschichte von meseta (mit gaaanz viel schmalz) ================================================================================ Kapitel 2: Möge die Jagd beginnen... ------------------------------------ „Super, das war ja so was von erwachsen, einfach wegzulaufen… wieso kommt mir das hier so unbekannt vor? Wenn ich mich rechts halte müsste ich ja wieder auf die Hauptstraße kommen…“ Leah war gradewegs in die übelste Parkanlage der Gegend spaziert. Hier kannte man sich natürlich nicht aus, wenn man den Anschluss zu den richtigen Kreisen vermied. Und wie das die Zwielichtige Bevölkerung meistens bevorzugte, war der Großteil der Beleuchtung nicht mehr funktionsfähig. Am Wochenende war hier einiges los. Das Wesen, das so sehr versuchte von einer Lichtquelle zur anderen zu gelangen, zog einiges an Aufmerksamkeit auf sich. Schnell hatte sich eine Gruppe gefunden die Leah nach stellte. „Okay, ich schaff das, ich werde einfach weiter mit mir selbst reden, auch wenn die Idioten mir weiter folgen, die können mir gar nichts, ich kann mich wehren, ich bin schließlich kein kleines Dummchen, oder vielleicht doch, sonst wäre ich den bekannten Weg gegangen, oder hätte mein Handy vielleicht doch noch mal aufgeladen…“ Aufgrund der schlechten Umgebungskenntnis kam Leah der erhofften Hauptstraße nicht gerade näher, sie würde noch eine Weile parallel dazu laufen. „Was wollen wir denn mit ihr machen?“ – „Mir würde da schon was einfallen (hehehe)“ – „Zu elft? Das könnte eng werden…“ „Beziehungsweise grade nicht“ „Das könnte auch für sie etwas viel werden…“ „Elender Gutmensch, okay, Lose ziehen oder Schere-Stein-Papier?“ „Haben wir Lose?“ „Gilt Brunnen auch?“ ´Also langsam krieg ich doch Angst. Warum müssen die in so großen Haufen durch die Gegend rennen? ´ Währenddessen wurden sich die Jungs nach und nach einig wer was machen durfte. Vince überlegte verzweifelt wie er die Jäger von ihrer Beute abbringen konnte. Mit einem einfachen Ablenkungsmanöver wäre es wohl nicht getan. Dazu zwingen konnte er sie auch nicht, dafür waren es dann doch zu viele. Leah einholen und ins beleuchtete Stadtrevier zurückbringen würde er nicht mehr schaffen. Der Abstand zwischen ihr und den anderen schmolz viel zu schnell dahin. Er hatte nicht die Zeit noch länger zu Grübeln, wenn er nicht rechtzeitig etwas unternahm, würde es ihr nicht mehr helfen. ´Okay, das wird vermutlich unbequem…´ Ein paar aufgelesene Steine lagen in seiner Hand. Nach etwa einer halben Stunde hatte Leah den Park verlassen, überaus erleichtert, dass die Verfolger zwischendurch abgelenkt gewesen waren. Vermutlich mussten sie sich gegenseitig verprügeln. So rasch wie möglich schlich sie durch die Straßen der Stadt. In der Sicherheit des Elternhauses ging es ihr etwas besser. Der Schreck saß doch tiefer als sie zugeben wollte. Es war ein unruhiger Schlaf in den Leah fiel, nach dem sie viel Zeit unter der Dusche verbracht hatte um sich etwas aufzuwärmen. „So was, ist Vincent heute nicht da?“ Die Abwesenheit des beliebten Neulings schien unerklärlich. Also gingen die meisten davon aus, dass er einfach keine Lust hatte und schwänzte. Als Vince auch am nächsten Morgen nicht erschien wurde die Klasse etwas unruhig. Niemand hatte etwas gehört oder wenigstens eine Telefonnummer. Am Mittwoch wurde es Leah zuviel. Sie hatte von Janna erfahren, dass Vince ihr am Samstag gefolgt war. Leah hatte es dann doch nicht für nötig gehalten Janna von dem nicht ganz ungefährlichen Heimweg zu berichten. Nun konnte sie sich lebhaft vorstellen was ihre Verfolger abgelenkt hatte. In der letzten Stunde fasste sie schließlich einen Entschluss. Die Belegschaft des Sekretariats erlebte zum allerersten Mal einen freiwilligen Besuch von Leah. Und Leah war nicht selten zu Gast gewesen. „Guten Tag, ich würde gerne die Adresse von Vincent erfahren. Sie haben ja sicher Zugang dazu.“ „Schon, aber eigentlich sollten wir keine Daten weiter geben.“ „Das dachte ich mir schon, ich möchte Sie trotzdem darum bitten. Vincent fehlte ja die letzten Tage und ich würde ihm gerne den Schulstoff vorbei bringen.