Kryptonit von Ur (Jeder Held hat eine Schwäche) ================================================================================ Kapitel 12: Lektion ------------------- Eigentlich wollte ich ja erst Papierherz weiterschreiben, aber heute Morgen hat es mich so gejuckt und dann konnte ich nicht mehr aufhören. Hachja. Ich fange an, Benni richtig zu mögen xD' Viel Spaß beim Lesen wünsche ich euch :) Liebe Grüße! ____________________________ »Und dann hab ich es einfach gesagt und ich dachte, ich sterbe gleich, aber es war gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und später dann, im Sportunterricht…« Ich muss schmunzeln. Das erste Mal höre ich Anjo reden wie einen Wasserfall. Und seine Stimme klingt so begeistert und aufgeregt, dass ich nicht umhin kann, ihn schon wieder niedlich zu finden. Er erzählt mir jetzt schon seit einer viertel Stunde jedes haarkleine Detail seines Montags. »…hab ich ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen und was er denn eigentlich dagegen hat, dass ich schwul bin. Und dann meinte er nur, er findet es abartig und ist gegangen. Aber er hat nicht mal versucht mich zu schlagen und das… hat mich total verwundert! Und ich gehe jetzt immer mit Lilli zur Schule. Und sie hat mich auf eine Kunstausstellung eingeladen. Wir sind beide im gleichen Kunst- LK… rede ich zu viel?« Ich hab angefangen zu grinsen und er sieht prompt verunsichert aus. Aber ich schüttele den Kopf. »Nein. Ich freu mich nur, dass du so begeistert bist. Hab dich bisher noch nicht so gut gelaunt und gesprächig erlebt«, erkläre ich und beobachte amüsiert, wie er rot anläuft. Das passiert ihm wirklich oft. Pepper liegt neben dem Sofa auf dem Boden und döst ein wenig vor sich hin. Anjo streichelt ihr ab und an über den Kopf. Mittlerweile ist sie so vernarrt in den Jungen, dass sie jedes Mal einen halben Herzinfarkt bekommt, wenn er klingelt. Anjo schweigt eine Weile lang und krault gedankenverloren Peppers Kopf. »Bist du eigentlich sauer?«, fragte er dann und kaut auf seiner Unterlippe herum. Ich runzele die Stirn. »Sauer? Weswegen?«, frage ich verwirrt. »Weil ich zu Jakob gegangen bin und mit ihm über dich geredet hab«, meint Anjo und linst unsicher hoch zu mir. »Wie sollte ich denn sauer sein? Hat doch wunderbar geklappt. Ich bin echt dankbar dafür«, sage ich gerade heraus und auf seinem Gesicht breitet sich ein Strahlen aus, das mich wiederum zum Schmunzeln bringt. »Dann ist ja gut. Was genau… was hat er denn gesagt, als du es ihm erklärt hast?«, will er gespannt wissen und sieht mich neugierig an. Ich erzähle ihm, wie das Gespräch verlaufen ist, und als ich erwähne, dass Jakob mir seine Visitenkarte gegeben hat und er meinte, dass wir uns ja mal auf einen Kaffee treffen könnten, da strahlt Anjo schon wieder wie eine Glühbirne. »Echt? Wie toll! Und, wann seht ihr euch wieder?« »Keine Ahnung. Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn anrufe, wenn meine Klausuren vorbei sind«, erkläre ich und strecke mich ein wenig. Sina wuselt durch die Wohnung, als hätte sie zu viel Energydrink getrunken. Sie sitzt garantiert wieder an ihrer Abschlussarbeit und macht sich wieder komplett kirre. Zwischendurch kommt sie ins Wohnzimmer, wuschelt mir und Anjo durch die Haare, stößt einen Fluch aus und verschwindet dann wieder. Ab und an zweifle ich an Sinas Verstand. Aber das behalte ich besser für mich, sonst verdonnert sie mich am Ende noch dazu das Bad zu putzen. »Hast du heute Abend eigentlich Zeit zum Trainieren?