Fate von ChiaraAyumi (A next generation story.) ================================================================================ Prolog: Prologue ---------------- Ihm war von der ersten Sekunde an bewusst, dass er nur träumte. Trotzdem jagte es ihm ein Schauer über den Rücken, als er das Chaos wahrnahm. Die Uhr am Haus gegenüber zeigte an, dass es bereits auf Mitternacht zuging. Die Dunkelheit schien auf ihn niederzudrücken. Es war kein Licht in der Nähe. Daher verwunderte ihn, wie deutlich er alle Dinge erkennen konnte. Die Straße vor ihm war aufgerissen und irgendwas sagte ihm sogleich, dass es kein Erdbeben gewesen war. Hier hatte ein Zauberer seine Finger im Spiel gehabt. Einige Häuser waren eingestürzt und er nahm den Brandgeruch wahr. Irgendwo mussten Häuser brennen, doch er sah nichts. Dafür hörte er jetzt deutlich die Schreie. Er griff in seine Jackentasche und zog sein Zauberstab hervor. Er musste der Sache auf den Grund gehen. Irgendetwas tun. Nur nicht stehen bleiben. Je weiter er ging, desto schlimmer wurde das Chaos, doch immer noch kein Mensch in Sicht. Dafür sah er jetzt die brennenden Gebäude und ihm wurde bewusst, wo er sich befand. Das hier war nicht irgendeine Stadt. Das war London, das lichterloh brannte. Rechts von ihm tauchte der zerstörte Bahnhof King´s Cross auf. Das Dach war eingestürzt und hatte den Bahnhof unter sich begraben. Er wollte nicht daran denken, wie viele Menschen dort zu Tode gekommen waren. Er zwang sich seinen Weg fortzusetzen. Bevor er die Schreie erreichen konnte, sah er seine Tochter. Lily floh vor irgendetwas, doch sie sah ihn nicht hier stehen. Sie lief an ihm vorbei und überhörte seinen Ruf. Er wollte ihr nachsetzen, doch schon im gleichen Augenblick bebte die Erde und weitere Häuser fielen in sich zusammen. Es riss ihn von den Füßen und er verlor Lily aus den Augen. Als sich die Erde wieder beruhigt hatte, beschloss er Lily nicht nachzujagen. Ihr würde schon nichts passieren. Es war schließlich nur ein Traum. Das Chaos würde enden, wenn er aufwachte. Also ging er weiter in Richtung der lauten und immer verzweifelnden Schreie. Er spürte die Nähe von vielen Menschen längst bevor er um die Ecke bog. Dort auf einem großen Platz hatten sich hunderte Tausende Menschen zusammengedrängt. Um sie herum brannte es und keiner konnte dem Feuerkreis entkommen. Er würde den Tod dieser Menschen nicht zulassen. Er wollte gerade den Feuerkreis an einer Stelle löschen, als er Sie sah. Sie trugen lange schwarze Umhänge und Kapuzen verdeckten ihre Gesichter. Erschrocken sah er sich nach dem dunklen Mal um. Doch er konnte es nirgendwo entdecken. Natürlich nicht. Voldemort war gestürzt und die Todesser waren in Askaban oder getötet worden. Wer waren Sie also? Warum überließen sie unschuldige Menschen ihrem Schicksal? Doch seine Gedanken sollten keine Antwort darauf finden, denn er wurde von Ihnen entdeckt. Einer zeigte auf ihn und die Erde durchzuckte wieder ein Beben. Ein weiteres Mal wurde er von den Füßen gerissen, doch dieses Mal war sein Sohn James sofort bei ihm und half ihm auf. Woher kam James denn? Wo waren Lily und Albus? War Ginny hier auch irgendwo? Doch auch seine Fragen mussten ohne Antwort auskommen, denn nun nahm die vorderste Gestalt ihre Kapuze ab und erkannte seine Nichte Rose, die ein finsteres Funkeln in den Augen hatte. Ausgerechnet Rose, die liebenswürdigste in der ganzen Familie, würde niemals London verwüsten und Menschen den Feuertod überlassen. Was für ein völlig verrückter Traum. James zog ebenfalls seinen Zauberstab. Neben ihm tauchten jetzt noch Molly, die Tochter von Percy und Dominique, die Tochter von Bill auf. Auch sie hatten ihre Zauberstäbe in der Hand. Alle schritten nun auf die Kapuzenpersonen zu, deren Anführerin wohl Rose war. Er wollte ganz sicher nicht gegen sie kämpfen. Er wollte nur die Menschen vor ihrem Tod bewahren. Je länger sie hier Zeit verschwendeten, desto schneller hätte das Feuer die Menschenmasse erreicht. Er drehte um und steuert auf die Feuerwand zu. Unter den Menschen machte er das erste Mal Personen aus, die er kannte. Da waren Ron und Hermine, Ginny, George und Angelina, Fleur und Bill und so viele andere, das ihm Tränen in die Augen stiegen und er spürte wie die Wut durch seine Adern schoss. Unverzüglich begann er den Feuerkreis zu löschen, doch die Flammen schlossen die Lücke sofort wieder. Er konnte doch niemanden hier sterben lassen. Der flehende Gesichtsausdruck von Ginny raubte ihm fast den Verstand. Was war hier nur passiert? Warum träumte er so etwas Grauenvolles?! Er wollte endlich aufwachen, um nicht das Ende mit ansehen zu müssen. Wenn er nichts gegen die Flammen ausrichten konnte, was sollte dann nur geschehen. Er schrie laut auf, doch nichts was er versuchte konnte den Feuerkreis bezwingen. Mit Tränen im Gesicht wand er sich verzweifelt ab und sah wieder zu der Gruppe, die längst in ein Duell verstrickt war. Rose und James duellierten sich erbittert. Dann sank ihm das Herz in die Hose. Albus war unter ihnen und trug ebenfalls einen schwarzen Umhang. Er kämpfte gegen seine Cousine Dominique und gewann langsam die Oberhand. Die ganze Familie bekriegte sich. Lily kam auf ihn zugerannt und stürzte geradewegs in seine Arme. Wenigstens eine, die sich nicht an dem Kampf beteiligte. Sie umarmte ihn und hatte Tränen in den Augen. Ihr Blick ging über seine Schulter, wo ihre Mutter und ihre ganze Familie brannten. Er drückte sie an sich und verschloss mit seinen Händen ihre Ohren, damit sie diese ohrenbetäubenden Schreie nicht hören musste. Auf dem Kampffeld unterlag Rose James und brach im grünen Licht zusammen. Zeitgleich starb Dominique in den Armen von Albus. Molly schrie noch lauter als die brennenden Menschen. Er verschloss die Augen und wachte nur wenige Sekunden später wieder auf. Es war dunkel im Schlafzimmer. Ginny hatte sich neben ihn eingerollt und lächelte friedlich im Schlaf. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie sanft auf die Stirn. Ihr Lächeln wurde breiter, doch sie wachte nicht auf. Leise stand er auf und schlich in das Zimmer von Lily. Auch sie schlummerte still und war so lebendig wie sie es sein sollte. Er vergewisserte sich, dass es auch James und Albus gut ging bevor er wieder hinunter in die Küche schlich und sich einen Schluck Milch aus dem Kühlschrank genehmigte. Es war nur ein böser Traum gewesen, doch das bedrohliche Gefühl wollte nicht weichen. Er strich über die blitzförmige Narbe und fragte sich, ob sie schmerzen würde, wenn erneute Gefahr drohen würde. Würde er es wissen können, wenn etwas Schreckliches passieren würde? Er schüttelte den Kopf und machte den Kühlschrank wieder zu. Es war nur ein wirrer Traum gewesen. Er würde sich jetzt schlafen legen und morgen wäre alles wieder wie immer. Es war alles gut. Wie sehr er sich doch dabei irrte. Der Sturm zog gerade erst auf. Kapitel 1: Fate awakes ---------------------- Rose hatte sich geweigert ins Flugzeug einzusteigen. Sie hatte nicht zurück nach Großbritannien gewollt, sondern wäre lieber in Frankreich geblieben. Aber weder ihr Vater noch ihre Mutter ließen sich erweichen. Sie konnte nach der Schule immer noch ein Jahr nach Frankreich gehen, so ihre Mutter. Ihr Vater meinte, dass sie sich nicht so anstellen sollte und nannte sie liebevoll „Rosie“. Ihr Bruder Hugo verdrehte nur die Augen und wartete ab bis der Streit vorbei war. Am Ende hatte Rose verloren und saß nun im Flugzeug zurück nach Hause, wo alle sie schon freudig erwarten würden zum großen Ereignis des Jahres. Rose spielte gedankenverloren mit einer Haarsträhne ihres roten Haar und fragte sich, wie sie sich davor drücken konnte zu diesem großen Ereignis zu gehen, wo sie alle wieder treffen würde. Natürlich freute sie sich darüber, dass Ted und Victoire heiraten würden. Das hatte sich die ganze Familie gewünscht und so wurde ein großes Fest veranstaltet zu dem wirklich jeder eingeladen wurde. Und da lag Roses Problem. Es war wirklich jeder eingeladen worden. Selbst seine Familie. Und das nur weil seine Mutter gemeinsam mit Victoire im St. Mungos arbeitete. Die ganzen Ferien hatte sie den Gedanken an ihn beiseite schieben können, doch jetzt konnte sie nicht mehr ausweichen, wenn ihr nicht spontan ein guter Fluchtplan einfiel. Scorpius Malfoy. Allein seinen Namen zu denken, sollte verboten sein. Rose ärgerte sich über ihre Gefühle. Sie hatte stets ihrem Vater den Gefallen getan und sich nicht mit dem Malfoy abgeben. Sie hatte ihn überhaupt nicht wahrgenommen. Bis zum letzten Schuljahr. In ihrem fünften Jahr war sie Vertrauensschülerin von ihrem Haus Ravenclaw geworden und Scorpius Vertrauensschüler von seinem Haus Slytherin. Zum ersten Mal war er ihr richtig aufgefallen. Und ihr hatte gefallen, was sie sah, was sie wiederum konsequent leugnete. Sie würde sich nicht in Scorpius Malfoy verlieben. Doch dann kam dieser eine Tag, der alles durcheinander brachte und der Grund, warum sie auf gar kein Fall zurück nach Hogwarts wollte. Der Grund, warum sie lieber in Frankreich geblieben wäre und in Beauxbatons die letzten zwei Schuljahre zugebracht hätte. Der Grund, warum sie nicht auf die Hochzeit von dem traumhaftesten Paar aller Zeiten wollte. Weil sie ihn nicht sehen wollte. „Rose.“ Hugo zupfte mit einem Grinsen an ihrem T-Shirt. „Wir sind da.“ Die Rothaarige sah sich überrascht im Flugzeug um. Ihre Mutter hatte auf komplette Muggelferien bestanden gegen was ihr Vater heftigst protestiert hatte, aber ohne Erfolg und so waren sie per Flugzeug geflogen statt mit Portschlüssel oder Flohpulver zu reisen. Rose hatte noch gar nicht bemerkt, dass sie gelandet waren und alle bereits ausgestiegen waren. Das konnte ihre Chance sein. Ihren Bruder zu überwältigen, würde ein Kinderspiel sein. „Rosie?“ Ihr Vater kam zurück und schaute durch die Tür herein. Okay mit ihrem Vater und ihrem Bruder konnte sie es auch noch aufnehmen. Doch dann sah sie ihre Mutter ungeduldig hinter ihrem Vater auftauche. Damit war ihre Chance verschwunden. Gegen alle drei hatte sie keine Chance. Also grübelte Rose weiter über einen Fluchtplan, während sie ihre Eltern und ihrem Bruder durch den Flughafen folgte. Sie starrte verbissen auf die Kofferausgabe und sah sich verstohlen nach Fluchtwegen um. Dabei verpasste sie ihren Koffer, der eine Ehrenrunde auf dem Band drehte. „Du bist heute total schusselig“, bemerkte ihr Bruder. „Hast du etwa deinen Kopf zurückgelassen?“ Sie warf ihrem Bruder einen wütenden Blick aus ihren dunkelblauen Augen zu bevor sie sich weiter mit ihren Fluchtplan auseinandersetzte. Sie hatte zwei Tage Zeit um zu fliehen. „Ob dein Kopf wohl als verlorenes Gepäck zählt?“, rätselte Hugo hinter ihr weiter. Rose war kurz am Überlegen ihm einfach den Hals umzudrehen, aber da sie im Augenblick mit Wichtigerem beschäftigt war, verschob sie es auf später. Es ergab sich den ganzen Weg bis nach Hause keine Chance auf einen Fluchtversuch. Ihre Mutter hatte ein wachsames Auge auf sie, weil sie ihre Tochter nur zu gut kannte. Rose hatte sich schon als kleines Kind verzogen, wenn ihr etwas nicht gepasst hatte. Stundenlang mussten ihre Eltern sie manchmal suchen bis sie so gnädig war und wieder auftauchte, um zu bekommen, was sie wollte. Aber diesmal würde ihre Mutter nicht nachgeben, denn Rose war kein kleines Kind mehr. Also blieb Rose, wo sie war und lauerte weiter auf eine Möglichkeit um zu fliehen. „Rose!“ Ihre Cousine Lucy kam ihr entgegen gerannt und begrüßte sie mit einer stürmischen Umarmung. „Wie war Frankreich? Ist es so schön wie Tante Fleur immer erzählt?“ Lucy vergötterte ihre Tante Fleur und ihren Onkel Bill. Daher liebte sie jede Möglichkeit, die die Familien zusammenführte, damit sie sich Geschichten aus Frankreich erzählen lassen konnte. Victoire nahm sich gern Zeit für Lucy, während Dominique nichts davon hielt ihrer kleinen Cousine Geschichten zu erzählen. Louis konnte sich auch nicht wirklich dafür erwärmen. Inzwischen waren auch ihre andere Cousinen und Cousins vor die Tür getreten, um die Neuankömmlinge herzlich zu begrüßen. Rose gesellte sich zu Roxanne und Dominique, die sich über irgendeine tolle Party unterhielten, die Rose zum Glück verpasst hatte, da Scorpius ebenfalls dort gewesen war. Hugo war mit Lucy gleich ins Haus verschwunden und erzählte ihr von Frankreich. Das Letzte, was sie noch von dem angeregten Gespräch der beiden hörte, war, dass die beiden laut überlegten, ob man einen Antrag für einen verlorenen Kopf stellen konnte. In Gedanken notierte sie sich, dass sie Hugo den Kopf abschlagen musste. „Ich bin so neugierig auf Victoires Hochzeitskleid! Hast du es schon gesehen?“ Dominique schüttelte den Kopf und Roxanne seufzte. Selbst Rose war neugierig auf das Kleid. Victoire war sowieso eine Schönheit, aber in ihrem Hochzeitskleid war sie bestimmt noch atemberaubender und mit Ted an ihrer Seite strahlte sie wie ein Stern. Aber stopp, sie hatte andere Probleme. Sie musste sich aus dem Haus stehlen und würde das Kleid leider nicht zu Gesicht bekommen, da sie gar nicht an der Hochzeit teilnehmen würde. Jetzt seufzte Rose doch und verzweifelte langsam aber sicher. Sie wollte unbedingt auf diese Hochzeit, aber sie wollte ihm auf gar kein Fall über den Weg laufen. Was sollte sie nur tun? ~~~ Lily hatte es noch nie lange ausgehalten ihrer Neugier nicht nachzugeben. Das brachte sie immer in einen großen Schlamassel, aber sie konnte es trotzdem nie lassen. Auch jetzt war ihre Neugier einfach zu groß. Alle rätselten nur über Victoires Kleid. Sie wollte es ganz genau wissen. Während alle die Neuankömmlinge begrüßten und sich unterhielten, schlüpfte sie zurück ins Haus. Hugo und Lucy saßen in der Küche und tuschelten leise miteinander, bemerkten sie aber nicht. Leise husch sie durchs Haus bis zu der fest verschlossenen Tür hinter der das Geheimnis verborgen lag. Sie hätte gerne einfach gezaubert, aber sie war noch nicht volljährig. Also musste sie einen anderen Weg hinein finden. Sie hatte im Fernsehen gesehen, wie jemand mit einer Haarnadel eine Tür geöffnete hatte. Deshalb hatte sie ein paar Haarnadeln aus dem Bestand ihrer Mutter ausgeliehen und probierte nun die Tür zu öffnen. Es war nicht so leicht wie es ausgesehen hatte, aber Lily gelang es trotzdem die Tür zu öffnen. Sie war wohl ein Naturtalent im Türen öffnen mit nicht ganz legalen Mitteln. Sie holte tief Luft und stieß die Tür auf. Bevor jemand sie entdeckten konnte, schloss sie die Tür wieder. Das Kleid hing an einem Bügel schön eingepackt, damit keiner einen zufällig einen Blick drauf erhaschen konnte. Lily hielt es kaum aus vor Neugierde. Sie zog mit einem Ruck den Reißverschluss herunter und weiße Seide quoll heraus. Doch Lily war zu voreilig gewesen und der Reißverschluss blieb im Kleid hängen. Sie biss sich verzweifelt auf die Lippe und versuchte vorsichtig das Kleid wieder zu befreien. Doch sie war nicht mit Glück gesegnet und so riss ein Stück ab. Erschrocken sah sie auf das Unglück. Das Kleid hatte einen Riss und war nicht mehr perfekt. Was hatte sie nur getan? Wenn jemand herausfand, das es ihr Werk gewesen, würde es Hausarrest geben und vielleicht ließ man sie nicht mehr den Schleier tragen oder sie durfte gar nicht auf die Hochzeit. Lily kämpfte gegen die Tränen und verstaute das Kleid wieder. Lieber verschwand sie schnell bevor ihr irgendjemand die Schuld dafür gab. Verdammte Neugierde! Sie schlüpfte schnell aus dem Zimmer und schloss die Tür. In der Küche gesellte sie sich zu Hugo und Lucy. Die anderen kamen langsam zurück ins Haus. Hoffentlich bemerkte keiner irgendetwas und würde sich daran erinnern, dass sie nicht zusammen mit Hugo und Lucy ins Haus gegangen. Hoffentlich fragte keiner nach. Doch niemand bemerkte etwas von dem Unglück. ~~~ Rose hasste Familienzusammentreffen. Man konnte keine einzige Sekunde ungestört sein. Vor allem heute brauchte sie eine unbeachtete Sekunde, in der sie sich davonstehlen konnte. Wenn wenigstens die Ersten Anstalten machen würde ins Bett zu gehen. In der Nacht konnte sie sich sicher wunderbar davon stehlen, auch wenn sie immer noch mit sich rang. Doch alle saßen und plauderten fröhlich miteinander. Das Essen hatte Oma Molly längst abgeräumt und es war schon dunkel geworden, doch magische Lichter erhellten den Garten. Rose saß zwischen Roxanne und Dominique, die sie auf den neusten Stand brachten, was in den Ferien schon alles passiert war und wer jetzt mit wem ging. Verzweifelt wünschte sich die Rothaarige ihre beste Freundin Alice Longbottom her, doch diese würde wie die anderen Gäste erst im Laufe des nächsten Tages eintreffen. Sie hatte nicht einmal den Mut gehabt Alice zu erzählen, was an jenem Tag passiert war. Es war ihr so peinlich, dass sie lieber wieder den anderen zuhörte. Es musste doch eine klitzekleine Chance für sie geben dem Ganzen zu entgehen. „Rose, du warst ja schon immer der nachdenkliche Typ, aber heute hast du kein Wort gesagt!“ Dominique sah sie an und verdrehte gekonnt die Augen. Jeder Junge wäre bei diesem Blick von ihr hingerissen gewesen, doch Dominique schien sich dem gar nicht bewusst. Roxanne war sich dagegen ihres Charmes und Aussehens viel bewusster und setzte es gezielt ein, um zu bekommen was sie wollte. Die beiden waren vom Aussehen völlig unterschiedlich. Dominique mit ihren hellblonden, glatten Haaren, dem hellem Teint und den blauen Augen und Roxanne mit schwarzen, lockigen Haare, dem dunklen Teint und den braunen Augen. Trotzdem waren sie zwei Schönheiten, die von allen Jungen in der Schule begehrt wurden. Rose wünschte sich, sie wäre ein bisschen mehr wie ihre beiden Cousinen, dann hätte sie Scorpius für sich gewinnen können. Doch sie war eben ganz anders. „Ich bin noch nicht wirklich hier angekommen“, antworte sie auf Dominiques Feststellung. „Dann hat Hugo wohl Recht und du hast deinen Kopf in Frankreich gelassen.“ Roxanne kicherte und warf ein Kissen nach Rose. „Oder hast du eher dein Herz dort vergessen?“ Dominique zog neugierig die Augenbraue hoch und Rose schoss sofort die Farbe ins Gesicht. Sofort stürzten sich die beiden auf sie und kitzelten sie durch, um alles zu erfahren. Rose war standhaft, aber sie kam vor lauter Lachen nicht einmal dazu zu protestieren und alles zu leugnen. Erst als sie wieder zu Luft kam, weil die die zwei von ihr abließen, versuchte sie es wieder richtig zu stellen, doch ihre Cousinen wollte davon nicht hören. „Wir bekommen noch raus, was du vor uns verheimlichst“, drohte Roxanne. „Schließlich wird man nicht grundlos rot, da muss ein Junge dahinter stecken.“ „Ist er vielleicht gar nicht aus Frankreich, sondern von hier?“ Dominique hatte schon immer ein Gespür für solche Sachen gehabt. Warum nur war Rose mit den beiden auf ein Zimmer gelandet? Sie flüchtete sich ins Bad und hörte die zwei alle Jungen durchgehen von denen sie glaubten, dass Rose etwas für sie übrig haben könnte. Neben völlig abstrusen Ideen wie Goyle oder Zabini, fiel auch der Name von Scorpius. Roses Herz klopfte wie wild und sie schimpfte sich eine gefühlsdusselige Tante. Sie war nicht in Scorpius Malfoy verliebt. Das war völlig unmöglich und ihr Herz konnte noch so laut schlagen, sie würde es immer leugnen, denn ein Malfoy und eine Weasley das ging einfach nicht. Sie musste den Verstand verloren haben allein es nur zu erwägen. Rose Weasley verliebt in einen gut aussehenden Blonden? Möglicherweise. Rose Weasley verliebt in einen Slytherin? Unmöglich. Rose Weasley verliebt in einen Malfoy? Eine Wahnvorstellung! Nachdem sich ihr Herz wieder beruhigt hatte und sie sich eine ordentliche Ladung Wasser ins Gesicht geklatscht hatte, fühlte sie sich gut genug, um zu Dominique und Roxanne zurückzukehren. Die beiden ließen sie in Ruhe, was Rose das Schlimmste befürchten ließ. Sie mussten einen Plan haben wie sie an das Geheimnis herankamen. Rose konnte auf gar keinen Fall zu dieser Hochzeit gehen. Das wäre, als wenn sie zu ihrer eigenen Hinrichtung gehen würde, was sie daran erinnerte, dass Hugo noch ein Kopf kürzer gemacht werden musste. Sie krabbelte in ihr Bett und legte sich hin. Jetzt hieß es abwarten bis die anderen einschliefen und sich dann aus dem Haus zu schleichen. Schon in Frankreich hatte sie zu Not einen Beutel mit den wichtigsten Sachen gepackt, die ganz oben auf ihren Klamotten thronte. Vorhin hatte sie die Tasche herausgeholt und unter ihrem Bettkissen zusammen mit Kleidung gelegt, damit sie alles griffbereit hatte. Doch niemand wollte sie bei ihrem Vorhaben unabsichtlich unterstützen. Roxanne und Dominique tuschelten weiter und auch in den anderen Räumen schien niemand zur Ruhe zu kommen. Niemand ahnte, wie wütend sie darüber war. Rose kämpfte gegen die Müdigkeit, doch irgendwann schlossen sich ihre Augen und sie ließ sich davon treiben. In ihrem Traum nahm alles ein gutes Ende und Scorpius war krank geworden. Sie konnte zur Hochzeit gehen und Roxanne und Dominique fanden nichts heraus. Glücklich konnte sie den Tag genießen und niemand verdarb ihn ihr. „Hey aufstehen!“, weckte Dominiques Stimme Rose am nächsten Morgen Verdammt sie war eingeschlafen und jetzt war ihre Chance dahin zu fliehen. Vielleicht hatte sie noch eine minimale Chance zu verschwinden, wenn alle Gäste kamen. Doch erstmal wurde sie alle nach einem kurzen Frühstück in Gruppen eingeteilt, um die letzten Vorbereitungen zu treffen und alles aufzubauen. Rose half mit das große Festzelt zu schmücken. Damit konnte sie sich wunderbar von der drohenden Katastrophe ablenken, wenn sie alles mit weißen Rosen und Lilien schmückte. Trotzdem war der bohrende Gedanke in ihrem Hinterkopf und sie wurde immer nervöser. Warum gelang ihr auch nichts, was sie sorgfältig plante? Immer unterlief ihr ein Missgeschick nach dem anderen. Sie war so ein Tollpatsch. Was sollte sie nur machen, wenn sie Scorpius begegnete? Konnte sie sich den ganzen Tag irgendwo verstecken? Vielleicht sollte sie Alice doch erzählen, was geschehen war, damit sie ihr helfen konnte zu verschwinden, wenn Scorpius nur in Sichtweite kam. Aber allein der Gedanke irgendjemanden anzuvertrauen, was an dem besagten Tag passiert war, ließ sie Übelkeit verspüren. Lieber nahm sie es mit ins Grab. Doch so weit würde es nicht kommen. Irgendwie würde es ans Tageslicht kommen. Rose wünschte sich verzweifelt zurück nach Frankreich, wo noch nie irgendjemand etwas von einem Scorpius Malfoy gehört hatte. Aber das Schicksal wollte es anders. „Rose, kannst du mir zur Hand gehen?“ Victoire holte ausgerechnet sie, damit sie ihr ins Kleid helfen konnte. Roses Herz hüpfte in die Höhe. Dann würde sie das Kleid doch noch zu sehen bekommen. Vielleicht meinte es das Schicksal doch gut mit ihr. Begeistert folgte sie Victoire in ihr Zimmer, wo auch Dominique wartete, die ihrer Schwester bestimmt beim Make-up helfen würde. Victoire holte das Kleid aus dem Kleidersack und hielt es an ihren Körper. „Ist es nicht atemberaubend?“, flüsterte sie sanft, während sie über die Seide fuhr. Es war ohne Frage atemberaubend mit dem schönen Dekolletee, das mit kleinen Rosen bestickt war und dem ausgeschnittenen Rückenteil. Doch all die Schönheit war nicht vollkommen. Dominique entdeckte den Riss im gleichen Augenblick wie Rose und beide keuchten entsetzt auf. Victoire sah an dem Kleid hinunter und sah aus als würde sie in Ohnmacht fallen. ~~~ Lily hatte nicht schlafen können. Sie war schuld, dass Victoire nicht den perfekten Tag ihres Lebens bekommen würde. Nur wegen ihrer dummen Neugier. Warum konnte sie nicht einmal etwas in Ruhe lassen? Nein, sie musste ja unbedingt nachgucken, weil sie einfach keine Geduld hatte. Sie rollte sich die ganze Nacht hin und her und überlegte, wie sie das wieder gut machen konnte. Doch ihr wollte nichts einfallen. Normalerweise sprudelte sie vor Ideen, aber jetzt wollte ihr nichts einfallen. Nicht mal eine kleine Idee. Victoire würde sie hassen, wenn sie es herausfinden würde. Aber sie würde es nicht herausfinden. Es war alles in Ordnung. Der Riss ließ sich bestimmt nähen. Das ganze Haus war voll mit Zauberern, da würde einer doch das Kleid retten können. Es würde alles gut werden. Heute würde ein perfekter Tag werden. Doch die Anspannung ließ Lily nicht los und als sie Dominique kreidebleich aus dem Zimmer ihrer Schwester rennen sah, hatte sie einfach nur Angst. Diesmal konnte James sie nicht raus hauen und eine Entschuldigung würde auch nicht reichen. Oh verdammt noch mal. Lily verfluchte sich selbst duzende Male. Doch niemand kam um sie auszuschimpfen. Es blieb völlig ruhig. Die ersten Gäste kamen und Lily machte sich mit Hugo und Lucy daran, dass alle einen Platz bekamen. Bald schwirrte ihr der Kopf nur so vor Namen. Aber keiner blies die Hochzeit ab. Alles blieb still. Es wurde doch alles wieder gut. Dann waren alle Gäste da und Rose und Dominique kamen noch schnell ins Zelt gehuscht. Lily beeilte sich zu Victoire zu kommen, damit sie den Schleier für sie tragen konnte. Victoire sah atemberaubend schön aus. Der Riss war nicht zu sehen, sondern war mit echten Rosen bestickt. Die Blonde lächelte sie an und zwinkerte ihr zu. Lily strahlte vor Erleichterung, weil alles gut gegangen war und nahm ihren Platz hinter Victoire ein. Es konnte losgehen mit der Hochzeit. Alle flüsterten, als Victoire das Zelt betrat und den blauen Teppich entlang schritt. Doch die Braut sah nur Ted an, der sie strahlend anlächelte und unglaublich gut aussah. Lily wünschte sich auch einmal von einem Jungen so angesehen zu werden. Sie wollte auch diesen Traum leben. Eines Tages würde das sicher passieren. Wenn das Schicksal zumindest keine anderen Pläne mit ihr hatte, aber Lily war sich sicher, dass sie auch einmal heiraten würde. Etwas anderes konnte sie sich gar nicht vorstellen. Während der Zeremonie saß sie in der ersten Reihe, damit sie sofort nach dem Ende wieder aufstehen konnte, um Victoire hinauszubegleiten und hatte daher einen tollen Blick auf das Paar. Die Geschichte der beiden war wie ein Märchen. Lily strahlte, als die zwei sich das Ja-Wort gaben und sich küssten. Es war perfekt gelaufen und ihr Tag war gerettet. Alle klatschten und jubelten dem Paar zu. Lily stand mit ihnen zusammen im Mittelpunkt und genoss es. Es war einfach der perfekte Tag mit dem perfekten Paar. ~~~ Rose vergaß über das kaputte Kleid völlig, dass sie eigentlich hatte weglaufen wollen. Nachdem das Kleid im letzten Augenblick gerettet worden war, eilte sie zusammen mit Dominique zum Zelt und ließen sich in die letzte Reihe fallen. Sie waren zu spät gewesen und sahen wegen den vielen Menschen nicht ganz so viel, aber es war eine wunderschöne Hochzeit. Erst als das Paar herausging in die untergehende Sonne, fiel Roses Blick auf Scorpius, der schräg auf der anderen Seite saß. Er blickte dem Paar nach und wand sich dann an seine Eltern, die neben ihm saßen. Rose machte sich sofort klein. Er durfte sie nicht bemerken. Lauernd blickte sich die Rothaarige verzweifelt nach einer Lücke um, wo sie zwischen den Menschen, die sich jetzt rausdrängelten, verschwinden konnte. Aber nirgendwo fand sich eine Lücke und dann stand Scorpius mit seinen Eltern auf. Rose duckte sich instinktiv hinter Dominique, die sie mit einem Stirnrunzeln bedachte. Dann waren die Malfoys hinausgegangen. Rose atmete erleichtert auf. Das war noch mal gut gegangen. Sie sah Alice zwischen den Leuten und winkte ihr zu. Alice kam zu ihnen herüber und strahlte sie an. „Das war so eine schöne Hochzeit und Victoires Kleid erst einmal“, schwärmte ihre Freundin. Rose nickte. „Die zwei sind einfach traumhaft!“ „Das perfekte Paar“, stimmte Dominique zu. Sie unterhielten sich noch einen Augenblick über die Details der Trauung bevor Alice und Dominique aufstanden, um den anderen Gästen hinauszufolgen. Rose blieb wie erstarrt sitzen. Jetzt musste sie es irgendwie schaffen zu verschwinden, aber die Frage war wie sie das machte ohne Scorpius direkt in die Arme zu laufen. Vorne vor dem Zelteingang waren jetzt alle Gäste, also auch Scorpius, also musste sie auf der anderen Seite hinaus. Dort war sicher keiner und dann musste sie sich durch die Büsche schlagen. Ihr war jetzt schon klar, dass das furchtbar in die Hose gehen würde, doch dennoch machte sie sich auf den Weg und verfluchte sich dafür als Tollpatsch auf die Welt gekommen zu sein. Sie lugte vorsichtig hinter der Zeltplane hervor aber es war niemand zu sehen. Schnell schlüpfte sie heraus und steuerte den Weg zur Wiese hinunter. Wenn sie es bis dorthin schaffte, konnte sie in den kleinen Wald dahinter flüchten und dort ausharren. Kaum war der Plan gefasst ging auch alles schief. Das Schicksal meinte es gar nicht gut mit ihr, als sie sich den Weg durch die Büsche bahnte. Kaum hatte Rose zwei Schritte getan entdeckte Albus sie. „Hey Rose, wo willst du hin? Willst du dich davonstehlen?“ Zerknirscht drehte sie sich um und kam mit Albus mit. Zurück zum Fest, wo alle anderen waren und vor allem Scorpius war. Doch als sie um das Zelt herum kamen, war kein Scorpius in Sichtweite. Albus ging weiter ohne sie zu beachten und Rose beschloss einen zweiten Versuch zu starten. Sie drehte um und krachte im selben Augenblick mit jemand zusammen. „Hey Weasley, kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst?!“ Ihr Herz setzte aus und sie verfluchte das Schicksal. Vor ihr stand Scorpius Malfoy und grinste sie breit an. Sie wünschte sich ohnmächtig zu werden oder im Boden zu versinken. Warum war ihr an jenem Tag auch nur herausgerutscht, dass sie in ihn verliebt war? Kapitel 2: Fate begins ---------------------- Leider wurde Rose weder ohnmächtig noch tat sich die Erde auf, um sie zu verschlingen oder um sie vor dem Spott von Scorpius zu bewahren. Sie blieb wie erstarrt einfach stehen und fand ihre Sprache nicht wieder, um wenigstens eine geeignete Antwort zurückzugeben, die möglichst verletzend war. Gegenüber Scorpius hatte sie sich immer falsch verhalten. Sie musste den allerschlimmsten Eindruck hinterlassen haben, was sicher nicht ihre Chancen bei ihm verbesserte. „Was ist Weasley? Hat es dir die Sprache verschlagen?“ Scorpius verzog das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Rose befahl ihren Beinen wegzurennen bevor seine Gedanken an jenem Tag hingen blieben und er irgendetwas dazu sagen konnte. Doch weder ihre Zunge noch ihre Beine gehorchten ihr und so kam es unweigerlich zu dem, was sie die ganze Zeit versucht hatte zu verhindern. Sein Gesicht hellte sich merklich auf, als wäre es ihm gerade erst wieder eingefallen. „Ach stimmt es liegt an meiner Wenigkeit, dass du vergessen hast, was du sagen wolltest. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte, dass eine Weasley soviel für mich übrig hat.“ Rose stieg die Röte ins Gesicht. Nie im Leben war sie in diesen arroganten Typen verliebt. Sie zitterte am ganzen Körper, weil sie versucht war Scorpius einen zu knallen, aber sie wollte keine Szene hier auf der Hochzeit ihrer Lieblingscousine riskieren. Also drehte sich die Rothaarige einfach um und stürmte davon. Er würde seine Worte noch früh genug bedauern, denn sie hasste ihn. Erst als ihre Füße sie bereits ein ganzes Stück von der Feier fortgebracht hatten, merkte Rose, dass sie bitterlich weinte. Warum nur hatte sie ihr Herz an einen verschenkt, der es nie würdigen würde? Sie kam sich so dumm vor. Sie ließ sich auf den Rasen fallen und legte sich hin. Der Himmel über ihr begann sich gerade dunkler zu färben, doch noch tanzten die Farben der untergegangen Sonne am Himmel. Rose überkam das Gefühl, dass der dunkler werdende Himmel alle Farben verschlang und nichts als Dunkelheit zurückblieb. Es war wie eine dunkle Vorahnung, die Rose erzittern ließ. Sie beschloss lieber zurückzugehen bevor irgendjemand sie vermisste. Sie wollte nicht erklären müssen warum sie verschwunden war. Als sie zurückging warf sie einen letzten Blick in Richtung Westen. Vielleicht ging dort auch gerade einfach nur ihre erste Liebe verloren. „Rose, wo bist du gewesen? Gleich tanzt das Brautpaar!“ Alice kam ihr entgegengestürmt und zog sie sofort mit in das Zelt, wo nun Tische an der Seite standen an denen die Leute saßen und in der Mitte war eine große Tanzfläche frei geräumt worden. Victoire und Ted standen schon in der Mitte und waren umringt von Freunden. Victoire lächelte und warf immer wieder Blicke zu Ted hinüber, der diese mit so einer Zärtlichkeit in den Augen erwiderte. Rose war ganz ergriffen. So etwas wollte sie auch. Wenn sie ehrlich war hätte ihr Scorpius nie diese Liebe schenken können. Es war einfach besser nie wieder daran zu denken. Es war unmöglich und unvorstellbar, dass dieses Wunder jemals eintreten würde. Rose seufzte. Alice warf ihr einen Seitenblick zu. „Die zwei sind wirklich ein perfektes Paar. Wenn es für einen selbst nur auch so einen Partner geben würde. Einen, der einen so sehr liebt.“ „Du bist wirklich eine Romantikerin, Rose. Sieh die Dinge realistisch. Liebe ist niemals perfekt, denn erst müsste es perfekte Menschen geben bevor Liebe perfekt sein könnte.“ Rose verdrehte die Augen. „Lass mich doch träumen, Alice. Ich weiß selbst, dass nicht jeder dieses Glück hat. Ted und Victoire haben dieses Glück. Sie sind wie füreinander geschaffen.“ Nun gingen alle beiseite, damit das Paar seinen Walzer tanzen konnte. Es gesellten sich Harry mit Ginny und Bill mit Fleur dazu. Mit der Zeit wurden es immer mehr Paare auf der Tanzfläche und Rose stand einfach nur am Rand, um alle zu beobachten. „Keine Lust zu tanzen?“ Albus gesellte sich zu ihr. Die Rothaarige schüttelte den Kopf. Eigentlich würde sie gerne tanzen, aber seit der Begegnung mit Scorpius hatte sie auf nichts Lust. Er hatte ihr den ganzen Tag verdorben. „Wohin wolltest du vorhin? Du wolltest dich doch nicht von der Party schleichen?“ „Ich wollte nur kurz raus aus dem Trubel. Einmal kurz durchatmen.“ „Aha.“ Albus kannte sie schon viel zu lange, um ihr auch nur ein Wort zu glauben. Doch zumindest heute ließ er sie mit Fragen in Ruhe. Aber sie war sich sicher, dass er noch einmal nachhaken würde. Was er wohl dazu sagen würde, dass sie sich ausgerechnet in seinen besten Freund verliebt hatte? Albus würde ihr sicher von Scorpius abraten. „Was ist mit dir? Niemand hier, der dich interessiert?“ Rose wollte lieber vom Thema ablenken und sie fragte sich schon länger, ob es für ihren Cousin ein Mädchen gab für das er schwärmte. Im Gegensatz zu Scorpius hatte Albus nie viel Wert auf wechselnde Frauenbekanntschaften gelegt. „Als ob ich dir das anvertrauen würde, liebste Cousine.“ Er piekste sie in die Seite und griff dann ihre Hand, um sie auf die Tanzfläche zu ziehen. Rose musste lachen und kam mit. Sie sollte sich den Tag nicht von einem Malfoy verderben lassen. ~~~ Dominique überprüfte ein letztes Mal ihr Make-up im Spiegel und wusste genau, dass sie heute im Schatten ihrer schönen Schwester stand. Dagegen half nun mal leider kein Make-up der Welt. Sie klappte den Spiegel zu und sah sich nach jedem um, der mit ihr tanzen würde. Auf gar keinen Fall wollte sie heute alleine am Rand stehen bleiben und den anderen einfach nur zusehen. Selbst Rose tanzte mit Albus und stand nicht mehr alleine herum. Entschieden schritt sie auf Lysander zu, der im Gegensatz zu seinem Bruder, der mit Roxanne tanzte, an einem Tisch saß und den anderen irgendwie ein wenig verträumt zusah. Dominique konnte ihn eigentlich nicht besonders leiden, da er wie seine Mutter ständig geistesabwesend war und die Welt aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtete als sie. Das machte sie verrückt. Sie warf noch einmal einen letzten Blick durchs Zelt, doch es schien niemand viel versprechendes gerade ohne Tanzpartner zu sein. Also musste es leider Lysander sein. Aber immer noch besser als alleine herumzustehen. „Hey Lysander.“ Er blickte überrascht hoch und sah sie an als hätte er sie nie zuvor gesehen. „Hast du Lust mit mir zu tanzen?“ Dominique zeigte auf die Tanzfläche. Lysanders Blick klarte auf und er nickte. Hoffentlich erzählte er nicht wieder irgendetwas von seltsamen, magischen Wesen, die es überhaupt nicht gab. Manchmal war es echt peinlich, wenn er damit anfing. Doch er hielt zur Abwechslung mal den Mund und tanzte einfach nur mit ihr. Ihr Blick flog derweil über das andere Geschlecht. Sie hasste es im Schatten ihrer Schwester zu stehen. Victoire war in allem perfekt und hatte jetzt sogar den perfekten Mann geheiratet. Einzig das Kleid hätte beinahe den perfekten Tag zerstört. Doch auch das hatte sie gemeistert. Dominique war im Gegensatz zu ihrer Schwester dieses Glück nicht in die Wiege gelegt worden. Seit sie denken konnte drehte sich die Welt um Victoire. Sie war immer neidisch gewesen und hatte versucht ihrer Schwester nachzueifern. Doch egal was sie tat, sie reichte ihr niemals das Wasser. Auch heute fühlte sich Dominique wie eine Versagerin, die es zu nichts gebracht hatte. „Alles in Ordnung mit dir, Dome?“ Ausgerechnet jetzt musste Lysander aufmerksam sein, wenn ihr die Tränen der Wut und Verzweiflung in die Augen stiegen. Sie wand den Blick ab. Es begann ein langsames Lied und sie wollte die Flucht ergreifen, doch Lysander zog sie an sich und Dominique fühlte sich geborgen an seiner Schulter. Hier konnte keiner ihre Tränen sehen. Vielleicht würde sie Lysander doch noch eine Chance geben. Er war wirklich ein guter Freund aber kein Kandidat, der als fester Freund in Frage kam. So ließ sie sich weiter über die Tanzfläche führen und hoffte nur darauf, dass eines Tages ihr großer Tag kommen würde, an dem sie ihre Schwester übertrumpfen würde und endlich verdient im Mittelpunkt stehen würde. Nach dem fünften Lied ließ Dominique Lysander stehen und suchte nach jemand Besserem mit dem sie sich präsentieren könnte. Sie neigte zur Oberflächlichkeit und achtete mehr auf das Äußere und den Ruf, als darauf, was für ein Mensch dahinter steckte. Sie entdeckte die Flintgeschwister, die zusammen mit Liam Pucey in einer Ecke saßen. Wenn sie nicht so hell strahlen konnte wie ihre Schwester, dann wollte Dominique möglichst auffällig sein. „Hey ihr.“ Dominique warf die Haare zurück und lächelte süß. „Kann ich mich zu euch setzten?“ Jane sah misstrauisch auf. Sie war zwei Jahre jünger und mit Louis in einem Jahrgang. Sie galt als sehr zickig und war eine echte Nervensäge. Ihre beiden Brüder Ryan und Adrian waren typische Slytherins. Die zwei sahen zwar nicht schlecht aus, aber Dominiques Augenmerk lag auf Liam, der wirklich gut aussehend war. Sie quetschte sich zwischen den Flintbrüdern durch und ließ sich neben Liam fallen. Jane warf ihr einen bösen Blick zu, den Dominique einfach ignorierte. „Na wie gefällt euch die Party bis jetzt?“ „Ziemlich langweilig. Kein großer Kracher.“ Liam und Adrian tauschten einen Blick aus. „Plant ihr vielleicht etwas, um diese Party ein wenig aufzupeppen?“ „Du traust dich doch sowieso nicht mitzumachen, Blondie!“ Dominique grinste und zog die Augenbraue hoch. „Wollen wir wetten?“ Die drei Slytherins grinsten und boten ihr die Hand zum Einschlagen an. Wenn sie nicht wie ihre Schwester sein konnte, dann wollte sie das genaue Gegenteil werden. Ganz sicher würde sie nicht mehr im Schatten ihrer Schwester leben. ~~~ Lily stand gedankenverloren am Rand der Tanzfläche. Es war alles heute gut gegangen. Nun konnte sie den Blick nicht von ihrem heimlichen Schwarm Scorpius Malfoy abwenden. Sie hatte eine Schwäche für ihn seit Albus ihn in den letzten Sommerferien einmal für eine Woche zu den Potters eingeladen hatte. In der Schule grüßte er sie höchstens gelegentlich, aber trotzdem war Lily völlig vernarrt in ihn. Er tanzte gerade mit Jane Flint und sie flirtete auf das Heftigste mit ihm, doch es schien ihn gar nicht zu interessieren. Lily war hingerissen von seinem Profil. „Heute gar nicht am Tanzen?“ Fred war hinter ihr aufgetaucht. Er war der beste Freund ihres Bruders James und konnte es nie lassen sie aufzuziehen. „Und hat sich keine erbarmt und will mit dir tanzen?“ Lily war schlagfertig wie ihre Brüder, was sicher daran lag, dass sie sich gegen die zwei durchsetzen musste. Fred zog eine Grimasse. „Nein mit mir will keine tanzen. Da wollte ich gerade dich fragen, weil ich dachte du erbarmst dich bestimmt und tanzt einmal mit mir. Aber mit so einer frechen Göre tanz ich nicht!“ Lily lachte. „Geschieht dir recht!“ „Würdest du nicht vielleicht doch einen kleinen winzigen Tanz mit mir tanzen, damit mich die anderen nicht auslachen.“ Er setzte seinen Hundeblick auf und sah sie von der Seite an. Lily musste wieder laut lachen, weil Fred nie ganz ernst werden konnte. Er war zwar nicht so ein Scherzkeks wie sein Namensgeber, aber er hatte deutlich den Schalk seines Vaters geerbt. „Aber auch nur einen Tanz. Mehr bekommst du nicht!“ Sie ließ sich von Fred auf die Tanzfläche begleiten und zwar ganz in die Nähe von Scorpius. Nun hatte Lily ihn immer noch im Blick. Sie war ein klein wenig besessen von ihm. Fred wirbelte sie durch den Saal, so dass ihr ganz schwindelig wurde und sie überhaupt nicht mehr auf Scorpius achten konnte. Fred tanzte nicht nur ein Lied mit ihr sondern hielt sie auf der Tanzfläche fest bis sie ganz rot im Gesicht und nach Luft schnappte. Er hatte Mitleid mit ihr und ging los seine nächste Cousine ärgern. Lily ließ sich auf einen Stuhl fallen und atmete tief durch. Ihre Augen suchten sofort den einen, den sie jetzt sehen wollte, doch Scorpius war nicht mehr im Zelt. Kurz entschlossen stand Lily auf und ging raus. Sie kam sich wie eine Stalkerin vor. Draußen war es ruhiger. Es standen nur vereinzelte Gruppen beieinander und unterhielten sich. Weiter abseits des Geschehens entdeckte sie Scorpius, der zusammen mit einigen Slytherins dort stand und zwischen ihnen war auch Dominique, die schon leicht angetrunken war. Lily schlich sich näher um herauszufinden, worüber sie redeten. Es ging irgendwie darum das Fest platzen zu lassen. Sie verstand zwar nicht genau, was sie vorhatten, aber sie beschloss es auf jeden Fall zu verhindern. Die Trauung musste schon gerettet werden und Victoire und Ted hatten einen kompletten perfekten Tag verdient. Lily ließ ganz sicherlich nicht zu, das dieser noch versaut wurde. Die würden schon sehen, dass sie gegen Lily keine Chance hatten und sie konnte ihren Fehler wieder gut machen. ~~~ Rose traute ihren Augen nicht als Scorpius sich neben ihr hinsetzte. Sie sah die anderen Slytherins in der Nähe zusammenstehen und aus irgendeinem Grund war Dominique bei ihnen, aber sie war sich sicher, dass es sich hier eindeutig um eine Falle handelte. Scorpius wollte sie auf irgendeine Art und Weise lächerlich machen und das würde sie zu verhindern wissen. Fehlte gerade noch, dass alle Welt von ihren Gefühlen wusste. „Was willst du?“, zischte Rose. „Ich sitze hier ganz einfach. Mehr nicht. Oder hast du geglaubt, dass ich mich mit dir unterhalten wollen würde?“ Scorpius setzte dieses hinterlistige Lächeln auf, das sie so sehr hasste. Sie wusste genau, dass er etwas vorhatte, aber sie wusste nicht genau, was er vorhatte. Also musste sie abwarten bis er irgendetwas Offensichtliches tat. Doch er blieb ruhig sitzen und sah den Tanzenden zu. Rose spürte eine Wut in sich aufkochen. Wie konnte er einfach dasitzen und sie völlig absichtlich leiden lassen? Das war so grausam. Aber sie dachte daran, dass es besser war keine Szene zu riskieren und einfach die Wut herunterzuschlucken. Heute musste sie stark sein. Doch je länger Scorpius neben ihr saß, desto stärker zitterte sie vor Wut und beschloss aufzustehen. Doch Scorpius hielt sie fest. Seine Augen waren nicht mehr ganz klar, also hatte er dem Alkohol schon ordentlich zugesprochen. „Wo willst du hin? Willst du mir nicht Gesellschaft leisten.“ „Nein will ich sicher nicht und jetzt lass mich los!“ Rose fauchte ihn wütend an, doch Scorpius grinste nur und ließ nicht locker. Es machte sie rasend nicht zu wissen, was er da ausbrütete. Also ließ sie sich wieder neben ihn fallen und starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Er ließ ihr Handgelenk los und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. „Du solltest auch ein bisschen was trinken. Das lockert auf, kleine Rosie.“ Das war zuviel für Rose. Sie schlug ihm das angebotene Glas aus der Hand, sodass es auf dem Boden zu tausend Scherben zerschellte. „Nenn mich nie wieder Rosie!“, fauchte sie wütend und setzte eine Ohrfeige hinterher. Jetzt sahen alle zu ihr rüber und ihr wurde klar, dass Scorpius genau das beabsichtigt hatte. Sie sollte sich von ganz alleine lächerlich machen, denn das konnte sie auf jeden Fall. Rose war vor Wut ganz rot im Gesicht und sie sah wie die Slytherins wild am Tuscheln waren. Doch es war ihr alles so gleichgültig. Sie hasste Scorpius für seine Arroganz. Sie beeilte sich schnell wegzukommen von diesem verfluchten Typen und eilte hinaus. Das war heute eindeutig nicht ihr Tag. Sie hätte doch in Frankreich bleiben sollen. Rose hob den Blick zum dunklen Himmel an dem kein einziger Stern aufleuchtete. Heute lief einfach alles schief. Aber eigentlich lief bei ihr immer alles schief. Albus war Rose nach draußen gefolgt und kam nun auf sie zu. „Warum lässt du dich immer von Scorpius provozieren?“, fragte er sie. „Warum muss er mich immer provozieren?“, entgegnete Rose. Rose war wütend auf Scorpius und auch auf sich selbst, weil Albus Recht hatte. Stets ließ sie sich provozieren, weil Scorpius genau wusste, wie er sie ärgern musste. „Solange du immer zurückfauchst wird er damit weitermachen. Ignorier ihn einfach und nimm ihm die Freude dich zu provozieren.“ „Das versuch ich ja!“ Aber Rose wusste selbst, dass sie es Scorpius viel zu leicht machte. Sie konnte ihn einfach nicht ignorieren. Sie musste ihn immer anschauen und konnte den Blick kaum von ihm wenden. Wenn er in ihre Nähe war, schlug ihr Herz schneller und sie hasste sich selbst dafür. Und wenn sie versuchte ihn zu ignorieren, schien sie ihn noch stärker wahrzunehmen. Albus sah ihren verzweifelten Gesichtsausdruck. „Ich rede mal mit Scorpius. Vielleicht schafft ihr zwei es ja noch Freunde zu werden.“ Rose bezweifelte dies zwar sehr, aber sie nickte dankbar. „Dann geh ich jetzt wieder rein. Du solltest auch wieder reinkommen und nicht so viele Gedanken an Scorpius verschwenden.“ Zum Glück hatte Albus sich schon umgedreht, sonst hätte er gesehen, wie Rose errötet war. Rose blickte ihm hinterher und seufzte. Scorpius trieb sie echt in den Wahnsinn. Warum musste es auch ausgerechnet er sein? Sie hatte ihrem Vater versprochen Scorpius stets in allen Prüfungen zu schlagen, doch wenn ihr Vater wüsste, dass sie ihm ihr Herz geschenkt hatte, würde er mit ihr schimpfen. Es war schließlich unter ihrer Würde sich in einen Malfoy zu verlieben. Sie schüttelte den Kopf. Es war besser ihn zu hassen. Das war viel leichter und würde nicht so wehtun. Jetzt in diesem Augenblick kam sie sich so verletzlich wie nie zuvor vor. Niemals würde Rose zulassen, das ausgerechnet Scorpius ihr Herz brach. Sie war fest entschlossen sich im neuen Schuljahr noch mehr anzustrengen, um Scorpius zu vergessen. Liebeskummer wegen diesem Kerl war sowieso das Letzte. Ihren restlichen Stolz und ihre Würde wollte sie sich nicht auch nehmen lassen. Peinlich genug schon, dass sie ihm offen ihre Gefühle gestanden hatte. Sie war ein solcher Tollpatsch. Er würde es herumerzählen, da war sie sicher und es trieb ihr Tränen in die Augen alleine nur daran zu denken, dass die anderen laut hinter ihrem Rücken über sie tuscheln würden. Vielleicht sollte sie doch noch mal mit ihren Eltern reden, um ein Austauschjahr zu machen. Bis zu ihrer Rückkehr war dann hoffentlich Gras über die Sache gewachsen. „Träumst du schon wieder vor dich hin?