“ Aus den bisherigen Begegnungen hatte die Sekretärin den Schluss gezogen, dass Leah nicht die Musterschülerin war die sich um ihre Mitschüler übermäßige Sorgen machte. Andrerseits wollte sie sich nicht vorstellen was Leah mit ihr anstellte wenn sie nicht nachgab. Da es ohnehin darauf hinauslief machte sie dem lieber schnell ein Ende. „Das ist aber nett von dir, warte ich gucke mal kurz…ja, Vincent wohnt im Goldanger 2, weißt du wo das ist?“ „Ich werd´s schon finden, danke.“ Schon war Leah zur Tür hinaus. Der Goldanger gehörte eigentlich zu den besseren Wohngegenden. Leah war etwas verwirrt als sie vor dem fünfstöckigen Block ankam. Er schien aus einer älteren Bauperiode zu stammen und wirkte leicht herunter gekommen. Sie drückte die Klingel bei der so etwas Ähnliches wie Vince´ Name stand, der durch eingedrungenes Regenwasser kaum zu erkennen war. Natürlich ging niemand an die Gegensprechanlage. Nachdem Leah noch einmal geläutet hatte, wandte sie sich der Tür direkt zu. Einfach unverrichteter Dinge wieder zu gehen kam nicht in Frage. Als sie das Schloss unter die Lupe nehmen wollte öffnete sich die Tür ohne Widerstand. Jemand hatte vergessen abzuschließen. Leah brauchte nur zwanzig Minuten um allen Türen einen Namen zuordnen zu können. Sie klopfte an Vince´ Tür, dreimal, viermal mit mehr Nachdruck. Entweder stellte er sich hervorragend gut tot oder er war wirklich nicht da. Eine andere Tür wurde geöffnet und ein faltiges Gesicht in geblümtem Haushaltskittel zeigte sich. „Der Junge ist schon eine Weile nicht mehr nach Hause gekommen. Sie sind bestimmt seine Freundin, nicht? Ich mach mir ja ein bisschen Sorgen. Er meinte zwar es könnte vorkommen dass er ein paar Tage verschwindet, aber man macht sich ja doch seine Gedanken, nicht? Wenn selbst seine Freundin hier steht und nicht weiß wo er ist, dann ist dass doch wirklich ein Grund sich zu sorgen. Er ist ja so ein guter Junge, immer hilft er mir, wenn ich ihn drum bitte, und fragt auch immer so nett nach. Den sollten Sie sich beibehalten, junge Dame.“ „Haben Sie vielleicht eine Idee, wo Vincent stecken könnte?“ Ein besorgtes Kopfschütteln kam als Antwort. „Wissen Sie wo seine Eltern sind?“ „Der Junge wohnt allein hier, er hat mir sogar einen seiner Schlüssel gegeben, für Notfälle…“ „Aha. Gut, dann danke ich für Ihre Hilfe, einen schönen Tag noch.“ „Keine Ursache, geben Sie gut auf ihn Acht!“ Leah machte sich mit einem sehr schlechten Gefühl auf den Heimweg. Offensichtlich war ihr bisher der Großteil von Vince entgangen, dafür hatte er mit aller Macht gesorgt. ´Der Mistkerl wohnt ganz allein. Der Mistkerl ist nett zu alten Omas. Und der Mistkerl ist spurlos verschwunden. Und er sagt das kann vorkommen…gehen wir mal davon aus, dass die Idioten vom Samstag tatsächlich von ihm aufgehalten worden sind, und gehen wir auch davon aus dass er das überlebt hat. Dann bleibt eigentlich nur noch eine Möglichkeit auf die ich zurückgreifen kann…´ Noch war der Tag jung und es gab nur vier Krankenhäuser in der Stadt. Es ging schon auf sieben zu, als im dritten Klinikum die Worte „Ja, der liegt hier, auf Station 4. Da fahren Sie in die zweite Etage und dann nach links.“ ausgesprochen wurden. ´Toll, jetzt bist du hier und hast nicht die geringste Ahnung was du sagen sollst…´ Vorsichtig klopfte Leah an der Zimmertür. Ein energiegeladenes Herein ertönte auf der anderen Seite. Zaghaft öffnete sie die Tür und schob sich ins Zimmer. „Oh, so was, und ich dachte meine Frau käme. Naja ich werd mal meine Runde drehen. Siehste, kriegst doch noch Besuch. Und dann so hübschen. Bis später.“ Der Herr mittleren Alters hatte einen Arm in einer Schlinge und ließ eine sehr angespannte Situation hinter sich zurück. Leah erkannte im schummrigen Abendlicht nicht allzu viel, aber was sie sah war schon aussagekräftig genug. Vince wirkte wie erstarrt. Sein rechtes Bein war bis zum Knie eingegipst, mit der linken Hand hing er an einem Tropf, das rechte Handgelenk war mit viel Mull stabilisiert und an den frei sichtbaren Körperstellen war auch sonst einiges an Schürfwunden und blauen Flecken zu sehen. Das Gesicht wirkte so zerschunden, dass auch jemand anderes hätte da liegen können. „Was willst du?