Hanging By A Moment von SarahSunshine (Naruto OS-Sammlung | NEU: Neji x Hanabi) ================================================================================ Kapitel 9: I'm not him (Teil 3) ------------------------------- Der Rückweg nach Konoha war anstrengender und dauerte mit dem angeschlagenen Shinobi länger als die Hinreise nach Iwagakure, aber die beiden kamen an und das war alles was zählte. Tief in der Nacht schritten sie durch das Tor in ihr Heimatdorf. Die zwei Torwächter musterten die Neuankömmlinge und nickten ihnen kurz zu, als sie sie erkannten. Endlich konnten sie die heimische Luft wieder atmen, in ihren Betten schlafen. Doch all diese Dinge waren für Rin bloß nebensächlich, bevor sie Kakashi nicht ins Krankenhaus gebracht hatte. Ohne Widerworte ließ er sich genau dorthin bringen. Während er untersucht wurde, wartete die Kunoichi vorne im Empfang, bis eine Schwester ihr mitteilte, dass Kakashi noch im Krankenhaus bleiben musste, damit sie ihn beobachten und seine Blutproben auswerten konnten. „Kann ich zu ihm?“, fragte Rin nach und folgte der Schwester, als sie ihr den Weg zeigte. Ihr war gestattet, den Ninja alleine sehen zu dürfen, weshalb sie ohne Begleitung in Richtung des Zimmers ging. Es konnte sein, dass ihr Partner bereits schlief, das würde die Chuu-Nin aber nicht stören. Leise schob sie die Tür auf und trat ein. Der Shinobi lag in einem Ein-Bett-Zimmer, also hatte er seine Ruhe, und wie erwartet schien er zu schlafen. Sie nahm auf einem der Stühle neben dem Bett platz und blies flach die Luft zwischen ihren Lippen hervor. Sein Brustkorb ging gleichmäßig auf und ab, seine Augen waren geschlossen, also schlief er wirklich. Das gab Rin die Möglichkeit noch einmal über alles nachzudenken, was in den letzten Tagen passiert war. So kam es dazu, dass sie die ganze Nacht im Krankenzimmer von Kakashi verbrachte. Die Nachricht, dass seine Freundin wieder im Dorf war, erreichte Genma direkt am nächsten Morgen als er sich eigentlich für eine Mission melden wollte. Er hörte nur die Namen Rin und Kakashi in Verbindung mit dem Wort Krankenhaus, da hatte er auf dem Absatz Kehrt gemacht und war auf dem Weg in die Klinik. Am Empfang erkundigte der Jo-Nin sich erst nach seiner Freundin, über die allerdings kein Eintrag existierte. „Und Kakashi Hatake?“ Für ihn bekam er eine Auskunft, bei der er aber nur bis zur Zimmernummer zuhörte. In seiner Eile vergaß er selbst das Anklopfen und stürmte einfach in den Raum. Der Patient schlief noch immer seelenruhig auf dem Bett, während Rin auf dem Stuhl eingeschlafen war, nur ihre Hand hatte die des Shinobi fest umschlossen. Ein merkwürdiges Bild, was sich Genma dort bot. Plötzlich hatte er ein unangenehmes Gefühl im Magen, ausgelöst durch diesen Anblick. Er musste sich eingestehen, dass die Eifersucht ihn schon die letzten Tage ziemlich an ihm genagt hatte, was jetzt nur noch mehr bestärkt wurde. Ohne darauf zu achten, ob er Geräusche verursachte oder nicht, trat er auf Rin zu und legte ihr seine Hand auf die Schulter, woraufhin sie zusammenzuckte. Müde hob sie ihren Kopf an, rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Mhh~“, machte sie verwirrt, stieß kurz darauf ein herzhaftes Gähnen aus. Sie entdeckte ihren Freund, sah ihn überrascht an. „Genma? Was machst du denn hier?“, fragte die Chuu-Nin irritiert. Mit ihm hätte sie wohl am wenigsten gerechnet, zumindest zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort. „Ich hab’ gehört, dass du wieder in Konoha bist. Als das mit dem Krankenhaus zusammen kam, da dachte ich, dass dir etwas passiert ist und ich bin sofort hergekommen“, erklärte der Jo-Nin, legte ihr damit seine Gefühle offen, sodass sie aus seinem Gesicht ablesen konnte, dass solch eine Nachricht ihn in Alarmbereitschaft versetzt hatte. „Geht’s dir gut?