Zeit ist fließend von DoctorMcCoy (OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Die Hölle ruft! -------------------------- Dean Winchester stand mitten auf einer einsamen Straße. Sie war breit und verlassen. In der Ferne konnte er eine Glocke läuten hören, immer im gleichen Rhythmus. Es schüttete wie aus Eimern. Tonnen von Wasser kamen vom Himmel herab. Dean hatte es lange nicht mehr so regnen sehen. In Sekundenschnelle war er bis auf die Unterwäsche nass. Normalerweise hätte er sich darüber beschwert, doch jetzt beschäftigte ihn eine andere Sache. Denn es war nicht nur nass, sondern es donnerte zudem noch. Der Wind kam einem Hurrikan gleich und die Blitze schienen bis auf den Boden zu reichen. Er musste sofort hier weg, sonst würde er vermutlich noch eher sterben als geplant. Er hatte keine Ahnung, wo er war und wie er dort hin gekommen war. Und wo Sam steckte, wusste er auch nicht. Aber er konnte sich jetzt auch keine großen Gedanken darüber machen. Er musste irgendwo einen Unterschlupf finden. Er lief los, irgendwo hin. Weg von dem Gewitter. Doch Dean kam es so vor, als ob der Donner ihn verfolgen würde. Mit jedem Schritt, den er tat, wurde das Getöse lauter. Der Wind wurde stärker. Die Blitze kamen näher. Es schien kein Entrinnen zu geben. Ganz gleich, wo er hinlief, er würde nicht entkommen. So blieb Dean einfach stehen. Was sollte er auch weiter rennen? Und keinen Moment zu früh. Denn genau in diesem Moment schlug ein Blitz genau vor seinen Füßen ein. Anstatt jedoch, dass sich ein großes verkohltes Loch vor ihm auftat, stand plötzlich eine sehr hübsche Dame vor ihm, in einem eleganten kurzen schwarzen Kleid. Wären da nicht diese stechend roten Augen gewesen, hätte Dean sich bestimmt zu ihr hingezogen gefühlt. „Hallo, Dean“, sagte sie mit einem Hauch von Erotik in ihrer Stimme. „Ich bin gekommen, um dich zu holen. Es ist an der Zeit.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. I’m rolling thunder, pouring rain, I’m coming on like a hurricane. My lightning’s flashing across the sky. You’re only young but you’re gonna die. Dean dachte jedoch keine Sekunde daran, die Hand des Dämons zu ergreifen. Vielmehr wanderte seine eigene Hand zu seiner Pistole. Er wusste durchaus, dass diese Waffe wohl nichts gegen sie nützen würde, doch Dean fühlte sich auf jeden Fall besser, wenn er irgendetwas in der Hand hatte. Er zielte auf die junge Frau. „Was willst du von mir?“, fragte er, dabei bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. Wut und Verwirrung zugleich hatten von ihm Besitz ergriffen. Unbeeindruckt musterte die Dämonin die Waffe. Sie legte den Kopf schief. „Jetzt, sag nicht, du hast es vergessen, Dean. Ein Jahr ist vorbei. Wir hatten einen Deal. Ich werde dich mit in die Hölle nehmen.“ I won't take no prisoners won't spare no lives Nobody's putting up a fight I got my bell I'm gonna take you to hell I'm gonna get ya, satan get ya „Du kannst nichts dagegen tun, Dean.“ Sie ging einmal um ihn herum und strich ihm dabei verführerisch über den Rücken. Dean verkrampfte sich unter der Berührung. Er hatte Angst, Angst vor diesem Dämon, Angst vor der Hölle. Er wusste, dass dieser Tag kommen würde. Schon als er vor einem Jahr die Frau vor ihm geküsst hatte. Es war unvermeidlich gewesen. Er hatte sich dieses Schicksal selbst ausgesucht. Und trotzdem hatte er eine Scheißangst. Er wollte nicht in die Hölle, er wollte nicht so werden wie das, was er sein ganzes Leben lang gejagt hatte. Und doch wusste er, dass er nichts dagegen tun konnte. Sammy hatte alles versucht, was in seiner Macht stand. Er hatte alle Ressourcen ausgeschöpft. Jeden gefragt, der ihnen vielleicht helfen könnte. Doch nichts! Keiner war dazu in der Lage, Dean von seinem Schicksal zu befreien. Er war verdammt. Verdammt dazu, hinab in die Hölle zu gehen. Der beste Beweis dafür stand genau vor ihm. Die Dämonin, die mit ihm den Vertrag geschlossen hatte oder zumindest stellvertretend. Doch irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Denn diese Dämonin war schon seit mehreren Monaten tot. Und nun stand sie vor ihm, mit einer kleinen Glocke in der Hand. Sie schüttelte einmal leicht die Hand, woraufhin ein ohrenbetäubender Lärm entstand. Dean hielt sich die Ohren zu. „Das ist die Hölle, Dean, sie ruft nach dir“, schrie die Frau ihm über den Lärm entgegen. „Sie freut sich schon so sehr auf dich. Ein ganzes Jahr musste sie warten.“ Dean erhob seine Waffe und feuerte. „Das kannst du vergessen, du Miststück!“ Ihm war durchaus der Handel noch im Kopf. Sollte er sich irgendwie rauswinden, würde Sam sterben. Doch Dean wusste auch, dass das hier unmöglich die Realität sein konnte. Dieser Dämon vor ihm war tot. Nicht nur zurück in die Hölle geschickt wurden, sondern mausetot. Also würde es wohl nicht schaden, dieses Miststück ein weiteres Mal umzubringen, dachte sich Dean. Die Dämonin betrachtete jedoch ihre blutende Wunde nur desinteressiert. „Dean, das bringt doch nichts“, sagte sie in einem Tonfall, als würde sie einem kleinen Kind etwas erklären wollen. „Du kannst nicht entkommen.“ Sie läutete erneut die Glocke. Hell's bells, they're taking you down Und Dean lief los. Was hätte er auch anderes tun können? Der einzige Gedanke, der zurzeit in seinem Kopf herumspukte, war der, dass er auf keinen Fall in die Hölle wollte. Und da er den Colt nicht mehr besaß, konnte er nichts gegen diesen Dämon ausrichten. Folglich musste er so weit weg wie möglich. Doch diesen Plan hatte er nicht mit dem hübschen Dämon gemacht. Dean vernahm ein weiteres Glockenläuten und fiel daraufhin flach zu Boden. Irgendetwas hatte ihm am Fuß gepackt. Hell's bells, they're dragging you down Dean drehte sich mühsam um, sodass er nun mit dem Rücken auf den Boden lag. Aber bewegen konnte er sich noch immer nicht. Er konnte nun direkt in die roten Augen der Frau über ihm sehen. Diese schüttelte den Kopf. „Weglaufen bringt auch nichts, Dean. Ich dachte, du wärst klüger. Aber das ist dann wohl eher dein Bruder, nicht?“ Sam! Das war die Lösung. Sein Bruder musste hier noch irgendwo sein. Zumindest konnte sich Dean nicht daran erinnern, dass sie sich getrennt hatten. „Sam!“, rief er aus Leibeskräften. Dean war mehr als verzweifelt. „Aber, nicht doch, Dean. Dein Bruder kann dir nicht helfen. Niemand kann das. Nicht mal du. Es ist unvermeidlich. Sieh es doch endlich ein.“ Sie bückte sich zu ihm herunter, holte wieder die Glocke hervor und läutete erneut. Direkt vor der Nase von Dean. Daraufhin spürte er nur noch, wie alles zu beben begann. Der Himmel über ihn spaltete sich merkwürdig. Jetzt war er nicht mehr schwarz, sondern verfärbte sich rot. Die Wolken schoben sich zur Seite und machten ein Bild von Verwüstung frei. Und dann riss die Erde auf. Dean fiel hinunter, konnte sich aber gerade noch am Rand festhalten. Hell's bells, gonna split the night Mit aller Macht versuchte er, nicht hinunter zu stürzen. Doch mit jedem Moment, der verging, wurde Dean schwächer. Er versuchte, sich hoch zu ziehen, doch auch das war vergebens. Er hing an einer Wand, kurz davor in den Abgrund zu fallen. Die Dämonin lächelte ihn amüsiert an. „Du gibst wohl nie auf, Dean Winchester.“ Sie bückte sich zu ihm hinunter und löste seinen kleinen Finger. Dean wehrte sich, doch kam nicht gegen die Stärke der Frau an. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, die anderen Finger an Ort und Stelle zu lassen. Doch die Dämonin beließ es nicht bei dem einen Finger. Jeden Einzelnen löste sie nacheinander. Bis nur noch Deans rechter Zeigefinger übrig war. „Wir sehen uns in der Hölle!“ Damit löste sie den letzten Finger, das Einzige, was Dean noch am Absturz hinderte. Hell's bells, there's no way to fight Dean fiel und hörte dabei die letzten Worte der Dämonin in seinem Kopf widerhallen: „Das ist die Hölle, Dean. Du kannst nicht kämpfen. Du kannst nichts dagegen tun. Sie wird dich holen, wenn es soweit ist.“ Dann wachte Dean ruckartig auf. Er musste sich erst einmal orientieren. Gemütliche Ledersitze unter ihm, einen grinsenden Bruder neben ihm. Das war wohl alles nur ein böser Traum gewesen. Eigentlich hätte Dean beruhigt aufatmen können, aber ihm war ganz und gar nicht danach. Sam hingegen schien die Besorgnis seines Bruders nicht zu spüren. „Na, endlich wach, du Schlafmütze?“ Er grinste seinen Bruder schief an. „Ich habe extra schon die Musik etwas lauter gedreht, aber du wolltest wohl noch nicht in die Realität zurück.“ Sam stellte die Kassette seines Bruders aus. „War denn der Traum so schön?“ Belustigt schaute er Dean fragend an. „Hä?“, kam es nur von dem Älteren, der eigentlich gar nicht zugehört hatte und nun bemerkte, dass sein Bruder wohl etwas von ihm wollte. Seine Gedanken kreisten immer noch um seinen Traum. Einen Traum, der wohl bald bittere Realität für ihn werden würde. „Hey, ist alles in Ordnung, Dean?“ Sam hatte wohl bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Doch Dean bestritt es. „Ja, ja, alles in Ordnung. Wohl noch etwas verschlafen“, murmelte er vor sich hin. „Gut, dann werde mal langsam wach. Wir sind nämlich gleich da. Hier in der Nähe wohnt eine Wahrsagerin. Vielleicht kann sie uns ja helfen mit deinem Problem.“ Dean schaute aus dem Fenster. Ihm war nicht danach, einen weiteren sinnlosen Besuch bei irgendeinem Wahrsager zu unternehmen, aber er hatte auch nicht die Kraft dazu, sich mit seinem Bruder zu streiten. „Okay“, meinte er deshalb nur, in seinem Kopf immer noch die Stimme des Dämons. Sie wird dich holen, wenn es soweit ist! Kapitel 2: Schlaf ----------------- „Das war wirklich merkwürdig.“ Dean schmiss seine Jacke auf das Bett, nachdem er das Motelzimmer betreten hatte. Es sah aus, wie jedes andere Zimmer auch. Klein, schäbig und nicht allzu sauber. Daran hatten sich die beiden Jäger bereits gewöhnt. „Und du fühlst dich wirklich gut?“ Sam musterte seinen großen Bruder besorgt. Sie nahmen es nicht jeden Tag mit einem unbekannten Wesen auf. Zum Glück hatten die Silberpatronen gewirkt. Aber Sam machte sich trotzdem Sorgen. Dieses Wesen hatte Dean irgendetwas ins Gesicht gesprüht, vielleicht war es ja irgendeine Art von Gift. „Du fühlst dich weder schlapp, noch sonst irgendwie seltsam? Vielleicht sollten wir recherchieren, um was es sich gehandelt hat.“ „Mir geht es gut, Sammy, okay?“, kam es ein wenig gereizt von Dean. Diese Unterhaltung führten sie schon die ganze Autofahrt lang. Er war nur noch fertig und müde. „Das Ding ist tot und ich möchte jetzt einfach nur noch schlafen. Hast du etwas dagegen?“ Sam schüttelte den Kopf, dachte aber längst nicht daran, das Gleiche zu tun. Dean konnte so oft sagen, dass es ihm gut ging, wie er wollte. Sam würde erst Ruhe finden, wenn er wusste, um was für eine Kreatur es sich handelte und zu was er diese Sporen einsetzte. Zu allererst griff er nach dem Tagebuch seines Vaters. Er dachte zwar nicht darin etwas zu finden, aber er würde sich ärgern, wenn es doch der Fall gewesen wäre. Dean schmiss sich lautstark auf sein Bett. „Sam, du musst auch schlafen. Die Recherche hat auch noch bis morgen früh Zeit, wenn es unbedingt nötig ist.“ „Ja, ich bleibe nicht mehr so lange auf“, sagte er abwesend, während er die ersten Seiten des Tagebuchs überflog. Dean zuckte nur mit den Schultern, drehte sich um und kuschelte sich in das Kissen. Ein wenig Schlaf würde Wunder bewirken. Sam wachte auf, als er Deans Handy klingeln hörte. Er schaute auf das gegenüberliegende Bett und stellte fest, dass Dean noch schlief. Dabei war das Handy ziemlich laut. Sam streckte sich einmal kurz. Am Schreibtisch einzuschlafen war nicht gerade die bequemste Sache. Der Laptop hatte sich in den Ruhemodus versetzt. „Dean, dein Handy klingelt“, rief er, weil er selbst nicht ran gehen wollte. Letztes Mal war eine junge Frau dran gewesen, die er sofort vergrault hatte. Dean hatte ihm das zwei Wochen nachgetragen. Er würde sich hüten einer weiteren Frau zu sagen, dass sie nur Brüder waren und nicht mehr. Sam torkelte ins Badezimmer, um sich zu erfrischen. Dabei versuchte er angestrengt sich ins Gedächtnis zu rufen, was er gestern Abend herausgefunden hatte. Er wusste, dass er in dem Tagebuch seines Vaters nichts gefunden hatte. Dann hatte er sich daran gemacht, im Internet zu suchen. Sam konnte sich nur noch erinnern, dass ihm irgendwann die Augen schwer geworden waren. Ein paar Notizen hatte er sich gemacht, fiel ihm gerade wieder ein. Die musste er sich gleich unbedingt ansehen. Über das Rauschen des Wasserhahns hörte er Deans Handy erneut klingeln. Sam fragte sich, welches Mädchen so hartnäckig war und wie Dean bei diesem Krach überhaupt noch schlafen konnte. Als er wieder zurück ins Zimmer kam, war es wieder still. Dann jedoch klingelte es erneut, diesmal war es jedoch Sams Handy. Er ging zum Tisch und sah auf den Display. Es war Castiel. „Hey, Cas“, grüßte er ihn. „Wo ist Dean?“, drang die dunkle Stimme des Engels an Sams Ohr. Er verbrauchte nie Zeit, um zum eigentlichen Thema zu kommen. „Der liegt hier auf seinem Bett und schläft eine Runde“, antwortete Sam. „Er geht nicht an sein Handy“, stellte Castiel fest. „Ja, wie schon gesagt: er schläft.“ Sam betonte das letzte Wort extra stark. „Da kann es schon mal vorkommen, dass man einige Sachen nicht hört.“ „Er geht sonst immer ran“, bemerkte Cas. Sam warf einen raschen Blick zu seinem Bruder. Castiel hatte Recht. Dean wachte immer auf, bei jedem noch so kleinen Geräusch, besonders, wenn er schon einige Stunden geschlafen hatte und das hatte er. Langsam trat er an das Bett, plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl in der Magengegend. Er bückte sich zu seinem Bruder herunter und stellte glücklicherweise fest, dass Dean noch atmete. Flach, genauso wie es sich für einen Schlafenden gehört. „Dean?