“ Es kostete Vince viel Mühe ruhig zu reden. Er hatte in den letzten Tagen kaum etwas gesagt und sein Zwerchfell beschwerte sich bei jedem Wort. „Ich habe vermutet, dass der Grund für dein Fehlen am Samstagabend zustande gekommen ist. Ich wollte sehen wie es dir geht. Wenn du hilflos zuhause gelegen hättest-“ „Tu ich nicht. Und selbst wenn…was dann?“ „Dann hätte ich dir helfen können.“ „…Danke. Fürs Bemühen. Bitte geh jetzt.“ „Aber dir geht es offensichtlich sehr bescheiden. Soll ich dir nicht ein paar Sachen von zuhause holen? Vielleicht etwas zum Anziehen, oder etwas zum Zeitvertreiben.“ „Bitte geh jetzt wieder.“ Leah musste erstmal tief Lust holen: “Naja- sicher, wie du möchtest…“ Nachdem sie es aus dem Gebäude geschafft hatte kamen ihr tatsächlich die Tränen. ´Das kann doch nicht sein. Ich heule wegen einem Typen den ich nicht mal leiden kann…bitte, wenn er meint er braucht keine Hilfe, dann eben nicht...´ „Ach, hallo! Da sind Sie ja wieder.“ „Ja, einen schönen guten Tag. Ich hätte eine Frage. Vince liegt im Krankenhaus und bräuchte einige Sachen. Leider hat er vergessen mir seinen Schlüssel mitzugeben. Könnten Sie mir kurz aufschließen?“ „Aber sicher. Nein, so was. Im Krankenhaus? Ist´s denn was Ernstes?“ „Nein, nein. Er wird schon wieder.“ Der Haushaltskittel öffnete ohne zu zögern. Leah trat in die Zwei-Zimmer- Wohnung. Es war dunkel. Schwarze, schwere Vorhänge verdeckten die Fenster. Der Lichtschalter entblößte eine spartanische Einrichtung. Die Küche bestand nur in einer Ecke des ersten Zimmers. Ein Schreibtisch, ein Sessel, ein Fernseher auf einer Kommode. Ein kleines Bild stand zwischen dem Gerät und ein paar aufgereihten Büchern. Es zeigte Vince, ein paar Jahre jünger, neben einer nett wirkenden Frau. Es war erstaunlich wie glücklich er aussehen konnte. Leah hatte eine Tasche mitgebracht. Sie verstaute drei der Bücher darin und ging in den zweiten Raum, den Vince zum Schlafen nutzte. Hier gab es ein breites Bett und einen Kleiderschrank. Daraus zauberte Leah Kleidung hervor die für vier Tage reichte. Das war keine einfache Aufgabe, weil bei Vince etwa so viel Ordnung herrschte, wie sich das für einen jungen Mann der allein lebte gehörte. Im Bad sackte sie Zahnbürste und Zahnpasta, ein Duschbad und Rasierutensilien ein, die nur mitkamen, weil sie so offensichtlich im Weg standen. Zum Schluss blickte sich Leah noch mal um, aber es gab keine Pflanze die man hätte gießen können oder Tiere die zu versorgen waren. Das Faltengesicht verabschiedete Leah mit viel Wohlwollen. Offensichtlich war die Dame erleichtert zu wissen was mit ihrem Nachbarn geschehen war. Der spannendere Teil wartete natürlich im Klinikum. Leah hatte es sich schon nach einem Tag in den Kopf gesetzt, diesem störrischen Esel bestmöglich zu helfen. Das beinhaltete erstmal die Nervensäge vom Dienst zu spielen. Vince Zimmernachbar öffnete diesmal persönlich die Tür. „Ach, hallo.“ flüsterte er Leah zu während sie eintrat. „Dacht´ ich mir dass du noch mal vorbei kommst. Er schläft gerade. Ich empfehle dir, ihn nicht zu wecken. Der hat seit gestern Abend gar keine gute Laune…nicht dass er vorher welche hatte, aber irgendwie ist’s jetzt noch schlimmer.“ Sein Name war Hajo, ursprünglich Hans-Joachim, aber es war schon solange sein Rufname dass er sich immer damit vorstellte. Hajo war Lehrer auf Abwegen, er unterstützte zurzeit eine Kommission, die grob gesagt im Auftrag des Landes Maßnahmen für Grundschulen festlegen sollte. Und Hajo war ein Wasserfall. Seine Lebensgeschichte dauerte nur wenig länger als das Einräumen von Vince´ Sachen, wobei er durchgehend die Stimme gesenkt hielt. Leah machte es sich bei ihm bequem, sie wollte Vince noch erklären wie sie an seine Sachen gekommen war und noch mal fragen ob er nicht doch noch etwas Bestimmtes brauchte. Hajo erzählte weiter, er sei wegen seiner Schulter hier, seine letzten Mitbewohner waren wesentlich unterhaltsamer gewesen als Vince. Vince war erst Dienstag hierher gekommen, vorher war er wohl auf der Intensivstation gewesen. Die Visite hatte von gut heilenden inneren Verletzungen gesprochen, die eine angeknackste Rippe machte auch keinen Ärger. Das gebrochene Bein war angeblich eins der kleineren Probleme. Aber insgesamt hörte es sich an als bestünde die Möglichkeit auf vollständige Genesung. Während Hajo redete beobachtete Leah ihren Mitschüler. Vince wirkte im Schlaf nicht sonderlich friedlich. Nachdem er tagelang hier war, hatte sich ein Flaum an Bartwuchs über sein Kinn gelegt. Die Schwellungen waren schon etwas weiter abgeklungen. Ein blaues Auge wie aus dem Lehrbuch zierte sein Gesicht. Die Lippen waren gleich mehrfach aufgeplatzt. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, was ihn insgesamt wie einen Verbrecher aussehen ließ. Seine Mundwinkel zuckten ganz leicht. Scheinbar träumte er. „Er wacht bestimmt gleich auf. Wenn er seine Finger bewegt ist dass ein sicheres Zeichen dafür.“ „Sie haben seine Körpersprache ja richtig gut studiert, was?“ „Was bleibt einem anderes übrig, wenn man sich nicht verbal unterhalten kann? Ich geh jetzt für einen Moment. Sorg bitte dafür dass er bessere Laune bekommt, ich muss noch drei Tage mit ihm aushalten.“ Vince erwachte als Hajo die Tür etwas zu laut schloss. Es wirkte als würde er Leah gar nicht wahrnehmen als er sich umblickte. Dann blieb sein Blick doch an ihr haften. Das einzige was sich änderte war der Ausdruck von Erkenntnis in seinem Blick. „Ich hab dir einige Sachen von Zuhause mitgebracht. Deine Nachbarin war so nett mich rein zulassen. Ich hoffe die Bücher sind okay…Fällt dir noch was Spezielles ein, was du haben möchtest?“ Es dauerte einen Moment bevor Vince antwortete: „Ist das die Rache für die letzten Wochen?“ „Du weißt, dass ich stur bin, also finde dich damit ab. Besser wird’s sicher nicht mehr.“ „Super.“ Leah stand auf, nahm sich Jacke und Tasche und blieb vor Vince´ Bett stehen. „Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber ich bin nicht total blöd. Ich weiß dass du das für mich getan hast und ich kann mir vorstellen was mir ohne dich zugestoßen wäre. Ich möchte mich bei dir bedanken. Denn du liegst jetzt an meiner statt hier. Danke.“ Sie blickte ihn noch einen Moment unsicher an, schickte sich dann aber an zu gehen. An der Tür drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Glaub nicht, dass du mich loswirst. Ich stehe tief in deiner Schuld, nicht nur wegen dem Samstagabend. Bevor ich mich nicht wieder wohl fühle werde ich dir keine Ruhe gönnen.“ Damit verschwand sie. Vince brauchte lange, bis er darauf kam, dass Leah die Sportstunde meinte. Dieser amüsante Moment schien Ewigkeiten zurück zu liegen. Auch wenn Vince es nicht wahrhaben wollte, die Vorstellung demnächst viel Zeit mit Leah zu verbringen war ziemlich verlockend. Andererseits konnte er das nicht gebrauchen. Sie würde ihn dazu bringen sich noch viel mehr mit ihr einzulassen und dann hätte er vermutlich einiges zu erklären. ´Solange ich hier bin kann ich mich ja etwas umgarnen lassen. Aber danach ist Schluss damit´ Am Freitag musste sich Leah doch einmal mit ihren eigenen Pflichten aus einander setzen. Die Hausaufgaben, von denen sie ohne Jana nicht einmal gewusst hätte, machten sich leider nicht von selbst. Nach zwei Stunden starrte Leah auf die leere Seite, die vor ihr lag. ´Irgendwie habe ich den leisen Verdacht, dass das hier mal gar nichts wird…´ Kurz entschlossen packte sie ihre Aufgaben zusammen und rüstete sich gegen das Wetter, das in den letzten Tagen doch merklich zum Herbst tendierte. Der Weg zu Vince war ernsthaft ungemütlich. ´Was mach ich hier eigentlich? Er will keine Hilfe, und eigentlich hätte ich schon Besseres zu tun, oder? Aber nein, ich laufe gerne durch den Sturm, damit ich mir mal wieder eine Abfuhr abholen kann…hoffentlich hat der heute mal bessere Laune, sonst stauch ich den so was von zusammen´ Aber er hatte bessere Laune. Sehr viel besser. Vince war sich sicher dass Leah kommen würde. So hatte er sie kennen gelernt, stur und unfähig sich auf mehr als eine Sache zu konzentrieren. Dass er heute so gut aufgelegt war lag an zwei Kleinigkeiten. Zum einen konnte er wieder ohne allzu große Anstrengung Atmen und zum anderen hatte er sich in der letzten Nacht vorgenommen die Aufmerksamkeit von Leah zu genießen. Er würde das bereuen, aber das kümmerte ihn grade nicht. Die Erkenntnis, dass er sie mehr mochte als alle anderen bisher, wirkte auf ihn regelrecht befreiend. Es änderte nicht das Geringste an der Situation, nur wusste