“, hing er noch mit dran, um sich zu vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung mit ihr war, jedenfalls sah es auf den ersten Blick nicht so aus als hätte sie irgendwelche schweren Verletzungen, aber Rin war es auch nicht, die im Krankenbett lag, sondern Kakashi. „Mir geht’s gut“, antwortete sie leise und versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, das ihn etwas ruhiger stimmen sollte. „Ich bin nur ein bisschen erschöpft und müde.“ Ihre Augen fielen beinahe wieder zu, aber sie bemühte sich wach zu bleiben. „Komm, ich bring’ dich nach Hause, dann kannst du dich dort ausruhen.“ Jeder Ort wäre bequemer als der enge Besucherstuhl, zumindest dachte er das. Er bot ihr seine Hand an, um sie prompt auf die Beine zu ziehen. Doch kam stand sie, kippte ihr Oberkörper nach vorne und sie lehnte sich an die Brust des Jo-Nin. Ihm stellte sich die Frage, was während der Mission vorgefallen war, dass Kakashi im Krankenhaus lag und Rin so fertig war, aber es erschien ihm noch als zu früh, sich danach zu erkundigen. Genma begleitete seine Freundin also in ihre Wohnung, damit sie sich ins Bett legen und noch eine Runde schlafen konnte. Kurz nachdem der junge Mann Rin sicher in ihrer Wohnung abgesetzt hatte, spazierte er nachdenklich durch die Straßen seines Heimatdorfes. Vor seinen Augen hatte er noch immer das Bild von Kakashi und Rin im Krankenzimmer, wie sie seine Hand gehalten hatte. Es beunruhigte ihn, und das, obwohl er gar keinen Grund dazu hatte – oder etwa doch? Machte Kakashi ihm Konkurrenz oder war es einfach Rins alltägliche Fürsorge für jedermann? Nahm er diese klitzekleine Sache zu ernst? Er schüttelte heftig seinen Kopf. Wenn er sich zu viele Gedanken machte, käme dabei nur irgendein Mist heraus. Das hieß: er musste warten, bis er mit seiner Freundin oder notgedrungen mit Kakashi sprechen konnte. Doch Gedanken und Zweifel ließen sich nicht so ohne weiteres abstellen, was er deutlich zu spüren bekam. Es war nicht sehr viel los auf Konohas Straßen und die Stille lud förmlich dazu ein, nachzudenken. Einen gequälten Seufzer ausstoßend, spuckte er den Zahnstocher aus einem Mundwinkel auf den Boden. „Hey du!“ Überrascht drehte der Ninja sich um, damit er sehen konnte, wer ihn da rief. Ein kleines Mädchen mit hellblondem Haar, das zu zwei Zöpfen gebunden war, und großen blauen Augen stand ein paar Schritte von ihm entfernt. „Meinst du mich?“, fragte er und deutete mit seinem Finger auf sich. „Ja!“, antwortete das Kind laut und stimmte ihre Hände gegen ihre Hüften. „Man spuckt seinen Müll nicht so einfach auf die Straße!“ Daraufhin verdrehte der Ältere seine Augen. „Bist du die Reinlichkeitspolizei oder was?“ Erst folgte ein verwirrter Gesichtausdruck, dann verengte sie ihre Augen. „Heb’s auf!“ „Wie bitte?“ „Ich hab gesagt, du sollst es aufheben! Oder hörst du schlecht?“ Für so einen kleinen Zwerg hatte sie ein ziemlich großes Mundwerk. „Und wenn nicht?“, fragte Genma interessiert. Das führte dazu, dass das Kind seine Wangen aufblähte. „Dann hol ich meinen Papa! Er ist der beste Ninja aus dem Dorf!“ Das brachte den Jo-Nin zum Lächeln. Wie schnell seine Meinung von nervig auf süß wechseln konnte, war erstaunlich. „Na los!“ Abwehrend hob er seine Hände und ging dann in die Hocke, damit er den Zahnstocher wieder aufheben konnte. „Siehst du? Alles prima.“ Der böse Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein zufriedenes Lächeln. „Ino!