“ Roxanne tauchte neben ihr auf und Rose lächelte. „Ich hab nur nachgedacht“, entgegnete Rose. „Warum musst du immer alles genau analysieren und jeden Stein umdrehen? Das macht nur unglücklich. Lass es also lieber!“ „Die Gedanken sind einfach da und vorher komm ich nicht zur Ruhe, wenn ich nicht erstmal alles gründlich überdacht habe.“ Rose zuckte mit den Schultern. Sie konnte es einfach nicht lassen sich über alle Dinge den Kopf zu zerbrechen und zu versuchen hinter allem einen versteckten Sinn zu erkennen. Die anderen hatten sie immer aufgezogen, weil sie völlig versunken war und oft völlig vergaß ihre Gedanken auch mal in die Tat umzusetzen. Rose war eben eine echte Träumerin. „Na komm. Vergiss deine Gedanken mal kurz. Wir tanzen jetzt bis die Sonne aufgeht!“ Rose lachte und folgte Roxanne wieder rein. Vielleicht vergaß sie wirklich beim Tanzen die Welt um sich herum. ~~~ Alice warf Albus einen enttäuschten Blick hinterher, als er Rose folgte. Natürlich kannte sie ihre beste Freundin zu gut, dass es kein Wunder war, dass sie sich so über Scorpius aufregte. Sie ließ sich leider leicht reizen, aber gerade hatte sie es geschafft Albus zum Tanzen aufzufordern als Rose Scorpius eine knallte. Daraufhin war er hinterher gerannt um nach Rose zu sehen. Alice verließ die Tanzfläche wieder. Ihr tat Albus leid, der immer hin und her gerissen war zwischen Rose und Scorpius. Mal verteidigte er den einen, dann den anderen. Er versuchte immer zu vermitteln, doch scheiterte er an dem Stolz und den Vorurteilen der zwei. Alice fand Scorpius nicht halb so schlimm wie Rose es tat, verkniff sich aber jeden Kommentar und hörte ihr still zu, wenn sie sich wieder über ihn aufregte. Ihr gefiel es aber besser, wenn Rose und Scorpius sich anfreunden würde, damit Albus mehr Zeit mit ihnen verbrachte. Sie hatte Rose über ihre Schwärmerei für Albus nichts erzählt, weil Rose sowieso nichts von Liebesdingen verstand und außerdem in Albus nur einen Bruder sah. Alice seufzte und sah zum Zeltausgang. Hoffentlich tauchte Albus wieder auf und tanzte mit ihr. In der Schule würden sie sich nicht mehr so häufig sehen und sie hatte keine Chance alleine mit ihm zu reden, da fast immer Rose in der Nähe war. Heute wäre ihre große Chance gewesen ihre oberflächliche Freundschaft zu verstärken und ein zartes Band zu schaffen, an dem sie in der Schule weiter gearbeitet hätte. Doch sie hatte Pech und wurde stehen gelassen. Albus kehrte zwar wieder zurück, ging aber direkt auf Scorpius zu und diskutierte heftig mit ihm. Es konnte nur um Rose gehen, denn sonst stritten die zwei nie. Einen Augenblick war Alice furchtbar eifersüchtig auf Rose, die ihr alles verdarb, aber dann sagte sie sich, dass Rose ja nichts wusste, auch wenn sie bezweifelte, dass der Abend anders verlaufen wäre, wenn Rose davon gewusst hätte. Alice wartete ab, ob Albus noch an sie dachte, doch nachdem er seine Diskussion beendete hatte, ging er weiter zu seinem Bruder und schien verärgert. James munterte ihn mit wenigen Worten auf und die zwei tranken zusammen, während sie sich neckten und kindisch miteinander stritten. „Hey Alice.“ Hinter ihr ertönte Roses Stimme. „Was gibt es da zu sehen?“ Sie schien sich wieder beruhigt zu haben, denn sie lächelte neckisch. „Alles okay mit dir?“, fragte Alice und erwartete einen langen Redeschwall, in den sich Rose über den besten Freund ihres Cousins aufregte, doch der blieb aus. Rose nickte nur und zog sie dann auf der Tanzfläche. Alice sah, dass hinter Roses Augen sich Tränen spiegelte und fragte sich, warum ihre beste Freundin so traurig war. Doch Rose lachte und wollte offenbar ihre Traurigkeit verstecken. Alice beließ es dabei, doch sie wusste, sie würde ihre Freundin noch fragen. Zu ihnen gesellte sich Roxanne und sie tanzten wild über die Tanzfläche. Alice hatte das Gefühl alles um sich herum zu vergessen und sie drehte sich immer schneller über die Fläche und glaubte für einen Augenblick fliegen zu können bevor das Schwindelgefühl ihr schlecht werden ließ. Sie stoppte und ihre Welt drehte sich weiter. Sie hörte Lilys Aufschrei und als die Welt aufhörte sich zu drehen sah sie das erste Tortenstück auf sich zu fliegen. Sie schrie angeekelt auf als das Stück sie im Gesicht traf. Ihr Kleid war versaut und sie fühlte die Wut in sich aufsteigen. Während sie die Torte aus ihrem Gesicht wischte suchte sie nach dem Angreifer. ~~~ Rose wurde als erstes am Arm getroffen. Dann erwischte es ihr Kleid. Inzwischen flog Torte quer durch den Raum und die Hälfte aller Gäste waren schon erwischt worden. Wie Alice suchte sie den Auslöser und sah Lily, die versuchte sich vor den Slytherins aufzubauen, doch alle von denen überragten Lily ein Stück. Sie schimpfte wild und wurde dann achtlos mit Torte eingeseift. Die Slytherins waren also Schuld und die betrunkene Dominique war mit von der Partie. Sie kicherte wie eine Verrückte und warf mit Torte um sich. Scorpius war nicht bei den anderen Slytherins. Dabei wäre das hier Grund genug gewesen, um ihn wochenlang zu hassen bevor sie einen neuen Grund hätte finden müssen. Doch er tat ihr nicht den Gefallen ihr einen Vorwand zu liefern, um ihn zu hassen. Rose beschloss, dass es höchste Zeit war trotz Tortenbeschusses Dominique zu retten bevor sie sich in ihrem Zustand noch mehr blamierte als Rose es je ohne Zutun geschafft hätte. Als sie von oben bis unten mit Torte bekleckert war, hatte sie ihre blonde Cousine erreicht, die immer noch kicherte und bedrohlich schwankte. „Dome, du solltest ganz dringend ins Bett.“ „Wer bist du meine Mutter? Also Rosie, ich amüsiere mich gerade“, lallte Dominique. Rose verzog das Gesicht, als sie schon am zweiten Mal Rosie genannt wurde. Sie fand es schon peinlich genug, wenn das ihr Vater sagte. Ihre Cousine brauchte damit gar nicht erst anzufangen. Sie griff Dominique am Arm und versuchte sie mit sich zu ziehen. Um sie herum erstarb die Tortenschlacht langsam, was hauptsächlich daran lag, dass die Munition erschöpft war und die meisten nach draußen geflüchtet war. Rose winkte Louis herbei, der ihr half seine sture Schwester aus dem Zelt zu bekommen. Die Party war eindeutig gelaufen. Alles war ruiniert worden. Doch dann sah Rose Victoire und Ted, die voneinander die Tortenreste naschte und glücklich lächelten. Für die zwei hätte die Welt untergehen können, doch es hätte sie nicht gestört. Es änderte aber nichts daran, dass Rose genug hatte. Oben in dem Zimmer angekommen, war Roxanne schon unter der Dusche, sodass Rose Dominique aufs Bett verfrachtete. Dominique wippte hin und her und Rose sah mit Unbehagen zu, da sie fürchtete, dass die Blonde rückwärts fallen würde und sich den Kopf stoßen würde. „Ich hab Dome noch nie so betrunken gesehen. Das war wohl zuviel Stress für sie.“ Roxanne half Rose ihre gemeinsame Cousine unter die Dusche zu stellen. Danach konnte Rose endlich duschen und war froh den Kuchen abzubekommen. Sie hoffte, dass ihre Mutter ihr Kleid wieder hinbekam, denn es war schade um das schöne Stück. Vor allem da ihre Mutter sich so selten erweichen ließ ihr ein schönes Kleid zu kaufen. Rose war zwar nicht besonders modebewusst, doch sie war einfach ein Mädchen, das schöne Kleider über alles liebte. Einzig Albus hatte ihr heute gesagt wie schön sie ausgesehen hatte. Scorpius war sicher nicht aufgefallen, dass sie ganz anders ausgesehen hatte als sonst. Noch im gleichen Moment versuchte sie den Gedanken an ihn zu verscheuchen, doch sie musste seufzen. Roxanne blickte auf. „Du bist verliebt, gib es zu. Und er weiß nichts davon, weswegen du so laut seufzt. Hat er vielleicht eine andere? Ist die kleine Rose hoffnungslos verliebt?“ Rose griff nach einem Kissen und warf es nach ihrer Cousine, die es fing bevor es sie traf. „Das war eindeutig ein Ja, liebe Rose“, flötete sie fröhlich. „Wer ist es?“ Doch Rose zog ihr zweites Kissen übers Gesicht und wollte nichts mehr hören. Dieser ganze Tag war eine einzige Katastrophe gewesen. ~~~ Er genoss es förmlich unter ihnen zu sein. Jetzt löste sich das Fest nach der Tortenschlacht auf doch er blieb stehen und sog den Duft der vielen Leute ein. Er hatte das Gefühl ihren Geruch unter all diesen Leute zu erkennen, so als stände sie direkt neben ihn. Sie roch nach frischen Erdbeeren und ein wenig nach Heu. Er hatte im ersten Augenblick entschieden, das sie die Königin in seinem Schachspiel sein würde. Doch er schwankte noch ob sie die weiße oder die schwarze Königin werden sollte. Nach dem heutigen Abend hatte er alle seine Schachfiguren zusammen. Noch standen sie wild durcheinander auf dem Brett, doch er würde sie in aller Ruhe anordnen bis sie an ihren Plätzen standen bevor er die Partie beginnen würde. Er würde sie wie Puppen dirigieren, sie manipulieren bis sie sich völlig in seinen Fäden verstrickt hatten und nicht mehr frei kamen. Dann war der Augenblick gekommen, an dem er sie gegeneinander antreten lassen würde. Aus Freunden und Geliebten würden Feinde werden. Sie würde sich gegenseitig vernichten bis zum letzten Mann und er würde die unterhaltsame Show genießen. Er war der Puppenspieler, nein er war vielmehr, er war das Schicksal. Von nun würde keiner der Auserwählten mehr tun, was sie selbst wollten, sondern nur noch tun, was ihm gefiel. Er schrieb ihre Geschichten, die sie befolgen mussten. Bis sie merkten, dass sie manipuliert wurden, würde es längst zu spät sein. Falls sie es überhaupt merkten, denn er war ein Meister seines Fachs. Er konnte es kaum abwarten bis sie sich gegenseitig abmetzeln würden. Doch noch musste er sich gedulden. Er hatte alle Zeit der Welt um seinen Plan Wirklichkeit werden zu lassen. Die Vorfreude auf diesen einen Augenblick war bittersüß und würde ihn noch eine zeitlang begleiten. Er beobachte genussvoll die blutrote Sonne, die aufging, wodurch das Haus aussah, als würde es brennen. Es war der letzte Sonnenaufgang, den sie als freie Menschen hätten betrachten können, doch das Haus lag still da und alle verschliefen diesen atemberaubenden Sonnenaufgang, der all das Blut ankündigte, das schon bald fließen würde. Er war das Schicksal und keiner konnte dem Schicksal entfliehen. Nicht einmal Harry Potter hatte es gekonnt. Auch er hatte sein Schicksal erfüllt und nun waren seine Kinder dran ihr Schicksal zu erfüllen. Er würde es genießen bis zur letzten Sekunde, bis zum letzten Mann. Dem Schicksal konnte niemand entfliehen. Kapitel 3: Fate determines -------------------------- „Rose? Beeilst du dich, Schatz? Wir wollen nicht zu spät zum Bahnhof kommen!“ Die Rothaarige hörte die Stimme ihrer Mutter und schloss wieder die Augen. Sie wollte nicht aufstehen, geschweige denn, mit dem Zug nach Hogwarts. Es war eine Woche vergangen seit der Hochzeitsfeier, aber Rose wusste, dass das richtige Unheil erst in der Schule auf sie zukommen würde. Da konnte man einem Malfoy nämlich nicht so leicht entgehen. Ihr Bruder schoss ins Zimmer und riss mit einem Ruck die Vorhänge auf. „Aufstehen oder gelingt dir das mit verlorenem Kopf nicht?“ „Hugo, der Witz ist ausgelutscht und jetzt lass mich in Ruhe“, knurrte Rose entnervt. Hugo freute sich natürlich auf die Schule. Er hatte ja auch nicht ihre Probleme. Während sie das Leben viel zu ernst nahm, nahm er es nicht ernst genug. Irgendwann würde sein Dauergrinsen schon zu Staub zerfallen, da war sie sich sicher. Er würde auch früh genug den Ernst des Lebens kennen lernen. Aber bis dahin würde Hugo sie wohl weiternerven bis sie ihn wirklich einen Kopf kürzer machen würde, was bei all seinen geschmacklosen Witzen längst überfällig war. Rose rappelte sich also notgedrungen hoch bevor auch noch ihr Vater in ihr Zimmer kam, um sie zu wecken. Insgeheim freute sie sich irgendwie doch auf die Schule. Da waren alle ihre Freunde und die wogen ihr Problem mit Scorpius fast wieder auf. Außerdem entkam sie dort den aufmerksamen Blicken ihrer Eltern, die wegen des seltsamen Verhaltens ihrer Tochter überbesorgt waren und der Nervensäge von Bruder, der in Hogwarts zum Glück mit anderen Dingen beschäftigt war als sie zu nerven. Rose machte sich also doch fertig und packte den letzten Rest, um pünktlich unten zu stehen mit ihrem Koffer. Ihre Mutter bedachte sie mit einem kritischen Blick, schien aber letztendlich froh zu sein, dass ihre Tochter sich doch noch entschieden hatte nach Hogwarts zu fahren. Rose hoffte, dass dieses Schuljahr einfach nur schnellstmöglich vorbeiging und dass sie so gut wie nie Malfoy über den Weg lief. Auch wenn die Rothaarige sich auch so denken konnte, dass ihr dieser Wunsch nicht erfüllt werden würde. Dafür hasste sie das Schicksal einfach zu sehr. Um viertel vor elf war die Familie Weasley auch endlich im Bahnhof von Kingscross und steuerte auf die Absperrung zwischen Gleis 9 und 10 zu. Hugo rannte begeistert voraus und verschwand. Rose folgte ihm eher widerwillig und war kurz am Überlegen es noch einmal mit einem Fluchtplan zu versuchen, wusste aber, dass ihre verdammte Tollpatschigkeit das wieder zu verhindern wusste, also ließ sie es bleiben. Auf dem Gleis 9 ¾ herrschte schon reges Gedränge und Rose hielt Ausschau nach Alice, mit der sie zusammen ein Abteil beschlagnahmen wollte. Sie sah Albus, der ihr zuwinkte, als er sie entdeckte und in diesem Augenblick drehte sich Scorpius um. Rose erstarrte augenblicklich und wollte sich schnell abwenden, als sie sah, dass er ihr kurz zunickte und ihr ein kleines Lächeln schenkte. Ihr Herz machte sofort einen Satz und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Zum Glück kam Alice jetzt auf sie zugerannt und fiel ihr stürmisch um den Hals. „Ich hab schon ein Abteil für uns. Louis hält es gerade für uns frei, aber du solltest dich trotzdem beeilen bevor Louis noch ein duzend schwärmende Mädchen einlädt sich zu ihm zu gesellen.“ Rose lachte, weil sie wusste, dass Louis lieber einen Bogen um die Mädchen machte, die ihm nur wegen seines guten Aussehens, das er dank des Veelablutes hatte, zu Füßen lagen. Anders als seine Schwestern kam er nicht ganz so gut damit klar, so gut auszusehen. Vor allem störte ihn, das er weiblicher als die meisten Jungs war. Rose verabschiedete sich also schnell von ihren Eltern und folgte mit ihrem Koffer Alice, die voraus lief. Vor dem Abteil stand eine Horde Mädchen, die kichernd darauf hofften, dass Louis sie hereinbat, um sich mit ihnen zu unterhalten. Alice drängelte sich durch und warf den Mädchen vernichtende Blicke zu bevor sie die Abteiltür nachdem Rose hereingekommen war, mit voller Wucht den Mädchen vor der Nase zuschlug. „Die nerven einfach nur“, meinte Alice und ließ sich neben Louis fallen. „Als ob gutes Aussehen so wichtig wäre. Die wissen doch gar nicht, ob Louis in Wahrheit vielleicht Sadist ist oder so.“ Louis verzog das Gesicht. „Du glaubst doch nicht….“ „Das war nur ein Beispiel. Ich kenn dich schließlich und ich glaube nicht, dass du ein Sadist bist.“ Alice verdrehte die Augen und Louis atmete erleichtert wieder auf. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung und die drei winkten ihren Eltern noch mal zu bevor der Zug volle Fahrt aufnahm, um sie sicher nach Hogwarts zu bringen. ~~~ Albus lehnte sich zurück und sah seinen besten Freund streng an. „Versprichst du es mir?“ Scorpius verdrehte entnervt die Augen, da sie das Thema immer und immer wieder durchgekaut hatten. Er hatte langsam echt keine Lust mehr darauf. „Ja, ich lass deine Cousine in Ruhe und versuche nett zu ihr sein. Aber mehr auch nicht, verstanden?“ „Wenn du es wenigstens ernsthaft versucht, wäre das ein deutlicher Fortschritt. Ich mag euch beide und will nicht, dass ihr euch wie Katz und Maus ständig bekriegt.“ Scorpius zuckte mit den Schultern. Ihm machte es einfach Spaß die rothaarige Weasley ständig zu ärgern, weil sie immer so schön darauf einging und alles persönlich nahm. Und dass ausgerechnet dieses Mädchen sich in ihn verliebt hatte und ihm das auch noch gestanden hatte, amüsierte ihn königlich. Sie war so stolz und nun hatte er sie voll und ganz in der Hand. Er wusste genau, dass sie nie im Leben wollen würde, das er herumerzählte, dass sie in ihn verliebt war. Vorerst würde er das nicht tun, weil die Ungewissheit sie rasend vor Wut machen würde, da sie nicht abschätzen konnte, wann er die Bombe platzen ließ. „Du hast schon wieder irgendwelche Ideen, wie du ihr das Leben schwer machen kannst. Schlag sie dir gleich wieder aus dem Kopf!“ Albus kannte Scorpius einfach zu genau. „Ich ärgere sie schon nicht. Ich hab an etwas anderes gedacht“, sagte er ausweichend, doch er wusste sein bester Freund nahm ihm das sowieso nicht ab. „Wo sind übrigens die anderen? Haben die sich über den Zug verteilt? Wir haben doch große Pläne für dieses Schuljahr!“, lenkte Scorpius auf ein anderes Thema bevor Albus noch eine weitere Strafpredigt zum Thema Rose halten würde. „Die werden wir noch früh genug zu Gesicht bekommen. Das Schuljahr fängt doch gerade erst an. Wir haben also noch viel Zeit um unsere Quidditchstrategie zu besprechen.“ Scorpius war voller Stolz, das er dieses Jahr Kapitän der Hausmannschaft von Slytherin war. Er hatte in den Ferien schon ausführlich geplant wie sie auf jeden Fall den Quidditchpokal holen würden. „Wie ist es eigentlich gegen deinen Bruder und deine Schwester im Quidditch anzutreten?“, fragte Scorpius Albus um endgültig vom Thema Rose abzulenken. James war Kapitän der Quidditchmannschaft und ein ausgezeichnet Treiber, der zusammen mit seinem Cousin Fred auf die Klatscher einprügelte und Lily war die Sucherin des Teams. Albus bekam letztendlich nicht direkt mit ihnen etwas zu tun, weil er Hüter der Slytherinmannschaft war, doch trotzdem stand er in Konkurrenz mit seinen Geschwister. „Ich muss mir von James meist dumme Sprüche anhören und auch Lily sagt mal was Fieses zu mir, aber das ist wieder vergessen, wenn wir in den Ferien zusammen Quidditch spielen.“ Scorpius war fast ein wenig neidisch auf Albus, der nie alleine war, weil er immer seine Geschwister und seine ganzen Cousinen und Cousins um sich hatte, während er selbst die Ferien alleine in einem riesigen Haus verbrachte. Der Zug fuhr endlich auf dem Bahnhof in Hogsmeade ein. Scorpius und Albus schlüpften in ihre Umhänge. Der Blonde befestigte noch schnell das Vertrauensschülerzeichen an seiner Brust. Er hasste seine Aufgabe als Vertrauensschüler. Vor allem hatte er Angst gehabt, dass er dann nicht Mannschaftskapitän werden könnte, doch diese Sorge war unbegründet gewesen und er hatte in den Ferien ein zweites silbernes Zeichen erhalten, das er aber nur ansteckte, wenn sie Quidditchspiele haben würde. Benedict Bletchley wollte sich auf sein Abschluss konzentrieren und hatte bereits jetzt Platz für ihn als Mannschaftskapitän gemacht. Scorpius konnte es kaum erwarten wieder Quiddich zu spielen. Die Schüler stiegen aus dem Zug aus und gingen auf die pferdelose Kutschen zu, die auf sie warteten. Wie der Zufall es so wollte, kamen Scorpius und Rose zeitgleich an einer Kutsche an. „Hey Rose!“, grüßte Albus hinter ihm seine Cousine, während Scorpius sie ganz genau musterte. Er könnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass er etwas für sie empfinden könnte, aber er hatte schließlich auch nicht vor ihre Gefühle zu erwidern. Wie versprochen würde er aber erst einmal nett zu ihr sein. „Ladies first“, sagte er mit einem Lächeln und deutete auf die Kutsche. Scorpius konnte in ihren Augen sehen, dass sie ihm misstraute und sich fragte was das sollte. Alice nahm Rose letztendlich die Entscheidung ab und stieg in die Kutsche gefolgt von Louis. Rose folgte ihnen ebenfalls missmutig und auch Scorpius und Albus gesellten sich dazu. Als sich die Kutsche in Bewegung setzte, drehte Rose sofort den Kopf beiseite und ignorierte Scorpius, der insgeheim darüber lächelte. Nie würde Albus sein Ziel erreichen und aus ihnen beide Freunde machen. Das war einfach völlig unmöglich. Würde es immer sein. Er sah den Blick von Albus, der ihn streng musterte und ihn daran erinnert nichts Dummes zu sagen. Also schwiegen sie alle bis sie das Schloss erreicht hatten und Rose war die Erste, die aus der Kutsche ausstieg und ohne einen Blick zurück ins Schloss stiefelte. Scorpius sah ihr hinterher und fand es höchst unterhaltsam, dass sie ihn mit aller Mühe versuchte zu ignorieren. So einfach würde er sich nicht ignorieren lassen. Er würde Rose ganz sicher nicht in Ruhe lassen und es gab auch anderen Weg sie zu provozieren. Das würde sicher ein lustiges Schuljahr werden. Noch konnte Scorpius nicht ahnen, dass der Krieg bald hier Einzug halten würde und Hogwarts in Flammen stehen würde. ~~~ Albus wusste, dass es schwer werden würde zwischen Rose und Scorpius zu vermitteln. Immerhin hatte Scorpius versprochen zu versuchen nett zu ihr sein, auch wenn er bereits befürchtete, dass sein bester Freund hinter seinem Rücken bereits Pläne schmiedete, um Rose zur Weißglut zu treiben. Nun musste er mit Rose reden und sie darum bitten Scorpius ebenfalls eine Chance zu geben. Das würde viel schwieriger werden, weil sie ihn nicht leiden konnte, wegen all seiner Versuche sie zu provozieren, die ihm leider auch immer geglückt waren. Heute saßen sie an verschiedenen Tischen, aber morgen würde er mit Rose darüber reden. Bis dahin würde Scorpius sie hoffentlich nicht schon wieder wütend gemacht haben. Am Slytherintisch saßen bereits alle Quidditchmitglieder auf einem Haufen. Scorpius würde nur einen neuen Jäger brauchen, also würden die Auswahlspiele wohl klein ausfallen. Albus setzte sich neben Lorcan, der als Treiber zusammen mit Liam Pucey perfekt harmonierte, was aber nur auf dem Spielfeld der Fall war. Außerhalb konnten die zwei sich nicht ausstehen. Deshalb saß Liam jetzt auch mit Ryan und Adrian ein Stück weiter entfernt und unterhielt sich mit ihnen. Die zwei Flintbrüder waren super Jäger, aber brauchten jetzt noch einen dritten im Bunde. Der Blick von Albus schwebte geistesabwesend über alle mögliche Kandidaten, die vielleicht für diesen Posten in Frage kommen würden. Die meisten hatte er noch nie fliegen gesehen und konnte daher nicht einschätzen wie sie flogen, aber Scorpius würde sicher jemand finden, der geeignet war. Eigentlich war es ja auch nicht seine Aufgabe nach einem passenden Jäger Ausschau zu halten. Sein Blick wanderte weiter und blieb beim Ravenclawtisch hängen, wo Rose mit Alice, Louis und Lysander Witze riss und lachte. Sie bemerkte seinen Blick und winkte ihm kurz zu, sah dann aber neben ihm Scorpius, der auch aufgeblickt hatte und drehte sich pfeilschnell wieder zurück zu den anderen. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden, wenn Albus versuchte, die zwei nur dazu bringen sich nicht innerhalb weniger Minuten zu zerfetzen. Er seufzte. Er würde es einfach mit allen Mitteln versuchen, denn er konnte es nicht leiden, wenn zwei seiner Freunde ständig miteinander stritten. Ihm war Frieden und Freundschaft wichtig, also würden sich die zwei einfach zusammenreißen müssen. „Ich dachte der sollte nur eine kurzfristige Aushilfe sein.“ Scorpius wies auf den jungen Mann, der letztes Jahr noch Filchs Aushilfe gewesen war und nun scheinbar selbst der neue Hausmeister von Hogwarts geworden war. Filch hatte es abgelehnt in den Ruhestand zu gehen, was alle Schüler zutiefst bedauerten, sodass Professorin McGonagall ihm eine Aushilfe zur Seite gestellt hatte, was Filch mit einem Knurren zur Kenntnis genommen hatte. Albus hatte kein Problem mit dem jungen Mann, der mit Nachname Greaves hieß, aber Scorpius war wohl mit ihm aneinander geraten und konnte ihm seitdem nicht mehr ausstehen. „Filch hat ja auch kaum noch was gesehen. Ist überhaupt erstaunlich, dass er noch so lange Hausmeister gewesen ist, wenn du überlegst, dass er schon Hausmeister war, als unsere Eltern zur Schule gingen. Ein neuer Hausmeister war schon überfällig.“ Scorpius sah nicht gerade begeistert aus, aber da er Albus nie den Grund verraten hatte, warum er mit dem neuen Hausmeister aneinander geraten war, konnte Albus nur spekulieren, warum er ihn so hasste. Als Professorin McGonagall verkündete, dass Filch in den Ruhestand gegangen war, überraschte es kaum einen, dass auch Madam Pince durch einen Nachfolger ersetzt wurde. Der neue Bibliothekar war ebenfalls noch sehr jung und war wohl der jüngste Sohn von Blotts. Sein älterer Bruder hatte mit dem Sohn von Flourish den Buchladen Flourish & Blotts in der Winkelgasse übernommen. „Schau dir mal die Mädchen an“, zischte Scorpius ihm zu. Es stimmte die Mädchen verdrehte nahezu alle die Köpfe, um die zwei jungen Männer sich näher zu betrachten. Beide waren höchst knapp über zwanzig Jahre alt und gut aussahen taten sie wohl auch. Trotzdem konnte Albus diese augenblicklich entstehende Schwärmerei nicht nachvollziehen. Das wäre ja so als würde man mit einem der Lehrer eine Affäre anfangen. Die zwei Neulinge zogen sich auch sofort wieder zurück und endlich gab es etwas zu essen. Albus fühlte sich nahezu ausgehungert und langte ordentlich zu. Scorpius schaffte es trotzdem zwischen jedem zweiten Bissen etwas zu Quidditch zu sagen, worauf Albus ihm notgedrungen antworten musste. Dann war auch der Naschtisch durch und sie wurden entlassen in ihre schönen kuscheligen Betten. Scorpius stand auf und rief den Erstklässlern zu, das sie ihm folgen sollte, während Albus in Gedanken schon längst in seinem Himmelbett lag und einfach hinterher trottete. ~~~ Dominique stupste Molly an, als sie sich für das Bett fertig machten. „Die sahen gut aus, nicht wahr?“ „Wen meinst du?“, fragte Molly, die schon wieder leicht geistesabwesend war. Dominique verdrehte die Augen. Sie bedauerte es manchmal zutiefst, dass sie nicht mit Roxanne in einem Jahrgang war, weil sie dann auch im gleichen Schlafsaal wären. Hier verbrachte sie nur Zeit mit Molly, ihrer Cousine. Die Blonde hatte sich noch nie so recht in die Clique von Molly, James und Fred einfinden können. Daher verbrachte sie ihre Zeit auch lieber mit Roxanne und Rose, wobei sie von Letztere immer wieder überrascht war, dass sie gern mit ihr plauderte. Gegen Alice hatte sie auch nichts einzuwenden, aber in ihrem eigenen Jahrgang fand Dominique sich nicht wirklich zurecht, da die meisten sich einfach zu gut an die Zeit erinnern konnte, als Victoire noch an der Schule war und sie immer für eine billige Kopie ihrer Schwester hielten. Ihre Cousinen sahen in Dominique nicht Victoire, weswegen Dominique nur Freunde in ihrer eigenen Verwandtschaft hatte. Wieder ein Grund wofür sie Victoire hasste. „Ich meine den neuen Hausmeister und den neuen Bibliothekar“, erwiderte Dominique. „Ach so die“, sagte Molly einfach. „Sahen ganz passabel aus aber nicht mein Fall.“ Dominique würde es nie verstehen, warum Molly sich nicht für Jungs interessierte. Wahrscheinlich lag das daran, dass sie seit ihrer Kindheit mit James und Fred abhing. Dann wurde man wohl schon selbst fast zum Jungen und sah in ihnen nur noch gute Kumpels. Also ließ die Blonde das Gesprächsthema fallen und kletterte in ihr Bett. Sie suchte immer noch eine Möglichkeit aus dem Schatten ihrer perfekten Schwester zu treten und sie war sich sicher, dass einer der Neulinge sich auf sie einlassen würde. Eine Affäre mit dem Hausmeister oder dem Bibliothekar würde Dominique genau die Aufmerksamkeit geben, die sie wollte. Also würde sie die nächsten Tage damit verbringen sich für den mehr viel versprechenden Kandidaten zu entscheiden. Auf Mollys Hilfe konnte sie getrost verzichten. Roxanne konnte sie zumindest dazu bringen sich mit ihr auf die Lauer zu legen, aber ihren wahren Plan würde sie ihr nicht offenbaren. Aber wenigstens fühlte sich Dominique dann nicht ganz allein, auch wenn sie sich schon immer einsam gefühlt hatte, da niemand nachempfinden könnte, wie es war im Schatten der perfekten Schwester zu stehen. Das verstand einfach keiner. Roxanne hatte einen Bruder, dem sie aber nicht nacheiferte. Rose und Molly waren beide das älteste Kind und hatte selbst eher eine Vorbildfunktion inne. Woher sollten ihre Freundinnen also wissen, wie sich Dominique fühlte? Und mit diesem Gedanken schlief Dominique ein. Der nächste Morgen weckte Dominique mit sanften Sonnenstrahlen, die so gar nicht zu ihrem Gemütszustand passten. Die Nacht über hatte sie Alpträume gehabt. Seltsamerweise erinnerte sie sich nicht mehr an den Inhalt ihrer Alpträume, aber sie wusste noch, dass sie vom Krieg geträumt hatte. Das schien völlig unpassend, wo doch schon seit Jahren Frieden herrschte. Vor allem hasste sie die Geschichten über den Krieg gegen Lord Voldemort. Es erinnerte Dominique stets an Geschichten, die den Kindern Angst einjagen sollten und auch wenn ihre Eltern selbst an diesem Krieg beteiligt gewesen waren, so lag das für sie Jahre zurück. Sie sollte lieber an etwas Positives denken. Zum Beispiel an ihren Plan. Also beeilte sich die Blonde zum Frühstück zu kommen, wo sie in Ruhe mit Roxanne reden konnte. Roxanne begrüßte sie freudig. „Wir haben zwei neue Ziele dieses Schuljahr“, verkündete Dominique. Die Dunkelhaarige verstand die Botschaft sofort und lächelte breit. „Das sehe ich genauso. Wann legen wir los?“ „Sobald wie möglich. Nach dem Unterricht haben wir bestimmt genug Hausaufgaben, um in die Bibliothek gehen zu können, um den ersten unter die Lupe zu nehmen.“ Roxanne nickte begeistert. „Da mach ich ja fast gerne die Hausaufgaben in der Bibliothek.“ „Also treffen wir uns dann nachdem Unterricht in der Bibliothek? Da kommt schon McGonagall um die Stundenpläne zu verteilen. Ich hab keine Lust UTZ-Schülerin zu sein.“ Das ganze Lernen für die Prüfungen würde Dominique ganz sicher die Laune verderben. „Mir wird das wohl kaum besser ergehen. Ich fand die ZAG letztes Jahr schon hart und jetzt werden wir ja auch schon auf die UTZ vorbereitet. Also steht Büffeln an der Tagesordnung.“ Dominique lächelte und spielte mit ihrem Haar. „Ich hab andere Pläne für dieses Schuljahr und wenn ich durch die Prüfung falle, dann ist das ebenso.“ Roxanne kicherte und in diesem Augenblick kam McGonagall bei ihnen an, um ihnen ihre persönlichen Stundenpläne zu erstellen. Die zwei verabschiedeten sich voneinander und Dominique machte sich auf den Weg zu Verwandlung. Auf dem Korridor sah sie den neuen Hausmeister, der ihr entgegenkam und sie wurde langsamer um sich die Zeit zu nehmen ihn genau zu mustern. Er hatte dunkelbraunes Haar, das ihm ganz der Mode entsprechend ins Gesicht fiel. Seine dunkelgrünen Augen stachen aus seinem Gesicht völlig heraus und plötzlich lief Dominique ein kalter Schauer über den Rücken, als er sie musterte. Sie nahm ihr voriges Tempo wieder auf und beeilte sich an ihm vorbeizukommen. Der neue Bibliothekar war sicher eher ihr Fall. ~~~ Er reckte sich und betrachte genüsslich den Zettel, den er gerade beschriftet hatte. Endlich stand sein Plan fest und er hatte jedem seine Rolle zugewiesen. Auf dem Zettel war ein Schachbrett abgebildet und dort wo die normalerweise die Figuren standen, hatte er nur in seiner krakeligen Schrift Namen notiert, die in seinem Spiel die Rolle der Figur innehatten. Alle Plätze waren besetzt. Er hatte alle Bauern zusammen und für jede Seite gaben es auch ein König und eine Dame. Auch die Rollen der Türme, Läufer und Springer waren verteilt. Es war alles perfekt und er konnte bald mit seinem Schachspiel beginnen. Weiß würde als Erstes seinen Zug machen und dann würde es nicht mehr lange dauern bis das Spiel richtig begann. Bis zum Schluss nur noch ein König übrig blieb. Und das würde er sein. Er würde mit allem Genuss zusehen wie der weiße König fallen würde. Er wusste schon genau, welcher Spielzug der Letzte sein würde. Bis zur letzten Sekunde würde er diese Schachpartie genießen, in der er Herr über alle Figuren war und indem er jeden Zug bestimmte. Er gefiel sich in der Rolle des Schicksals. Es konnte gar keine bessere Rolle für ihn geben. Natürlich spielte er nebenbei noch die Rolle des schwarzen Königs, aber das war nur eine Nebensache, da ihm wohl kaum eine Figur so nah kommen würde, dass er ernsthaft in Gefahr wäre. Vielmehr war er der Spieler, der das Schicksal der Figuren bestimmte, entschied, ob sie geschlagen wurden oder das Spiel lange unbeschadet überstanden. Alles hing von seiner Entscheidung und er genoss dieses Gefühl der Macht und der Kontrolle. Solange er geschickt vorging, würde niemand auf den Hauch einer Idee kommen, dass er dahinter steckte. Er konnte alles von seinem Logenplatz aus genießen. Schließlich war er extra nach Hogwarts gekommen, um seinen Schachfiguren dabei zusehen, wie sie seine Züge ausführten und wie sie sich aufs Blut bekämpften. Nicht mehr lang und Hogwarts würde brennen. Bis zum letzten Mauerrest würde er zusehen, wie es verkohlen würde bis nichts als Asche übrig blieb. Sie würden alle dafür büßen müssen. Erst wenn das Blut in Strömen geflossen war, würde er sich zufrieden geben und von der Bildfläche verschwinden. Doch bis dahin würde er alles zerstören, was ihnen wichtig war. Familien auseinander reißen, den Eltern die Kinder berauben und alles in Flammen untergehen lassen. Hogwarts würde untergehen. So wollte das Schicksal es. So wollte er es. ~~~ Rose machte sich wieder einmal Gedanken über Scorpius. Seine neue freundliche Tour gefiel ihr ganz und gar nicht und machte sie noch misstrauischer. Wollte er erst abwarten bis sie durchdrehte und dann allen preisgeben, dass sie ihm gesagt hatte, dass sie in ihn verliebt war. Sie konnte es schließlich leugnen und abstreiten. Es war nämlich völlig lächerlich und keiner würde ihm deshalb glauben, dass ausgerechnet Rose Weasley einem Malfoy ihre Liebe gestanden hatte. Das musste Scorpius genauso gut wissen, wie sie es wusste, also konnte sie davon ausgehen, dass er auf etwas anderes abzielte und das konnte logisch gesehen nur eine Sache sein. Er wollte sie dazu bringen es selbst vor aller Welt rauszuposaunen. Was er vermutlich sogar schaffen würde, da er einfach etwas an sich hatte, was sie immer so wütend machte, das sie in ihrer Wut wirklich alles sagen konnte, was sonst niemals über ihre Lippen wandern würde. Und sie wusste eigentlich ziemlich genau, was er hatte, was ihn so unschlagbar machte. Er besaß ihr Herz und hatte die Macht es mit einem Schlag zu zerstören. In winzigen Stücke zu schlagen. Und das trieb Rose vor Wut die Tränen in die Augen. Das sie sich ihm völlig ausgeliefert fühlte, da sie ihr Herz einfach nicht zurückfordern konnte, da sie ihn einfach nicht vergessen und da sie einfach nicht aufhören konnte ihn zu lieben. Was sollte Rose in so einer Situation jetzt tun? Sie wusste, dass sie nicht drum rum kommen würde jemanden um Rat zu fragen. Es hieß nur noch abwägen, wer die richtige Person dafür war. Dominique und Roxanne konnte sie schon mal von der Liste streichen. Die zwei würden sie damit nur aufziehen und ihr alles andere als ratsame Tipps geben. Nie im Leben würde sie die zwei fragen. Eigentlich müsste Alice ihre erste Wahl sein, doch im Augenblick hatte sie das dumpfe Gefühl, dass Alice wegen irgendetwas wütend auf sie war. Also konnte sie auch nicht Alice fragen. Albus schied generell schon mal aus, weil er der beste Freund von Scorpius war. Nicht das sie glaubte, dass er alles brühwarm an Scorpius weiter erzählen würde, aber sie ging lieber auf Nummer sicher. Molly interessierte sich nicht für Jungs, Fred und James würden sie beide nicht ernst nehmen und Lily, Hugo und Lucy waren einfach zu jung und interessierten sich hoffentlich noch nicht dafür. Blieb also Louis übrig. Das erschien Rose eine gute Wahl zu sein. Bevor Rose dazu kam Louis anzusprechen und ihm auf einen Spaziergang einzuladen, tauchte Albus nach dem Mittagessen auf und fing sie ab. „Hey Rose! Können wir eben kurz miteinander reden?“ Da die Mittagspause noch nicht ganz vorbei war, willigte die Rothaarige ein, obwohl sie sich gut denken konnte, worüber ihr Cousin mit ihr sprechen wollte. Sie setzten sich auf eine Bank im Innenhof. „Ich habe mit Scorpius gesprochen, so wie ich es dir auf der Hochzeit versprochen hatte und er ist damit einverstanden nett zu dir zu sein. Er will es versuchen und deswegen will ich dich bitten ihm ebenfalls eine Chance zu geben.“ Rose dachte zweifelnd darüber nach. Sie hatte zwar bemerkt, dass Scorpius netter als sonst zu ihr gewesen war, aber sie glaubte, dass mehr dahinter steckte, als nur sein Versprechen Albus gegenüber. Aber vielleicht dachte sie wirklich nur schlecht von ihm und er hatte gar keine Hintergedanken, sondern war wirklich nur nett zu ihr, weil er seinem besten Freund einen Gefallen tun wollte. Sie hielt es zwar für viel wahrscheinlicher, dass er Hintergedanken hatte, denn schließlich war ein Malfoy, aber sie wollte ihm trotzdem eine Chance geben. Hoffen konnte man ja, dass er es wirklich einmal ernst meinte. „Okay ich gebe ihm eine Chance, aber wenn er mich nur einmal provoziert, dann kannst du vergessen, dass ich je wieder auch nur ein einziges Wort mit ihm wechsele.“ Albus musste lachen und Rose wurde davon angesteckt. „Ich hoffe, dass ihr euch einfach vertragt. Für mich wäre das auch viel einfacher. Also tu es bitte auch mir zuliebe, damit ich nicht immer zwischen den Fronten stehe.“ Rose nickte, da sie auch verstehen konnte, wie schwierig das für Albus sein musste. Aber mehr als versuchen konnte sie es auch nicht. Leider wusste Albus auch nicht, dass es zwischen ihnen noch ein anderes Problem gab und Rose überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie in Scorpius verliebt war und sein bester Freund das auch wusste, doch Albus war längst aufgestanden und winkte ihr noch einmal zu. Rose seufzte und beschloss diese Angelegenheit aufzuschieben. Erstmal musste sie zum Unterricht und dann musste sie dringend mit Louis ein langes Gespräch unter vier Augen führen. Um alles andere würde sie sich später ein Kopf machen müssen, doch ihre guten Noten waren jetzt wichtiger als ihr Liebeskummer. Schließlich sollten ihre Eltern stolz auf ihre Tochter sein. ~~~ Scorpius war schrecklich gelangweilt vom Unterricht. Im Augenblick hatte er überhaupt keine Lust darauf, auch wenn er sich unbedingt zurück nach den Ferien sehnte, die genauso schrecklich langweilig gewesen waren, wie jetzt der Unterricht. Geschichte der Zauberei war sowieso das langweiligste Fach auf Erden. Einzig Rose Weasley hörte aufmerksam zu und schrieb fleißig ihre Notizen. Vielleicht wäre es ein Vorteil mit ihr befreundet zu sein, dann käme er an ihren Unterrichtsnotizen und könnte sie dann endlich in den Prüfungen schlagen. Doch das war ein Hirngespinst. Rose würde ihm nie freiwillig ihre Notizen aushändigen. Er wäre auch nie ernsthaft an einer Freundschaft mit ihr interessiert. Egal was Albus beabsichtigte. Scorpius war entschieden dagegen sich mehr als nötig mit Rose zu befassen, denn sie war so gar nicht sein Typ. Sie mochte kein Quidditch und war eher schüchtern, auch wenn sich hinter dieser Maske ordentlich Temperament verbarg. Doch das war bei ihr eher negativ anzurechnen, da sie sich nur aufregte und nicht besonders schlagfertig und witzig war. Dazu kam ihre Tollpatschigkeit, die sie total unattraktiv machten. Es sollte ja Jungs geben, die auf so was standen, aber er gehörte sicher nicht dazu. Er konnte also weder mit ihr über Quidditch, seinem einzigen Lebensinhalt, reden, noch sah sie gut genug aus, um ihn zu reizen. Er spielte auch nur mit, weil Albus ihm angedroht hatte, dass er nicht mehr als Hüter beim Quidditchspiel auflaufen würde und das konnte Scorpius sich nicht leisten jetzt seinen Hüter zu verlieren. Er musste sich sowieso Gedanken darüber machen, wann er die Auswahlspiele stattfinden lassen sollte. Er setzte sie am besten gleich noch für diese Woche an, damit er schon ab nächster Woche trainieren konnte. Schließlich hatte er ein Ziel. Von Mädchen würde er sich dieses Schuljahr ganz sicher nicht ablenken lassen. Es gab nur Quidditch und nichts anderes für ihn. Alles andere war unwichtig. Nach dem Unterricht holte ihn Fred Weasley ein. Er war der neue Schulsprecher geworden. „Hey Scorpius. Ich will gleich ein Treffen mit allen Vertrauensschülern machen. Könntest du deiner Kollegin noch Bescheid geben? Bis gleich dann.“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprintete Fred weiter, um am Ende des Korridors Rose anzusprechen, die natürlich ebenfalls auf diesem Treffen sein würde. Widerwillig machte Scorpius sich auf den Weg um Parkinson zu sagen, dass sie gefälligst ihren Schminkspiegel einstecken sollte und mitkommen sollte. „Stopp wartet mal ihr zwei.“ Fred blickte von seinem Stapel Papier auf und blickte Rose und Scorpius, die gerade als Letzte den Raum verlassen wollten, an. „Könntet ihr eben noch die zwei Stapel mitnehmen und in das Lehrerzimmer räumen?“ Scorpius blickte zu Rose, die eher wenig begeistert aussah und dann zu Fred, der sie ungeduldig ansah. Schweigend nahm er den einen Stapel. Rose nahm sich ebenfalls den anderen Stapel ohne ein Wort zu sagen und ging voraus. Er folgte ihr und war intensiv am Überlegen, wo zum Teufel jetzt noch einmal das Lehrerzimmer war. Hoffentlich wusste wenigstens die Weasley, wo es langging. Wann war er schließlich jemals im Lehrerzimmer gewesen? Er war davon ausgegangen, dass es so etwas gab, aber er hatte noch nie einen Grund gehabt dort hin zu gehen. Aber Rose war sicher schon dort gewesen, um irgendeinen der Lehrer mit ihren Fragen zu nerven, also würde sie das schon finden, wo sie so zielstrebig voranging. Dann blieb sie aber unschlüssig stehen und sah zwischen zwei Gängen hin und her. Sie war natürlich zu stolz um ihn danach zu fragen, auch wenn er natürlich keine Antwort darauf gewusst hätte, aber fragen tat sie trotzdem nicht. Stattdessen ging sie entschieden weiter und kam kurze Zeit später an einer Tür an. Scorpius beeilte sich ihr die Tür zu öffnen, worauf hin sie erst einmal beleidigt ansah bevor sich ihre Miene in ein Lächeln umwandelte und sie durch die Tür ging. Albus hatte also mit ihr gesprochen und sie hatte ihm eine Chance geben. Das erstaunte ihn wirklich, denn damit hätte er nicht gerechnet. Vielleicht hatte Albus ihr auch mit irgendetwas gedroht, auch wenn er das bezweifelte. Er folgte ihr also in das Büro und räumte den Stapel in den Aktenschrank. Rose hatte ihren bereits ordentlich abgelegt und war zur Tür gegangen. Scorpius drehte sich gerade um, als Rose mit aller Kraft am Türknauf zog und rüttelte. Sie hörten ein gackerndes Lachen und Peeves Stimme, der laut sang. „Jetzt kommen sie nicht mehr raus, jetzt kommen sie nicht mehr raus!“ Wie sehr er diesen Poltergeist doch hasste. Kapitel 4: Fate arranges ------------------------ Rose hörte nur das Lachen von Peeves und konnte nicht aufhören an der Tür zu rütteln. Das konnte nicht sein. Sie konnte nicht hier mit Scorpius eingesperrt sein. Es fühlte sich an, als wäre sie in einem schrecklichen Alptraum eingesperrt aus dem sie einfach nicht erwachen konnte. Völlig gleichgültig, ob sie Albus nun versprochen hatte, Scorpius eine Chance zu geben. Mit ihm in einem Raum eingesperrt zu sein, war das schlimmste, was ihr passieren konnte. Warum war es nur immer so vorhersehbar, dass ausgerechnet das Schicksal ihr immer diese üblen Streiche spielte, die aus einer Soap geklaut zu schienen? „Rose, hast du deinen Zauberstab dabei?“ Scorpius war im Gegensatz zu ihr ruhig geblieben und plötzlich schämte sie sich für ihre Panik. Wie musste es auf ihn gewirkt haben, wie sie verzweifelt am Türgriff gerüttelt hatte? Sie versuchte ein cooles Gesicht aufzusetzen, während sie ihren Umhang nach ihrem Zauberstab absuchte. „Hast du deinen etwa vergessen?“, fragte sie mit gewisser Freude. Jetzt konnte sie ihn retten und sie hätte zur Abwechslung mal etwas in der Hand gegen ihn, denn er wollte bestimmt nicht von einer Weasley aus dieser misslichen Lage befreit werden. Doch ihr Zauberstab war nicht in ihrem Umhang. Er musste immer noch in ihrer Tasche sein, die immer noch im Zimmer stand, wo die Versammlung der Vertrauensschüler stattgefunden hatte. Natürlich es war eine ziemlich schlechte Soap, in der immer die Hauptdarstellerin leiden musste, weil das Schicksal ihr fortwährend übel mitspielte. Jegliches Triumphgefühl verschwand. Scorpius grinste. „Bei dir sieht es ja auch nicht besser aus. Na dann müssen wir uns Geduld üben und warten bis ein Lehrer auftaucht, was bestimmt bald der Fall ist.“ Rose fühlte immer noch den Wunsch in ihr augenblicklich aufzuwachen, um diesen Alptraum hinter sich zu lassen. Erst die Hochzeit und jetzt das. Was hatte sie nur getan, damit immer ihr so was passierte? Sie verdrückte sich in eine möglichst entfernte Ecke vom Lehrerzimmer, um soviel Raum wie möglich zwischen sich und Scorpius zu bekommen. Scorpius ließ sie auch vorerst in Ruhe, aber sie glaubte dem Frieden zwischen ihnen nicht, also war sie sich sicher, dass es früher oder später zum Streit kommen würde. Nach einer halben Stunde reglosem Schweigen, war die Stille zwischen ihn unangenehm geworden. Rose spürte die Blicke, die ihr Scorpius von Zeit zu Zeit zuwarf und fühlte sich unwohl in ihrer Haut, aber sie konnte selbst nicht widerstehen und warf ihm ebenfalls Blicke zu. Wann kam endlich Hilfe? Wie spät war es denn schon? Es musste schon Abend sein, denn sie hatten sich am späten Nachmittag zur Besprechung getroffen. Alice müsste sie doch langsam vermissen und bestimmt würde sie Fred fragen, ob er sie gesehen hatte. Aber andererseits ließ sie das Gefühl nicht los, das Alice wegen irgendetwas wütend war. Sie unterhielten sich zwar ganz normal, aber Rose meinte, einen Unterton heraus zu hören, der ihr das Gefühl gab, das Alice sauer war. Doch was hatte sie Alice getan und warum konnte Alice ihr das nicht frei heraus mitteilen? Vielleicht bildete sie es sich ja auch nur ein. Aber sie selbst war in letzter Zeit auch nicht ehrlich zu Alice gewesen. Sie konnte ihrer besten Freundin einfach nicht von der Sache mit Scorpius erzählen. Das lag aber zum Teil auch an ihr selbst. Sie glaubte, dass solange sie es nicht laut sagte, es nicht wahr war. So konnte sie es weiter vor sich selbst leugnen. „Worüber grübelst du so intensiv, Weasley?“ Scorpius grinste sie an, so als wüsste er, dass er keinen unwichtigen Part in ihren Gedanken übernahm. Und letztendlich konnte er sich das auch denken. „Aber eins kann ich dir jetzt schon sagen: Mich zu verführen, wird dir nicht gelingen, denn du bist eindeutig nicht mein Typ.“ Rose spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Als ob sie darüber nachgedacht hätte. Als ob sie überhaupt fähig zu so etwas war. Ganz sicher nicht ihr Stil. Falls sie jemals vorhaben sollte, es doch noch zu versuchen, würde sie sich nur blamieren. Wenn sie Scorpius Herz erobern wollte, dann auf andere Weise, aber im Augenblick wollte sie ihm nur den Hals umdrehen. „Ach, halt doch die Klappe. Du bist nicht halb so toll, wie du immer von dir denkst“, schnaubte sie nur und entlockte Scorpius damit nur ein breiteres Grinsen. Wann kam endlich jemand, um sie aus dieser misslichen Lage zu befreien? ~~~ Alice war wütend und traurig. Schon wieder war Albus direkt auf Rose zugegangen und hatte mit ihr geredet. Sie war links liegen gelassen worden, denn schließlich drehte sich wieder alles um Rose und Scorpius und ihren ewig währenden Krieg. Alice war einfach neidisch auf Rose und wütend zugleich. Warum konnte sie nicht einmal nett zu dem Slytherin sein? Er war doch wirklich charmant gewesen, als sie nach Hogwarts gekommen war. Aber Rose hatte Scorpius einfach ignoriert. Dabei wäre es die Möglichkeit den Streit beizulegen. Und für sie die Chance Albus näher zu kommen. Wenn doch nur nicht ihre sture beste Freundin alles verderben würde. Sie hatte überhaupt keine Lust auf Rose zu warten, die noch Stunden rund in ihrer Versammlung sitzen würde. Lieber ging sie allein zum Abendessen und machte sich dann auf in die Bibliothek, um zu lernen, da sie als Professorentochter ihren Vater stolz machen wollte. Rose würde sie dort schon finden. Beim Abendessen sah sie Albus alleine am Slytherintisch sitzen, da Scorpius ja auch auf der Versammlung war. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, denn er hatte die Stirn gerunzelt. Alice wünschte sich noch stärker mehr Zeit mit Albus verbringen zu können, um ihn fragen zu können, was in ihm vorging. Wie gerne wäre sie doch an seiner Seite um ihm eine Stütze zu sein. Und bei allem stand immer Rose im Weg, doch etwas hinderte sie daran, ihrer Freundin ihr Problem zu erklären und das lag nicht nur Roses Talent sich zu blamieren. Sie war eifersüchtig. Nicht nur neidisch, nein richtig eifersüchtig auf Roses gutes Verhältnis mit Albus. Genau das stand ihr im Weg um sich Rose anzuvertrauen. „Hey Alice, ist Rose noch bei der Versammlung?“ Louis gesellte sich zu ihr und mit ihm folgte Annie Wood, die ebenfalls in seinen Jahrgang ging. Sie mochte Annie, die neben ihr und Rose das einzige Mädchen war, mit dem Louis gerne Zeit verbrachte. Normalerweise war auch immer Lysander mit von der Partie, aber auch er war wohl noch bei der Versammlung. „Scheint so. Ich hab sie zumindest noch nicht gesehen. Lysander ist auch noch nicht zurück, oder?“ Louis schüttelte den Kopf. „Wer hätte gedacht, dass Fred es gleich so ernst mit seinem neuen Posten meint? Wie lange er sie wohl noch festhält?“ Alice zuckte mit den Schultern. Es überraschte sie sowieso, dass Fred Schulsprecher geworden war. Er hatte zwar nicht wirklich viel von seinem Vater, aber für die Sorte ernster Typ hatte sie ihn nicht gehalten. Doch er schien den Job wirklich ernst zu nehmen. Vielleicht wollte er auch nur ein Mädchen beeindrucken. Wirklich interessieren tat sie es nicht. Hoffentlich hielt er noch duzende solcher Versammlungen ab, dann konnte sie endlich Albus mal alleine in der Bibliothek erwischen. Ohne Rose und Scorpius würde es funktionieren. „Was ist mit dir los, Annie? Du wirkst so abwesend“, wechselte Alice das Thema. Louis warf ihr einen warnenden Blick zu, doch es war zu spät. „Es sind wieder die Alpträume“, murmelte Annie. Alice erinnerte sich, dass Louis ihr gegenüber mal erwähnt hatte, dass Annie häufiger unter Alpträumen litt und deswegen manchmal blass wie ein Gespenst war. Lysander konnte dann am besten mit ihr umgehen und sie wieder beruhigen. „Hogwarts wird brennen“, flüsterte Annie leise und es jagte Alice einen Schauer über den Rücken. Es klang so sehr nach Gewissenheit, wie Annie das so sagte. Sie wollte schon lachen und abwinken, um diese plötzliche Angst zu verdrängen, doch der ernste Blick von Louis ließ sie inne halten. „Was ist denn? Es ist doch nur ein Traum. Schaut nicht so ernst.“ Louis wechselte einen Blick mit Annie, doch sie schüttelte nur stumm den Kopf. Ihr Gesicht war wieder schrecklich blass und ihre blonden Haare betonten es nur noch schlimmer. „Ist ja auch egal“, wand Alice ein. „Ich muss noch in die Bibliothek. Wir sehen uns später im Gemeinschaftsraum.“ Dieser gruseligen Atmosphäre wollte sie nur entkommen. Als ob Hogwarts brennen würde. Das hatte es nur einmal getan und es würde auch nicht ein weiteres Mal geschehen. Lächerlich und trotzdem blieb dieser kalte Schauer, der weiter über ihren Rücken huschte. In der Bibliothek war ein furchtbares Getuschel im Gange. Ein Schar Mädchen hatte sich die Tische ganz vorne geangelt, um von dort aus den neuen Bibliothekar zu begaffen. Sie warf nur einen flüchtigen Blick in dessen Richtung, um zumindest zu erkennen, dass er blond war und wand sich dann um. Alice erkannte auch noch Dominique und Roxanne unter den Mädchen bevor sie sich kopfschüttelnd in den hintersten Teil der Bibliothek zog. Hier hatte sie ihre Ruhe und konnte endlich lernen. Es waren noch so viele Hausaufgaben zu erledigen. Und es lenkte sie davon ab weiter grundlos wütend auf Rose zu sein. Dabei hatte sie doch allen Grund wütend zu sein. Wenn Rose nur nicht wieder auftauchen würde. ~~~ Fred ordnete die Unterlagen zu Ende und fühlte sich unendlich stolz. Er war Schulsprecher und er würde diese Sache gut machen. Er wollte auf andere Art und Weise in die Geschichte eingehen, als sein Vater und sein Namensgeben es getan hatten. Schon immer war Percy sein Lieblingsonkel gewesen und für ihn stand fest, dass er ins Ministerium wollte und nicht den Laden seines Vaters übernehmen wollte. Das konnte Roxanne übernehmen. Sie besaß auch den natürlichen Charme, der sie als Verkäuferin geeignet machte. Er dagegen träumte davon Zaubereiminister zu werden. Außer Percy glaubte auch niemand so recht daran, dass er es schaffen würde. Schließlich war er ein guter Quidditchspieler und hatte den Schalk seines Vaters, aber das war beides nichts für ihn. Er wollte lieber ernst sein – natürlich würde er deswegen nicht auf Witze verzichten – aber er keiner nahm ihm das ab. Er hatte sich damit abgefunden im Schatten seines Onkel Freds zu stehen. Trotzdem störte es ihn gerade jetzt mit seiner Ernennung als Schulsprecher, das ihn keiner richtig ernst nahm. Aber das würde sich mit diesem Schuljahr ändern. „Hey Fred!“ James tauchte in der Tür auf. „Endlich fertig mit der Versammlung? Und wie ist es so Vertrauensschüler durch die Gegend schicken zu können?“ Fred lächelte. „Es wird sicher noch einen Heidenspaß machen, denn das Schuljahr hat ja gerade angefangen und es gibt viel zu tun.“ James hob drohend den Zeigefinger. „Aber wehe die Arbeit behindert das Quidditchtraining!“ Fred zuckte mit den Schultern. „Keine Sorge. Ich werde schon allem irgendwie gerecht werden.“ So wie er es immer tat, auch wenn er es hasste. James war sein bester Freund, doch auch er sah in Fred nicht das, was er wollte, dass es die Leute sahen. „Dann lass uns in den Gemeinschaftsraum und festlegen, wann die Auswahlspiele stattfinden bevor die Slytherins uns den besten Termin vor der Nase wegschnappen.“ Fred nahm seine Unterlagen und folgte James zur Grauen Dame, um in den Gemeinschaftsraum zu gelangen. Dort hatten es sich in ihrer Lieblingsecke bereits Lily, Hugo und Lucy gemütlich gemacht. „Liebste Lily“, begann James und beugte sich zu seiner Schwester herab. „Du weißt, dass das hier unser Platz ist? Ihr müsst noch ein Schuljahr warten bevor ihr diesen Platz beanspruchen könnt.“ Lily streckte ihrem Bruder die Zunge heraus. „Du wirst doch eh noch ne Ehrenrunde drehen!“ „Na warte“, drohte James und stürzte sich auf Lily, um sie durchzukitzeln. Darauf eilten Hugo und Lucy ihrer Freundin zu Hilfe, was in einem furchtbaren Durcheinander endete, in dem Fred beherzt eingriff, um James davor zu bewahren, selbst durchgekitzelt zu werden. Wie sehr er diese Fröhlichkeit doch liebte. Eine große Familie, die sich immer verstand. Als sie sich aus dem Knäuel entwirrt hatten, machte die drei Jüngeren den beiden Älteren ein wenig Platz und es kehrte Waffenstillstand ein. Fred musste lächeln, als er hörte, wie die drei ihr Schuljahr voller Streiche planten und dachte daran zurück, dass er und James einmal genauso gewesen waren. Er war erwachsener geworden und selbst James, der noch nicht ganz bereit war seine Zeit als Streichekönig der Schule hinter sich zu lassen, war ruhiger geworden. Wie schnell die Zeit doch verging. Bald würde sie alle ihre eigenen Wege gehen. ~~~ Louis war mit Annie nachdem Abendessen auf den Astronomieturm gestiegen, weil er mit ihr über ihre Träume reden musste. Im Gegensatz zu Alice wusste er ebenso wie Lysander, dass Annie eine besondere Fähigkeit hatte, die Professorin Trelawney im dritten Jahr beim Wahrsagen bemerkt hatte. Annie konnte durch ihre Träume in die Zukunft sehen. Es war zwar nicht direkt die Zukunft, wie sie geschehen konnte, sondern nur eine Ahnung, in welche Richtung sie lief. Mal sehr exakt, mal völlig undurchsichtig. Annie hasste diese Fähigkeit und wehrte sich mit Kräften gegen ihre Träume, aber sie konnte es nicht völlig ausstellen. „Hör auf so ein besorgtes Gesicht zu machen“, meinte Annie. Louis seufzte. „Ich mach mir aber Sorgen. Hogwarts in Flammen gefällt mir nicht besonders.“ Annie schlug die Augen nieder. Er kannte ihre Ängste nur zu gut. Keiner würde durch so eine Fähigkeit auffallen wollen oder könnte mit so einer Verantwortung umgehen. Er hätte wahrscheinlich auch Angst vor sich selber, wenn er ihre Fähigkeit hätte. „Du musst mir genau erzählen, an was du dich noch erinnern kannst“, bat Louis sie. Annie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich will mich nicht erinnern!“ In diesem Augenblick kam Lysander zu ihnen hoch. Er wusste, dass sie sich am liebsten nach hier oben verzogen. Er erfasste die Situation sofort und strich Annie übers Haar. „Louis will dich zu nichts zwingen. Aber du musst anfangen zu akzeptieren, was du kannst, sonst wird dir diese Fähigkeit den Rest deines Lebens zur Hölle machen. Du weißt ja, je stärker du es verdrängst, desto stärker kommt es wieder. Und wir wollen dir nur helfen.“ Lysander konnte unheimlich gut sich in Menschen hereinversetzen und das Richtige im richtigen Augenblick sagen. Darum beneidete Louis ihn insgeheim. Annie beruhigte sich wieder und sah nicht mehr so wütend aus. „Sie hat gesehen, wie Hogwarts brennt. Das finde ich beunruhigend“, setzte Louis Lysander in Kenntnis. „Und es ängstigt mich auch, weil es nichts gibt, was darauf hinweist.“ Lysander blickte nachdenklich drein, während sein Geist nach Antworten suchte. Auch Louis vertiefte sich in die Überlegung, aus welchen Gründen die Schule brennen konnte. Es konnte eine ganz natürliche Ursache haben. Zum Beispiel könnte ein Blitz einschlagen. Doch das klang so unwahrscheinlich, aber es war ihm immer noch lieber, als die andere Alternative. Jemand könnte den Brand legen. Dann wäre da die Frage aus welchem Grund, derjenige es tun würde. Dabei bekam er aus dem Kopf nicht heraus, dass es immer noch Anhänger vom dunklen Lord gab. Und das einzige Mal brannte Hogwarts bei der Schlacht, an der ihre Eltern beteiligt gewesen waren. Diesen Gedanken wollte er nicht weiterverfolgen. Es würde keinen neuen Krieg geben. Es herrschte Frieden und Annies Träume waren hoffentlich nur Träume. Plötzlich verstand er wie schwer es für Annie sein musste. Er wollte nicht mir ihr tauschen. „Bitte erzähl es uns“, bat Lysander. „In allen Details. Die Zukunft lässt sich möglicherweise verhindern, wenn wir wissen, was passiert.“ Annie holte tief Luft. Ihr fiel es sichtlich schwer. Doch dann schloss sie die Augen und begann zu erzählen. „Ich erinnere mich an gar nicht soviel. Ich stand in der großen Halle und alles war voller Rauch. Ich konnte kaum atmen und mir war schwindelig. Ich versuchte zum Ausgang zu gelangen, doch dort waren die Flammen am schlimmsten. Überall war Feuer und ich hörte schreckliche Schreie.“ Annie stockte und Louis konnte ihr ansehen, dass sie wieder in dem Traum eingetaucht war und alles noch mal miterlebte. Behutsam legte er den Arm um sie. „Da waren leuchtende Blitze und es muss sich irgendwer mit jemandem duelliert haben. Aber ich konnte nicht erkennen, wer das war. Und immer wieder schrie jemand und bat verzweifelt darum, dass sie aufhören sollen, aber das Duell brach nicht ab. Es klang, als würde es um Leben und Tod gehen. Ich hab weiter nach einem Ausgang gesucht, aber ich konnte nichts sehen und dann hab ich das Bewusstsein verloren.“ Annie atmete schwer und schlug die Augen wieder auf. „Das ist wirklich mehr als beunruhigend“, flüsterte Lysander nach einer kurzen Pause. „Ich hatte solche Angst. Es erinnerte mich so an die Geschichten von damals.“ „Was noch beunruhigender ist, als mir lieb ist. Das darf nicht passieren“, entgegnete Louis. Die drei Freunde tauschten einen langen Blick miteinander aus. „Ich muss träumen“, gestand Annie sich ein. „Das könnte helfen.“ „Wir können auch zu Professorin Trelawney gehen. Sie weiß bestimmt Rat“, bot Lysander halbherzig an, da er wusste, dass Annie den Vorschlag nicht annehmen würde. Sie schüttelte auch augenblicklich den Kopf. „Wir sind für dich. Zusammen werden wir das schaffen und herausfinden, was in Hogwarts passieren wird und es verhindern. Es gibt nichts, was sich nicht verhindern lässt, denn so was wie Vorherbestimmung gibt es nicht“, sagte Louis mit fester Stimme. Annie lächelte traurig. „Wenn ihr da seid, werde ich es schon schaffen.“ Doch ihr Gesicht sprach nur von ihrer großen Angst. Es standen ihr harte Nächte bevor, um das Geheimnis hinter dem Feuer zu lüften. Wie sehr wünschte Louis sich doch, dass er irgendwie helfen konnte, aber es gab nichts, was sie tun konnten. Annie musste ganz alleine in diese Träume eintauchen. Hoffentlich fand sie auch Antworten, die ihnen weiterhelfen würde. ~~~ Scorpius langweilte sich schrecklich. Es musste inzwischen schon später Abend sein und keiner schien sie zu vermissen. Und Rose war keine besonders gesprächige Leidensgenossin. Er hatte sie ein wenig aufgezogen, es aber bis jetzt im Rahmen gelassen, da er immer noch versuchte Albus einen Gefallen zu tun. Langsam nervte ihn sein bester Freund. Er vermisste ihn nicht und tauchte nicht auf, um ihn zu befreien und zu guter Letzt zwang er ihn auch noch zu Rose nett zu sein. Er mochte Rose nicht. Er wollte nicht nett zu ihr sein. Aber Albus war sein bester Freund und er wollte ihn nicht verlieren. Vor allem auch nicht als Hüter für die Quidditchmannschaft. Warum musste Albus ihm auch nur mit so etwas drohen? Sonst könnte er sein wie immer und Rose aufziehen, sie reizen und dafür sorgen, dass sie sich blamierte. Damit konnte er sich den lieben langen Tag mit beschäftigen, aber das hier war einfach nur nervtötend. „Weasley, jetzt erzähl doch mal was, bevor ich hier noch einschlafe. Zum Beispiel was gefällt dir so gut an mir, dass du deine Prinzipien über den Haufen wirfst und dich in mich verliebst. Das würde mich ehrlich mal interessieren.“ Er konnte geradezu sehen, wie hinter ihre Schläfe die Ader pulsierte und sie gleich in die Luft gehen würde. Doch er musste gestehen, er wollte wirklich gern den Grund wissen. „Du bist ein Arsch“, fauchte Rose wütend. „Das gefällt dir an mir? Ich bin überrascht. So hätte ich dich ja nicht eingeschätzt.“ Scorpius grinste. Es war soviel einfacher mit ihr zu spielen. Wütend griff sie nach einer Feder und warf sie nach ihm. Etwas anderes bekam sie zum Glück nicht zu fassen. Er schlenderte gemütlich zu ihr herüber und setzte sich neben ihr. „Ach komm schon. Irgendetwas muss es doch geben. Ich bin einfach nur neugierig.“ „Warum?“, fragte sie misstrauisch. „Damit du es herausposaunen kannst?“ „Wärst du nicht auch neugierig, aus welchen Gründen sich jemand zu dir hingezogen fühlt? Ich bin – wie du bereits so treffend festgestellt hast – ein Arsch. Warum also hast du Gefühle für mich?“ Scorpius betrachtete Roses Gesicht, die ihn misstrauisch musterte, aber insgeheim schon mit sich rang, ob sie es ihm nicht doch sagen sollte. Sie war wie ein offenes Buch aus dem man einfach alles lesen konnte. Dann gewann ihr vertrauensselige Seite. Sie warf ihm zwar noch einen misstrauischen Blick zu, schien dann aber fest entschlossen zu sein, den Moment zu nutzen. „Du bist nicht nur ein Arsch“, begann sie zögerlich. „Du bist ehrgeizig und zielstrebig und weißt genau, was du willst. Du bist Albus ein guter Freund und würdest ihn nie verraten. Du verbirgst hinter dieser coolen Fassade wahrscheinlich nur deine Unsicherheit, weil du selber nicht an dich glaubst. Dabei könntest du alles schaffen!“ Rose sah ihm kurz fest in die Augen bevor sie rot wurde und den Blick abwandte. Ihr war die Situation doch peinlicher, als sie wohl vorher gedacht hat. Scorpius dagegen war überrascht. Damit hatte er irgendwie nicht gerechnet. Das peinliche Schweigen zwischen ihnen hielt noch einen Augenblick an bevor Scorpius sich wieder soweit gefangen hatte, um darauf eine gute Antwort zu haben. „Ich bin also der strahlende Held deiner Träume?“ Roses Wangen verfärbten sich noch stärker. Scorpius war am Überlegen, wie weit er gehen konnte und beugte sich zu ihr vor, als hätte er die Absicht sie zu küssen. Sie geriet sofort in Panik und schob ihn von sich. „Was soll das?!“ „Ich dachte, du willst mich. Na komm, hier ist niemand. Was ist schon dabei?“ Unter der Ohrfeige konnte er sich gerade noch rechtzeitig wegducken. Schließlich hatte er genug Erfahrung mit Roses aufbrausendem Temperament. „Ich hab mich geirrt. Du bist nur ein Arsch ohne irgendetwas Gutes an dir!“ Scorpius konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen. Es machte einfach Spaß. „Geh mir bloß aus der Sonne“, knurrte Rose und verzog sich auf die gegenüberliegende Seite des Büros. Wenn sie sich nur nicht so leicht reizen lassen würde, dann würde er sie auch in Ruhe lassen. Aber sie lernte ja nicht daraus und solange würde er sie weiter ärgern. „Ach komm schon. Wir müssen uns vertragen, sonst kriegen wir Stress mit Albus. Also komm wieder rüber und lass uns wie zivilisierte Menschen miteinander reden.“ Sie warf ihm nur vernichtende Blicke zu. „War ich bis jetzt nicht nett? Du witterst doch hinter jedem Wort von mir eine Falle. Wärst du nicht so misstrauisch, könnte man dich nicht so leicht reizen.“ „Als ob ich dir nach all den Jahren plötzlich vertrauen würde“, entgegnete sie genervt. „Stell dir vor, wir befänden uns auf einmal im Krieg und von der Frage, ob du mir vertraust oder nicht, hängt dein Leben ab, würdest du dann meine Hand ergreifen?“ Rose legte den Kopf schief und überlegte kurz. „Vielleicht.“ Scorpius verdrehte die Augen. Warum mussten Frauen eigentlich immer so kompliziert sein? „In so einer Situation hast du keine Zeit, um abzuwägen. Würdest oder würdest du nicht?“ Rose sah ihn wütend an. „Ich weiß nicht. Ich kann mich da nicht hineinversetzen. Keine Ahnung, was ich tun würde.“ Jetzt spürte Scorpius Wut in sich aufkochen, was normalerweise nie der Fall war. Er reizte Rose, nicht sie ihn. Warum konnte sie diese einfache Frage nicht beantworten? „Dann bist du tot, weil ich niemanden rette, der nicht ein Funken Vertrauen in mich setzen kann!“ „Was für ein Glück, dass wir Frieden haben und ich nicht darüber nachdenken muss, was im Kriegsfall passiert. Ich versteh sowieso nicht, warum Albus unbedingt will, das wir uns verstehen, weil das einfach unmöglich ist!“, entgegnete Rose ebenso wütend. Scorpius lächelte. „Na das liegt doch auf der Hand!“ Rose warf ihm stirnrunzelnd einen fragenden Blick zu. Scorpius grinste. Jetzt hatte er sie. „Ganz einfach. Er will nicht, dass sein bester Freund und seine zukünftige Freundin sich miteinander bekriegen.“ Ihr fragender Blick blieb. „Albus ist total in dich verschossen“, sagte Scorpius und ließ endgültig die Katze aus dem Sack. ~~~ Als es bei Rose endlich Klick machte, sah sie Scorpius nur völlig verständnislos an. Dieses Mal erlaubte er sich wirklich einen fiesen Witz. Das war unmöglich wahr. Konnte es doch gar nicht sein. Scorpius beachtete sie nicht weiter und redete einfach fröhlich weiter. „Ich weiß überhaupt nicht, was er an dir findet. An dir ist doch nichts Besonderes. Mit Ausnahme deiner Reizbarkeit und dein Temperament. Ihr passt auch nicht zusammen. Und dann seid ihr noch verwandt. Ich mein es geht ja noch, weil du seine Cousine bist, aber trotzdem doch irgendwie schräg. Zum Glück bist du ja in mich verliebt, da hat Albus keine Chance, denn ich bin ja einfach unwiderstehlich und der Held deiner Träume…“ „Halt die Klappe“, brach Rose erstickt heraus. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Wie sollte sie Albus wieder gegenübertreten? Selbst wenn Scorpius alles erfunden hatte, würde sich dieser Gedanke festsetzen. So konnte sie doch nicht mehr normal mit Albus reden ohne diesen Hintergedanken. Dabei war Albus doch einer ihrer besten Freunde. Aber konnte sie ihn einfach so frei heraus fragen, ob es stimmte, was Scorpius gesagt hatte? Und was war, wenn es stimmte, verletzte sie dann nicht seine Gefühle? Sie wollte seine Freundschaft nicht verlieren. Warum war sie nur so mies darin mit anderen Menschen umzugehen? Ihre Tollpatschigkeit würde ihr da nicht weiterhelfen. „Ich hasse dich“, spie Rose hervor. Scorpius machte immer alles zunichte. Er machte immer alles kaputt. Für ihn war das hier nur ein großes Spiel, in dem er gewinnen würde. Er war so ein Idiot. So ein verdammter Idiot. Und jetzt kamen ihr auch noch die Tränen. Was war sie nur für ein großes Talent? Sie hatte so gar nichts von ihren starken, mutigen Eltern. Ein Schwächling, mehr war sie nicht. „Hey, beruhig dich wieder“, meinte Scorpius zaghaft. „Ich hätte nicht gedacht, dass dich das so mitnimmt!“ Rose stieß ihn von sich und in dem Augenblick hörte sie endlich das befreiende Geräusch des Klickens im Schloss, als ein Schlüssel umgedreht wurde. Sie rannte ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken auf die Tür zu und stolperte gegen denjenigen, der die Tür geöffnet hatte. „Hey, was ist denn hier los?“ Rose warf sich der Person in die Arme und weinte hemmungslos. Tief in ihrem Inneren hatte sie bemerkt, dass diese Person der Hausmeister war, den sie überhaupt nicht kannte. Aber das war ihr völlig gleichgültig. Soviel schlimmer konnte dieser Tag nicht mehr werden. Das hier war eindeutig der schlimmste Tag ihres Lebens. Dass das der erste von vielen weiteren sehr schrecklichen Tagen werden würde, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Kapitel 5: Fate casts doubt --------------------------- Scorpius konnte nicht fassen, was er da gerade sah. Rose war doch wirklich diesem miesen Hausmeister um den Hals gefallen und heulte sich bei ihm aus. Aus irgendeinem Grund fand er diese Szene unerträglich. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und stürmte den Gang herunter. Diese Weasley war doch echt ein Fall für die Klapsmühle. Vielleicht hätte er ihr das von Albus nicht erzählen sollen, aber sie hatte ihn aufgeregt, als sie seine einfache Frage nicht hatte beantworten können. Und es war das erste, was ihm eingefallen war, um sie zu verletzten. Doch jetzt tat es ihm seltsamerweise leid. Sie hatte ein paar echt nette Dinge über ihn gesagt, von denen er sich wirklich geschmeichelt fühlte. Aber es war zu spät noch etwas zu ändern und der Anblick dieses Hausmeisters brachte sein Blut in Wallung. Er wollte umdrehen und dem Typen eine runterhauen. Er musste sich beruhigen und tief durchatmen. Er konnte keinen Schulverweis riskieren. Als Malfoy ging das auf gar keinen Fall. Er musste seinen Stolz wahren. Scorpius blieb stehen. Er war völlig außer Atem, weil er so schnell gerannt war. Wie peinlich. Ein Malfoy rannte nicht durch Gänge. Eigentlich musste er zurückgehen und Rose vor diesem Typen warnen. Das schuldet er ihr und auch Albus, aber er war so aufgebracht bei dem Gedanken ihn auch nur anzusehen, das er nicht glaubte, dass er die Kraft hatte, sich zu kontrollieren ohne einen tödlichen Fluch auf ihn zu schießen. Wie sehr er diesen Typen doch hasste und verachtete. Er würde bestimmt nicht so schnell vergessen, was letztes Jahr passiert war. Scorpius hatte nie mit Albus oder irgendwem darüber gesprochen, weil er gar nicht wusste, wie er es erzählen oder erklären sollte. Er beschleunigte seine Schritte, weil ihn der Gedanke daran würgen ließ. Dieser Typ hatte ihn bloßgestellt und gelacht. Ihn richtig ausgelacht. Scorpius konnte nicht zurück, solange er dieses hämische Grinsen vor Augen hatte. Rose würde sich da schon alleine durchboxen. Was sollte ihr auch schon groß passieren? Es gab eigentlichen keinen Grund zur Sorge. Nur seine Wut machte ihm Sorgen. Er ging lieber wieder zurück in den Gemeinschaftsraum. Dort würde er einen Termin für die Auswahlspiele festlegen, damit er endlich einen neuen Jäger fand, um mit dem Training anzufangen. Das erste Spiel der Saison war Ende Oktober gegen Gryffindor und er würde den Sieg holen. Wenn er seinen Kopf mit der Planung voll stopfte, gab es nichts, worüber er nachdenken musste. Auch nicht über den Hausmeister und den Vorfall vom letzten Jahr. Endlich war er im Gemeinschaftsraum und sofort war Jane an seiner Seite. „Hey Scorpius, wo hast du denn gesteckt?“ Sie nervte ihn echt. „Ich war beim Vertrauensschülertreffen. Und jetzt muss ich was mit deinen Brüdern besprechen. Weißt du wo sie gerade sind?“ Jane zog einen Schmollmund. „Weiß ich doch nicht.“ Dann zischte sie ab und ließ ihn in Ruhe. „Kumpel, da bist du ja.“ Albus klopfte ihm auf den Rücken. Scorpius stöhnte innerlich. Er war so schlecht darin Albus zu belügen. Das konnte heiter werden. ~~~ Rose schämte sich für ihr Verhalten, aber der Hausmeister war wirklich freundlich. Sie saß jetzt bei ihm im Büro und er machte ihr einen Tee. Er hatte sie nicht dafür ausgelacht, dass sie weinend in seine Arme gestürzt hatte, sondern beruhigend auf sie eingeredet und sie hatte sich wieder eingekriegt. „Tut mir wirklich noch mal Leid für die Umstände, die ich Ihnen bereite.“ Er lachte und winkte ab. Mit den Grübchen im Gesicht sah er gar nicht mehr so unheimlich aus, sondern richtig jung und gut aussehend. Rose merkte, wie ihr die Farbe ins Gesicht stieg und nannte sich einen Narren. Er reichte ihr eine Tasse und setzte sich ihr gegenüber. „Dann schieß mal los, was dich so zum Weinen gebracht hat“, fragte er sie. Rose wurde endgültig rot und wusste nicht, was sie sagen sollte. Eine passende Ausrede für ihre Tränen fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. „Ähm“, begann sie unsicher. Seine dunkelgrünen Augen verwirrten sie, die so ruhig auf ihrem Gesicht verharrten. Und da rutschte ihr plötzlich wie von selbst die Wahrheit heraus. „Scorpius hat mir etwas gesagt, was ich nicht wissen wollte und ich wünschte, ich könnte es vergessen, aber es sitzt schon in meinem Kopf fest“, sprudelte es aus ihr heraus. Er nickte nachdenklich. „Wenn man etwas vergessen will, denkt man nur stärker darüber nach und bekommt es nicht aus dem Kopf. Ich würde dir raten dich mit diesem Wissen auseinanderzusetzen und dich damit zu konfrontieren. Dann ist es nur noch halb so schlimm.“ Rose war überrascht von seinen Worten. Trotz seiner Jugend klang er so erfahren, als hätte er schon viel erlebt. Er war richtig erwachsen und nicht so kindisch wie Scorpius. Warum hatte sie sich nicht in so jemand verliebt? „Danke. Ich glaub ich werde Ihren Ratschlag beherzigen, Mr. Greaves.“ „Du brauchst mich nicht zu siezen. Soviel älter als du bin ich gar nicht und ich fühl mich so alt, wenn du Sie sagst.“ Der Hausmeister streckte seine Hand aus und zögernd ergriff Rose sie. „Nenn mich einfach Nathan.“ „Okay“, sagte Rose verblüfft. „Ich bin Rose.“ „Nett dich kennen zu lernen, Rose.“ Nathan lächelte verschmitzt und irgendwie kribbelte es in ihrem Bauch. „Oh mein Gott“, dachte sie nur. „Lass es Einbildung gewesen sein.“ Warum kam sie nur von einem Fettnäpfchen ins nächste gestolpert? „Wenn du dich mal wieder ausweinen willst, reden willst oder nur einen guten Tee trinken willst, bist du hier sehr gerne willkommen.“ Was für ein freundliches Angebot. Der Hausmeister war überhaupt nicht unheimlich. Er war richtig süß und charmant. „Vielen Dank“, brach Rose hervor und ihre Stimme klang seltsamerweise eine Oktave höher als sonst. Sie musste wieder zurück. Ihre Gedanken sammeln und tief durchatmen. Das war eindeutig zuviel für sie. „Ich geh dann wieder zurück. Bestimmt macht man sich schon Sorgen, wo ich solange bleibe. Nochmals danke für den Tee und das Gespräch.“ Rose sprang geradezu auf von ihrem Stuhl und blieb auch gleich mit ihrem Umhang hängen. Doch bevor sie sich auch noch auf die Nase legen konnte, um sich endgültig zu blamieren, fing er sie geschickt auf und plötzlich fand sie sich in seinen Armen wieder. Rose blinzelte überrascht noch oben und sah, dass Nathans Gesicht nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Das war alles einfach nicht wahr. ~~~ Lily langweilte sich schrecklich. Bis gerade eben hatten sie noch zu dritt im Gemeinschaftsraum gesessen, aber dann waren Hugo und Lucy ganz artig schon am ersten Schultag in die Bibliothek gegangen, um ihre Hausaufgaben zu machen. Aber darauf hatte sie keine Lust. Sie sah lieber James und Fred bei einer Partie Zauberschach zu und unterhielt sich mit ihnen über Quidditch. Die beiden hatten gerade beschlossen, wann die Auswahlspiele stattfinden würden und jetzt juckte es sie unter den Fingern sich einen Besen zu schnappen und zu fliegen. Das erste Spiel war gegen Slytherin und sie musste als Sucherin gegen Scorpius antreten. Nervös knetete sie ihre Finger. James würde sie auslachen, wenn er etwas von ihrer Schwärmerei wusste und sie fand es auch peinlich. Sie wollte gewinnen. Doch gegen Scorpius war sie nicht ganz so fest entschlossen. Lily wollte nicht, dass er sie deswegen nicht ausstehen konnte. Aber wenn sie gewann, nahm er sie vielleicht ernst. Ob sie ihn einfach nach dem Spiel fragen sollte, ob er mit ihr mal nach Hogsmeade ausging? Schon der Gedanke daran machte sie ganz kribbelig. Als Tochter ihrer Mutter sollte sie die Initiative ergreifen bevor es diese eklige Jane tat. Schließlich war Lily hübsch und kam ganz nach ihrer Mutter. Warum sollte Scorpius da nein sagen? Außerdem wollte er es sich sicher nicht mit Albus verderben, wenn er seiner kleinen Schwester einen Korb gab. Manchmal war es von Vorteil, dass ihre Brüder immer auf sie aufpassten. Jetzt musste Lily vor sich hin grinsen. „Grins nicht so blöd. Hilf mir lieber gegen Fred“, kam prompt von ihrem Bruder. Lily streckte James die Zunge heraus. „Dir helfe ich sicher nicht.“ Damit stand sie auf und beschloss doch noch nach Lucy und Hugo zu sehen. So alleine war ihr doch zu langweilig, auch wenn das nicht hieß, dass sie vorhatte in der Bibliothek zu lernen, aber sie war lieber bei den zwei und plante neue Streiche. Doch ihre beiden Freunde waren in der Bibliothek nicht aufzufinden. Vielleicht hatten sie sich ja verpasst. Also ging Lily zurück. Da drang Lucys Gekicher an ihr Ohr, das aus einem leeren Klassenzimmer kam. Lily fühlte sich sogleich verraten, wenn die beiden sie ausschlossen und öffnete die Tür, um ihnen einen Schrecken einzujagen. Aber als sie die Tür aufmachte, fand sie die beiden nicht beim heimlichen Streiche planen, sondern knutschend in einer eindeutigen Haltung. Hugo hatte gerade seine Hand unter Lucys T-Shirt geschoben und der Kuss sah auch nicht gerade unschuldig aus. Statt ertappt auseinander zu fahren, grinste Hugo nur blöd in ihre Richtung und Lucy gab ihr ein Zeichen, das sie verschwinden sollte, was Lily dann auch vor Schreck einfach tat. Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, wurde ihr klar, dass ihre beiden besten Freunde eine Beziehung miteinander hatten und das sicher nicht erst seit heute, ohne ihr ein Wort zu erzählen. Lily musste mit den Tränen kämpfen. Sie war so wütend. Das war kein Verrat mehr, das war schon Hochverrat. ~~~ Albus wurde das Gefühl nicht los, dass Scorpius ihm etwas verschwieg. Seit einer Woche benahm er sich irgendwie komisch. Am ersten Schultag musste irgendetwas vorgefallen sein, was er ihm nicht erzählen wollte. Beim Mittagessen ergriff er die Gelegenheit und sprach seinen besten Freund darauf an. „Sag mal bist du wieder mit dem Hausmeister aneinander geraten oder was ist mit dir los?“ Als er das verdutzte Gesicht von Scorpius sah, war er selbst verblüfft, wie dicht er wohl an die Wahrheit gekommen war. Sofort verdunkelte sich das Gesicht seines Freundes wieder und der Malfoy grummelte nur. „Eher ist Rose an ihn geraten.“ Albus wurde hellhörig. „Jetzt spuck schon die ganze Geschichte aus oder muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“ Scorpius seufzte hörbar und wand sich an den Potter. „Versprich mir nur, dass du mich keinen Kopf kürzer machst.“ Albus ahnte schon Schlimmstes, nickte aber trotzdem. „Peeves hat uns im Lehrerzimmer eingeschlossen, als Rose und ich noch nach der Versammlung etwas hingebracht habe. Du kannst dir vorstellen, dass das sehr unterhaltsam war.“ Scorpius grinste belustigt und wurde dann wieder ernst. „Sie hat mich gereizt“, gab der Malfoy zu, was ihm wohl nicht gefiel. „Ich bin wütend geworden und mir ist was rausgerutscht.“ „Was?“, fragte Albus sofort nach. Sein ungutes Gefühl wollte nicht gehen. Scorpius zögerte einen Augenblick. „Ich hab ihr von deinen Gefühlen für sie erzählt. Sie war total durch den Wind. Ich wollte mich schon wieder entschuldigen, da wurde die Tür geöffnet und Rose ist raus und hat sich in die Arme des Hausmeisters gestürzt.“ Es kochte in Albus. Er war wütend auf Scorpius und wollte diesen Hausmeister grillen, aber erst nachdem er seinen besten Freund erwürgt hatte. Aber er versuchte ruhig zu bleiben. „Warum hast du ihr das gesagt?“ Den wütenden Unterton konnte er nicht unterdrücken. Scorpius sah schuldig drein. „Sie hat mich wütend gemacht, weil sie mir nicht geglaubt hat, dass ich auch anders sein kann. Da ist es mir rausgerutscht.“ „Du hast kein Recht meine privaten Angelegenheiten herauszuposaunen. Ich geh mich jetzt bei Rose entschuldigen und ich hoffe du tust das auch.“ Damit ließ Albus sein Mittagessen unangerührt stehen und stapfte davon in Richtung Gemeinschaftsraum der Ravenclaws. Er konnte nicht fassen, dass Scorpius Rose das gesagt hatte. Ja, er war in sie verliebt und das schon seit sie fünf Jahre alt waren, aber er hatte es ihr nie gesagt, weil ihm ihre Freundschaft wichtiger war. Er hatte darüber nachgedacht, aber es immer wieder verworfen. Und jetzt hatte Scorpius alles versaut. Albus war verzweifelt. Was sollte er jetzt nur Rose sagen, um zu retten, was noch zu retten war? ~~~ Dominique hatte erleichtert festgestellt, dass der Bibliothekar eindeutig mehr ihrem Geschmack entsprach. Und so verbrachte sie den größten Teil ihrer Zeit in der Bibliothek. Leider war sie nicht die Einzige, die Mr. John Blotts gut aussehend fand. Viele Mädchen seufzten laut auf, wenn er sich durchs blonde Haar fuhr und stupsten kreischend ihre Freundinnen an, wenn sie der Meinung waren, dass er sie mit seinen strahlend blauen Augen ansah. Dominique wahrte wenigstens genug Würde, um nicht sabbernd da zu sitzen. Sie wollte, dass der Typ sie anstarrte und nicht andersherum. Also tat sie etwas für sie Ungewöhnliches: Sie saß einfach nur da und lernte. Okay, hin und wieder guckte sie schon rüber, aber sie achtete darauf es nicht zu oft zu tun. In den ersten Tagen war Mr. Blotts von der Aufmerksamkeit, die ihnen die Mädchen entgegenbrachte, überfordert gewesen. Er hatte versucht sie zur Ordnung zu rufen, was es nur schlimmer machte. Dann muss er wohl in sich gegangen sein, um eine Lösung für dieses Problem zu finden. Am nächsten Tag hatte er auf jeden Fall ein Rohrstock dabei und knallte damit auf die Tische, wenn die Mädchen anfingen zu kichern und wenn sie nicht aufhörte, warf er sie ohne Widerworte hinaus. Dadurch war es wieder ruhiger geworden, aber weniger Mädchen waren es nicht geworden. Stattdessen hatte sich die Zahl ihrer Konkurrentinnen verdreifacht. Dominique fühlte sich trotzdem überlegen, da sie sich nicht zum Affen machte, sondern eher den Charme ihrer natürlichen Schönheit ausnutzte. Nervig war es trotzdem, aber sie blieb ihrem Plan treu. Jetzt musste sie ihn nur noch geschickt auf sich aufmerksam machen. Für die große Verführerin hatte sie sich noch nie gehalten, aber es war Zeit ihren Veela-Charme einzusetzen, um es auszutesten. Unschuldig nach einem Buch zu fragen, würde sie bestimmt nicht verraten. „Mr. Blotts, ich hätte eine Frage“, kam sie auf ihn zu. Er hob aufmerksam den Blick. „Ich suche etwas zu Arithmantik. Also zur Weiterbildung. Mich interessiert dieses Fach nämlich besonders und ich würde gern mehr dazu lesen.“ Ihre Tante Hermine wäre sicher stolz auf ihren plötzlichen Wissensdurst. Mr. Blotts war eher unbeeindruckt und schrieb ihr ein paar Titel auf. Er sah sie nicht einmal ein zweites Mal, was Dominique empörte. Ihre Schönheit konnte man doch nicht einfach ignorieren. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. Und wenn sie dafür hunderte Bücher lesen musste, damit er sie für interessant empfand. Jetzt war ihr Ehrgeiz endgültig gepackt. ~~~ Rose war verzweifelt. Sie wusste nicht mit wem sie reden sollte. Alice ging ihr aus dem Weg. Louis war mit Lysander und Annie beschäftigt und irgendwie nie ansprechbar. Dominique und Roxanne waren ständig in der Bibliothek. Sie konnte sich nicht dazu durchringen mit Albus zu reden. Molly würde sie nicht verstehen. Dafür war sie zu kühl und wirkte immer so, als würde sie das alles nichts angehen. Lily war eine Plaudertasche, die es allen erzählen würde. Lucy war wie ihre Schwester und fiel damit auch raus. Rose würde am liebsten mit Louis oder Lysander reden, aber was auch immer sie trieben, schien Sorgenfalten zu verursachen und zur Abwechslung waren sie nicht verfügbar. Also saß sie alleine mit ihren Problemen da. Ihr fiel nur der Ratschlag von Nathan ein. Sich mit dem Wissen auseinanderzusetzen. Das war irgendwie auch einleuchtend, auch wenn Rose sich dagegen erst gewehrt hatte. Albus war ihr immer wie ein Bruder gewesen. Ihr bester Freund, der ihr immer zur Seite stand. Aber war nicht Freundschaft ein gutes Fundament für eine Beziehung? Und es hieß doch immer, dass eine Freundschaft zwischen Männer und Frauen nicht funktionieren konnte, weil die Liebe irgendwann dazwischen kam. Also sollte es sie doch gar nicht so überraschen. Trotzdem machte sie der Gedanke fertig. Seit wann hatte Albus diese Gefühle für sie? Warum hatte sie es nicht bemerkt? Und wenn dem so war, konnte sie seine Gefühle möglicherweise erwidern? Sie stellte es sich nach einigem Überlegen als gar nicht mehr so schlimm vor mit Albus zusammen zu sein, wären da nicht ihre blöden Gefühle für Scorpius. Was sollte sie nur dieser Situation tun? Sie musste mit ihm reden. Aber was genau sollte sie bloß sagen? Rose wollte die Gefühle von Albus auf keinen Fall verletzten und ihre Freundschaft nicht zerstören. Diplomatie war aber sicherlich nicht ihre Stärke. Gerade deshalb sollte sie nicht es versuchen. Für sie blieb nur ein Weg, den sie für logisch hielt. Wenn Albus wirklich in sie verliebt war, würde sie versuchen sich ebenfalls in ihn zu verlieben. Es war egoistisch, aber es erschien ihr eine gute Möglichkeit zu sein, um über Scorpius hinweg zu kommen, denn eine neue Liebe heilte die alten Wunden. Und Albus würde sie niemals verletzten und wäre immer für sie da. Er war genau das, was sie jetzt brauchte. Noch während Rose diesen Gedanke zu Ende dachte, tauchte Albus vor ihr auf. „Hey, ich hab dich überall gesucht.“ Er sah traurig aus, als stellte er sich auf das Schlimmste ein. „Wir müssen über das reden, was Scorpius dir erzählt“, fing Albus an. „Also falls du noch mit mir reden willst.“ Rose war überrascht. Albus ging also wirklich davon aus, dass sie wütend auf ihn war. „Ich würde immer mit dir reden wollen“, bekräftigte Rose. „Du bist mein bester Freund. Das ändert sich doch nicht von heute auf morgen, nur wegen etwas, was Scorpius gesagt hatte.“ Albus lächelte zaghaft. „Aber was er gesagt hat stimmt. Ich bin in dich verliebt, aber ich habe es dir nicht gesagt, weil mir unsere Freundschaft wichtiger war und ich nicht wollte, dass du dich wegen meiner Gefühle unwohl fühlst.“ Wie konnte sie nicht seine Gefühle erwidern bei seiner freundlichen Zurückhaltung? Er war immer nur um sie besorgt und achtete immer auf ihre Gefühle, auch wenn er seine eigenen dafür verdrängen musste. Sie konnte das auch. Sie konnte Scorpius für Albus vergessen, damit einmal seine Gefühle berücksichtig wurden und nicht ihre. Rose war von ihrer Entscheidung endgültig überzeugt. „Ich fühle mich eher schlecht, weil ich es nicht bemerkt habe und dich sicher mit meinen Worte schon mehr als einmal verletzt habe“, gab Rose zu. Albus schüttelte den Kopf. „Du hast mich nicht verletzt und ich hab immer darauf geachtet es nicht zu zeigen, weil du mir wirklich sehr wichtig bist.“ „Du bist mir auch wichtig“, erwiderte sie und ergriff aus einem Impuls heraus seine Hand. Jetzt durfte sie es nur nicht vermasseln. Sie merkte seine Überraschung und dass sich ein Lächeln auf sein Gesicht schlich. „Du bist also nicht wütend auf mich?“, fragte Albus leise. „Nein, bin ich nicht. Ein wenig verwirrt, aber auf positive Weise. Ich finde es schön, dass mich mein bester Freund liebt und ich denke ich könnte ihn auch lieben.“ Nun war es raus. Rose war zögerlich, weil sie nicht wusste, ob das, was sie sagte, die richtige Botschaft vermittelte. Sie fühlte sich ein wenig schlecht, weil sie einen kurzen Moment an Scorpius dachte, aber sie glaubte ihren Worten. Albus nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah sie an, als bat er um ihre Erlaubnis. Er war irgendwie so süß. Rose lächelte ihn an und das reichte ihm wohl, um all seinen Mut zusammen zu nehmen, um sie küssen. Es war ein kurzer, schöner Kuss, der eine wollige Wärme zurückließ. Sie hatte sich zwar immer vorgestellt, dass sie ihren ersten Kuss Scorpius schenken würde, aber das hier fühlte sich gut und richtig an. Von nun an sollte ihr Herz ganz Albus gehören. ~~~ Alice hatte alles mit angehört und mit angesehen. Sie war nur zufälligerweise in diesem Gang unterwegs gewesen, als sie gesehen hatte, wie Albus zu Rose gekommen war. Ganz instinktiv hatte sie sich hinter der nächsten Rüstung versteckt und sich im nächsten Augenblick gewünscht an einem anderen Ort gewesen zu sein. Ihre Wut auf Rose hatte sich verzehnfacht. Rose erwiderte doch nicht einmal die Gefühle von Albus. Sie sagte doch nur, dass sie sie vielleicht erwidern könnte. Das war einfach so ungerecht! Aber Alice hatte keine Kraft gehabt, um die beiden zu unterbrechen. Vollkommen schockiert hatte sie deren Kuss gesehen und nun waren sie Händchen halten abmarschiert. Das war so grausig. Die zwei waren doch miteinander verwandt, hatten eine Beziehung wie Bruder und Schwester und jetzt das?! Alice konnte nicht mehr. Sie fühlte sich verraten und betrogen. Ihre Knie zitterten und sie ließ sich an Ort und Stelle sinken. Warum musste ihr das passieren? Was trieb das Schicksal so ein grausames Spiel mit ihr? Aber sie war auch selbst Schuld. Sie hätte Rose einfach sagen können, was sie empfand. Doch sie war ein Feigling gewesen und einfach nur eifersüchtig auf die gute Beziehung zu Albus gewesen. Jetzt war es zu spät. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie legte ihr Gesicht auf ihre Beine und ließ es einfach geschehen. Vielleicht hatte sie es auch nicht anders verdient. „Hey Alice, alles okay mit dir?“ Das war die Stimme von Louis, der sich neben ihr hinkniete. „Nichts ist okay“, flüsterte sie. Louis strich ihr über den Kopf und ließ sie weiterweinen. Aber jetzt fühlte sie sich nicht mehr ganz so schlecht, weil jemand bei ihr war, der nicht wegging, sie aber auch nicht bedrängte und fragte, was los sei. Louis blieb wirklich bei ihr bis ihr Tränenstrom abbrach und bot ihr ein Taschentuch an, damit sie sich die Nase putzen konnte. „Warst du wieder bei Annie und Lysander?“, fragte Alice, um irgendetwas zu sagen. Louis nickte. „Wir waren zusammen auf dem Astronomieturm.“ „Was macht ihr da eigentlich immer? Einfach nur herum sitzen?“ Louis zuckte mit der Schulter. „Dies und das. Worauf wir Lust haben.“ „Kann ich mal mitkommen?“, fragte Alice zögerlich. „Klar. Wir schließen ja niemanden aus“, meinte er. „Und geht es dir jetzt besser?“ „Ein wenig. Danke, dass du bei mir geblieben bist.“ „Ist doch selbstverständlich. Wir sind Freunde.“ Alice lächelte dankbar. Sie sollte Rose auch wieder ein bessere Freundin sein. Sie fühlte sich schlecht dafür, dass sie sich gewünscht hatte, dass Rose für immer verschwinden sollte. Bei Freundschaft sollte es doch darum gehen, dass man glücklich war, wenn der andere glücklich war. Am Ende zerstörte sie diese Freundschaft, die sie mit Rose seit dem ersten Schultag verband. Sie musste jetzt einfach stark sein und nicht daran zerbrechen. „Das nächste Mal komm ich auf jeden Fall zum Astronomieturm mit.“ Alice stand auf und Louis erhob sich auch wieder. „Ich muss dringend mit Rose reden. Aber wir sehen uns dann ja!“ Damit beeilte sich Alice zurück zum Gemeinschaftsraum zu kommen. Aber ganz konnte sie Rose nicht verzeihen. Nicht von heute auf morgen. ~~~ Fred ordnete seine Hausaufgaben nach Abgabedatum und machte sich dann sorgsam daran sie zu erledigen. Er hatte eine schöne, flüssige Schrift, um die ihn die Mädchen beneideten. Ihm gefiel Ordentlichkeit. Er war eben ganz anders als der chaotische James. Molly ließ sich neben ihn fallen. „Sind wir wieder zu zweit bei den Hauaufgaben?“ „James kommt bestimmt nachher an und will abschreiben. Genauso wie in den letzten sechs Jahren. Daran wird sich nichts mehr ändern.“ „Wir sind furchtbar erwachsen geworden. Nur James trauert seiner Kindheit noch hinterher.“ Fred musste grinsen. Er vermisste auch die Zeit, in der sie nur Schwachsinn im Kopf gehabt hatten. Er kam sich jetzt viel ernster und auch erwachsener vor, wo er sich auf die UTZ vorbereitete. „Hast du James eigentlich schon über deine Berufspläne aufgeklärt?“, fragte Molly ihn. Er seufzte. Er hatte noch keine Gelegenheit gefunden James, über seine Absichten eine Karriere im Ministerium anzustreben, aufzuklären. „Schieb es nicht zu lange vor dir hin. James wird den Braten sonst riechen.“ Molly verstand seine Pläne als Einzige wirklich. Für sie war auch klar, dass sie ihrem Vater in seine Fußstapfen folgte. Sie wollte in die Abteilung für Magische Strafverfolgung, während er an die Abteilung für Magische Spiele und Sportarten dachte. James dagegen wollte eine Quidditchkarriere ansteuern und nicht wie viele gedacht hatten Auror wie sein Vater werden. Also würden sich nach diesem Schuljahr ihre Wege trennen. James dachte aber weiterhin, dass Fred denselben Weg einschlagen würde. Während er weiter über seine Hausaugaben brütete, kam James herein und setzte sich zu ihnen. „Wie könnt ihr eigentlich immer so sorgsam eure Hausaufgaben erledigen?“ „Wie kannst du es nicht tun? Wir machen dieses Jahr die UTZ!“, erwiderte Molly. James lachte. „Na und? Die UTZ sind mir doch egal. Ich mach sie nur, weil sonst meine Eltern wütend wären und mich enterben würden.“ Fred hob nur genervt die Augenbrauen und versuchte sich wieder auf seinen Aufsatz zu konzentrieren. „Hey Fred, genug gelernt! Lass uns eine Runde Zauberschach spielen.“ „Nein, ich will das fertig machen.“ „Ach komm sei doch nicht so. Unsere UTZ sind doch nicht wichtig.“ Fred legte seine Feder beiseite. Jetzt war der Augenblick gekommen James die Wahrheit zu sagen. „Mir sind die UTZ wichtig, weil ich ins Zaubereiministerium will.“ James fing an zu lachen und schlug sich auf die Schenkel. „Der war gut Fred. Ins Ministerium willst du. Echt ein Schenkelklopfer!“ Molly verdrehte die Augen, schwieg aber dazu. „Ich mein es ernst.“ „Ach komm Fred. Du bist kein langweiliger Bürotyp. Du bist ein Abenteurer wie ich.“ Plötzlich wurde Fred ungehalten. Warum konnte James ihn nicht mal ernst nehmen? Er war sein bester Freund und trotzdem schien er ihn nicht zu kennen. Und ohne zu wissen warum, hatte er seinen Zauberstab in der Hand und James lag mit einem Ganzkörperklammerfluch auf dem Boden. Jetzt konnte sich sein bester Freund nicht mehr bewegen oder sprechen. „Doch ich mein es völlig ernst. Ich werde Zaubereiminister und du wirst dann nicht mehr lachen.