Vince jetzt, dass er Leah wollte. Sei es auch nur für die kurze Zeit des elenden Krankenhausaufenthalts, denn danach würde er sie wirklich nicht mehr in seinem Leben dulden dürfen. Der Gedanke daran warf einen leichten Schatten auf sein Gemüt. Er hatte seine Freizeitbeschäftigungen seit dem Schulwechsel eindeutig zu sehr vernachlässigt. Dadurch war ihm scheinbar die Dringlichkeit, andere fern zuhalten ein wenig entfallen. Vielleicht war es aber auch gar nicht so schlecht, einmal, nur einmal, jemanden zu finden den man mitnehmen könnte. Vince versuchte diese Gedanken zu verscheuchen. Darüber gab es gar nichts zu denken. Sollte sie je mitbekommen was seine „Hobbys“ bedeuteten, würde sie wohl von ganz allein auf Abstand gehen. Stattdessen beschäftigte er sich lieber mit der Frage womit er Leah heute wohl ärgern könnte. Diesmal klopfte Leah nicht sonderlich zögerlich. Sie war verärgert, weil die Witterung so unbarmherzig gewesen war. Sie wartete auch nicht auf Antwort, sondern ging gleich ins Zimmer, weil sie sich schnellstmöglich die nasse Jacke aus ziehen wollte. Vince beobachtete Leah wie sie ihren regennassen Mantel auszog und auf hing, um dann mit ihrem Rucksack im Arm zu einem der Stühle zu stapfen. Dort packte sie einige Hefter und Stifte aus und setzte sich. Nach ein paar Minuten merkte Vince, dass Leah sich dezent über eine Aufgabe ärgern musste. „Hallo.“ Begann er vorsichtig. Leah drehte sich zu ihm um und schaute ihn einen Augenblick lang an und sah dann wieder auf ihr Blatt. „Hi“ „Bist du nur gekommen um Hausaufgaben zu machen?“ Ein genervter Seufzer erklang. Dann rückte Leah ihren Stuhl so herum, dass sie Vince genau ansehen konnte. „Ich bin nur hergekommen weil ich zu Hause nicht weiter gekommen bin.“ „Brauchst du doch Nachhilfe?“ Leah lief rot an während sie zur Antwort wütend guckte. Vince kicherte bei dem Gedanken an das letzte Angebot dieser Art, was ihm sein Bauch übel nahm. „Naja, ich hab’s nicht so mit Aufsätzen.“ Gestand Leah kleinlaut. „Aufsätze sind ja auch doof.“ „Vor allem total sinnfrei. Als würde es die Schulz interessieren was meine Meinung zu Faust ist.“ „Sehr richtig, ich hab das letztes Schuljahr schon mal gemacht. War sterbenslangweilig…“ Leahs Augen wurden auf einmal riesengroß. Ihr Gesichtsausdruck erinnerte Vince so sehr an ein Kind vorm Süßigkeitenladen, dass er loslachen musste. Nachdem er sich erholt hatte diskutierten die beiden über das Thema und Leah konnte ihre Aufgabe etwas vorantreiben. Immer wieder mussten sie dabei pausieren, weil Vince das Lachen nicht immer unterdrücken konnte und sich teilweise wirklich zusammenreißen musste, damit Leah nicht mitbekam wie sehr es schmerzte. Aber es gefiel ihm ganz gut so. Ihre Lebenskraft und übersprudelnde Energie waren eine Wohltat. Irgendwann zwischendurch kam auch Hajo ins Zimmer zurück. Die drei hatten gemeinsam ihren Spaß. Es dauerte nicht lange bis es für Leah schließlich Zeit war heim zu gehen. „Wirst du morgen wieder kommen?“ Hajo fragte, voller Hoffnung auf einen netten Abend mit seinem Bettnachbarn. „Naja, die Hausaufgaben kann ich ja wieder mitbringen. Dann werden sie vermutlich sogar besser…“ „Ich würde mich freuen, deine Mathefähigkeiten zu unterstützen. Ich wollte mich noch bedanken, für die mitgebrachten Sachen.“ „Kein Problem, ich hab das ja auf eigene Faust gemacht…Ach, ich wollte mal fragen wer das auf dem Foto neben dem Fernseher war? Der Junge sah so glücklich aus, dass du es eigentlich nicht sein kannst.“ Die Bemerkung war als Scherz gedacht. Vince lachte, aber es war von ein wenig Schwermut begleitet. „Das ist lange her. Es ist ein Bild von meiner Mutter und mir. Wir waren im Urlaub. Es war eine wirklich schöne Woche.