“ Ein großgewachsener Mann mit langem, mittelblondem Haar kam um die Ecke und steuerte das Mädchen an. Kaum hatte er sie auf den Arm genommen und dann auf seine Schultern gesetzt, fing sie an zu lachen und auch Genma lächelte. Als Inoichi ihn erkannte, nickten die beiden Männer sich zu, gingen dann aber ihre eigenen Wege. In einem komfortablen Einzelzimmer des Konoha Krankenhauses lag Kakashi im Bett, hielt seine Augen geschlossen, schlief aber nicht. Dafür nahm er jegliche Geräusche und Gerüche in seiner Umgebung viel deutlicher wahr. Er hörte die Schritte der Schwestern und Ärzte, wenn sie durch den Flur liefen, das Gekicher, wenn sich auf den Fluren jemand unterhielt, die quietschenden Rollen des kleinen Wagens, auf dem die Medikamente transportiert wurden. Und dann waren da diese schweren Schritte, die sich eindeutig von den anderen unterschieden. Sie passten zu keinem Arzt und keiner Schwester, denn die hatte alle einen leichten und schnellen Gang. Vor seinem Zimmer endeten die schweren Schritte. Die Zimmertür wurde aufgeschoben und jemand kam herein, ging bis zu dem Besucherstuhl, auf dem vor ein paar Stunden Rin noch gesessen hatte, und setzte sich auf ihn. „Ich weiß, dass du nicht schläfst, Kakashi.“ Nur ein schwaches Schmunzeln umspielte die Lippen des Angesprochenen, welches sich angedeutet unter seiner Maske abzeichnete. „Man kann Sie nicht täuschen, Hokage-sama.“ Der Hokage der dritten Generation, nach dem tragischen Tod des Vierten erneut im Dienst, saß mit seiner weiß roten Robe in dem Besucherstuhl, hatte ein wachsames Auge auf seinen Ninja geworfen, und doch konnte er über die Worte des Jüngeren lachen. „Das ist wahr.“ Die beiden Männer verfielen ins Schweigen. Kakashi wusste nicht warum, aber er fühlte sich nicht wohl, wenn dieser durchdringende Blick des Hokage auf ihn gerichtet war. „Was verschafft mir die Ehre?“, durchbrach der Shinobi schließlich die Ruhe, immerhin war der Hokage ein wichtiger und vielbeschäftigter Mann. „Ich wollte nach dir sehen, Kakashi. Mir wurde gesagt, dass Rin die Pflanze, nach der ihr suchen solltet, verwendet hat, um dich zu entgiften. Wie fühlst du dich jetzt?“ „Es geht mir gut“, antwortete der Patient. „Mein Blut soll noch ausgewertet werden, aber ansonsten bin ich fit.“ Das Oberhaupt des Dorfes nickte verstehend. Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und eine Schwester mit einem Klemmbrett im Arm kam in das Zimmer herein. „Guten Morgen, Hatake-san, Hokage-sama.“ Die beiden Männer nickten freundlich als Begrüßung. „Ich habe hier die Blutwerte… und es ist alles bestens, keine Anzeichen einer Vergiftung und keine Spuren eines Giftes.“ Sobald die junge Frau das Krankenzimmer verlassen hatte, erhob sich auch der Hokage aus seinem Stuhl. „Wunderbar. Ich muss dann auch wieder an die Arbeit. Ruh dich noch ein bisschen aus, Kakashi.“ Kaum war der Ninja wieder alleine, seufzte er einen Moment auf. Er verstand den ganzen Rummel um ihn herum nicht, immerhin war sein Zustand gut – zumindest hatte er nichts auszusetzen. Seine Fiebererscheinungen jedoch hatten ihm zu denken gegeben. Das Gespräch mit Obito, ob nun real oder nicht, machte ihn nachdenklich. Er wusste nicht mehr, ob das, was er tat, wirklich das Richtige war. Sein Hauptziel war es, Rin zu beschützen, für Obito. Nach einer guten Stunde schlug der Shinobi seine Decke bei Seite und stand auf. In dem kleinen Schrank gegenüber vom Bett lagen frische Klamotten, die er sich überzog, um nach Hause gehen zu können. Kaum hatte er die Tür aufgeschoben, stand der nächste Besucher vor ihm. Sein von Kindestagen an Rivale: Maito Gai, der ich mit seinem typischen Grinsen begrüßte und zu einem kleinen Duell herausforderte. Eine