Die Piratenprinzessin von LadyShihoin (Das Blut eines Dämons) ================================================================================ Kapitel 11: Der Brief --------------------- „Sie wissen, wer ich bin, oder?“, fragte sie ihn stockend und erwiderte seinen Blick, als er nickte. „Mein Name ist Souta und ich war der beste Freund deiner Mutter.“ „Was?“, entfuhr es Carina und ihre Stimme hörte sich schwach und rau an. Der Mann vor ihr hatte ihre Mutter gekannt? „Meine Mutter?“, fragte sie und er nickte. „Ihr Name war Portgas D. Rouge.“ „Portgas D. Rouge“, dachte sie und sprach den Namen ein paar Mal aus. „Ein schöner Name“, sagte sie schließlich und lächelte Souta an. Über ihren Vater wusste sie alles, aber über ihre Mutter wusste sie fast gar nichts, nur, dass sie bei ihrer Geburt gestorben war, weil sie sie solange im Bauch getragen hatte. „Komm, ich habe etwas für dich“, sagte er plötzlich und sie folgte ihm, als er sich auf den Weg machte. Wenige Minuten später erreichten sie das Dorf, wo auch Carina sich einquartiert hatte, doch das Haus, wohin Souta anscheinend wollte, lag weiter außerhalb. „Leben sie schon lange auf dieser Insel?“, fragte Carina höflich und Souta lachte auf. „Ja, ein paar Jahre, aber bitte duze mich, sonst komme ich mir so alt vor.“ Er stieß die Tür zu dem Haus auf und trat zusammen mit der Schwarzhaarigen ein. Ohne sie weiter zu beachten, bückte er sich vor eine große Holztruhe und begann damit, sie zu durchwühlen. Carina stand stumm hinter ihm und fühlte sich auf eine gewisse Art und Weise hilflos. Was tat sie hier eigentlich? Wie konnte sie ihm einfach so vertrauen? Vielleicht war es eine Falle und sie war mitten hinein getappt. „Wenn es eine war, dann ist es jetzt eh schon zu spät“, dachte sie. Während der Mann vor ihr immer noch nach etwas zu suchen schien, sah Carina sich neugierig um. Ihr Blick blieb an einem verstaubten, eingerahmten Bild hängen. Sie nahm es in beide Hände und wischte den Staub herunter. Das Bild musste schon etwas älter sein, denn Souta sah viel jünger aus, als in der Gegenwart. Neben ihm stand eine Frau, die etwas kleiner als er selbst war, sie hielten sich gegenseitig an den Schultern fest und lächelten freundlich in die Kamera. Die Frau hatte lange, gewellte, blonde Haare und Augen, die die Farbe von Rotwein besaßen. Auf ihrem Gesicht befanden sich viele, kleine Sommersprossen und eine rote Blume in ihrem Haar gab dem ganzen den letzten Schliff. „Das ist Rouge“, ertönte hinter ihr eine Stimme und Carina erstarrte. Das war ihre Mutter? „Sie ist wunderschön“, hauchte sie und Souta nickte. Seine Hände waren ganz verstaubt und dreckig, aber er hatte anscheinend gefunden, was er gesucht hatte. „Hier“, sagte er und Carina wandte ihre Augen ihm zu. Er hielt ihr einen Brief hin, den sie zögerlich entgegen nahm. „Für mich?“, fragte sie irritiert. Souta setzte sich auf einen Stuhl und atmete tief ein. „Vor deiner Geburt war deiner Mutter bereits klar, dass sie die Geburt nicht überleben würde, sie war einfach zu schwach. Sie hatte allerdings den Wunsch, dir alles zu erklären. Deswegen hat sie diesen Brief für dich geschrieben und ihn mir gegeben. Eigentlich sollte ich ihn dir erst an deinem 16. Geburtstag geben, aber wer weiß, wann wir uns noch mal wieder sehen.“ Carina schluckte und begann, leicht zu schwitzen. „Die Worte meiner Mutter“, dachte sie und öffnete mit stark zitternden Händen den Brief, während Souta sich zurückzog und in die Küche verschwand. Bei so einem Augenblick wollte er nicht stören. Das Erste, was Carina auffiel, war, dass ihre Mutter auch diese leicht krakelige Handschrift hatte, wie sie. Kaum zu entziffern für Außenstehende, aber ihrer Meinung nach doch recht ordentlich und lesbar. Dann begann sie zu lesen. Mein/e liebe/r Tochter/Sohn, alles Gute zu deinem 16. Geburtstag. Ich denke, Garp hat sein Versprechen gehalten und dir geht es gut. Ich schreibe dir diesen Brief, um dir wenigstens einen kleinen Teil von mir selbst zu schenken, nämlich meine Worte und Gedanken. Du weißt wer du bist und ich bin mir sicher, das hat dir schon viele Unannehmlichkeiten bereitet. Dein Vater macht einem wirklich nur Ärger, das habe ich ihm bestimmt schon um die hundert Mal gesagt. Da ich ja noch gar nicht weiß, ob du nun ein Junge oder ein Mädchen geworden bist, spreche ich dich einfach nur mit „Du“ an. Ich sitze hier und schreibe diesen Brief, einen Tag nach der Hinrichtung deines Vaters. Ich möchte, dass du weißt, dass ich deinen Vater sehr geliebt habe und oft an ihn denke. Du bist das größte Geschenk, was mir zuteil werden dürfte. Du bedeutest deinem Vater sogar noch mehr als das One Piece, du bist sein größter Schatz. Es tut ihm