“, fragte er und schüttelte den Älteren. Erst sanft, dann etwas gewaltvoller, weil Dean einfach nicht aufwachen wollte. Was war nur mit ihm los? „Dean?“, fragte er ein weiteres Mal, doch immer noch kam keine Reaktion. „Sam? Was ist los?“ Castiel hatte an der Stimme von Sam erkannt, dass etwas nicht stimmte. So gut kannte er die beiden Menschen bereits. Sam jedoch hörte Cas überhaupt nicht. Er hatte nur noch Dean in Kopf und dieses seltsame Wesen, was ihn angegriffen hatte. Er hatte doch gleich gewusst, dass etwas passieren würde. Er hätte Dean wahrscheinlich untersuchen lassen sollen. Ihn dazu zwingen sollen. Jetzt war es zu spät. Dean lag hier, fast wie tot und er wusste nicht, was er tun sollte. „Dean?“, versuchte er es ein weiteres Mal. „Sam!“, kam es nun entschieden lauter und bestimmter aus dem Handy. Es rüttelte den Jäger wieder wach. Zumindest konnte er nun klarer denken. „Ja?“, sagte er, um Cas zu bestätigen, dass er zuhörte. „Was ist los?“, wiederholte Cas seine Frage. Ruhig und gelassen, sich nicht anmerkend, dass ihm die Lage nicht gefiel. „Es geht um Dean. Wir hatten gestern einen Kampf mit irgendeiner Kreatur. Er hat Dean irgendetwas ins Gesicht gespritzt und jetzt will er einfach nicht aufwachen. Er liegt hier und schläft. Er will einfach nicht aufwachen.“ Sam merkte, dass er schon wieder unruhig wurde. Er musste sich zusammen reißen. Das würde ihnen nämlich auch nicht helfen. „Wo seid ihr?“, wollte Castiel nun wissen. „Kalifornien, Alameda. Motel Moonrise, Zimmer 14“, sagte er knapp. Keine Sekunde später spürte er einen kurzen Windstoß und Castiel stand neben ihm. Castiel musterte Dean, lange und intensiv. Er hatte ihm schon öfters beim Schlafen zugesehen. Es war eine weitere Merkwürdigkeit der Menschen, doch Castiel wusste, dass sie immer wieder aufwachten. Kein Mensch schlief ewig. Dean hatte ihm mal gesagt, dass ein paar Stunden schon reichen würden, es aber notwendig war, um seine Reserven aufzuladen, wie eine Batterie. Wenn es genug war, wachte man auf. „Vielleicht hat er noch nicht genug geschlafen?“, dachte Castiel. Vielleicht braucht er einfach noch ein bisschen mehr Energie. Aber dann wäre Sam nicht so besorgt. Er verstand mehr von diesen Menschenzeugs. Wenn er besorgt war, dann bestimmt mit Recht. „Was war das für eine Kreatur?“, fragte er Sam. Es wäre ein zu großer Zufall gewesen, wenn die beiden Situationen nichts miteinander zu tun hätten. Castiel kannte als Engel einige böse Wesen, die auf der Erde wandelten. Die Meisten stammten auf irgendeiner Weise von den Menschen ab. Es gab viele verschiedene Arten, wie diese Wesen zu existieren begannen. Aber Cas hatte noch von keiner gehört, die irgendetwas verspritzte. Sam ging herüber zu seinem Laptop und fuhr ihn hoch. „Ich habe gestern Abend noch etwas recherchiert, weil ich irgendwie geahnt hatte, dass es wichtig wäre. Leider habe ich noch nichts Besonderes herausfinden können. Ich habe keine Beschreibung gefunden, die auf unsere Kreatur zutreffen könnte.“ „Wie sah sie aus?“, wollte Castiel wissen. Vielleicht fiel ihm dann etwas ein. „Menschlicher Körperbau, nur wesentlich kleiner. Bewegte sich auf allen Vieren fort. Die Haut war gräulich und es hatte wirklich große Augen. Dean meinte, es sähe wie Gollum aus.“ Cas schaute verwirrt. „Was ist ein Gollum?“ Sam wedelte mit dem Arm. „Vergiss es, Cas. Auf jeden Fall schien es etwas gegen Silber zu haben. Eine Patrone ins Herz und es war tot.“ Castiel schaute in die Ferne, wie es schien direkt durch die dünne Motelwand hindurch. „Das trifft auf viele Wesen der Dunkelheit zu.“ Manchmal fand Sam das Verhalten des Engels sehr eigenartig. „Ja, das stimmt wohl. Aber das hier habe ich noch rausfinden können.“ Er schob ihm den Zettel mit seinen Notizen entgegen. Castiel nahm das Stück Papier und durchbohrte es mit seinem Blick. Es sah nicht so aus, als ob er lesen würde, sondern eher, dass er den Zettel vernichten wollte. „Und du denkst, das hat etwas mit diesem Gollum zu tun?“ Castiel wusste selber nicht, warum er diesen Spitznamen für das Wesen wählte. Vielleicht weil Dean es so genannt hatte. Sam zuckte mit den Schultern. „Möglich, oder nicht. Die meisten Kreaturen haben in irgendeiner Weise mit Tieren zu tun. Nehmen wir nur mal als Beispiel den Werwolf. Warum sollte dieses Wesen – Gollum? – nicht in irgendeiner Weise mit Reptilien verwandt sein?“ „Möglich ist alles“, meinte Castiel. „Aber es hört sich nicht sehr überzeugend an.“ „Tut mir leid, Cas“, sagte Sam gereizt. Er hatte nicht sehr viel geschlafen und die Situation mit Dean gab ihm noch den Rest. „Mehr habe ich leider nicht.“ Castiel spürte plötzlich eine Welle von Wut, die von Sam ausging. Hatte er irgendetwas Falsches gesagt? Er hatte Dean ja wohl nicht angegriffen, auf ihn sollte Sam nicht sauer sein. Eher auf Gollum. „Ich bin nicht der Grund für deine Wut, Sam“, sagte er deswegen. Sam klappte mit voller Wucht den Laptop zu und schämte sich augenblicklich selber. Castiel hatte Recht. Es war nicht fair, seine Wut an dem Engel auszulassen. „Es tut mir leid“, meinte er ehrlich. Er ließ seinen Kopf hängen und fragte sich, was sie tun sollten. Sie hatten keinerlei Anhaltspunkte und Dean lag immer noch schlafend auf dem Bett. Es schien ihm super zu gehen, er hatte kein Fieber und war sonst auch sehr friedlich. Er wollte halt einfach nur nicht aufwachen. Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Sam blickte überrascht auf. Es war selten, dass der Engel jemanden berührte. Anscheinend hatten Engel eine andere Art, sich nahe zu sein. Aber es gab ihm ein Gefühl der Erleichterung. Sam hätte jetzt fast schon erwartet, dass ein „Es wird alles wieder gut“ kommen würde, doch das blieb aus. Dafür sagte Castiel etwas Anderes, an das Sam bisher nicht gedacht hatte. „Hast du schon Bobby gefragt? Er weiß sehr viel.“ Sam war hinausgegangen, um in Ruhe mit Bobby zu telefonieren. Castiel glaubte jedoch, dass er einfach mal raus wollte. Er selber konnte diesen Drang zwar nicht ganz verstehen, aber er beobachtete häufiger, dass die Menschen von bestimmten Situation einfach mal Abstand brauchten. Der Engel stand wieder neben Deans Bett. Er legte den Kopf ein bisschen schief und begutachtete Deans Brustkorb. Dieser hob und senkte sich immer im gleichen Rhythmus. Er wirkte friedlich und ruhig. So hatte er ihn lange nicht mehr gesehen. In letzter Zeit stand er viel zu sehr unter Druck. Aber dieser Schlaf schien ihm gut zu tun. Warum machte Sam sich solche Sorgen? „Vielleicht, weil er Angst hat, dass er nie wieder aufwacht?“, schoss es Castiel durch den Kopf. Und es wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er sich auch davor fürchtete. „Dean?“, fragte er zaghaft, so wie Sam es zuvor getan hatte. Diese Situation war mehr als eigenartig. Castiel wusste nicht recht, was er vorhatte. Langsam, aber sicher, bewegte sich seine Hand zu der von Dean. Kurz bevor sie sich berührten, hielt der Engel inne. Er hatte Dean noch nie wirklich bewusst berührt. In Situationen, wo Dean seine Hilfe brauchte, natürlich, aber nie zuvor, nur weil Castiel es wollte. Einfach nur so. Er hatte die Menschen beobachtet, wie sie sich berührten, manchmal nur flüchtig, aber es lag etwas darin, was sie selber manchmal gar nicht wahrnahmen. Berührungen konnten Zuneigung, Vertrauen, Mitleid, Liebe und viele andere Sachen bedeuten. Aber was wollte Castiel mit dieser Berührung ausdrücken? Er schaute Dean ins Gesicht. Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen, aber nicht dieses Lächeln, womit er alle anderen Emotionen überspielte. Es war ein zufriedenes Lächeln. Er war glücklich. Als Castiel das sah, fragte er sich plötzlich, ob es überhaupt fair war, Dean aufwecken zu wollen. War es nicht egoistisch? Er war glücklich, hatte seine Sorgen vergessen und Sam und er wollten ihm das wieder weg nehmen. Nur weil sie nicht stark genug waren. Weil sie selbst nicht ohne Dean leben konnten. Genau in diesem Moment fiel Castiel auf, dass seine Hand bereits die von Dean umschlossen hatte. Er hatte es gar nicht wahrgenommen. Es war einfach so passiert. Deans Hand war warm und die Berührung fühlte sich unglaublich gut an. Eine innere Wärme breitete sich in Castiel aus, die er nicht verstand. Nicht wusste, woher sie kam. Er setzte sich neben Dean und betrachtete ihn ein weiteres Mal. Es tat gut, ihn so friedlich zu sehen, aber Castiel wusste, dass er es nicht verkraften würde, wenn er nicht wieder dumme Witze reißen würde, ihn aufzog oder einfach nur da war. Er drückte Deans Hand ein wenig fester. „Bitte wach wieder auf, Dean“, flüsterte er leise. Dean spürte, wie jemand seine Hand festhielt. Warum, fragte er sich, er hatte doch nur geschlafen. Und Gott hatte er gut geschlafen. Tief und fest, ohne irgendeinen Albtraum. Das war in letzter Zeit fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Jetzt wollte er sich bewegen, aufstehen. Er hatte genug Ruhe gehabt, aber irgendetwas ließ ihn inne halten. Diese Hand, die ihn da festhielt, wollte ihn nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sie war weich und warm. Hielt ihn fest, als ob sie ihn nicht verlieren wollte. „Bitte wach wieder auf, Dean“, hörte er plötzlich eine Stimme weit entfernt flüstern. Die Stimme kam ihm bekannt vor, doch er konnte nicht sagen, wem sie gehörte. So entschloss Dean sich, einfach seine Augen zu öffnen. Alles war verschwommen und es dauerte einige Momente, bis sich seine Sicht wieder verschärft hatte. „Cas?“, fragte er, als er die Person, die neben seinem Bett saß, erkannte. „Was machst du denn hier?“ Wenn er sich richtig erinnerte, war gestern nur Sam bei ihm gewesen. „Und seit wann kannst du lächeln?“, fügte er hinzu, als er diesen ungewöhnlichen Gesichtsausdruck bei dem Engel bemerkte. „Ich … ich …“ Castiel wusste nicht, was er sagen sollte und schaute deshalb verlegen nach unten. Dabei fiel ihm auf, dass er immer noch Deans Hand hielt. Sofort ließ er sie ruckartig los und stand auf. Als er sich zwei Schritte entfernt hatte, blieb er erst einmal stehen. Eigentlich müsste er sich jetzt besser fühlen, ein gebührender Abstand war eingehalten, doch diese Situation war immer noch komisch. Dean beäugte den Engel misstrauisch. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, es war Castiel peinlich gewesen, dabei ertappt zu werden, wie er neben seinem Bett gesessen hatte. Aber das konnte ja unmöglich sein. „Was ist denn hier eigentlich los? Wo ist Sam?“, fragte Dean, entschlossen das seltsame Verhalten des Engels einfach zu ignorieren. Bevor Castiel antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen. „Gute Nachrichten, Cas“, ertönte die Stimme von Sam. Er sah sich im Zimmer um, sah Dean aufrecht im Bett sitzen. Sonst war das Zimmer leer. „Wo ist denn Cas hin?“ Dean zuckte mit den Schultern. „Frag mich was Leichteres. Er hat sich sowieso sehr merkwürdig verhalten. Was ist hier eigentlich los?“ Sam grinste. „Hast du schon mal auf die Uhr geguckt?“ Er zeigte mit der Hand auf den Wecker neben Deans Bett. Dean drehte sich um. „Schon ein Uhr? Dann habe ich ja mehr als zwölf Stunden geschlafen.“ Dean kratzte sich am Hinterkopf. „Mann, diese Matratze muss echt gut sein.“ Er ließ sich ein paar Mal federn, um die Matratze zu testen. Sam beobachtete seinen Bruder. Wirklich ein Wunder, dass er vor ein paar Minuten noch total besorgt gewesen war und Dean jetzt wie ein kleines Kind auf seinem Bett rumhüpfte. Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Diese Kreatur, übrigens ein Kranir, versprüht ein Schlafmittel, um seine Verfolger los zu werden und ihre Opfer zu lähmen. Anscheinend hast du nicht die volle Dosis abbekommen, sonst wärst du auf der Stelle umgekippt und für die nächsten 24 Stunden nicht wieder aufgewacht“, erklärte Sam. Dean zuckte nur mit den Schultern. „Das sollten wir öfters machen.“ „Was? Gegen eine Kreatur kämpfen, die wir nicht kennen?“, fragte Sam verwirrt. „Nein“, winkte er ab. „Dieses Schlafmittel gebrauchen. Alter, das war die angenehmste Nacht, die ich seit Jahren hatte.“ Sam konnte nur den Kopf schütteln. Anscheinend war Dean überhaupt nicht bewusst, wie viele Sorgen sich Cas und er gemacht hatten. Aber jetzt war er ja wieder wach. „Ja, wenn du meinst“, sagte er deshalb nur, um das Thema hiermit zu beenden. Castiel konnte die Menschen nun ein bisschen besser verstehen. Einer Situation entfliehen wollen, kam ihm jetzt nicht mehr so abwegig vor, wie ein paar Stunden zuvor. Deans Blick, wie er ihn ansah und Sam, der plötzlich wieder ins Zimmer gekommen war, das war alles zu viel gewesen. Er hatte seine Flügel ausgebreitet und war verschwunden. Nun stand er einsam auf einer verlassenen Landstraße. Dean und Sam weit entfernt, alleine mit seinen Gedanken. Es war ihm selbst jetzt unangenehm über die Situation nachzudenken, deshalb beließ er es dabei. Dean ging es wieder gut, und das war alles, worauf es ankam. Plötzlich hörte Castiel ein Piepen. Er blickte sich um, aber es war keine Menschenseele bei ihm. Dann ertönte es ein weiteres Mal. Es kam aus seiner Jackentasche. Er holte sein Handy hervor. Eine Textnachricht. Castiel konnte gerade mal telefonieren. Er drückte auf den Knopf, der unter dem Wort „Lesen“ stand und hoffte, dass es funktionieren würde. Castiel lächelte leicht, als er die Botschaft sah. Nur ein einziges Wort stand auf dem kleinen Bildschirm: „Danke!