willkommene Ablenkung, um die Gedanken an seinen toten Freund erst mal in eine hintere Ecke seines Hirns zu schieben. Es vergingen knapp zwei Wochen, die sich für Genma wie eine Ewigkeit anfühlten, denn Rin hatte sich verändert seit sie von der Mission wieder da war – das konnte sogar ein Blinder sehen. Sie war ganz versunken in ihre eigene Welt, vertieft in ihre Gedanken, wirkte oft abwesend, wenn er mit ihr zusammen war. Ihn ließ das Gefühl nicht los, dass sie mit ihren Gedanken bei einer ganz bestimmten Person war: bei Kakashi. Sie hatte ihm von der Mission erzählt und dass der ANBU sie vor dem vergifteten Pfeil gerettet hatte. Ein Grund, ihm zu danken hatte der junge Mann also, aber er redete sich ebenso ein, genügend Gründe zu haben, es nicht zu tun; wie zum Beispiel die Art und Weise, wie Kakashi die Kunoichi behandelte, wie er sie immer wieder vorsätzlich verletzt hatte. In diesem Moment saß das Pärchen auf einer ruhigen Grünfläche, Genma an einen Baumstamm und Rin an seine Schulter gelehnt. Sie atmete tief, schien immer mal wieder einen Seufzer auszustoßen, aber er verstand nicht wieso. Sie hatte es ihm verschwiegen, die Worte von Kakashi, sein Geständnis, und war das nicht ein offensichtlicher Vertrauensbruch? Andererseits wollte die junge Frau ihren Freund auch nicht verunsichern, aber dann müsste sie doch nur sagen, dass es ihr nichts ausmachte, worin das Problem lag: es machte ihr nämlich etwas aus. Dabei konnte sie sich nicht einmal sicher sein, ob seine Worte ernst gemein waren, denn seitdem hatten sie nicht mehr darüber geredet, was sie nicht daran hinderte, sich stundenlang ihren Kopf zu zerbrechen. Dass Genma dadurch langsam skeptisch wurde, nahm sie nur am Rande wahr. Sie wollte ihn und ihre Beziehung damit nicht belasten, das redete sie sich ein, doch in Wirklichkeit rückte sie dem Abgrund dadurch nur noch näher… „Rin? Hörst du mir zu?“ So verwirrt wie sie aussah, tat sie das wahrscheinlich nicht. „Ich… ehm… klar!“ Überzeugend wirkte ihr Einwurf nicht unbedingt und wenn er sie jetzt fragen würde, was er gesagt hatte, könnte sie es sicher nicht wiederholen. „Tut mir leid… was hast du gesagt?“ Sie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf, das so unheimlich falsch aussah, dass es einfach durchschaubar war, was der Jo-Nin zu ignorieren versuchte. „Wie wäre es, wenn wir ein paar Tage Urlaub machen? Raus aus Konoha… nur wir beide“, wiederholte er seinen Vorschlag, die Enttäuschung über ihr Verhalten überspielend. Ihre Reaktion fiel nicht aus wie erhofft. Anstatt eines freudigen Lächelns begleitet von einem energischen Nicken wurde ihm ein nachdenklicher Blick und ein Seufzen entgegen geschleudert. „Ich weiß nicht…“ Nein, das war es wirklich nicht, was er erwartet hatte. Sie zeigte nicht einmal annähernd Interesse, geschweige denn irgendwelche Aufmerksamkeit ihm gegenüber. Das fiel ihr dann auch auf, weshalb sie zu einer Entschuldigung ansetzen wollte: „Genma… ich meine damit nicht… also…“ Dummerweise hatte sie sich spontan keine plausible Erklärung einfallen lassen können – wahrscheinlich wäre auch keine überzeugend genug gewesen. Der Jo-Nin zog seinen Arm zurück und erhob sich seufzend von der Decke. „Genma?“ Er spürte den fragenden und verwirrten Blick in seinem Rücken, auf den er nicht eingehen wollte. „Ich hab’ noch einen Termin, wir sehen uns dann später.“ Genma ging seines Weges, ließ seine Freundin alleine auf der Wiese zurück. Auf der Suche nach Antworten wurde der Shinobi in eine ganz bestimmte Richtung, zu einer ganz bestimmten Person gelenkt, die in diesem Augenblick vor dem Gedenkstein stand. Es fiel ihm schwer, seine Gefühle im Zaum zu halten, dafür war er einfach zu aufgewühlt, zu verzweifelt. Rin wollte nicht mit ihm reden, wo also sollte er sonst seine Antworten bekommen? „Hey, Kakashi!