“ Das Lächeln wirkte auf seinem Gesicht furchtbar traurig. Leah überkam das Gefühl ihn in den Arm nehmen und trösten zu müssen. Eigentlich wäre ihr das viel zu peinlich gewesen, aber sie hatte sich heute zu wohl gefühlt. Also fasste sie sich ein Herz, ging zu ihm und schlang ihre Arme um seine Mitte. Die Umarmung brachte Vince ein kleines bisschen aus dem Konzept. Prompt in diesem Moment platzte die Stippvisite herein. Eine Schwester, die sich in den letzten Tagen häufig mit dem übellaunigen Vince auseinandersetzen durfte, blickte voll erstaunen auf Leah und dann zu Vince: „Mensch, Sie können ja Lächeln! Wer hätte dass gedacht…“ In einem Rekordtempo hatte Leah das Zimmer verlassen und war an der Schwester vorbei gerauscht. Vince war an diesem Abend nicht mehr wirklich geistig anwesend. Leah brachte eine schlaflose Nacht hinter sich, die ganze Zeit mit der Frage beschäftigt, was sie da nur geritten hatte. Am nächsten Morgen kroch sie erschöpft und viel zu spät aus dem Bett. Vince war es ähnlich ergangen. Den Großteil der Nacht hatte er die Zimmerdecke beobachtet. Es wunderte ihn ziemlich als es wieder hell wurde. Er war sich zwischendurch bewusst, dass im Raum einige Bewegung herrschte. Allerdings war Vince zu diesem Zeitpunkt vor Müdigkeit einigermaßen weggetreten. Dadurch verpasste er Hajos Abreise, deren Verkündung er am letzten Abend ebenfalls versäumt hatte und auch die Visite bemerkte er gar nicht. Leah war auf sehr leisen Sohlen unterwegs. Sie hatte sich stark zusammen nehmen müssen, dass sie überhaupt hierher gekommen war. Und da lag er nun schlafend in dem sonst leeren Zimmer. Leah setzte sich an sein Bett und schaute in das immer noch farbenprächtige Gesicht. Verstohlen sah sie sich um. ´Wenn ich mich kurz dazu lege stört das sicher keinen…´ und schon positionierte sich Leah neben Vince. Die Müdigkeit benebelte sie ziemlich, es gab ja noch zwei ungenutzte Betten im Raum, die in ihren Gedanken nicht einmal zur Wahl standen. Nach wenigen Augenblicken war auch sie wieder eingeschlafen. Und schlief, anders als in der Nacht, tief und fest. Als drei Stunden später die Schwester vorbeischaute, die auch schon am letzten Abend Leah gesehen hatte, lagen Leah und Vince ziemlich verknäult da. Ohne das geringste Zeichen wach zu werden. Eigentlich war das ja nicht erlaubt…andererseits hatte der junge Mann noch nie so friedlich ausgesehen. Soziale Unterstützung half ja angeblich beim Heilprozess… Also ließ sie die beiden wo sie waren und freute sich ein wenig für den Griesgram, der die letzten Tage so anstrengend gewesen war. Vince merkte wie er langsam aus dem Schlaf auftauchte. Irgendwas fühlte sich anders an als sonst. ´Es ist ziemlich warm auf einmal. Und da liegt etwas Schweres auf mir. Dessen Form mich eindeutig an etwas erinnert. Das kann eigentlich nicht-´ Er schlug die Augen auf, um sich zu vergewissern, dass er doch nur träumte. Aber da lag sie. Leah hatte auf wundersame Weise den Weg zu ihm wieder auf sich genommen und nun lag sie in seinem Bett und hatte Arm und Bein wie Enterhaken um ihn geschlungen, damit sie nicht herunter fiel. Vince machte große Augen, als ihm dämmerte was da alles an seinen Körper geschmiegt war. Vor lauter Verlegenheit versuchte er sie ein wenig von sich weg zu schieben, was natürlich zur Folge hatte, dass Leah sich noch mehr an ihn klammerte. Verzweifelt überlegte Vince wie man ein schlafendes Mädchen am besten wecken sollte. Ganz von selbst erschienen unschuldige Gedanken an Dornröschen und Schneewittchen vor seinem geistigen Auge. Während er noch das Für und Wider dieser Methode abwägte, rührte sich die Schlafende bereits. Leah ließ ein leises Murmeln hören. Vince spitzte die Ohren. Wie oft hatte in solchen Momenten im Fernsehen und Buch ein dahin gehauchter Name eine Liebesgeschichte begonnen. Was würde er dafür geben seinen Namen einmal so zu hören. Und tatsächlich wurden Leahs Laute immer deutlicher bis schließlich- „Frühstück…“ Vince prustete los. Er war sich nicht sicher warum. Ob der Thematik von Leahs Unterbewusstsein oder weil er sich Hoffnungen auf etwas so Abwegiges gemacht hatte. Davon erwachte dann auch Leah. Sie sah etwas verwirrt zu Vince auf bis das Hirn in Schwung kam und meldete, dass sie gerade an ihn gekuschelt in seinem Bett lag. Schnell ging sie ihre Möglichkeiten durch und schaute Vince dabei weiterhin an. Der wartete gespannt darauf, was als nächstes passierte. Leah blieb bei zwei Möglichkeiten hängen. Erstens Amnesie vortäuschen und zweitens eine Es-tut-mir-wirklich-Leid-ich-wollte-nur-mal-gucken-wie-das-ist-Tour. Die erste Taktik hob sie sich lieber für später auf. „Entschuldige, ich wollte nur mal probieren, wie sich das anfühlt…“ „Da gibt’s noch was zum Ausprobieren.