“ Kapitel 3: Vergebung -------------------- Dean fuhr seinen Impala auf den altbekannten Schrottplatz. Er blickte kurz zu seinem Bruder und lächelte leicht, obwohl ihm eigentlich nicht danach war. Sam erwiderte die Geste, wollte ihm zeigen, dass jetzt alles wieder gut werden würde. Doch Dean war sich da nicht so sicher. Langsam stieg er aus seinem Wagen aus und schaute zum alten Haus hinauf. In den letzten Stunden hatte Dean Winchester viele Menschen enttäuscht. Er hatte nur an sich gedacht und nicht an diejenigen, die ihm vertrauten und an ihm glaubten. „Zum Schluss hast du doch alles richtig gemacht“, schnitt Sams Stimme durch die Stille. Ja, zum Schluss, aber davor hatte er alles falsch gemacht. Er hatte Castiel verraten, der alles für Dean selbst aufgegeben hatte. Adam, seinen Bruder, hatte er nicht retten können. Beide waren vermutlich jetzt tot und nur weil Dean so verblendet gewesen war. Wie sollte er das wieder gut machen? „Kommst du?“, fragte Sam, der schon so gut wie in der Tür stand. Dean nickte stumm. Bei einem konnte er sich immerhin noch entschuldigen. Vielleicht würde sich Dean dann wenigstens ein bisschen besser fühlen. Sie betraten das alte Haus, wo sich in jeder Ecke riesige Bücherstapel türmten. Bobby saß hinter seinem Schreibtisch über einen mächtigen Wälzer gebeugt. Als die beiden Jäger eintraten, blickte er auf und lächelte übers ganze Gesicht. „Mann, ist das schön euch zu sehen, Jungs. Da geht ihr in die Höhle des Löwen und kommt fast unversehrt zurück.“ Dean war froh, dass er keine Fragen stellte, über Castiel, Adam oder sonst etwas. Sam hatte ihn glücklicherweise schon von unterwegs angerufen und ihm geschildert, was vorgefallen war. Dean hatte sich auf das Fahren konzentriert, aber auch aufmerksam zugehört gehabt. Leider hatte er nur Sam hören können und hatte die Reaktionen und Antworten von Bobby nicht mitbekommen. Aber dieser schien ganz normal zu sein. Anscheinend hatte er die letzten Tage einfach aus seinem Gedächtnis gestrichen. Dean konnte das jedoch nicht. Er musste sich bei Bobby entschuldigen. Das war er ihm schuldig. „Was liest du denn da?“, fing er harmlos ein Gespräch an. Bobby blickte auf das dicke Buch vor ihm auf den Tisch. „Was wohl? Ich suche natürlich einen Weg, um uns Luzifer vom Hals zu schaffen. Ihr könnte mir ruhig helfen.“ Er zeigte auf einem Stapel Bücher, die in der hinteren Ecke des Raumes standen. „Die habe ich zu dem Thema schon rausgesucht.“ Sam ging ohne zu Zögern zu dem Stapel, nahm sich das Obere davon, setzte sich auf die Couch und begann zu lesen. Dean schaute sich den Stapel genau an. Nur dicke, schwere Bücher. Sonst hätte er sich mit irgendeiner Ausrede schon längst verdrückt gehabt, aber jetzt nahm er sich auch eines der Bücher. Er konnte sich jedoch nicht wirklich aufs Lesen konzentrieren, da er immer wieder über Bobby nachdenken musste. Furchtbare Dinge hatte er zu ihm gesagt und Bobby tat so, als ob gar nichts passiert wäre. Als ob alles seinen gewohnten Gang ging. Immer wieder schaute Dean zu Bobby, der vertieft in seinen Text zu sein schien. Auch wenn er sich so verhielt, musste Dean sich trotzdem entschuldigen. Er richtete sich ungelenk auf, da er eigentlich nicht recht wusste, wie er anfangen sollte. Sam bemerkte den kläglichen Versuch seitens Deans, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber Bobby schien es nicht wahrgenommen zu haben. Deshalb stand er selber auf. „Ich hole mir ein Bier. Sonst noch jemand?“, fragte er in die Runde. Bobby gab ein zustimmendes Brummen von sich. Dean nickte. So machte sich Sam auf den Weg in die Küche, mit der Absicht etwas länger zu brauchen. So hätte Dean genügend Zeit mit Bobby zu reden. Dean wusste, dass Sam sie extra alleine gelassen hatte, deshalb musste er jetzt auch endlich beginnen. „Ähm, Bobby?“, fing er relativ geschickt an, wie er fand. „Ja?“, kam es von dem alten Jäger, ohne auch nur einen Moment von seinem Buch aufzuschauen. „Ich … ich wollte-“ Mann, warum fiel es ihm eigentlich immer so verdammt schwer, „es tut mir leid“ zu sagen? Das konnte doch nicht so schwierig sein. Bei Sam hatte er das auch nie gekonnt, aber da war ihm Sam immer zu Hilfe gekommen, da er ja der Sensible war. Aber Bobby war vom gleichen Schlag wie Dean, also musste er sich zusammenreißen. „Also es ist so-“ Bobby blickte immer noch nicht auf, was Dean doch sehr verwunderte. Sonst hörte Bobby eigentlich immer zu. Vielleicht war er doch wütend auf ihn, was Dean erstaunlicherweise Mut machte. Bei einem Menschen, der wütend auf Einen war, konnte man sich leichter entschuldigen, als bei jemanden, dem es total gleichgültig war. „Bobby?“, startete er einen neuen Versuch. „Ja, was ist denn?“, kam es etwas gereizt von Bobby. Doch auch dieses Mal schaute er nicht von seinem Buch auf. „Sieh mich doch endlich mal an“, forderte Dean ihn nun etwas lauter auf. „Ich versuche mich hier gerade zu-“ Er hielt inne, als er Bobbys Blick wahrnahm. Er sah wirklich wütend aus, aber so richtig wütend. Aber es lag auch Enttäuschung in seinem Blick, was Dean tief traf. Er hatte es wohl doch nicht vergessen, was Dean zu ihm gesagt hatte. Er selbst konnte es genau so wenig vergessen. Seine eigene Stimme schallte immer noch in seinem Kopf. Du bist nicht mein Vater. Es war das Schlimmste, was Dean je zu Bobby gesagt hatte, was wohl auch Bobby so sah, nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen. Dean brach es fast das Herz, Bobby so zu sehen. Dieser Satz. Er hatte ihn nicht wirklich ernst gemeint. Er war wütend gewesen, weil die Anderen ihn nicht selbst entscheiden lassen wollten. Und er hatte gewusst, dass Bobby dieser Satz kränken würde. Er hatte nur Abstand von allen gesucht, hatte fliehen wollen und so hatte er seine einzige Chance gesehen. Die Drei so zu kränken, dass sie ihn gehen lassen würden. Doch im Nachhinein wusste Dean, dass es falsch gewesen war, egal aus welchem Grund auch immer er es gesagt hatte. Dafür gab es eigentlich keine Entschuldigung und Dean wusste nicht, wie er es wieder gut machen sollte. Das konnte er gar nicht. Aber er musste es immerhin versuchen, denn es tat ihm ja unendlich leid und wenn er das Bobby sagte, war das schon mal der erste Schritt. Er stellte sich Bobbys Blick, ließ sich durchbohren und dachte nicht eine Sekunde daran, auszuweichen. Es war ihm ernst und das musste er auch zeigen. „Bobby, ich weiß, was ich da gesagt habe, das kann ich nie wieder gut machen. Du bist zwar nicht mein Vater, aber du bedeutest mir genau so viel und ich sehe dich auch als eine Art von Vater. Deine Meinung ist mir sehr wichtig und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.“ Es war nicht gut genug, aber nichts, was er sagen könnte, wäre gut genug. „Das war alles?“, fragte Bobby. Er sah ihn immer noch intensiv an. Dean hatte es gewusst. Es würde nicht reichen, egal, was er von sich gab. Aber er wollte auch nicht aufgeben. „Es tut mir leid, Bobby. Ich war ein Idiot und-“ „Streng dich nicht zu sehr an, Junge“, fiel ihm Bobby ins Wort und lächelte ihn dabei an. „Es ist okay. Vergeben und vergessen, ja?“ Dean konnte es gar nicht fassen. Hatte er das gerade richtig verstanden? Freudig stand er auf und ging rüber zu seinem alten Freund. Er reichte ihm die Hand. „Okay“, sagte er und ihm fiel ein unglaublich großer Stein vom Herzen. Bobby ergriff Deans Hand und zog ihn mit einem heftigen Ruck zu sich herunter. „Aber wehe, du machst jemals wieder eine so unglaublich große Dummheit. Haben wir uns da verstanden, Sohn?“ „Natürlich, versprochen. Nie wieder.“ In diesem Moment kam Sam wieder ins Wohnzimmer, drei Flaschen Bier in der Hand. „Na, endlich fertig mit Versöhnen?“, fragte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Dean ergriff grummelnd seine Flasche. Sam hatte vermutlich alles mit angehört. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Bobby hatte ihm vergeben und das war wohl das Wichtigste. Alle drei erhoben ihre Flaschen. „Auf Bobby“, sagte Sam. „Ja, auf Bobby, der immer einen weisen Spruch für uns hat“, ging Dean mit. „Ach haltet die Klappe, Jungs“, kam es von Bobby, stieß aber mit beiden an. Kapitel 4: Eine Party für Cas ----------------------------- Dean trat in die Küche und schaute belustigt seinem kleinen Bruder zu. Es sah aus, als ob eine Bombe eingeschlagen wäre und Sam versuchte sein Bestes, um Deans Aufgabe zu erledigen. „Hey, Sam, bist du bald fertig?“, fragte Dean. Sam ließ sich nicht ablenken und brummte stattdessen etwas Unverständliches. Eigentlich hatte er keine Ahnung, warum er das hier überhaupt tat und was der ganze Sinn dahinter war. Es war eigentlich vollkommen nutzlos, wie Sam fand, zumindest für den Grund, den Dean ihn genannt hatte. Aber Sam konnte sich vorstellen, dass Dean dabei einige Hintergedanken gehabt hatte. „Okay, dann sehe ich mal nach, wie weit Bobby ist“, meinte er geschäftig. Sam schaute ihn böse hinterher. Dean war die ganze Zeit nur am Herumkommandieren und dachte nicht eine Sekunde, auch mal selber mit anzupacken. Aber was hatte Sam denn von seinem Bruder erwartet? Sobald es ans Arbeiten ging, war er doch meilenweit entfernt, wenn es sich einrichten ließ. So wandte sich Sam wieder seiner Aufgabe zu und merkte ein weiteres Mal, dass er nicht für diese Art Arbeit geschaffen war. Er seufzte lautstark, griff jedoch trotzdem nach dem Werkzeug. „Wie sieht es hier aus?“, fragte Dean, als er in das Wohnzimmer trat. Bobby schaute Dean genervt an und verdrehte die Augen. „Was denkst du denn, Junge?“ Dean zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Sag einfach ‚gut’ und dann bin ich zufrieden.“ „Gut“, brummte Bobby. Dean schaute sich in dem Zimmer skeptisch um und schüttelte bedächtig den Kopf. „Ich weiß nicht, Bobby. Bist du dir sicher? Irgendetwas fehlt noch, findest du nicht auch?“ Bobby stieß hörbar Luft aus. „Du weißt, ich würde so einiges für dich tun, Dean, aber das geht ein bisschen zu weit. Erstens bin ich für so etwas nicht geschaffen und zweitens bin ich bewegungstechnisch ein bisschen eingeschränkt.“ Er deutete auf seinen Rollstuhl. Dean wiegte seinen Kopf hin und her. „Mmh, da könntest du Recht haben. Vielleicht sollte ich ja jetzt mal übernehmen.“ Bobby grinste. „Gute Idee, Junge, dann komm mal her.“ Dean trat zu Bobby. Als dieser ihn noch näher ranwinkte, beugte sich Dean etwas vor. Sofort bekam er einen Klaps auf den Kopf. „Natürlich habe ich Recht. Ich habe immer Recht.“ Dean rieb sich den Kopf, sagte aber nichts. Stattdessen schnappte er sich das Zeug, was auf Bobbys Schoß lag und versuchte sein Möglichstes, musste aber bald feststellen, dass auch er nicht wirklich gut war in solchen Dingen. Dean überlegte kurz, wer eigentlich auf diese hirnrissige Idee gekommen war, als ihm plötzlich einfiel, dass er es ja gewesen war. Er zuckte mit den Schultern und hing die Sachen auf. „So, ich bin jetzt fertig“, verkündete Sam, der sich lässig an den Rahmen lehnte. Kleinlaut fügte er noch hinzu: „Hoffe ich zumindest.“ Dean sprang gerade von der provisorisch zusammengebastelten Leiter aus Büchern. Bobby hatte das mit Missbilligung zur Kenntnis genommen, Dean aber gewähren lassen, da Bobby der Meinung war, dass der Junge heute schon merkwürdig genug war. „Ich bin auch fertig“, strahlte er freudig. Sam legte seinen Kopf schief, um Deans Meisterwerk zu bewundern. Dabei konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Dude, du kannst echt froh sein, dass Cas von Partys so was von Null Ahnung hat. Er wird wahrscheinlich gar nicht merken, dass die Dekoration total scheiße aussieht.“ Dean wollte gerade verärgert etwas erwidern, als er selbst seine Arbeit von weiter weg betrachtete. Das Transparent hing extrem schief und die Luftschlangen im Raum waren wahllos verstreut. Es sah eher erbärmlich, als einladend aus. Dean zuckte mit den Schultern. „Naja, was soll’s!“ Sam schüttelte ungläubig den Kopf. So viel Mühe und am Ende war es Dean doch vollkommen egal. Bobby sah aus, als ob er etwas Ähnliches denken würde. „Seit ihr dann soweit?“ Dean drehte sich zu den Anderen um. Bobby nickte, Sam zog seine Schultern hoch. „Ruf ihn an, wenn du willst.“ Dean zog sein Handy aus der Hosentasche und drückte auf die Schnellwahltaste ‚3’. Es klingelte nur kurz, bevor Castiel abnahm. „Was ist passiert, Dean?“, drang die tiefe Stimme des Engels an sein Ohr. „Freut mich auch, dich zu hören, Cas. Könntest du vielleicht vorbeikommen. Wir hätten da ein kleines Problem.“ Dean zwinkerte Sam zu. „Wir sind übrigens bei Bobby“, fügte er noch hinzu, bevor Castiel nachfragen konnte. „Ich bin sofort da“, sagte Castiel, doch nun drang die Stimme nicht mehr nur durchs Telefon, sondern kam auch von hinten. Alle drei drehten sich zu dem Engel um. „Was ist los?“, wollte er nun zum zweiten Mal wissen, während er sein Handy ausschaltete. Sam lächelte verlegen. Ihm war es unangenehm, Castiel unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierher gelockt zu haben. Aber das war ja alles Deans Idee gewesen, somit trug er keine Schuld, wenn es dem Engel nicht gefiel. Bobby blieb auch still, sodass Dean die Sache erklären musste. Castiel beachtete sowieso nur ihn. Dean räusperte sich, merkte aber schnell, dass der Effekt genau das Gegenteil war von dem, was er sich eigentlich vorgestellt hatte. Denn jetzt zeigten alle nur noch mehr Aufmerksamkeit. Dean streckte unbeholfen seine Arme aus. „Herzlichen Glückwunsch, Cas“, verkündete er laut und strahlte Castiel dabei breit an. Der Engel musterte seinen Schützling skeptisch. „Wofür?“, fragte er nur. Dean ließ die Schultern hängen. „Da steht es doch groß und breit.“ Er deutete auf das schiefe Transparent. Castiel schaute hoch und schien beinahe endlos zu lesen. In schwarzer fetter Schrift stand „Herzlichen Glückwunsch zu einem wunderbaren Jahr mit den Winchesterbrüdern“ darauf. Mit einem roten Stift wurde wohl nachträglich noch „und Bobby“ hinzugefügt, das in die rechte untere Ecke gequetscht war. „Wofür?