“ Mit großen Schritten trat er auf den ANBU zu, bis er direkt vor ihm zum Stehen kam. Er griff nach Kakashis Kragen, zog ihn aufgebracht an sich heran. „Was hast du mit ihr gemacht?!“, knurrte Genma. „Was ist passiert, als ihr beide zusammen auf Mission wart?!“ Kakashi gab sich unwissend, zuckte mit den Schultern und unterstrich seine vorgegebene Ahnungslosigkeit mit den Worten: „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Der Griff des Jo-Nin wurde fester, seine Fäuste zitterten bereits. „Verarsch mich nicht, Kakashi! Du hast sie wie Abschaum behandelt, du hast sie ignoriert und nichts, absolut nichts von ihren Gefühlen gehalten, und dann… ja dann nimmst du sie urplötzlich auf eine Mission, von der sie vollkommen verändert zurückkehrt?! Und du hast keine Ahnung wovon ich spreche?!“ Was spielten die beiden eigentlich für ein Spiel? Keiner wollte ihm etwas sagen und er konnte niemanden sonst fragen. Die Reaktion des ANBU war noch immer ein unwissentliches Schweigen. „Weißt du was?! Du kannst mich mal!“ Er stieß ihn weg und drehte ihm den Rücken zu. Die beiden verheimlichten etwas, aber er würde herausfinden was es war, komme was wolle. Relativ spät am Abend saß Rin in ihrer Küche, hatte ein Buch vor sich liegen, in das sie herein schrieb. Da ihre Gedanken ihr keine Ruhe ließen und sie niemanden hatte, mit dem sie reden konnte, hatte sie sich für eine altmodische Art entschieden, ihren Gefühlen Luft zu machen: Tagebuch schreiben. Kurenai war auf einer Mission und die einzige Person, mit der sie hätte reden wollen. Gerade als sie die zweite Seite mit ihrem Kummer, ihren Zweifeln und Fragen, ihren Ängsten und Problemen gefüllt hatte, klopfte jemand an ihrer Wohnungstür. Sie erwartete niemanden mehr – nicht einmal Genma nach seinem Abgang vor ein paar Stunden – weshalb sie überlegte, gar nicht erst aufzumachen, bis sie seine Stimme hörte. Den Stift in der Buchmitte abgelegt, ging sie hektisch zur Tür, um sie zu öffnen. „Genma…“ Sie hatte nicht gedacht, ihn so schnell wiederzusehen. „Hast du Lust auf einen Spaziergang?“, fragte der Jo-Nin und schaffte es sogar, ein kleines Lächeln zu Stande zu bringen. „Klar… Ich zieh mir nur etwas Anderes an. Willst du so lange reinkommen?“ Die junge Frau machte einen Schritt zur Seite, um ihm zu symbolisieren, dass er hereinkommen sollte, was er dann auch tat. „Ich bin gleich wieder da.“ Damit war sie im Schlafzimmer verschwunden. Wie der Zufall es so wollte, trat Genma in die Küche, wo er sich ein Glas Wasser nahm und das Buch auf dem Tisch entdeckte. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf die vollgeschriebenen Seiten. Dabei las er ungewollt etwas, das nicht für ihn bestimmt war, was ihm aber dafür eine wichtige Frage beantwortete. Das war genau diese eine Sache gewesen, vor der er sich gefürchtet hatte, die ihm immer im Hinterkopf herumgeschwebt war. Sollte er es einen wahr gewordenen Alptraum nennen oder klang das zu übertrieben? Diese Information war der Windhauch, der sein mühsam aufgebautes Kartenhaus mit einem Mal ineinander zerfallen ließ. Unbemerkt verschwand er aus der Küche, um seine Position im Flur wieder einzunehmen, damit er ja nicht den Anschein erweckte, in Rins kleinem Buch gelesen zu haben. Als sie aus dem Schlafzimmer kam, schien sie es ihm auch nicht anzusehen, zumindest gab sie keine Bemerkung von sich. Stattdessen fragte sie mit unsicherer Stimme, ob sie gehen wollten, was Genma mit einem Nicken bestätigte. Der Trubel in den Straßen von Konoha