“ „Fred, das hättest du nicht tun müssen“, warf Molly ein. Aber Fred fühlte sich richtig gut dabei. Er nahm seine Sachen und verließ den Gemeinschaftsraum. ~~~ Scorpius wartete auf die Rückkehr seines besten Freundes. Er fühlte sich schuldig und hoffte, dass Rose jetzt nicht die Freundschaft mit Albus aufkündigte, denn dann würde er vielleicht auch seine Freundschaft mit ihm verlieren. Aber er hielt Rose für loyal und trotz ihrer Verwirrung würde sie es hoffentlich bleiben. Albus hatte Recht. Scorpius sollte sich ebenfalls entschuldigen. Auch wenn ihm Rose kein Wort glauben würde. Wie immer. Sie wollte es ja nicht mal wirklich versuchen. Doch er ließ ihr auch keine Chance. Vielleicht sollte er sich ändern. Irgendwo mochte er die Weasley ja auch für ihre tollpatschige Art und ihr Talent für Fettnäpfchen. Ohne sie hätte er sicher halb soviel Spaß in seinem Leben. Dann kam endlich Albus zurück. Mit einem seligen Grinsen im Gesicht. „Sie scheint ja nicht besonders böse gewesen zu sein“, sprach Scorpius ihn an. „Nein, im Gegenteil.“ Scorpius atmete innerlich erleichtert auf. Es war also nicht schlimm gelaufen. Seine Freundschaft mit Albus konnte gerettet werden. „Was hat sie denn dazu gesagt?“, fragte er neugierig nach. Ein noch größeres Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht seines besten Freundes. Und plötzlich machte es Klick bei Scorpius. „Wir haben uns geküsst“, sagte Albus ganz schwärmerisch. „Sie ist jetzt meine Freundin.“ „Deine richtige feste Freundin?“, fragte Scorpius ganz verblüfft nach. Albus verdrehte die Augen. „Natürlich ist sie meine feste Freundin.“ Obwohl er es schon verstanden hatte, arbeitete sein Kopf immer noch, um diese Information zu verdauen, denn eigentlich sollte es doch nicht möglich sein. Rose war in ihn verliebt und nicht in Albus. „Glückwunsch, Kumpel.“ Scorpius klopfte ihn auf die Schulter. „Dann bist du wohl nicht mehr böse auf mich?“ Albus schüttelte den Kopf. „Ich finde zwar immer noch, dass du nicht das Richtige getan hast, aber ich bin dir gewisser Hinsicht dankbar. Ich hätte sicher nie den Mut gehabt es ihr zu sagen.“ Scorpius nickte. „Na dann geh ich schon mal in den Schlafsaal. Mit so einem verliebten Kerl wie dich halte ich es keine fünf Minuten aus.“ Albus musste lachen. „Das liegt daran, weil Romantik und Liebe dir ein Graus sind.“ Er lächelte nur und machte sich auf den Weg in den Schlafsaal. Als die Tür hinter ihm zufiel und er für sich alleine war, gestatte er es sich, wütend zu sein. Diese Weasley hatte sich für Albus entschieden. Und dass ihn das sauer machte, konnte nur eins bedeuten. Scorpius Malfoy war eifersüchtig auf seinen besten Freund, der das Mädchen hatte, von dem er sich sicher gewesen war, dass er es bekommen würde. Er schloss die Augen, weil es noch eine zweite Sache bedeutete. Er hatte etwas für Rose Weasley übrig. Kapitel 6: Fate provokes ------------------------ Seit seiner schrecklichen Erkenntnis waren fast vier Wochen vergangen. Scorpius musste jeden Tag dieses Geturtel zwischen Albus und Rose ertragen. Es war etwas völlig Neues für ihn eifersüchtig zu sein und er verstand zum ersten Mal, warum Rose sich so gegen die Gefühle für ihn gewehrt hatte. Ihm passte es auch nicht in den Kram ausgerechnet für die Weasley etwas übrig zu haben. Und deshalb ignorierte es einfach. Es gab schließlich genug andere Mädchen, die ihn haben wollten. Für tiefgehende Gefühle war er gar nicht der Typ. Also sollte er nicht noch länger Gedanken an ein einziges Mädchen verschwenden, dass er nicht haben konnte. Aber viel einfacher gedacht als getan. Schließlich schienen Rose und Albus überall zu sein. Hier ein Kuss, da ein Kompliment und dort Händchen haltend. Sie gingen ihm auf die Nerven. Albus war nun mal aber sein bester Freund, doch egal wie sehr er ihn mochte, ging es Scorpius gegen den Strich von ihm unter die Nase gerieben zu bekommen, wie glücklich er mit Rose war. Dann war da noch seine Wut auf sich selbst. Er hätte einfach zugreifen müssen, als sich die Gelegenheit geboten hatte. Irgendwie konnte er nicht aufhören darüber nachzudenken. Was auch immer er tat, um sich abzulenken, half ihm nicht im Geringsten. Plötzlich von einer Sekunde auf die andere war Rose in all seinen Gedanken. Liebe war ein echter Mist. Scorpius konnte sich nicht mehr selbst verstehen. Als ein Malfoy war ihm die Abstammung wichtig und Rose war nur ein Halbblut. Andererseits waren eigentlich alle Zauberer nicht wirklich reinblütig. Und Rose war überaus klug und auch sehr begabt in vielen Bereichen. Das zog sie zwar immer durch ihre Tollpatschigkeit herunter, aber das wiederum war süß an ihr. Im nächsten Augenblick hasste sich Scorpius wieder für diese Gedanken und versuchte zu ignorieren wie erbärmlich er gerade klang. Zum Glück nur in seinem Kopf. Während ihm Rose wunderbar vorkam und er nichts fand, was seine Gefühle wirklich stören konnte, fand er an Albus eine Kleinigkeit nach der anderen auszusetzen. Alles nur damit er sich besser fühlte. So konnte es nicht weitergehen. Er musste mit Rose sprechen und sie zur Rede stellen. Doch wie stellte er das am besten an? Sicher würde er ihr nicht sagen, was er für sie empfand, weil er selbst noch nicht wusste, was genau er fühlte und sie würde es ihm auch nicht glauben, denn sie vertraute ihm keine Sekunde, was sie mehr als deutlich gemacht hatte. Er konnte sie also nicht über ein Liebesgeständnis auf seine Seite ziehen. Erst brauchte er ihr Vertrauen, was wohl das Schwerste sein würde, was er je versucht hatte. Schließlich hatte er sie Jahre lang aufgezogen und gereizt. Aber was sich neckte, das liebte sich. Zuerst hatte es Rose erwischt und nun ihn. Und jetzt musste er irgendwie seine Gefühle wieder in Griff kriegen. Auch wenn er nicht den Hauch einer Idee hatte, wie er das anstellen sollte ohne das er dabei irgendjemand verletzte. ~~~ „Ich verstehe Fred aber nicht“, brummte James entnervt. Molly rollte ebenso genervt mit den Augen. Da versuchte sie es ihm zu erklären und er hörte nicht mal genau zu. Seit ihrem Streit sprachen die zwei kaum mehr miteinander und Molly musste vermitteln. Sie würde ja auch gern helfen, aber keiner der beiden war besonders empfänglich für ihre Worte, was es ihr nicht gerade einfach machte. „Da liegt ja das Problem! Er möchte nicht wie du sein!“, antworte Molly eine Spur heftiger als beabsichtigt, denn sie hatte keine Lust mehr auf diesen Kinderkram. „Und warum konnte er mir das nicht vernünftig sagen?“ „Weil du ihm nicht zugehört hättest. Du tust fast als wäre es eine ansteckende Krankheit im Ministerium arbeiten zu wollen. Und das ist auch mir unhöflich gegenüber.“ James sah zumindest einen kurzen Augenblick schuldbewusst drein. Molly hatte wirklich das Gefühl, dass er ihr die Schuld gab, das Fred plötzlich im Ministerium arbeiten wollte. Als hätte sie ihn dazu überredet und ihn deswegen von seiner Quidditchkarriere abgebracht hatte. „Tut mir leid, Molly. So mein ich das nicht. Aber ich bin sein bester Freund. Ich hätte ihm zugehört. Wenn er es versucht hätte, hätte er mir keinen Zauber auf den Hals jagen müssen.“ Sie konnte seiner Stimme anhören, wie verletzt er davon war, dass Fred ihn angegriffen hatte. Molly konnte das verstehen. Es war sicher kein schönes Gefühl von seinem besten Freund attackiert zu werden. Selbst wenn es nur ein harmloser Zauber war, blieb es ein plötzlicher Angriff. Fred sah natürlich nicht ein sich dafür zu entschuldigen, weil er sich im Recht sah. Und irgendwo lag er damit auch wieder richtig. „Dann redet jetzt darüber. Je schneller die Sache aus der Welt geschaffen ist, desto besser für eure Freundschaft. Fred ist dir doch wichtig oder nicht?“ James nickte mit dem Kopf ganz leicht. Trotzdem konnte Molly sehen, dass er stur bleiben würde. Warum war sie bloß die Vernünftige im Trio? Jetzt konnte sie zur Abwechslung mal Dominique brauchen, die da mit viel mehr Feuer herangegangen wäre. Sie dagegen war zwar bemüht, hatte aber das Gefühl auf eine Wand zu treffen. „Versuch es wenigstens mal. Sonst sehe ich eine Katastrophe auf uns zukommen, wenn ihr beim Quidditch uneins seid. Und du willst doch gewinnen oder nicht?“ „Ich kann ihn ja mal ansprechen“, antwortete James ausweichend. Nicht mal mit Quidditch war er von seinem hohen Ross runterzuholen. Was das anging, war der Potter wirklich sturer als sonst was. Wenn es nicht nach ihm ging, machte er nicht mit. Für heute gab sie es erstmal auf. Spätestens wenn sie gegen Slytherin verloren, würde es sie wachrütteln. Zumindest hoffte Molly das. ~~~ Alice hatte nicht genau gewusst auf was sie sich eingelassen hatte, als sie Louis gesagt hatte, das sie mitkommen wollte auf den Astronomieturm. „Du musst etwas wissen“, fing Louis auf dem Weg nach oben an. Bei seinem ernsten Gesicht konnte sie nicht anders als scherzen „Seid ihr eine geheime Organisation, die schwarze Magie betreibt oder führt ihr etwa verbotene Versuche durch?“ „Nichts dergleichen. Es geht um Annie. Ich hab sie gefragt und sie ist einverstanden damit, dass ich es dir erzähle, wenn du es nicht weitererzählst.“ Nun merkte Alice, dass Louis es wirklich ernst meinte und es weckte auch ihre Neugierde. „Okay ich verspreche es, wenn du aufhörst mit diesem todernsten Gesichtsausdruck.“ Louis lächelte leicht. „Du wirst es nur schwer glauben, aber Annie hat eine besondere Begabung.“ „Was für eine Begabung?“ „Sie kann durch ihre Träume in eine mögliche Zukunft blicken.“ Alice blieb mitten auf der Treppe stehen. Sie erinnerte sich noch zu gut an die bleiche Annie und ihren geflüsterten Worten. Plötzlich verstand sie, warum Louis so ernst ausgesehen hatte. „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass Hogwarts brennen wird oder?“ Louis sah sie an und sie wusste, dass er versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, ob sie daran glaubte oder nicht, aber sie war von der bloßen Vorstellung schockiert. „Wir wollen es verhindern und dafür müssen wir herausfinden, wie es geschehen soll.“ „Das treibt ihr also immer zusammen“, meinte Alice überrascht. „Annie hat furchtbare Angst vor ihren Träumen und verdrängt sie lieber. Deshalb müssen wir ihr helfen sich an alles zu erinnern.“ Alice war unsicher, ob sie nun mit auf den Astronomieturm wollte. Das hatte sie sich nicht vorgestellt. Sie dachte es wäre nur eine gute Ablenkung von ihren Problemen. Und letztendlich war es das ja immer noch. Nur eben ganz anders. Ihre Neugierde war geweckt und Louis hatte sie eingeweiht. Warum also nicht? Darum begleitete sie Louis bis nach oben, wo Lysander und Annie bereits saßen und sich leise unterhielten. „Hey Leute, ich hab Alice mitgebracht.“ „Hi Alice“, begrüßte Lysander sie mit seinem verträumten Lächeln. Annie nickte nur schüchtern. „Und du kannst wirklich in die Zukunft sehen?“, platzte sie heraus. Im nächsten Augenblick wurde ihr klar, wie unhöflich das war. „Tut mir leid. Ich kann mir das einfach nur nicht vorstellen.“ „Kann ich verstehen“, antwortete Annie mit einem schwachen Lächeln. „Ich wollte es auch nicht wahrhaben, aber es ist leider traurige Realität.“ „Ich finde das wundervoll. Du kannst etwas, was andere nicht können. Das macht dich zu etwas ganz Besonderem“, widersprach Alice sofort. „Und ich möchte dir helfen.“ Noch vor einer Minute hätte sie es für unmöglich gehalten bei dieser Sache mitzumachen, aber jetzt erschien es ihr ganz logisch. Und sie wollte Annie helfen. Warum auch immer, aber es schien ihr das Richtige zu sein. ~~~ Louis war positiv überrascht vom Tatendrang von Alice. Ihre Worte hatten ein Lächeln auf Annies Gesicht gezaubert und sie sah ein wenig fröhlicher aus. Vielleicht war es genau das was Annie gefehlt hatte, um neuen Mut zu fassen. „Ich hatte einen neuen Traum“, gestand die Wood. Lysander legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Erzähl es uns, wenn du dazu bereit bist.“ Annie atmete tief durch und Louis merkte, wie Alice sich neben ihm ein Stück näher Richtung Annie neigte, um kein Wort zu verpassen. Er dagegen lehnte sich zurück an das Geländer und schloss die Augen um mit einzutauchen. „Ich war wieder in der Halle. Feuer überall und der Rauch so dicht, dass ich nichts sehen konnte und kaum atmen konnte. Wieder zwei Duellanten, aber es war anders diesmal. Ich bin auf sie zugegangen und konnte ihre Gesichter erkennen. Es waren Rose und Scorpius.“ Das erschien Louis sogar einleuchtend. Er wusste, wie oft Rose sich wünschte Scorpius einen Fluch aufzuhalsen, aber sie hatte es noch nie getan. Aber es fehlte sicherlich nicht mehr viel, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. „Also hat einer von den beiden das Feuer gelegt?“, fragte Lysander. Annie zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich, aber ich fange immer an zu träumen, wenn es bereits brennt, daher kann ich es nicht zu 100 Prozent sagen.“ „Aber das ist doch schrecklich, wenn die beiden Schuld daran sind. Ich meine Rose tut so etwas ganz sicher nicht absichtlich. Und bei Scorpius kann ich mir das auch nicht vorstellen“, meinte Alice entsetzt und sah die anderen fragend an. „Ich kann mir vorstellen, dass die beiden sich duellieren, aber nicht mit so einer Zerstörungswut, dass sie dabei Hogwarts in Brand setzen“, erwiderte Louis. Auch Lysander nickte zustimmend. „Es muss einen anderen Grund haben.“ Annie hob den Blick. „Es gibt noch ein Detail an das ich mich erinnere. Es erschien mir im Traum schon so seltsam und aber ich war mir wegen dem Rauch auch nicht so sicher.“ „Alles ist wichtig. Selbst wenn du dir nicht sicher bist!“ Lysander sah Annie auffordernd an. „Fäden“, flüsterte sie. „Ich habe Fäden gesehen, die an den beiden befestigt waren.“ „Fäden?“, wiederholte Alice überrascht. „Wie beim Puppenspiel der Muggel?“ „Wie sieht den das Puppenspiel der Muggel aus?“,, fragte Louis. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Puppen bewegten sich durch Magie und nicht durch Fäden. Auch Annie und Lysander sahen Alice neugierig an. „Wir waren mal als ich noch jünger war auf einem Rummelplatz der Muggel und da gab es ein Puppentheater. Ich fragte meinen Vater, ob der Mann ein Zauberer sei, weil er die Puppen tanzen lassen konnte. Aber mein Vater führte mich am Ende der Vorstellung zu dem Mann, der mir seine Puppen zeigte. Daran waren Fäden und mit seinen Finger konnte er sie sich bewegen lassen, je nachdem wie er die Fäden bewegte, machte die Puppe diese Bewegung nach. Die Muggel nennen diese Puppen Marionetten.“ Lysander machte ein entsetztes Gesicht. Auch Louis war schockiert. Wenn es wirklich war, wie Alice ihn erzählt hatte, dann gab es einen Puppenspieler. Es zog jemand die Fäden im Hintergrund und sorgte dafür, dass etwas Schreckliches passierte. Und diese Person mussten sie finden. ~~~ Lily liebte es zu fliegen. Dabei konnte sie einen leeren Kopf bekommen und musste nicht nachdenken. Was im Augenblick aber nicht wirklich klappte. Seit sie in das leere Klassenzimmer gekommen war und ihre beiden besten Freunde beim Knutschen erwischt hatte, machten die zwei kein Geheimnis mehr daraus. Jetzt gab es gleich zwei Paare unter ihrer Verwandtschaft. Und mit ihrem Trio war es auch vorbei. Keine Zeit mehr für Streiche. Überhaupt keine Zeit mehr für Lily. Nur noch die beiden. Sie war so wütend und enttäuscht. Zerbrach ihre Freundschaft denn wirklich einfach so? Sie hatten doch seit ihrer Sandkastenzeit am liebsten zusammengehangen. Was der eine gemacht hatte, hatte der andere sofort nachgemacht. Sie hatten sich bei all ihren Streichen immer gedeckt und nun sollte alles vorbei sein. Lily legte sich den Sturzflug und fing den nächsten Ball. Fred half ihr beim Trainieren. Wahrscheinlich war er auf James genauso wütend wie sie auf Lucy und Hugo und so hatten sie sich stillschweigend zusammengetan, um zu trainieren. Er verzauberte weitere Tennisbälle und sie flog ihnen hinterher. Wenn sie sich darauf konzentrierte, schien alles andere unwichtig zu sein. Vielleicht hielt die Beziehung der beiden auch nicht lange, aber das würde ebenfalls ihre Freundschaft zerstören. Es war also wirklich vorbei. „Lass uns Schluss machen bevor wir vom neuen Hausmeister erwischt werden“, rief ihr Fred zu. Lily landete, auch wenn sie noch stundenlang hätte weiterfliegen können. Sie half Fred die Tennisbälle aufzulesen, die noch auf dem Boden verstreut herum lagen. „Hast du mit James schon gesprochen?“ „Nein, ich bin mir keiner Schuld bewusst und er brauch nicht so eingeschnappt zu sein wegen des kleinen Zaubers. Und wie sieht es bei dir aus?“ Lily zuckte mit den Schultern. „Ich hab es ein paar Mal versucht, aber die zwei kleben förmlich aneinander und nehmen mich nur als ein störendes Insekt wahr.“ Fred lachte leise bei der Vorstellung und auch Lily musste leicht grinsen. Sie schulterten ihre Besen und machten sich auf den Rückweg. Es hatte ihr gut getan das Training. Sie fühlte sich besser. Sie war dankbar, dass ihr Cousin für sie da. Ihre beiden Brüder waren ja anderweitig beschäftigt. Albus war den ganzen Tag mit Rose zusammen und James war mit sich selbst beschäftigt. Kein Wunder also das Fred auf Abstand gegangen war. „Ich finde es zwar schade, dass du nicht mit uns Quidditch zu deinem Leben machen willst, aber du wirst bestimmt mal der coolste Zaubereiminister, den wir je hatten.“ „Und dann kannst du damit angeben, dass du mich persönlich kennst und alle helfen dir dann bei deiner Karriere, damit du ihnen mich vorstellst.“ Lily lachte. „Dann musst du aber zulegen bevor ich schon an der Spitze meiner Karriere bin!“ „Ich hab ja einen Vorsprung von ein paar Jahren“, sagte er grinsend. Lily drehte sich zu ihm um und plötzlich war sein Gesicht ihrem Gesicht ganz nah. Ihr Herz fing an laut zu klopfen und sie bekam weiche Knie. Doch dann stupste er sie nur an und fing an zu lachen. Lily dagegen war verwirrt. Für einen kurzen Augenblick hatte es sich zwischen ihnen völlig anders angefühlt und es hatte gewirkt, als hätte er wirklich die Absicht gehabt sie zu küssen, aber das bildete sie sich wahrscheinlich nur ein. Sie waren schließlich wie Geschwister. ~~~ Roxanne sah gelangweilt von ihren Büchern auf. Sie konnte es nicht fassen, dass Dominique sich in der Bibliothek vergrub und ein Buch nach dem anderen las. Nur um an den Bibliothekar zu kommen. Anfangs hatte sie ja noch begeistert mitgemacht, aber inzwischen war sie entnervt. Ständig sorgfältig ihre Hausaufgaben zu machen, war nicht ihr Ding und der Bibliothekar schien ihr auch nicht der Mühe wert zu sein. „Ich geh schon mal“, verkündete sie Dominique, die nur geistesabwesend nickte, während sie irgendein Buch mit lateinischem Titel verschlang. Sie konnte ihre beste Freundin wirklich nicht mehr verstehen. Roxanne packte ihre Sachen zusammen und ging. Draußen im Flur traf sie auf Lorcan, der aus dem Fenster starrte und sie zur Abwechslung mal furchtbar an Lysander erinnerte. „Hey Lorcan“, grüßte sie ihn. Sie mochte ihn und er sah auch gut aus. Vielleicht sollte er ihr Ziel sein. „Hey“, grüßte er zurück ohne den Blick abzuwenden von dem Fenster. Neugierig stellte sie sich neben ihn, konnte aber nicht entdecken, was seine Aufmerksamkeit so fesselte. „Was ist denn da?“, fragte sie ihn. „Nichts“, erwiderte er, doch sie fühlte sich veräppelt. Wütend wand sie sich ab. „Ich hab nur nachgedacht, wie Hogwarts wohl ausgesehen hatte, als es zerstört gewesen war. Wie es gebrannt hat und in Schutt und Asche gelegen worden war.“ Das waren komische Gedanken fand Roxanne, beschloss aber zu bleiben. „Wie kommst du darauf?“ „Hast du dich das noch nie gefragt?“ Roxanne schüttelte den Kopf. Sie hatte die Geschichten über den Krieg immer doof gefunden, auch wenn ein Teil von ihr gerne dabei gewesen wäre. Sie hielt es für aufregend in einer Schlacht mitzukämpfen und sich als Held zu beweisen. „Ich denke manchmal darüber nach. Eine so große Schlacht muss atemberaubend gewesen sein. Ich frag mich, wie es sich anfühlt zu kämpfen, wenn man weiß, dass man jeden Augenblick sterben könnte. Wie das Adrenalin durch deinen Körper schießt und wer in diesem Moment für dich die wichtigste Person ist, die du beschützen möchtest.“ Roxanne sah ihn nachdenklich an. Für wen würde sie wohl kämpfen? Auf jeden Fall für ihre Familie und ihre Freunde. Aber gab es auch jemand, der ihr wichtiger war? Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. „Ich frag mich manchmal auch, wie es sich anfühlen muss jemanden zu töten.“ Seine Worte waren leise gesprochen und jagten ihr ein Schauer über den Rücken. „Es muss schrecklich sein“, entfuhr ihr. „Aber in dem Augenblick muss es auch berauschend sein“, widersprach Lorcan ihr. „Aber danach bereut man es sein ganzes Leben lang. Da ist dieser kurzen Moment doch völlig unwichtig!“ Lorcan zuckte mit den Schultern. „Ich hab ja auch nur darüber nachgedacht.“ Roxanne war froh, dass es nur Gedanken waren, aber sie gehörten nicht laut ausgesprochen und noch viel weniger sollte man sie in die Tat umsetzen, nur weil man neugierig war, wie es sich wohl anfühlte. Mit einem unguten Gefühl in der Bauchgegend machte sie sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum, um das Gespräch schnell wieder zu vergessen. ~~~ Albus war der glücklichste Mensch auf der Welt. Seit vier Wochen war Rose seine Freundin und jeder Tag schien ihm strahlender als der vorige zu sein. Er musste sich nicht mehr vorstellen, wie es war sie zu küssen, sondern er konnte es einfach tun. Sie entzog sich zwar manchmal, aber meist erwiderte sie den Kuss. Er konnte ihre Hand nehmen und seinen Arm um sie legen. Einige murmelten zwar böse Worte über sie, weil sie miteinander verwandt waren, aber das interessierte ihn herzlich wenig. Schließlich hatte er genau das was er wollte. Rose. Er war auch nicht mehr wütend auf Scorpius. Vielmehr war er ihm dankbar. Trotzdem verbrachte er mit seinem besten Freund weniger Zeit. Er wollte Rose und Scorpius erst aneinander gewöhnen. Erstaunlicherweise waren beide unheimlich friedfertig. Keiner verlor ein böses Wort über den anderen und Scorpius machte nichts, um Rose wütend zu machen. Irgendwie hatte er damit gerechnet und war deswegen auch verwundert. Was war nur mit den beiden los? Taten sie das ihm zuliebe? Das hatten sie vorher doch auch versucht, aber es hatte nicht funktioniert. Warum also funktionierte es jetzt? Etwa weil er mit Rose zusammen war? Aber er sollte nicht so misstrauisch sein. Wahrscheinlich lag es daran, weil er sein Glück nicht fassen konnte und es daher hinterfragte. Albus konnte kaum das Ende der Stunde abwarten. „Vergiss das Training heute Abend nicht vor lauter Glück“, zischte Scorpius zu ihm herüber. „Ist nur ein einziges Mal passiert und kommt sicher nicht wieder vor“, versprach Albus. Das eine Mal hatte er mit Rose ein romantisches Picknick im Sonnenuntergang gehabt und es daher völlig vergessen. Scorpius hatte getobt, da ohne Hüter das Training sinnlos gewesen war. Aber heute würde ihm das nicht passieren. Rose hatte gesagt, dass sie später in die Bibliothek wollte, um dort mit Alice zu lernen und sie es besser fände, wenn er nicht mitkam, weil sie auch mit Alice reden musste und er sollte Scorpius nicht vernachlässigen. Da hatte sie völlig Recht. Sie mussten auch mal getrennt Zeit miteinander verbringen. Auch wenn es ihm schwer fallen würde, denn er hatte das Gefühl ohne sie nicht mehr leben zu können. Aber er musste ihr einen gewissen Freiraum lassen, denn sonst schadete es ihrer Beziehung am Ende noch. „Du kannst heute Abend auf mich zählen. Nächste Woche ist schließlich das Spiel und ich will meine Geschwister mal so richtig ärgern“, verkündete Albus nach dem Unterricht, als er mit Scorpius zum Abendessen ging. Heute würde er auf Rose verzichten müssen und dafür sorgen, dass er das Spiel für sie gewinnen würde. Sie sollte stolz auf ihn sein. ~~~ Rose kam sich scheußlich vor. Es war so schön von Albus geliebt zu werden und sie fühlte sich bei ihm eigentlich fast glücklich, aber eben nur fast. Ständig schwirrte ihr Scorpius durch ihre Gedanken. Sie war eine Verräterin. Nutzte die Gefühle von Albus einfach schamlos aus. Das war einfach furchtbar. „Schon wieder so versunken in deiner Gedankenwelt?“ Nathan hielt Rose ihre Tasse Tee vor die Nase. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht einmal die Woche Tee bei ihm zu trinken. Auch wenn sie dafür Albus belügen müsste und ihm erzählte sie wäre in der Bibliothek mit Alice, was nicht stimmte, da Alice mit Louis unterwegs war. Alice und Louis waren auch Verräter und ließen sie nicht teilhaben. Kein Wunder also, dass sie nun beim Hausmeister saß. „Ich bin unsicher, was meine Beziehung zu Albus angeht“, gestand Rose. Nathan lehnte sich in seinen Stuhl zurück und sah sie aufmerksam an. Ihr war immer noch peinlich, dass sie gedacht hatte, dass er sie küssen würde, als er sie aufgefangen hatte. Er flirtete zwar gerne mit ihr, machte aber keine Anstalten ihr näher zu kommen. Stattdessen hörte er ihr immer zu, auch wenn sie ihm nicht alles erzählte. „Was macht dich denn unsicher?“ „Ich war vorher in einen anderen Jungen verliebt und bekomm den einfach nicht aus dem Kopf. Deswegen fühle ich mich schuldig.“ „Dann musst du mit dem Jungen endgültig abschließen. Rede mit ihm oder erzähl es deinem Freund um Ordnung in deinem Kopf zu schaffen. Wenn du es versuchst mit Worten auszufüllen, wirst du dir auch deiner Gefühle klar werden.“ Rose mochte Nathans direkte und unverblümte Antworten, die ihr immer erschienen, als wären sie genau das, was sie tun musste. Als wüsste er genau wovon er sprach. Aber es Albus zu erzählen oder mit Scorpius zu reden, erschien ihr wiederum unmöglich zu sein. „Angst?“, fragte Nathan lachend. „Aus Angst entsteht Mut. Das solltest du nicht vergessen.“ Rose lächelte und trank einen Schluck Tee. Warum auch immer, aber sie fühlte sich in der Nähe des Hausmeisters wohl. Er war freundlich und gerne zu Scherzen aufgelegt, aber machte sich nie über sie lustig, sondern hörte ihr ernsthaft zu oder ließ sie einfach mit ihren Gedanken in Ruhe und trank mit ihr zusammen einen Tee ohne ein Wort zu sagen. Nirgendwo zuvor hatte sie sich so geborgen gefühlt. In der Nähe von Albus fühlte sie sich zwar gut, aber sie war immer vorsichtig, um seine Gefühle nicht zu verletzten. In der Nähe von Scorpius war sie aufgekratzt und nervös, aber konnte sich nicht entspannen. Hier dagegen konnte sie sich entspannen und hatte keine Angst jemanden zu verletzten. „Ich finde es hier schön“, gab Rose zu. „Dein Büro ist echt gemütlich.“ „Ich hab es eben gerne gemütlich und deine Gesellschaft bereichert den Raum. Da fühlt man sich doch gleich geborgener oder nicht?“ Er zwinkerte ihr zu und sie wurde wieder rot. Aber sie hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Aber irgendwie ließ sie der Wunsch nicht los, dass er sie doch küssen sollte. Sie war wirklich eine scheußliche Person. Sie hatte schließlich schon einen Freund. Den sie aber nicht liebte und den sie nur benutzte, flüsterte ihre innere Stimme. Und Nathan schien ihr im Augenblick genau der Richtige zu sein. ~~~ Er genoss es richtig mit ihnen zu spielen. Sie waren so leicht durch ihre Emotionen zu manipulieren, dass es ihm wie ein Kinderspiel vorkam. Sie ließen sich so leicht gegeneinander ausspielen, weil jeder von ihnen Neid und Eifersucht spürte. Einige fühlten sich im Stich gelassen, andere waren beleidigt. Jedes dieser Gefühle ließ sich so leicht benutzen, um sie aufzuwiegeln. Sie würde niemals daran denken, dass es nicht sie selbst waren, die so fühlten. Eben weil sie tief in ihrem Inneren wirklich so fühlten und er nutzte das als Basis schamlos aus. Es wurde Zeit die Konflikte zu verschärfen und ihnen einen Schubs zu verpassen, um die Situation eskalieren zu lassen und sie würden nicht merken, dass sie blind vor Wut waren. Zwar verlief es nicht ganz genau so, wie er es sich vorgestellt hatte, weil einige seiner Figuren mehr Eigenwillen besaßen als andere Figuren. Aber da er noch nicht richtig mit der Manipulation angefangen hatte, machte er sich keine Sorgen, das noch unter Kontrolle zu bekommen. Wenn die meisten von ihnen schon durch leichte Manipulation zu lenken waren, waren sie bei starker Manipulation nur noch willenlose Sklaven seines Puppenspiels. Dann würde sie auch Dinge tun, die nicht mehr ihrer Natur entsprachen und sie würde sie keine einzige Sekunde hinterfragen, weil sie keinen eigenen Willen mehr hatten. Das war der unschätzbare Vorteil an der Manipulation. Wenn man sie richtig anwendete und es nicht übertrieb, glaubten sowohl die Manipulierten als auch die Außenstehenden, dass alles von ihnen ausging und würde nicht im Traum daran denken, dass jemand die Fäden zog. Bis ihnen das klar wurde, war es zu spät. Er konnte es kaum erwarten endlich Blut fließen zu lassen. Doch er musste vorsichtig sein. Seine Figuren mussten wirklich glauben, dass sie bereit dazu waren Gewalt anzuwenden und erst dann konnte er zuschlagen. Sobald er das getan hatte, würde er sie zu willenlose Sklaven machen und ein Gemetzel veranstalten. Schwarz gegen Weiß. Und nur eine Figur würde dieses Spiel überleben. Lächelnd nahm er den schwarzen König in die Hand. Wie sehr er diesen Augenblick herbeisehnte. Aber er musste Geduld haben. Alles würde zu seiner Zeit kommen. Schließlich verlief alles nach Plan. Kapitel 7: Fate pushes ---------------------- „Rose, hörst du mir überhaupt zu?“ Rose erschrak und sah Alice an, die ihr mit der Hand vor dem Gesicht herumfummelte. Sie saßen am Frühstückstisch und gleich war das erste Quidditchspiel der Saison. Gryffindor gegen Slytherin. „Wir müssen Slytherin anfeuern, auch wenn mein Vater mich dafür hassen wird, aber du bist mit Albus zusammen und ich unterstützte dich natürlich.“ „Mein Vater sieht es zum Glück nicht, wenn ich Slytherin anfeuere. Aber ich gönne beiden den Sieg.“ Louis setzte sich zu ihnen. „Ich bin eher für Gryffindor.“ Lysander kam ebenfalls mit Annie dazu. „Ich bin für beide.“ „Ich bin für Gryffindor, weil mein Bruder Hüter ist“, meinte Annie. „Ist sowieso immer schlecht sich zu entscheiden, wen man anfeuern soll, wenn das eigene Team nicht spielt und die Freunde sich auf beide Teams aufteilen“, sagte Louis. Rose verlor sich bei deren Diskussion, wen man nun anfeuern sollte, wieder in ihre Gedanken. Natürlich wurde von ihr erwartet, dass sie Albus anfeuerte, aber dann unterstützte sie zeitgleich Scorpius mit seinem Team, was sie nicht tun wollte. Aber sie wollte Albus nicht verletzten, nur weil sie ihn nicht anfeuerte. Dann würde sie gleich ihr Banner verzaubern und irgendetwas rauf schreiben, dass nur Albus betraf und nicht alle Slytherins. Zum Beispiel „Albus vor – halte noch ein Tor!“. Das war eine gute Idee. Rose wollte auf gar keinen Fall, dass Scorpius glaubte, dass sie ihn anfeuern könnte und das nutzen würde, um sie zu ärgern. Wobei er hatte wirklich aufgehört sie zu necken. Seit vier Wochen hatte er bis auf eine Begrüßung nichts zu ihr gesagt und er verschwand eigentlich auch sofort, wenn sie bei Albus war. Er war wirklich der beste Freund von Albus und sie war froh, dass er sie in Ruhe ließ. Ihr Misstrauen ihm gegenüber hatte sich trotzdem nicht geändert. Rose warf ein Blick hinüber zum Slytherintisch, wo Scorpius auf sein Team einredete. Sie sah wie Albus aufblickte und ihr zuwinkte, was dafür sorgte, dass auch Scorpius in ihre Richtung sah. Seine Miene verfinsterte sich sofort und er fuhr Albus an. Wahrscheinlich erinnerte er ihn daran, dass er sich konzentrieren musste, aber sie war sich sicher, dass es ihm am liebsten wäre, wenn Albus mit jemand anderen zusammen wäre. „Hey Erde an Rose. Wir wollen schon mal los, um uns die besten Plätze zu sichern. Kommst du schon mit oder willst du dich noch von deinem Schatz verabschieden?“ Alice sah sie auffordernd an. Rose hatte eigentlich noch gar nichts gefrühstückt. Sie würde Albus zwar gerne viel Glück wünschen, aber dafür jetzt rüber zu gehen und einem nervösen Scorpius zu reizen, war es ihr nicht wert. Er wusste auch so, dass sie ihm Glück wünschte. „Ich komm mit. Ich will schließlich in der allerersten Reihe sitzen und das Wetter ist heute ja auch schön. Ein bisschen Oktobersonne tut mir sicher gut.“ „Dann komm!“ Alice zog sie hoch und hakte sich fröhlich lachend bei ihr unter. Rose war irgendwie furchtbar aufgeregt und hatte ein ungutes Bauchgefühl wegen dem Spiel, doch sie freute sich, dass ihre beste Freundin mal bei ihr war. Das Spiel würde sicher ein Knaller werden. ~~~ Alice hatte vor Rose auf den Zahn zu fühlen. Sie konnte es zwar kaum glauben, aber wenn Annie es richtig in ihrem Traum gesehen hatte, dann wurde Rose manipuliert und könnte bald Schuld daran sein, dass Hogwarts in Flammen stand. Irgendwie musste sie herausfinden, ob es zu verhindern war und am besten fand sie heraus, ob es noch irgendetwas gab, dass sie nicht über die Beziehung zwischen Rose und Scorpius wusste. „Scorpius war ziemlich aufgeregt oder? Als neuer Kapitän ist das bestimmt eine Menge Verantwortung gleich gegen den Erzfeind ran zu müssen“, fing sie das Gespräch an. Wie zu erwarten verdüsterte sich Roses Gesicht bei der Erwähnung dieses Namen und sie warf ihr einen wütenden Blick zu. „Ach schau nicht so. Scorpius ist doch auch ein guter Freund von Albus und erst der Kapitän der Slytherinmannschaft, in dem dein Freund mitspielt und da hängt doch viel davon ab, wie gut Scorpius ist und ob er ruhig bleibt.“ Zähneknirschend gab Rose zu, dass Scorpius nervös gewirkt hatte. „Vertragt ihr euch denn jetzt, wo Albus und du zusammen seid?“, führte Alice das Gespräch fort. „Er ignoriert mich einfach und verschwindet sobald ich auftauche. Also eine Art Waffenstillstand würde ich mal sagen, aber vertragen haben wir uns nicht.“ Es gab also noch genug Potenzial für einen handfesten Streit. Warum konnten die zwei auch nicht einfach über ihren Schatten springen? „Du solltest ihm wirklich den Frieden anbieten. Scorpius ist kein so schlechter Kerl, wie du immer denkst, sondern ist wirklich nett und er wäre es auch sicher zu dir, wenn du dich nicht immer so kindisch über jede Bemerkung von ihm aufregen würdest.“ Rose verdrehte die Augen und stampfte voraus. Kritik konnte sie wirklich nicht gut ab und über Scorpius reden genauso wenig. Was sollte Alice nur tun, um Rose davon abzuhalten in ihrer Wut auf Scorpius Hogwarts niederzubrennen? Letztendlich musste sie Rose nur davon überzeugen, dass Scorpius nicht halb so schlimm war, wie sie immer dachte, was aber eine Mammutaufgabe war, denn nichts auf der Welt würde ihre Freundin dazu bringen anders zu denken. Aber irgendeinen Weg musste es geben. Alice schloss zu Louis auf. „Sie würde sicher auf ihn losgehen, wenn er sie reizt, aber ich denke am ehesten verhindern wir ein Duell der beiden, wenn wir Scorpius überzeugen.“ „Meinst du?“ Louis hob skeptisch eine Augenbraue. „Er ärgert sie doch für sein Leben gern.“ „Aber ich glaube, dass er nicht schlecht von ihr denkt und sicher, auch wegen Albus, ihr nichts zuleide tun würde. Er hätte sie doch auch mit Zauber attackieren können, aber er tut es nur mit Worten, weil er sie einfach gerne neckt. Sie ist diejenige, die nie glauben würde, dass Scorpius nett ist.“ Louis nickte. „Du hast wahrscheinlich Recht, aber wir sollten Rose trotzdem irgendwie milde stimmen. Warten wir aber erst das Spiel ab.“ Alice nickte und warf einen besorgten Blick zu Rose, die gar nicht ahnte zu was sie möglicherweise in der Lage war. Sie musste es auf jeden Fall verhindern. ~~~ Scorpius war furchtbar nervös. Es war zwar nicht sein erstes Quidditchspiel, aber seine erste Begegnung als Kapitän der Mannschaft. Albus boxte ihm leicht in die Seite. „Du schaffst das schon!“ Scorpius atmete tief durch. Es wurde Zeit für seine Ansprache. „Leute hört alle mal her!“ Alle drehten sich zu ihm um. Fynn Nott, der jüngste Zuwachs ihrer Mannschaft, rutschte von einer Pobacke auf die andere. Es war sein erstes Spiel und er war sicherlich genauso aufgeregt wie Scorpius. Liam dagegen strahlte pure Zuversicht aus und auch Adrian mit seinem Bruder Ryan schien die Ruhe selbst zu sein. Lorcan zeigte nicht mal ein Hauch an Interesse. Scorpius wünschte sich, dass er jetzt hoffentlich so cool klang wie sein Team sich gab. „Die haben draußen keine Chance gegen uns. Wir haben härter trainiert als sie und wollen den Sieg. Wir, Slytherins, sind geborene Gewinner und Gryffindor ist nichts dagegen. Also will ich das ihr da rausgeht und sie zermalmt unter eure Stärke.“ Begeisterungsrufe und ein Trommelwirbel von Albus ließen ihn daran glauben, dass sie es schaffen würde. Er würde sich nicht blamieren. Nicht gegen Gryffindor. Er würde den Schnatz fangen und am Ende des Jahres den Quidditchpokal bekommen. „Dann lasst uns da jetzt rausgehen und eine Niederlage wird nicht akzeptiert.“ Er klopfte Fynn auf die Schulter und lächelte ihm möglichst aufmunternd zu bevor er voranging und mit seinem Besen geschultert als Erster das Feld betrat. Dröhnender Applaus empfing ihn und sein Team. Überall konnte er die grün-silbernen Flaggen mit der Schlange sehen. Von der anderen Seite kam James Potter mit seinem Team. „Wollen wir meinen Geschwistern mal eine Lektion erteilen!“, meinte Albus grinsend. Scorpius trat auf James zu und aus dem Augenwinkel sah er einen schlanken durchschnittlichen Typ mit der Kiste, in der die Bälle waren, auf sie zukommen. „Hey ich bin der neue Schiedsrichter“, stellte er sich vor. „Mein Name ist Paul Hyde und ich werde heute euer Spiel pfeifen.“ Scorpius schüttelte kurz die Hand des Typen. Er konnte sich gerade nur auf Quidditch konzentrieren. „Dann gebt euch mal die Hände!“ James reichte ihm seine Hand und er schüttelte sie mit festem Griff. „Also auf die Besen und beim Pfiff geht es los.“ Scorpius schwang sich auf seinen Besen und konnte es nicht mehr abwarten. Er wollte loslegen. Als der Pfiff ertönte, stieß er sich mit aller Kraft ab. Der Schnatz verschwand sofort, während Ryan sich den Quaffel schnappte und sich Richtung Ringe der Gryffindor fort bewegte. Scorpius hatte nun genug Zeit sich zu konzentrieren. Unter ihm nahm das Spiel seinen Verlauf. Das erste Tor war bereits gefallen. Ryan hatte es erzielt und nun war der Quaffel im Besitz der Gryffindor. „Neela Thomas-Patil ist die neue Jägerin in der Gryffindormannschaft und nun im Besitz des Quaffels. Schon ist da der Ausgleich“, ertönte es von dem Stadionsprecher Max Smith. Scorpius warf einen Blick zu Albus, der den Quaffel zurückgab an Adrian. Und plötzlich sah er Rose auf der Tribüne, die einen Banner hochhielt und Albus anfeuerte. Seine Eifersucht war mit einem Schlag da. Albus konzentrierte sich nicht genug und trotzdem feuerte sie ihn an. Als er etwas näher heran flog, konnte er das Banner lesen. „Albus vor – halte noch ein Tor“ war so einfallslos, machte ihm aber klar, dass sie nicht seine Mannschaft anfeuerte. Ihr war es egal, ob er den Schnatz fing, solange Albus keine unnötigen Tore kassierte, war er ihr Held. Es brummte in ihm, doch er versuchte es zu unterdrücken. Rose konnte anfeuern wen sie wollte. Er konzentrierte sich lieber wieder auf das Gewinnen. Sie würde schon sehen, dass er es wert war, das man seinen Namen rief. Der Schnatz gehörte ihm. Er wich einem Klatscher aus und flog zu Liam. „Hau mir die Potter vom Besen“, raunte er ihm zu. „Mit Vergnügen“, antwortete Liam und bedeutete Lorcan ihm zu folgen. Dieses Spiel musste er gewinnen. Dann sah er etwas Goldenes beim mittleren Ring neben Albus aufblitzen. Er beschleunigte sofort und steuerte darauf zu. Albus war abgelenkt, weil er zu Rose rüber sah und ihr zuwinkte. Viel zu spät kam eine Reaktion von Albus. Scorpius hatte längst gesehen, dass dort kein Schnatz war, sondern dass eine Uhr auf der Tribüne aufgeleuchtet hatte. Dennoch nahm er sein Tempo nicht heraus. Auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick war, wünschte er sich Albus zu verletzten. Er wusste, dass es dumm war, aber Albus wich auch nicht aus, weil er abgelenkt war. Und so krachten sie ineinander. Scorpius war auf den Crash vorbereitet, Albus aber nicht, was ihn vom Besen herunterschleuderte. Mit einer Hand hing er in der Luft an seinem Besen. Scorpius zögerte eine Sekunde zu lang bevor er seine Hand ausstreckte um Albus wieder hoch zu helfen. Er konnte in den Augen von Albus sehen, dass er merkte, dass etwas nicht stimmte. „Konzentrier dich gefälligst“, fuhr er ihn an und flog davon. Ein Blick zu Rose sagte ihm, dass seine Aktion nicht gut aufgenommen worden war. Sie sah ihn böse an und sah wieder besorgt zu Albus. Er musste dieses Spiel gewinnen. ~~~ Albus hatte sich ablenken lassen, doch er konnte in den Augen seines besten Freundes sehen, dass es hier nicht darum ging. Und dann sah er wie Scorpius zur Tribüne herüberschielte. Er sah zu Rose und auf einmal ergab sein Verhalten der letzten Wochen Sinn. Der Malfoy war eifersüchtig auf ihn, weil er ebenfalls in Rose verliebt war. Deshalb verschwand er immer, wenn er mit Rose zusammen war und sprach auch nicht mehr über sie. Albus wäre sicher nie darauf gekommen, dass es so um das Herz von Scorpius bestellt war. Schließlich ärgerte er sie immer und reizte sie bis sie wütend wurde. Mit keinem Wort hatte Scorpius seine Gefühle angedeutet. Wahrscheinlich war er zu stolz um es zuzugeben. Aus diesem Grund musste er Rose erzählt haben, dass Albus in sie verliebt war. Er hatte sicher gedacht, dass er sie so für sich gewinnen könnte und hatte es sich selbst verbockt, denn Rose liebte ihn und nicht Scorpius. Er verspürte eine irrsinnige Wut auf seinen Freund. Diese Attacke eben hatte ihm gegolten. Der Schnatz war sicher nicht mal in der Nähe gewesen. Zum Glück hasste Rose Scorpius und diese Aktion machte ihn sicher nicht bei ihr beliebter. Er konnte einfach nicht glauben, dass Scorpius zu so etwas fähig war. Nie hätte er gedacht, dass er einmal von ihm angegriffen und vom Besen gehauen werden würde. Albus konnte sich nicht mehr konzentrieren und kassierte weitere Tore von den Jägern. „Was ist los mit dir Potter?“, brüllte ihm Adrian zu, als er wieder ein Treffer bekommen hatte. „Kümmere dich lieber um deinen eigenen Kram und hol Punkte!“, schrie Albus zurück. Adrian war ihm einen wütenden Blick zu und schoss mit dem Quaffel davon. „Und zehn Punkte für Slytherin. Damit steht es jetzt 30 zu 90 für sie.“ Scorpius musste den Schnatz fangen, doch Albus wünschte sich das Scorpius versagte und das sie verloren, damit er noch schlechter da stand. Oder das ihn zumindest ein Klatscher erwischte und ihn in den Krankenflügel brachte. Was er dachte, war nicht in Ordnung, aber er war sauer. Nun war sein bester Freund sicher nicht mehr sein Freund, sondern sein Rivale, den es ging fertig zu machen. Rose bekam Scorpius ganz sicher nicht. Den nächsten Quaffel bekam er und es erwachte neuer Ehrgeiz in ihm. Er würde bestimmt nicht als Loser dastehen. Keinen weiteren Treffer würde er zulassen. Rose sollte stolz auf ihn sein und sich als glücklich bezeichnen, dass sie ihn als Freund hatte. Nie im Leben würde er gegen Scorpius verlieren. Der Ausgang des Quidditchspiel war ihm gleichgültig. Es ging nur noch um ihn und Scorpius. ~~~ Louis merkte, dass dieses Quidditchspiel nicht normal ablief. Scorpius hatte Albus vom Besen gerissen und das obwohl sie im gleichen Team war. Irgendetwas brodelte da vor sich. Auch auf der Gryffindorseite schien die Stimmung nicht besser zu sein und zwischen James und Fred kriselte es ebenfalls. Zumindest kam es Louis vor, als würden da einige Klatscher in die falsche Richtung geschlagen werden. Zwar war da immer noch das eigentliche Spiel, aber es schien langsam aber sicher von den Turbulenzen innerhalb der Teams gestört zu werden. „Was geht da ab?“, wunderte er sich. Lysander schien mit den Gedanken in weiter Ferne zu sein. Durch seine Worte kam er wieder zurück. „Ich hab da eine Theorie“, meinte er leise, obwohl das bei dem Getöse der Zuschauer überhaupt nicht notwendig war. „Was ist, wenn nicht nur Rose und Scorpius manipuliert werden?“ Dieser Gedanke war ungeheuerlich und Louis wollte sich dessen Ausmaße gar nicht vorstellen. „Das meinst du nicht ernst!“ Lysander sah ihn ruhig an. „Doch ich halte das für durch aus möglich. Wenn ich die Macht hätte, Menschen zu manipulieren würde ich es sicher nicht bei zwei Personen belassen. Vor allem wenn ich ein Ziel verfolge. Ich würde jeden manipulieren, der dafür in Frage kommen würde.“ Louis wusste, dass Lysanders Theorie nicht aus der Luft gegriffen war, aber er wollte es nicht wahrhaben. Schon alleine der Gedanke, dass zwei Personen von jemand anderen manipuliert werden könnte, erschien ihm zu weit hergeholt zu sein. Kein Mensch sollte Kontrolle über andere Menschen besitzen. „Vielleicht deuten wir die Fäden ja auch falsch. Annie hat noch nie einen Puppenspieler gesehen und es könnte doch auch sein, dass jemand sie nur aufgewiegelt hat und die Fäden uns sagen soll, dass sie nicht von alleine so wütend aufeinander geworden sind und ein falscher Zauber reicht, um einen Brand auszulösen. Wir kennen doch die Hintergründe überhaupt nicht. Es gibt bestimmt eine vernünftige Erklärung dafür!“ Louis spürte, wie er sich in Rage redete und Alice zu ihm herübersah. Er wollte nicht an so etwas Lächerliches wie ein Puppenspieler glauben, der sie wie Marionetten benutzte. So etwas sollte es nicht geben. „Louis, ich weiß, dass das wie eine Geschichte aus einem Märchen klingt. Völlig unrealistisch, aber es scheint, als wäre wir in so einer Geschichte gelandet. Aber denk daran, dass es in solchen Geschichten auch immer die Helden gibt, die eine Lösung finden und wir müssen das jetzt tun.“ Lysander glaubte an solche Dinge viel leichter als er. Louis dagegen weigerte sich einfach sich darauf einzulassen. Es erschien ihm einfach nicht im Bereich des Möglichen. Auch Annies Gabe hatte er nicht von heute auf morgen geglaubt. „Ich brauch Zeit um darüber nachzudenken“, meinte Louis. „Nimm dir deine Zeit, aber ich habe nicht das Gefühl, das wir noch viel Zeit haben bevor uns die Katastrophe ereilt. Nicht bei dieser Stimmung.“ Lysander hatte Recht. Auch Louis konnte es spüren. Die Luft brodelte und es spitzten sich da mehr Konflikte zusammen, als er sich wahrscheinlich vorstellen konnte. Wie lange dauerte es wohl noch bis diese eskalierten? Und konnten sie überhaupt dagegen etwas rechtzeitig unternehmen? Louis wusste nicht mehr, was er denken sollte. Das war einfach zuviel. ~~~ James war heute kein Vorbild für seine Mannschaft. Aus lauter Wut hatte er bereits einige Klatscher auf Fred losgeschickt, was mit weiteren Klatschern von Seiten Freds beantwortet worden war. Seine eigentlichen Gegner hatte er auch gar nicht so wirklich auf den Schirm. Er bekam mit, wie es Luke Finnigan erwischte, als er von Adrian und Ryan Flint in die Mangel genommen wurde und er sah wie sein Bruder von seinem eigenen Freund vom Besen geworfen wurde. Doch er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Deren Probleme gingen ihn nichts an. Natürlich wollte er das Spiel gewinnen, aber er war blind vor Wut auf Fred, der sich immer noch nicht bei ihm entschuldigt hatte. Molly hatte ihn zwar immer versucht zu überreden sich selbst zu entschuldigen, aber das sah er einfach nicht ein. Und dann geschah etwas, dass alles auf einem Schlag verschlimmerte. Er sah den Klatscher aus dem Augenwinkel, konnte aber erst sehen, als er sich dem Klatscher zuwandte, dass dieser für seine Schwester bestimmt war. Lily sah ihn aber nicht kommen, weil sie scheinbar den Schnatz erspäht hat. James schoss sofort auf sie zu, aber Fred war schneller als er zur Stelle und sandte den Klatscher zurück an Liam Pucey. „Alles in Ordnung, Lily?