“, wiederholte Castiel ein weiteres Mal, als ob er das Transparent gar nicht gelesen hätte. Dean schaute den Engel nur mit großen Augen an. War das wirklich sein Ernst? Nun trat Sam einen Schritt vor. „Sieh mal, Cas, wir wollen uns hiermit eigentlich nur für das gesamte vergangene Jahr bei dir bedanken. Du hast uns immer unterstützt und bist ein guter Freund für uns geworden. Und darum hatte Dean die Idee, dass wir eine kleine Party für dich schmeißen könnten.“ Castiel schaute von Dean zu Sam und dann zu Bobby. Bei ihm hielt er kurz inne. Bobby lächelte leicht. „Ja, die meinen das wirklich ernst, Kumpel“, sagte Bobby, als ob er die Gedanken des Engels gelesen hätte. „Ihr sagt also, dass ihr das vergangen Jahr feiern wollt, in dem ihr Luzifer befreit, somit die Apokalypse ausgelöst und das Ende der Welt verursacht habt?“ Dean schien kurz zu überlegen, bevor ihm ein „Ja!“ über die Lippen kam. Dabei grinste er Castiel breit an. Doch der Engel verstand immer noch nicht. „Wieso?“, fragte er zum dritten Mal. „Okay, jetzt reicht's.“ Dean packte Castiel am Arm und manövrierte ihn zu einem großen Sessel. Er drückte ihn hinein. „Da bleibst du jetzt sitzen, hast du verstanden?“ Castiel nickte, obwohl er sich eher wie bei einem Überfall vorkam, als bei einer Party. Dean klatschte freudig in die Hände. „Super. Dann gibt es jetzt die Geschenke.“ Castiel schaute geschockt zu Dean empor. „Geschenke?“ Engeln war es verboten, ein Eigentum zu besitzen. Sie brauchten nichts. Daher hatte er auch noch nie so etwas wie ein Geschenk bekommen. Er hatte auch noch nie eins gewollt. Dean schlug Castiel kameradschaftlich auf die Schulter. „Natürlich, Geschenke gehören zu einer ordentlichen Party dazu. Und das hier wird eine super Party:“ Nun schaute auch Sam etwas skeptisch drein. Bisher war die Party ja nicht sonderlich gut verlaufen. Ein Engel, der keine Ahnung hatte, was er eigentlich hier sollte und außer Dean hatte auch nicht wirklich einer richtige Partystimmung. Aber wenn Dean sich so darüber freute, vielleicht wurde es ja doch ganz lustig. Sam ging zu Bobbys Schreibtisch und holte zwei Päckchen heraus. Eins davon reichte er Bobby, das Andere drückte er direkt Castiel in die Hand. „Das ist von mir“, sagte er leise. Castiel betrachtete das Paket in seiner Hand. Er drehte, wendete es und legte es anschließend auf seinen Schoß. Dann schaute er Sam an, versuchte zu lächeln und sagte: „Danke!“ Sam trat etwas näher zu Castiel. „Du musst es auspacken“, flüsterte er ihm zu. „Oh!“, kam es nur von dem Engel. Vorsichtig riss er das Papier ab. Er arbeitete so langsam, dass Sam schon dachte, dass die Welt schon untergegangen wäre, wenn Castiel fertig wäre. Doch dann kam endlich das Geschenk zum Vorschein. Castiel hielt es in der Hand und betrachtete es. Sam zuckte verlegen mit dem Schultern. „Ich dachte, weil deine Alte schon so Einiges mitgemacht hat.“ Castiel schaute auf die neue Krawatte, die er in den Händen hielt, und dann zu Sam. „Danke, Sam … sie sieht … schön aus.“ „Jetzt bin ich dran.“ Bobby schob seinen Stuhl etwas weiter nach vorne und drückte Sam somit zur Seite. „Vorsichtig, es ist schwer.“ Er warf Castiel das Päckchen zu. Castiel fing es auf, als ob es nichts wiegen würde. Diesmal machte er sich sofort daran, das Papier abzureißen und nun war er auch nicht mehr so vorsichtig. Zum Vorschein kam ein altes, dickes Buch. Dean hatte Castiel die ganze Zeit über die Schulter geschaut, da er selbst nicht wusste, was Bobby sich für Castiel ausgedacht hatte. Als er jetzt das Ergebnis sah, lachte er laut los. „Wirklich, Bobby? Ist das dein Ernst.“ Bobby schnaubte wütend. „Halt die Klappe, Junge. Es ist gar nicht so einfach, einem Engel etwas zu schenken.“ Castiel hielt die alte Bibel in seinen Händen. „Ich finde es sehr passend, Bobby. Dankeschön.“ Nun strahlte Bobby übers ganze Gesicht. Sah dann Dean herausfordern an. „Was hast du denn für Castiel?“, fragte dieser. Nun wandten sich alle Blicke zu Dean. Selbst Castiel schien gespannt zu sein. Dean zuckte mit den Schultern. „Naja, ich hatte doch die Idee für die Party. Reicht das nicht? Und außerdem gibt es ja noch eine Torte.“ „Die ich gemacht habe“, fügte Sam schnell hinzu. „Ja, aber unter meinem Kommando. Also stammt sie genauso gut von mir“, meinte Dean. Sam schüttelte nur den Kopf, ließ es aber darauf beruhen. „Sollen wir sie denn jetzt anschneiden?“, schlug er vor, da er wusste, dass Dean das sowieso in der nächsten Sekunde gefragt hätte. Bevor dieser aber überhaupt eine Antwort geben konnte, nahm Sam die Lenker des Rollstuhls in die Hand und schob Bobby Richtung Küche. „Wir fangen dann schon mal an mit dem Vorbereiten.“ Und dann waren Dean und Castiel alleine im Zimmer. Castiel saß noch immer auf seinen Thron und starrte auf die Geschenke auf seinem Schoß. Er verstand diese Geste der Menschen nicht so ganz. „Warum schenkt man sich etwas, Dean?“, fragte er dann schließlich. Dean schien überrascht zu sein. „Um einem Menschen, den man mag, eine Freude zu machen“, antwortete er. „Wusstest du das etwa nicht?“ Castiel starrte weiterhin auf die Krawatte und das Buch. „Das heißt, dass Bobby und Sam mich mögen und du mich nicht.“ Nun schaute er auf, Dean direkt in die Augen. „Nein, nein“, wehrte er ab. „Mein Geschenk ist diese Party hier.“ Er breitete die Arme weit aus. „Aber das kann ich doch nicht anfassen. Das kann ich nicht besitzen“, wandte er ein. „Man muss Geschenke nicht immer anfassen können, Cas“, versuchte er es ihm zu erklären. „Der Gedanke zählt. Und ich habe mein Hirn wirklich mächtig angestrengt, um das hier auf die Beine zu stellen.“ „Es ist nicht besonders schön“, sagte Castiel ehrlich. Dean ließ den Kopf hängen. „Ja, ich weiß“, gab er zu. „Aber wir haben so was sehr selten gemacht. Wir haben da einfach keine Übung drin, Cas. Trotzdem haben wir uns Mühe gegeben, für dich.“ Castiel schien immer noch nicht besser gelaunt zu sein. „Okay“, gab sich Dean geschlagen. „Ich habe noch ein Geschenk für dich, aber das kann ich dir erst nach der Party geben.“ Castiel lächelte leicht. „Was ist es?“, wollte er wissen. Doch Dean schüttelte bestimmt den Kopf. „Nein! Bei Geschenken geht es auch um Überraschungen. Darum darf ich dir das nicht verraten. Jetzt gehen wir erstmal Torte essen.“ „Ich esse nicht, Dean“, gab Castiel zu Bedenken. Dean nahm die Geschenke von Castiels Schoß, legte sie auf die Kommode daneben und zog ihn aus dem Sessel. „Egal, tu einfach so, als ob.“ „Was ist denn nun mein Geschenk?“, fragte Castiel. Wenn Dean es nicht besser gewusst hätte, hätte er gesagt, dass Castiel neugierig war. Dean stopfte sich seinen letzten Bissen Sahnetorte in den Mund, die überraschenderweise ausgesprochen gut geschmeckt hatte. An Sam war wohl ein Bäcker verloren gegangen. „Gleich, gleich“, meinte Dean. „Übe dich in Geduld, mein junger Padawan.“ Während Dean und Sam den Tisch abräumten, saß Castiel ganz alleine am Tisch. Er hatte angeboten zu helfen, doch Dean hatte direkt „Nein“ gesagt, da es ja Castiels großer Tag sei. Bobby war ins Wohnzimmer abgedüst, nachdem ihm Dean etwas zugeflüstert hatte. Castiel beobachte die beiden Brüder, wie sie das Geschirr spülten. Bei so etwas hatte er den Beiden noch nie zugeschaut und er musste lächeln, als Dean Sam mit Wasser bespritzte. Sie schienen Spaß zu haben. „Darf ich euch wirklich nicht helfen?“, fragte er nochmal, stand bereits direkt hinter ihnen. Dean zuckte erschrocken zusammen. „Nein, Cas, ich hab’s dir doch schon gesagt. Es ist dein Tag heut und-“ Er hielt inne, als er sich umgedreht hatte und Castiel ins Gesicht sah. „Du lächelst?“, fragte er ungläubig. „Es sah lustig aus“, gab der Engel als Erklärung ab. „Wir sind aber leider schon fertig“, meinte jetzt Sam. „Tut mir leid, Cas.“ „Dafür kriegst du aber jetzt dein Geschenk oder zumindest werde ich dir jetzt gleich verraten, was du noch kriegen wirst“, sagte Dean schnell, damit Castiel nicht in Tränen ausbrach. Er führte Castiel aus der Küche heraus ins Wohnzimmer, wo Bobby schon ungeduldig wartete. Es sah immer noch so aus, wie davor. „Hier ist nichts anders“, stellte Castiel fest. „Gut erkannt, Engelchen.“ Dean klopfte ihn auf dem Rücken. „Aber wir machen jetzt gemeinsam ein Foto, was du dann später bekommst. Als eine Art Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Was hältst du davon?“ Dean schob Castiel hinter Bobby und neben Sam. Dann ging er zum Schreibtisch, um den Fotoapparat zu betätigen. Kurz drehte er sich nochmal zu den Anderen um. „Sagt Cheese!“, meinte er und drückte dann auf den Knopf. Schnell ging er zu der kleinen Gruppe und stellte sich links neben Castiel. Dieser wandte sich zu Dean. „Warum soll ich Käse sagen?“, fragte er, als genau in dem Moment der Blitz losging. „Cas, du musst in die Kamera gucken“, lachte Dean vor sich hin. „Und Cheese sagt man nur, damit man lächelt. Also nochmal.“ Er betätigte den Knopf ein weiteres Mal. Dieses Mal schauten alle in die Kamera, als der Blitz kam. „Super gemacht, Cas“, lobte Dean seinen Freund. „Das Ergebnis bekommst du, sobald der Film entwickelt ist.“ „Ein Blatt Papier“, meinte Cas trocken. „Eine Erinnerung“, beharrte Dean, ein bisschen beleidigt, dass er Sams und Bobbys Geschenk mehr Beachtung gegeben hatte. „So wirst du uns nicht vergessen.“ „Ich werde euch nicht vergessen, auch ohne das Foto“, meinte der Engel. Dean lächelte leicht. „Danke. Danke für alles.“ Kapitel 5: Partystimmung ------------------------ Dean schob mit weit geöffnetem Mund das Stück Kuchen in sich hinein. Es war herrlich leckerer Schokoladenkuchen. Und wie es schien, schmeckte es auch dem kleinen Jungen neben ihm. Dean musterte ihn kurz, zuckte dann mit den Schultern und genehmigte sich eine weitere Gabel. Auch wenn Dean Winchester keine Ahnung hatte, wie er hier hingekommen war und was er hier zu suchen hatte, störte ihn das nicht besonders, immerhin aß er gerade Kuchen. Dass es ihn überhaupt nicht stören würde, stimmte nicht ganz, immerhin verschwendete er ganz kurz einen Gedanken daran, entschied sich aber, dass dieser Ort nicht die Hölle auf Erden war und dachte einfach, dass man es genießen konnte. Mit einem umherschweifenden Blick analysierte er die Umgebung. Eine Hüpfburg, bestimmt tausend Kinder und dieser kleine Knirps, der immer noch neben ihm stand. Vermutlich eine Kindergeburtstagsparty, obwohl er das nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, weil er selber nie in den Genuss einer solchen gekommen war. Ein weiteres Stück Kuchen später, dachte er, vielleicht doch mal genauer rausfinden zu sollen, wo er sich genau befand. Vorsichtig, als ob er beißen könnte, beugte sich Dean zu dem winzigen Zwerg hinunter. „Psst“, suchte er seine Aufmerksamkeit. „Weißt du, wo wir hier sind?“ Der kleine Junge lächelte ihn kurz an, dann schaute er plötzlich ganz ernst. Er winkte ihn noch näher an sich ran, sodass der Junge ihm etwas ins Ohr flüstern konnte. Behutsam legte er eine Hand an Deans Ohr, damit niemand etwas mitbekam. „Wir sind auf einer geheimen Mission, Sir.“ Dean zog daraufhin verwirrt seine Augenbrauen zusammen und schaute den Jungen verdutzt an, woraufhin dieser in schallendes Gelächter ausbrach. Deans Verwirrtheit gab das allerdings nur Gelegenheit noch mehr zu wachsen. Bevor er fragen konnte, kam ihm der Junge dazwischen. „Das ist meine Geburtstagsparty“, verkündete er stolz. Er streckte seine Brust raus und stellte sich etwas auf seine Zehenspitze, um noch größer zu wirken. „Ich werde zehn.“ Dean lächelte verlegen. „Schön für dich.“ Auch wenn der Kuchen durchaus lecker war, Dean gerade nicht von einer Horde Dämonen angegriffen wurde, kam ihm das alles doch ziemlich merkwürdig vor, alleine schon wegen der Tatsache, dass er sich nicht erinnerte, wie er hierher gekommen war. Vielleicht konnte ihm der Junge doch weiter helfen, wenn man die richtigen Fragen stellte. „Hey, Kleiner“, versuchte Dean es also erneut. „Du kannst mich ruhig Colin nennen“, redete der Junge ihm dazwischen. „Oder hast du etwa schon meinen Namen vergessen, Daddy?“ „Kannst du mir vielleicht-“, fing Dean an, brach jedoch abrupt ab, als der Sinn der Worte des kleinen Jungen sein Gehirn erreichte. „Daddy?“, brachte er nur hervor, gerade nicht im Stande noch irgendeinen anderen Gedanken zu fassen zu kriegen. Sam sah sich verwundert um. Er stand neben einem großen Tisch, der reichlich mit allerlei Speisen gedeckt war. Um ihn herum standen und saßen jede Menge Leute, waren sich angeregt am Unterhalten. Viele Kinder wuselten an ihm vorbei, manche blieben stehen, schauten ihn an und legten dabei ihren Kopf so weit in den Nacken, als ob sie ein Flugzeug am Himmel beobachten wollten. Dann lachten sie kurz und liefen weiter. Sam hätte die ganze Situation wohl nicht als so merkwürdig abgestuft, wenn er gewusst hätte, wie er hierher gekommen war. Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, wie Dean und er in der Stadt angekommen waren. Ein paar merkwürdige Todesfälle hatten sie neugierig gemacht und sie hatten sich entschieden, dem auf den Grund zu gehen. Wenn Sam es nicht besser wüsste, hätte er gesagt, dass er mit seinem Bruder eben noch auf der Straße gestanden hätte und sich mit ihm darüber gestritten hätte, warum sie Anzüge trugen. Dean hasste diese Outfits und hatte es auch bei diesem Mal sich nicht verkneifen können, seinen Missmut darüber auszudrücken. An das, was darauf geschehen war, konnte sich Sam nicht mehr erinnern, geschweige denn, wie er an diesen Ort gekommen war. „Kann ich ihnen helfen?