hatte sich gelegt, die meisten Anwohner hatten sich bereits in ihren Häusern verkrochen. Man konnte vereinzelt das Maunzen einiger streunender Katzen und das Zirpen von Grillen hören. In diesem Konzert aus Tierlaufen spazierte das Pärchen durch sein Heimatdorf. Als die Kunoichi nach der Hand ihres Freundes griff, erwiderte dieser den Druck nicht, er streichelte auch nicht mit seinem Daumen über ihren Handrücken oder zeigte sonstige Annäherungsversuche – vielleicht war er ja noch immer sauer? „Alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig und sah ihn an, musterte das markante Profil, aus dem sie keinen genauen Ausdruck erkennen konnte. Die beiden verließen das Wohngebiet, betraten einen kleinen Park. Rin wartete gespannt auf seine Antwort, doch es kam nichts zurück, jedenfalls so lange nicht, bis sie einfach stehen blieb und da sie seine Hand festhielt, war auch er dazu gezwungen, anzuhalten. „Was ist los Genma?“ Der Jo-Nin versuchte seine Gedanken und Gefühle zu ordnen, schon seit sie die Wohnung verlassen hatten. Er suchte nach den richtigen Worten, einer Erklärung, einer Entscheidung. Doch als sie ihn so überfiel, stand plötzlich alles still. „Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein…“, schoss es aus ihm heraus, vollkommen unüberlegt. Das waren Worte, von denen er sich niemals erträumt hätte, sie jemals zu ihr zu sagen. Ihr darauf folgendes entsetztes „Was?“ bewies ihm, dass da wenigstens noch etwas Liebe war – und diese Feststellung hätte ihn fast lächeln lassen. Er drehte sich nicht um, grinste Rin verschmitzt an und sagte, dass das alles nur ein Scherz war – und wenn dem so sein sollte, war der verdammt schlecht. Sie hielt noch immer seine Hand fest, in der Hoffnung, er machte wirklich nur einen dummen Witz, aber er sagte nichts, absolut gar nichts. „I-ich versteh’ das nicht… Genma bitte… sag mir, dass das nicht wahr ist!“ Sie spürte wieder diese Verzweiflung in ihrem Inneren, die sie auch schon im Wald überkommen hatte. Er durfte sie nicht verlassen, sie wollte nicht noch einen geliebten Menschen verlieren, sie… „Es ist aber wahr, Rin…“ Ganz langsam wurden ihre Finger lockerer, gaben seine Hand frei. Sie starrte auf den Boden, vollkommen verloren und haltlos wusste sie nicht, was sie sagen oder tun sollte, wusste nur, dass sich in ihrer Brust gerade etwas schmerzlich zusammenzog. Diese Stille zwischen ihnen machte diesen Schmerz noch schlimmer, unerträglicher. Doch dann wollte er plötzlich gehen und sie kam wieder ins Leben zurück. „Warte!“ Sie stand hinter ihm, hielt mit ihren Händen krampfhaft seinen Pullover fest, um ihn am Verschwinden zu hindern. „Lass mich nicht alleine, bitte…“ Was blieb ihr anderes übrig als zu flehen, als zu bitten, als zu hoffen? Was sollte sie sonst versuchen? Doch an dem Shinobi prallte es ab wie eine schwache Welle an einer massiven Felswand. Er reagierte nicht auf ihre Worte, stand wie angewurzelt auf der Stelle und sagte nichts. „Warum, Genma? Warum gibst du uns auf?“, fragte sie mit zittriger Stimme, den Tränen nahe und nicht gefasst auf das, was er ihr gleich sagen würde. „Weil ich dich nicht mehr liebe, Rin.“ Sie erstarrte, hielt für einen Moment die Luft an und löste schlagartig den Griff von seinem Pullover. Diese Aussage, diese Besiegelung für das Ende ihrer Beziehung, hatte sie vollkommen unvorbereitet getroffen, war wie ein Schlag direkt ins Gesicht, warf sie aus der Bahn. Den Moment der Freiheit und des Schocks nutzend, setzte Genma einen Fuß vor den anderen, entfernte sich mehr und mehr von der perplexen Rin, die das alles erst mal verdauen musste. Es war gegen seinen Willen, gegen seinen Instinkt sie so hinter sich zurückzulassen, sie zu belügen, zu verletzen, und doch tat er es, stieß sie einfach von sich. Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen trat er um die nächste Ecke auf den Gehweg. Sollte sie sein Gesicht sehen, würde sie die Lüge erkennen, die Tränen sehen, und das durfte sie einfach nicht. Er schlug wütend gegen den hohen Holzzaun, der ein Grundstück vom Weg trennen sollte, woraufhin ein kleines Loch entstand. Er war enttäuscht. Enttäuscht von sich und der Welt. „Ich bin nicht er…“ Sobald Rin wieder bei sich war, bewegten ihre Beine sich fast automatisch. „Genma!“ Sie lief zu der Stelle, an der er eben noch gewesen sein musste, wo er abgebogen war, doch er war nicht mehr zu sehen, nicht mehr dort. „Genma…“, hauchte sie zersträubt, drückte ihre geballte Faust an ihre schmerzende Brust. Das Atmen fühlte sich auf einmal so schwer an, als würde ihr die Luft abgeschnürt werden. Die junge Frau ging den Weg entlang, ihren Blick gesenkt, einen Arm unter der Brust verschränkt und ihre Hand an ihren Oberarm klammernd. Sie hatte kein Ziel, keinen Plan, keinen Ort, an den sie in diesem Augenblick wollte. Trotz alledem erreichte sie schon bald den Gedenkstein von Konohagakure, vor dem sie sich auf die Knie ging. Und dann kamen sie: die Tränen der Trauer, des Verlustes. „Obito…“, schluchzte sie leise, starrte auf das dunkle Gestein vor sich. „Ich wünschte… ich wünschte, ich wäre damals an deiner Stelle gestorben… Ich wünschte, du könntest jetzt hier sein und leben…“ „Sag so etwas nicht…“ Erschrocken drehte die Kunoichi sich um, entdeckte ihn: Kakashi, wie er seelenruhig nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. Er war dort gewesen, die ganze Zeit schon, aber sie hatte ihn nicht bemerkt, er hatte ihre Worte gehört und sich nicht mehr zurückhalten können. Ihre verweinten Augen und der plötzliche Todeswunsch ließen ihn nicht unberührt. „Was willst du hier, Kakashi?“ Doch so wie es aussah, schien sie nicht einverstanden mit seiner Anwesenheit zu sein, obwohl er ihr nichts Schlechtes wollte, eher im Gegenteil. „Was ist passiert?“, fragte er nach, besorgt und nicht brüsk. Dieses Mal vermochte er nicht sie auf Abstand zu halten, den Unnahbaren zu geben oder sie einfach stehen zu lassen, nein, dieses Mal wollte er es richtig machen! Obwohl sie nichts sagte – und ihm damit vermittelte, dass sie ihn nicht bei sich haben wollte – überbrückte er die letzten Schritte zu ihr kommentarlos. Jetzt galt es, hartnäckig zu bleiben, ob sie ihn nun bei sich haben wollte oder nicht. Sie war in einer schlechten Verfassung, da konnte sie wohl kaum alleine bleiben – er fragte sich sowieso, wo Genma steckte, da er ihr sonst auch nicht von der Seite wich, vor allem nicht, wenn sie todtraurig war. „Rin…“, flüsterte der Shinobi sanft und legte seine Hand auf ihrer Schulter ab. Dabei bemerkte er, wie ihr zierlicher Körper zitterte, nein bebte. Ein weiteres Schluchzen kam über ihre Lippen, als sie seine Berührung spürte. All ihre Gefühle kochten in ihr hoch; die Trauer vermischte sich mit Wut und Verwirrung, wodurch sie die Kontrolle über ihren Körper verlor. Sie schlug seine Hand weg, stand im nächsten Moment fest auf ihren Füßen. „Du hast gesagt, dass du mich liebst.“ Plötzlich schlug sein Herz einen Takt schneller und sein Mund wurde trocken, er fühlte sich so ertappt, was untypisch für den ANBU war und er wusste nicht, welches seiner Gefühle er ihr offenbaren sollte. „Im Wald… als du Fieber hattest und angeblich mit Obito geredet hast!