Vertrauen und Verrat von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 14: Zu spät ------------------- Olivia schnitt sah Alice musternd an, bevor sie seufzte. „Ich weiß echt nicht, was mein Cousin an dem Mädchen findet…“ Stille. Ich hielt die Luft an, während Kian seine Cousine geschockt anstarrte. „Livi!“, mahnte er, doch die Angesprochene grinste ihn nur provozierend an. „Was denn?“, fragte sie, „Ich versuche nur, dich zu verstehen! Aber das gelingt mir momentan ganz und gar nicht. Vielleicht kannst du mich aber auch mal aufklären!“ Kian seufzte. „Und was willst du wissen?“ „Alles! Woher du das Mädchen kennst und wer von euch wem einen Korb verpasst hat.“ „Alec hat mich vor zwei Tagen mit zu Dean geschleift und da sind wir uns über den Weg gelaufen.“, begann Kian, aber den Rest sagte er nicht. Ich sprach für meinen besten Freund weiter, „Kian hat Alice einen Korb verpasst. Den Grund dafür kennst du ja schon.“, und fing mir einen wütenden Blick von ihm. Im Augenwinkel sah ich, wie Alice ihre Hände verkrampfte. Das Gespräch setzte ihr sicher ziemlich zu. Besser wir wechselten das Gesprächsthema und redeten über etwas anderes, notfalls das Wetter der vergangenen Tage oder über irgendeinen Film. Doch bevor ich dazu kam, das in die Wege zu leiten, stand plötzlich Dean vor mir. „Wo wollt ihr hin? Habt ihr etwas dagegen, wenn wir mitkommen? Ich glaube, Alice und Kian haben noch etwas zu besprechen und ich lasse meine Schwester nicht gerne allein bei so einem.“ „Das habe ich gehört!“, rief Kian beleidigt. „Sorry, Kleiner.“, grinste Dean, „Aber ich will nicht, dass meine Schwester sich für den Rest ihres Lebens in ihrem Zimmer verkriecht. Das verstehst du doch sicher.“ Ich seufzte. Diskutieren war sinnlos, weshalb ich zustimme. „Von mir aus könnt ihr mitkommen. Aber ich kann das jetzt nicht einfach festlegen, da müsst ihr schon Kian fragen.“ Mein bester Freund nickte nur. „Ich habe nichts dagegen.“ Aber sein Gesichtsausdruck sagte das Gegenteil. Doch diesmal schwieg ich, um des lieben Friedens Willen. Als der Zug an der nächsten Haltestelle hielt, stiegen wir schweigend aus. Von hier ab war es laut Stadtplan nicht mehr weit bis zu der Adresse der Frau. „Wohin geht ihr eigentlich?“, fragte mich Dean nach einer Weile. „Wir wollen etwas überprüfen.“ Genauer beantwortete ich diese Frage nicht. Mitwisser waren nicht besonders günstig, da wir diese dann irgendwie vor den Wölfen schützen müssten. Kian allein schaffte das wahrscheinlich nicht. Er hatte schon mit mir alle Hände voll zu tun, da konnte ich ihm nicht noch mehr Schwierigkeiten machen. Am Rand eines Dorfes, direkt am Waldrand, blieben wir vor einem Einfamilienhaus stehen. Es stand etwas abseits vom Rest des Dorfes und das Grundstück war von einem hohen Zaun umgeben, an dessen Tor eine Klingel angebracht war. Ich las den darauf stehenden Namen vor: „Maria White.“, und verglich diesen mit der Adresse in meinem Handy „Anscheinend sind wir hier richtig…“ Kian nickte, bevor er auf den Klingelknopf drückte. „Mal sehen, was uns hier erwartet.“ Ich nickte. „Gleich wissen wir mehr, angenommen es ist jemand zu Hause.“ Eine Weile lang tat sich nichts und ich hatte mich schon mit dem Gedanken abgefunden, hier wohl niemanden anzutreffen, als sich doch noch die Tür öffnete und eine Frau mittleren Alters heraustrat. Sie hatte langes braunes haar und Augen in fast der gleichen Farbe, nur etwas heller. „Kann ich euch irgendwie weiterhelfen?“, fragte sie höflich. „Wir suchen Maria White.“, antwortete ich ihr, hoffend, dass es sich bei dieser Frau um die handelte, die wir suchten. Sonst wären wir vielleicht noch vergebens hergekommen. „Das bin ich…“, kam es nach einigen Sekunden leicht verwirrt von der Frau. Damit hatte sich unser ersten Problem gelöst, jetzt mussten wir nur noch herausfinden, ob sie etwas wusste oder nicht und warum mein Vater es für nötig hielt, bei ihr vorbeizuschauen. „Könnten wir sie kurz sprechen?