“ Sam drehte sich um und erblickte eine junge Blondine, die vielleicht gerade die Dreißig überschritten hatte. „Sie sehen so verloren aus.“ Sie lächelte ihn freundlich an. Sam erwiderte das Lächeln halbherzig. „Nun ja, wenn ich ehrlich bin, könnten sie das vielleicht tatsächlich“, fing Sam an, machte dann eine kurze Pause, da er nicht genau wusste, wie er es formulieren sollte. Es hörte sich sicherlich verrückt an, wenn er ihr einfach klipp und klar sagen würde, dass er keine Ahnung hatte, wo er war und wie er dort hergekommen war. „Ich weiß schon, was ihr Problem ist.“ Sie zwinkerte ihm keck zu. Sam musterte die Frau kurz, aber präzise. Ob sie wirklich wusste, was hier vor sich ging? „Sie können sich nicht zwischen Schokolade oder Limette entscheiden“, lachte sie auf. „Was?“, fragte Sam verdutzt. „Na der Kuchen“, sagte die Frau und zeigte auf das Buffet. Sam folgte ihrem Fingerzeig und trotzdem brauchte er einige Sekunden, um ihre Worte zu verstehen. Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich wäre froh, wenn das mein Problem wäre.“ Er holte einmal tief Luft und dann fiel ihm etwas ein, was vielleicht nicht so verrückt klingen würde und was er diese Frau ohne große Bedenken ruhig fragen konnte. „Haben sie vielleicht meinen Bruder gesehen? Er ist ein Stück kleiner als ich, trägt eine Lederjacke und hat bestimmt schon jede Frau hier zweimal abgecheckt.“ Da Sam auch wieder Hemd und Jeans trug, ging er stark davon aus, dass auch Dean seine üblichen Klamotten wieder an hatte. Die Frau hakte sich bei ihm ein, legte dabei behutsam ihre linke Hand auf seinen muskulösen Oberarm. Sam glaubte kurz, ein befriedigendes Grinsen zu sehen, was jedoch direkt wieder verschwunden war. „Natürlich, Sam“, sagte sie. „Dean ist direkt dort vorne um die Ecke. Er ist bei Colin.“ Sie zog ihn schon in die besagte Richtung, Sam jedoch blieb stehen. „Woher wissen sie den Namen von meinem Bruder und mir?“, wollte er wissen. Er hatte plötzlich ein ganz mieses Gefühl, dass die Sache hier mit dieser Frau zu tun hatte. Die Blondine lächelte aber wieder nur freundlich, als ob sie den finsteren Blick von Sam gar nicht bemerken würde. „Aber du und Dean gehört doch schon praktisch zur Familie, Sammy“, sprach sie in einem sanften Ton und tätschelte behutsam seinen Arm. Sam versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Er kannte diese Frau nicht, also musste es gelogen sein, was sie von sich gab. Aber sie nun darauf anzusprechen, war vielleicht doch nicht so klug, zumindest nicht, solange sie sich im Blickfeld all dieser Leute befanden. Sam hatte zwar schon gemerkt, dass ihnen keiner wirkliche Beachtung schenkte, aber das konnte sich schnell ändern. Vielleicht waren es sogar alles Dämonen, man konnte nie wissen und man musste immer vorsichtig sein. So entschied sich Sam, das Spiel eine Weile mitzuspielen, zumindest so lange bis er bei Dean war. Es konnte ja sogar sein, dass er mehr Ahnung hatte als Sam, was dieser jedoch stark bezweifelte. Sam nickte also. „Er ist also bei Colin?“, fragte er noch mal nach. „Natürlich. Immerhin veranstalten wir das Alles nur seinetwegen. Er wird sich bestimmt freuen, auch dich zu sehen.“ Sie lächelte wieder, aber diesmal anders, wie Sam auffiel. Es war kein freundliches und offenes Lächeln, es sah eher traurig und verloren aus. Dean und Sam brauchten nur Blicke auszutauschen, um sich klar zu werden, dass beide nicht den geringsten Schimmer hatten, was hier vor sich ging. Aber nun, wo sie etwas abseits standen, war es auch kein Problem, der Sache auf den Grund zu gehen, zumindest sah Sam das so. Kurz musterte er den Jungen neben Dean. Er hatte dessen Hand ergriffen, was Dean nur mit einem Schulterzucken quittiert hatte. Aber irgendwie hatte er einen leicht panischen Gesichtsausdruck, wie Sam fand. Gerade wollte Sam die merkwürdige Frau am Arm packen und zur Rede stellen, als Colin sich von Dean löste, auf den Großen zuging und ihn umarmte, zumindest soweit, wie man es umarmen nennen konnte. Immerhin ging ihm der kleine Zwerg nur knapp über die Hüften. Sam war davon so überrumpelt, dass er nicht mehr wusste, was er gerade vorgehabt hatte. Es kam jedoch noch merkwürdiger. „Hallo, Onkel Sam“, strahlte Colin ihn daraufhin an. Sam warf erst einen verdutzten Blick zu dem kleinen Jungen, der immer noch wie eine Klette an ihm dran hing, dann zu Dean, der nun schadenfroh grinste, und hinüber zu der Blondine, die Colin freudestrahlend beobachtete. Was zur Hölle ging hier nur vor? Dann plötzlich ohne jede Vorwarnung löste sich Colin von Sam, nahm dessen Hand und die von Dean. Er sah sie beide nacheinander an. „Wollen wir etwas spielen?“, fragte er unschuldig, dabei lächelte er so herzlich, dass es einem schwer fiel bei diesem Anblick überhaupt ‚nein’ zu sagen. „Wie wäre es mit Verstecken?“, schlug er vor. Sam hörte noch die mahnende Stimme von der jungen Frau: „Colin, nein!“, bevor es um ihn herum schwarz wurde. Dean schaute sich um. Er befand sich in einem dunklen Gang, mit einer Taschenlampe bewaffnet. Wenn die vorige Situation schon merkwürdig gewesen war, war diese hier noch eigenartiger. Er ließ das Licht der Lampe um sich herum schweifen und entdeckte dabei Sam. Er sah genauso verloren aus, wie Dean sich fühlte. „Was geht hier vor, Mann?“, platzte es aus Dean heraus. Er hasste Zustände, bei denen er rein gar nichts wusste. Wenn es irgendetwas zum Verprügeln gab, milderte es meist seine Laune, aber hier schien weit und breit niemand zu sein. „Wenn ich das wüsste, Dean, hätte ich es dir bestimmt schon längst gesagt“, kam es von Sam, der sich genau so aufmerksam umsah. „Und hat mich dieser Junge tatsächlich eben Onkel genannt?“ Er warf Dean einen fragenden Blick zu. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Naja, mich hat er Daddy genannt. Aber ich kann dir versichern, dass er nicht mein Sohn ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Glaube ich zumindest.“ Sam verdrehte bei dieser Bemerkung nur die Augen. Was sie brauchten waren keine Vermutungen, sondern ganz klare Hinweise. Ergebnisse, die sie aus diesem merkwürdigen Fall rausholen würden. „Sucht mich doch“, ertönte unerwartet die leise Stimme von Colin von irgendwo her. „Ist das sein Ernst?“, fragte Dean an seinen jüngeren Bruder gewandt. Diesmal zuckte er mit den Schultern. „Er ist dein Sohn“, meinte er nur, konnte sich dabei ein kleines Grinsen nicht verkneifen. „Halt die Klappe, Sam“, raunte Dean. „Das ist nicht lustig. Wir müssen so schnell wie möglich einen Ausweg-“ Er hielt inne, da er glaubte, Schritte gehört zu haben. Dean horchte genauer hin und war sich nun hundertprozentig sicher. Ein kurzer Blickaustausch mit Sam und es war alles geklärt. Jedoch konnte keiner wirklich ausmachen, aus welcher Richtung die Geräusche kamen, da sie an den Wänden widerhallten und von überall her zu kommen schienen. Erst im letzten Moment waren ihnen klar, dass sich jemand von hinten nähern musste. Sie drehten sich beide gleichzeitig um und schauten überrascht in das Gesicht der blonden Frau. „Es tut mir leid“, sagte sie, drehte sich schon halb wieder in die Richtung um, aus der sie gekommen war. „Folgt mir, ich bringe euch hier raus.“ Die beiden Brüder schauten sich an, zuckten mit den Schultern und folgten der Frau. Was hatten sie schon zu verlieren? * * * * * Dean wachte auf, sein Kopf dröhnte. Ein pochender Schmerz, der ihm sagte, dass er noch lebte. Aber im Moment war es dem Winchester völlig egal. Er spürte deutlich, dass er an einen Stuhl gefesselt war und dass hinter ihm ein weiterer Stuhl stand. Mit seiner ganzen Beweglichkeit versuchte Dean nach hinten zu schauen, was ihn jedoch nicht so ganz gelingen wollte. Immerhin war er keine Eule. „Sam?“, fragte er deshalb nur, in der Hoffnung, dass wirklich Sam auf dem anderen Stuhl saß. Stille, kein Geräusch war zu hören. „Sam!“, sagte er noch mal, woraufhin ein Stöhnen erklang. „Sammy, geht es dir gut?“ Sorge und Erleichterung brachen gleichzeitig auf ihn ein. „Ja“, kam es brummend von Sam. „Denke schon.“ „Es tut mir leid“, drang die nun schon bekannte Stimme ein weiteres Mal an Deans Ohr. Mit einem Ruck drehte er sich nach rechts. Dort stand die junge Blondine. Es sah wirklich so aus, als ob es ihr leid tun würde und Dean dachte, dass sie verdammt noch mal Recht damit hatte. Immerhin hatte sie die Beiden an Stühle gefesselt und nach dem Kopfschmerzen zu urteilen, wer-weiß-was-sonst-noch mit ihnen angestellt. Könnte sich Dean bewegen, würde er mal ordentlich zeigen, wie er sich gerade fühlte. „Colin treibt es manchmal ein wenig zu weit, müssen sie wissen“, erklärte sie ganz ruhig, als ob die Drei in einer gemütlichen Runde auf der Couch beisammen sitzen würden. „Hören sie, Miststück, das ist mir eigentlich ganz egal, was ihr kleiner Bengel so macht. Sie machen uns sofort von hier los“, kommandierte Dean, versuchte derweil schon selber die Fesseln ein wenig zu lösen, aber sie waren gut befestigt, was Deans Versuch eher albern aussehen ließ. „Er ist halt immer noch ein kleiner Junge“, erzählte sie weiter. „Und er weiß es nicht besser. Sein Zustand macht es nicht gerade leichter. Wenn er mal die Chance hat, herumzulaufen, nutzt er sie halt aus. Und wenn er so nette Spielkameraden hat, macht es ihm noch mal doppelt so viel Spaß.“ Sie lächelte die Beiden freundlich an, was Dean in diesem Moment doch mehr als merkwürdig vorkam. Sie redete mit ihren Gefangen, als ob es irgendwelche Gäste wären. „Machen sie uns sofort los“, wiederholte Dean langsam, bemüht nicht allzu wütend zu klingen. Vielleicht käme das bei ihr besser an. „Natürlich“, sagte sie plötzlich, ging um den Küchentisch herum und löste die Fesseln, so selbstverständlich, als ob sie es schon die ganze Zeit vorgehabt hätte. „Sie müssen wissen, dass ich ihnen nichts Böses wollte. Die Fesseln waren nur eine Vorsichtsmaßnahme.“ Kaum war Dean befreit, sprang er auf, packte die Frau mit einer Hand am Hals, mit der Anderen am Arm und drückte sie gegen die nächste Wand. „Wirklich dumm, zumindest für sie“, zischte Dean ihr ins Gesicht. Der Frau stiegen sofort Tränen in die Augen. „Bitte“, flehte sie. „Es war nicht böse gemeint. Es-“ Aber Dean hielt sie nur noch fester. „Was sind sie? Eine Hexe?“ „Dean!“, kam es beschwichtigend von Sam. „Ich glaube nicht, dass wir sie so behandeln müssen.“ Irgendetwas sagte Sam, dass sie keinesfalls gefährlich war. Vielmehr wirkte sie nur noch verängstigt und auch ein wenig durcheinander. Dean schüttelte den Kopf. „Sie hat uns gefesselt, Sam. Sie hat irgendetwas mit uns gemacht. War diese Party überhaupt echt?“, wandte er sich nun wieder an die Frau. Aber bevor sie antworten konnte, ertönte eine kindliche Stimme. „Lasst Maddy los. Sie hat nichts damit zu tun. Es ist alles meine Schuld. Ich habe sie darum gebeten.“ Sam und Dean drehten sich um und erblickten Colin. Jedoch nicht so, wie sie ihn kennen gelernt hatten. Er saß in einem Rollstuhl. „Bitte“, sagte er noch mal. Sam warf seinem Bruder einen Blick zu, aber als er den Griff immer noch nicht lockerte, half er ein wenig nach. Sofort rannte Maddy zu Colin. Sie ließ sich auf die Knie sinken. „Tut mir leid, Colin, aber ich musste sie da raus holen.“ Er nickte nur. „Ich weiß, sonst hätte ich sie vielleicht verloren. Ich war zu unvorsichtig.“ Sie lächelte und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Mach dir keine Sorgen. Dafür bin ich ja da, Schätzchen.“ „Sie können jetzt gehen, wenn sie wollen“, sagte der Junge. „Wartet“, meinte Sam. „Was habt ihr mit uns gemacht? Was war das alles?“ Maddy stand auf. „Colin hat eine Gabe. Er kann die Gedanken von Menschen manipulieren. Deshalb wisst ihr auch nicht mehr, wie ihr hierher gekommen seid. Außerdem hat er die Fähigkeit, Welten zu erschaffen, zumindest in seinem Kopf. So kann er auf Abenteuerreise gehen, obwohl er sich immer noch hier im Haus aufhält.“ „Ich kann mir alles vorstellen, was ich will, aber diese Welt läuft nach meinen Regeln. Die Menschen tun das, was ich von ihnen verlange. Auf Dauer macht es keinen Spaß. So habe ich irgendwann mal versucht, Maddy mitzunehmen und es ging. Sie konnte sich frei bewegen, jedoch durfte es nicht zu lange sein, wie wir rausgefunden haben, sonst bestand die Gefahr, dass sie nicht mehr zurückkommen könnte.“ „Schön und gut“, mischte sich Dean ein. „Und was hat das alles jetzt mit uns zu tun?“ Colin lächelte verlegen. „Ich habe heute Geburtstag, das war nicht gelogen. Und auch wenn Maddy für mich wie eine Mutter ist, habe ich … habe ich …“ Maddy drückte seine Schulter. „Er wollte einen Geburtstag mit seinen Vater verbringen“, sprang sie für ihn ein. Deans Blick sprang von Maddy zu Colin immer hin und her. „Heißt das, dass-?“ Maddy schüttelte sanft den Kopf und lächelte leicht. „Nein, aber Colin hat an dir gefallen gefunden und wollte dich als seinen Daddy für einen Tag.“ Dean wusste nicht, was er sagen sollte und starrte sie nur verdutzt an. „Es war falsch und es tut uns wirklich leid, aber ich wollte Colin dieses Jahr nicht wieder so traurig sehen, wie die Jahre zuvor. Er hat wirklich viel durchgemacht und er hat es sich so sehr gewünscht.“ „Es ist ja nichts passiert“, meinte Sam. Er war der Meinung, dass sie es wohl einfach dabei belassen sollten. „Wir werden jetzt einfach gehen und die ganze Sache vergessen.“ „Warte noch“, sagte Dean. „Dean, bitte, sie haben einen Fehler gemacht, aber-“ Dean brachte seinen Bruder mit einer Handbewegung zum Schweigen. Dann bückte er sich zu Colin runter. „Warum wolltest du nicht den?“, fragte er und zeigte dabei auf Sam. „Ich fand dich cooler“, gestand der kleine Junge und wurde dabei ein wenig rot. Nun grinste Dean übers ganze Gesicht. „Richtige Antwort, Kleiner. Ich glaube, wir werden uns gut verstehen.