leid, dass er weder bei deiner Geburt noch bei deinem weiteren Leben dabei sein kann, aber du bist unser Kind, du schaffst das! Leider werde auch ich nicht sehen, wie du aufwächst, wie du anfängst zu laufen, dein erstes Wort sprichst oder wie schrecklich du in deiner Pubertät sein wirst. Ich hoffe, dass ich es noch so lange aushalte dich in mir zu tragen, bis die Marine endlich die Suche nach uns Beiden einstellt. Mein Bauch ist nämlich mittlerweile so dick, dass ich nicht mal mehr meine Füße sehen kann. Die Schwangerschaft kostet mich all meine Kraft, ich weiß, wie das enden wird. Ich kann verstehen, dass du wütend bist, aber ich liebe dich einfach viel zu sehr, als das ich zu lassen könnte, dass dir etwas passiert. Hoffentlich hast du das Aussehen deines Vaters geerbt und nicht seinen Charakter, denn er hatte immer ein erstaunliches Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Wobei ich nichts dagegen hätte, wenn du denselben Beruf wie er wählst. Dieses Leben ist zwar schwierig, aber es hätte deinen Vater sehr gefreut. Wenn du ein Mädchen geworden bist, dann beachte den letzten Satz einfach nicht, es sei denn, du hast, wie viele Männer und wenige Frauen, auch diesen Traum. Ich weiß, dass dein Leben nicht einfach wird, aber egal, wie sehr du das Schicksal auch verfluchst und hasst oder der Titel deines Vaters dich in Schwierigkeiten bringt, ich will, dass du lebst. Das du lebst ohne Reue, ohne Zwang, dein Ziel immer im Blick und vor allem, dass du glücklich wirst. Noch mal alles Gute zum Geburtstag mein Baby! Deine, dich über alles liebende, Mutter. Auf einigen Stellen des Papiers waren eingetrocknete Tränenränder zu sehen, die ihre Mutter damals vergossen hatte. Auch Carina hatte Schwierigkeiten, ihre Tränen zurückzuhalten. „Ich liebe dich auch Mama“, wisperte sie leise und schloss gequält die Augen. „Ich könnte dir doch nie böse sein. Und jetzt tut es mir auch leid, dass ich Vater all die Jahre die Schuld gegeben habe“, dachte sie und wischte sich schnell über die feuchten Augen, als Souta den Raum wieder betrat. „Sie hat mich sehr geliebt, nicht wahr?“, richtete sie auch sogleich das Wort an ihn und er nickte. „Über alles. Mehr als ihr eigenes Leben!“ Sie atmete zittrig ein und stand auf. „Es tut mir leid“, sagte sie dann. „Wegen mir musste sie sterben. Sie war deine beste Freundin, ich wünschte, es hätte nicht so weit kommen müssen.“ Souta musterte sie kurz, dann legte er ihr eine Hand auf die Schulter. Verwundert sah sie auf, direkt in sein lächelndes Gesicht. „Glaube mir, ich habe mehr als einmal versucht, sie von diesem Entschluss abzubringen, aber sie hatte sich schon längst für den Tod entschieden. Sie hatte sowieso immer die Eigenschaft, sich für andere aufzuopfern. Anders kannte ich sie gar nicht. Dein Bruder und du, ihr könnt stolz auf sie sein.“ Carinas Lächeln verschwand abrupt. „Was?“, entfuhr es ihr verwirrt. Wovon redete Souta bitte schön? Auch Souta schien nun verwirrt zu sein. „Na, dein Bruder. „Was für ein Bruder? Ich bin ein Einzelkind.“ Carina wurde immer panischer, was sie von sich selbst gar nicht gewohnt war. „Äh…nein, bist du nicht.“ Er schien kurz nachzudenken, dann breitete sich ein wissender Ausdruck auf seinem Gesicht aus. Er schlug sich die Hand an die Stirn und presste, wie es Carina vorkam, wütend die Lippen zusammen. „Garp, dieser raffinierte Mistkerl“, flüsterte er, aber Carina verstand nur Bahnhof. „Rouge brachte Zwillinge zur Welt“, sagte er dann und das war der Moment, als Carina kurzzeitig die Luft wegblieb. Ihre Knie gaben nach und sie wurde gerade noch von Souta gestützt und auf einen Stuhl verfrachtet. „Das…das kann nicht sein. Völlig unmöglich“, keuchte sie, vollkommen aus der Fassung gebracht. „Dein Bruder ist nur wenige Sekunden jünger als du, er war gerade erst geboren, als Rouge starb. Sie hielt ihn währenddessen im Arm. Ich bin sicher, dass Garp euch getrennt hat, damit die Wahrscheinlichkeit geringer wird, dass ihr enttarnt werdet. Oder falls man einen von euch findet, dass der Andere weiterlebt.“ „Wie ist sein Name?“, fragte sie ihn leise, beinahe schon aufgeregt. Sie konnte ihre momentane Gefühlswelt nicht beschreiben. Sie fühlte auf einmal so viele Dinge auf einmal. Unglaube über das Gesagte. Angst, dass es eine Lüge war. Hoffnung, dass sie wirklich einen Bruder hatte. Wut über Garps eigensinnige Entscheidung, sie voneinander zu trennen. Und das stärkste Gefühl von allen. Liebe. Liebe zu einer Person, die sie noch nicht einmal kannte, die vielleicht nicht mehr existierte. Doch das einzelne Wort, das nun Soutas Mund verließ, fegte durch ihren Kopf, ließ schwere Leere zurück. „Ace.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)