Ein Märchen von Sam_Linnifer (Eine Reise durch die Märchenwelt) ================================================================================ Kapitel 2: Märchenland ---------------------- Das Mädchen öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Verblüfft sah es sich um. Es stand inmitten grüner, wogender Gräser und zahllose Bäume streckten ihre Äste dem blauen Himmel entgegen. Es war angenehm warm und Schmetterlinge gaukelten über Wildblumen durch die Luft, irgendwo sangen Vögel. Wo mochte sie sein? Die Kleine blickte sich um, doch konnte sie das Flämmchen nirgends mehr entdecken und weil auch sonst keine Menschenseele zu erblicken war, ging es auf gut Glück los. Irgendwann konnte es in der Ferne etwas entdecken, noch wusste es nicht, was es war, aber als es näherkam, erkannte es einen großen steinernen Ofen. Das Mädchen hörte ein leises Rufen, es schien aus dem Ofen zu kommen und die Kleine erschrak, wer würde denn in einen Ofen klettern? Noch verwirrter aber war es, als es näherkam und das gerufene Verstand. „Hol uns raus, wir verbrennen! Wir sind schon lange durchgebacken!“ Und dann entdeckte sie auch die junge Frau, die damit beschäftigt war Brotleibe aus dem Ofen zu holen. Etwas verzagt kam die Kleine näher, sah der jungen Frau beim Arbeiten zu, die das Mädchen gar nicht bemerkt zu haben schien. Es wartete, bis das letzte Brot aus dem Ofen herausgeholt worden war, ehe es etwas zu sagen wagte. „Entschuldigung…“ Die Frau drehte sich herum. Sie hatte glattes, hellbraunes Haar und auch ihre Augen waren braun. Ihr Gesicht wirkte freundlich und das schenkte dem Mädchen ein wenig Mut. „Nanu? Wer bist du?“, fragte sie und betrachtete die kleine, zerlumpte Gestalt. „Lebst du hier?“ „Nein, ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin, ich weiß gar nicht, wo ich bin.“ Die Frau lächelte, sie wirkte selbst ein wenig verloren. „Da geht es dir wie mir… Mir ist die Spindel in den Brunnen gefallen, weil ich sie waschen wollte, ich sprang hinterher und plötzlich war ich hier… Ich bin Marie, wie heißt du?“ „Ich weiß nicht, ich glaube mir hat nie jemand einen Namen gegeben“, sagte das Mädchen schüchtern, während es versuchte, das alles zu verstehen. „Es war so kalt und ich hab eins von den Hölzchen angezündet, dann hat das Flämmchen mit mir gesprochen, es hat gesagt, jemand würde Hilfe brauchen.“ Marie betrachtete sie mitfühlend, doch dann lächelte sie. „Du hast keinen Namen? Dann werde ich dich Emily nennen, okay?“ Die junge Frau runzelte die Stirn. „Das scheint doch alles sehr seltsam zu sein… Vielleicht sollten wir weitergehen. Wenn wir beide hier sind, dann bestimmt auch jemand, der uns helfen kann. Das Mädchen nickte und erwiderte das Lächeln. Sie konnte gar nicht anders, so warm und freundlich war es. Marie nahm Emilys Hand und gemeinsam gingen sie weiter, es dauerte nicht lange, da waren wieder Rufe zu hören. Sie schienen von einer Gruppe von Apfelbäumen zu kommen. „Ach schüttel uns, die Äpfel sind alle reif!“, flehten sie und nach kurzem Zögern näherten sich die beiden. Emily war zu klein um die Stämme zu schütteln, doch sie half Marie die Äpfel einzusammeln, nachdem sie herabgefallen waren. Viele Äpfel waren es, die sie von den Bäumen holten. Emily musterte sie hungrig, doch sie wusste nicht, ob es erlaubt wäre, einen zu essen. Sie dachte an eine Geschichte, die sie einmal gehört hatte, von einer schönen Prinzessin, die mit einem Apfel vergiftet worden war. Lieber folgte sie Marie weiter hinein in dieses seltsame Land. Als die Sonne schon unterging, erreichten sie ein kleines Haus. Die Tür stand offen und eine alte Frau blickte heraus. Sie hatte schlohweißes Haar unter einem Tuch, eine Brille auf der Nase und sie winkte ihnen zu. „Kommt nur herein, ich warte schon auf euch.“ Emily warf einen fragenden Blick zu Marie und auch die junge Frau schien unentschlossen, doch weil die alte so freundlich war, traten sie doch noch ein. „Ich bin Frau Holle“, sagte die alte, „Und wenn ihr wollt, dann könnt ihr hier bleiben, ich werde euch in meine Dienste nehmen und es soll euch an nichts fehlen. Ihr müsst nur das Bett gut schütteln, denn dann schneit es in der Welt.