Denn sie waren glücklich. von alphawitch (»Sind glücklich.«) ================================================================================ Kapitel 1: Novembertag. ----------------------- . . . “Denn wenn er ihr in die Augen sah, sah er, sie war glücklich. So glücklich, dass sie sofort sterben könnte.” Gähnend strich er ihr mit seiner rechten Hand durch das störrische Haar. “Kai, hör auf. Das nervt.” Augen verdrehend schlug sie ihm seine Hand aus ihrem rötlichen Haar, das in der Sonne nicht glänzte, sondern immer matter wurde. Alea steckte leicht ein Puzzelstück an ein anderes, was aber nicht zu klappen schien. Wütend betrachtete sie die Puzzelstücke und fragte sich ob sich die Puzzelstücke selbst zusammen stecken würden, wenn Alea sie weiter böse betrachten würde. Doch irgendwie wusste sie, dass nichts passieren würde. Kai meinte zu spüren, wie wütend Alea wurde, wie gerne sie das Puzzelstück doch hochkantig in die Ecke werfen würde, darauf herum treten würde und es so laut verfluchen würde, dass es die Nachbarn sogar hören könnten. Doch er wusste, realistisch gesehen würde das Alea nie tun. Desinteressiert schnippte er ein paar blaue Himmelstücke über den Tisch auf den Boden, dabei gekonnt Aleas wütenden Blick ignorierend. “Alea, mir ist so stink langweilig. Warum puzzelst du überhaupt?” Mit rötlichen Wangen wandte sie ihren Blick von Kai ab, aus dem Fenster und nuschelte etwas, was keiner mit großer Mühe verstehen würde, irgendwas mit Langeweile. Müde schloss Kai seine Augen und bettete seinen Kopf auf den Tisch. “Warum können wir nicht raus. Mit den anderen auf der Straßen spielen, oder so.” “Es schneit du Dose, wir könnten erfrieren und sterben oder Pädophilie - Kinderschänder könnten uns über den Weg laufen, oder ..” Nach diesen Worten hörte Kai ihr gar nicht mehr zu. Sie war schon immer so melodramatisch und ängstlich, deshalb fragte sich Kai manchmal warum er überhaupt mit ihr befreundet war. Er war doch nie so gewesen, er war nicht so. Einmal hatte ihn Jack aus der Nachbarschaft mal gefragt, warum er denn so gut mit Alea befreundet sei, er meinte Alea wäre so langweilig und fragte ihn was er an ihr hatte. Kai wusste es nicht, er verzog das Gesicht und schüttelte einfach unentwegt den Kopf. Leicht öffnete er wieder die Augen, und da erstachen ihn schon fast die grünlich-braunen Augen, so hätte er es am besten beschrieben. So verdammt ehrlich und so verdammt schön. Er musste zugeben er hatte Sachen noch nie wirklich schön, hübsch oder niedlich gefunden, außer bei Alea. Denn es war immer wieder schön zu sehen wie sie vor Verwirrung ihre Augen verengte oder wie schön ihre Haut nach einem Regenschauer glänzte. Sie war hübsch, wenn sie sich vor Unsicherheit die rötlichen Haare zur Seite strich oder wenn sie mal wieder in schönes Sommerkleid anhatte, denn dann fand sie Kai verdammt hübsch, er könnte es tausendmal bestreiten, aber niemand würde ihm glauben, nicht einmal er selbst konnte es glauben. Er fand Alea niedlich, wenn sie bei Unübereinstimmung den Mund verzog und immer wieder leise vor sich hin fluchte, verfluchte alles und jeden in diesem Moment. Oder wenn er mal wieder bei ihr übernachtete, er musste schon sagen, wie sie so im Schlaf manchmal mit sich selbst redete, das fand er schon ziemlich niedlich. Ein klein wenig hardcoreniedlich, wenn man es so nennen durfte. Aber das Komische an ihr war ihr Lächeln. Wenn man ihn fragen würde, was dieses Lächeln zu bedeuten hatte, Kai wüsste es nicht. Denn obwohl ihre Augen soviel redeten, ihr Mund blieb stumm, und doch redete er so viel, schon komisch diese Alea. Irgendwann hörte Alea auf zu erzählen und beiden blieben für eine kurze Zeit stumm. “Komm, wir