«, erkundige ich mich und schaue Sina nach, die gerade an uns vorbei in die Küche getigert ist. Auch Anjo sieht ihr kurz verwirrt hinterher, dann dreht er den Kopf und sieht mich wieder an. Es ist unglaublich, wie oft der Kleine rot anlaufen kann. Seine Wangen glühen schon wieder. »Ja, ich hab… immer Zeit«, sagt er und klingt dabei ein wenig verlegen. Es ist ihm wohl immer noch peinlich, dass er nicht allzu viele Kontakte pflegt. Innerlich seufze ich. »Gut«, entgegne ich und grinse aufmunternd. Ich will ja nicht, dass er nach seinem Montagserfolg nun wieder traurig wird, weil ihm auffällt, dass alles nicht so schnell geht, wie er es vielleicht gerne hätte. Wir verbringen den Nachmittag damit, dass Anjo mich einigen Chemiekram abfragt. Dazu verziehen wir uns in mein Zimmer, weil Sina einen absolut wahnsinnig macht. Zwischendurch hören wir sie noch fluchen, aber das blende ich gekonnt aus. Wenn ich mir vorstelle, dass Sina bald fertig ist und arbeiten geht, dann gruselt mich das schon ein wenig. Normalerweise sollte man mit vierundzwanzig auch fast fertig sein… »Am Wochenende hat Felix’ Band übrigens ein Konzert hinten in der alten Lokhalle«, sage ich, während ich über eine der Fragen nachdenke, die Anjo mir gerade gestellt hat. »Hast du Lust mit hin zu gehen?« »Sicher. Nicci hat wirklich toll gesungen«, meint er und lächelt ein wenig schwärmerisch. Ich verkneife mir ein Grinsen und schustere mir dann eine Antwort zusammen. Blöde Klausuren. Es ist irgendwie erfrischend, wie sehr sich Anjo für manche Dinge begeistern kann. Um sechs habe ich keine Lust mehr auf Chemie und leihe Anjo eins meiner T-Shirts und eine Boxershorts, die er zum Sport anziehen kann. Wahrscheinlich versinkt er drin, aber ich hab ihm extra ältere Sachen gegeben, die noch eine Nummer kleiner waren. »Wir gehen mal zum Training«, rufe ich probehalber in Richtung von Sinas Zimmer, doch sie steckt ihren Kopf aus der Küche und sieht mit fuchsig an. »Christian, alles ist Scheiße!«, beklagt sie sich und kommt in den Flur, um sich mir in die Arme zu werfen, »Ich hasse mein Leben! Mach, dass es anders ist!« Ich muss lachen, drücke sie kurz an mich und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. »Du schaffst das schon. Wenn ich wiederkomme, bist du sicher bestens gelaunt und hast das Problem in Grund und Boden gestampft.« Sina rauft sich die Haare, dann knuddelt sie Anjo, der ziemlich perplex aussieht, und verschwindet wieder in der Küche. Wenn ich morgen früh nachsehe, ist das Nutellaglas garantiert leer. Tatsächlich sind Anjo meine Sachen viel zu groß. Mein Shirt reicht ihm bis über die Hälfte der Oberschenkel und die Shorts rutscht ihm ständig von den Hüften. »Zieh sie halt aus. Hast ja selber auch eine an«, sage ich schulterzuckend. Sein Gesicht wechselt von der normalen Farbe zu dunkelrot und ich verkneife mir ein Schmunzeln, als ich ihn dabei beobachte, wie er aus meiner zu großen Shorts steigt und nun scheinbar nur noch mein altes Shirt trägt, unter dem die Shorts gerade so hervorblitzt. Ich gehe den Boxsack holen und Anjo steht nervös in der Mitte der Halle und ich sehe, wie er seine Hände abwechselnd zu Fäusten ballt und wieder locker lässt. Als ich wieder vor ihm stehe, richtet er sich zu voller Größe aus und strafft die Schultern. Ich muss lächeln. »Weil ich mich so gern reden höre«, sage ich und er blinzelt ein wenig verwirrt, »zuerst noch ein bisschen Gequatsche.« Sein Mund verzieht sich zu einem Lächeln und dann gluckst er leise. »Du redest gar nicht so viel. Eigentlich nur, wenn du wirklich was zu sagen hast«, meint er und fährt sich durch die Haare. Ich grinse. »Na ja, dann habe ich jetzt was zu sagen, bevor wir anfangen«, lenke ich ein und er nickt, ehe sich seine blaugrünen Augen gespannt und aufmerksam auf mein Gesicht richten. »Wo ich dir ja jetzt schon einen Vortrag über Wut gehalten habe, kommt als nächstes die Sache mit dem Selbstschutz«, erkläre ich und greife nach Anjos Handgelenken. »Schlag niemanden, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und selbst wenn du dich verteidigst, kannst du das auch tun, ohne anderen direkt wehzutun. Wenn du aber nicht weggehen kannst, weil dich irgendwer nicht in Ruhe lässt, wenn die Kerle in der Überzahl sind, oder wenn einer viel stärker ist als du, dann sind die Punkte, die du ins Visier nehmen solltest, folgende.