“, hörte er Fred fragen. Und dann sah er diesen Blick, den er nur zu gut kannte. Er flimmerte zwar nur kurz auf, aber es reichte, um James davon zu überzeugen, dass sein bester Freund auf seine kleine Schwester stand. Das war zuviel für ihn. Fred würde auf gar keinen Fall Lily anbaggern. Seine Schwester war absolut tabu für jeden Typen, der nicht genug für sie war. Fred erfüllte in diesem Augenblick ganz sicher nicht die Kriterien um ihn als Schwager zu akzeptieren. Im Gegenteil gehörte er zu den Typen, die nicht mal in Lilys Nähe kommen sollte. „Was fällt dir eigentlich ein?!“, schoss er zwischen die beide. Vor Wut schäumend vergaß er das Quidditchspiel. „James, was soll das?“, versuchte Lily ihn abzuhalten. „Lass das!“ „Halt dich da raus und kümmere dich um den Schnatz!“, scheuchte er sie mit einer Geste davon. Fred sah ihm in die Augen und war sich natürlich keiner Schuld bewusst. „Du wirst dich nicht an meiner Schwester vergreifen! Ist das klar? Lily ist tabu!“, brüllte er ihn an. Sein bester Freund sah ihn irritiert an und schüttelte den Kopf. Das nahm natürlich James als Kampfansage und just in diesem Moment kam ein Klatscher, der nach einem kräftigen Schlag Fred am Arm erwischte und ihn mit seinem Besen zu Boden trudeln ließ. Keiner legte sich mit James an ohne unverletzt dabei hervorzugehen, denn seine Familie beschützte er unter allen Umständen vor jeder Bedrohung mit allen Mitteln. Fred war nur ein Opfer, das erbracht werden musste. ~~~ Lily war zwar weggeflogen wie ihr James gesagt hatte, konnte aber trotzdem nicht ihre Augen von dieser Szene nehmen. Als James Fred den Klatscher in die Seite schlug, blieb ihr die Luft weg. Sie hatte ihren Bruder noch nie so wütend gesehen und das alles nur weil ihr Fred geholfen hatte. Aber James steigerte sich gleich wieder völlig rein und sah Dinge, die nicht da waren. Fred hatte sich nie an sie rangemacht. Er war ihr wie ein dritter Bruder und sie konnte nicht verstehen, wie James so weit gehen konnte. Das war sein bester Freund, dem er gerade einen gebrochenen Arm beschert hatte. Waren jetzt alle durchgedreht? Erst Scorpius und Albus und nun Fred und James. Hatten sie das Quidditchspiel vergessen? Lily versuchte sich zu beruhigen und sich wieder auf ihre Aufgabe als Sucherin zu konzentrieren. „Hey, alles okay bei dir?“ Hugo kam auf sie zugeflogen. Der letzte Mensch auf Erden mit dem sie jetzt sprechen wollte. Sie sah sich überrascht zu allen Seiten um und tat so als würde sie horchen. „Mir war fast so, als hätte ich etwas gehört, aber muss ich mir wohl eingebildet haben“, meinte sie laut zu sich selbst. Sollte Hugo doch mal merken, wie sich anfühlte ignoriert zu werden. Sie flog an ihm vorbei und stieg in die Höhe, um sich umzusehen. Ein Blick auf Scorpius sagte ihr, dass er sich auch noch suchend umblickte. Hugo kam ihr hinterher. „Lily, ich mach mir wirklich Sorgen um dich.“ Genervt rollte sie mit den Augen und sah den Klatscher auf sich zufliegen. Liam Pucey sah es wohl auf sie ab. Der Plan war innerhalb von Sekunden in ihr herangereift und schon ausgeführt. Sie wich erst im letzten Augenblick aus und Hugo, der nicht darauf geachtet hatte, wurde vom Besen heruntergeschleudert. Sie war kein Stück besser als ihr Bruder, aber es erfüllte sie mit so einer Genugtuung, dass es ihr egal war, dass es nicht richtig war. Erst dann sah Lily wie Scorpius zum Sturzflug angesetzt hatte. Schnell folgte sie ihm und verlangte alles von ihrem Besen ab, doch es war zu spät. Sekunden später hielt Scorpius triumphierend den Schnatz in seiner Faust. Gryffindor hatte verloren. Wütend landete sie auf dem Feld und hatte Tränen in den Augen. Jetzt konnte sie Scorpius nicht fragen, ob er mit ihr ausgehen wollte, da sie nicht gewonnen hatte. Voller Enttäuschung verließ sie das Feld. Das war ein einfach beschissener Tag. ~~~ Rose konnte den Verlauf des Spiels immer noch nicht fassen. Da ließ sich Scorpius nun unten auf dem Feld feiern wie ein Sieger nachdem er mit voller Absicht Albus gerammt hatte und ihn fast vom Besen stürzen lassen hatte. Noch nie hatte sie schlechter von Scorpius gedacht als heute. Er war das größte Arschloch, das jemals zur Welt gekommen war und er war ganz sicher nicht ein netter Typ, wie Alice gemeint hatte. Nie im Leben würde sie auch nur eine Sekunde mit dem Malfoy befreundet sein, geschweige denn etwas für ihn übrig haben. Ihre Gefühle waren heute endgültig gestorben und würden auch begraben bleiben. Dieser Typ war das Allerletzte. „Rose beruhig dich wieder“, sprach Alice sie an, als sie sich auf dem Weg runter zum Feld machten, um Albus zum Sieg zu gratulieren. „Ich bin erst wieder ruhig, wenn ich mich versichert habe, dass mit Albus alles in Ordnung ist“, entgegnete sie aufgebracht. Alice sagte nichts weiter und Rose stürmte auf das Feld, wo sie sofort nach Albus Ausschau erhielt. Er wurde gerade von seinen Teamkameraden beglückwünscht. Sie drängelte sich zu ihm durch und fiel ihm um den Hals. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie ihn sanft. „Jetzt auf jeden Fall, wo du da bist!“, erwiderte er grinsend. „Ich hatte so eine Angst, dass du stürzt“, entgegnete sie und sah ihn sich genau an. Er schien keine Verletzung zu haben. Zumindest entdeckte sie nichts. „Alles okay mit mir. Du kannst also tief durchatmen und mir zum Sieg gratulieren.“ Rose stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm zum ersten Mal von sich aus einen Kuss. Er zog sie in seine Arme und sie beruhigte sich ein wenig. Es gab gar keinen Grund sich so aufzuregen. Dann wurde Albus wieder von Leuten aus seinem Haus umringt und Rose trat ein Schritt zurück, damit er seinen Sieg genießen konnte. Sie spürte den wütenden Blick in ihrem Rücken und drehte sich noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Scorpius sich abwandte und in die Umkleidekabinen verschwand. Doch es gab genug Gründe sich aufzuregen. Sie folgte Scorpius einfach. Sie musste ihn zu Rede stellen und ihm klar machen, dass wenn er es noch einmal wagte Albus anzugreifen sie ihn fertig machen würde. „Warum hast du das getan?“, fragte sie ihn, als sie hinter ihm stand. Scorpius drehte sich zu ihr um. „Gegenfrage: Warum tust du so, als wärst du in Albus verliebt?“ Rose schäumte vor Wut. „Ich bin in ihn verliebt.“ Sie sah wie Scorpius zusammenzuckte und sich dann wieder fing. „Du bist eine unheimliche schlechte Lügnerin“, erwiderte er. Sie wollte auf gar keinen Fall von ihm hören, dass es nicht stimmte, denn sie wollte daran glauben, dass sie sich in Albus verlieben konnte. „Für so einen Arsch wie dich hab ich sicher nichts übrig. Ich werde nie im Leben deine Freundin werden, denn du bist das Letzte!“ Und sie zog ihren Zauberstab. Sie war so bereit dazu ihm einen Fluch aufzuhalsen. „Rose!“ Alice tauchte auf und ging dazwischen. „Bist du blind vor Wut? Du kannst doch nicht deinen Zauberstab ziehen. Wie gehen hier sofort weg und du kommst wieder zu Verstand.“ Rose wurde von Alice herausgeschleppt aus dem Raum, doch sie konnte nicht aufhören daran zu denken, was sie beinahe getan hätte. Sie war so kurz davor gewesen einen Unverzeihlichen Fluch anzuwenden. Und ein toter Malfoy erschien ihr gar nicht so schlimm zu sein. Kapitel 8: Fate decides ----------------------- Scorpius war verletzt. Roses Verhalten hatte ihn gekränkt und ihre Worte waren wie Dolche gewesen. Erst jetzt wurde ihm klar, wie oft er sie wohl auf diese Weise verletzt hatte ohne sich dafür zu entschuldigen. Er hatte es wahrscheinlich verdient, dass sie so von ihm dachte, aber es traf ihn trotzdem härter als er gedacht hatte. Albus mied ihn, was verständlich war, aber zum ersten Mal hatte er das Gefühl völlig alleine dazustehen ohne das jemand an seiner Seite war. Das war echt ein mieses Gefühl. Er hätte sich nicht so von seiner Eifersucht lenken lassen. Albus war schließlich sein bester Freund und er hatte kein Recht ihm die Freundin auszuspannen. Das tat man nicht unter Kumpels. Selbst wenn man wusste, dass dieses Mädchen in einen selbst verliebt war, nutzte man das nicht aus. Was war nur mit ihm los? So kannte er sich gar nicht. Er konnte aufbrausend sein, aber er tat eigentlich keiner Fliege etwas zu leide. Doch gestern war es anders gewesen. Es hatte ihm gefallen Albus zu verletzten und Rose hätte ihn beinahe dafür verflucht. Kein so guter Start um Rose zu beweisen, dass sie ihm vertrauen konnte und dass er anders war. Jetzt hatte er den letzten Krümel Hoffnung verspielt. Warum hatte er nicht schon bei seiner allerersten Begegnung mit Rose die Klappe gehalten? Albus hatte sie ihm am zweiten Schultag vorgestellt und Rose hatte ihn abschätzig betrachtet und ihm dann erklärt, dass sie nicht mit ihm befreundet sein könnte, weil ihr Vater dagegen wäre. Es hatte ihn einfach gereizt sie damit aufzuziehen und als sie rot angelaufen war, beschimpfte sie ihn auf das Wildeste, um dann davon zu stürmen. Und damit war seine Neigung sie zu necken geboren. Anfangs hatte er kaum mit ihr zu tun, doch mit der Zeit waren sie sich immer häufiger über den Weg gelaufen. Er hatte schon immer eine Schwäche für die rothaarige Weasley gehabt, auch wenn er sich das nie eingestehen würde. Erst die Sache mit Albus hatte ihn gezwungen endlich mal ehrlich mit seinen Gefühlen zu sein und jetzt hatte er den Salat. Er hatte es immer verdrängt und dadurch dafür gesorgt, dass Rose ihn hasste. Nun hasste ihn auch noch Albus. Besser konnte man es doch kaum hinkriegen. Warum war er bloß so ein Idiot? Und vor allem wie renkte er die Sache wieder ein. Das schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein nach seiner gestrigen Aktion. Gedankenverloren machte er sich auf dem Weg durch den Gemeinschaftsraum um raus zu kommen und an der frischen Luft nachzudenken, doch Albus versperrte ihm den Weg. „Ich hab da noch ein ernstes Wort mit dir zu reden“, sagte er. Scorpius gab die Hoffnung auf noch zu einem Spaziergang zu kommen. Zumindest nicht ohne eine Anzahl an blauen Flecken. ~~~ Alice hatte es mit Rose eindeutig vergeigt, in dem Augenblick, als sie sie davon abgehalten hatte, einen möglicherweise tödlichen Fluch auf Scorpius abzuschießen. Nun sprach ihre beste Freundin nicht mehr mit ihr und war wütend auf sie, obwohl Alice sie eindeutig von dem größten Fehler ihres Lebens abgehalten hatte. Aber die Situation war noch nicht ausgestanden. Rose schien in Bezug auf Scorpius zu allem zu bereit zu sein, was genau dem entsprach, was Annie in ihren Träumen gesehen hatte. Also befand sie sich in einer beschissenen Situation. Sollte sie Rose am besten die ganze Zeit überwachen? Mithilfe von Louis und Lysander wäre es möglich, aber Rose würde es irgendwann merken. Sollte sie lieber Rose alles erzählen? Doch diese Geschichte würde Rose ihr kaum glauben und es würde auch ihre Meinung über Scorpius nicht ändern, was dadurch auch nicht verhinderte, dass Annies Traum in Erfüllung ging. Alice musste etwas einfallen. „Worüber denkst du so verbissen nach?“ Lysander setzte sich neben ihr in einem Sessel am Kamin im Gemeinschaftsraum. Rose saß auf der anderen Seite des Raumes mit Louis und machte ihre Hausaufgaben. „Ich frage mich, was ich tun kann, um Rose davon abzuhalten, dass sie Scorpius umbringt und damit zu verhindern, dass Hogwarts brennt.“ Lysander sah verträumt in die Flammen. „Ich denke, dass wir alle manipuliert werden. Das Quidditchspiel hat diese Theorie bekräftigt.“ Alice setzte sich gerade auf. „Meinst du wirklich? Aber ich fühle mich nicht manipuliert.“ „Wahrscheinlich reagieren wir alle unterschiedlich darauf. Einige wie Rose oder James reagieren stark darauf und wir vielleicht haben einen starken Willen, der es mehr oder minder unterbindet.“ „Das wäre ja schrecklich. Dann können wir ja niemandem, nicht mal uns selbst, noch vertrauen und dann könnte auch jeder für das Feuer verantwortlich sein.“ Lysander nickte ruhig und Alice lief ein Schauer über den Rücken. Das war ein so furchterregender Gedanke. Sie verstand zwar, was Lysander auf diese Theorie gebracht hatte, aber es war trotzdem nichts, was man einfach glaubte. „Aber was sollen wir dann dagegen tun?“, fragte Alice. „Zumindest die von denen wir uns denken können, dass sie besonders auf die Manipulation ansprechen im Auge behalten und hoffen, dass wir es verhindern können. Am besten wäre es, wenn wir herausfinden könnten wer dahinter steckt. Vielleicht kann Annie in ihren Träumen etwas herausfinden. Ansonsten müssen wir ganz auf unsere Menschenkenntnis vertrauen.“ Das war nicht gerade eine Antwort, die Alice beruhigte. Es hieß letztendlich, dass sie nur abwarten konnten und drauf hoffen mussten, dass sie im richtigen Augenblick zur Stelle waren. Hoffentlich konnten sie vor der Katastrophe etwas herausfinden, das ihnen weiterhalf. Sie mussten den Puppenspieler unter allen Umständen finden. ~~~ „Du sprichst nicht mehr mit Fred, hast du mich verstanden?!“ James hatte sich vor ihr aufgebaut und Lily verdrehte die Augen. „Du hast kein Recht mir zu sagen mit wem ich reden darf und mit wem nicht“, fauchte sie zurück. „Ich bin dein älterer Bruder und ich sage dir, dass Fred nichts Gutes im Schilde fühlt. Du bist erst 15 und damit minderjährig. Ich will also das du ihm aus dem Weg gehst.“ Lily versuchte sich an James vorbei zuschieben, denn sie ließ sich gar nichts vorschreiben. Nicht von ihrem älteren Bruder, der sowieso völlig Unrecht hatte. Fred war der freundlichste Mensch, den sie kannte und er war immer für sie da. Er hegte keine romantischen Gefühle für sie. Obwohl sie in diesem Punkt sich selbst nicht mehr ganz sicher war seit der einen Nacht, wäre es für sie kein Problem, wenn es doch so wäre. Schließlich konnte sie selbst entscheiden, wen sie mochte und es war auch nur ein Altersunterschied von drei Jahren, also kein Verbrechen. „Hörst du mir gefälligst zu?“ James hielt sie fest und Lily trat ihm gegen das Schienbein. „Hör auf mich zu bevormunden!“, schrie sie ihm entgegen und nutzte ihre Chance, um sich an ihm vorbeizuzwängen. Wütend stürmte sie davon. James hatte ja keine Ahnung. Auf dem Korridor begegnete sie Lucy und Hugo Hand in Hand. „Hey Lily, warte doch mal. Wir müssen mit dir reden!“ Doch Lily rannte an ihnen vorbei und ließ sie links liegen. Etwas anderes taten sie mit ihr schließlich auch schon seit Wochen, also konnte sie die beiden genauso ignorieren. Sie wollte auch nicht mit ihnen reden. James, Lucy und Hugo konnten ihr gestohlen bleiben. Sie brauchte niemanden. Lily holte ihren Besen aus der Besenkammer und lief damit zum Quidditchfeld. Sie musste fliegen um den Kopf frei zu kriegen, um alles hinter sich zu lassen. „Hey“, sprach sie da plötzlich jemand an. Lily drehte sich verwirrt um und bemerkte erst jetzt den neuen Schiedsrichter, der gerade seinen Zauberstab in der Hand hielt. „Du kannst jetzt nicht auf den Rasen. Ich kürze ihn gerade mit einem Zauber und du willst doch nicht schrumpfen oder?“ „Oh“, machte Lily überrascht und beeilte sich vom Rasen herunterzukommen. Sie hatte noch nie darüber nachgedacht, dass der Rasen gestutzt werden musste, da auf ihm ja nicht gespielt wurde. „Warum muss der Rasen den gekürzt werden?“, fragte sie verwundert. „Erstens sieht es gut aus und zweitens wächst er dann schön dicht und ihr könnt euch dann besser drauf abstoßen, was dann zu eurem Vorteil ist“, antwortete er ihr, während er sich daran machte mit einem Strahl seines Zauberstabs den Rasen auf gleiche Höhe zu bringen. Dieser kurze Moment hatte ausgereicht, um sie wieder zu beruhigen und ihren Kopf klar zu kriegen. Jetzt brauchte sie gar nicht mehr fliegen. „Interessant“, sagte sie. „Dann komm ich ein anderes Mal wieder.“ Damit ging sie zurück zum Schloss. ~~~ Rose hatte sich wieder im Büro von Nathan verkrochen. Er war zwar nicht da, aber sie setzte sich selbst einen Tee auf. Hier fühlte sie sich sicher. Louis war ihr heute kaum von der Seite gewichen. Wahrscheinlich hatte Alice ihn damit beauftragt, aber sie war kein kleines Kind mehr. Es war gestern mit ihr durchgegangen, aber sie fand immer noch das Scorpius es verdient hätte. Der Todesfluch wäre vielleicht zuviel gewesen, aber sie glaubte nicht, dass sie es wirklich durch gezogen hätte. So war sie nicht. Ganz sicher nicht. Trotzdem lauerte da in ihr die Angst, was gewesen wäre, wenn sie es getan hätte. Wie hätte es sich angefühlt? Hätte sie es einfach kaltblütig durchgezogen? Und was hätte sie danach darüber gedacht? Fragen, die unbeantwortet blieben und es auch bleiben sollte. Gedankenverloren streifte Rose durch den Raum, während sie darauf wartete, dass der Tee fertig war. Ihr fiel ein Schachbrett auf, das in einer Ecke des Raumes stand. Sie hätte Nathan nicht für den Schachspieler gehalten. Aber andererseits wusste sie ja auch nichts von ihm, weil sie stets nur von sich sprach. Sie sollte mal ihn fragen, woher er kam und was er vorher gemacht hatte. Es interessierte sie auch wirklich, denn er klang immer so, als hätte er schon viel erlebt. Rose nahm sich die schwarze Königin und drehte sie in ihrer Hand. Es war eine schön aus Holz geschnitzte Figur. „Na bist du wieder hier, um alle meine Teevorräte leer zu trinken?“ Rose erschrak. Sie hatte überhaupt nicht gehört, dass Nathan hereingekommen war. Er war inzwischen zum Teekessel gegangen. „Da bin ich ja genau richtig gekommen! Der Tee ist fertig.“ Er nahm sich zwei Tassen und sah zu ihr herüber. „Hübsch oder?“, fragte er sie und sie nickte unfähig etwas zu sagen. Dann fand sie ihre Stimme wieder. „Woher hast du es?“ Nathan kam zu ihr herüber und reichte ihr ihre Tasse. „Aus Afrika.“ Hatte sie also richtig vermutet, dass er schon viel gereist war. Er sah die Figur in ihrer Hand. „Ich nehme am liebsten die schwarzen Figuren, wen ich spiele. Sie haben etwas Dunkles und Mystisches an sich, finde ich.“ Rose stellte die Königin wieder zurück auf ihren Platz. „Ich hab noch nie Schach gespielt“, gab sie zu. Nathan lächelte sie an. „Dann muss ich es dir mal beibringen. Es ist ein höchst komplexes Spiel, das aber faszinierend ist.“ „Ich würde es gerne lernen“, stimmte Rose zu. „Dann lass uns gleich damit anfangen. Es wird dir gefallen.“ Nathan nahm das Schachbrett und stellte es auf seinem Schreibtisch. Sie setzte sich ihm gegenüber und er erklärte ihr kurz, aber präzise das Spiel. „Und bereit für deine erste Partie“, fragte er nach einer halben Stunde an Erklärungen. Rose nickte. Sie hatte richtig Lust darauf bekommen. „Okay, dann für dich die weißen Figuren und ich nehme die schwarzen. Lassen wir das Spiel beginnen. Du ziehst zuerst.“ Rose nahm sich einen der weißen Bauer und machte ihren ersten Schachzug. ~~~ Dominique war völlig vertieft in ihr Buch. Dass sich die Bibliothek schon anfing zu leeren, bemerkte sie gar nicht bis Mr. Blotts vor ihr stand und mit seinem Stock leicht auf den Tisch schlug. Erschrocken sah sie hoch. „Ich weiß deinen Eifer zu schätzen, aber die Bibliothek schließt für heute. Leih dir das Buch aus und komm morgen wieder.“ Dominique kramte ihre Sachen zusammen. „Ich stell nur eben schnell die Bücher wieder zurück ins Regal. Dann geh ich“, versprach sie und nahm sich den riesigen Stapel auf ihrem Tisch. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie soviel schon gelesen hatte. Prompt fiel ihr auch der obere Teil des Stapels herunter. Mr. Blotts schüttelte nur mit dem Kopf und hob die Bücher wieder auf. „Gib mir die Bücher. Ich räum sie zurück“, meinte er. Doch Dominique schwankte mit dem Stapel schon zum Regal. In den letzten Wochen fühlte sie sich hier schon richtig zuhause und kannte sich auch dementsprechend aus. Sie erinnerte sich bei jedem Buch, wo es gestanden hatte. Der Bibliothekar folgte ihr und sah sie ungeduldig an. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, warum sie soviel Zeit in der Bibliothek verbrachte. Sie hatte auf genau so einen Augenblick gewartet. Sie war hier alleine mit einem heißen Typen, der auch noch etwas von Büchern verstand. Nun war der Augenblick gekommen etwas von ihrem Veela-Charme zu nutzen. Dominique schätzte die Lage gezielt ein und tat dann als würde sie stolpern. Dabei riss sie den Bibliothekar mit und landete auf ihm. „Ups“, machte sie und sah ihm entschuldigend in die blauen Augen, von denen sie so hingerissen war. Dieser Blick musste selbst den härtesten Mann weich machen. Ihr Aussehen tat sicherlich den Rest, doch sie irrte sich. Mr. Blotts schob sie einfach von sich herunter und sammelte die Bücher auf, die sie fallen gelassen hatte. Sie hatte mit dieser Aktion nichts erreicht. Dominique fühlte sich total mies und enttäuscht. War sie denn nicht einmal eines müden Blickes wert? Die Tränen kamen völlig unerwartet. Sie fühlte sich völlig bedeutungslos. Nichts bekam sie auf die Reihe. Mr. Blotts sah sie überrascht an, als sie schluchzte, aber das war ihr egal. Sollte er sie doch heulen sehen. Es war ihr alles gleichgültig. „Alles okay bei dir? Hast du dich verletzt?“, fragte er besorgt. Sie schüttelte nur den Kopf. Konnte er nicht einfach verschwinden? Stattdessen reichte er ihr ein Taschentuch. Ein richtiges Stofftaschentuch, als wäre er aus dem vorigen Jahrhundert. Sie kannte niemanden, der so etwas hatte. „Du brauchst so etwas nicht zu machen, um dich gut zu fühlen“, traf er mit seinen Worten ins Schwarze. Woher wusste er das nur? „Ich weiß aber nicht, worin ich sonst gut bin“, brach sie unter Schluchzern hervor. „Weil du nicht im Schatten deiner Schwester stehen willst?“, fragte er und setzte sich neben ihr auf den Fußboden. „Ich hab andere Schüler über dich reden gehört.“ Dominique sah ihn überrascht an. Er hatte Gespräche über sie belauscht. Was das wohl zu bedeuten hatte? „Meine Schwester ist einfach in allem perfekt. Gute Noten, einen perfekten Abschluss, super Job, heiratete einen perfekten Mann und sieht auch noch atemberaubend schön aus“, beschwerte sich Dominique. „Da kann ich einfach nicht mithalten und alle sehen in mir nur eine billige Kopie.“ „Und deswegen meinst du, musst du dich an mich heranschmeißen, um das Gegenteil deiner Schwester zu sein?“ Dominique wurde rot. Laut ausgesprochen klang es wirklich erbärmlich und ihre Tränen versiegten langsam. Sie sah bestimmt scheiße aus. Mr. Blotts sah sie fest an. „Ich sag dir jetzt eins: Du bist ein tolles Mädchen. Du siehst wirklich verdammt gut aus und du bist viel klüger als viele denken würden. Du hast nämlich Köpfchen und ich kann das beurteilen, denn du hast im letzten Monat mehr als 200 Bücher in deiner freien Zeit verschlungen. Und das waren nicht irgendwelche billigen Nachschlagwerke, sondern richtige Fachbücher mit ihrem Kauderwelsch und du hast sie einfach so runter gelesen. Du bist eben auf eine ganz andere Art als deine Schwester klug und hübsch, aber das macht dich zu keinem schlechteren Mensch. Du bist einfach nur du selbst und das musst du akzeptieren.“ Soviel hatte sie den Bibliothekar noch nie auf einmal sagen hören. Und dann war es gefüllt mit Komplimenten an sie. Ihr war gar nicht klar gewesen, wie viel sie gelesen hatte und vor allem wie schwer das Gelesene gewesen war. Sie hatte wohl den Verstand ihrer Tante Hermine, die auch so verdammt klug war. „Es tut mir leid, dass ich versucht habe mich Ihnen anzunähern. Es wird nicht wieder vorkommen“, entschuldigte sie sich, weil es ihr jetzt wirklich peinlich war, so etwas versucht zu haben. Der Bibliothekar lächelte sie an. „Du bist hier immer willkommen, denn du bist genau das, was sich ein Bibliothekar wünscht: wissbegierig und ruhig.“ „Danke“, sagte Dominique und meinte es auch wirklich von Herzen so. „Ich sollte jetzt gehen.“ Sie stand auf und nahm ihre Tasche. „Bis morgen“, meinte Mr. Blotts fröhlich und kümmerte sich wieder um die Bücher. Dominique verschwand aber nicht ohne einen letzten Blick zurückzuwerfen. Der Bibliothekar war immer noch der heißeste und süßeste Typ, den sie kannte, aber für jetzt ließ sie ihn erst mal in Ruhe, denn er hatte ihr einen neuen Blickwinkel auf ihr Leben eröffnet. Nach dem Abschluss konnte sie ihn ja immer noch um ein Date bitten. ~~~ Lorcan war nicht überrascht seinen Bruder zu sehen. Irgendwie hatte er im Gefühl gehabt, dass sein Bruder Sorgen hatte. Früher war sein Bruder sofort zu ihm gekommen. Jetzt ließ er sich damit mehr Zeit, aber am Ende kam er doch immer zu ihm. Lorcan war an seinem Lieblingsplatz, dem Pokalzimmer. Er stellte sich gern stundenlang, wer die Leute gewesen waren, deren Namen auf den vielen Pokalen standen. „Was trübt deine Laune so?“, fragte er Lysander geradeheraus. „Etwas Schreckliches wird passieren und ich weiß nicht, was ich dagegen unternehmen soll. Ich fühle mich irgendwie machtlos“, gestand Lysander und ließ sich neben ihm auf dem dunkelgrünen Sofa fallen, dass das einzige Sitzmöbelstück in diesem Raum war. „Klingt nicht gerade aufbauend, aber mir wäre neu, dass die Welt untergeht, also spuck es etwas genauer aus, dann kann ich dir auch helfen.“ „Du weißt doch von Annies Fähigkeit?“ Lorcan nickte. Lysander hatte es ihm mal vor Jahren erzählt, weil er wissen wollte, was er davon wissenschaftlich gesehen hielt. Es hatte Lorcan neugierig gemacht, aber er mochte lieber Fakten und keine Hirngespinste. „Sie träumt davon das Hogwarts in Flammen steht, weil zwei Duellanten sich bis auf den Tod bekämpfen. Und diese zwei haben Fäden an ihrem Körper, als würde sie von einem Puppenspieler gesteuert. Und ich denke, dass Annie Recht hat, aber das nicht nur die zwei manipuliert werden, sondern wir alle und das macht mir Angst.“ Lorcan hob interessiert den Kopf. So etwas klang faszinierend. Allein die Vorstellung, dass er jetzt unter Manipulation stehen könnte, war aufregend. „Weiß Annie auch wer die zwei Duellanten sind?“ „Rose und Scorpius, aber wenn meine Theorie stimmt, müssen es nicht die beide alleine sein, die die Schuld am Feuer tragen.“ Das klang wie Musik in seinen Ohren. Er musste sich also an die beiden halten, wenn er mehr über die Art der Manipulation erfahren wollte. Lysander seufzte. „Du siehst nur, was für phänomenale Erkenntnisse sich durch so etwas erzielen lassen können, nicht wahr? Es geht hier aber um Menschen, vergiss das nicht.“ Lorcan verdrehte die Augen. Er wollte doch nur seinen Spaß. „Ich kann dir nichts sagen, was du nicht schon selbst herausgefunden hast. Man braucht den Puppenspieler, um die Manipulation zu stoppen und der wird, wenn er mehrere Menschen beeinflussen kann, sicher nicht leicht zu finden sein. Also musst du bei Rose und Scorpius anfangen, denn, wenn Annies Traum stimmt, sind die zwei auf jeden Fall manipuliert. Du willst doch sowieso nur deine Erkenntnisse von mir gegen prüfen lassen oder nicht?“ Lysander nickte und seufzte. „Ich kann es mir kaum vorstellen, dass es wirklich der Wahrheit entsprechen soll. So einen grausamen Menschen, der mit Menschenleben spielt, sollte es nicht auf der Welt geben und keiner sollte diese Macht besitzen.“ „Ich finde es eher spannend zu sehen, wie solche Menschen handeln. Sie liefern uns erstaunliche Erkenntnisse zum Umgang mit Macht.“ Jetzt war es an Lysander die Augen zu verdrehen. „Du änderst dich auch nie oder?“ Lorcan lachte leise. Nein, er war viel zu besessen davon alles prüfend zu betrachten, was ihm unter die Nase kam. Menschenleben waren ihm da nicht so wichtig. Es ging ihm nur darum seine unstillbare Neugierde zu besänftigen. Er musste den Puppenspieler finden. ~~~ Albus ließ Scorpius nicht an sich vorbei. Zumindest nicht bevor sie ein klärendes Gespräch hatten und mit klärend meinte er bevor er nicht dem Malfoy seine Faust ins Gesicht gerammt hatte. Er würde ihm schon klar machen, dass er nie wieder auch nur in der Nähe von Rose sehen wollte. Und in seiner unmittelbaren Nähe musste Scorpius sich auch nicht gerade aufhalten. „Lass mich das doch erklären“, fing Scorpius an. „Ich steh dir nicht im Weg und will dir auch nichts Böses. Ich bin dein Freund.“ „Du bist nicht mehr mein Freund“, entgegnete Albus wütend. „Denn Freunde greifen einen nicht an und schmachten auch nicht für die Freundin ihres Freundes.“ Er sah Scorpius irritierten Gesichtsausdruck. Er hatte wohl nicht gedacht, dass Albus ihn sofort durchschaut hatte. „Ich hatte nicht vor dich zu verletzten. Es ist nur mit mir durchgegangen, weil ich gesehen habe, wie Rose dich anfeuert und das war falsch. Sie ist deine Freundin und nur zu deiner Info: Sie hasst mich, also kann ich sie dir wohl kaum ausspannen.“ Scorpius versuchte mit Ehrlichkeit die Situation zu entspannen, doch das gelang ihm nicht, denn Albus gefiel es gar nicht, dass sein ehemaliger bester Freund zugab, dass er auf Rose stand. Vor allem hatte Scorpius auch nie über seine Gefühle ein Wort verloren wurde und jetzt glaubte er, dass er mit ein wenig Wahrheit alles wieder gerade biegen konnte. Auf eine längere Diskussion konnte er verzichten. Er schlug gleich zu, denn sein Zauberstab war ihm zu schade dafür. Er wollte Scorpius richtig eine verpassen. Scorpius konnte sich gerade noch wegducken, aber Albus hatte bereits mit der anderen Faust ausgeholt und traf ihn in der Magengrube. Der Malfoy stolperte zurück und setzte jetzt seinerseits auf Angriff. Lange hatte er ja nicht so getan, als wollte er das hier friedlich lösen. Scorpius erwischte ihn an der Lippe, aber bevor er zurückschlagen konnte, hielt ihn jemand auf. Liam war dazwischengetreten und er konnte Jane im Hintergrund sehen, die auf Scorpius einredete und ihn fragte, ob alles gut war. „Was soll das?“, fragte Liam. „Warum streitet ihr euch?“ Albus schnaubte wütend und versuchte sich loszumachen. „Dieser Typ will mir meine Freundin ausspannen“, spuckte er Richtung Scorpius grollend aus. Liam sah zu dem Malfoy und ließ Albus dann los. „Also das hätte ich ja nie von dir gedacht, Malfoy. Das du ein Arschloch bist, ist ja nichts Neues, aber das ist doch wirklich unter aller Sau!“ Und damit gewann Albus einen Verbündeten, denn es war allgemein bekannt, dass Liam nicht gerade ein Fan von Scorpius war. Nur Jane verteidigte noch Scorpius, auch wenn sie auch zweifelte, denn so ein Idiot war ihrer Mühe auch nicht wert. Dann hatte Albus endlich freie Bahn und konnte Scorpius einen Kinnhaken verpassen. Schon fühlte er sich viel besser. ~~~ Rose hatte schon wieder den ganzen Tag bei Nathan verbracht und machte sich nun müde auf den Rückweg. Vorher brauchten sie aber aus der Küche dringend noch etwas zu essen, da sie das Abendessen verpasst hatte und außerdem auch noch keine Lust auf Alice und Louis hatte. Auf halbem Weg begegnete ihr Hugo, der voll beladen war mit guten Dingen aus der Küche. „Also Schwesterherz, willst du etwa jetzt noch die armen Hauselfen nerven, damit sie dir etwas zu essen geben? Das erzähl ich erst mal Mama im nächsten Brief. Du solltest doch als Vorbild fungieren und dich für die Rechte der Hauselfen einsetzen“, witzelte er. „Sagt der Richtige. Du bist ja auch das perfekte Vorbild“, gab Rose ironisch zurück. „Du bist die Ältere. Von dir erwartet man das“, gab Hugo zurück und streckte die Zunge heraus. Rose war eindeutig zu müde, um mit Hugo zu diskutieren. „Ach lass mich doch in Ruhe. Ich hab Hunger und mir doch egal, ob du es Mama erzählst. Als ob sie nie in ihrer Schulzeit in der Küche gewesen ist.“ Hugo grinste nur blöd und schob sich an ihr vorbei. „Du hast sowieso nicht mehr alle Tassen im Schrank. Immer noch keine Vermisstenanzeige für deinen Kopf aufgegeben?“ Rose verdrehte nur die Augen und ging den Gang weiter. Hugo hatte immer noch nicht genug von dem Witz. Beim nächsten Mal war er endgültig ein Kopf kürzer, wenn er sie damit nicht verschonte. In der Küche umsorgte sie die Hauselfen sofort liebevoll und gab ihr ein paar Leckereien zu essen. Rose blieb dort und aß gemächlich, da sie immer noch keine Lust hatte, in den Ravenclawgemeinschaftsraum zurückzukehren, wo Alice sie weiternerven würde. Konnten sie alle nicht damit in Ruhe lassen? Sie hasste Scorpius. Das war ein unumstrittener Fakt, der sich nicht ändern würde. Und er war ihr am liebsten, wenn er tot war oder kilometerweit entfernt war, denn dann musste sie nicht über ihre widersprüchlichen Gefühle für ihn nachdenken. Rose wollte Albus lieben, weil er das Beste für sie war. Eine vernünftige Entscheidung. Scorpius war unvernünftig und tat ihr nicht gut. Sie vertraute ihm nicht und sie hasste ihn. Rose schob die leeren Teller beiseite und bedankte sich bei den Hauselfen. Nur weil sie mit Nathan befreundet war, hieß das nicht, dass er ein Auge zudrücken würde, wenn er sie nachts außerhalb des Gemeinschaftsraums in Hogwarts herumgeistern sah. Außerdem wollte sie nur ins Bett und dort eine ruhige Nacht verbringen ohne all diese Gedanken, die ihr durch den Kopf spuckten. Doch daraus wurde nichts. In der großen Halle traf Rose auf Scorpius, der angeschlagen aussah, aber noch genug Kraft hatte, um sich ihr in den Weg zu stellen. Dieses Mal würde sie nicht zögern ihm einen Fluch aufzuhalsen. ~~~ Scorpius hatte lange hin und her überlegt, ob er in den Krankenflügel gehen sollte oder nicht. Wenn er es tat, musste er zugeben, woher er die Verletzungen hatte. Tat er es nicht, sah jeder ihn morgen und würde wissen wollen mit wem er sich geprügelt hatte. Aber zurück in den Gemeinschaftsraum wollte er auch nicht mehr. Albus hatte alle Slytherins gegen ihn aufgebracht und er hatte keine Chance bekommen ihnen die Wahrheit zu erklären. Dafür hätte er auch seinen Stolz hergeben müssen und er wäre sowieso nicht besonders vertrauenswürdig gewesen, denn niemand glaubte ihm, dass er es ernst mit der Weasley meinen könnte. Dafür hatte er in den letzten sechs Jahren gesorgt. Scorpius wurde erst jetzt klar, dass er es sich selbst verbaut hatte. Er war immer zu stolz und arrogant gewesen. Hatte sich nie wirklich um Freunde bemüht und war ohne seinen einzigen Freund aufgeschmissen. Niemand trat für ihn ein. Niemand half ihm. Und vor allem glaubte ihm niemand. So alleine zu sein, fühlte sich schrecklich an, aber er hatte es wohl nicht anders verdient. Aber mit wem konnte er jetzt reden? Wer würde ihm zuhören? Er brauchte dringend eine Lösung, um alles wieder zu bereinigen. Da tauchte plötzlich Rose in der Halle auf. Sie sah ihn und beeilte sich zur Treppe zu gelangen, doch er reagierte trotz seiner Schmerzen blitzschnell und stellte sich ihr in den Weg. Sie musste ihm einfach zuhören. Er wusste, dass sie ihm höchstwahrscheinlich kein Wort glauben würde, aber er musste es einfach sagen. Es ihr wenigstens einmal erklären. Auch wenn das Risiko bestand, dass sie ihn dieses Mal wirklich verhexte. „Rose, ich möchte es dir erklären“, fing er an, während sie an ihrer Tasche rumnesselte, um an ihren Zauberstab zu kommen. „Ich weiß, dass du mich für alles, was ich dir in den letzten Jahren getan und gesagt habe, hasst und ich verstehe das auch. Ich habe es wohl nicht anders verdient, aber ich will mich ändern. Ich möchte, dass du mir vertrauen kannst?“ „Dir vertrauen? Nie im Leben“, fauchte sie wütend zurück und bekam ihre Tasche auf. Jetzt hatte er nicht mehr viel Zeit, aber er wusste auch nicht wirklich, was er sagen sollte. Da blieb nur eins, um sie lange genug aus der Fassung zu bringen, dass sie sich das mit dem Fluch noch mal anders überlegte, denn auf den Besuch im Krankenflügel war er wirklich nicht scharf. „Willst du wissen, warum ich Albus attackiert habe?“ Rose zögerte und sah ihn fragend an. „Ich war sauer auf ihn, weil du ihn angefeuert hast. Verstehst du? Ich war eifersüchtig auf Albus, denn ich bin schon seit einer Ewigkeit in dich verliebt, aber konnte es mir selbst nie eingestehen.“ Er sah, wie sich Roses Gesicht rot verfärbte, doch nicht, weil es ihr peinlich war oder sie überglücklich über seine Worte war, sondern, weil sie extrem wütend war. Sie glaubte ihm kein einziges Wort und Scorpius wurde klar, dass er wie Rose ein Talent für Fettnäpfchen haben zu schien, denn er hatte genau das Falsche zu ihr gesagt. So wie er es in all den Jahren zuvor auch getan hatte. Er hatte es völlig falsch angepackt. Und jetzt brach der Hurrikan namens Rose über ihn ein. Kapitel 9: Fate forces ---------------------- Rose war blind vor Zorn. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen. Sie dachte nur noch an eins: Sie wollte den Malfoy fertig machen. Er belog sie einfach so und erzählte ihr nun aus heiterem Himmel, dass er schon seit einer Ewigkeit in sie verliebt war, nur weil er Angst hatte vor ihr. Als ob sie auf etwas so Idiotisches hereinfallen würde. Nicht mit ihr. Sie glaubte ihm kein Wort. Endlich hatte sie ihren Zauberstab in der Hand und konnte das tun, was sie schon die ganze Zeit hatte tun wollen. Aber Scorpius war schneller. Er hatte wohl begriffen, dass er keine Chance mehr bekam und sie ihn auf jeden Fall angreifen würde. „Expelliarmus“, sagte er, doch Rose verteidigte sich mit einem Schutzschild. Sie würde ganz sicher verhindern, dass er sie entwaffnet, denn sie wollte ihm wehtun für all die Jahre, die er sie aufgezogen hatte und dafür gesorgt hatte, dass sie sich vor allen blamierte. Tief in ihr drinnen meldete sich eine Stimme, die sie versuchte daran zu erinnern, dass sie auch selbst ihren Teil dazu beigetragen hatte, aber sie blendete diese einfach aus. Es ging hier nur um ihre Rache, denn das Fass war endgültig übergelaufen. Scorpius hätte sie einfach in Ruhe lassen müssen, dann wäre nichts passiert, aber jetzt war es zu spät. „Stupor“, rief sie, doch auch Scorpius blockte ab. „Rose, es tut mir leid. Ich wollte dich mit meinen Worten nicht verletzten“, versuchte er auf sie einzureden, doch sie schoss einen weiteren Schockzauber ab. Sie wollte nichts mehr von ihm hören. Es würde ihre Meinung sowieso nicht ändern. Rose kramte in ihrem Kopf nach einem guten Zauber, der stark genug war, um das Schutzschild zu durchbrechen und Scorpius zu verletzten. „Expelliarmus“, versuchte es Scorpius ein weiteres Mal, doch wieder war sie schneller. Aber sein erneuter Versuch sie zu entwaffnen, machte sie noch rasender vor Wut. Es blieben eigentlich nur zwei Flüche, die für sie jetzt in Frage kamen. „Crucio“, brüllte Rose und der Schutzschildzauber konnte dem nicht entgegenstehen und zerbarst. Scorpius krümmte sich unter Schmerzen auf dem Boden und Rose fühlte Genugtuung. „Rose“, brach Scorpius hervor und versuchte sich gegen den Fluch zu wehren. Sie lächelte und fühlte sich richtig gut. „Na, wie gefällt dir das jetzt? Verträgst du soviel Liebe von mir? Oder sollte ich eher Hass sagen?“ Sie musste plötzlich lachen. Wann hatte sie sich das letzte Mal so gut gefühlt? Scorpius wand sich vor ihr auf dem Boden. „Rose, was tust du da?“, schrie Alice und kam herangestürmt. „Expelliarmus!“ Dieses Mal war Rose nicht darauf vorbereitet und sie verlor ihren Zauberstab. Wie sehr sie doch Alice dafür hasste, dass sie sich immer wieder einmischen musste. Sobald sie ihren Zauberstab wieder hatte, würde sie dem ein Ende bereiten. ~~~ Alice konnte es kaum fassen. Rose hatte einen Unverzeihlichen Fluch angewendet. Scorpius lag noch am Boden, krümmte sich aber nicht mehr, sondern keuchte nur noch. Louis war neben ihr und sah ebenfalls schockiert aus. Sie waren gerade losgezogen, um Rose zu suchen und nun fanden sie sich in der Szene wieder, wie Annie sie stets beschrieben hatte. Rose und Scorpius im Duell miteinander in der großen Halle. Es brannte nur noch nicht und Alice hoffte, dass sie das auch verhindern konnten. Aber erst galt es Rose als Gefahrenfaktor auszuschalten, um auch wirklich sicher zu gehen. Rose murmelte irgendetwas und ihr Zauberstab flog zurück in ihre Hand. Alice hatte vergessen, wie hervorragend Rose ungesagte Zauber beherrschte. Ein einfacher Aufrufzauber und sie hatte ihren Zauberstab wieder. „Stupor“, kam von Lysander, der ebenfalls mitgekommen war und noch geistesgegenwärtig genug war, um Rose anzugreifen. Aber Rose war einfach zu gut. Im Duellierklub der Schule war sie ungeschlagen, weil sie immer extrem schnell reagierte und sofort konterte. Auch hier wehrte sie den Zauber einfach ab. „Zu dritt müssten wir sie außer Gefecht setzen können“, flüsterte Lysander. Louis und Alice nickten und machten sich bereit. Scorpius war inzwischen wieder auf die Beine gekommen. „Ihr wollt mich also wieder einmal abhalten davon das zu tun, was ich tun will“, fauchte Rose. Alice war entsetzt darüber, wie Rose aussah. Ihr Gesicht war zu einer wütenden Grimasse verzogen und sah so gar nicht wie ihre beste Freundin aus. Rose musste völlig unter Manipulation stehen und sich gar nicht mehr bewusst sein, was sie tat. „Dann auf drei“, murmelte Louis, doch schon sank er bewusstlos zu Boden, da Rose ihn mit einem ungesagten Schockzauber attackiert hatte. Sie waren zu unaufmerksam gewesen. Lysander wehrte den nächsten roten Strahl ab und Alice versuchte Rose zu schocken, doch ihr Zauber ging ins Leere. Scorpius versuchte Rose zu entwaffnen, doch auch er wurde abgewehrt. Lysander nutzte einen kurzen Augenblick, um Louis mit einem „Enervate“ zurückzuholen, während Scorpius und Alice im stummen Einklang versuchten Rose abwechselnd zu schocken oder zu entwaffnen, doch sie duellierte sich zu gut, als das sie eine Chance hatten eine Lücke in ihrer Verteidigung zu finden. Alice war verzweifelt. Es musste doch eine Lösung geben, um Rose zu stoppen. Sie wollte ihre Freundin nicht verletzten. Doch es kam nur schlimmer. Vom Lärm angelockt kam eine Gruppe Slytherins in den Raum. Angeführt von niemand anderem als Albus. Und der sah nur Rose in Bedrängnis und zog den Zauberstab, um ihr zur Hilfe zu eilen. Plötzlich hatte es Alice mit Albus zu tun und Scorpius duellierte sich gegen Liam Pucey. Wie sollte sie das nur unter Kontrolle bringen und stoppen? Alice bekam es mit der Angst zu tun. Was war, wenn es sich nicht mehr verhindern ließ? ~~~ Louis wusste, dass er sich etwas vorgemacht hatte. Er hatte es nicht glauben wollen, dass es einen Puppenspieler geben sollte, doch alles an Rose sprach das Gegenteil aus. Sie war völlig von Sinnen und hatte einen Unverzeihlichen Fluch angewandt. Das war nicht mehr die Rose, die er kannte, sondern eine manipulierte Version von ihr. Und das machte ihm Angst. Was, wenn nicht nur die Theorie mit dem Puppenspieler stimmte, sondern auch die Theorie, dass sie alle manipuliert waren? Würde er dann gleich sein wie Rose und seine Freunde angreifen? Konnte er irgendetwas dagegen unternehmen? Er wollte nicht so enden wie Rose. Louis musste einen klaren Kopf bewahren und einen starken Willen haben, dann konnte ihm wohl möglich nichts passieren. Und er musste sich darauf konzentrieren Rose außer Gefecht zu setzen, denn Scorpius ganzer Kampfstil sagte aus, dass er nicht mit Rose kämpfen wollte, was hoffentlich hieß, dass er nicht auf die Manipulation ansprach. Rose dagegen kämpfte mit so einer Wildheit gegen sie, dass er sich fragte, was Rose so schwach werden ließ, dass jemand anders sie so einfach kontrollieren konnte. Louis fragte sich, ob er vielleicht hätte mit Rose reden sollen und sie nach ihren Problemen hätte fragen sollen. Dann hätte er vielleicht herausgefunden, was mit ihr los wäre, doch das war nur ein bedauerndes Nachdenken darüber, wie es hätte laufen können. Jetzt ging es darum zu verhindern, dass es endgültig eskalierte. Er hatte nie gedacht, dass er einmal kämpfen musste. Er war nie im Duellierklub gewesen, da er ähnlich wie Lysander das sinnlose Duellieren verabscheute und nun standen sie Seite an Seite mit ihren Zauberstäben und warfen all ihre Ideale über Bord. Es ging nur noch um das blanke Überleben, denn Rose war als Gegner gefährlich und sie bekam auf einmal Unterstützung von den Slytherins und es brauchte nur ein Blick in deren Gesichter um Gewissenheit zu haben, dass auch Lysanders zweite Theorie stimmte. Es waren nicht nur Rose und Scorpius von der Manipulation betroffen, womit seine größte Angst wahr geworden war. Jeder konnte sein Gegner sein. Es war möglich, dass noch mehr Leute kommen würden, aber selbst bei der jetzigen Anzahl war ihm klar, wie gering ihre Chance war, es aufzuhalten oder gar zu verhindern, denn jeder der Anwesenden konnte für das Feuer verantwortlich sein und wer wusste, ob das Feuer alles sein würde, was geschehen würde. Die Flintbrüder kamen auf Lysander und ihn zu und Louis wusste, dass es nur noch ums Überleben ging und er nichts mehr aufhalten konnte. Das grausame Schicksal hatte zugeschlagen. ~~~ Albus hatte den Lärm in der großen Halle gehört und war mit seinen neuen Slytherinkumpanen gekommen, um zu sehen was los war. Dann sah er wie Rose sich gegen Scorpius und Alice zur Wehr setzte und konnte nicht anders als ihr helfen, denn egal was sie geschehen war, gab es keinen Grund für ihn nicht Rose zu helfen. Vor allem gegen Scorpius würde er sie nicht im Stich lassen. „Überlass mir den Malfoy“, bat Liam ihn. „Du hast ihn eben schon fertig gemacht.“ Albus nickte. Er konnte auch Alice stoppen, auch wenn ihm Scorpius als Gegner lieber gewesen wäre, denn er konnte nicht genug davon bekommen ihm wehzutun und ihn leiden zu lassen. Doch er wollte seine neue Freundschaft nicht strapazieren und attackierte Alice, die von Louis beschützt wurde, doch Ryan drängte sich an ihm vorbei und nahm es mit Louis auf, während Adrian sich mit Lysander duelliert. Keiner fragte nach dem Grund für das Duell. Keiner wollte eine friedliche Lösung suchen. Alle wollten nur kämpfen. „Albus hör mir doch zu“, versuchte Alice mit ihm zwischen zwei Zauber zu reden. „Mir ist egal, was du zu sagen hast“, erwiderte er. „Jeder, der etwas gegen Rose hat, bekommt es mit mir zu tun!“ „Aber es wird etwas Schreckliches passieren, wenn wir das nicht jetzt stoppen“, meinte Alice verzweifelt und sah ihn flehend an. Doch für ihn gab es keinen Grund aufzuhören. Albus fühlte sich auf einmal mächtig und unbesiegbar. Er hatte das Mädchen, das er liebte, hatte seinen Rivalen ausgeschaltet und eine Gruppe von Leuten um sich geschart, die ihm einfach folgten. Er war sich noch nie so stark und überlegen vorgekommen. Immer hatte er hinter seinem Bruder zurückstecken müssen und nun war seine Zeit gekommen. Jetzt war er am Zug und niemand würde ihn aufhalten. „Albus“, bat Alice ihn noch einmal um Einhalt und er nutzte diese Chance, um sie zu schocken und sie wurde ein Stück weitergeschleudert durch die Halle, wo sie bewusstlos zusammensank. Ihm tat es kein bisschen Leid sie verletzt zu haben. Im Gegenteil er war froh sie aus dem Weg geräumt zu haben, denn jetzt konnte er sich Scorpius widmen, der sich versuchte gegen Liam und Rose zur Wehr zu setzen und bis jetzt noch stand. Doch bevor er sich dazugesellen konnte, stand James vor ihm, der wie viele weitere Schüler inzwischen in die Halle gelaufen war. „Geh beiseite, James“, drohte Albus ihm mit dem Zauberstab. James zog seinerseits seinen Zauberstab. „Ich habe keine Ahnung, was mit dir los ist, aber du musst dich wieder einkriegen.