“ Sollte ihnen nach diesem Tag noch irgendetwas seltsam scheinen? Sie blieben und dem Mädchen war es noch nie so gut gegangen auch wenn es sich immer fragte, was das Flämmchen gemeint haben konnte, doch nicht etwa die Frau Holle? Auch bemerkte sie, dass Marie mit den Tagen stiller wurde. Die junge Frau hatte Heimweh, auch wenn sie es hier ebenfalls viel besser hatte als bei ihrer Mutter und ihrer Schwester, mit denen sie lebte, so zog es sie zurück, schließlich bat sie Frau Holle, dass sie sie gehen ließ und die Alte willigte ein. Gemeinsam mit Emily brachte sie Marie zu einem großen Tor, das sich hinter dem Haus ins Nichts zu erheben schien. Der Abschied machte das Mädchen traurig und sie blickte Marie nach, als sie hindurch schritt, sah überrascht, wie ein glitzernder Regen auf sie fiel. „Was ist das?“, fragte sie und sah Frau Holle lächeln. „Hier bekommt jeder, was er verdient“, sagte sie dann. „Ich auch?“ Die Alte fuhr ihr übers Haar. „Das hoffe ich, aber es ist noch nicht soweit, komm ins Haus.“ Ohne Marie war es ein wenig einsam im Haus und langsam verlor auch Emily ihre Ruhe. So war sie dankbar, als die Alte sie ein paar Tage später bat, zurück zum Ofen zu laufen, sie würde jemanden erwarten. Als Emily dort ankam, riefen die Brote wieder, baten darum, herausgeholt zu werden, doch das Mädchen war zu klein, um auch nur die Ofenklappe zu öffnen. Sie blickte sich um, ob denn nicht jemand kam, den sie um Hilfe bitten konnte und schließlich entdeckte sie die junge Frau, die sich dem Ofen näherte. „Hallo!“, rief Emily schon von Weitem, „kannst du mir helfen? Das Brot muss aus dem Ofen.“ „Was?“, fragte die Fremde, als sie herangekommen war und runzelte die Stirn, als sie den Ofen betrachtete. „Da würde ich mich ja ganz schmutzig machen… Bestimmt nicht, wer bist du überhaupt?“ Der verächtliche Ton verwirrte das Mädchen, die Frau sah Marie ein wenig ähnlich, aber sie schien ganz anders zu sein. „Emily“, antwortete sie nach einem kurzen Moment, „aber das Brot wird verbrennen!“ „Das ist doch nicht mein Problem. Weißt du, wo die Frau Holle lebt? Bring mich zu ihr.“ Das Mädchen entsann sich, dass das ja auch seine Aufgabe war, doch das Brot tat ihr von Herzen Leid und als sie sich auf den Weg machte, sah sie nochmals zurück. Sie wandte den Blick nach vorn, kurz bevor ein kühler Wind aufkam und die Flammen im Ofen löschte, wie von Zauberhand. Nach einer Weile kamen sie zu den Bäumen, auch die riefen und wieder weigerte sich die fremde Frau, Emily zu helfen, sie nahm nur einen der Äpfel, die herabgefallen waren, und aß ihn, erst als sie gegangen waren, kam ihnen wieder der Wind zu Hilfe. Frau Holle erwartete die beiden schon, doch auch im Dienste machte die Frau, die Maries Schwester Maria war, niemandem Freude, sie war faul, streitsüchtig und allzu verwöhnt. Nur ein paar Tage, sah Frau Holle sich das an, ehe sie ihr die Spindel wiedergab und sie zum Tor schickte. Wieder stand Emily dabei und wartete, was geschehen würde, statt des Goldregens fiel plötzlich etwas schwarzes auf Maria herab, bedeckte sie ganz und gar, und die Frau schrie erschrocken auf. Emily sah fragend zu Frau Holle. „jeder bekommt, was er verdient“, sagte sie lächelnd. „So kann ich nicht Heim!“, schrie Maria außer sich, versuchte das schwarze Pech von ihrer Haut zu wischen anklagend sah sie zu der Alten. „Wieso tust du das? Mir wurde Gold versprochen!“ „Du hast dir kein Gold verdient, das Pech wird dir bis zu deinem Lebensende bleiben.“ Antwortete diese hart und da bekam die junge Frau es mit der Angst. Sie hörte auf zu zetern und begann zu flehen, bis die Alte zu erweichen schien. „Gut“, sagte sie, „vielleicht kannst du dir dein Gold noch verdienen. Emily hier wird bald auf eine Reise gehen, begleite sie und hilf ihr, vielleicht wirst du dich dann bessern.“ „Eine Reise?“, fragte Emily verwirrt. „Natürlich mein Kind, du hast das Feuer doch gehört, man braucht dich, aber nicht hier. Wir warten nur.“ „Warten? Worauf warten wir?“ „Auf den Bären.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)