“, fragte ich und versuchte, höflich zu bleiben. Maria White nickte. „Dann kommt herein.“ Sie öffnete uns das Tor und wir betraten das Grundstück und sahen uns neugierig um, als Kian plötzlich stehen blieb, und nicht nur das, er wandte sich sogar wieder zu Gehen. Ich packte ihm am Kragen seines Hemdes, welches eigentlich mir gehörte, und hinderte ihn daran. „Wo willst du hin? Zum Eingang geht es in die andere Richtung.“ Mein bester Freund seufzte. „Ich mag das hier nicht. Es kommt mir alles so bekannt vor, fast als wäre ich schon einmal hier gewesen.“, versuchte er seine misslungene Flucht zu erklären, „Auch die Frau. Ich glaube, ich habe sie schon einmal getroffen. Und nicht nur das: Ich habe das Gefühl, sie zu kennen oder kennen zu müssen, aber ich kann mich an nichts erinnern, nicht an das kleinste Bisschen. Das macht mir Angst.“ Ich schaute Kian schuldbewusst an, immerhin war ich daran schuld, dass wir jetzt hier waren. „Du kannst hier warten, wenn du willst. Ich schaffe das im Notfall auch allein.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich komme mit.“, sagte er nach einer Weile. Zusammen machten wir uns auf den Weg zur Tür des Hauses, wo die anderen schon auf uns warteten. Als wir eingetreten waren, schloss die Frau die Tür wieder. Sie führte uns in eine Art Wohnküche und bot uns sogar Saft und Tee an, was wir aber alle dankend ablehnten. „Dean, Alice, könnt ihr vielleicht kurz rausgehen oder so. Es ist nicht gut, wenn ihr mithört.“, bat ich die Geschwister, sich zu entfernen. Maria White nickte. „Im Flur gegenüber der Küche ist das Wohnzimmer. Wenn ihr möchtet, könnt ihr solange fernsehen, aber fasst nichts an.“ Ich wunderte mich zwar etwas über das Vertrauen der Frau, einfach fremde Leute in der Wohnung herumspazieren zu lassen, schwieg aber vorsichtshalber, nicht dass sie es sich anders überlegte. Kaum hatten die zwei die Küche verlassen, fiel ich auch schon mit der Tür ins Haus. Ich redete nicht lange um den heißen Brei herum. „Sagt ihnen der Name Stone etwas?“ Die Frau nickte, sagte aber nichts. „Kennen sie einen Jack Stone?“, konkretisierte ich deshalb meine Frage. Wieder nickte Maria White. Aber sie schwieg noch immer. „Er wollte nächste Woche bei ihnen vorbeischauen. Wissen sie warum?“ Es folgte ein weiteres Nicken, aber langsam schien die Frau misstrauisch zu werden. „Woher kennt ihr Jack Stone und wieso wisst ihr davon?“ Ich seufzte. „Jack Stone ist mein Vater.“, erklärte ich, „Aber das tut nichts zur Sache. Wir sind aus einem anderen Grund hier. In seinen Unterlagen stand, sie wüssten etwas über die Mannaro. Stimmt das? Wenn ja: Wie viel.“ Kian strafte mich mit einem wütenden Blick. „Wenn sie es noch nicht wusste, weiß sie es spätestens jetzt! Kannst du deine Fragen nicht besser formulieren?“ „Ist doch egal. Sie würde es eh von meinem Vater erfahren!“, rechtfertigte ich mich. „Mit Mannaro meinst du…“, kam es zögerlich von Maria White. „…Wölfe, die sich in Menschen verwandeln können.“, beendete ich ihren Satz. Die Frau stützte ihren Kopf auf ihre Hände. „Was wollt ihr? Könnt ihr mich nicht endlich mit ihnen in Frieden lassen?“ Ihre Stimme klang verzweifelt. „Sie wissen also von ihrer Existenz…“, murmelte ich, während die Frau wieder nickte. Ich seufzte. „Das ist alles was wir wissen wollten.“ Dann wandte ich mich an Kian. „Jetzt haben wir ein Problem. Irgendwelche Vorschläge, was wir jetzt tun?“ Mein bester Freund schüttelte seinen Kopf. „Ich kann da nichts unternehmen. Das liegt über meinen Möglichkeiten. Wir können nur hoffen, dass die anderen nichts davon wissen.“ Plötzlich zuckten Olivia und Kian zusammen und sahen sich ernst an. „Wir haben ein noch größeres Problem.“, begann Olivia, „Sie wissen es. Sie sind hier.“ „W- was?“, kam es perplex von mir. „Egal was passiert.