“ Albus wartete nicht weiter ab, sondern schickte ein Schockzauber Richtung seines Bruders. Nicht einmal sein Bruder würde ihn noch stoppen können. ~~~ James war im Gemeinschaftsraum gewesen, als Hugo panisch hereingestürmt kam. Er war auf dem Rückweg zum Gryffindorturm gewesen, als er gehörte hatte, wie in der Halle gekämpft wurde und sofort hergekommen, um sie zu warnen. Im Gemeinschaftsraum war augenblicklich Panik ausgebrochen. Die jüngeren Schüler hatten angefangen zu weinen und die Älteren waren völlig schockiert. Da Hugo nicht wusste, wer kämpfte, war James losgestürmt, um sich das selber anzusehen, während er Lucy zu den Lehrern geschickt hatte. Dass er nun ausgerechnet seinem Bruder gegenüber stand, der wie einige der Slytherins völlig verrückt geworden zu sein schien, traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Er liebte es zwar Albus aufzuziehen, doch er wollte nicht gegen ihn kämpfen. Aber als der ältere Bruder musste er Albus wieder zu klarem Verstand verhelfen. Die Situation in der Halle war längst eskaliert und James hatte nicht den blassesten Schimmer, was hier vor sich ging und was los war. „Albus“, versuchte er es auf die ruhige, friedliche Art, doch sein Bruder reagierte nicht. James sah keine andere Möglichkeit als sein Bruder auszuknocken, damit er untersucht werden konnte und wieder normal wurde. Aber Albus bekam Hilfe von Jane Flint, die sich dazwischen stellte. James war verwirrt. Seit wann waren die zwei denn so gut befreundet? Er hatte aber keine Zeit nachzudenken, denn er wurde nun bedrängt. Doch auch für ihn kam Hilfe durch Molly, die ihm gefolgt war. „Was ist mit denen los?“, fragte sie ihn. „Warum duellieren sich alle?“ Er zuckte nur mit den Schultern und wehrte einen Schockzauber ab. Molly fragte nicht weiter, sondern hielt ihm den Rücken frei, wofür er ihr dankbar war. Er hätte fast befürchtet, dass sie ebenfalls wütend auf ihn war, aber sie hatte es lockerer genommen als Fred. Später musste er sich noch einmal richtig bei ihr entschuldigen, denn er war echt froh sie als Freundin zu haben. Dann bemerkte James einen grünen Lichtblitz. Er versuchte in die Richtung zu sehen, doch Albus hielt ihn davon ab und in ihm machte sich Angst breit. Hoffentlich war es nicht die Sorte grüner Lichtblitz, der Leben auslöschte. Hoffentlich hatte er sich nur verguckt und es waren nur grüne Funken gewesen. Das hier war eindeutig völlig außer Kontrolle und er wusste nicht einmal, was das war. Er hatte keine Zeit, um sich in der Halle umzusehen, aber er nahm das Chaos wahr, das entstanden war. Es gab viele kleine Duelle zwischen den Schülern und es hatte sich Schaulustige dazu gesellt, als sie gemerkt hatten, dass es nichts weiter zu sein schien, als Duelle zwischen den Häusern, doch James war sich sicher, dass es nicht so ungefährlich war. Wenn er erst Albus ausgeknockt hätte, könnte er sich um die Sicherheit der anderen kümmern. ~~~ Lily war ebenso alarmiert worden wie die anderen durch Hugos Warnung und war neugierig mit nach unten in die Halle gekommen. Sie hatte keine Sekunde an Todesser oder so etwas gedacht. Hogwarts wurde nicht angegriffen und sie hatte Recht, auch wenn absolutes Chaos in der großen Halle herrschte. Sie war oben an der Treppe stehen geblieben und konnte wie einige andere Schaulustige sehen, dass mehrere Duelle dort ausgetragen wurden. Lily konnte sehen wie Rose und Scorpius sich gegenüber standen, was sie gar nicht so überraschte. Die zwei gingen ständig aufeinander los. Ein Stück weiter duellierten sich Louis und Lysander mit den Flintbrüdern. Sie sah, dass Alice bewusstlos am Rand lag. Sie war gegen eine der Bänke geknallt und davor liegen geblieben. Lily sah Blut auf der Stirn der Longbottom. Fred kam zu ihr und sah im gleichen Augenblick wie sie, wie ihre beiden Brüder sich duellierten. Molly war von Jane und Liam in die Knie gezwungen worden und wurde im selben Augenblick geschockt, was sie bewusstlos zu Boden sinken ließ. „Oh mein Gott“, murmelte Lily fassungslos. Doch irgendwie war sie fasziniert und sie wollte sich ebenfalls einmischen. Sie sah wie Hugo an ihr vorbeistürmte, um James zur Hilfe zu eilen, der sich nun gegen drei zur Wehr setzen musste. Und plötzlich wollte Lily auch mitmischen. Sie ignorierte Fred, der versuchte sie abzuhalten und rannte herunter. Ihren Zauberstab hatte sie schon in der Hand. Sie wollte James und Hugo eine Lektion erteilen, also war ihr klar, dass sie Albus zur Hilfe eilen sollte und dessen Seite einnehmen musste. Was für eine Seite das war, war ihr letztendlich egal. Hauptsache es war nicht die Seite von James und Hugo. Sie merkte, dass ihr Fred folgte und auch andere sich von der Treppe lösten. Irgendeine Veränderung durchlief diese Leute und auch sie spürte etwas, das sie durchlief. Sie wollte kämpfen und sie wollte verletzten. Jeden verletzten, der sie verletzt hatte. Es war wie ein Rausch, der sie auf einmal überfiel, aber sie stellte es nicht in Frage, woher es kam, denn es fühlte sich gut an. Sie fühlte sich mutig und kraftvoll, so als könnte sie es mit der Welt aufnehmen. „Lily, geh sofort zurück“, rief James ihr zu, doch sie hörte nicht auf ihn. Hugo versuchte sie beiseite zuziehen, aber sie schüttelte ihn ab. „Stupor“, murmelte sie und James zog im letzten Augenblick einen Schutzschild vor sich und Hugo. „Lily, bist du jetzt auch verrückt worden?!“ Fred trat an ihre Seite und sie überging die Worte ihres Bruders. Sollte sich doch zeigen, ob ihr Bruder so stark wie ihr Vater war. Ob er es auch noch mit fünf Gegner fertig wurde oder war das zuviel für den großen James Potter? Lily frohlockte innerlich bei der Vorstellung ihren Bruder zu Boden gehen zu sehen. ~~~ Dominique war noch auf der Toilette gewesen war, um ihr Make-up zu erneuern, das nach ihrem peinlichen Zusammenbruch in der Bibliothek völlig zerlaufen war. Sie hatte sich gerade fertig geschminkt, als sie Schritte auf dem Flur hörte. Um diese Uhrzeit lief normalerweise niemand mehr herum, also musste etwas passiert sein. Als sie aus der Toilette kam, stieß sie mit dem Hausmeister zusammen. „Entschuldigung“, kam von ihr sofort, doch er würdigte sie keines Blickes und lief an ihr vorbei. Dominique empfand ihn als recht unhöflich und war froh nicht ihn angemacht zu haben, da er bestimmt keine freundlichen Worte für sie übrig gehabt hätte. Trotzdem wurde sie neugierig, wo er hin wollte, obwohl sie hätte zurückgehen müssen. Schließlich war es schon Nachtruhenzeit und eigentlich sollte es sie nicht wundern, dass der Hausmeister die Gänge patrouillierte, aber dann hätte er sie schon zurecht weisen müssen, was er nicht getan hatte und außerdem war er viel zu schnell und zielgerichtet unterwegs, als das es nur eine einfache Patrouille sein konnte. Also lief Dominique hinterher und hörte plötzlich die Geräusche eines Kampfes. Und dann stieg ihr der Geruch von Feuer in die Nase. Oh mein Gott. Es brannte in Hogwarts. Dominique beschleunigte ihre Schritte und lief auf den Geruch zu. Sie stieg die Treppe herunter und sah ein Trümmerfeld vor sich. Die große Halle war völlig zerstört und es brannte. Und überall flogen die Funken nur so bei Duellen, von denen sie wegen dem Rauch nicht erkennen konnte, wer da gegen wen kämpfte. Sie stolperte ein paar Schritte vor. Sie war sich unsicher, was sie tun sollte. Niemand schien sich um das Feuer zu kümmern. Dagegen musste sie etwas unternehmen. Doch dann sah sie die Körper, die in der Halle verstreut herumlagen. Sie schlug die Hand vor den Mund vor Entsetzen. Waren etwa hier Menschen gestorben? Dann tauchten aus dem Nebel plötzlich Lorcan auf, der einen Zauber auf sie abschoss, doch ihr Bruder tauchte im gleichen Augenblick auf und wehrte Lorcan ab. Dominique sah die blutenden Wunden von Louis. „Oh mein Gott. Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie ihn. Louis sah sie kurz an. „Du musst raus hier. Aus irgendeinem Grund scheinen die Lehrer nicht zu kommen. Du musst sie finden und herholen.“ Dominique nickte schwach und rannte los. Gut, dass ihr Louis gesagt hatte, was zu tun war, denn sie war völlig überfordert von der Situation und wusste nicht mehr was zu tun war. Ob den Lehrern wohl etwas zugestoßen war? Sie beeilte sich lieber. Das da in der Halle sah verdammt schlecht aus. Dominique rannte den Flur herunter. Sie mussten zu den Büros der Lehrer oder in das Lehrerzimmer, aber von dem wusste sie nicht, wo es lag. Am besten zum Büro von Professorin McGonagall, doch das lag im siebten Stock und sie konnte im Schloss nicht apparieren, um schneller dorthin zu gelangen. Also rannte sie die Treppen hoch und spürte wie ihr Körper bebte. Dort unten hatte es Tote gegeben und es wurde gekämpft. Ihr Bruder war noch da unten und er war verletzt. Sie musste etwas tun. So schnell sie konnte stürmte sie in den siebten Stock und rannte den Korridor zum Zugang zum Schulleiterbüro herunter. „Es ist ein Notfall“, schrie sie den Wasserspeier an bevor er sie nach dem dummen Passwort fragen konnte. Ihre Stimme überschlug sich dabei, aber es erzielte die nötige Wirkung. Der Wasserspeier gab sofort die Treppe frei. Ohne Anzuklopfen stürmte sie in das Büro hinein und fand alle Lehrer bewusstlos vor. Auch Lucy, Mollys kleine Schwester lag dort. Dominique musste tief durchatmen und in ihrem Gedächtnis kramen, um sich an den Gegenzauber zum Schockzauber zu erinnern. Dann sank sie als Erstes neben Lucy zu Boden. „Enervate“, flüsterte sie und wartete bis Lucy die Augen verwirrt aufschlug. „Hast du denjenigen gesehen, der dich geschockt hat?“, fragte Dominique sie sofort. Lucy schüttelte stumm den Kopf und Dominique beeilte sich lieber die Lehrer aufzuwecken. Nach und nach waren alle wieder bei Bewusstsein, aber keiner konnte sich an einen Angreifer erinnern. „Was ist los?“, fragte sie Professor Longbottom. „Da unten tobt ein Kampf und die große Halle steht in Flammen. Wir müssen sofort dahin!“ Sie sah in den Gesichtern der Professoren, dass sie alle das Gleiche dachten. Todesser, die gekommen waren, um ihren dunklen Lord zu rächen. Es war auch Dominiques erster Gedanke gewesen, aber irgendetwas war ihr komisch vorgekommen. Aber sie hatte jetzt keine Zeit darüber zu reden. Die Professoren machten sich auf den Weg, waren aber nicht schnell genug. Dominique überholte sie, denn jetzt war sie endgültig voller Angst. Jemand, der alle Lehrer ausschaltete, war mächtig und gefährlich und ihr Bruder war da noch verletzt in der großen Halle. Doch als sie unten ankamen, wusste Dominique, dass sie zu spät dran war. Die große Halle war vollständig von den Flammen bedeckt und das Feuer hatte übergegriffen. „Wir müssen die Schüler evakuieren und das Feuer löschen!“, befahl Professorin McGonagall. Plötzlich sah Dominique einen grünen Lichtstrahl in den Flammen aufblitzen. „Da duelliert sich noch jemand in der Halle“, schrie sie. Und es war gerade jemand gestorben. Dominique flehte alle Mächte an, dass es bitte nicht ihr Bruder gewesen war. ~~~ Rose hatte kein Gefühl für die Zeit, die sie schon gegen Scorpius im Duell verbracht hatte. Inzwischen brannte es um sie herum, doch der Rauch störte sie nicht weiter. Sie kämpfte wieder alleine gegen Scorpius, da James ein so harter Duellant war, dass er es selbst mit fünf Gegnern aufnehmen konnte. Zwar waren seither Jane und Fred verletzt worden und auch James trug einige Wunden davon, aber es machte den Kampf nicht leichter. Sie hatte gesehen, dass es bereits einige Tote gegeben hatte, die zufälligerweise von den grünen Lichtblitzen getroffen worden waren, die die Flintbrüder Lysander und Louis hinterher warfen, die aber bis jetzt am Leben waren. Scorpius war zu ihrem Leidwesen auch ein guter Duellant. Er hatte es auch endlich aufgegeben mit ihr zu reden und sie führten einen stummen Kampf aus. Sie musste ihn endlich drankriegen und mit Schockzaubern kam sie nicht weiter. Also überlegte sie sich etwas anderes, um einen Augenblick der Unaufmerksamkeit zu erzielen. „Expulso“, dachte sie und sah auf den Tisch hinter Scorpius. Im nächsten Augenblick zerberste er in Stücke und die Explosion riss Scorpius von den Füßen. Jetzt hatte Rose endlich ihren Moment. „Crucio“, sagte sie genussvoll und der Malfoy krümmte sich wieder vor Schmerzen. Noch einen Augenblick der Genugtuung bevor sie ihm den Garaus machte. „Ich war wirklich in dich verliebt“, meinte sie zu ihm und bückte sich zu ihm herunter. „Aber diese Liebe ist pures Gift für mich, aber da ich dich nicht vergessen kann, muss ich dich wohl auslöschen, damit du mir nie wieder im Weg stehst und dich über meine Gefühle lustig machst.“ Scorpius keuchte. „Ich liebe dich wirklich Rose.“ Rose fuhr wütend hoch. „Ist dir dein Leben so wichtig, dass du mich belügst nur um nicht sterben zu müssen? Das ist widerwärtig und du erreichst nur das Gegenteil von dem, was du wolltest, denn ich hasse dich so sehr und ich glaube dir kein Wort. Also verabschiede dich von deinem Leben!“ Rose zielte mit ihrem Zauberstab auf Scorpius, der dort auf dem Boden vor ihr lag. Sicher hätte er nie gedacht, dass sie sich einmal so wehren würde und es so enden würde. Die Zeit der Ohrfeigen und des feigen Wegrennens waren vorbei. Ihre Gefühle für Scorpius würden jetzt mit ihm sterben und dann war sie frei davon. „Du hast wirklich deinen Kopf in Frankreich vergessen, denn sonst würdest du das hier nicht tun, Rose“, mischte sich plötzlich Hugo ein. Er grinste sie blöd an und lachte. „Komm wir geben die Vermisstenanzeige für deinen Kopf auf und dann wirst du wieder völlig normal.“ Der Todesfluch hatte ihre Lippen verlassen bevor sie weiter darüber nachgedacht hatte. Der grüne Lichtblitz traf ihren Bruder und sein Lachen erstarb im selben Augenblick. Hugo sackte leblos zusammen und fiel auf Scorpius. Rose hatte ihren Bruder getötet. Irgendwo tief in ihrem Kopf dämmerte es Rose, dass sie ein fürchterliches Verbrechen begangen hatte. Doch es drang nicht bis zu ihr durch. Plötzlich war neben ihr Nathan und schüttelte sie. „Rose, wir müssen hier weg.“ Das ergab für sie Sinn. Sie konnte nicht hier bleiben. Nicht nachdem was sie getan hatte. Sie konnte nie wieder hierher zurück und auch nicht nachhause. Nathan zog sie mit sich und sie sah, dass auch die Slytherins mit Lily und Fred sich versammelt hatten. Erst jetzt bemerkte sie, dass die ganze Halle in Flammen stand und es keinen Ausgang mehr für sie gab. Doch Nathan wischte das Feuer mit seinem Zauberstab beiseite und öffnete eine Schneise im Feuer durch die sie nach draußen gelangen konnte. Alle folgten Nathan ohne Wenn und Aber. Draußen sah Rose, dass auch weitere Räume von Hogwarts brannten und das Schloss lichterloh in Flammen stand. Plötzlich war Albus neben ihr und ergriff ihre Hand. „Es wird alles wieder gut werden.“ Rose nickte. Sie mussten nur hier weg und dann würde alles schon besser werden. Und irgendwann würde sie erledigen, was sie hätte tun wollen und zwar Scorpius töten. Danach wäre sie zufrieden. Sie fühlte sich immer noch berauscht von diesem Gefühl einen Menschen getötet zu haben. Auch wenn es ihr Bruder gewesen war, hatte es sich irgendwie atemberaubend angefühlt. Rose fragte sich, ob dieses Gefühl beim zweiten Mal genauso wäre. Darüber musste sie lachen, weil sie schon wusste, dass sie es kaum abwarten konnte bis sie das nächste Mal töten würde, denn es kam ihr vor, als wäre sie dafür geboren wurden. Als sie hochblickte in die Gesichter der anderen sah sie genau die gleichen hungrigen Blicke nach mehr. Die verzehrten fröhlichen Gesichter, als wären sie gerade auf einem Fest gewesen und hätte ein Festmahl präsentiert bekommen. Die ausgelassene Stimmung unter ihnen, die sich auf einmal ausbreitete, als wäre der Brand ihr Lagerfeuer, um das sie tanzen würden. Alle fingen an zu kichern und zu lachen, während sie die Wiesen herunter rannten und sich völlig im Rausch des Triumphes und des Blutes verloren. Und Rose bedauerte es keine Sekunde mehr Hogwarts hinter sich zulassen. Hier war sie nicht mehr zuhause. Auf sie wartete eine neue Zukunft, die blutrot sein würde. ~~~ Scorpius war unfähig sich zu rühren, doch er musste. Er zwang seinen Körper ihm wieder zu gehorchen. Er musste Rose hinterher und sie zurückholen. Auch wenn er wusste, wie sinnlos es war. Er rollte Hugos Körper von sich. Er war immer noch fassungslos. Rose hatte ihn töten wollen, was er ja noch halbwegs verstand, aber dass sie ihren Bruder getötet hatte ohne mit der Wimper zu zucken, konnte er nicht einmal begreifen. Und nun war sie fort mit diesem verfluchten Hausmeister, der ihm nie ganz koscher vorgekommen war und der nun sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Bestimmt war er derjenige, der Rose zu diesem kaltblütigen Monster gemacht hatte. Scorpius wurde klar, dass er Rose nicht mehr folgen konnte. Die Schneise im Feuer war längst wieder verschwunden und bestimmt waren sie schon längst weg. Er musste Hugos Leiche bergen und sie der Familie bringen. Soviel war er ihnen schuldig nachdem er Rose hatte entkommen lassen. Der Rauch machte es ihm schwer zu atmen, doch er spürte keine Schmerzen. Er war völlig paralysiert von den Ereignissen. Scorpius hob den Körper von Hugo empor und sah, dass neben ihm noch Lorcans Bruder Lysander und Louis der beste Freund von Rose in den Flammen eingeschlossen war. Louis trug Alice, die bewusstlos war und auch Lysander hatte jemand in den Armen. Er beeilte sich zu ihnen herüber zu kommen, denn gemeinsam konnten sie sicher einen Durchgang durch die Flammen schaffen. Müde sahen die beide ihn an. Scorpius erkannte Fynn, seinen neuen Jäger, den Lysander trug. Das bleiche Gesicht sagte ihm, dass der Junge auch tot war. „Dahinten liegen noch weitere Leichen“, bemerkte Lysander ruhig. „Lass uns sie auch mitnehmen“, erwiderte Louis. Keiner von ihnen kümmerte sich um die Flammen. Sie waren alle völlig geschafft. Lysander ging zurück und benutzte „Locomotor“, um die Leichen vor sich her zu bewegen, während Louis und Scorpius einen Durchgang erschafften. Gemeinsam gingen sie wie gelähmt hindurch und kamen nach draußen, wo die ganze Schülerschaft versammelt war. Scorpius konnte sehen, wie die Lehrer versuchten das Feuer zu löschen, doch es schien nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen zu sein. Hogwarts brannte lichterloh. Einige der Schüler kamen nun auf sie zugestürmt, als man sie erkannt hatte. Scorpius erkannte Lucy und erinnerte sich daran sie mit Hugo zusammen im Gang küssend gesehen zu haben. Als sie näher kam und Hugo auf seinen Armen erkannte, fing sie an zu schreien. Und auch in Scorpius wollte alles nur schreien. Es war alles seine Schuld. Er hatte Rose verloren und auch Albus. Alles was ihm wichtiger war, war fort. Fort und es war seine Schuld. Dann kamen die Tränen und er konnte nicht aufhören zu schluchzen. ~~~ Er genoss den Anblick des brennenden Hogwarts. Genau so hatte er es sich vorgestellt. Das war genau so, wie er es geplant hatte. Es war so einfach gewesen, aber er konnte sich sicher sein, dass seine erste Vorstellung Eindruck gemacht hatte und alle verzückt hatte. Zumindest schockiert und verblüfft hatte er sie. Er hörte die verzweifelten Schreie, was Musik in seinen Ohren war. Diese Panik und diese Klagen beflügelten ihn. Er konnte nicht genug davon aufsaugen. Sich nicht daran satt hören, aber es war ja noch nicht vorbei. Der Geruch von Blut lag in der Luft und er wusste, dass seine erste Vorstellung Opfer gefordert hatte. Seine schwarzen Schachfiguren waren ganz ihrem Blutdurst verfallen und hatten auf dem Spielfeld wie wild gewütet. Jetzt waren die ersten Schachfiguren gefallen und es konnte richtig losgehen. Die schwarzen Figuren waren ganz der Manipulation verfallen. Bei den weißen Figuren reichte es, sie leicht zu manipulieren, da sie die Angst und der Schrecken genug lähmen würde und sie würden auch ohne seine Hilfe ihre Freunde suchen, womit sie gleich wieder in seine nächste Falle laufen würden, solange bis keiner mehr übrig blieb außer ihm selbst. Er freute sich schon auf die kommende Schlacht und würde jeden Augenblick davon genießen. Wie er schon frohlockte bei dem Gedanken, was noch kommen würde. Es würde eine atemberaubende Show werden und es würde noch mehr Blut fließen. Doch nichts davon würde ihn zufrieden stellen, denn er wollte nur Harry Potter als den weißen König fallen sehen und nicht einmal das würde ihm reichen. Es durstete ihn nach noch mehr Blut. Alle Zauberer sollten leiden bevor er seine Rache in Gänze ausgekostet hatte und dann würde er mit einem großen Knall von der Bühne verschwinden, doch bis dahin würde er das Schicksal sein, dass über sie hereinbrach und ihnen alles nahm, was ihnen wichtig war und die Kinder waren dafür die perfekten Schachfiguren. Das wichtigste und kostbarste Gut im Leben von Eltern und er spielte damit nach Lust und Laune. Wie sehr er es doch liebte. Wie sehr würde er es auskosten, wenn die verzweifelten Eltern kommen würden und ihre Kinder versuchen würden zu retten. Wie erbarmungslos sie daran scheitern würden. Er könnte es kaum abwarten, aber für heute fiel der Vorhang und der Schlussapplaus verhallte. Bis zu seiner nächsten blutigen Vorstellung. Kapitel 10: Fate breaks loose ----------------------------- Harry Potter erwachte mit einer schmerzenden Narbe aus einem Alptraum. Er keuchte und versuchte den Bildern zu entkommen, die ihn gerade noch gequält hatten, aber sie ließen ihn nicht los. Hogwarts brannte immer noch vor seinen Augen und er hörte immer noch die Schreie seiner Kinder, die am lebendigen Leib verbrannten. Ginny wurde wach und sah ihn schlaftrunken an. Doch er konnte sie kaum klar erkennen. Er wusste, dass etwas Schreckliches passiert war. Das war nicht nur ein Traum gewesen, sondern eine Vorahnung. „Harry, was ist los?“, murmelte seine Frau. Er musste nach Hogwarts. Jetzt sofort und kontrollieren, dass es nur ein Traum gewesen war. Harry griff nach seiner Kleidung und zog sich an. Ginny hatte sich nun aufgerafft und sah ihn mit Schrecken an. „Harry, was ist mit dir?“ Sie kam auf ihn zu und zwang ihn innezuhalten und sie anzusehen. „Hogwarts brennt. Ich muss sofort dahin apparieren und nach unseren Kindern sehen.“ Ginny strich ihm über das Haar. „Pscht. Es war alles nur ein Traum. Unseren Kindern ist nichts passiert.“ Harry schüttelte den Kopf. „Ich muss nach Hogsmeade apparieren. Nur kurz nachsehen. Dann komm ich wieder zurück.“ Ginny seufzte. „Dann komm ich mit. Aber du wirst sehen es wird alles in Ordnung sein.“ Sie griff ebenfalls nach ihrer Kleidung und zog sich rasch an. Dann ergriff sie seine Hand und sah ihn liebevoll an bevor um sie herum die Welt verschwamm und sie in Hogsmeade ankamen. Harry merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Und dann sahen sie aus weiter Entfernung das brennende Hogwarts. Ginny schlug die Hand vor den Mund um ihren Schrei zu unterdrücken und sie begannen augenblicklich loszulaufen. Wieder einmal verfluchte Harry das Apparierverbot auf dem Gelände von Hogwarts. Er musste sofort zu seinen Kindern. Ginny und er sprachen kein Wort, sondern rannten nur vereint in stiller Sorge um ihre Kinder durch die Nacht. Wenn er wenigstens seinen Besen mitgenommen hätte, dann wären sie jetzt schneller dort. Und dann hörten sie die Schreie und die Klagen. Oh mein Gott. Endlich tauchte Hogwarts in voller Größe vor ihnen auf und er konnte sehen wie alle darum bemüht waren das Feuer zu löschen, doch es schien unaufhaltsam um sich zu greifen. Davor waren die Schüler in kleinen Gruppen versammelt. Viele weinten und klammerten sich aneinander, doch er konnte weder James noch Albus noch Lily zwischen ihnen erkennen, während seine Schritte ihn vorwärts trugen. Ginny hatte angefangen zu rufen, doch keine Antwort ertönte. Plötzlich kam Neville auf ihn zu und hielt ihn an. „Was ist passiert? Hast du meine Kinder gesehen?“ „Wir wissen es noch nicht genau. Es gab Duelle in der Halle, aber im Augenblick versuchen wir das Feuer zu löschen und sind noch nicht dazu gekommen die Kinder zu befragen. Uns hatte man im Schulleiterbüro angegriffen und außer Gefecht gesetzt.“ „Oh mein Gott“, murmelte Ginny fassungslos. Harry merkte, dass ihr Blick abseits auf eine kleine Gruppe an Leute gefallen war. Er sah James bei ihnen und dann erkannte er die Szene wieder. Genauso hatte es ausgesehen bei der großen Schlacht als die Weasleys um Freds Leichnam versammelt gestanden hatte. Harry stürmte auf seinen Sohn zu und erkannte, dass dort Hugo lag. Zum Glück war es nicht Lily oder Albus, aber auch wenn ihn dieser Gedanke erleichterte, traf ihn der volle Schmerz im nächsten Augenblick. Rons Sohn war tot und es gab noch weitere Tote, wie er sehen konnte. Kinder, die getötet worden waren. Er umarmte seinen Sohn. „Dad“, flüsterte James. „Albus und Lily sind fort.“ ~~~ Molly hielt ihre Schwester im Arm, die schrie und heulte. Sie selbst war völlig fassungslos. James hatte sie aus den Flammen gerettet, als die Kämpfe noch gelaufen waren und da war Hugo noch quicklebendig gewesen. Und nun war er tot und Lucys Welt war zusammengebrochen. Genau wie ihre eigene, denn so etwas sollte nicht passieren, durfte nicht passieren. Hugo tot. Fred, Albus, Rose und Lily fort. Was war nur geschehen? Sie hatte die Gesichter gesehen und wusste, dass mit ihnen etwas nicht gestimmt hatte. Sie hatten es nicht freiwillig gemacht. Jemand anders hatte sie dazu gezwungen, aber alleine diese Vorstellung war beängstigend. Es hätte auch sie treffen können. Molly versuchte ruhig und stark zu bleiben, um für ihre Schwester da zu sein. Inzwischen gingen die Löscharbeiten voran und das Feuer ging zurück, aber von Hogwarts würde nicht viel übrig bleiben als eine große qualmende Ruine. Hierher würden sie nicht zurückkommen. Zumindest nicht in nächster Zeit. Sie sah ihren Onkel Harry und ihre Tante Ginny, die herangestürmt kamen und zu James liefen. Ihre entsetzten Blicke, als sie Hugo erkannten und als James ihn erklärte, dass Albus und Lily fort waren. Ihre Tante brach in Tränen aus, während ihr Onkel rot vor Zorn wurde. Kurz darauf tauchten weitere Eltern auf und irgendwann war plötzlich ihre Mutter neben ihr, die ihr Lucy abnahm, die immer noch weinte. Ihr Vater sah sie besorgt an und Molly erinnerte sich daran, dass sie selbst verletzt war. Doch ihr Vater erledigte das mit einem Schlenker seines Zauberstabs. Sie hatte zum Glück nur oberflächliche Wunden davon getragen, die sich nun schlossen. „Ich bin so glücklich, dass du lebst, Molly“, flüsterte ihr Vater. Erst jetzt kamen Molly selbst die Tränen, denn ihr wurde klar, dass sie es nur James zu verdanken hatte, dass sie überlebt hatte. Und sie war so froh, dass sie noch lebte. Sie wollte noch soviel in ihrem Leben erreichen und das konnte sie jetzt immer noch. „Sie wollen alle von euch die in der Halle waren jetzt sprechen, um zu erfahren, was geschehen ist. Meinst du, dass du das schaffst? Wenn nicht Liebling musst du nicht.“ Molly nickte. Sie wollte selbst begreifen und verstehen, was geschehen war. „Dann komm ich mit dir und deine Mutter bleibt bei deiner Schwester.“ Dankbar ergriff sie den Arm ihres Vaters, der so ruhig blieb und ging mit ihm ein Stück abseits, wo alle aus der Halle mit ihren Eltern versammelt waren. Sie stellte sich neben James, der einen Arm um sie legte und sie umarmte. Molly erwiderte die Umarmung. Sie war so froh ihn hier zu haben und zu leben. ~~~ Scorpius stand mit den anderen zusammen in einem Halbkreis um Harry Potter, der kaum, dass er angekommen war, die Führung übernommen hatte, wodurch das Feuer gelöscht werden konnte. Sein eigener Vater war auch vor wenigen Minuten aufgetaucht und hatte ihn gefragt, was geschehen war, doch Scorpius wollte nicht darüber reden, aber jetzt wusste er, musste er alles erzählen. Harry Potter trat vor und sah alle an. „Ich denke es geht allen wir mir. Wir wollen wissen, was hier geschehen ist und dafür müssen wir von unseren Kindern wissen, was dort in der großen Halle passiert ist und warum einige der Kinder verschwunden sind. Also wer war zuerst in der Halle?“ Scorpius trat unsicher hervor. Er wusste nicht, ob er alles erzählen konnte. Zum Beispiel dass er in Rose Weasley verliebt war, gab er sicher nicht vor allen zu. Besonders nicht vor seinem Vater und Roses Vater, der immer noch schluchzte und zutiefst geschockt war über den Tod seines Sohnes. „Ich war in der Halle, weil ich noch zum Krankenflügel wollte, da ich mit Albus aneinander geraten war. Da kam Rose.“ Wie sollte er das nur erzählen? Die Eltern sahen jetzt schon irritiert aus, da sie auch beim Quidditchspiel am Vortag nicht dabei gewesen waren. James Potter kam ihm zur Hilfe. „Wir müssen gestern anfangen. Beim Quidditchspiel ist die Situation schon eskaliert. Ich selbst habe Fred angegriffen, da wir kurz vorher miteinander gestritten hatten und auch Albus und Scorpius sind im Spiel aneinander geraten. Lily war wütend auf Hugo und Lucy, weil die zwei zusammen waren und sie sich ausgeschlossen fühlte.“ „Und Rose ist später in der Umkleidekabine auf Scorpius losgegangen, wovon ich sie abgehalten habe. Da war sie schon komisch drauf“, unterstützte Alice. „Was heißt komisch drauf?“, hakte Hermine Weasley hinterher. Im Gegensatz zu ihrem Mann war sie völlig ruhig geblieben, wobei Scorpius sich sicher war, dass das nur Fassade war. Sie hatte gerade beide Kinder verloren. Alice schluckte. „Ich dachte sie würde einen Unverzeihlichen Fluch anwenden.“ Ein Raunen ging durch die Gruppe. „Sie war wütend auf mich und ich habe sie durch eine unbedachte Äußerung weiter gereizt, was dazu führte, dass sie den Zauberstab zog und mich angriff“, versuchte Scorpius wieder an den Ereignissen in der Halle anzuschließen. „Ich hab mich verteidigt und wollte sie entwaffnen, doch…“ Wieder stockte er und Alice kam ihm zu Hilfe. „Ich war mit Lysander und Louis auf der Suche nach Rose gewesen und kam in die Halle. Da war Rose schon nicht mehr sie selbst. Sie folterte Scorpius und ich entwaffnete sie, um sie aufzuhalten.“ Jetzt konnte er hören, wie die Luft eingesaugt wurde. „Sie hat einen Unverzeihlichen gegen dich angewandt?“, tobte sein Vater. „Meine Tochter hat das ganz sicher nicht getan“, warf Hermine Weasley ein. „Ruhe“, ertönte die Stimme von Harry Potter. „Lasst die Kinder zu Ende erzählen.“ Sofort schwiegen alle wieder. „Rose hat sich gegen uns vier duelliert bevor Albus mit seinen Slytherinfreunden dazu kam. Er war blind und taub dafür, was eigentlich geschehen war und hat sich auf Roses Seite geschlagen. Ich bin von ihm geschockt worden und bewusstlos geworden“, machte Alice weiter. „Hugo hatte inzwischen uns alarmiert, da er Geräusche aus der Halle gehört hatte. Ich hatte Lucy zu den Lehrern geschickt und war selbst mit Molly hinuntergelaufen, wo ich die Duelle sah. Mir war sofort klar, dass mit Albus etwas nicht stimmte und ich hab versucht ihn aufzuhalten.“ James sah betreten drein. Er schämte sich wohl dafür, dass er es nicht geschafft hatte seinen Bruder zu stoppen und auch seine Schwester nicht hatte beschützen können. „Aber wir bekamen es mit Jane Flint und Liam Pucey zu tun und ich bin auch ausgeknockt wurden“, erzählte Molly weiter. „Lysander und ich duellierten uns gegen Ryan und Adrian Flint, die plötzlich anfingen Todesflüche abzuschießen und ich sah, dass einige der Schaulustigen, die sich zu weit in die Halle vorgewagt hatten, getroffen wurden“, ergänzte Louis. „Hugo kam mir zu Hilfe, doch Lily und Fred stellten sich ebenfalls auf die Gegenseite und ich kämpfte verbissen, aber konnte kaum dagegen standhalten. Hugo wurde beiseite geschleudert und ich verlor ihn aus den Augen“, fuhr James fort. „Rose hatte mich ein weiteres Mal zu Boden gerungen und den Cruciatusfluch auf mich angewandt, als Hugo mir zur Hilfe kommen wollte. Aber Rose hörte nicht auf ihn und tötete ihn, da er ihr im Weg stand, um mich zu töten. Doch der Hausmeister tauchte auf und nahm Rose mit sich.“ Scorpius konnte es kaum ertragen in die Gesichter um ihn herum zu sehen. Was mussten sie nur von Rose denken, die einfach ihren Bruder tötete? Er wollte sie nicht als Monster sehen. „Die anderen ließen von uns ab und folgten ihm“, setzte Louis an. „Ich nutzte die Zeit und brachte Molly hinaus bevor die Schneise im Feuer sich wieder schloss, doch ich konnte ihnen nicht mehr folgen, da sie einen viel zu großen Vorsprung hatten“, erzählte James. „Ich habe mit Scorpius und Lysander die Toten und die Verletzten geborgen bevor wir aus dem Schloss gekommen sind“, schloss Louis. Alle schwiegen. Es war so schrecklich gewesen und keiner wusste, was eigentlich wirklich geschehen war. Nur war irgendetwas verdammt schief gelaufen und Scorpius wusste, dass er der Auslöser dafür gewesen war. Er war an allem Schuld. Er musste auf jeden Fall Rose und Albus zurückholen. Kostete es, was es wolle. Plötzlich trat Lysander verträumt in die Mitte. „Es gibt da etwas, was ihr wissen solltet“, begann er. „Wir wurden alle manipuliert von einem Puppenspieler, der im Hintergrund alle Fäden zog.“ Sofort wurde durcheinander geredet und alle wollten Näheres wissen. Scorpius war nur wie gelähmt. Rose war manipuliert gewesen. Sie war kein Monster. Es gab noch Hoffnung. ~~~ Louis wusste, dass Lysander es am besten erklären konnte. Es war Zeit, dass alle von der Wahrheit erfuhren. Annie hatte sich an ihn geklammert und weinte, da sie es nicht hatte verhindern können. Sie hatte es vorausgesehen und hatte nichts dagegen tun können. Louis fühlte sich auch völlig hilflos und er wünschte, dass er die Zeit zurückdrehen konnte, um alles zu verändern und es dieses Mal besser zu machen. Annie musste nun auch ihre Fähigkeit offen zugeben, was ihr nicht gefiel, da sie Angst davor hatte, doch sie konnten nicht mehr zurück. Alle mussten wissen, was sie wussten, um den echten Feind zu enttarnen und ihre Freunde zurückzuholen. Lysander erzählte in aller Ruhe von jedem Detail, das sie durch Annies Träume in Erfahrungen gebracht hatten. Er konnte das Erstaunen und das Entsetzen in den Gesichtern sehen. Im Gegensatz zu ihm schluckte sie die Geschichte mit dem Puppenspieler sofort, weil sie dadurch glauben konnten, dass ihre Kinder nicht böse waren. Trotzdem gab es genug Leute, die Lysander widersprachen, da sie es für unmöglich hielten, dass ihre Kinder manipulierbar waren oder das so etwas überhaupt gab. „Mir scheint es eine logische Erklärung zu sein“, meinte Harry Potter. „Keiner von uns würde behaupten, dass unsere Kinder zu so etwas in der Lage wären. Aber trotzdem ist es geschehen. Warum sollte es also nicht unter Beeinflussung geschehen seien?“ Die meisten stimmten widerwillig zu. Auch Louis sah darin die einzige Alternative. Neben ihn trat Adam Wood, der seine Schwester in die Arme zog. „Warum hast du mir nichts erzählt?“, fragte er sie leise. „Ich hatte Angst“, gab sie zurück. Louis sah sie traurig an. Sie tat ihm leid. Viele würden ihr Vorwürfe machen, aber keiner würde sie wirklich verstehen. Nicht einmal er konnte sie verstehen. Sie war ganz alleine damit. Aber jetzt wurde auch Vorwürfe gegen Lysander und ihn laut, da sie niemanden etwas darüber erzählt hatten. „Ihr hättet es verhindern können“, kam aus einer Ecke. „Bevor das hier geschehen wäre, hätten sie diese Geschichte uns geglaubt?“, warf Alice wütend ein. Ein Kopfschütteln und ein Achselzucken waren die Antwort darauf. Louis wollte nur noch weg von hier. Sich zurückziehen und trauern, aber noch würde man sie nicht gehen lassen. „Ist es denn möglich, dass dieser Hausmeister sie manipuliert hat?“, fragte seine Tante Hermine. Daran hatte Louis selbst noch gar nicht gedacht. Es war logisch, denn schließlich waren die anderen ihm willentlich gefolgt und hatte getan, was er gewollt hatte. „Möglich schon“, erwiderte Lysander in seiner ruhigen Stimme. „Aber man darf nicht außer Acht lassen, dass der wahre Puppenspieler uns das möglicherweise glauben lassen will und der Hausmeister nur eine seiner Figuren ist. Diese Möglichkeit besteht auch, denn warum sollte er uns jetzt schon seine Identität enthüllen? Es ist beides möglich.“ Louis erkannte die Zwickmühle, in der sie steckten. Jeder konnte manipuliert sein und es würde schwer sein den wahren Puppenspieler zu enthüllen. ~~~ Alice war wütend gewesen, aber langsam verlor sich ihre Wut und sie fühlte sich, als wäre sie gelähmt und als könnte sie sich nicht mehr bewegen. Der Vorwurf gegen Louis, Lysander und sie hatte sie verletzt. Aber zeitgleich drängte sich ihr die Frage auf, ob sie es hätten verhindern können. Wäre es möglich gewesen, wenn sie noch mehr Leute in diesem Wissen eingeweiht hätten? Wenn sie Rose frühzeitig darüber aufgeklärt hätte, hätte Rose auf sie gehört? Alice bekam das Gefühl, dass es von Anfang an nicht zu verhindern war. Der Puppenspieler hatte dafür gesorgt, dass es wahr wurde und es erschien ihr als wäre das ganze Universum gegen sie gewesen. Als hätte nichts, reinweg gar nichts, diese Katastrophe verhindern können. Alice ließ sich zu Boden sinken. Sie fühlte sich kraftlos und hoffnungslos. Auf einmal waren da die Tränen, die sie die ganze Zeit zurückgehalten hatte. Ihr Vater reagierte sofort und brachte sie fort von den anderen Leuten. „Alice“, versuchte er mit ihr zu reden. Sie schüttelte nur den Kopf und er zog sie in seine Arme, damit sie weinen konnte. „Ich weiß, wie du dich fühlst. Mir ging es nach der großen Schlacht nicht anders.“ Alice wusste, dass ihr Vater sie wirklich verstand, aber sie fühlte sich so schrecklich machtlos gegen dieses grausame Schicksal und sie hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde. Was war, wenn sie Rose nie wieder zurückholen konnte? Wenn sie noch mehr Verbrechen begann und nicht mehr dieselbe war? Es war eine so furchtbare Vorstellung, dass Alice sie nur von sich schieben wollte. Rose hatte Scorpius gefoltert und Hugo getötet. Es war zwar unter Manipulation geschehen, aber es war eine solche Grausamkeit, die einfach unvorstellbar war. Würde Rose daran zerbrechen, wenn sie wieder zu sich kam? Alice wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte alles falsch gemacht. „Dad“, klagte sie. „Was sollen wir nur tun?“ Ihr Vater strich ihr beruhigend über den Rücken. „Wir werden alles tun, was nötig ist und diesen Typen zur Strecke bringen. Mach dir keine Sorgen. Es wird alles wieder gut werden.“ Alice bezweifelte das. Nach diesem Ereignis konnte nie wieder alles gut werden. Die friedliche, ruhige Zeit war mit einem Mal vorbei und es herrschte wieder Krieg. Das war nichts, was man einfach vergessen konnte. Das konnte man nicht einfach ausblenden. Ihr Vater lächelte. „Glaub mir. Ich habe nach der großen Schlacht auch gedacht, dass ich nie wieder glücklich werden konnte, aber ich bin es geworden. Du wirst es noch nicht verstehen können, doch mit der Zeit lernt man damit zu leben. Vergessen kann man es nicht, aber es wird irgendwann nur noch eine schwache Erinnerung sein. Ein halbvergessener Alptraum.“ Alice nickte zögerlich. Ihr Vater hatte wahrscheinlich Recht, aber noch konnte sie nicht glauben, dass jemals die Sonne wieder aufgehen würde und diesen Schatten auf ihrem Herzen auslöschen konnte. Doch jetzt wurde es im Osten heller und die ersten Sonnenstrahlen suchten die Ruine von Hogwarts auf und ließen sie weniger unheimlicher erscheinen. Es war möglich. Nur nicht jetzt. Aber irgendwann würde sie anfangen zu vergessen, was in dieser Nacht geschehen war. ~~~ James war beiseite gegangen, als die Erwachsenen angefangen hatten, zu diskutieren, wie man nun am besten vorging und wie man die anderen schnellstmöglich fand. In ihm nagten aber die Schuldgefühle. Sein Bruder und seine Schwester waren fort. Es war ihm nicht gelungen sie aufzuhalten und nun waren sie der Manipulation völlig verfallen. Und er hatte das Gefühl, das er sie dorthin getrieben hatte. Gerade mit Lily hatte er sich noch gestritten und jetzt war sie nicht mehr hier. Albus hätte er für vernünftiger gehalten, doch er hatte sich geirrt. Wenn Lysander mit alldem was er gesagt hatte, Recht hatte, dann waren die schlechten Gefühle, die jeder von ihnen in sich trug, Schuld an diesen Auseinandersetzungen. Also auch sein Streit mit Fred, der ebenfalls verschwunden war, war entstanden, weil er nicht verstehen wollte, dass sie vielleicht unterschiedliche Vorstellung von der Zukunft gehabt hatten. James merkte, wenn er darüber nachdachte, dass in seinem Kopf einiges plötzlich Sinn ergab und anderes seinen Sinn verlor. Er hatte es immer gewusst, dass Fred anders als er war, aber es nie angesprochen. Es hätte ihn eigentlich nicht gewundert, wenn Fred kein Quidditchspieler geworden wäre und er hätte es in Ordnung gefunden. Aber seine Angst seinen besten Freund zu verlieren und die Wut darüber von ihm im Stich gelassen zu werden, hatten ihn durchdrehen lassen. James seufzte. Bei seinen Geschwistern war es doch nicht anders. Er wollte sie nur beschützen. Albus litt immer darunter in seinem Schatten zu stehen und Lily wollte nicht die Prinzessin sein, die von allen behütet wurde. Wahrscheinlich hätte er Albus häufiger sagen sollen, wie stolz er auf ihn war und er hätte Lily ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen müssen. War sein Verhalten denn so schlecht gewesen? James fühlte sich so verdammt schuldig. Das konnte keiner ändern. Er musste um jeden Preis die drei zurückholen. Sie sollte nicht das gleiche Schicksal wie Hugo ereilen. Aber sein Vater würde ihn bestimmt daran hindern, nach ihnen zu suchen. Schließlich hatte er bereits zwei Kinder an den Puppenspieler verloren, doch James war stärker und er würde sich nicht von seinen Schuldgefühlen fressen lassen. Nein, er würde gehen und alle zurückholen, um den Puppenspieler dann richtig in den Arsch zu treten, denn was sein Vater konnte, konnte er schon längst. Und er wusste schon, wo er anfangen musste. James trat auf Scorpius zu. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er immer skeptisch gewesen, was den Sprössling der Malfoy anging, aber ausgerechnet jetzt erschien er ihm der beste Verbündete zu sein. Er hatte gesehen, dass auch Scorpius von Schuldgefühlen geplagt wurde und was auch immer zwischen ihm, Albus und Rose vorgefallen war, fraß ihn auf. Er würde auch alles tun, um seine Fehler rückgängig zu machen. „Scorpius“, sprach James ihn an und der Blonde hob überrascht den Kopf. „Ich weiß dir wird es komisch vorkommen, aber ich denke du verstehst von den Anwesenden am besten, was ich vorhabe.“ „Schieß los“, entgegnete Scorpius müde und erschöpft. „Unsere Eltern werden aus Angst verhindern, dass wir an der Suche beteiligt sind. Vielleicht lassen sie uns zugucken, aber sie werden uns ausschließen, sobald sie alles wissen, was sie brauchen. Aber ich will nicht nichts tun, wenn du verstehst, was ich meine.“ Scorpius nickte. „Ich will auch etwas unternehmen.“ James hatte es sich schon gedacht. Sie hatten beide jemanden an den Puppenspieler verloren und sie waren nicht schuldlos an dieser Tatsache. „Dann wirst du mich sicher unterstützen, wenn ich dir sage, dass wir unabhängig agieren sollten und unsere eigene Zentrale aufbauen sollten.“ „Auf jeden Fall. Wir können unsere Eltern ja immer noch einschalten, wenn wir etwas gefunden haben, aber mir juckt es in den Finger diesem Arsch Feuer unterm Hintern zu machen.“ James erwiderte das angriffslustige Lächeln von Scorpius. Genau das brauchte er. Kampfeswille und Stärke. Scorpius war der richtige Verbündete für diese Sache und sein Bruder konnte mit seiner Freundwahl ja nicht völlig daneben liegen. „Ich denke es gibt noch einige andere, die gern dabei wären, aber wir müssen nur aufpassen, dass zu unseren Eltern nichts durchdringt. Wir brauchen also einen Ort, der als Zentrale dienen kann. Darüber müssen wir uns noch Gedanken machen und dann werden wir uns auf die Suche begeben.“ „Da wird sich schon etwas finden“, versicherte Scorpius ihm. James nickte. Den ersten Schritt hatte er getan. Er würde sicherlich nicht herumsitzen und nichts tun. Er müsste alles gutmachen, was er falsch gemacht hatte. Und entschuldigen konnte er sich nur, wenn er Fred, Albus und Lily zurückholte. Vorher konnte er sich selbst nicht verzeihen. Bevor er auffiel mit Scorpius, ging er zurück zu seiner Mutter, die beruhigend auf seinen Onkel einredete, der immer noch fassungslos darüber war, dass sein Sohn Hugo tot war und seine Tochter Rose auf der Flucht nach dem Mord an ihrem Bruder war. All das schien einfach unfassbar, aber James schwor dem allen ein Ende zu setzen. ~~~ „Dominique“, beschwerte sich ihr Bruder Louis bei ihr. Seit sie erleichtert festgestellt hatte, dass ihr Bruder nicht tot war, umsorgte sie und versorgte seine Verletzungen. Sie war so froh, dass er lebte, dass sie ihn ständig umarmte. Dominique hatte eine Heidenangst gehabt, als sie die Halle hatten brennen sehen und als sie draußen ihren Bruder nicht hatte finden können. Erst als er aus dem Feuer zusammen mit Scorpius und Lysander gekommen war, hatte sie aufatmen können. Vor allem nachdem sie gesehen hatte, dass es sieben Tote gegeben hatte. Hugo war der schrecklichste Verlust für sie alle, aber auch die anderen Toten waren zu jung gewesen. Sie konnte sich noch erinnern, wie sie gestern beim Quidditchspiel Gryffindor angefeuert hatte und nun war das Team um drei Spieler ärmer. Es hatte Neela Thomas-Patil erwischt und auch Luke Finnigan. Neela war gerade mal 15 gewesen und Luke nur ein Jahr jünger als sie selbst. Auch Max Smith, der fröhliche Junge aus Hufflepuff war getötet worden. Ebenfalls erst 14. Dazu hatte es drei Slytherins erwischt, mit denen Dominique zwar nie ein Wort gesprochen hatte, aber deren Gesichter ihr auch seltsam vertraut waren. Auch die Namen sagten ihr dunkel etwas. Fynn Nott war auch beim Quidditchspiel gewesen. Lisa Montague war ein bulliges Mädchen, das in Louis Jahrgangsstufe war. Und Joe Warrington war in ihrer Jahrgangsstufe. Sie hatte mit ihm zusammen Verteidigung gegen die dunklen Künste gehabt. Nun waren sie alle umgekommen und wurden von ihrer Verwandten umringt. Louis hatte sich wieder aus ihrem Griff befreit. „Ich lebe noch, Dome!“, sagte er gereizt. Dominique blinzelte ihn an. Irgendwie war sie nicht ganz bei sich. „Sorry“, sagte sie kleinlaut. „Ich bin nur so erleichtert. Ich dachte du würdest dort sterben!“ Louis verdrehte die Augen, aber sie konnte ihm ansehen, dass er selbst noch nicht wieder ganz bei sich war und wahrscheinlich noch unter Schock stand. „Wir holen sie zurück“, flüsterte er leise und starrte ins Leere. Dominique fühlte diese Leere in ihrem Herzen. Am schlimmsten traf sie der Verlust von Rose. Sie hatte ihre Cousine immer gemocht und aufgezogen, doch jetzt hatte sie so etwas Abscheuliches getan und war fort. „Ganz bestimmt holen wir sie zurück“, entgegnete Dominique und legte ihren Kopf auf die Schulter ihres Bruders. Die Sonne stand inzwischen am Himmel und beleuchtete den Rest der übrig geblieben war von Hogwarts. Es musste eine Art Dämonsfeuer gewesen sein, das das Schloss zerstört hatte. Nun würden sie nach Hause zurückkehren und abwarten müssen, was jetzt geschehen würde. Dominique fröstelte es, denn dies war sicher erst der Anfang vom Schrecken. ~~~ Roxanne konnte alles nicht fassen. Sie selbst hatte nichts von den Kämpfen mitbekommen. Sie war früh schlafen gegangen und nun durch Zufall vom Lärm geweckt worden. Es hatte verbrannt gerochen und sie war den anderen nach draußen gefolgt. Erst als sie vor dem Schloss standen, hatte sie das Ausmaß der Katastrophe angefangen wahrzunehmen. Dann hörte sie auch das Getuschel über die Kämpfe in der großen Halle. Irgendjemand nannte den Namen ihres Bruders und ihr war bange ums Herz geworden. Als James mit Molly herausgekommen war, war sie zu ihm gestürmt und hatte nach Fred gefragt, doch James kannte keine Antwort auf ihre Frage, aber schon sein Blick hatte ihr verraten, dass etwas Schreckliches vorgefallen sein musste. Und als ihr Bruder nicht kam, wurde ihr klar, dass sie nicht mal ungefähr erahnte, was dort geschehen war und als sie dann hörte, dass es einige gab, die manipuliert worden waren, war Roxanne zu schockiert, um es zu begreifen. Ihr Bruder war fort und war irgendeinem Puppenspieler gefolgt. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Fred so willenlos war und sich manipulieren ließ, aber er war nicht hier bei ihr und sie zweifelte am Wille ihres Bruders. Doch sie erinnerte sich an ihr Gespräch mit Lorcan, das ihr so ein ungutes Gefühl gegeben hatte. Er war auch mitgegangen und hatte vielleicht schon erfahren, wie sich das Töten anfühlte. Es war so eine gruselige Vorstellung, das Lorcan aus Neugierde mitgegangen war, aber es wäre ein Grund gewesen, den Roxanne nicht verstand, aber der es irgendwie erklärte. Fred hatte keinen Grund gehabt mitzugehen. Zumindest gab es nichts von dem sie wusste und dieses Unerklärliche machte es ihr so schwer es zu begreifen. Grundlos wurde niemand von heute auf morgen böse. Auch nicht durch Manipulation. Das konnte Roxanne sich nicht vorstellen. Doch jetzt hieß es das zu verdauen und Fred zurückzuholen. Sie hatte immer davon geträumt zu kämpfen und es ärgerte sie nicht beim Kampf in der Halle dabei gewesen zu sein. Sie wollte sich beweisen. Dann musste sie darauf warten sich beim Kampf gegen den Puppenspieler ihre Chance zu holen und zu zeigen, was sie drauf hatte. Roxanne wollte nicht als Schönheit abgestempelt werden, die nichts im Kopf hatte außer Shoppen und Jungs. Wer sie für die Art Diva hielt, kannte sie nicht. Im Gegenteil wollte sie eine schöne Amazone sein, die ihren Gegner das Fürchten lernte. Roxanne sah endlich ihre Chance mit allen Vorurteilen aufzuräumen und zu der Person zu werden, die sie immer werden wollte. Sie wollte soviel mehr sein, als andere in ihr sahen. Als James zu ihr kam und sie über seine Idee informierte, stimmte sie sofort zu. Es war Zeit das sie ihren Bruder zurückholte und allen Ruhm für sich beanspruchte. ~~~ Harry stand mit den Eltern beisammen. Viele bekannte Gesichter umringten ihn und warteten darauf, dass er sie anführte und ihnen sagte, welche Richtung sie einschlagen sollte. Doch er war selbst nicht ganz bei Sinnen. Die toten Kinder riefen schreckliche Erinnerungen in seinem Kopf wach und er versuchte sich derer zu erwehren, doch sie waren da, sobald er die Augen schloss. Ihm war klar, dass der Puppenspieler die Kinder nur vorschob, um sie machtlos zu machen. Wie sollte sie gegen ihre eigenen Kinder vorgehen? Und was hatte der Typ mit ihnen vor? Drohte wirklich ein neuer Krieg, den er immer hatte verhindern wollen? Harry sah sich so viele Fragen gegenüber und fühlte sich zurückversetzt in die Zeit, in der als Auserwählte gegen Voldemort antreten musste und auch nicht wusste, wie er genau das tun sollte. „Was sollen wir tun?“, fragte Hermine ihn tonlos. Er bewunderte sie für ihre Fassung, aber er kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie nur daran dachte, jetzt ihr anderes Kind zu beschützen bevor sie das auch verlor. „Dieser Puppenspieler benutzt unsere Kinder, weil er etwas gegen uns hat. Er hegt irgendein Groll gegen uns und greift uns damit an. Also müssen wir herausfinden, was für einen Groll er hegt und wie wir dem entgegenwirken. Er wird weiter die Kinder gegen uns vorschicken, also müssen wir die Manipulation brechen. Wir sollten also am besten eine Gruppe Leute damit beauftragen alles darüber herauszufinden, ein anderer Teil wird nach den Kindern suchen, die verschwunden sind und wir brauchen auch Leute, die die verbleibenden Kinder im Auge behält, um zu verhindern, dass sie sich auch gegen uns wenden.“ Die anderen nickten. Neville erhob die Stimme. „Wo sollen wir die Kinder unterbringen? Bis Hogwarts aufgebaut wird, brauchen wir einen neuen Ort, um sie alle zu versammeln und zu überwachen.“ „Mir gefällt es nicht, dass wir die Kinder überwachen müssen“, warf Bill ein. „Das gefällt keinem von uns, aber wir können nicht vorsichtig genug sein“, gab Harry zu bedenken. Ginny griff nach seinem Arm und sah ihn liebevoll an. Sie unterstützte ihn in dieser Sache, denn auch sie wollte nicht noch ein vermisstes Kind suchen. Harry hoffte nur, dass er rechtzeitig kam bevor Albus oder Lily etwas passierte. Aber er wusste, dass er nichts erzwingen konnte. „Wir sollten unsere Kinder erstmal nach Hause bringen, ein wenig schlafen, auch wenn uns das schwer fällt und uns dann am Nachmittag in der Aurorenzentrale treffen, um weiter vorzugehen.“ Er sah die erschöpften Gesichter und sah den Widerwillen. Auch ihm missfiel es nicht sofort zu suchen, aber sie hatten keinen Anhaltspunkt und jetzt musste er sich erstmal darauf konzentrieren hier Ordnung zu schaffen bevor er losstürmte, um seine Kinder zu suchen. So wurde es immer leeren um sie, da nach und nach alle gingen. Ginny umarmte ihn und hielt ihn fest. Auch Harry brauchte eine Stütze, denn erst jetzt konnte er sich einen Augenblick der Schwäche gönnen und trauern. Er hatte gedacht nie wieder kämpfen zu müssen. Doch nun war es soweit. Ein Schatten überzog wieder das Land und riss alles in die Dunkelheit. Kapitel 11: Fate draws into darkness ------------------------------------ Er beugte sich noch tiefer über das Denkarium und genoss noch einmal jeden einzelnen, grausamen Moment vom Ende von Hogwarts. Wie es von den Flammen verschlungen wurde und die verzweifelten Gesichter der Kinder. Nachdem er das genüsslich betrachtet hatte, sah er sich die jüngsten Entwicklungen an. Es waren fünf Monate vergangen seit Hogwarts gefallen war und seine schwarzen Schachfiguren tyrannisierten seither die Zauberwelt. Der Schatten, der sich über das Land gelegt hatte, hatte schon viele Todesopfer gefordert. Er konnte nicht dabei sein, aber aus der Ferne beobachtete er jeden Mord und ergötzte sich an jedem Tropfen Blut, das vergossen wurde. Von seinen Leuten war nur einer, Benedict Bletchley, gefallen, der aber nur ein Bauer gewesen war, also trauerte er nicht um die Figur. Ein Schachspiel erforderte nun einmal Opfer auf beiden Seiten, um spannend zu bleiben. Doch im Augenblick ließ er das Schachspiel ruhen und nutzte die Zeit jeden verdammten Zauberer zu töten. Ganz besonders das Zaubereiministerium musste ausgelöscht werden. Und daher frohlockte er bei jedem Auftrag, den seine manipulierten Schützlinge erfolgreich ausgeführt hatten. Die lästigen Zuschauer seines Stückes sollten alle hingerichtet werden. Sie sollten leiden und vor Angst erzittern, solange bis er ihrer überdrüssig wurde. Er konnte das Blut förmlich schmecken, das über die Straßen von London lief. Genussvoll betrachtete er wieder und wieder jeden Mord in seinem Denkarium und schickte seine schwarzen Schachfiguren aus, um noch mehr hinzufügen zu können. Er belächelte müde, wie die Eltern der Kinder verzweifelt versuchten ihre Kindern zu finden, doch sie waren immer einen Schritt zu langsam, hingen immer eine Sekunde hinterher, denn sie waren nicht Teil des Schachspiels und würde daher nie an die Figuren herankommen. Nur lästige Zuschauer, die es galt auszulöschen. Wenn die Zeit reif war, würden die weißen Figuren wieder auf die schwarzen Figuren treffen und er hatte im Gefühl, dass er bald seine Schachpartie fortsetzen würde. Und dann würde es zu einem erneuten Blutspektakel kommen und die Eltern würde tatenlos zusehen müssen, wie ihre Kinder sich gegenseitig abschlachteten. Wie sehr würde er den Moment genießen, wenn ihnen klar wurde, dass sie nichts tun konnte. Die Verzweiflung würde zum Greifen nah sein und er würde sich daran erfreuen. Es würde seine Rachegelüste befriedigen und vielleicht würde er sie dann in Ruhe lassen. Aber erst wenn das Schachspiel vorbei sein würde und Harry Potter würde fallen müssen, so wie all die anderen Figuren auf der weißen Seite. Und er würde triumphieren auf der schwarzen Seite. Alleine oder mit einigen Gefolgsleuten, die er behalten würde. Es wäre bestimmt lustig mit anzusehen, wenn er sie aus der Manipulation erwachen lassen würde. Noch mehr Verzweiflung in der er schwelgen konnte. Auf jeden Fall würde weiß schwarz unterliegen und alles würde in Trümmer und Asche zurückbleiben. Soviel war gewiss, denn er war das Schicksal. ~~~ Rose hatte kaum klare Augenblicke. Manchmal wachte sie eng angekuschelt neben Albus auf und sah das lächelnde Gesicht ihres Bruders vor sich, wie der grüne Blitz ihn traf. Wie sie ihn getötet hatte. Dann überkam sie ein Zittern und sie fragte sich im Stillen, ob das was sie tat, richtig war. Und sie hatte Angst nie wieder nach Hause zurückkehren zu können. Würde ihre Eltern sie noch lieben, nachdem was sie getan hatte? Sie fürchtete nach Askaban zu kommen für all die Morde, die sie begangen hatte. Ganz alleine würde sie ohne jede Freude dort sterben. Rose lag dann stundenlang wach und konnte die Augen nicht mehr schließen, denn sie sah all die Toten vor ihren Augen und immer wieder ihren Bruder. Tagsüber kannte sie diese Zweifel nicht, dann liebte sie es zu töten und tat, was immer von ihr verlangt war. Sie stellte nie etwas in Frage, sondern fand es gut Leben auszulöschen. Es schien richtig zu sein und es fühlte sich gut an. Sie liebte den Adrenalin, der durch ihre Ader schoss und ihr Herz zum Pochen brachte. Das erschrockene Gesicht des Opfers, wenn es sie sah und wenn es sie erkannte. Das halbherzige Verteidigen, da niemand sie verletzten wollte. Und dann die verzehrten Grimassen, wenn sie gefoltert wurden und schreckliche Schmerzen litten. Die schrillen Schreie und das Betteln bevor sie für immer ihr Leben aushauchten. Rose genoss es wie die anderen es auch taten. Sie konnte nicht genug davon kriegen. Sie alle lachten und gaben mit ihren Morden an, diskutierte Foltermethoden und persönliche Vorlieben. Nachts wenn sie schlief, kam ihr das alles nicht mehr so lustig vor, aber sie weigerte sich weiter darüber nachzudenken. Sie wollte sich nicht schuldig fühlen. Sie wollte einfach nur vergessen und keine Alpträume mehr haben. Albus zog sie an sich und sie kuschelte sich noch enger an ihn heran und versuchte alles auszublenden. Er war hier bei ihr und alles würde wieder gut werden. Rose versuchte wieder einzuschlafen und von dem Tag zu träumen, an dem sie Scorpius töten würde. Nach all der Zeit, die vergangen war, hatte sie nie vergessen, dass das ihr Ziel war. Er war an allem Schuld gewesen. Er musste sterben und zwar auf brutale Art und Weise. Sie verdrängte alle dunklen Gedanken und Zweifel und stellte sich vor wie sie Scorpius foltern würde. Wie er schreien würde und wie er sich winden würde und nach und nach legte sich ein Schleier über ihre Erinnerungen und ihre Zweifel waren verschwunden. Dann war sie wieder dazu bereit zu tun, was nötig war. Sie ging mit den anderen heraus und lauerten neuen Opfer aus. Und sie sah immer Scorpius in jedem von ihnen und sehnte sich den Tag herbei, wenn sie ihm gegenüberstehen würde und zu Ende bringen würde, was sie angefangen hatte. Doch tief in ihr verborgen lagen immer noch die Zweifel begraben und wenn sie die Augen schloss war da immer noch Hugos lächelndes Gesicht. ~~~ „Fred, wach auf!“ Lilys wütende Stimme drang an sein Ohr und er schlug die Augen auf. Er hatte von zuhause geträumt, wurde ihm klar, als er das stechende Gefühl bemerkte, dass er in der Brust fühlte. Er hatte von Hogwarts geträumt. Von der Zeit vor den Flammen und der Schlacht in der großen Halle. Fred erhob sich langsam und sah Lily in der Tür stehen. Sie trug ein verspieltes Kleid und sah so unschuldig aus, aber ihr Lachen war nur eine Grimasse. Er konnte ihren irren Blick sehen und fragte sich, ob er genau so dreinblickte, wenn er vergaß, wer er war und nur für das Töten lebte. Sie kam zu ihm herübergehüpft und er schloss sie in die Arme. Lily lachte und gab ihm einen Kuss auf die Nase, während er versuchte sich von seinem Traum zu befreien und in die Realität zurückzukehren. James würde ihn dafür hassen, dass er Lily liebte, aber es war ihm gleichgültig. James würde ihn nie mehr von irgendetwas abhalten, was Fred wollte. „Komm schon“, quengelte Lily ungeduldig. „Die anderen warten schon auf uns!“ „Nur noch einen Augenblick“, bat Fred sie und zog sie noch enger an sich. Er konnte ihren Herzschlag hören und er erinnerte sich daran, warum er mitgegangen war. Nur für Lily war er mitgekommen, weil er Angst um sie hatte und sie beschützen wollte. Und weil er sie so sehr liebte. Es stimmte ihn glücklich, dass er hier mit Lily zusammen sein konnte und dagegen konnten auch die Zweifel nichts machen, die hin und wieder in ihm aufkeimten. Solange Lily hier war, würde er auch hier bleiben und solange würde er auch töten. Er würde alles tun, um an ihrer Seite bleiben zu können und für sie da sein zu können. „Jetzt reicht es aber“, beschloss Lily und löste sich aus seiner Umarmung. Seufzend ließ Fred sie los und griff nach seinem T-Shirt, das er sich über streifte. „Ich komm ja schon“, antwortete er und holte seinen Zauberstab unter seinem Kissen hervor. Gemeinsam ging er mit Lily nach unten in die Halle, wo bereits die anderen versammelt waren. Das Haus, in dem sie sich aufhielten, war durch den Fidelius-Zauber geschützt und so verborgen vor den Augen aller. Ihre Eltern würde sie nie hier finden. Nathan war der Geheimniswahrer und nur von ihm konnte man von diesem Haus erfahren. Dadurch konnte niemand herausfinden, wo sie sich aufhielten. „Auch endlich aufgewacht?“, knurrte Liam, als Fred und Lily sich zu ihnen gesellten. „Ich wusste nicht, dass es so dringend ist“, erwiderte Fred lächelnd. In Liams Augen blitzte es wütend auf, doch Rose legte ihm eine Hand auf die Schulter und so blieb es bei einem wütenden Funkeln. Fred kam näher heran und sah die Gesichter der neuen Opfer. Kurz darauf brach er mit Albus zusammen auf, um weiter Schrecken in der Zaubererwelt zu bereiten. Seinen Traum hatte er längst schon wieder vergessen und sich selbst im Nebel verloren. ~~~ Albus drückte sich neben Fred an die Wand und wartete ab. Noch herrschte ein reges Treiben auf den Gassen Londons, doch bald wurde es dunkel. Rose hatte in der Nacht wieder nicht geschlafen und er hoffte, dass es ihr gut ging. Auch er fühlte sich wie zerschlagen, denn auch ihn quälten Sorgen. Anfangs hatte er sie noch gut unterdrücken können und hatte alles beiseite geschoben, doch es wurde immer schlimmer. Er wachte auf und hatte das Gefühl nicht wach geworden zu sein, weil alles im Nebel verborgen lag und er nicht hindurch sehen konnte. Manchmal glaubte er, dass er nicht mehr er selbst war und erschrak bei dem Gedanken. Und dann war da Rose, die er über alles liebte, doch sie schien ihm durch die Finger zu gleiten und egal was er tat schien sie sich weiter von ihm zu entfernen. Es war zum Haare zerreißen. Es laugte ihn völlig aus, aber er musste sich konzentrieren. „Pscht“, murmelte Fred neben ihm. „Da kommt er!“ Albus folgte Freds Blick und sah Anthony Goldstein, der die Gasse entlang kam. Die Massen hatten sich schon verringert und Anthony musste sowieso durch diese Gasse, die völlig leer war, was aber daran lag, dass Fred dafür gesorgt hatte. Nun wurde es Zeit für sie. Anthony sah nicht einmal den Fluch kommen bevor er windend vor ihm lag. Albus überließ Fred das Foltern. Er fand es grausam und er wünschte sich, dass er sich abwenden konnte, doch er musste dadurch wie schon so viele Male davor. „Bitte“, flehte der Mann zu ihren Füßen. „Ihr werdet manipuliert. Ihr müsst damit aufhören!“ Doch er stieß mit seinen Worten nur auf taube Ohren. Bevor seine Schreie Muggel anlockte, erledigte Albus ihn und sah bedauernd auf die Leiche. Sein Vater hatte diesen Mann bestimmt gekannt, aber für ihn war es nur ein weiteres Gesicht, das sich in eine Reihe einfügen würde, um ihn nachts den Schlaf zu rauben. Gemeinsam mit Fred zog er sich wieder zurück ins Versteck und wartete auf Rose, die wieder einmal mit Nathan unterwegs war. Ihm gefiel der ehemalige Hausmeister nicht und er wollte nicht, dass Rose mehr Zeit mit ihm verbrachte, denn schließlich war sie mit ihm zusammen. Also blieb er in der Küche sitzen, während Fred munter davon erzählte, wie er die Straße gesäubert hatte, obwohl Albus dabei gewesen war und es nicht noch einmal hören musste. Irgendwann verstummte Fred aber und versank in seine eigenen Gedanken. Albus würde ihn gern fragen, wie er damit klar kam, aber er hielt den Mund. Auch wenn Fred wohl am ehesten hier sein Freund war, wollte er mit ihm nicht über seine Zweifel sprechen. Lieber sprach er mit Rose darüber, auch wenn er sich kaum das traute. Er musste an die Worte des Mannes denken, dass sie manipuliert wurden und irgendwie kam ihm das gar nicht so unwahrscheinlich vor, doch zeitgleich war es eine gruselige Vorstellung, die er lieber wieder vergessen wollte. Rose kam erst mitten in der Nacht zurück. Nathan war bei ihr und redete mit ihr in einem vertraulichen Flüstern, was Albus rasend vor Eifersucht machte. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie so intim mit diesem Typen war. Alle anderen waren schon vor Stunden zurückgekehrt und hatten sich in die Küche gesetzt. Claire Parkinson versuchte sich gerade als Köchin am Herd, um noch etwas zur Stärkung zuzubereiten bevor sie alle ins Bett gingen. Rose begrüßte Albus kurz mit einem Kuss bevor sie sich zum Pläneschmieden mit Nathan, Liam und Lily in eine Ecke setzten. Er machte sich Sorgen um seine kleine Schwester, die scheinbar Gefallen daran gefunden hatte, zu foltern und zu töten. Ihre Geschichten waren stets die blutigsten, was ihn zutiefst beunruhigte, doch es störte ihn trotz allem nicht genug. Er tötete auch und konnte ihr keine Vorwürfe machen. Er war kein Vorbild für Lily. Ähnlich wie seine Zweifel vergaß er auch seine Sorgen, wenn der Nebel wieder stärker in seinem Kopf wurde. Dann feierte er jeden Mord und erzählte selbst seine blutigen Geschichten. Die Flintbrüder hatten dem Alkohol wieder stark zugesprochen und grölten irgendein unanständiges Trinklied, während Jane auf sie einredete. Sie hatten ein bisschen etwas von einer Familie, wenn sie alle hier lachend zusammen saßen und sich stritten. Fluchend gab Claire am Herd auf etwas zu kochen und ließ sich neben Albus fallen. „Sieh sie dir an“, meinte sie Augen rollend. „Kleinkinder.“ Albus lachte. „Und du bist schon erwachsen oder was?“ Claire strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie hatte sich verändert seit sie hier waren, fiel Albus auf. Er konnte sich noch gut an die nervige, aufgedonnerte Vertrauensschülerin erinnern, die sie vorher gewesen war. Sie trug nur noch ein dezentes Make-up und war viel stiller geworden. Man nahm sie kaum wahr, wenn sie im Raum war. „Ich bin zumindest nicht so blöd wie die und feiere jede Bluttat. Das ist widerlich.“ Das Letzte sagte sie ganz leise, sodass Albus sie kaum verstand. Aber er verstand, was sie sagen wollte, denn auch er fühlte so. Das Pläneschmieden schien ein Ende gefunden zu haben, denn Rose kam zu ihm zurück und Claire stand auf, um Rose Platz zu machen. Sie schmiegte sich an ihn und küsste ihn lange. Trotzdem konnte sich Albus immer weniger dem Gefühl erwehren, dass seine Gefühle nur einseitig waren und Rose ihn nicht ebenso sehr liebte wie er sie. Und mit diesem Zweifel wuchsen auch die Zweifel an dem was sie taten. Albus wusste nicht wie lange er noch still zu sehen konnte und wie lange er gutheißen konnte, was sie taten. Aber er hatte Angst vor dem Augenblick, wenn er aufwachen würde und der Nebel sich ganz lüften würde, denn dann würde der Moment kommen, in dem ihn mit voller Wucht treffen würde, was er getan hatte und er wusste nicht ob er das überstehen würde. ~~~ Lily saß bei Nathan, Liam und Rose, die über die neuen Plänen sprachen. Es wurde darüber gestritten, wer als Erstes ausgelöscht werden sollte von der Liste von Namen, die Nathan bei sich hatte. Sie hatte sich nie gefragt, woher er diese Liste hatte und warum sie diese Menschen töten sollte. Das war ihr eigentlich herzlich egal, denn sie genoss nur den Nervenkitzel unentdeckt von allen zu töten und dann wieder wie im Nichts zu verschwinden. Und das Töten erst war eine Kunst für sich. Sie begnügte sich nicht nur damit zu foltern und zu töten. Stattdessen benutzte sie eine breite Masse an Zaubersprüchen, die Schmerzen zufügten und Wahnvorstellung auslöst. Sie machte sich ein Spaß daraus in die Köpfe der Leute einzudringen und sie ihre schlimmsten Erinnerungen noch einmal durchleben zu lassen. „Wie wäre es mit Percy Weasley?“, sagte sie gedankenverloren und tippte auf den Namen. „Ein ziemlich hohes Tier“, meinte Liam. „Das könnte eine schöne Panik loslösen, wenn wir ihn töten. Dann können sie uns nicht mehr ignorieren.“ „Das würde aber auch dafür sorgen, dass wir es mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zu tun bekommen“, wand Nathan ein. „Aber dann wäre es nicht mehr so einfach und langweilig“, meinte Lily. „Die laufen ja schon freiwillig wie die Lemminge ins Verderben. Das ist einfach so öde.“ Sie wollte mehr Spaß und Nervenkitzel. Das alleinige Töten stellte sie nicht mehr zufrieden. Sie brauchte mehr. „Ich bin dafür. Wir haben genug kleine Fische erledigt“, stellte sich Liam auf Lilys Seite. Rose nickte zustimmend, auch wenn ihr Nicken ein wenig halbherzig war, wie Lily empfand. Nathan dagegen zögerte. Er wog die Risiken der Aktion ab. Er schien immer als wäre er der einzige Normale, obwohl er jede Operation leitete und beaufsichtigte. „Ach komm schon“, quengelte Lily. „Ich werde die Nacht darüber nachdenken. Ihr geht jetzt besser schlafen.“ Nathan erhob sich und ging. Rose setzte sich herüber zu Albus und knutschte mit ihm herum. Lily verdrehte nur die Augen. Sie und Fred waren nie so peinlich wie die zwei. Fred kam zu ihr herüber und sie sank in seine Arme. Es war so schön jemand bei sich zu haben, der einem völlig vertraute und einem seine eigenen Entscheidungen treffen ließ. Hin und wieder stellte sie sich gern das Gesicht von James vor, der sie zusammen mit Fred sah. Das würde ihn zutiefst schockieren. Diese Vorstellung gefiel ihr und sie hoffte, dass James von ihren Taten hörte, denn sie war soviel stärker und besser als ihr älterer Bruder. Sie wollte nie wieder in seinem Schatten stehen. Sie machte sich selbst einen Namen als Schrecken aller Zauberer. Und niemand würde sich ihr je in den Weg stellen und ihr diese Macht nehmen, denn sie liebte das Töten und es war ein Teil von ihr. Lieber starb sie als im Gefängnis zu landen. ~~~ Lorcan war als Erster gegangen. Unter den anderen fühlte er sich seltsam einsam. Lieber strich er alleine durch die Gänge des Hauses und nutzte die klaren Augenblicke, um den Tag in Stücken zu zerpflücken und jede Handlung zu analysieren. Er musste sagen, dass er es wirklich liebte zu töten. So wie er damals in seinem Gespräch mit Roxanne gesagt hatte, war es ein atemberaubendes Gefühl die Macht zu haben das Leben eines anderen zu beenden. Man fühlte sich wie ein Gott und bekam nicht genug von dem Gefühl. Natürlich war es auch schrecklich so wie Roxanne meinte, aber Lorcan distanzierte sich lieber von seinen Handlungen und betrachtete sie als wären es die Taten eines anderen. So war er ganz nüchtern und objektiv. Er wusste von der Manipulation und verlor sich daher nie so tief im Nebel wie die anderen. Er bewunderte den Puppenspieler für seine Künste und wollte mehr darüber herausfinden, weswegen er die anderen gerne beobachtete. Man konnte gut die Augenblicke von einander unterscheiden, wenn sie halbwegs wach waren und wenn sie tief versunken waren. Es war als wären sie Schlafwandler und er fragte sich welcher Zauber nötig war, um soviel Macht auf eine einzelne Person zu haben. Es schien ähnlich wie der Imperiusfluch zu sein und trotzdem war es irgendwie ganz anders. Und das war es, was ihn so faszinierte. Er kam einfach nicht dahinter, was es war, dass diesem Typen eine solche Macht verlieh. Alles deutete vom äußeren Schein auf den Imperiusfluch hin, aber er wusste, dass dem nicht so war. Niemand hatte ihn je verzaubert, sondern es schien eine andere Form von Manipulation zu sein. Wie waren sie unter diese Manipulation geraten? Wer war der Puppenspieler und wo hielt er sich auf? Lorcan war neugierig und wollte noch soviel mehr wissen. Es gab so viele unbekannte Variabel noch in dieser Gleichung, die es zu füllen galt. Für ihn erschien besonders Nathan verdächtig, der so wie er selbst nicht so stark beeinflusst zu sein schien. Was verbarg der Hausmeister nur? Lorcan blieb an einem Fenster stehen und sah hinaus. London lag düster vor ihm ausgebreitet und er fragte sich plötzlich wie viele Menschen er in dieser Stadt noch töten würde. Menschen, die magische Fähigkeiten wie er selbst hatte. Aber bevor ihn dieser Gedanke Angst machen konnte oder ihn traurig stimmen konnte, schob er ihn von sich und distanzierte sich wieder. Er war nur ein Beobachter, der am Geschehen beteiligt war. Er tat, was getan werden sollte und versuchte den Grund dahinter herauszufinden, aber emotional würde er sich nicht darauf einlassen. Es gab für ihn nichts, wofür er kämpfen wollte. Es ging ihm nur darum mehr über den Menschen zu erfahren, der diese Macht besaß, andere seinen Krieg ausführen zu lassen. Er ging lieber den Weg mit dem geringsten Widerstand, um so leichter an den Puppenspieler zu kommen. Was bis dahin passierte, war nur der Mittel zum Zweck. ~~~ Claire konnte nicht schlafen. Sie fragte sich, warum sie überhaupt hier war. Sie schien niemandem vom Nutzen zu sein. Nicht einmal kochen konnte sie. Das Töten fiel ihr auch schwer. Die anderen schienen kein Problem damit zu haben und wirkten so wahnsinnig, wenn sie mit funkelnden Augen von ihrem Tag erzählten. Das machte ihr Angst und sie fühlte sich unsicher. Einerseits genoss sie es zu einer Gemeinschaft wirklich dazu zu gehören, aber andererseits schien es nicht die richtige Gemeinschaft für sie zu sein. Aber manchmal vergaß sie diesen Gedanken einfach und ließ sich mitziehen, da sie in ihrem Inneren so verloren war, dass ihr eine Richtung, in der sie gehen konnte, gut tat. Sie wollte Freunde haben und nicht mehr alleine sein, aber hier fühlte sie sich genauso alleine wie vorher und dazu kam noch dieses drückende Gefühl, dass bei jeder weiteren Bluttat dazu kam. Es war als würde ihr die Luft abgeschnürt werden. Claire rollte sich im Bett herum und gab es dann doch auf. Wieder eine Nacht ohne Schlaf. Kein Wunder, dass sie sich so kaputt fühlte und mit den Nerven am Ende war. Sie zog sich kurz etwas über ihren Pyjama und ging nach unten. Claire wäre fast über Albus gestolpert, der auf dem Treppenabsatz saß. Er war völlig in Gedanken versunken. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte sie ihn leise und er schrak aus seinen Gedanken auf. „Nein, kann ich nicht“, erwiderte er. Sie setzte sich neben ihn. Sie mochte Albus und hatte im Gefühl, dass es ihm ganz ähnlich wie ihr erging. „Ist es wegen Rose?“, fragte sie ihn vorsichtig, weil sie gemerkt hatte, wie unglücklich er wegen seiner Freundin war. Albus zog skeptisch die Augenbraue hoch und entschied dann aber, dass er mit ihr darüber reden konnte, worüber sie sich sehr freute. „Sie hat sich verändert und ich habe das Gefühl sie zu verlieren mit jedem Tag, den wir hier bleiben, aber sie ist so von Zorn erfüllt. Ich wüsste so gern, was in ihrem Kopf vor sich geht, aber sie lässt mich völlig außen vor und ich weiß nicht was ich tun soll.“ Albus ließ den Kopf hängen und Claire strich ihm mitfühlend über den Rücken. Ihr war auch immer wieder das Herz gebrochen worden und sie verstand ihn. „Dann sag es ihr direkt ins Gesicht, damit sie dir nicht ausweichen kann. Und dann ist sie entweder ehrlich zu dir und lässt dich wieder an sich heran oder du verlierst sie, aber das ist immer noch besser, als im Dunkel herumzutappen und nichts zu wissen“, schlug sie ihm vor. Albus seufzte. „Wahrscheinlich hast du Recht, aber ich habe einfach Angst davor sie zu verlieren.“ Claire lächelte ihn aufmunternd an und fühlte sich zu ihm hingezogen, wie er da so traurig saß und niedergeschlagen war, aber sie entzog sich dem lieber. Sie verliebte sich immer viel zu leicht und jetzt war dafür nicht die Zeit und Albus war auch der falsche Junge dafür. „Schlaf schön“, murmelte sie und ging wieder hoch. Möglicherweise hatte Albus Recht und sie sollte einfach gehen, um wieder klar denken zu können, denn hier war es einfach zu stickig. Doch erst einmal sollte Claire noch hier bleiben und für Albus da sein. Vielleicht war sie für Albus wenigstens als Stütze nützlich, während er seine Probleme mit Rose bereinigte. Mit diesem Gedanken kletterte sie zurück in ihr Bett und versuchte zu schlafen. ~~~ Liam stand ungeduldig in der Halle und starrte wütend auf Nathan, der sich im Sessel genüsslich vor sich hinräkelte, als wäre er der Anführer. Das ging ihm gegen den Strich, denn in seinen Augen war nur er dafür geeignet. Nathan war zu vorsichtig. Zu zögerlich in einige Entscheidungen. Er dagegen griff hart durch und traf die Entscheidungen mit der nötigen Härte. Er sah, was zu tun war. Rose gesellte sich zu ihm, die er sich gut als seine Vize vorstellen konnte, da sie ebenfalls verstand, worum es hier ging und auch nie vor etwas zurückschreckte. Lily war auch gut, aber selbst ihm lief ein Schauer über den Rücken, wenn er ihr manchmal zuhörte und ihm war lieber er hatte jemanden an seiner Seite, dem er völlig vertrauen konnte. „Hat er sich schon entschieden?“, fragte Rose. Sie war ganz begeistert von Nathan und Liam hatte häufig genug gesehen, wie eifersüchtig Albus war. „Nein, er hat gesagt, dass er es uns sagt, wenn alle unten sind.“ Rose tigerte ungeduldig um ihn herum und ihm ging es genauso. Er wollte los. Genug Ruhe für eine Nacht hatten sie gehabt. Jetzt war es Zeit das Zaubereiministerium zu sprengen. Sie hatten damit lange genug gewartet und sich nur um kleine Fische gekümmert. Es war überfällig ein deutliches Statement abzugeben und der Welt wirklich einen Schrecken einzujagen von dem sie sich nicht so schnell erholen würden. Nach und nach versammelten sich die anderen in der Halle und Liam sah in der kleinen Gruppe eine Bewegung, die die Welt verändern würde. Nathan nahm sich alle Zeit der Welt bevor er aufstand und zu ihnen herüberkam. „Gestern wurde über einen neuen Plan gesprochen über den ich lange nachgedacht habe und ich habe entschieden, dass es wirklich soweit ist, dass wir etwas Größeres durchziehen sollen.“ Er machte eine kurze Pause, um die Aufmerksamkeit von jedem zu haben, doch Liam drängte es nur danach zu hören, wie es laut ausgesprochen wurde, was sie gestern beschlossen hatten. „Wir werden das Ministerium stürmen.“ Das, was er sich gewünscht hatte, war wahr geworden. Auch die anderen jauchzten auf und allgemeines Gemurmel wurde laut. „Aber denkt daran, dass ihr euch nicht in unnütze Kämpfe verwickeln lasst. Jeder von euch bekommt ein Ziel um das ihr euch kümmern werdet und das soll reichen. Falls ihr weitere tötet, ist das nicht schlimm, aber wir sind nicht daran interessiert das Ministerium zu übernehmen. Nur daran es zu zerstören. Verstanden?“, machte Nathan die Situation klar. Liam würde ihn am liebsten erwürgen. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand die Kontrolle übernahm. Nathan war ein arroganter Mistkerl. Er war der Anführer. Sie sollten ihm folgen. Aber das konnte er noch auf später verschieben. Erst einmal wurde es Zeit ein paar weitere Tote auf seine Liste aufzunehmen und danach konnte er sich immer noch um Nathan kümmern. ~~~ Rose warf einen kurzen Blick auf den Zettel, den Nathan ihr und Liam gegeben hatte. Percy Weasley. Den Namen, den Lily gestern so einfach in die Runde geworfen hatte. Ihr Onkel. Aber irgendwie bedeutete ihr das nicht wirklich etwas. Es war nur ein weiterer unbedeutende Name und nur ein weiteres Foto von einem Zauberer, der auf ihrer Liste stand und eliminiert werden musste. Nach dem alle restlichen Details besprochen worden waren, gab sie Albus noch einen kurzen Kuss bevor sie mit Liam als Erstes ging. Sie konnte die Angespanntheit von Liam beinahe spüren, der fast aus den Nähten platzte. Auch sie brannte darauf sich zu verlieren und ihre Mordlust freien Lauf zu lassen, aber noch mussten sie aufmerksam sein, sonst kamen sie nicht zurück von ihrer Mission. Sich in London zurrecht zu finden war leicht und Rose war schon oft im Ministerium gewesen. Der Weg dorthin war also schnell hinter sich gebracht. Sie würden durch den Vordereingang gehen und von dort aus in die unteren Etagen vordringen. Es waren zwar zusätzliche Wachen aufgestellt worden, doch die sollten kein Problem für sie sein und waren nur notwendige Opfer, die erbracht werden mussten für das größere Ziel. Bevor irgendjemand etwas merkte, waren sie im Ministerium drin. „Ein Kinderspiel“, murmelte Liam. „Schon fast langweilig. Die haben wohl keine Angst vor uns.“ „Wir sind in ihren Augen nur Kinder“, erwiderte Rose verächtlich. Keiner in der Menschenmasse beachtete sie in ihrer Verkleidung mit der sie sich ihren Weg durch zu den Aufzügen bahnten, wo sie die Tür schlossen bevor noch jemand einsteigen konnte, der sie möglicherweise erkannte und ihren Plan zunichte machte. „Ein kleiner Zauber in die Menge hinein und es würde eine schöne Panik ausbrechen“, meinte Liam grinsend und zog seinen Zauberstab bevor Rose ihn davon abhalten konnte. Der grüne Zauberstrahl schoss genau in die Menge, als sich ihre Aufzugstür schloss und ein Schrei aus der Menge ertönte. Rose konnte nicht sehen, wer getroffen worden war, da der Aufzug sie von der Halle wegzog und nach unten schoss. Liam lachte leise und hielt seinen Zauberstab bereit. Auch Rose zog ihren. Inzwischen mussten auch die anderen eingetroffen sein und die Hölle losgebrochen sein. Hier unten würde niemand etwas davon mitbekommen. Der Aufzug öffnete sich und sie traten hinaus. Liam sah sich zu beiden Seiten um. Es war erstaunlich still hier. Waren sie doch schon informiert gewesen und mit einem der anderen Fahrstühle hochgefahren? Liam bedeutet ihr, dass sie den linken Flur entlang gehen sollte, während er sich auf der rechten Seite umsah. Rose folgte also dem Flur und horchte, ob sie irgendein Geräusch hörte. Ganz hinten lag das Büro des Zaubereiministers. Das Büro ihres Onkels, der gerade neu in sein Amt gewählt worden war. Wenn sie ihn töteten, dann würde das die Panik auslösen, den sie wollten. In keinem Büro im Flur war jemand. Blieb nur noch die letzte Tür hinter der vielleicht ihr Onkel war, den sie töten musste. Rose wappnete sich für diesen Augenblick und ließ jeden Zweifel hinter der Nebelwand verschwinden, um sich voll und ganz auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie griff nach dem Türgriff und öffnete mit erhobenem Zauberstab die Tür. Doch dahinter erwartete sie nicht Percy Weasley. Lässig im Stuhl des Zaubereiministers saß Scorpius Malfoy. Kapitel 12: Fate deceives ------------------------- Scorpius hatte sich erhofft, dass er es sein würde, der auf Rose treffen würde und daher konnte er sein Glück kaum fassen, als sie mit hocherhobenem Zauberstab im Türrahmen stand. Auch wenn es bedeutete, dass Rose vom Puppenspieler damit beauftragt worden war, den Zaubereiminister zu töten. Noch ein weiteres Opfer für ihre ellenlange Liste. Zum Glück wussten die Abtrünnigen, wie man sie nur noch nannte, anscheinend nichts vom Treffen der Erwachsenen, das genau heute um diese Uhrzeit stattfand. Natürlich hatten die Zurückgebliebenen um James und ihn dieses Treffen eingefädelt, indem Lysander angeblich wichtige Informationen gefunden hatte und diese nun vortrug, während sie hier im Ministerium abwarteten. Und Lysander hatte Recht behalten. Nur ihnen würde es gelingen auf die anderen zu treffen, da der Puppenspieler es so einfädeln würde, um noch mehr Schmerz und Leid zu verursachen. Hier stand Rose vor ihm. Bereit ihn wieder zu töten, während er bereit war sie nach Hause zu holen. Ihre Miene hatte sich sofort verdunkelt und ihm war als tanzten duzende Schatten über ihr Gesicht. Er vermisste ihr lächelndes Gesicht oder ihre wütende Grimasse, wenn ihr wieder klar wurde, dass sie ihm auf den Leim gegangen war. Das in ihrem Gesicht war reine Mordlust. „Rose“, begann Scorpius zaghaft, auch wenn ihm sofort die Bilder ihrer letzten Begegnung vor Augen tanzten, deren Erinnerung schmerzte. Der grüne Strahl. Das Lachen von Hugo. Das Gewicht, als er von dem jungen Weasley begraben wurde und mit ansehen musste, wie Rose verschwand. Dieses Mal musste er zu ihr durchdringen. Er würde nicht noch einmal scheitern. Sie musste zu ihm zurückkommen. Doch wieder feuerte Rose einen Fluch auf ihn ab bevor er mehr als ihren Namen flüstern konnte. „Endlich“, murmelte sie. „Endlich kann ich dich töten.“ Scorpius zog voller Bedauern seinen eigenen Zauberstab und wehrte den nächsten Fluch ab. Er spürte einen Stich in seinem Herzen. Wie konnte er nur zu ihr durchdringen, damit sie auf ihn hörte und aus ihrer Dunkelheit wieder erwachte? Die Traurigkeit und die Verzweiflung, die nach seinem Herz griff, versuchte er von sich zu weisen. Er durfte sich durch keine seiner Gefühle manipulierbar machen. Scorpius musste wie bei einem Patronuszauber an schöne Dinge denken, damit der Puppenspieler keine Chance hatte ihn weiter zu beeinflussen. Zumindest hofften sie, dass das die Lösung war. „Ist dir eigentlich klar, was du getan hast, Rose?!“, schrie er ihr zwischen zwei Zauber zu. „Hugo war dein Bruder, den du über alles liebst!“ Vielleicht konnte er an ihr Gewissen appellieren und sie so immerhin an ihren Verlust erinnern. Es brachte Rose für eine Sekunde aus dem Tritt und es gelang ihm fast sie zu schocken, doch im letzten Augenblick zog sie ein Schild, um den Zauber abprallen zu lassen. Doch für ihn war dieser kurze Moment ein Erfolgserlebnis. Sie hatte noch ein Gewissen und tief in ihrem Inneren musste sie wissen, was sie getan hatte und bedauerte es zutiefst. „Rose, wenn du Angst hast nach Hause zurückzukehren, musst du dir keine Sorgen machen. Niemand macht dir Vorwürfe. Alle wollen nur dass du zurückkommst. Deine Eltern vermissen dich“, versuchte Scorpius sich weiter an ihr Gewissen zu wenden. „Das ist nicht mehr mein Zuhause“, erwiderte Rose wütend. „Ich habe eine neue Familie.“ Ihre Attacken wurden wütender, was ein Zeichen dafür war, dass sie wie so oft die Beherrschung verlor über das was er gesagt hatte. Irgendwo in ihr war noch die alte Rose. Die, die er insgeheim immer geliebt hatte. Er musste sie nur noch wachrütteln. ~~~ James hatte Scorpius das Zaubereiministerbüro überlassen, da es nur noch eine Frage der Zeit war bis die Abtrünnigen sich an ein Attentat auf den höchsten Posten des Ministeriums versuchen würden. Allen Berichten zufolge würde dies entweder durch Liam Pucey, Rose oder – sein Magen drehte sich bei diesem Gedanken um – Lily ausgeübt werden. Die drei galten als die gefährlichsten und brutalsten und mussten unter allen Umständen ausgeschaltet werden. Scorpius und er hatten Monate trainiert, um besser zu werden. Aber James war nicht dumm. Die drei würden am schwierigsten umstimmen zu sein, da sie am tiefsten in der Manipulation steckten. Er wollte sein Glück lieber zuerst bei Albus versuchen, der zurückhaltender war. Er hoffte insgeheim, dass sein Bruder Zweifel plagten und er am einfachsten zu ihm durchdringen konnte. James hatte einen Posten außerhalb des Ministeriums bezogen, da er hoffte Albus in einer Seitengasse abfangen zu können und dadurch keine größeren Gefahren für Unschuldige heraufzubeschwören. Albus war nicht alleine, als James ihn ausmachte. Natürlich nicht. Sie waren immer zu zweit unterwegs. Bei ihm war anscheinend Claire Parkinson, die keine große Gegnerin für ihn sein durfte. Die beiden schienen es nicht eilig zu haben und waren in einem flüsternden Gespräch vertieft, wodurch sie ihn noch nicht bemerkt hatten. James hielt seinen Zauberstab bereit, als er sich den zwei in den Weg stellte. „Albus“, sagte er mit drohendem Unterton in der Stimme. Sein Bruder musste ihm zuhören. Er musste seine Fehler wiedergutmachen können. Albus war wie erstarrt stehen geblieben und Claire neben ihm zog ihren Zauberstab, aber griff nicht an. So verharrten sie einen Augenblick bevor auch Albus in Angriffstellung ging. „Geh beiseite, James.“ Keine Drohung in der Stimme seines kleinen Bruders, aber er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten und ihn davor warnte diese Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Er musste verdammt vorsichtig sein und durfte sich nicht davon beirren lassen. „Ganz sicher nicht“, gab James zurück. „Erst einmal hörst du mir zu.“ Er atmete tief durch und wartete ab, ob Albus ihn angriff oder ihn weiterreden ließ. Die Sekunden schienen sich zu dehnen, doch es passierte nichts. Noch nichts. „Komm nach Hause“, bat James ihn und konnte selber hören, wie seine Stimme dabei brach. Wie sehr vermisste er Albus. Wie sehr vermisste er Lily. Ohne seine Geschwister fühlte er sich leer. Es gab keine Familie mehr, zu der er immer zurückkommen konnte. „Ich brauche dich, Al“, gestand er sich ein. „Ohne dich geht es nicht.“ Der Potter ließ den Zauberstab sinken und ging auf seinen kleinen Bruder zu, der nichts tat, als nur wie erstarrt dazustehen. James kannte diesen Gesichtsausdruck. Albus versuchte standhaft zu sein, doch war ganz kurz davor einzuknicken. Ihn trennten noch zwei Schritte von seinem Bruder, den er in den Arm schließen wollte, als ein Schrei ihn alarmierte. Es riss auch Albus und Claire wieder aus ihrer Starre und im nächsten Augenblick zischte an James ein Zauber knapp vorbei. Hinter den beiden war Lorcan aufgetaucht. Lorcan war ein verdammt guter Duellant und würde es James nicht einfach machen. Ihm blieb nicht viel Zeit. Er packte seinen Bruder und sah ihm direkt in die Augen. „Mir tut alles schrecklich leid. Bitte gib mir keine Schuld. Lass dich nicht weiter vom Puppenspieler manipulieren, hörst du? Es gibt keinen Grund für dich dort zu bleiben. Komm heim!“ James hatte das Bedürfnis seinen Bruder durchzuschütteln, aber Lorcan kam immer näher und schoss bereits den nächsten Zauber ab. Doch er hatte das Gefühl im Nebel seines Bruders hatte sich etwas gelichtet und er war zu ihm durchgedrungen. Es musste einfach geklappt haben. „Was treibst du da Albus?“, fauchte Lorcan wütend. „Du versaust den ganzen Plan.“ Albus richtete seinen Zauberstab wieder auf seinen Bruder und James machte sich bereit es mit den drei auf zu nehmen, aber dann explodierte hinter ihnen das Zaubereiministerium und die Welt um ihn herum wurde schwarz, als ihn eins der Trümmerteile traf. ~~~ Rose hatte auf diese Gelegenheit solange gewartet, dass ihr alles um sie herum egal war. Die Wut, die sie noch gespürt hatte, als ihr klar geworden war, dass man sie reingelegt hatte und dass Scorpius ihren Plan durchkreuzt hatte, war verschwunden. Es war egal wie sie herausgefunden hatte, dass sie heute hier angreifen würde. Sie wollte einfach nur ihre Rache ausleben und auskosten. Scorpius hatte seine Duellfähigkeiten weiterentwickelt in den fünf Monaten, die seit der Schlacht vergangen war, aber er war ihr immer noch nicht gewachsen und langsam aber sicher knickte er ein. Doch bevor sie ihn entwaffnen konnte, tauchten Alice und Louis hinter ihr auf. Scorpius grinste und Rose wurde klar, dass er sie in eine Falle gelockt hatte. Er war nicht so dumm es alleine gegen sie zu versuchen. Auch Alice und Louis hatten ihre Duellfähigkeiten aufpoliert, doch Rose sah immer noch all die Schwachstellen, die sie in ihrer Verteidigung hatten. „Levicorpus“, schrie Rose und im nächsten Augenblick baumelte Alice kopfüber in der Luft. „Alice“, rief Louis entsetzt und ließ sich dadurch ablenken, wodurch Rose ihn entwaffnen konnte. Sie musste innerlich über die Situation lachen. Begriffen diese Idioten denn nie, dass sie tausendmal besser als jeder andere von ihnen war? Ihr einziges, großes Talent, in der ihr niemand so schnell etwas nachmachen konnte, war schon immer das Duellieren gewesen. Sie war nicht umsonst unbesiegt im Duellierklub. Aber diese Idioten glaubten ja daran, dass sie es zu dritt gegen sie schaffen würden, aber da hatten sie sich getäuscht. Schon wieder stand es Scorpius gegen sie, dem sein Grinsen auch wieder vergangen war. Sie wollte ihn noch mehr quälen. Seine Worte vorhin waren für sie wie Gift gewesen. Wie konnte er es nur wagen und sie an den Tod ihres Bruders erinnern? Daran war nur Scorpius Schuld gewesen. Er war der einzige, den es zu beschuldigen galt. Von Hass erfüllt ließ sie mit einem starken Zauber sein Schutzschild in tausend Splitter zerspringen. Dieses Mal würde sie sich nicht mit dem Foltern aufhalten. Dieses Mal würde sie ihm endgültig den Garaus machen. Rose hob den Zauberstab und Scorpius erwiderte gefasst ihren Blick. Er hatte noch seinen Zauberstab in der Hand, doch er ließ ihn sinken, so als würde er aufgeben und der Todesfluch auf Roses Lippen erstarb bevor sie ihn ganz ausgesprochen hatte. Sie verstand die Welt nicht mehr. Dann war plötzlich Nathan neben ihr. „Rose wir müssen hier raus.“ Der Moment der Irritation war vorbei. „Nein ich muss es zu Ende bringen.“ „Hör mir zu Rose. Liam wird gleich alles in die Luft sprengen. Wir müssen jetzt hier raus.“ Nathan zog sie mit sich ohne auf ihre Antwort zu warten. Sie warf einen letzten Blick zurück in das Büro und sah wie Scorpius Alice von der Decke herunterholte. Hoffentlich schaffte er es rechtzeitig aus dem Gebäude, dachte sie nur und schüttelte kurz den Kopf überrascht von diesem Gedanken. Dann beruhigte sie sich wieder und verdrängte ihre verwirrten Gefühle, um sich dem Nebel hinzugeben. Ihr nächster Gedanke passte wieder besser zu ihr. Er sollte überleben, damit sie noch das Vergnügen hatte ihn eigenhändig umzubringen. ~~~ Roxanne musste husten, als sie wieder bei Sinnen war. Der Staub und die Asche um sie herum machte ihr das Atmen schwer. Sie versuchte im Trümmerfeld Dominique und Molly auszumachen, die eben noch neben ihr gestanden hatten bevor die Explosion sie von den Füßen gerissen hatte. Von ihren Gegnern – den Flintgeschwistern – fehlte jede Spur. Wahrscheinlich waren sie schon längst abgedampft. Sie waren schließlich anscheinend ziemlich erfolgreich bei ihrer Mission gesehen, während Roxanne das Gefühl hatte an ganzer Linie gescheitert zu sein. Ihren Bruder hatte sie nicht zu Gesicht bekommen geschweige denn einen anderen ihrer vermissten Verwandten. Sie hoffte, dass die anderen erfolgreicher bei ihrer Mission gewesen waren. Inzwischen hatte Roxanne ihre beiden Cousinen erspäht, die wenigen Meter von ihr entfernt sich wieder aus den Trümmern graben mussten. Sie beeilte sich selbst wieder auf die Beine zu kommen, um den beiden zu helfen. „Oh Shit“, murmelte Dominique, als sie endlich neben Roxanne und Molly stand. Sie hatte einige Blessuren, aber die meinte sie nicht, sondern der Trümmerhaufen, der vom Ministerium übrig geblieben war. Da hatte jemand wirklich ganze Arbeit geleistet. Von irgendwo in der Ferne hörte Roxanne eine Sirene. „Ob da noch Menschen drin sind?“, fragte Molly besorgt. „Oh bitte lass es nicht noch mehr Tote gegeben haben.“ „Die hat es sicher gegeben. Dieser Puppenspieler sorgt schon dafür, dass seine Arbeit gründlich erledigt“, erwiderte Roxanne und starrte unfassbar auf die Überreste. „Zum Glück haben wir unsere Eltern reingelegt. Die waren schon mal nicht da drin“, versuchte Molly die Sache positiv zu sehen. „Lasst uns die anderen suchen“, schlug Dominique vor und es war auch das Beste, was sie jetzt tun konnten. Lieber nicht daran denken, wie viele Menschen und vor allem wer dort gestorben war. In einer Nebengasse fanden sie James, der von einem Trümmerteil getroffen worden war. Molly kümmerte sich um seine Verletzung. Als James wieder bei Sinnen war, sah er sich entsetzt um. „Scorpius, Alice und Louis waren im Gebäude.“ Dominique keuchte erschrocken auf. „Warum waren sie im Gebäude? Ich dachte wir hätten gesagt, dass wir sie hier draußen abfangen würden?!