“ Er hob seine Hand und schlug mit den Jungen ein. „Was hältst du davon, wenn wir jetzt eine richtige Geburtstagsfeier schmeißen? Hast du zufällig noch Kuchen da? Und keinen Fantasiekuchen bitte, obwohl der nicht übel war.“ Colin strahlte und schaute zu Maddy. „Natürlich haben wir eine Torte“, meinte sie. „So viel, dass ihr sie wohl gar nicht ganz verdrücken könnt.“ Dean lächelte schief. „Sei dir da mal nicht so sicher.“ Kapitel 6: Nur noch ein Schritt ------------------------------- „Wir haben es geschafft, Sammy!“ Dean grinste von einem Ohr bis zum anderen. Er konnte es immer noch kaum fassen. Schon seit Monaten versuchten die beiden Brüder, diese Tat umzusetzen, bisher ohne wirklichen Erfolg. Immer war ihnen etwas dazwischen gekommen, hatten sie etwas Wichtigeres zu tun gehabt. Dean hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber nun standen sie hier. Um sie herum waren Massen von Menschen, vor ihnen, hinter ihnen und neben ihnen. Aber das konnte Deans Laune nicht im geringsten trüben. Immerhin waren sie endlich hier. Dean trat kurz aus der Schlange raus, um zu schauen, wie viele Leute noch vor ihnen waren. Schnell huschten seine Augen über die einzelnen Personen und zählten sie in einer Geschwindigkeit, die normale Menschen nicht vergönnt war. „Nur noch sieben Personen vor uns.“ Die Tonlage, in der Dean sprach, erinnerte an ein kleines Kind, das gleich vor Freude in die Luft springen würde. Deshalb behielt Sam seinen Bruder genauestens im Auge, aber er tat es leider nicht. Gewundert hätte es Sam jedenfalls nicht. Schon die ganze Autofahrt hatte Dean von nichts Anderem gesprochen. Sam freute sich zwar auch darauf, vor allem, weil es mal ein wenig Ablenkung von der momentanen Lage war und sie endlich mal ein bisschen Zeit für sich hatten, aber Dean konnte es manchmal wirklich übertreiben. Besonders mit seiner Vorfreude. „Freu dich nicht zu früh, Dean, wie schon gesagt, noch sieben Leute vor uns. Da kann noch so einiges passieren.“ Er grinste seinen Bruder schief an. Dean hob warnend den Finger. „Halt bloß die Klappe, Sam, sonst passiert wirklich noch etwas. Solche Sätze verursachen schlechtes Karma.“ Sam zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Karma, Dean?“ „Halt einfach deinen Mund, okay?“, raunte Dean. Sam sparte sich eine Antwort, grinste jedoch übers ganze Gesicht. So gefiel ihm sein Bruder doch wesentlich besser. Es amüsierte ihn immer wieder, wenn Dean sich über jede Kleinigkeit aufregte. Sie gingen einen Schritt weiter. Dean betonte den Schritt extra und grinste Sam wieder von der Seite an. Sam verdrehte nur die Augen darüber. Er hatte sich wohl zu früh gefreut, aber es waren immer noch sechs Personen vor ihnen. Da konnte so einiges passieren. Besonders in einem Raum mit vielen Menschen. Massenpanik durfte man nie ausschließen oder kleine nervende Kinder, die plötzlich auf einen zukamen. Ein kleiner Junge mit einer roten Kappe blieb genau neben ihnen stehen und schaute zu den beiden hoch. Sam bemerkte deutlich, dass Dean extra so tat, als ob er den Jungen nicht gesehen hätte. Aber genau das schien den Kleinen noch zu ermuntern. Er schnappte sich einen Zipfel von Deans Jacke und zog vorsichtig ein paar Mal daran. Dean ignorierte den Jungen. Der Junge zog ein weiteres Mal. Dean ignorierte den Jungen immer noch. Nun grinste der Junge und zog so kräftig, dass Dean fast schon das Gleichgewicht verloren hätte. Jetzt konnte Dean nicht mehr anders. „Was?“, schrie er den Bengel fast schon an. Anstatt zu antworten, fing der Kleine augenblicklich an zu weinen. Keine zwei Sekunden später stand auch schon die aufgebrachte Mutter daneben. Wütend stemmte sie ihre Arme in die Hüften und funkelte Dean sauer an. „Was denken sie sich eigentlich dabei, einen kleinen Jungen so anzuschreien?“ „Ich … ich“, versuchte Dean sich irgendwie rauszureden und warf seinen Bruder einen hilfesuchenden Blick zu. Sam zuckte jedoch nur mit den Schultern und warf ihm einen Blick zu, der so viel hieß, wie: „Das hast du dir selbst eingebrockt.“ „Sie können doch nicht einfach meinen kleinen Justin so erschrecken. Das gehört sich nicht.“ Dean kam gar nicht dazu, sich zu rechtfertigen. Die Frau mit ihrem Blümchenhemd warf ihm immer weitere Vorwürfe gegen den Kopf. Sam schaute nur vergnügt zu. Die Menschen um sie herum, begannen sich nun auch alle, einer nach den Anderen in ihre Richtung umzudrehen, angelockt von der Lautstärke des Gesprächs. Sam beugte sich zu seinem Bruder herunter. „Entschuldige dich einfach, Dean“, flüsterte er ihm zu. „Wie denn?“, flüsterte Dean zurück. „Sie hört ja nicht auf.“ Und tatsächlich. Selbst als die beiden Brüder sich unterhielten, machte sie nicht einmal eine Pause bei ihrem Vortrag. Sie sprach mittlerweile so schnell, dass man fast nur jedes zweite Wort verstehen konnte. „Was ist denn hier das Problem?“, drang plötzlich eine andere männliche Stimmung über den Lärm hinweg. Ein Angestellter war herangetreten und musterte sowohl die Winchesters als auch die Frau mit ihrem kleinen Sohn. Die etwas breitere Frau schob sich direkt in den Vordergrund. „Dieser Mann da“, mit einer vorwurfsvollen Geste zeigte sie auf Dean, „hat meinen kleinen Sohn belästigt.“ Dean hob abwehrend seine Hände in die Höhe. „Das ist nicht wahr. Ich habe den kleinen Kerl nur gefragt, was er will, mehr nicht.“ „Und warum weint mein Justin dann? Sie haben ihn angeschrieen“, wandte sie sich wieder an Dean, ging sogar einen Schritt auf ihn zu. Unwillkürlich wich Dean daraufhin einen Schritt zurück, aber da hatte sich schon der Mitarbeiter dazwischen geschoben. Dean grinste triumphierend. Jetzt würde sie ihr blaues Wunder erleben. Aber der Angestellte sagte nur: „Beruhigen sie sich. Ich werde mich um das Problem kümmern.“ Die Frau funkelte Dean nochmal kurz böse an, nickte dann, drehte sich um und verschwand einfach. Sam ging einen Schritt nach vorne und zog seinen Bruder mit sich. Der Mitarbeiter folgte ihnen schweigend. Dann drehte er sich zu Dean um und baute sich in seiner vollen Größe vor ihm auf. Selbst Sam musste bei seiner Statur staunen. Eben hatte er noch ziemlich unscheinbar gewirkt, aber wenn er es wollte, konnte er anscheinend bedrohlich wirken. Sam fragte sich insgeheim, wer wohl schlimmer gewesen wäre: der menschliche Schrank oder die Blümchenfrau? „Was ist vorgefallen?“, fragte er nochmal in einem ruhigen Ton. Er konnte wohl sehr vernünftig sein, obwohl sein Aussehen das nicht vermuten ließ. Eigentlich hatte Sam jetzt damit gerechnet, dass er eher in einer andere Richtung der Kommunikation abweichen würde. Dean jedoch ließ sich in keinster Weise von dem Mitarbeiter beeindrucken, allein schon wegen der Tatsache, dass er sich im Recht sah. „Der kleine Bengel hat mich genervt und da habe ich ihm gesagt, dass er es lassen soll“, erklärte Dean mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Sam konnte bei dieser Aussage nur mit den Augen drehen. Dean wusste auch nie, wann welcher Ton angemessen war. Aber er würde sich nicht einmischen, zumindest noch nicht. Dafür war das viel zu amüsant. „Hören sie zu, Mister“, fing der Muskelprotz an, schaute Dean dabei von oben herab an. „Es ist hier nicht gestattet, die Kinder fremder Leute anzuschreien. Haben sie mich verstanden?“ Die Bedrohlichkeit, die von dem Angestellten ausging, ignorierte Dean geflissentlich. „Nun ja, aber wenn er mich nervt“, warf er ein. „Es ist nicht gestattet“, wiederholte er ein weiteres Mal. Sam hoffte, dass Dean es jetzt kapieren würde, aber eigentlich glaubte er nicht an Wunder. „Sie schreien mich doch auch gerade an“, sagte Dean verärgert, obwohl das überhaupt nicht der Fall war. Der Muskelprotz sprach immer noch mit einer sehr ruhigen Stimme, was Sam ihn hoch anrechnete. Andere wären vor Ungeduld schon längst ausgerastet. „Ich könnte sie rausschmeißen lassen. So etwas sehen wir in unserem Geschäft nämlich nicht gerne“, erklärte er weiter. Nun entschied sich Sam doch einzuschreiten. Mal kurz Dean auf die Palme zu bringen, war vielleicht lustig. Aber wenn sie jetzt rausfliegen würden, wäre Dean tagelang angepisst und würde seine schlechte Laune nur an ihm auslassen. Er schob sich also vor Dean, bevor dieser noch irgendeine dumme Antwort geben konnte. „Es tut uns sehr leid. Es war alles nur ein großes Missverständnis und es wird bestimmt nicht wieder vorkommen“, versuchte er den Mitarbeiter zu beschwichtigen. Dieser musterte Sam kurz, während dieser versuchte, ihm einen so ehrlichen Blick wie möglich zuzuwerfen. Anscheinend wirkte es. Der Mann nickte, schaute Dean nochmal streng an, drohte „Noch eine Sache und sie fliegen raus.“ und verschwand dann genau wie die Frau zuvor. Sam atmete erleichtert aus und ging mit Dean einen weiteren Schritt nach vorne. „Den haben wir es aber gezeigt. Stimmt’s, Sam?“ Dean hatte trotz des heiklen Zwischenfalls nichts von seiner Laune eingebüßt, sehr zum Leidwesen von Sam. Dieser konnte nur den Kopf über Deans Sorglosigkeit schütteln. „Dean, der hätte dich fast rausgeschmissen“, warf er ein. Dean zwinkerte seinem Bruder jedoch nur zu. „Ach was. Ich hatte Recht und das wusste er.“ Sam wusste, dass es nichts bringen würde, weitere Argumente vorzubringen, deshalb entschied er sich, lieber zu schweigen. Außerdem überlegte er, ob es wirklich so eine kluge Idee gewesen war, dazwischen zu gehen. Dean benahm sich einfach zu kindisch und irgendwann musste er auch mal mit den Konsequenzen leben. Aber vielleicht passierte ja noch so einiges. Wer konnte das schon wissen? „Wie viele sind denn noch vor uns?“, fragte er Dean, einfach aus der Langeweile heraus. Dean strahlte wie ein kleiner Junge an Weihnachten. „Nur noch vier. Wir sind bald da, Sammy. Bald haben wir es geschafft.“ Sam war hin und hergerissen. Zum Einen brauchte er auch endlich mal eine Auszeit, zum Anderen wäre es sicherlich lustig, mit anzusehen, wie Deans Träume zerplatzen, besonders da er sich so kindisch aufführte. „Wie war das mit dem Karma noch gleich?“, wollte er von Dean wissen. Dean warf ihm daraufhin einen giftigen Blick zu. „Hör auf damit, Sam.“ Seine Gesichtszüge entspannten sich keine Sekunde später. „Aber, wenn du es genau wissen willst, ich glaube, das Karma ist heute auf meiner Seite.“ Sam seufzte, hatte er sich doch auf einen verärgerten Dean gefreut. „Bist du dir wirklich sicher?“ Dean ging nicht auf die Frage ein, sagte stattdessen: „Es geht weiter.“ Sie traten einen weiteren Schritt nach vorne. „Siehst du, Sam, was soll schon Großartig passieren? Wir sind von einer Masse Menschen umgeben. Nicht mal ein Dämon würde es jetzt wagen, uns anzugreifen.“ Sam konnte darauf nicht mehr antworten, er sah nur einen weißen Blitz an sich vorbeirauschen, der sich auf Dean stürzte. Dean hätte vermutlich sein Gleichgewicht verloren, hätte es sich um einen gewöhnlichen Angriff gehandelt. Stattdessen klammerte sich ein Mädchen regelrecht an den Älteren der Winchester fest. „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott“, stammelte die junge Blondine vor sich hin. Sie kuschelte sich enger an Dean heran, atmete einmal tief ein und schloss ihre Augen. Sam warf seinem Bruder einen verwirrten Blick zu, den Dean jedoch nur mit einem angedeuteten Schulterzucken quittierte. „Keine Ahnung“, formte er die Worte stumm mit seinen Lippen, aber lächelte daraufhin übers ganze Gesicht und zog eine Augenbraue hoch, während er seinem Bruder einen zufriedenen Blick zuwarf. Sam ignorierte das offensichtliche Verhalten seines Bruders und wandte sich an den Teenager, die sich immer noch an Dean festklammerte, als ob er ein Rettungsring im stürmischen Meer wäre. Behutsam tippte er ihr auf die Schulter des Teenagers. „Miss?“, versuchte er ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber das Mädchen reagierte überhaupt nicht, als ob Sam gar nicht existieren würde. „Hallo?“, wiederholte er, doch auch darauf kam keine einzige Reaktion. „Hey“, versuchte es nun Dean, der die Nähe zwar sichtlich zu genießen schien, aber von der Situation trotzdem ein bisschen überrumpelt war. Sofort schaute sie auf, ging betreten einen Schritt zurück und räusperte sich einmal hörbar. Dann lächelte sie breit. „Verzeihung“, sagte sie mit einer glockenhellen Stimme. „Ich heiße Tamara, wenn ich mich vorstellen darf, und ich bin dein größter Fan.“ Voller Stolz zeigte sie auf ihr T-Shirt, auf dem „Mrs. Jensen Ackles“ drauf stand. Diese ganze Aktion ließ bei Dean jedoch nur ein großes Fragezeichen über seinen Kopf entstehen. Er hatte kein einziges Wort von dem Mädchen verstanden und war noch viel verwirrter, als von ihrem kleinen Überfall. Er lehnte sich zu Sam herüber und flüsterte ihm zu: „Wer ist denn Jensen Ackles?“ Sam zuckte nur mit seinen breiten Schultern. „Anscheinend verwechselt die Kleine dich mit irgendwem. Vielleicht solltest du sie darüber aufklären, dass du nicht derjenige bist, für den sie dich hält“, schlug Sam vor. Dean legte seinen Kopf leicht schief und schien kurz zu überlegen. Er kam zu dem Schluss Sams Vorschlag zu missachten, zumindest fürs Erste. „Oh ja, das sehe ich“, wandte er sich nun wieder Tamara zu, die aufgrund, dass Dean mit ihr sprach, noch mehr anfing zu strahlen. „Es ist so toll, dich hier zu treffen, Jensen. Ich finde, du hast ein großartiges Talent und … und“, sie brach ab und wurde ganz rot im Gesicht. Sam fand es alles andere als anständig, dieses Mädchen etwas vorzuspielen. Deshalb schob er sich zwischen die Beiden. „Das ist nicht Jensen Ackles, Tamara – wer auch immer das sein mag“, fügte er leiser hinzu. Tamara blickte von Sam zu Dean herüber. Bei Dean blieb sie haften und schien ihn eingehend zu mustern. Sie trat sogar wieder einen Schritt näher, um ihn genauer untersuchen zu können. Schließlich japste sie auf und wandte sich an Sam. „Ich glaube, du hast Recht“, flüsterte sie ihm verschwörerisch zu. „Ja, natürlich, das ist nämlich mein Bruder Dean“, erklärte Sam. Tamara hob warnend ihren Zeigefinger, fuhr fort, als ob sie Sam gar nicht gehört hätte. „Das rettet dich aber nicht. Willst du mir etwa erzählen, dass du Jensen Ackles nicht kennst?