Hidden Flowers III von june-flower (Die letzte Reise) ================================================================================ Kapitel 23: Wendungen, Teil II ------------------------------ Irgendwo im Nirgendwo, Norden des Feuerreiches „Unsterblichkeit?“ Shikaru schnaubte verächtlich und riss Yuka aus der Starre des Entsetzens, in der sie gefangen war. Unsterblichkeit. „Was für ein Unsinn! Kein Mensch ist unsterblich. Nicht einmal die Hüter von Hidden Flowers waren es!“ Takeo zuckte die Achseln, grinste und presste das kleine Mädchen fester an sich. „Keine Bewegung, oder sie stirbt“, erinnerte er sie kalt. Die Maske des freundlichen Dorfvorstehers und Arztes war vollkommen verschwunden. „Und was Unsterblichkeit angeht – ich weiß genau, dass sie existiert. Zumindest in der näheren Bedeutung des Wortes – nicht wahr, Yukatsuki-San?“ Sein Blick liess sie erschaudern. Sie hatte es nicht bemerkt – hatte nichts wahrgenommen als die Maske des freundlichen und kinderliebenden Mannes. Sie hatte nichts gespürt – nicht die Wut oder die Dunkelheit, die hinter dem freundlichen Gesicht schlummerten. Er hatte sie hinters Licht geführt – vollständig. Unsterblichkeit. Nicht, dass je ein Mitglied ihres Clans selbst unsterblich gewesen war. Nein – selbst Akatsuki befolgte einen subtilen Kodex, der besagte, dass niemals – niemals! – die Gesetze der Natur missachtet werden durften. Akatsuki mordete, spionierte, verfolgte und tötete – aber sie achteten die Gesetze der Natur. Zumindest achteten sie darauf, dass Clansmitglieder diesen Kodex beachteten. Wenn ein reicher Fürst ihnen ein Opfer brachte und den Preis zahlte, sprach nichts dagegen, das Ritual für ihn durchzuführen. Hätte man Rui und Yuuko, Yukas Eltern, gefragt, hätten sie ohne Skrupel zugegeben, dass sie gegen die richtige Bezahlung bereits einigen Klienten zu einem beträchtlich verlängerten Leben verholfen hatten. Natürlich war dies – in anbetracht der Höhe des Opfers – eine grausame Tat. Yukatsuki, die mit den Moralvorstellungen des Dorfes versteckt hinter den Blättern aufgewachsen war, hatte in der Begegnung mit ihren Vorfahren erkannt, dass Akatsuki auf einem Niveau agierten, die dem ihrer Heimat hinter den Blättern nicht unähnlich war. Es ging um Ehre – immer um Ehre, um Anerkennung – auch, wenn es unterschiedliche Arten der Anerkennung waren. Und um den Wunsch, die Heimat zu schützen. Dies verwirrte sie. KonohaNin verteidigten ihre Ehre und ihre Heimat mit Zähnen und Klauen. Akatsuki verteidigte ebenfalls etwas – aber dieses Etwas war so geheim, so unbekannt, dass sie es auf eine andere Art verteidigen mussten als Konoha. Was sie in den Augen Außenstehender zu ruchlosen und ohne jedwede Vorstellung von Moral agierenden Mördern machte. Die als Adoptivtochter des Sechsten Hokage aufgewachsene Erbin von Hidden Flowers konnte nun, da sie davon wusste, den Zwiespalt ihrer Eltern verstehen. Die Oberhäupter des vergessenen Dorfes hatten alles dafür getan, um dieses zu schützen – und waren zuletzt am Verrat aus den eigenen Reihen gescheitert. Aber dank ihrer Erziehung wusste Yuka auch, dass die Angewohnheit, welche die Akatsuki pflegten – Dinge als Lauf des Schiksals oder als unabwendbar anzusehen – eine bloße Ausrede war. Wenn man also Kinder opferte, um mit Hilfe verbotener Techniken und tödlichen Giftes alternde Körperzellen durch Junge zu ersetzen, und es Schicksal nannte, dass die Kinder starben – dann war dies falsch. Grundlegend falsch. Malin wimmerte. Große, grüne Augen starrten Yuka flehend an – eine Bitte um Hilfe, voll Vertrauen, voll Angst. Dem kleinen Mädchen war die Wandlung des freundlichen Mannes, der sie aufgenommen hat, unverständlich – und wie sollte sie auch verstehen. Yuka richtete sich auf. Dieses Kind vertraute darauf, dass sie ihr half... „Shikaru hat Recht“, sagte sie kalt und fixierte Takeo. „Es gibt keine Unsterblichkeit.