gehen raus.” Bestimmt fasste er ihre Hand unter dem Tisch und zog sie von der Bank. Verwirrt stotterte sie vor sich hin: “ W - Wohin?” Doch Kai antwortete ihr nicht, sondern legte ihr den langen gelben Schal um, den er sich vorher fest um den Hals gebunden hatte. Mit leisen Sohlen tapste Kai mit Alea an der Hand zu Tür, die zum Dach führte. Alea öffnete leicht den Mund um Kai zu fragen, wohin er hin will, doch dieser deutete ihr mit einer Handbewegung ruhig zu sein, denn wenn ihr Großvater nebenan wissen würde, dass sie rausgehen, würde es eine Menge Ärger geben. Und warum sollte man sich Ärger denn nicht ersparen? Kai lief barfuss, innerlich verfluchte er sich aber für diese Tatsache, denn seine Füße schmerzten schrecklich, als die Nägel sich in seine Fußsohle bohrten, wie Glasscherben. Oben angekommen öffnete er die Tür und beide traten in den Schnee. “Wie ein Wundeland, aus Eis und Schnee”, lächelnd lachte Alea auf. “Ja, das ist es”, stimmte ihr Kai zu. Lachend drehte sich Alea um sich selbst. “Großvater wird mich umbringen, aber..” Aber das war ihr egal, und das wusste Kai. Keine Worte waren dafür nötig. Fester zog sie seinen Schal um ihren Hals, es war schon ziemlich kalt, aber das machte ihr nichts aus. Vorsichtig bewegte Kai nun seine Beine zu ihr hin, was ihm zwar gelang, aber dafür ziemlich wehtat, denn er glaubte seine Zehen nicht mehr spüren zu können. Er zitterte unglaublich, er glaubte, dass seine Füße durch die Kälte bluteten, im Schnee. Und seine Hände fühlten sich an als ob man seine Haut abziehen könnte, wie bei Schlangen. Aber das war ihm so egal, denn er sah Alea in die Augen und sie war glücklich, so vollkommen glücklich, und das machte ihn so glücklich wie noch nie. “Kai?” Vorsichtig drückte Alea ihre Hand an seine und verfing ihre Finger mit Kais kalten. Langsam wärmte sie seine Hand, und es fühlte sich nicht mehr so schrecklich an im Schnee zu stehen, barfuss, mit ihr. Leicht schielte er zu ihr und zeigte ihr damit weiter zu sprechen. “Weißt du Kai, ich würde jetzt gerne sterben.” Stille, vollkommen Stille, wenn man genau hin hörte, konnte man den Wind wehen und Kais Zähne klappern hören, aber im Grunde gesehen war alles still, nach diesem einen Satz. Manchmal hatte Kai geglaubt, er könnte niemals sprachlos sein oder ohnmächtig werden, manchmal dachte er die Menschen machten einen nur etwas vor. Aber nach diesem Satz konnte er sie verstehen, denn zum ersten Mal in seinem verdammten Leben war Kai so ziemlich sprachlos und er fühlte sich so schwerelos, dass er denken könnte, er würde gleich ohnmächtig werden. Nein, er wusste nichts zu sagen, denn das traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Unsicher strich er mit seinen Fingern über ihre kalte Hand und schaute auf die von Laternen beleuchtete Straße unter ihnen. Ein schöner Novembertag, Schnee überall, die schlafende Stadt, der kalte Wind der Kais Haare in alle Richtungen abstehen lässt, er dicht neben Alea, barfuss. “Warum?” Seelig lächelte Alea vor sich hin, strich sich immer wieder in paar Strähnen aus dem Gesicht, die ihr immer wieder mit dem kalten Wind durch das Gesicht strichen. Aber obwohl ihr so kalt war, glühten ihre Wangen förmlich und ihre Hand brannte regelrecht, wie einmal als sie kleiner war, die Hand auf den Herd gelegt hat, um zu schauen ob es wirklich so brannte, wie alle meinten. (Und es war wirklich ziemlich heiß.) Aber diesmal war es schöner, viel schöner. “Weil dieser Moment nie zu Ende gehen soll.” . . . “Denn wenn sie ihm in Augen sah, sah sie, er war glücklich. So glücklich, dass er sofort sterben könnte.” “Für sie, und das nur für sie.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)