« Seine Handgelenke in meinen Händen sind so dünn. Ich lasse sie los, doch Anjo hält die Hände weiter hoch und sieht mich immer noch an, als würde er jedes Wort aufsaugen. »Die Augen, der Kehlkopf, die Knie und selbstverständlich der Schritt«, sage ich schmunzelnd. Natürlich läuft er wieder rot an. Aber er nickt und seine Augen huschen zu meinem Kehlkopf und hinunter zu meinen Knien. »Wenn du jemandem gegen den Kehlkopf schlägst, dann solltest du es nicht zu doll tun. Damit kann man jemanden umbringen. Mit der Innenseite des Fußes von oben gegen das Knie zu treten, kann das Knie brechen. Von den Folgen bei einem Tritt in den Schritt brauche ich dir wohl nichts erzählen…« Anjo schluckt und fährt sich mit einer seiner Hände über den Hals. »Wenn du dich nur schützen willst, dann lass niemals die Hände sinken. Die Hände sind immer oben«, sage ich und hebe seine Hände in Augenhöhe, »und sie sind niemals zu weit auseinander. Wenn jemand zwischen deine Hände greifen kann, dann hast du schon verloren. Du musst deine Hände innen haben. Von innen, also zwischen seinen Fäusten, kannst du jeden Arm wegschlagen, wegschieben, aus deiner Reichweite drücken…« Wir bleiben ganze zwei Stunden. Anjo ist ganz rot im Gesicht – diesmal vor Anstrengung – und seine Augen funkeln, als wäre er schwer bemüht, alles richtig zu machen. Ich kann mich nicht beklagen. Anjo ist wirklich ein folgsamer Schüler und obwohl er immer noch Skrupel davor hat, richtig zuzuschlagen, wird er besser. Ich hoffe wirklich, dass es ihm hilft, denn ich kann mir Anjo nicht vorstellen, wie er jemanden schlägt. Aber nachdem er mir von seinem Montag erzählt hat, bin ich doch recht zuversichtlich. Wir haben einen halben Tag lang miteinander verbracht und Anjos Gesellschaft ist angenehm. Ab und an erinnert er mich wirklich an Jakob. Er ist so gutmütig und still und… Aber ich sollte die beiden nicht miteinander vergleichen. Trotzdem ist es so wie damals. Ich habe nicht das Gefühl, etwas darstellen zu müssen, wenn ich mit Anjo zusammen bin. Weil er einfach überhaupt nichts von mir erwartet. Die nächsten Tage vergehen in einem Schleier aus Lernen und Klausuren. Felix und ich hocken Stunde um Stunde zusammen bei ihm oder bei mir und wühlen uns durch Unterlagen, fragen uns gegenseitig ab, erklären uns Dinge. Ich bin erstaunt, wie gut er schon ist, obwohl er erst im zweiten Semester ist. Ich sollte im vierten schon sehr viel mehr wissen als er. Aber dass er schlauer und fleißiger ist als ich, wusste ich eigentlich schon vorher. »Anjo und Sina kommen auch mit zu eurem Konzert«, erkläre ich nuschelnd, während ich in meinem Berg Unterlagen nach einer bestimmten Tabelle krame. »Cool«, gibt er ebenso nuschelnd zurück, den Blick auf eins seiner Bücher geheftet und eifrig blätternd. »Ich mag Anjo. Selbst Leon findet ihn nett. So was aus seinem Mund zu hören, ist immer wie ein achtes Weltwunder.« Ich muss schmunzeln. Wenn Anjo das wüsste, würde er sich garantiert in Grund und Boden freuen. »Wie viele Leute kommen morgen dahin?«, frage ich und pfeffere einen meiner Ordner aufs Bett hinter mich, ehe ich nach dem nächsten greife. »Wir erwarten so vierhundert. Lara hat darauf bestanden überall Plakate aufzuhängen. Natürlich mit einem Foto, auf dem sie am besten aussieht. Ich grinse dümmlich und Leon sieht aus, als würde er jeden Augenblick eine Knarre ziehen und um sich schießen.« Ich verkneife mir ein Lachen. »So guckt er doch immer«, gebe ich zurück. Felix schnaubt grinsend. »Nur, wenn er dich ansieht. Wenn er mich ansieht–« »Danke, danke!