“ Sam trat bei Tamaras vorwurfsvollen Blicken einen verlegen Schritt zurück. „Naja, ich habe schon von ihm gehört. Wer hat das nicht?“, log er ohne mit der Wimper zu zucken, immerhin waren sie darin Meister. „Da hast du aber nochmal Glück gehabt“, lächelte sie ihm freundlich zu. Kurz drehte sie sich nochmal zu Dean, musterte in ein weiteres Mal eingehend, schüttelte dann fassungslos den Kopf und murmelte: „Verblüffende Ähnlichkeit.“ Dann verschwand sie. Sam und Dean schauten sich verwundert an und gingen einen Schritt vor. „Du weißt also doch, wer Jensen Ackles ist?“, wollte Dean nun von seinem Bruder wissen. Dieser schüttelte jedoch nur mit dem Kopf. „Kein Ahnung, aber ich hatte Angst, dass mich das Mädchen töten würde, wenn ich es nicht wüsste.“ Dean lachte laut auf. „Kleiner Feigling, Sammy.“ Sam verzog beleidigt sein Gesicht. „Stimm nicht. Ich wollte nur nicht riskieren, dass der nette Schrank wieder auf uns aufmerksam wird und dich vielleicht doch noch rausschmeißt.“ Unauffällig zeigte er mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. Dort stand der Mitarbeiter, seine muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und hielt die beiden Brüder die ganze Zeit im Auge. Dean warf einen Blick über seine Schulter. „Mit dem werden wir schon fertig“, winkte er ab. „Und du weißt wirklich nichts über Jensen Ackles?“, fragte er noch einmal. Sam zuckte mit den Schultern. „Nein, wieso auch.“ „Ich weiß etwas“, lächelte Dean. „Was?“ „Er muss verdammt gut aussehen“, meinte Dean. „Immerhin sieht er mir zum Verwechseln ähnlich.“ „Ich hoffe, das ist die einzige Gemeinsamkeit“, sagte Sam. Bevor Dean antworten konnte, zeigte Sam auf die Schlange, die sich nach vorn bewegte. Das lenkte Dean so sehr ab, dass er seine Antwort vergaß. Er lächelte übers ganze Gesicht und genoss den vorletzten Schritt in vollen Zügen. „Nur noch ein Schritt“, meinte Dean aufgeregt. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen. „Was passiert denn dann?“, drang eine tiefe Stimme an das Ohr von Dean. Ruckartig drehte er sich um und blickte in das Gesicht von Castiel. Hastig schaute er sich um, ob irgendwelche Personen eigenartig schauten, da der Engel öfters die Angewohnheit hatte, einfach so aus dem Nichts aufzutauchen. Aber anscheinend hatte niemand etwas gemerkt oder Castiel war wirklich auf die traditionelle Art zu ihnen gestoßen. „Cas? Was?“, fing er an, stockte dann jedoch. Eigentlich wollte Dean gar nicht wissen, was Castiel hierher führte. Denn immer, wenn der Engel auftauchte, bedeutete es Ärger. „Verschwinde, sofort!“, befahl er Castiel. Castiel musterte Dean jedoch nur irritiert. „Wieso sollte ich gehen, Dean?“, fragte er sachlich. „Ich wollte dir etwas mitteilen und-“ Dean hob seine Hand vor Castiels Gesicht, um ihm zum Schweigen zu bringen. „Ich will es gar nicht hören, Cas. Am Besten du verschwindest jetzt einfach, hast du verstanden?“ Castiel nickte, was Dean erleichtert ausatmen ließ und wieder ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. „So ist es gut“, meinte er. Dean drehte sich wieder nach vorne, nur noch darauf wartend, dass die Person vor ihm, endlich fertig werden würde, damit er an sein Ziel gelangen konnte. Er schaute an der Person vorbei, um zu sehen, wie es voran ging. Viel zu langsam, wie Dean fand. Jetzt, wo sie kurz vor ihrem Ziel waren, konnte Dean es kaum noch aushalten. „Du wirkst ungeduldig“, stellte Castiel fest. Sam lächelte leicht, als er sah, wie sein Bruder bei der Stimme des Engels zusammenzuckte. Dean hatte sich so schnell umgedreht gehabt, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass Castiel überhaupt nicht gegangen war, sondern an Ort uns Stelle stehen geblieben war. Nun sichtlich gereizter als noch vorhin, wandte sich Dean wieder an den Engel. „Was tust du noch hier?“, verlangte er zu wissen. Castiel schwieg und schaute Dean nur stumm an. „Du hast doch eben genickt, als ich sagte, du solltest gehen“, sprach Dean weiter ohne auf das Schweigen von Castiel zu achten. „Ich habe genickt, weil ich verstanden habe, dass du es für das Beste hältst, wenn ich gehe“, erklärte Castiel. „Aber ich halte es definitiv nicht für das Beste zu gehen, ohne dir zu sagen, was ich vor hatte.“ Sam schaute den Engel besorgt an. „Ist es wichtig, Cas?“, fragte er. Auch wenn Sam sich, genau wie Dean, mal eine kleine Auszeit wünschte, könnte er es nicht mit seinem Gewissen verantworten, wenn gerade irgendwo etwas Schreckliches geschah, was sie hätten verhindern können. „Das ist mir egal“, warf Dean ein, bevor Castiel antworten konnte. „Dean!“, entrüstete sich Sam. Dean seufzte laut. „Okay“, kam es sichtlich enttäuscht von dem Älteren. „Ist es wichtig?“, wiederholte er die Frage seines Bruders. „Nicht direkt“, meinte Castiel. „Zumindest bedarf das Problem nicht euer sofortigen Anwesenheit.“ Dean starrte ihn aus weit geöffneten Augen an. „Und was willst du dann noch hier?“, fragte er ein weiteres Mal, bemüht seine Stimme nicht zu laut werden zu lassen. „Wir brauchen mal ein Pause, Cas. Zapp dich auf der Stelle 1000 km von uns weg, dann bin ich zufrieden.“ „Hier sind jede Menge Menschen, Dean“, gab Castiel zu Bedenken. „Das ist mir egal. Hauptsache du verschwindest.“ Sam warf dem Engel einen entschuldigenden Blick zu, lehnte sich dann zu ihm herüber. „Wenn es wirklich noch etwas warten kann, solltest du wohl besser gehen. Ich werde dir Bescheid geben, sobald Dean wieder ansprechbar ist.“ Castiel schaute nochmal kurz zu Dean, der sich bereits wieder von den anderen Beiden weggedreht hatte, dann nickte er. Sam schaute den Engel noch hinterher, wie er durch die Menge verschwand, als ihn Dean am Arm packte. Dieser zog seinen kleinen Bruder den letzten Schritt ans Ziel. „Wir haben es geschafft, Sammy.“ Dean lächelt breit und nun konnte sich auch Sam eines Lächelns nicht mehr erwehren. „Endlich. Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten“, verkündete er stolz. Ein Räuspern brachte ihn wieder zur Besinnung. „Wenn sie mir jetzt sagen würden, was sie wollen, damit die anderen Gäste nicht zu lange warten müssen“, sagte der Kassierer barsch. Er bemühte sich um ein Lächeln, was ihm jedoch nicht wirklich überzeugend gelang. Anscheinend war er schon einigen nervenaufreibenden Kunden an diesem Tag begegnet. „Zweimal ‚The last house on the left’“, sagte Dean freudig, ohne sich auch nur ansatzweise von der schlechten Laune des Kassierers anstecken zu lassen. Der Mitarbeiter musterte Dean ungläubig, lachte dann kurz auf. „Ist das ihr Ernst?“, fragte er sichtlich amüsiert nach. „Ja, warum denn nicht?“, wollte Dean wissen. „Naja, der Film läuft schon seit über zwei Wochen nicht mehr.“ Mit einem schiefen Lächeln fügte er hinzu: „Da hätten sie schon etwas früher kommen müssen.“ Unwillkürlich ballte sich Deans Hand zur Faust. Wäre da nicht diese Glasscheibe zwischen ihnen gewesen, hätte dieser freche Mitarbeiter wohl jetzt ein oder zwei Zähne weniger. An irgendetwas musste Dean seine Wut abreagieren. Sam blieb diese Gefühlsregung von seinem Bruder keinesfalls verborgen. Schnell griff er nach der Hand von Dean, um ihn davon abzuhalten, etwas Dummes zu tun. Vorsichtig lugte er über seine Schulter, um den Muskelmann im Auge zu behalten. Bisher stand er noch an Ort und Stelle und hatte nur aufmerksam eine Augenbraue hochgezogen. „Vielleicht ein anderer Film?“, schlug er seinen Bruder vor, um ihn zu beschwichtigen. Dean sah nicht gerade begeistert aus. „Ich will keinen anderen Film sehen“, kam es stur von Dean. „Dann dürfte ich sie darum bitten, Platz zu machen, damit es hier weitergehen kann“, ratterte der Kassierer die Bitte lapidar herunter. „Das ist alles nur deine Schuld“, murmelte Dean vor sich her, während Sam ihn durch die Menge schob. „Du mit deinen düsteren Vorhersagen.“ Plötzlich hatte Sam ein schlechtes Gewissen. Dean hatte sich wirklich auf diesen Film gefreut und hatte ihn unbedingt sehen wollen. Sam hatte die ganze Zeit nur versucht, es ihm schlecht zu machen. „Komm mit“, er zog seinen Bruder zum Impala. „Ich habe eine Idee.“ * * * * * „Was wollen wir hier?“, fragte Dean genervt und eigentlich nicht mehr in der Stimmung so spät noch unterwegs zu sein. Eigentlich wollte er sich nur noch in sein Bett legen und schlafen. Aber Sam meinte ja, dass es wichtig sei. Jetzt saßen sie hier mitten im Nirgendwo im Impala und warteten wohl auf Dinge, die da noch kamen. Sam hatte auf der Fahrt sehr geheimnisvoll getan, jedoch war es Dean mehr als egal, was sein Bruder vor hatte. Schließlich waren sie auf einem Feld neben einer Scheune stehen geblieben. Was das für einen Sinn hatte, konnte Dean nicht einmal erraten. „Hab Geduld, Dean, es wird dir gefallen“, versprach Sam seinen Bruder. „Gleich fängt es an.“ Dean lehnte sich in seinen Sitz zurück und schloss die Augen. Öffnete sie kurz darauf wieder, da er Geräusche vernahm und die kamen nicht von seinem Bruder. Er schaute auf die Seite der Scheune, wo gerade ein Film anfing. „Was?“, kam es verwirrt von ihm. „Du hattest dich doch auf den Film gefreut, oder nicht?“ Sam lächelte seinen Bruder an. „Und nur, weil wir so viel zu tun hatten, konntest du ihn nicht sehen. Da habe ich gedacht, ein bisschen nachhelfen, würde nicht schaden.“ Er zwinkert ihm zu. Dean schaute noch immer ungläubig auf die improvisierte Leinwand. „Aber wie hast du?“, stammelte er, nicht im Stande dazu, einen vollständigen Satz zu formulieren. „Dean“, sagte Sam. „Wir sind Jäger. Meinst du nicht, ich könnte ein Filmband besorgen und noch einen Projektor.“ „Und wie hast du das so schnell hingekriegt. Wir sind erst vor zwei Stunden aus dem Kino raus? Selbst du besorgst solche Sachen nicht in dieser Zeitspanne.“ Dean kniff seine Augen zusammen. „Das war doch nicht von vorne herein geplant, oder?“ Sam schüttelte schnell den Kopf. „Nein, sagen wir es so. Wo ein Engel ist, ist auch ein Weg.“ „Cas hat dir geholfen?“, fragte er ungläubig. „Naja, leider nur gegen das Versprechen, nach dem Film direkt auf die Mission zu gehen, die Cas für uns bereit hält, was wir vermutlich sowieso getan hätten, aber davon habe ich ihm natürlich nichts erzählt.“ Nun lächelte Dean breit. „Du bist super“, meinte er. „Da-“ „Aber da das sowieso deine Schuld war, war das auch das Mindeste, was du tun konntest“, kam er ihm dazwischen. „Nach dem Film bekommst du die Liste, was du noch alles tun musst, um das wieder gut zu machen. Und jetzt sei endlich still, ich will den Film sehen.“ Sam schüttelte nicht wirklich überrascht den Kopf und wandte sich dann auch der Leinwand zu. * * * * * So, Janine, ich hoffe, der OS ist zu deiner Zufriedenheit. Ich habe mir wirklich den Kopf zermatert, was gut genug für dich wäre. Und Ruby und Bela sind nicht dabei ;) Apropos, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, dieser kleine quirlige Fan ist nach dem Vorbild von Tami entstanden. Sie besitzt sogar so ein T-Shirt^^ Sie war ganz aus dem Häuschen, als sie erfahren hat, dass sie einen Auftritt in deinem OS bekommt. HDL Becky Kapitel 7: Alle Männer wollen ihr Können unter Beweis stellen ------------------------------------------------------------- Dean legte seinen Arm um Castiels Schulter und führte ihn so durch die leicht gefüllte Bar. Die rauchige, drückende Luft schlug ihnen entgegen. „Es ist ganz einfach, Cas“, fing Dean an zu erklären, während er ihn stetig weiter durch die Menge manövrierte. Schließlich blieb er an seinem Ziel stehen. „Du musst dir eigentlich nur zwei Dinge merken. Als erstes musst du die Situation analysieren. Wähle diejenige aus, die am Passenden erscheint. Und dann muss du nur noch zuschlagen.“ Dean klatschte einmal lautstark in die Hände. „Lass sie nicht aus den Augen, fixiere dein Ziel und leg los.“ Castiel zog die Augenbrauen zusammen und musterte seinen Schützling verständnislos. „Ich verstehe nicht, Dean.“ „Abchecken. Anvisieren. Einlochen.“ Dean grinste Castiel breit an und drückte dem Engel etwas in die Hände. Zögerlich nahm Castiel den Gegenstand entgegen. Er blieb jedoch stehen, hatte er immer noch keine Ahnung, was Dean eigentlich von ihm wollte. „Wozu wird dieses Gerät verwendet, Dean?“ Seine Stimme klang ein wenig besorgt, konnte er sich nur noch zu gut an seinen letzten Besuch in einer solchen Bar erinnern. Mit ganzer Klarheit sah er noch jedes Detail vor sich und wusste zu gut, wozu ihn Dean hatte bewegen wollen. „Keine Angst, Cas“, versprach Dean ihm, während er ihm gleichzeitig einmal kräftig auf die Schulter schlug. Castiel zuckte unter der Berührung kurz zusammen. Diese ganze Situation war ihm unangenehm, besonders da ihm Deans Blick keineswegs entgangen war. Immer wieder schaute er Frauen hinterher, die an ihnen vorbei gingen oder er lächelte einem Mädchen an der Bar entgegen. Das typische Verhalten von Dean, wenn er wieder unanständige Sachen tun wollte. Aber Castiel hatte dafür keinerlei Bedürfnis. „Du willst doch nicht etwa-“, fing er an, brach jedoch direkt wieder ab, da er nicht genau wusste, was er eigentlich zu fragen gedachte. Dabei schaute er zu der Blondine, die nur ein paar Meter entfernt an einem Stehtisch stand und ihn schon geraume Zeit musterte. Bei dem Gedanken, was ihr wohl durch den Kopf gehen könnte, geschweige denn davon, was Dean gerade für Castiel alles plante, wurde ihm ganz mulmig. Plötzlich zuckte der Engel zusammen, als Dean in schallendes Gelächter ausbrach. Irritiert wandte er sich von der Blondine ab und drehte sich zu Dean um. Dieser hatte sich immer noch nicht unter Kontrolle. Ganz im Gegenteil, Castiels verwirrter Blick schien seinen Lachanfall noch zu verstärken. Castiel sagte nichts, wartete nur ab. Wusste er nur zu gut, dass er sonst nie eine Erklärung bekommen würde. Schließlich wischte sich Dean eine Träne aus dem Auge, atmete ein paar Mal tief ein, um sich gänzlich zu beruhigen und meinte dann nur: „Billard, Cas, ich rede von Billard.