“ Takeo lächelte und der freundliche Arzt der letzten Tage schien durch das Lächeln hindurch wie ein Totenschädel durch transparente Haut. Erschrocken stellte sie fest, dass es keine Maske gewesen war, was er Tage zuvor gezweigt hatte. Nur ein weiteres seiner Gesichter. „Ich war mir ziemlich sicher, dass ihr euch wehren würdet, und habe Maßnahmen ergriffen, um mir eure Kooperation zu sichern“, sagte er fröhlich und schnippste. Malin liess er los, und das Mädchen stolperte weg von ihm, auf Yuka zu, die sie schnell an sich zog. Eine dunkle Vorahnung liess sie schlucken. „Was...“ „Spürt ihr es nicht, KonohaNin? Die kleinen Verräter, in eurem Blut? Nun, bei dir, Yukatsuki, dürften sie nicht wirken, aber bei deinem Partner...“ Genau in diesem Augenblick – wie hatte er es so abpassen können? – wankte Shikaru, machte eine schwache Bewegung und brach auf der Stelle zusammen. Sofort war Yuka neben ihm. „Shikaru?“ Shikaru rührte sich nicht, nur seine Augen bewegten sich hektisch hin und her, sahen sie an und wieder Takeo, versuchten ihr etwas zu sagen, aber sie verstand es nicht. Schnell fühlte sie nach seinem Puls – schwach und unregelmäßig. Seine Pupillen waren geweitet. „Was hast du ihm gegeben?“, fauchte Yuka, ohne Takeo anzusehen. Der lachte. „Ein schwaches Nervengift. Es hat lange gebraucht, bis ich die genaue Dosis gefunden habe, aber nun kann ich es perfekt dosieren. Es hat bisher nur seine Muskeln gelähmt – aber wenn er nicht bald das Gegengift verabreicht bekommt, dann wird sein Herz aufhören zu arbeiten. Ihr wart gestern einfach zu abgelenkt – ich konnte ihm das Gift problemlos verabreichen. Und nun, ehrwürdige Hüterin von Hidden Flowers...“ Seine Augen funkelten. „Nun werdet Ihr mir geben, was ich will, und ich gebe euch das Gegenmittel, damit Ihr euren Geliebten retten könnt. Wie überaus Schicksalshaft!“ Und wenn es irgendetwas wie Schicksal gab, dann gehörten sie und Shikaru zusammen. Dann durfte nichts und niemand sie trennen. Yuka nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Sie wusste, was sie in Shikarus Blick würde lesen können: Das Flehen, keine Kinder zu opfern, um ihn am Leben zu erhalten. Deshalb sah sie ihn nicht an, als sie zustimmte. Der Beschwörungskreis war groß, viel zu groß für die wenigen Personen, die in ihrer Mitte saßen. Yuka hatte ihn gezeichnet. Dinge, die sie nie zuvor getan hatte – Worte, die sie nie zuvor gehört hatte, Wissen welches sie nie erlernt hatte, waren plötzlich da und sie nutzte es, ohne es zu hinterfragen. „Seid Ihr endlich fertig?“, fragte Takeo, der sie hungrig musterte. „Bald“, antwortete sie leise. „Geduld.“ „Ich habe Zeit“; sagte Takeo und entspannte sich im Schneidersitz, in dem er saß. „Ich habe bald alle Zeit der Welt. Nur... Euer Geliebter hat sie nicht.“ Yuka biss die Zähne zusammen. „Wusstet Ihr, dass der Clan der Akatsuki älter war als jeder andere Shinobi-Clan? Wie alt, weiß niemand – nicht einmal die Schriften reichen so weit zurück. Tatsache ist, dass sie die besten Anführer hatten, die besten Shinobi, die besten Wissenschaftler – und dennoch lebten sie zurückgezogen, verfolgt als Verbrecher und Mörder. Seine eigene Arroganz war sein Untergang, seine eigene Unfähigkeit, Splittergruppen wie die des Madara Uchiha oder Orochimaru zu unterdrücken, weil sie sich darauf konzentrierten, eine alte Prophezeiung zu verhindern – oder besser, zu ihren Gunsten zu wenden... Das Schwert der Akatsuki. Wie ironisch!“ Er lachte wieder. Wortlos starrte Yuka ihn an. Ich bin also wirklich die Tochter meiner Eltern, dachte sie stumm. Zum ersten Mal in ihrem Leben entschied sie sich bewusst, nicht die Tochter des Sechsten Hokage von Konoha zu sein, sondern die Tochter von Rui und Yuuko, Erbin von Hidden Flowers. Wenn dies bedeutete, dass der Mann, den sie liebte, für den Rest ihres Lebens bei ihr blieb, dann war dieses Opfer klein. „Ja, ja, die Liebe“, sagte Takeo spöttisch. „Wusstet Ihr, dass es eine Legende gibt, nach der jede Tochter der Akatsuki in ihrem Leben genau ein Mann vorbestimmt ist? Bei Euren Eltern war es reines Glück, dass sie beide dem selben Clan angehörten... Die Schwester Eurer Mutter, Sabriel, wurde hingerichtet, weil sie sich in einen Feind verliebte...