«, sage ich lachend, »Keine schmutzigen Details.« Ich frage mich, wann der Tag kommt, an dem ich mich an Felix’ verliebten Blick gewöhnen werde, wenn er von Leon redet. Ich hab ja immer schon gewusst, dass ich kein Gefühlsmensch bin. Aber diese Duselei nervt mich unheimlich. Felix stöhnt und vergräbt sein Gesicht in einem Haufen Zettel. »Ich hasse die Klausurenphase!«, klagt er dumpf und ich seufze lautlos. Wieso muss ich – wenn ich mich schon mal verknalle – gerade in einen Kerl vernarrt sein, den ich nicht haben kann? Der Samstag kommt mit zwei Klausuren, einer Menge Bier und anschließend dem Konzert von Felix’ Band in der alten Lokhalle hinterm Bahnhof. Sina trägt so ein kurzes Kleid, dass ich sicher bin, dass sie heute Abend jemanden abschleppen will. Anjo geht zwischen uns her und schaut sich mit großen Augen um, als wir die Lokhalle betreten und uns nach der Bar umsehen. »Ist das groß hier«, sagt er mehr zu sich selbst als zu Sina und mir und sieht aus wie ein Kind, das zum ersten Mal einen Vergnügungspark betreten hat. »Wenn wir uns ganz vorn hinstellen, kann ich Leon ärgern, während er spielt«, sage ich und Sina wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Der wird dich nicht ansehen. Mein Kleid stiehlt dir die Show, fürchte ich«, entgegnet Sina lässig und nimmt von dem Kerl hinter der Bar ein Bier entgegen. Er geiert sie an, als wäre sie Angelina Jolie persönlich. Ich muss sagen, dass ich Sina sehr viel hübscher finde als Angelina… Anjo bestellt schüchtern eine Cola und wir stoßen an, nachdem auch ich mein Bier bekommen habe. Es hat ein wenig gedauert, bis der Barkeeper auf mich aufmerksam geworden ist, weil er so damit beschäftigt war, Sina anzuglotzen. »Nächstes Mal bestellst du für mich mit«, sage ich zu ihr und sie grinst nur amüsiert, während sie Anjo vor sich her schiebt, bis wir schließlich zu dritt vorn an der Bühne stehen. Sina setzt sich auf die leicht erhöhte Plattform, auf der schon die Instrumente stehen und schlägt die Beine übereinander. Ich will Anjo gerade fragen, was er normalerweise eigentlich für Musik hört, als ich sein blasses Gesicht sehe und seinem Blick folge. Fünf Meter weiter steht Benni mit ein paar Freunden. Er hat Anjo wohl noch nicht gesehen, aber Anjo scheint mittlerweile eine Art Radar für Bennis Anwesenheit entwickelt zu haben. Vermutlich ist das normal. Ich lege ihm meine Hand auf die Schulter. »Er wird dir schon nicht auf Pelle rücken. Ich bin ja auch noch da«, sage ich leise. Sina folgt unseren Blicken und erkennt Benni ebenfalls. »Und solange ich da bin, trauen sie sich sowieso nicht irgendwas zu sagen«, sagt sie geringschätzig und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich betrachte ihren Ausschnitt. »Weißt du… mir fällt auch schon nichts mehr zu sagen ein, wenn du so rum rennst«, sage ich. Anjo muss lachen und Sina boxt mir heftig gegen den Muskelansatz meines Oberarms. »Au!« Sie streckt ihm die Zunge raus und wendet sich der Bühne zu, auf die nun Felix, Lara, Nicci und Leon treten. Anjo wird es vorne relativ schnell zu voll und er verzieht sich an den Rand, wo er an die Wand gelehnt steht und der Musik lauscht. Sina fühlt sich in der Menge sichtlich wohl und bei einem langsamen Lied tanzt sie sogar mit irgendeinem Kerl, den ich noch nie gesehen habe – und sie wahrscheinlich auch nicht. Ich geselle mich zu Anjo und stelle mich neben ihn, ein Bein an der Wand abgestützt und sehe hinauf zur Bühne. »Wie lange bist du schon verliebt in ihn?«, höre ich eine leise Stimme von rechts und ich sehe überrascht zu Anjo hinunter, der ebenfalls die Bühne mustert. »Was?«, frage ich verdattert. Anjo wirft mir einen unsicheren Blick zu, ehe er wieder zu Felix schaut. »In Felix. Du bist doch verliebt in ihn«, sagt er. Woher um alles in der Welt weiß der Knirps das? Selbst Felix, der sonst echt gut in solchen Sachen ist, hat mir nie irgendwas angemerkt. Ich sehe Anjo an, als wäre er ein Alien. Irgendwie kommt er mir im Moment auch genau so vor. »Wie kommst du darauf?