“ Vince zog über einem anzüglichen Grinsen eine Augenbraue hoch. Er hob seine Kanülenfreie verbundene Hand an ihr Gesicht. Leah war sich nicht sicher was hier gerade geschah. Sie hatte die letzten Tage mitbekommen, dass Vince sie so geärgert hatte, weil er sie eigentlich gut leiden konnte. Und plötzlich so etwas?!? Leah hatte mit Jungs nicht viel am Hut, nicht in dem Sinne „Jungs“ wie es ihre Mutter aussprach. Aber die Situation war eindeutig verfänglich. In einem Bett, allein im Zimmer und dann dieser filmreife Ansatz zu einem- Ach, was soll’s… Sanft legte sie die Lippen auf seine. Ein wenig erschreckt über das was sie da machte wich Leah wieder etwas zurück. Vince ließ sie aber nicht weit. Etwas kraftvoller zog er sie an sich und setzte einen Kuss seiner Art hinterher. Mit solcher Leidenschaft hatte Leah alle geistigen Hände voll zu tun. Erst als sie Blut schmeckte endete dieser seltsam lange Moment. Sie befreite sich vollkommen aus Vince Umarmung und stand auf, um sich in sicherer Entfernung auf den Stuhl zu setzen. Vince verfluchte alle Götter von denen er wusste, dass er ihr nicht nach konnte. Hilflos an sein Bett gefesselt sah er sie aufmerksam an. „War das zu stürmisch? Hätte ich besser nicht…?“ „Nein, nein, ich muss nur eben denken. Außerdem sind deine Lippen wieder aufgeplatzt. Ich glaub, ich geh jetzt besser wieder heim.“ „Nein, bitte, bleib noch hier. Ich will auch ganz artig sein.“ Leah lachte verlegen „Ja, ja, sagte der Wolf…“ „Hey, du hast auch mitgemacht…“ Vince schaute wie ein trotziges Kind und intonierte seinen Einwurf passend dazu. „Hab ich gar-“ setzte Leah in gleicher Art an, „Naja, also…ja, stimmt. Ich mochte es.“ Hätte sie schon wieder einen klaren Gedanken fassen können, hätte sie so etwas vermutlich nicht gesagt, aber da war es auch schon heraus gewesen. Vince Miene hellte sich auf. „Wenn das so ist, ich kann dir auf jeden Fall Nachschub beschaffen…“ Das hier war eine ganz andere Ebene auf der Leah plötzlich Mut aufbringen musste. Aber alle anderen konnten das auch, und machten es sogar gerne. Da war also vermutlich eine gute Motivation zu finden, wenn man weiter ging. Sie lächelte Vince unsicher an. „Und was machen wir jetzt?“ „Was du möchtest.“ Vince wollte vor allem seine Arme wieder um sie legen und die ihre um ihn spüren, aber er hatte gelernt, dass man scheue Mädchen nicht zwingen durfte. Zu seiner Verwunderung trat sie wieder zu ihm heran und, nach kurzem Zögern, küsste sie seine Stirn, berührte, mit möglichst wenig Berührung, seine mittlerweile violett-gelbe Wange und landete schließlich beim Mund. Nach kurzer Zeit saß Leah mehr auf ihm, als auf dem Bett und es schien ihr als wollte er sie nie mehr gehen lassen. Dagegen hatte die Schwester, die später zu Besuch kam, allerdings doch etwas. „Also wirklich. Was denken sich die jungen Leute heut zu Tage nur. Erst lässt man sich ins Krankenhaus befördern und dann versucht man mit größtem Einfallsreichtum die Genesung hinaus zu zögern. Ich bin ja erfreut, dass dieser Nörgelkopf tatsächlich eine Gefühlswelt zu haben scheint, aber so sehr muss man es doch nicht übertreiben. Ich muss Sie jetzt auffordern zu gehen. Dieser Patient braucht unbedingte Bettruhe.“ „Die Ärztin sagte, dass ich in vier Tagen gehen darf. Noch mit Krankschreibung nach Hause, aber wenn ich mich gut fühle, soll ich auch schon mal in die Schule.“ Leah strahlte Vince an. „Wunderbar, dann kannst du endlich wieder selbst entscheiden was du tust ^^“ „Ja, ich bin auch erleichtert. Das Bein braucht wohl noch etwas Zeit. Sie sagen der zweite Bruch ist noch nicht ganz heile, aber es wird gehen.“ „Keine Sorge. Ich kümmere mich dann um dich“ Mittlerweile war das Zimmer wieder belebter. Ein gebrochener Arm, ein kaputtes Hüftgelenk und ein Wangenknochen belegten die Betten ringsum. Es war ein stetiger Wechsel gewesen. Da Samstag war, hatten auch die anderen Besuch. Leah war in den letzten zwei Wochen ständig hier gewesen. Die Schwestern kannten sie alle und auch die Cafeteria-Damen konnte Leah beim Namen nennen. Ihr Vater und Janna vermissten sie ein wenig, da jede freie Zeit plötzlich nicht mehr vorhanden war. Aber Leah hatte sich schon vorher dafür entschuldigt und die beiden wussten, dass sie ohnehin nicht erpresster maßen kommen würde, also beschäftigten sie sich mit Sachen, die normalerweise nie erledigt werden. Jonas räumte unter anderem den Dachboden auf und Janna konnte auf einmal mit Geschichte etwas anfangen, weil sie erstmals ihr Buch in Augenschein genommen hatte. „Ich fürchte ich werde die nächsten Tage nicht vorbei kommen. Mein Vater hat einen neuen Anfängerkurs und da braucht er immer mal etwas Hilfe, die Knirpse zu verprügeln.