“ Yukas Hände zitterten. Schicksal. Das Schicksal, welches sie und Shikaru zusammengebracht hatte, sollte nun der Grund dafür sein, dass dieses Kind durch ihre Hand sterben würden? Shikaru würde es nicht gutheißen, das wusste sie, genauso wenig wie Konoha... Zweifel kamen langsam. Zuerst war da nur der überwältigende Drang gewesen, Shikaru zu retten, ein Wunsch, der alles andere, an das sie denken konnte, ausgeschaltet hatte. Shikaru würde sich nicht von einem verrückten Arzt und Historiker benutzen lassen, um ein Verbrechen zu begehen. Nein, nicht Shikaru. Selbst dann nicht, wenn... Yuka schloss die Augen und atmete tief durch. Würde Shikaru sie opfern? Würde er sie sterben lassen, wenn es darum ging, ein Verbrechen zu verhindern? Würde er für sie seine Prinzipien über Bord werfen? Sie öffnete die Augen wieder, und Entschlossenheit liess ihre Stimme stark klingen. „Ich bin bereit. Aber ich habe eine Bedingung.“ Sie fasste Takeo ins Auge und funkelte ihn an. „Nicht sie. Nicht Malin.“ „Ihr habt ein zu weiches Herz, Yukatsuki-Sama“, lachte Takeo. Seine spöttische Ehrfurcht, gepaart mit Spott, machte sie wütend. Sie liess es sich nicht anmerken, starrte ihn so lange entschlossen an, bis er die Schultern zuckte und aus dem Raum verschwand. Kurze Zeit später kehrte er mit einem anderen Kind wieder, welches er an den Schultern führte. Der Junge sah verwirrt aus, nicht ängstlich. Anscheinend hatte er ihm keine Angst gemacht, ihm nur gesagt, er solle mit ihm kommen. Yuka warf einen kurzen Blick auf ihn und nickte, und Takeo brachte ihn dazu, sich an den Platz im Bannkreis zusetzen. Interessiert schauten er Yuka zu, die sich ihm gegenüber setzte. Sie sah, dass Takeo sich ebenfalls auf seinen Platz gesetzt hatte, und sah das Kind nun wirklich an. Sie wollte ihn sich einprägen – das Gesicht des Jungen, den er nun töten würde. Sie wollte nichts vergessen: Die blauen Augen und das blonde Haar, das nervöse Zucken seiner Hände, die dünnen Beine, die sich unter ihm falteten, die Art, wie sich seine Stirn kräuselte, während er sich widerum ansah... Sie keuchte erschreckt auf. Der Junge glich dem Jungen, der die Botschaft der Seuche nach Konoha gebracht hatte, so sehr, wie sich Brüder nur ähneln konnten. Und beide sahen dem Sechsten Hokage zum Verwechseln ähnlich. So musste Naruto – so musste ihr Vater ausgesehen haben, als er noch klein war, genau so mussten seine Augen geleuchtet haben, sein Gesicht sich verzogen haben... Yuka zitterte am ganzen Körper. Und mit dem Wissen, dass es reine Absicht gewesen war, dass man den Jungen nach Konoha geschickt hatte, kam eine andere Gewissheit: Sie konnte das hier nicht tun. Sie konnte nicht. Sie konnte dieses Kind nicht töten, weder ihn noch irgendein anderes Kind. „Nein“, sagte sie leise. Takeo runzelte die Stirn. „Nein was?“ „Ich werde das hier nicht tun.“ „Aber Ihr wollt Euren Geliebten doch nicht verlieren“; sagte er sanft, und diese sanfte Freundlichkeit war hypnotisch. „Erledigt das hier, schnell, und dann...“ „Nein. Ich werde die Beschwörung nicht durchführen.“ Es war ihr ernst. Takeo sah das und seine Miene versteinerte. „Ihr scheint nicht mit der Vernunft Eures Clans gesegten zu sein. Muss ich Euch erst überzeugen?“ Ehe Yuka reagieren konnte, hatte er ein Messer gezückt und flog durch den Raum, auf – auf das Kind zu. Yuka warf sich zwischen ihn und den Jungen, der verständnislos starrte. „Takeo!“ * * * Ende des Kapitels * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)