«, frage ich also und starre abwechselnd Leon und Felix an. Anjo zuckt mit den Schultern. »Es ist die Art wie du ihn ansiehst. Und wie Leon dich ansieht… und… na ja. Es ist mir halt aufgefallen«, entgegnet er so leise, dass man es über die laute Musik hinweg kaum hört. Mir fällt nichts dazu ein. Also schweige ich eine Weile lang. »Das muss Liebe sein«, sage ich schließlich und schnaube leise, ehe ich den Blick von Leons schmachtenden Blicken, die er Felix zuwirft, abwende, »wenn man zwei Jahre auf einen homophoben Volltrottel wartet.« Anjo sagt nichts weiter dazu. Er mustert weiter die vier Leute auf der Bühne und schließlich suchen seine Augen die Menge nach Benni ab. »Ich hol mir noch mal eine Cola«, sagt er zögerlich und ich sehe ihm nach. Der Kleine ist unglaublich. Wie zur Hölle hat er das gemerkt? Meine Augen gleiten hinüber zu Benni, der Anjo mittlerweile entdeckt hat und ihm prompt in Richtung Bar folgt. Ich stoße mich von der Wand ab, schiebe meine Hände in die Hosentaschen und hefte mich an Bennis Fersen. Er beobachtet Anjo, wie er an der Bar seine nächste Cola bestellt und sich auf einen Barhocker setzt, während er wartet. Ich kenne diesen Blick. Aber diesmal sieht er nicht so aus, als wäre er irgendwie wütend auf Anjo. Er starrt ihn einfach nur an, als würden Anjo Flügel aus dem Rücken wachsen. Ich schlendere zu ihm hinüber und bleibe neben ihm stehen, stecke mir eine Zigarette an und grinse unschuldig, als er mich ansieht und fragend eine Augenbraue hebt. Keine Ahnung, ob er mich erkennt, oder nicht. »Was willst du?«, fragt er angriffslustig. Aha. Er weiß also noch, wer ich bin. »Dir sagen, dass nichts hilft«, gebe ich zurück und ziehe an meinem Glimmstängel. Er runzelt die Stirn. »Was?« Ich betrachte die Kippe zwischen meinen Fingern und puste den Rauch gen Boden. »Egal wie sehr du versuchst aus Anjo einen Sündenbock zu machen, es hilft nicht. Es hört nicht auf«, erkläre ich ihm. Ich bin sicher, dass er ganz genau weiß, wovon ich rede, weil sein Gesicht plötzlich einen leicht panischen Ausdruck annimmt und seine Wangen rot aufflammen. »Ich hab keine Ahnung, wovon du redest«, zischt er mich an und weicht einen Schritt zurück. Ich schmunzele mit der Zigarette zwischen den Lippen. »Schon klar«, nuschele ich, »du bist stockhetero.« Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber ich hebe nur die Hand und gehe hinüber zu Anjo, der gerade seine Cola nimmt. Er dreht sich um und strahlt mich an. Ich lege einen Arm um ihn, nehme mit der anderen meine Zigarette und sehe aus dem Augenwinkel, wie Anjo einmal mehr knallrot wird. Anjo achtet überhaupt nicht auf Benni, als wir an ihm vorbei gehen, aber ich sehe, wie Bennis Blick uns folgt und sich an Anjos Rücken heftet. Das Lodern in seinen Augen zeigt deutlich, dass er zwischen Neugier, Abscheu und Begierde schwankt. Wenn mich nicht alles täuscht, dann steht er verflucht doll auf den Knirps in meinem Arm. »Hab eben kurz mit Benni geredet«, erkläre ich Anjo, während er aus seiner Cola trinkt. Er sieht überrascht zu mir auf. Täusche ich mich, oder hat er sich mittlerweile ein wenig gegen mich gelehnt? Ich habe meinen Arm immer noch um seine Schulter gelegt. Er ist so schmal. Ich könnte den Arm wegnehmen. Aber ich tu es nicht. »Was hast du ihm gesagt?«, will er wissen. Es ist angenehm, hier so zu stehen. Komisch. »Hab ihm nur eine kleine Lektion erteilt«, sage ich schulterzuckend und grinse ihn an. Er lächelt schüchtern und ich sehe hinüber zu Benni, der uns immer noch ansieht. Ich hoffe, dass er seine Lektion auch gelernt hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)