“, kam er plötzlich mehr als nur ernst von Kian, „Du bleibst in meiner Nähe und öffnest auf keinen Fall die Haustür oder ein Fenster!“ Dann sah er zu Olivia. „Livi, du gehst zu Dean und Alice. Pass auf sie auf.“ Sofort stand das Mädchen auf und tat, was er verlangte, ohne zu widersprechen. In diesem Augenblick klingelte es. Die Frau stand auf, um zur Tür zu gehen. Kian sprang auf und rannte ihr hinterher. „Nein!“, schrie er, „Öffnen Sie die Tür nicht!“ Auch ich war aufgesprungen. Verwirrt folgte ich meinen Freund, ich hatte noch immer nicht ganz verstanden, was gerade los war, und holte ihn an der Haustür ein. Die Frau hatte gerade ihre Hand an den Drücker dieser gelegt und wollte sie öffnen. „Tun Sie das nicht!“, rief Kian, doch es war bereits zu spät. Die Frau hatte die Tür geöffnet und trat aus dem Haus, schaute zum Gartentor und als sie dort niemanden entdeckte, trat sie einige Schritte in den großen Garten hinein. „Hallo?“ Plötzlich erschienen zwei graue Wölfe, genau zwischen ihr und der Tür, und schnitten ihr den Rückweg ab. Sie knurrten bedrohlich. Ich riss meine geschockt Augen auf und erstarrte. Kian packte mich grob am Oberarm und zog mich hinter sich. Jetzt ergab auch seih seltsames Verhalten vorhin einen Sinn. Er hatte gewusst, dass die Wölfe hier waren. Ich hörte hinter mir ein Geräusch. Verwundert drehte ich mich um und erschrak, als ich in die fast schon panischen Gesichter von Dean und Alice blickte. „Ich habe es nicht geschafft, sie aufzuhalten…“, murmelte Olivia entschuldigend. Kian winkte ab. „Es gibt momentan wichtigeres!“ Auf einmal bemerkte ich, dass die ganze Starre von meinem Körper gewichen war. Ich konnte mich wieder normal bewegen. Das nutzte ich auch. Ohne über eventuelle, in diesem Fall sogar sehr wahrscheinliche, Folgen nachzudenken, schob ich den mit der momentanen Situation völlig überforderten Kian zur Seite und trat in den Garten. Vielleicht hatte ich auch nachgedacht und hatte nur der Frau helfen wollen. Ich ging auf die wie versteinert dastehende Maria White zu und packte sie am Arm. „Kommen Sie!“ Ein weiterer Wolf, er hatte schwarzes Fell und war größer als die anderen beiden, kam auf uns zu, blieb direkt vor uns stehen. Auch er knurrte. Als ich ihn genauer ansah, erstarrte ich. Er hatte die gleichen leuchtend gelben Augen wie der, der meine Mutter getötet hatte und auch die Narbe über einem der Augen war deutlich zu sehen! Es musste der selbe Wolf sein. Es musste einfach! Ich zwang mich , die Bilder vom Tod meiner Mutter zu verdrängen und meine Angst zu ignorieren und zog Maria White zurück zum Haus. Im linken Augenwinkel sah ich, wie Kian mit sich kämpfte, währen ich im rechten erschocken feststellte ich, dass der schwarze Wölfe mit der Narbe auf uns zusprang. Sofort stieß ich die Frau in Richtung der Tür und ging einen Schritt zurück, doch zu spät: Die Zähne des Wolfes fanden ihren Weg direkt in meine Schulter. Ich verlor das Gleichgewicht, fiel rückwärts zu Boden, während ich den Schmerz in meiner Schulter spürte. Es tat so weh, dass ich am liebsten geschrieen hätte, doch ich unterdrückte es, zwang mich, den Schmerz zu ignorieren. Der Wolf stand direkt über mir und leckte sich mit seiner Zunge über das Maul. Mein Herz raste bis zum Hals und der kalte Angstschweiß stand mir auf der Stirn. Ich wusste, das war mein Ende. Ohne Hilfe wäre ich Aufgeschmissen und als zu Kian sah, bemerkte ich, dass er immer noch mit sich zu ringen schien. Es hatte fast den Anschein, als würde er alles, was in seiner Umgebung passierte, gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Die Schnauze des Wolfes kam mir immer näher. Er schnupperte an der Stelle, an der sich der Anhänger meiner Kette befand. Ich schluckte. Jetzt war meine letzte Chance. Mit vor Angst zitternder Stimme rief ich den Namen meines besten Freundes. „Kian!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)