“ Dean näherte sich dem Tisch und strich einmal mit der Hand über den Rand. „Siehst du! Ist der nicht schön?“, sagte er abwesend. Castiel musterte seinen Schützling. Eigentlich war er recht froh, dass Dean nicht vorhatte, ihn mit irgendeiner Frau in irgendeiner Weise zu verbinden, aber das Verhalten von Dean kam ihm doch recht eigenartig vor. „Billard ist kein Spiel, es ist eine Sportart. Außerdem ist es eine gute Art, ein bisschen ehrlich verdientes Geld zu ergattern.“ Dean lächelte schief. Nun machte sich Castiel keine Sorgen mehr, sondern fragte sich nur noch, was Dean eigentlich von ihm wollte. „Was hast du vor, Dean?“, fragte er deshalb. Wieder einmal schlug Dean dem Engel auf die Schulter. „Dir Billard beibringen, was sonst?“ „Ich glaube nicht, dass es einen Sinn hat, wenn ich dieses Spiel lerne“, gab Castiel zu Bedenken. „Außerdem haben wir nicht die Zeit dazu. Wir haben wichtigere Dinge, die wir zu erledigen haben.“ Dean sah Castiel ernst in die Augen, fixierte ihn geradezu. „Es ist von größter Wichtigkeit, dass du das lernst, Cas“, beharrte er auf seinen Standpunkt. „Warum?“ Dean runzelte die Stirn, schien angestrengt zu überlegen. „Stell‘ dir vor, Luzifer würde dich zum Billard rausfordern. Wenn du gewinnst, vergisst er die Apokalypse. Wenn er gewinnt, müssen wir uns komplett raushalten. Die ganze Welt wird auf deinen Fähigkeiten beruhen, Cas. Das ist eine ernste Angelegenheit.“ „Dean, ich glaube nicht, dass-“ „Jetzt lass mir doch mal ein wenig Spaß, okay?“, sagte er und sah ihn dabei flehend an. Schließlich nickte Castiel. Im Moment hatte er sowieso nichts zu tun. Nun strahlte Dean wieder übers ganze Gesicht. „Prima. Lass uns anfangen.“ Er suchte die Kugeln zusammen und positionierte sie an ihren entsprechenden Ort. „Das Spiel ist nicht schwer. Du musst nur die weiße Kugel anspielen und dadurch die anderen Kugeln in die Löcher schießen. So in etwa.“ Dean lehnte sich über den Tisch, nahm die weiße Kugel ins Visier und stieß mit voller Wucht dagegen. Die farbigen Kugeln, die sich in einem Dreieck befanden, schossen auseinander in die verschiedensten Richtungen. Die Nummer zwei landete in einer der Ecktaschen. „So, da ich jetzt die Zwei versenkt habe, habe ich die Vollen. Das heißt, dass du die Halben einlochen musst. Eigentlich dürfte ich jetzt nochmal, aber probier du erstmal.“ Somit trat Dean einen Schritt zurück, um für Castiel genügend Platz zu machen. Dieser trat nun unsicher an den großen Tisch heran. „Warum spielt man nicht direkt die Kugel an, die man treffen will?“, fragte er verwirrt. Er verstand dieses Spiel nicht, besonders nicht, was man dadurch gewinnen konnte. Hatte man irgendetwas davon, wenn man die Kugel in das Loch stieß? „Cas, so sind nunmal die Regeln.“ „Ja, aber wäre es nicht einfacher, direkt die Kugel anzuspielen, auf die man es abgesehen hat?“, wiederholte er seine Frage. Dean seufzte. Sobald etwas menschlich war, war es wohl zu hoch für den lieben Engel, um es auch nur ansatzweise zu verstehen. „Sieh es als eine Art Befehl an. Du musst ihn befolgen, sonst wirst du bestraft.“ „Ich muss also die weiße Kugel mit diesem Stock hier“, er hielt den Queue in die Höhe, „ anstoßen, um die farbigen Kugeln in die Löcher zu bekommen. Ist das richtig?“ „Ja, ganz genau“, strahlte Dean ihm entgegen. Einen weiteren Schlag auf die Schulter später sagte er noch: „Jetzt hast du es endlich kapiert.“ Castiel zog eine Augenbraue hoch, wollte jedoch jetzt auch nicht weiter darauf eingehen. Widerwillig betrachtete er das Spielfeld. Die Nummer 10 lag nicht schlecht. Sie bildete mit der weißen Kugel eine Linie zu der rechten Ecktasche. Er beugte sich hinunter, brachte den Queue in Anschlag und … schlug genau daneben. Dean brach in schallendes Gelächter aus. Nachdem er sich zu diesem Vorhaben entschlossen hatte, war ihm klar gewesen, dass er wohl das eine oder andere Mal zum Lachen gezwungen sein würde. Aber das hier war noch besser, als er es sich vorgestellt hatte. Durch das Verfehlen der Kugel, verlor Castiel auch gleichzeitig sein Gleichgewicht und wäre fast mit voller Wucht auf den Billardtisch gelandet. In letzter Sekunde konnte er sich noch zusammen reißen und ruderte buchstäblich mit den Armen, um seinen Oberkörper wieder in eine aufrechte Position zu bringen. Sehr ästhetisch für einen Engel. „Versuch es noch einmal“, forderte Dean ihn auf, als er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Ohne sich in irgendeiner Weise zu beschweren, tat Castiel das, was von ihm verlangt wurde. Wieder einmal beugte er sich über den Tisch. Dieses Mal konzentrierte sich Castiel mehr auf sein Vorhaben, die weiße Kugel zu treffen, als die Kugel mit der Nummer 10 im Auge zu behalten. Dies war nämlich der Grund, warum er beim letzten Mal sein Ziel verfehlt hatte. Dieses Mal gelang es ihm, die Kugel zu treffen, allerdings bewegte sie sich kaum einen Zentimeter und kam nicht mal in die Nähe der anderen Kugel. Dean musste sich wieder ein Lachen verkneifen. Er biss sich schon fast auf die Lippe, um es zu unterdrücken. Fast fünfzehn Minuten versuchte Castiel sein Glück, bis ihn Dean schließlich erlöste. Keines von Castiels Versuchen war von großen Erfolg gekrönt gewesen und auch wenn es wirklich Spaß machte, dem Engel zuzusehen, wie er so etwas Leichtes einfach nicht auf die Reihe bekam, hatte Dean ja noch einen höheren Plan, den es auszuführen galt. „Hey, Cas“, machte er sich aufmerksam. Er ging einen Schritt näher zu seinem Freund. „Wie wäre es denn, wenn du mal deine besonderen Fähigkeiten dazu einsetzen würdest, um die Kugeln dahin zu lenken, wo du sie haben willst.“ Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Aber wäre das nicht ein Verstoß gegen die Regeln, Dean?“, fragte er unsicher. Dean lachte kurz auf. „Immer auf die Regeln versessen. Manchmal muss man im Leben auch ein wenig schummeln, damit man etwas erreicht. Siehst du den Kerl da drüben?“ Er drehte Castiel mit einer leichten Bewegung etwas nach rechts und zeigte auf einen gutaussehenden Mann mit kurzen schwarzen Haaren. „Diesen Typen könntest du locker schlagen, wenn du es nur willst.“ „Aber ich will es ja gar nicht“, warf Castiel verunsichert ein. „Na, Cas, sei nicht so bescheiden. Alle Männer wollen ihr Können unter Beweis stellen. Und dieser Kerl braucht mal dringend eine Abreibung, das spüre ich. Also kannst du ihn schlagen?“ Deans Enthusiasmus war kaum noch in Grenzen zu halten. Bevor der Engel irgendetwas erwidern konnte, war Dean auch schon verschwunden und kehrte keine Minute später mit dem Fremden zurück. Dieser hatte ein gefährliches Lächeln aufgesetzt. Er war sich seines Sieges bereits sicher und konnte es wohl kaum noch erwarten, den Grünschnabel zu schlagen. „Du willst also gegen mich spielen?“, fragte er herausfordernd und musterte Castiel von oben bis unten. Der Mann war fast einen Kopf kleiner als Castiel, jedoch schüchterte ihn das wohl überhaupt nicht ein. Schließlich streckte er seine Hand zum Gruß aus. „Meine Name ist Seth“, lächelte er ihm süffisant zu. Castiel schaute auf Seth’ Hand. Diese Geste der Menschen verstand er immer noch nicht, aber er wusste bereits, dass es unhöflich war, diese nicht zu erwidern, deshalb ergriff er sie, jedoch ohne ein Wort zu sagen. „Mein Freund heißt Cas“, mischte sich deshalb Dean ein. „Und er hat das Spiel gerade erst gelernt. Also hast du etwas dagegen, wenn es nur so zum Spaß wäre?“ Seth zuckte mit den Schultern. „Geld ist mir nicht wichtig.“ Klägliches Versagen wäre eine nette Umschreibung dafür gewesen, was Castiel in den nächsten Minuten ertragen musste. Gegen den Fremden hatte er nicht die geringste Chance. Wenn er gewollt hätte, hätte er in drei Runden alle Kugeln eingelocht haben können, aber anscheinend machte es ihm großen Spaß mit Castiel zu spielen. Immer wieder ließ er absichtlich eine Kugel daneben gehen, damit der Engel wieder an der Reihe war. Dieser fühlte sich gar nicht wohl, besonders mit der Gewissheit, was Dean sich ausgedacht hatte. Erst sollte er ein paar Mal so spielen, wie jetzt. In der letzten Runde wollte Dean dann vorschlagen, vielleicht doch mal um Geld zu spielen und zwar um viel Geld. Das war dann das Stichwort für Castiel, sein Mojo einzusetzen. So wie es geplant war, wandte sich Dean nach dem dritten gescheiterten Spiel Seth zu. „Noch eine Runde? Diesmal um Geld?“, fragte er ganz beiläufig. Seth schaute erst zu Dean, dann hinüber zu Castiel. Er schien nicht dumm zu sein und Castiel hoffte schon, dass es zu keiner weiteren Runde mehr kommen würde. Immerhin schien er ihren Plan zu durchschauen. Es wäre wohl Castiels letztes Spiel gewesen, hätte sich der Freund von Seth nicht eingemischt. Ein bulliger, großer Typ, der wohl sogar noch Sam überragen würde. Er wuschelte Seth über den Kopf und meinte amüsiert: „Was grübelst du so lange, Winzling? Den machst du doch mit links fertig. Oder willst du etwa aufgeben?“ Dean schien es gar nicht aufzufallen, dass der andere Kerl an der hinteren Bar gestanden hatte und es eigentlich sehr merkwürdig war, dass er das Gespräch überhaupt mitgekriegt hatte. Castiel hingegen entschied sich, es zu ignorieren, die beiden Fremden jedoch nicht aus den Augen zu lassen. Mit einer überaus schnellen Bewegung, drückte Seth die Hand seines Freundes weg. Er lächelte ihn keck an. „Aufgeben? Ich? Kryl, ich dachte, du würdest mich besser kennen.“ Zu Dean gewandt nickte er zufrieden. „Vergiss nicht, jetzt darfst du dein Mojo einsetzen. Aber unauffällig. Wir wollen ja keinen Ärger mit unseren neuen Freunden kriegen“, wies Dean ihn zwinkernd an. „Dean, ich-“ „Los“, unterbrach ihn Dean und schob ihn zum Billardtisch. Castiel hatte keinesfalls vor, sein Mojo einzusetzen, wäre das doch Betrug und Betrug war falsch. Er hatte es Dean noch sagen wollen, aber dieser war mal wieder außer Stande zuzuhören. So spielte Castiel wie die Male zuvor und mit jedem weiteren Zug wurde das Lächeln auf den Gesichtern von Seth und Kryl größer und die Wut in Deans Gesicht nahm immer weiter zu. „200 Dollar!“, forderte Seth nach dem Spiel. Mit einem süffisanten Grinsen auf dem Gesicht, streckte er genüsslich die Hand danach aus. „Wir könnten Red etwas Schönes davon kaufen“, flüsterte Kryl seinem Freund zu. Daraufhin schauten sich Beide an und fingen lautstark an zu lachen. Mit einem Abschiedsgruß verschwanden die Fremden in der Menge. „Was sollte das?“, wandte sich Dean aufgebracht an Castiel. „Wir hatten doch einen Plan.“ „Du hattest einen Plan, Dean“, sagte Castiel ruhig. Er hatte bereits damit gerechnet, dass Dean so reagieren würde. „Was? Cas, das waren 200 Dollar. Wovon soll ich mir jetzt etwas zu Essen kaufen?“ „Du hast das Geld gesetzt. Ich habe nie gesagt, dass ich da mitmache. Du hast mir doch selber erklärt, dass man sich an die Regeln halten muss. Sonst wird man bestraft“, wiederholte er Deans Worte. Dean konnte daraufhin nur die Augen verdrehen. Dieser Engel schaffte es auch immer wieder, einen in den Rücken zu fallen. „Vergiss es. Alten Hunden kann man wohl keine neuen Tricks beibringen.“ Er wollte bereits wieder zur Bar zurück, als er noch einmal Castiels Stimme vernahm: „Dean?“ „Ja?“, kam es genervt von diesem. „Sollen wir noch eine Runde spielen?“, fragte er ganz vorsichtig. Dean schaute ihn überrascht an. „Naja, langsam habe ich es verstanden und … es macht irgendwie Spaß.“ Dean konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Manchmal konnte Castiel wirklich zu lustig sein. Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du unbedingt willst, dann leg los.“ Dean überließ Castiel den ersten Stoß, würde er damit sowieso nicht viel anrichten. Zu seiner großen Überraschung allerdings landeten schon zwei Kugeln in Löchern. „So viel Glück hättest du eben mal haben müssen.“ Castiel schwieg und machte sich an seinen nächsten Zug. Auch diesmal fand die Kugeln ihr Ziel. Beim nächsten Mal war es nicht anders. Nach jedem weiteren Mal schaute Dean skeptischer. „Cas?“, fragte er schließlich, als nur noch zwei Kugeln von ihm übrig waren und Dean nicht einmal zum Zug gekommen war. „Du schummelst doch nicht etwa?“ Castiel sagte wieder nichts. „Cas?“, kam es noch etwas drängender von Dean als noch zuvor. „Du hast doch selbst gesagt, dass es falsch ist und dass man die Regeln nicht brechen darf.“ Dann sah Dean etwas, dass er selten bei dem Engel sah. Castiel lächelte und zwar dieses Lächeln, das Dean nur allzu gut kannte. Er war schadenfroh. Dean konnte es nicht fassen. Hatte Castiel ihn etwa gerade hereingelegt? „Die Regeln, Cas, und die Strafe“, wiederholte er nochmal ungläubig. Er konnte es immer noch nicht fassen. „Für dich habe ich schon so oft die Regeln gebrochen. Da macht einmal mehr auch keinen Unterschied“, meinte er schlicht, aber Dean sah deutlich die Schadenfreude in seinem Gesicht. Allerdings konnte sich Dean selber ein Lächeln nicht verkneifen. „Okay, du hast gewonnen. Aber das nächste Mal spielen wir Poker.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)