“ „Autsch, na, denen mein herzliches Beileid, wenn du da mit machst.“ „Soll ich für dich schon mal alles zu Hause vorbereiten? Wenn du wieder daheim bist, darf es dir doch an Nichts mangeln.“ „Sehr liebreizend von dir, aber ich - naja, andererseits gibt es da vielleicht doch ein paar Dinge die gemacht werden müssen…also, wenn du das einrichten könntest…wäre sicher nicht schlecht...“ „Na dann, werd ich das mal lieber gleich machen, bevor ich es wieder vergesse.“ „Ja, das kann helfen. :P“ Nachdem Leah gegangen war, hatte Vince nichts mehr zutun, was ihn halbwegs ablenken konnte. Er versuchte sich auszumalen wie es sein würde nachdem er wieder Herr seiner selbst wäre. Jetzt würde seine Nachbarin vermutlich ihm helfen müssen. Und Leah, sie würde häufig nach ihm sehen, da war er sich sicher. Und doch gab es einige Probleme, die da auf ihn warteten. Der Schulstoff machte ihm keine Sorgen. Einen ernsthaften Abschluss wollte er ohnehin nicht. Nach und nach verzogen sich auch die anderen Gäste, der Tagesablauf folgte seinem festen Plan und der Abend zog herauf. Als es schon dunkel geworden war betrachtete Vince immer noch die Lichter, die zu dem Fenster herauf strahlten. Er konnte sich einfach nicht von diesem Anblick losreißen. Er dachte nicht einmal über etwas Bestimmtes nach, er sah einfach nur hinaus. Plötzlich stand am Fußende seines Bettes eine Person. „Diesmal hast du dir wirklich Mühe gegeben. Aber wie konntest du so dumm sein in einem Krankenhaus zu landen?“ Vince zuckte zusammen als der Besucher ihn ansprach und erwiderte dessen abfälligen Blick mit versteinerter Miene. „Als deine Aktivitäten letzten Monat plötzlich ganz abbrachen haben wir uns richtig sorgen gemacht. Nicht das du einem der Kunden deines Vaters über den weg gelaufen wärest.“ Vince regte sich nicht im Mindesten. „Aber warum musstest du dich denn so verkriechen? Wir wollen dir doch gar nichts Böses, wir sind nur an deiner Hilfe interessiert. Aber was rede ich, das weißt du ja alles schon.“ Nach einer Pause setzte er hinzu: „Was ist dir eigentlich zugestoßen?“ Vince antwortete mit einem Tonfall, der genauso klang, als wolle er sein Unbehagen über diese Situation verbergen und daher lieber auf Zynismus zurückgriff. „Ich bin gestolpert. Was führt dich hierher? Sicher nicht nur ein Krankenbesuch, oder?“ „Ich wollte sicher gehen, dass du es bist. Und dir mitteilen, dass wir dich jetzt wieder orten können. Die Ärzte hier werden nicht sonderlich gut bezahlt. Außerdem lässt Ska ausrichten, dass du dich beeilen sollst mit dem Wiederkommen, Italien hat Arbeit für dich.“ Er warf einen Umschlag auf das Bett und sah Vince noch einmal direkt ins Gesicht. „Werd gesund, und denk lieber nach bevor du dir irgendwen ans Bein bindest.“ Er ging hinaus und nachdem er die Tür geschlossen hatte, war sich Vince nicht sicher, ob er gerade nur geträumt hatte. Aber da kam ihm der Umschlag wieder ins Bewusstsein getrudelt. Er angelte danach und verstaute ihn ungeöffnet im untersten Teil seiner Schublade. Wieder musste er an lange Haare denken, die in letzter Zeit ab und an offen getragen wurden. Seine Hände ballten sich von allein trotz Verband und Anschluss. Ohne dass er es verhindern konnte liefen ihm siedendheiß Tränen übers Gesicht. Das von ihm erwartete Ende kam zu unerwartet. Er wollte in dieser Nacht so vieles und nichts davon war ihm vergönnt, keine Hand die ihn halten konnte, keine Erlösung durch lautes Toben. Er konnte nur existieren und der Dunkelheit seine Angst anvertrauen. Er hatte Leah bereits ins Schussfeld geschoben und wusste, dass er das nur schwer wieder rückgängig machen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)