“ Sie sah ihn an wie noch nie zuvor, so wütend und enttäuscht. Er hatte sich bereits verraten, also war es zwecklos, sich rauszureden, sich irgendeine Lüge einfallen zu lassen. „Wie lange schon? Noch bevor ich mit Genma zusammen war? Und warum hast du mir nichts gesagt? Du wusstest… Du wusstest ganz genau, was ich für dich empfinde!“ Die Wut ließ noch mehr Tränen über ihre geröteten Wangen kullern und von ihrem Kinn tropfen, ließ sie noch mehr schluchzen und erschwerte ihr weiterhin das Atmen. „Warum, Kakashi?“ Die Tränen einer Frau schlugen beinahe jeden Mann in die Flucht – vor allem dann, wenn ihnen klar gemacht wurde, dass sie der Grund für die Tränen waren – und auch Kakashi rang mit sich, nicht einfach auf der Stelle zu verschwinden. Er war ihr Antworten schuldig, zu viele Antworten. „Er hat mich verlassen, Kakashi… du brauchst also keine Angst haben, etwas zu zerstören, falls du überhaupt jemals Angst davor gehabt haben solltest…“ Reue kam in dem Shinobi hoch. Dabei hatte er das nicht einmal vorsätzlich gesagt oder getan. Nur verstand er jetzt auch die heftige Reaktion von Genma, als sie aufeinander gestoßen waren. „Das wollte ich nicht, ehrlich Rin…“ Das klang wie ein billiger Versuch, etwas wieder gut zu machen, das er zerstört gemacht hatte, das er nicht retten konnte. „Was willst du dann?!“ „Ich will dich nur beschützen!“ Sie sahen sich an, sahen sich tief in die Augen. Die Luft um sie herum war wie aufgeladen durch diesen hitzigen Streit. „Ich dachte, ich kann nicht auf dich aufpassen, wenn ich mir diese Gefühle eingestehe, wenn sie mich ablenken, ich dachte, dass ich dich damit vielleicht in Gefahr bringen würde, aber dann habe ich mit Obito gesprochen!“ Eigentlich war Kakashi kein Mann der großen Worte, aber diesmal hatte er so viel zu sagen. „Er hat mir klar gemacht, dass ich diese Verantwortung nicht so einfach abtreten kann. Ich habe ihm versprochen auf dich zu achten, Rin! Ich wollte dieses Versprechen nicht brechen, indem ich mich in dich verliebe und dadurch vielleicht unachtsam werde! Deswegen habe ich dir nichts gesagt, deswegen habe ich dich auf Abstand gehalten!“ Der junge Mann machte einen Schritt auf seine Teamkameradin zu und hob zaghaft seine Hand. „Ein Ninja muss seine Gefühle verbergen können, egal wie die Situation aussieht, die Mission hat Priorität und… man darf niemals seine Tränen zeigen…“, flüsterte er diese Vorschrift vor sich hin und strich eine Träne beiseite, auf die direkt die nächste folgte. Sie hatte diesen Weg gewählt, also kannte sie diese Regel. Schweigen. Ein ernüchterndes, fades Schweigen, das die Ladung mit sich dämpfte, die Wut abklingen ließ und nur noch Hilflosigkeit in Rin hinterließ. Sie fühlte sich so klein auf dieser großen Welt. Schluchzend warf sie sich gegen seine Brust, krallte sich an der grünen Weste und suchte Halt, er sollte sie einfach nur festhalten. „Kakashi… Beschütz mich jetzt… bitte…“ Erst überforderte sie ihn mit dieser überschwänglichen Reaktion, aber es war das, was er die ganze Zeit über tun wollte, sie beschützen, vor all dem Schlechten in dieser Welt. Also legte er seine Arme um ihren Körper, hüllte sie in eine sichere Umarmung. „Ich beschütze dich.“ ____________________________________________________________________________ © Ein paar Worte zum Ende: Liebe , ich hoffe, dir haben diese drei Kapitel jetzt gefallen und du bist mit dem Ende auch so zufrieden, wie ich es bin. Es hat mich selber sehr überrascht, dass ich zu drei Personen, mit denen ich mich vorher nie wirklich auseinandergesetzt habe, einen so langen Plot auszuarbeiten und auszuschreiben~ Jedenfalls hat es mir sehr viel Spaß gemacht, mich mal wieder so in die Narutowelt zu versetzen (: Hosted by Animexx e.V. 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