“ James sah entschuldigend und betretend drein. „Scorpius wollte unter allen Umständen ins Gebäude und ich hab Alice und Louis mit ihm geschickt, damit er im Fall der Fälle nicht alleine dastehen würde.“ „Es wird ihnen schon gut gehen“, versuchte Molly Dominique zu beruhigen, die vor Sorge um ihren Bruder ganz blass geworden war. „James hat schon das Richtige getan. Zu dritt haben sie es sicher rausgeschafft.“ „Wir sollten lieber zurück bevor unsere Bewacher merken, dass wir verschwunden sind“, meinte James. „Wenn sie es geschafft haben, dann sind sie sicher auch schon zurück appariert.“ Dominique atmete tief durch und nickte. Sie griffen einander bei den Händen und ließ den Schutt und Asche hinter sich. Wenige Sekunde später waren sie inmitten eines grünen Landstrichs. „Lasst uns den Geheimgang nehmen“, meinte James. Roxanne schnaubte. „Ich wette die wissen bereits, dass wir weg gewesen sind, da können wir auch vorne rum reingehen. Irgendwann finden sie das mit dem Geheimgang sowie raus.“ James zuckte mit den Schultern. „Solange sie es nicht tun, können wir ihn nutzen.“ Da keiner Lust auf lange Diskussion hatten, nutzen sie den Gang, der direkt ins Gebäude führte. „Willkommen zurück im wunderschönen Malfoy Manor“, witzelte James, als sie in einem der Salons die Tür öffneten um unbemerkt wieder hereinzuhuschen. Roxanne gefiel es ganz gar nicht hier zu wohnen, aber die neue Sicherheitsvorkehrungen schrieben vor, dass alle Beteiligten unter Hausarrest und Beobachtung gestellt wurden, da man noch keine Möglichkeit gefunden hatte, herauszufinden, wer unter Beeinflussung stand und wer nicht. Astoria, die Frau von Draco Malfoy, hatte ihr Anwesen als Beobachtungsort angeboten und so wohnten sie die meiste Zeit über hier. „Ich brauch ein Bad“, meinte Roxanne und machte sich daran den Salon zu durchqueren, um zu den Zimmern im ersten Stock zu gelangen, als sie sah, wie eine große Gruppe in den Salon kam. Das gab richtig Ärger, dachte sie nur und blieb lieber gleich stehen, wo James, Molly und Dominique sich zu ihr gesellten. Sollten die Erwachsenen doch sagen, was sie sagen wollten. Davon ließ sie sich nicht einschüchtern. ~~~ James wusste, dass er als der Älteste den Kopf hinhalten musste. Darauf hatte er kein Bock, aber zeitgleich hatte er immer noch das Gefühl, dass er etwas erreicht hatte. Albus hatte ihm zugehört. Vielleicht konnte er Albus retten und das gab ihm Selbstvertrauen. „Wo zum Teufel wart ihr?!“, fuhr sein Vater sie auch gleich an. „Sagt bloß nicht, dass ihr da draußen wart. Wart ihr im Ministerium?!“ „Und wenn schon“, entgegnete Roxanne vorlaut an seiner Seite. Das war sicher nicht die klügste Taktik. Aber er hätte es sicher nicht besser hinbekommen, denn er konnte seine Meinung auch selten hinter dem Berg halten. „Und wenn schon?!“, donnerte sein Vater. „Ihr hättet dabei draufgehen können!“ „Das brauchst du uns nicht sagen“, erwiderte James. „Aber wir können hier nicht rum sitzen und nichts tun.“ Seine patzige Antwort verschlug seinem Vater kurz die Sprache, was seiner Mutter genug Zeit ließ einzuhaken, wobei James sich vor ihrem Zorn mehr fürchtete. „James, wir haben schon Albus und Lily verloren. Du kannst dich nicht auch noch in Gefahr bringen. Tu uns das bitte nicht an“, bat sie ihn leise und er sah ihren Schmerz. „Ihr habt doch auch gegen den dunklen Lord gekämpft und da wart ihr genauso alt wie wir“, warf Roxanne ein. „Wir werden schon nicht weiter manipuliert!“ „Das könnt ihr nicht versprechen“, meinte Onkel Percy. „Molly sei vernünftig und lass uns die Sache übernehmen. Und ihr anderen vergesst es auch.“ James spürte wie Molly sich unruhig neben ihm bewegte, aber nicht von seiner Seite wich, obwohl es ihr nicht gefiel gegen die Regeln ihres Vaters zu verstoßen. Sein Vater seufzte. „Wo sind die anderen?“ Da kam Scorpius wie aufs Stichpunkt aus dem Raum hinter ihnen geschossen und neben ihm war Louis, dessen Kleidung zerrissen und blutig war. Inzwischen war auch Lysander alarmiert von oben heruntergekommen. „Wo ist Alice?“, fragte er besorgt, da sie als einzige noch fehlte. „Im Krankenhaus“, gab Scorpius zerknirscht zu. „Was?!“, entfuhr Neville, der ebenfalls in der Gruppe der Erwachsenen stand. „Wie konnte ihr zulassen, dass sie verletzt wird?!“ „Neville“, versuchte Ginny ihn zu beruhigen. „Geh lieber ins Krankenhaus und kümmere dich um deine Tochter. Wir kümmern uns um die anderen.“ Neville ging mit einem wütenden Blick und James war beunruhigt. So hätte es nicht ablaufen sollen. So hätte es verdammt noch mal nicht ablaufen dürfen. Niemand sollte verletzt werden. „Lysander, deine neuen Theorien galten nur als Ablenkung, damit die anderen sich heraus schleichen konnten, um die verschwundenen Kinder zu suchen oder?“, fragte seine Mutter. Lysander straffte sofort seine Schultern. „Alles was ich euch gesagt habe, glaube ich wirklich. Er spielt eine Partie Schach und das bedeutet, dass er nicht mehr als 32 Figuren hat. Und von denen sind schon einige gestorben. Er teilt uns in weiße und schwarze Figuren auf. Deswegen sind auch nicht alle Manipulierten mit ihm gegangen.“ James nickte bekräftigend. Er fand Lysanders Theorie mehr als überzeugend, denn bis jetzt war noch niemand anderes der Manipulation verfallen. Es waren 12 Leute verschwunden, wenn man also davon ausging, dass einige der Toten ebenfalls schwarze Figuren gewesen, kam es genau hin. Luna seufzte. „Den Kindern ist nichts passiert. Wir sollten sie in Ruhe lassen. Sie sind genauso wie wir damals, da kannst du sie kaum bestrafen.“ Harry schnaubte wütend. „Meinetwegen, aber beim nächsten Mal kommt ihr nicht so glimpflich davon. Also verschwindet auf eure Zimmer.“ Sie drehten sich alle lieber schnell um und liefen die Treppe hoch, doch James machte auf halbem Weg kehrt und kam zurück. „Was ist noch James?“, fragte sein Vater ihn und auch seine Mutter blieb stehen. „Ich habe Albus gesehen“, flüsterte James, der seinen Eltern unbedingt wissen lassen wollte, dass es ihrem zweiten Sohn gut ging. „Ich hab mit ihm geredet.“ „Oh mein Gott. Und Lily?“, fragte sein Vater ihn heiser. Doch James konnte nur mit dem Kopfschütteln. Er wusste nicht wie es ihr ging, aber er hoffte so sehr, dass er seine Geschwister nach Hause bringen konnte. ~~~ Louis hatte sich mit Lysander zurück in die Bibliothek der Malfoys verzogen. Er versuchte verzweifelt sich von seinen Schuldgefühlen zu befreien, damit er nicht anfällig für die Manipulation wurde, aber er hatte die Bilder der herabstürzenden Gebäudeteile vor Augen und in seinen Ohren hallten noch immer die ohrenbetäubenden Schreie derjenigen wider, die es nicht herausgeschafft hatten. „Louis, denk nicht dran. Du hättest es nicht verhindern können“, versuchte Lysander ihm gut zu zureden. „Keiner von uns konnte das voraussehen.“ „So wie bei der Schlacht in der Halle? Hätten wir das auch nicht verhindern können? Warum können wir es nicht aufhalten? Warum können wir niemanden retten?“ Seine Stimme wurde lauter und verzweifelter. Ihm war nach Heulen zumute, so elend fühlte er sich. Auch Alice hatte er nicht beschützen können. Sie war schwer verletzt worden von einem der Trümmerteile. Es war nichts, was nicht wieder geheilt werden konnte, aber alleine die Tatsache, dass sie verletzt worden war, machte ihm so zu schaffen. Lysander sah ihn traurig an. „Glaub mir ich möchte diesem Wahnsinn auch nur noch ein Ende bereiten, aber dafür müssen wir uns konzentrieren und mit all den Informationen arbeiten, die wir haben, um zu verstehen, was der Puppenspieler tut, wie er manipuliert und was er will.“ „Er will die Zaubererwelt vernichten. Das ist doch klar!“, fauchte Louis wütend. „Ja aber warum? Und er geht auch nicht nur gegen eine Klasse von Zauberer vor, sondern gegen alle. Besonders gegen die in höhergestellten Positionen. Er muss also einen Hass gegen die Zauberregierung hegen. Möglicherweise ist er ein Squib und fühlt sich von der Zauberergesellschaft ausgestoßen und schlecht behandelt. Oder er hegt wegen etwas anderem seinen Groll. Aber das müssen wir herausfinden und dafür müssen wir uns auf die Sache konzentrieren. Ich weiß es ist schwerer als gesagt, aber blende alles aus, was du heute gesehen hast und hilf mir den Puppenspieler zu finden und zu fangen.“ Louis schluckte, weil er wusste, wie Recht sein bester Freund hatte. Er konnte der Welt am besten helfen, indem er den Puppenspieler stoppte. Aber er hatte so große Zweifel, ob es ihm gelingen würde, doch das aufmunternde Lächeln seines Freundes weckte in ihm wieder seinen Kampfgeist. Er richtete sich wieder auf und atmete tief durch um seinen Kummer zu bekämpfen, dann griff er sich einen Stapel Berichte und begann sie zum wiederholten Mal zu lesen. Irgendwo dort drin erhoffte er sich die Antwort. An irgendeiner Stelle musste dem Puppenspieler ein Fehler unterlaufen sein. Irgendetwas musste es geben, um ihn zur Strecke zu bringen. „Kann ich euch helfen?“, ertönte einige Stunde später hinter ihm die Stimme seiner Schwester, die furchtbar müde und abgekämpft klang. „Ich kann nicht schlafen.“ Lysander räumte Dominique einen Stuhl frei und sie ließ sich darauf fallen. „Wann finden wir endlich diesen Mistkerl?“, murmelte sie niedergeschlagen und griff sich den Stapel Bücher über Manipulationen, die Lysander herausgesucht hatte. „Bald“, versprach Louis und hoffte, dass es stimmte. „Wir sind sicher dichter dran, als wir glauben. Es ist sicher ein ganz offensichtliches Detail, das wir übersehen, weil wir es nicht für bedeutend halten. Wir müssen nur genau hinschauen, dann finden wir die Wahrheit direkt vor unseren Augen liegend“, machte Lysander ihnen Mut. Louis nickte und in einträchtigem Schweigen arbeiteten sie gemeinsam weiter, während in seinen Ohren immer noch die schmerzerfüllten, verzweifelten Schreie erklangen. ~~~ Dominique war als letzte in der Bibliothek geblieben, da sie nicht schlafen konnte und auch nicht wollte. Die Angst saß tief in ihr drin und ließ sie nicht los. Dieses Mal war sie dabei gewesen und hatte mitgekämpft. Es war ein grausames Spiel gewesen und sie hätte es beinahe mit dem Leben bezahlt. Wäre die Explosion nicht geschehen, hätte Jane Flint ihr den Todesfluch verpasst, weil sie einen Augenblick nicht aufgepasst hatte, aus dem Gleichgewicht geraten war und gestolpert war. Nur ein paar Sekunden später und sie wäre tot gewesen. Aber für ihr Glück waren duzende andere Menschen umgekommen. Es gab noch keine bestätigten Zahlen, aber Dominique fühlte sich schrecklich, weil die Explosion ihr Leben gerettet hatte und andere das ihre gekostet hatte. Deshalb konnte sie nicht schlafen gehen. Sie musste diesem Wahnsinn eine Ende bereiten und den Puppenspieler finden, damit niemand mehr sterben musste. „Hey, was machst du noch hier?!“, ertönte hinter Dominique eine ihr vertraute Stimme und sie drehte sich überrascht um. Patrouillierten die Erwachsenen jetzt schon nachts? Es war John Blotts, der ehemalige Bibliothekar der Hogwartsschule, der sie misstrauisch ansah. „Ich konnte nicht schlafen“, antwortete sie. Sie hatte seit Monaten nicht mehr an den Bibliothekar gedacht, den sie hatte unbedingt verführen wollen, um aus dem Schatten ihrer Schwester zu treten. Und der ihr klar gemacht hatte, dass sie auf eine ganz andere Art toll war. Beim Gedanken an seine Worte an ihr, spürte sie die Röte in ihr Gesicht steigen. „Du solltest dich aber hinlegen und schlafen. Müde und unkonzentriert bist du sicher in einer viel größeren Gefahr manipuliert zu werden.“ Er beugte sich vor und griff nach dem Buch, das sie gelesen hatte und las aufmerksam den Titel. „In solchen zweitklassigen Büchern findet ihr sicher nicht die Antwort“, meinte er nur abschätzig. Dominique zog ihm das Buch wieder aus der Hand und sah ihn mit funkelnden Augen an. „Also sollen wir es lieber aufgeben? Wir wollen aber nicht tatenlos zusehen!“, fauchte sie. Der ehemalige Bibliothekar hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe doch gar nichts in diese Richtung gesagt. Ich finde nur du solltest schlafen gehen.“ Dominique drehte sich trotzig um und schlug ihr Buch wieder auf. Der Bibliothekar konnte ja noch so süß und sexy sein wie er wollte, dass würde sie nicht stoppen. Sie würde nicht eher aufgeben bis sie den Puppenspieler gefunden hatte. Sie hörte hinter sich ein Seufzer. „Warum bist du nur so anstrengend?“ Die Gryffindor musste grinsen, aber sie ignorierte ihn weiterhin und las einfach weiter. Er setzte sich neben ihr und griff nach einem anderen Buch von dem Stapel. Sie war dadurch irritiert und konnte nicht ganz einordnen, was er vorhatte. Wollte er ihr gerade wirklich helfen? Die anderen Erwachsenen schimpften immer nur mit ihnen, wenn sie sie bei ihren Recherchen erwischten und scheuchten sie aus der Bibliothek wieder heraus. Doch John Blotts schien nur um ihre Gesundheit besorgt zu sein. Dominique spürte wie ihr Herz ein wenig schneller schlug, als ihr klar wurde, dass sie schon wieder ganz alleine mit dem ehemaligen Bibliothekar war und er so dicht neben ihr saß, dass sie seine Wärme förmlich spüren konnte. Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu, wie er höchstkonzentriert sein Buch las und seine umwerfenden blauen Augen auf die Seiten des Buches geheftet waren, das er einfach so zu überfliegen schien. Vielleicht fand er eine Antwort. Er bemerkte ihren Blick und legte den Kopf schief. „Ich dachte wir hätten geklärt, dass du von deinem Vorhaben mich zu verführen Abstand nimmst.“ Dominique schoss die Röte sofort ins Gesicht. „Ich...ich...“, stammelte sie nur im Versuch sich zu erklären. Er winkte ab und legte das Buch beiseite. „Du bist ein kluger Kopf und wirst eine Lösung finden, aber nicht in diesen Büchern. Der Puppenspieler hält sich für gerissen und wird nicht auf eine x-beliebige Methode zurückgreifen, die jeder einfach nachschlagen kann. Wenn es in einem Buch steht, dann in einem sehr alten, extrem seltenen. Also leg dich jetzt schlafen und fang morgen noch einmal von vorne an. Ausgeschlafen lässt es sich am besten nachdenken, nicht wahr?“ Dominique nickte nur, da ihr noch immer die Worte fehlten und sie legte ihr Buch beiseite. Sie folgte ihm nach draußen auf den Flur und wand sich in Richtung Schlafgemächer. „Schlaf gut, Dominique“, flüsterte er ihr noch zu bevor er seine Patrouille fortsetzte. ~~~ Albus hatte bis zur Nacht gewartet, um mit Rose zu reden. Vorher hatte sie wütend mit Nathan und Liam gestritten, weil sie nicht verstehen konnte, warum ihr niemand von dem Plan, das Zaubereiministerium in die Luft zu sprengen erzählen hatte und dass das der Grund gewesen war, warum sie schon wieder Scorpius nicht hatte töten können. In dieser Zeit hatte er genug Raum für seine Gedanken gehabt, die nach dem Gespräch mit seinem Bruder aufgekommen waren. James hatte ihn um Verzeihung gebeten und ihn angefleht nach Hause zu kommen. Er hatte seinen starken Bruder noch nie so verzweifelt gesehen und es versetzte ihm ein Stich ins Herzen. Überhaupt der Gedanke Zuhause machte ihn mit einem Mal so traurig. Zwar war mit Lily ein Teil seiner Familie hier, doch er hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie noch seine Schwester war. Rose glitt ihm weiter durch seine Finger wie feiner Sand, den er nicht festhalten konnte und so fühlte er sich schrecklich alleine. Claire hatte sich zu ihm gesellt und beobachtet mit ihm zusammen von der Treppe aus den Streit in der Halle. Mit ihr an seiner Seite fühlte er sich nicht mehr ganz so einsam und er versuchte die Gedanken wieder zu verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Er hörte James „Ich brauch dich“ in seinen Ohren widerhallen und konnte sich nicht davon losreißen. James hatte gesagt, dass es für ihn kein Grund gab hier zu bleiben und ihm wurde klar, dass wenn Rose nicht wäre, er auch nie mit hierher gekommen wäre. Er verabscheute das Foltern und Töten und wollte wieder er selbst sein. Er wollte aus dem Nebel erwachen und wieder das Gefühl haben, dass er die Kontrolle über sich selbst hatte. Sein Bruder hatte von einem Puppenspieler gesprochen. Schon wieder hatte jemand gesagt, dass sie manipuliert werden. Und was hatte sein Bruder für einen Grund um ihn zu belügen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass James vorhatte ihn zu fassen und ins Gefängnis zu bringen, auch wenn er es verdient hatte für all seine blutigen Taten. Albus hatte Angst vor dem Augenblick an dem er aus dem Nebel erwachen würde und neben Rose war das der einzige andere Grund, der ihn hier hielt. Wenn Rose wegfiel aus der Gleichung, hätte er dann den Mut um wieder nach Hause zurückzukehren? Endlich löste der Streit sich unten auf und Rose kam die Treppe hoch. Claire huschte sofort davon, da sie wusste, dass er mit Rose alleine reden wollte. Er war ihr dankbar dafür und konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie vor drei Tagen noch kein Wort miteinander gewechselt hatten, denn er fühlte sich ihr jetzt schon so nah, als wären sie seit Jahren befreundet. Rose umarmte ihn und er zog sie fest an sich heran, um den Augenblick zu genießen und er hatte Angst vor dem Moment, wo er sie wieder loslassen musste. „Ich fühle mich so betrogen“, murmelte sie. Er strich ihr mitfühlend über den Rücken. „Komm denk nicht mehr daran. Lass uns noch oben gehen“, schlug er vor, auch wenn er sie dadurch loslassen musste. Rose löste sich von ihm und gemeinsam gingen sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Albus atmete tief durch und wappnete sich vor dem, was jetzt kommen würde. Er hatte immer Angst vor dieser Frage gehabt, doch heute musste er eine Antwort darauf wissen. „Rose“, begann er und sie drehte sich zu ihm. „Liebst du mich?“ Sie schwieg. Das hatte er befürchtet und war schon Antwort genug. Er spürte wie sein Herz sich in tausend Stücke zerriss. Er hatte es gewusst, hatte aber davor genauso die Augen verschlossen wie vor den Morden. „Nein“, antworte Rose dann ganz langsam und in Albus zerbrach etwas innerlich. Der Moment war gekommen die Augen zu öffnen und dem Nebel zu entfliehen. ~~~ Rose hatte keinen Grund Albus länger zu belügen. Sie hatte ihn nie verletzten wollen und sein verzweifelter Blick riss in ihr ebenso Wunden auf wie ihre Worte bei ihm. Sie hatte immer gehofft, dass er sie das nie fragen würde, aber irgendwann hatte der Augenblick einfach kommen müssen und jetzt zerbrach alles. Ihr wurde klar, dass sie es ohne Albus nicht schaffen würde. „Ich brauche dich“, flüsterte sie und umarmte ihn. Er schob sie nicht von sich und sie küsste ihn leidenschaftlich, doch er erwiderte den Kuss nicht. Er fühlte sich an, als wäre er zu Eis erstarrt und sie hielt ihn noch fester, in der Hoffnung ihn wieder auftauen zu können. Albus war ihr bester Freund und alles, was sie jemals wollte. Warum konnte sie ihn nur nicht lieben? Warum hatte er sie nur fragen müssen? Es war alles so schön gewesen. Hätte sie Scorpius heute umgebracht, wäre es perfekt gewesen und sie hätte Scorpius endlich vergessen können. Und dann hätte sie sich in Albus verliebt und wäre mit ihm glücklich geworden. „Rose, lass mich los“, sagte Albus plötzlich aus der Starre wieder erwacht. Sie hörte nicht auf ihn und umschlang ihn weiter. Rose wusste genau, wenn er jetzt durch die Tür ging, würde er nicht wieder zurückkommen. Sie konnte ihn nicht verlieren. Sie hatte schon ihren Bruder verloren. Doch er löste sich von ihr und schob sie beiseite. „Es tut mir leid, Rose, aber ich kann das nicht mehr.“ Albus sah sie noch einmal lange an und sie konnte seinen Schmerz nicht nur sehen, sondern mit jeder Faser ihres Körpers auch spüren. Dann drehte er sich um und ließ sie alleine zurück. Sofort ließ Rose sich vom Nebel übermannen, um den Schmerz nicht länger ertragen zu müssen. Sie wollte sich in ihrem Zorn und ihrem Hass verlieren. Kein Kummer sollte sie schwächen und von ihrem Ziel abhalten. Doch es gelang ihr nicht wirklich. Sie lag im Bett und zum ersten Mal fühlte sie sich einsam. Bis jetzt hatte sie jeden Gedanken an ihre Familie verdrängt, aber jetzt brach es in ihr hervor und der Nebel konnte es nicht zurückhalten und sie davor bewahren. Rose kamen plötzlich die Tränen und sie schluchzte laut auf. Hugo war tot. Ihre Eltern hassten sie. Und Albus hatte sie verlassen. Niemand war mehr für sie da. Sie ertrug es nicht mehr und sie schrie in ihr Kissen, weil der Schmerz sie überwältigte. Hugos lächelndes Gesicht im Augenblick seines Todes tanzte vor ihren Augen und ließ sich nicht überblenden. Rose bekam Panik und versuchte sich von ihrer Trauer und ihrem Schmerz zu befreien, doch der Nebel wollte sie nicht erretten und so litt sie. Zu Hugos Gesicht gesellten sich all die anderen Gesichter, aber von ihnen lächelte niemand, sondern deren Mienen waren vor Schmerz entstellt. „Bitte, lasst mich in Ruhe“, flüsterte Rose. „Bitte.“ Ihre Verzweiflung ließ sie nicht los und sie wollte nur, dass es aufhörte. Sie fühlte sich als würde sie auseinander brechen. Ohne Albus hatte sie nichts mehr, was sie zusammenhielt. Sie schrie und hoffte, dass es aufhörte. Es sollte aufhören und der Nebel sollte kommen. Sie drehte völlig durch und fühlte sich wie eingesperrt in ihrem eigenen Körper. Warum kam Albus nicht zurück? Warum rettete er sie nicht? Sie war so allein. So einsam. So verzweifelt. ~~~ Scorpius lag wach in seinem Zimmer, das er sich mit James teilte. Er konnte hören, dass auch James noch wach lag und den Tag Revue passieren ließ, da er ungleichmäßig atmete und sich ständig in seinem Bett herumrollte, so als könne er keine Ruhe und Schlaf finden. „James?“, fragte Scorpius in die Dunkelheit des Zimmers. „Glaubst du sie kommen zurück?“ Er hörte wie sich James herumrollte und vermutlich nun zu ihm herübersah, was er aber in der Schwärze nicht ausmachen konnte. „Ich hoffe es. Ich hatte das Gefühl, dass ich heute Albus erreicht habe, aber ich weiß es nicht. Ich hoffe es nur.“ Scorpius seufzte. „Rose hat mir nicht zugehört. Sie glaubt mir einfach nicht. Vielleicht kommt jemand anders besser zu ihr durch. Mir wird sie nie zuhören.“ „Hm“, machte James. „Ich glaube, dass du sie als einziger zurückholen kannst, denn du bist der Grund, warum sie so geworden ist. Nur du kannst sie vom Gegenteil überzeugen.“ Der Malfoy war dankbar für die Worte seines Freundes. Er hätte nie gedacht, dass er sich mit dem ältesten Potter-Spross jemals verstehen würde, aber nun hatte er ein ähnliches Gefühl wie bei Albus. Ob sein Vater mit Harry Potter vielleicht auch so eine Freundschaft hätte aufbauen können? Er glaubte daran. In anderen Zeiten war es möglich. Und sein Vater war ein guter Mensch, der nur zuviel Angst davor gehabt hatte er selbst zu sein. Scorpius hoffte, dass James Recht hatte, dass er zu Rose durchdringen würde. Nur hoffentlich geschah das bevor es für sie keinen Ausweg mehr gab. Er wusste auch nicht wie es für Rose weitergehen würde, wenn er sie zurückholen konnte. Ihm war selbst klar, dass es keinen so schönen Ausgang wie im Märchen nehmen würde. Rose war eine Mörderin und würde damit leben müssen. Konnte er ihr beistehen? Konnte er den Rest seines Lebens für sie da sein? Scorpius sah zur Zimmerdecke hinauf. Er hatte seine Gefühle für Rose immer geleugnet, doch er glaubte daran, dass sie stark genug waren, um all das hier zu überstehen. Er würde Rose nach Hause holen und sie dann nie wieder gehen lassen. Er würde für sie da sein und ihr durch diese Hölle hindurch helfen. Es würde ein Happy End geben. Und auch Albus würde er zurückholen. Jeden einzelnen würde er aus den Fängen des Puppenspielers befreien und er würde dieser unheimlichen Schachpartie ein Ende setzten. Es musste ein Ende haben und ein neuer Frieden würde im Land wieder Einzug einhalten. Daran musste er glauben und daran festhalten. Kurz vor dem rettenden Licht am Ende des Tunnels ist es immer am Dunkelsten, so hatte seine Mutter jedes Mal zu ihm gesagt, wenn er kurz davor gewesen war aufzugeben und daran dachte er auch jetzt. Das Licht war schon zum Greifen nah. Die Dunkelheit würde verschwinden. Nur noch ein bisschen aushalten. Dann waren sie am Ziel. Und mit diesem Gedanken schlief er ein. ~~~ Claire hatte es gewusst und sich selbst vorbereitet, um mit Albus gehen zu können, doch als er die Treppe hinunter kam, war sein Schmerz so greifbar, dass sie das Gefühl hatte, wenn sie die Hand zur Faust ballen würde, dass sie darin ein Teil von seinem Herz auffangen könnte. Sie war selbst bereits so oft abgewiesen worden, dass sie nicht mehr zählen konnte, wie oft sie ein gebrochenes Herz erlitten hatte, aber diese Art von Schmerz kannte sie nicht. Er hatte Rose wirklich aus ganzem Herzen geliebt und ihr Verlust glich für ihn dem Ende der Welt. Er sah sie an und sie wusste, dass er erkannte, dass er nicht alleine war. Sie brauchte nichts zu sagen. Allein ihre Anwesenheit war ihm Trost genug und das musste für den Augenblick reichen. Er stellte sich neben sie und sie sah sich noch ein letztes Mal um bevor sie dieses Haus für immer verlassen würde. Sie würde es nicht vermissen. Sie würde nichts hiervon vermissen. Sie waren nie eine wirkliche Familie gewesen und das hier war auch nie der Ort gewesen, wo sie hingehört hatte. Dieses Haus war nur ein Tor zur tiefsten Hölle aus der sie nun entfliehen würde. Sie griff nach der Hand von Albus und er erwiderte ihren Händedruck sanft. Dann löste sich alles um sie herum auf und sie disapparierten. Claire hatte es Albus überlassen einen Ort auszusuchen und so war sie überrascht, als sie in einem Park landeten. Sie hatte schon damit gerechnet, dass sie sich gleich auf dem Heimweg machten, aber ehrlich gesagt wusste sie gar nicht, ob sie schon dazu bereit war nachhause zurückzukehren. Albus ließ sich auf einer Parkbank nieder und Claire setzte sich zu ihm. Er wollte nicht reden, sondern hing nur seinen Gedanken hinterher und auch sie ließ zu, dass ihre Gedanken sie übermannten. Sie vermisste ihr Zuhause. Ihre Halbschwester und sogar ihren Stiefbruder. Ebenso ihre Mutter und ihren Stiefvater. Sie wollte nachhause und alles vergessen, aber sie wusste, dass das unmöglich war. Mit all ihren Taten mussten sie von nun an leben. Vielleicht sollte sie eine Ausbildung im St. Mungo beginnen, um für ihre Taten Buße zu leisten. Dort konnte sie Menschen das Leben retten und so für jedes Menschenleben, das sie genommen hatte, hunderte retten. Claire lächelte, weil das ein schöner Plan war und sie so ein Ziel in ihrem Leben hatte. Sie warf Albus einen Seitenblick zu. Hoffentlich fand er auch eine Möglichkeit, um mit dem Geschehenen weiterzuleben. Sie durften sich nicht davon einkriegen lassen. Aus dem Bedürfnis heraus Albus Trost zu spenden, lehnte sie sich an ihn und er ließ es zu. So saßen sie gemeinsam auf der Bank, sahen in den Himmel, hingen schweigend ihren Gedanken nach und warteten auf den nächsten Morgen, der sie nachhause bringen würde und alles verändern würde. ~~~ Lorcan hatte Albus mit Claire verschwinden sehen und stand nun alleine im Flur, um seine Gedanken nachzuhängen. Der Puppenspieler begann Figuren zu verlieren. Er fragte sich was das für Auswirkungen haben würde. Würde sich überhaupt etwas ändern oder verließen die Figuren nur das Schachbrett und konnten nicht mehr in das Geschehen eingreifen? War es eine andere Form des Geschlagenseins? Weil dann hatte es keine Konsequenzen, wenn Albus und Claire verschwanden. Sie waren als Figuren damit erledigt und würde keine Chance haben weiter einzugreifen. Lorcan musste bei dem Gedanken grinsen. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie verzweifelt Albus sein musste, wenn ihm klar wurde, dass es für ihn kein Weg zurück mehr in die Schlacht gab und er Rose zurückgelassen hat. Der Scamander fragte sich, was der Verlust von Albus für eine Auswirkung auf die Weasley gehabt haben musste. Sie war vorher schon nicht besonders stabil gewesen, dann musste sie jetzt endgültig unberechenbar geworden sein. Das fasziniert ihn und er beschloss nach Rose zu sehen. Er bewunderte den Puppenspieler für seine perfekte Arbeit. Es war so interessant dabei zuzusehen, wie sich alle im Nebel verloren und wenn sie daraus erwachten in die Verzweiflung stürzten. Es machte ihm Spaß, aber zeitgleich erlebte er es am eigenen Leib. Es war eine abgeschwächte Version, weil er wusste, was kam und sich dagegen wappnen konnte, aber manchmal erwischte es ihn eiskalt und er konnte sich der Verzweiflung, die ihn befiel, nicht erwehren. Lorcan blieb vor der Tür des Zimmers von Rose und Albus stehen. Die Tür stand offen und er konnte Rose schluchzen hören. Es ging ihn eigentlich nichts an. Er sollte sich einfach wieder umdrehen und gehen, denn sobald er sich mit hineinziehen ließ, würde er vielleicht auch nicht mehr aus der Verzweiflung herauskommen, doch er blieb stehen. Er klopfte vorsichtig an der Tür, aber Rose reagierte nicht darauf, hatte ihn möglicherweise gar nicht gehört. Lorcan schubste die Tür ein Stückchen weiter auf und sah Rose auf ihrem Bett sitzen. Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf darauf zum Liegen gebracht, sodass sie ihn nicht sah, als er hereinkam. Alles in ihm schrie und wollte, dass er umdrehte. Er wusste es selbst besser, wenn er sich nur um eine einzige Person kümmerte, war er angreifbar. Ihn und Rose verband auch nichts. Er kannte sie nicht besonders gut, aber ihr Kummer berührte ihn und machte ihn weich. Er setzte sich neben ihr aufs Bett und wartete darauf, dass sie reagierte, doch sie machte keine Anstalten ihre Position zu ändern und das Schluchzen zu unterbrechen. Damit konnte er nicht wirklich umgehen. Es fiel ihm schwer auf die Gefühle anderer Menschen einzugehen. Nur bei seinem Bruder funktionierte das. Er berührte Rose zaghaft an der Schulter und sie blickte hoch. „Lorcan?“, fragte sie mit einer überraschten Stimme. Sie klang normal, aber er wusste, dass das nicht der Fall war. Er konnte es hinter ihren Augen toben sehen und ihre Ruhe war nur gespielt. Er hätte nicht hierher kommen sollen, denn er wusste, dass er nicht mehr gehen konnte. „Er ist weg oder?“, fragte Rose leise und Lorcan konnte nur nicken. „Bleibst du bei mir?“, bat sie ihn und griff nach seinem Ärmel. Er wusste es war ein Fehler, wenn er nicht ging, aber er bewegte sich nicht. Er ließ es geschehen, als Rose sich an ihn schmiegte und wehrte sich nicht, als sie ihn küsste. Das alles war pure Verzweiflung und er erlebte sie durch Rose an der eigenen Haut, doch er hieß sie mit offenem Armen willkommen, denn es faszinierte ihn und er wollte noch mehr davon erfahren. Sie waren doch schon längst alle für immer verdammt. Kapitel 13: Fate seduces ------------------------ Rose erwachte mit den Sonnenstrahlen. Sie blinzelte einen Augenblick gegen das Licht bevor sie die Augen ganz öffnete und beobachtete wie Staubpartikel durch die Luft tanzte. Es sah aus als würden sie leuchten und die Rothaarige wollte ihre Hand danach ausstrecken, aber dann verschwand die Sonne hinter einer Wolke und im Zimmer wurde es wieder dunkel. Enttäuscht ließ Rose die Hand wieder sinken und drehte sich um. Albus lag noch neben ihr und schlief, aber dann wurde ihr klar, dass es nicht Albus, sondern Lorcan war, der neben ihr lag, was ihr einen Stich ins Herz versetzte. Sie erinnerte sich an ihre Verzweiflung und an ihren Kummer über den Verlust von Albus. Lorcan war gekommen, um nach ihr zu sehen und sie hatte ihre Chance ergriffen. Er hatte sich einfach mitziehen lassen ohne eine Miene dabei zu verziehen. Ohne eine Gefühlsregung. Sie beneidete ihn darum. Warum gelang es ihr nicht ihre Emotionen auszublenden? Sie fühlte sich innerlich wieder ruhiger und auch gestärkt, aber der Wahnsinn, der sie gestern gepackt hatte, war nicht verschwunden. Er lauerte in ihr, bereit zuzugreifen, wenn sie die Kontrolle verlor. Bereit sie die Klippe hinabzustürzen. Sie konnte nie wieder nachhause. Dieser kurze Augenblick. Dieser Gedanken, den sie sich eingestehen musste. Er würde sie verschlingen, aber er entsprach der Wahrheit. Es gab für sie keine Hoffnung mehr. Sie war verloren, unfähig umzukehren. Alle Welt hatte sie verlassen. Selbst Lorcan, der bei ihr geblieben war, hatte keine echten Gefühle für sie. Er war nur aus Mitleid bei ihr geblieben. Einen tieferen Grund hatte es nicht gegeben. Aber er war geblieben und vielleicht reichte das für den Augenblick, den sie wollte nicht einsam sein. Sie schmiegte sich enger an ihn und lächelte entrückt von der Welt vor sich hin. Es gab keinen Weg zurück für sie und sie wollte auch gar nicht umkehren. Sie wollte im Nebel versinken. Dort war ihr Platz jetzt. Sie wollte sich nicht mehr erinnern an all die Dinge, die zuvor geschehen waren. Sie wollte einfach vergessen und ihr altes Selbst endgültig sterben lassen. Rose war gestorben, in dem Augenblick, als Albus das Zimmer verlassen hatte ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen. Es war Zeit, dass sie Abschied von ihrem alten Selbst nahm und sich auf den Weg zu neuen Ufern machte, wo sie alles hinter sich ließ und neu begann. Sie schloss die Augen und gestattet sich zu trauern. Wenn sie aus ganzem Herzen Abschied nahm, würde es sie nicht mehr weiterverfolgen. Sie ging alles durch, was sie vergessen wollte und wovon sie sich trennen wollte. Ihre Familie. Ihr Zuhause. Hogwarts. Ihre Freunde. Alles gehörte nun der Vergangenheit an. Rose Weasley war gestorben. ~~~ Molly hatte den Angriff nicht kommen gesehen. Sie hatte darauf bestanden ihren Vater zu begleiten. Natürlich hatte sie ihm nicht direkt gesagt, dass sie vorhatte, ihn vor einem erneuten Angriff zu schützen, denn dann hätte er sie nicht mitgehen lassen. Vielmehr hatte sie ihm erzählt, dass sie mit ihm reden wollte, weil sie wollte, dass er auch ihre Position verstand. Sie hatten bereits ein dutzend Mal dieses Gespräch geführt, aber die Antwort ihres Vaters lautete immer „Nein“. Er wollte nicht, dass sie mithalf und er hörte ihr auch nie richtig zu, wenn sie versuchte es ihm zu erklären. Sie wusste, dass er sich nur Sorgen um sie machte, aber er war so ein Sturkopf. Er zählte ihr gerade wieder unzählige Richtlinie auf, die besagten, dass Kinder –zu denen er sie trotz ihrer Volljährigkeit immer noch zählte – sich nicht in die Angelegenheit der Erwachsenen einmischen sollten, als neben ihr etwas explodierte. Molly zog sofort ihren Zauberstab und erzeugte eine Leuchtkugel, um alles um sie herum genau sehen zu können. „Molly verschwinde“, rief ihr Vater ihr zu bevor er zu Boden ging, da ihn ein Schockzauber getroffen hatte. Sie würde bestimmt ihren Vater nicht hier zurücklassen, wo er sicher getötet wurde. Aus dem Dunkeln traten zwei Gestalten ins Licht. Es waren die Flintbrüder. Molly entschied sich die Sekunden zu nutzen bevor sie in ein Duell verwickelt wurde und schickte rote Funken in die Luft. Sie hoffte, dass irgendjemand in der Nähe war, um ihr zur Hilfe zu eilen, aber sie machte sich keine Illusionen. Wenn Lysanders Vermutungen stimmten, konnte nur eine andere Schachfigur eingreifen und sie glaubte nicht, dass jemand hier draußen war. Es schliefen alle sicher seelenruhig im Malfoy Manor. Sie schaltete sich selbst dafür nicht zumindest James Bescheid gesagt zu haben, dass sie ihren Vater nach London begleitete, aber dafür war es jetzt zu spät. „Was treibst du hier so alleine in einer dunklen Gasse, Weasley?“, höhnte Adrian Flint, während er langsam auf sie zukam. Er wusste genau, dass sie nicht fliehen würde ohne ihre Vater mitzunehmen. Und sie wusste, dass sie nicht wie ein verängstigtes Reh erstarrt stehen sollte. Sie sollte jetzt ihre Chance nutzen, zu ihrem Vater sprinten und mit ihm disapparieren. Aber Molly konnte sich nicht bewegen und sie befiel Angst. War das die Manipulation? War sie wie eine Schachfigur, die gefesselt auf ihrem Feld stand und nicht weg konnte, weil ihr nächster Zug noch nicht dran war? Würde sie ihren nächsten Zug überhaupt noch erleben? Erst jetzt wurde ihr das ganze Ausmaß der Manipulation klar. Auf einem Schachbrett konnten nur Schachfiguren einander angreifen. Ihr Vater würde also nicht erwachen, um ihr zu helfen und jeder andere würde ähnlich wie ihr Vater sofort ausgeschaltet werden. Molly musste ihren Zug jetzt machen und das durchstehen, um ihren Vater zu retten. „Locomotor Mortis“, fauchte sie den Flintbrüdern entgegen, die den Beinklammerfluch aber beiseite fegten als wäre er nichts. Sie ließ sich davon nicht irritieren und schickte einen zweiten gleich hinterher, während sie sich Stück für Stück in die Richtung ihres Vaters schob. Wenn sie die beiden nur lange genug in Schach halten konnte, um zu fliehen, konnte sie es schaffen. Sie klammerte sich an diesen Gedanken und zog Schutzzauber um ihren Vater und sich, während die beiden Flint-Brüder sie attackierten. Wie lange würde es bis zum ersten Todesfluch dauern? Gerade als Molly dachte, dass die Situation für sie verloren war, kam Rettung. Ihr Schutzzauber zersprang beim ersten Unverzeihlichen Fluch in tausend Stücke und sie war nicht schnell genug einen neuen Schild zu errichten bevor der nächste Cruciatusfluch kam. Der Schmerz ließ sie zu Boden gehen und sie schrie laut auf, weil sie das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Ihr wurde schwummerig und sie konnte nicht mehr klar erkennen, was um sie herum geschah. Sie zwang sich ruhig zu werden, denn noch war sie nicht entwaffnet worden, doch bevor sie ihren Zauberstab erneut heben konnte, schickte Adrian Flint noch einen Folterfluch, sodass sie wirklich fast die Besinnung verlor. Und dann war der Schmerz plötzlich weg und Molly kam wieder zu Sinnen. Sie brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, dass ihr jemand zu Hilfe gekommen war. „James“, schoss es ihr durch den Kopf, doch es war nicht ihr bester Freund, der gekommen war. Sie erkannte die Silhouette von Adam Wood, der die Brüder in Schach hielt. Molly warf schnell einen Blick zu ihrem Vater, der immer noch bewusstlos war, aber genauso auch noch immer am Leben war. Sie durfte Adam jetzt nicht alleine lassen und so kam sie wieder auf die Beine. „Alles in Ordnung?“, fragte er sie besorgt, als sie sich neben ihn stellte. Sie nickte auch wenn sie sich noch total wacklig auf den Beinen fühlte. „Adrian, das hat keinen Sinn“, rief Ryan seinem Bruder zu. „Lass es für heute gut sein. Sind ja genug Leute im Ministerium gestorben.“ Adrian fluchte aber folgte seinem Bruder. Molly warf ihm noch einen Stolperzauber hinterher, doch sie waren bereits disappariert. Kaum waren die Brüder weg lief Molly zu ihrem Vater. Er hatte eine Platzwunde, doch ansonsten schien er wohlauf zu sein. Sie warf Adam einen dankbaren Blick zu. Dann sah sie, dass er am Arm blutete. Es sah nach einer langen tiefen Wunde aus und sie schien durch irgendeinen dunklen Fluch verursacht zu sein. „Das müssen wir dringend versorgen. Das sieht böse aus“, befürchtete Molly. Adam grinste nur sein typisches charmantes Lächeln auf das so viele Mädchen reinfielen und winkte lässig ab, so als wäre das alles nicht weiter schlimm. „Schon in Ordnung. Bin ja nicht aus Zucker. Solange bei euch alles in Ordnung ist, bin ich zufrieden.“ Molly kannte dieses Gehabe nur zu gut von James und scherte sich herzlich wenig darum. Sie verdrehte nur kurz die Augen und griff nach ihrem Vater, während sie mit der anderen Hand Adam bei der Schulter packte. Sie wollte hier keine Sekunde länger als nötig verweilen und sie sehnte sich nach ihrem Bett. Sie apparierten direkt vor den Toren von Malfoy Manor, wo sie sogleich ein Auror in Empfang nahm, der ihr ihren Vater abnahm. Sie wollte hineingehen, aber Adam hinter ihr blieb stehen. „Was ist los?“, fragte sie ihn, aber da dämmerte es ihr schon. Adam wohnte nicht hier und ihr wurde klar, warum sie das irritierte. „Du bist eine Schachfigur wie wir“, hauchte sie. Adam warf ihr einen fragenden Blick zu, da er natürlich nicht in Kenntnis über den aktuellen Stand war, aber sie musste erst einmal selbst ihre Gedanken ordnen bevor sie es ihm erklären konnte. „Du warst beim Kampf in der Großen Halle nicht dabei“, fügte sie hinzu. „Aber du musst trotzdem eine Schachfigur sein, denn du konntest etwas gegen die Flintbrüder ausrichten. Warum warst du nicht in der Halle?“ Sie sah ihn mit großen Augen an, denn sie verstand die Welt nicht mehr. Gab es welche, die nicht gekämpft hatten und trotzdem manipuliert wurden? Machte das nicht Lysanders Theorie vom Schachbrett zunichte? Aber Roxanne war auch nicht beim Kampf gewesen genauso wenig wie Dominique und trotzdem waren die beiden auch eindeutig Schachfiguren. Hatte Lysander nicht gesagt, dass noch Figuren fehlten? So viele Fragen auf einmal und Molly fühlte sich so schrecklich erschöpft. „Komm mit rein. Dann versorg ich deine Wunde und erklär dir alles“, meinte sie mit einem müden Lächeln zu Adam, der ihr nun den Kiesweg hinauf zum Anwesen folgte. Das heute war eindeutig zuviel für sie gewesen. ~~~ Albus hatte nicht gewusst, dass der Ort, den er zuerst aufsuchen würde, Malfoy Manor sein würde. Er war schon einmal hier gewesen, aber das kam ihm wie eine Ewigkeit oder eine Erinnerung aus einem anderen Leben vor. Claire stand neben ihn und gemeinsam harrten sie in ihrem Zögern auf dem Hügel neben dem Anwesen aus. Keiner von ihnen traute sich den letzten Schritt zu tun. Die Sonne hinter ihnen streckte ihre ersten Sonnenstrahlen aus und tauchte das Anwesen in Licht. Albus fühlte sich wie vor einer Prüfung, die er viel zu lange vor sich aufgeschoben hatte und für die er nicht gelernt hatte. Das war ein schwacher Vergleich, traf aber in etwa sein Gefühl von Nervosität und seine Angst vor dem Versagen. Claire warf ihm einen Blick zu und griff nach seiner Hand, wofür er sehr dankbar war. „Jetzt oder nie“, flüsterte sie und machte den ersten Schritt. Erleichtert folgte er ihr und aus Angst den Mut wieder zu verlieren wurde er immer schneller. Und bevor sie sich versahen, rannten sie den Hügel hinunter, denn jetzt hatte sie die Mauer durchbrochen und die Sehnsucht nach ihrem Zuhause hatte obsiegt. Keuchend kamen sie vor dem Eingangstor stehen und standen einem verdutzen Wächter gegenüber. Albus kam der Mann vage bekannt vor, aber er hielt sich nicht mit diesen Kleinigkeiten auf. „Wir möchten herein“, bat er und der Typ wusste wohl selbst nicht genau, was er in so einem Fall tun sollte und ließ sie verdattert passieren. „Wenn wir noch böse wären, wäre das jetzt unsere Chance“, flüsterte Claire ihm kichernd zu und Albus musste grinsen. Das war so albern, aber es machte ihm klar, dass er jetzt wieder auf der guten Seite stand und er die Dunkelheit hinter sich gelassen hatte. Er atmete tief durch und fühlte sich befreit. In der Eingangshalle war niemand, aber um diese Uhrzeit wohl auch noch kein Wunder. Ob alle noch schliefen? Albus spürte wie ihn wieder Unsicherheit überkam. Wie würde sein Bruder reagieren? War er wirklich willkommen? Und was würde seine Eltern sagen? Sie kamen in den nächsten Raum, der eine Art Empfangszimmer war. Albus blieb stehen, unentschlossen, ob er weitergehen sollte oder hier warten sollte. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er laute Stimmen auf den Raum zukommen hörte und im nächsten Augenblick stand er seinem Bruder wieder gegenüber, so wie es gestern erst der Fall gewesen war, doch dieses Mal war es anders. Hinter James waren Scorpius, Dominique, Roxanne und Molly. Albus traute sich kaum in die Augen seines ehemaligen besten Freundes zu sehen, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Scorpius ihm verzeihen würde. Also konzentrierte sich Albus auf seinen Bruder, der mit offenem Mund ihn und Claire anstarrte. „Ich bin wieder zuhause“, flüsterte Albus mit allem Mut, der ihm noch verblieben war und wartete unsicher die Reaktion von James ab. Sein Bruder machte ein Schritt auf ihn zu und zog ihn in seine Arme. „Endlich“, antwortete James und seine Stimme klang, als würde er mit den Tränen kämpfen und erst wollte Albus sich darüber lustig machen bis er bemerkte, dass er längst angefangen hatte zu weinen. Und mit den Tränen kam die Erleichterung. Er war noch willkommen. Er hatte noch ein Zuhause. Er hatte der Dunkelheit in sich selbst den Krieg erklärt und sie besiegt und jetzt würde alles wieder gut werden, denn wenn er das konnte, konnte das die anderen auch. Auch Rose und Lily würden nach Hause zurückkommen können. Zumindest musste er daran glauben. ~~~ „Mein Bruder ist fort?!“, echote Lily entsetzt. Das war einfach unfassbar. Was war in Albus gefahren, dass er wieder zurück wollte? Es gab nichts mehr dort. Hier lag alles, was sie brauchten. Sie zischte wütend und verächtlich. Was für ein Idiot ihr Bruder doch war. Dann stand er jetzt auch auf der falschen Seite, aber das interessierte sie herzlich wenig. Er war wie James jetzt nicht mehr ihr Bruder. Sie hatte keine Familie mehr. Sie warf Liam einen wütenden Blick zu, der es wohl genoss ihr diese Botschaft überbringen zu dürfen, aber sie würde ihm schon zeigen, dass diese Nachricht sie nicht aus der Fassung warf. Ihr Bruder war ihr egal und sie würde schon beweisen, dass sie absolut loyal war. Sie würde die Sache nicht verraten. Es gab keinen Grund über den Verlust von Albus traurig zu sein. Irgendwann würden den Leuten schon die Augen aufgehen und sie würden erkennen, dass die Welt befreit werden musste und das alles was sie taten richtig gewesen war. Doch dann war es zu spät und sie würden vernichtet werden. Lily konnte über diese Schwäche der Menschen nur lachen. Dachten sie wirklich, dass es einen Weg gab diese Bewegung noch aufzuhalten?! Lächerlich. „Meinen Bruder kannst du mir überlassen“, zischte sie Liam zu. „Ich werde ihn so was von kalt machen. So einfach kommt er nicht mit seinem Verrat davon.“ Liam grinste nur und sagte nichts weiter dazu, was Lily noch wütender machte. Sie wusste genau, dass er sie innerlich belächelte und ihren Worten keinen Glauben schenkte. Bevor sie sich auf ihn stürzte und ihm den Hals umdrehen konnte, verließ sie den Raum, um sich selbst davor zu bewahren hier im Quartier auszurasten. Auf dem Flur wartete schon Fred, der sicher mit ihr über Albus reden wollte. Egal wie sehr Lily ihn liebte ging es ihr gegen den Strich, das alle von ihr erwarteten, dass sie der Verrat ihres Bruders tief ins Herz traf und man deswegen mit ihr sensibel darüber sprechen musste. „Nein mir ist gleichgültig was mit Albus passiert. Und nein ich will das nicht ausdiskutieren!“, fauchte sie Fred an, der leicht zusammenzuckte und im nächsten Augenblick tat es Lily auch wieder Leid, da er keinen Schuld an ihrer inneren Unruhe und Rastlosigkeit hatte. Es lag nicht nur an Albus oder an ihrer Wut über Liam. Es verschlimmerte nur ihren insgesamt schlechten Zustand. Sie konnte es selbst nicht genau benennen, was mit ihr los war und was mit ihr geschah, aber in ihr hatte sich ein Verdacht eingenistet, der anfing sich ihrer zu bemächtigen und sie in den Wahnsinn zu treiben. Und davor hatte sie Angst. Lily konnte sich des Gefühls nicht erwehren den Halt zu verlieren und ins Bodenlose zu fallen. Sie lief und lief und kam nicht an das Ziel. Fred folgte ihr ohne ein Wort zu sagen auf ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett warf. Immerhin hielt er den Mund und legte sich nur neben sie. Sie schmiegte sich an ihn und er nahm sie in den Arm, doch sie fand dort nichts gegen ihre Ruhelosigkeit. Fred gab ihr keinen Halt mehr. Nichts stoppte ihren Fall. ~~~ Alice starrte in die Leere als Louis hereinkam, um sie zu besuchen. Eigentlich waren ihre Verletzungen schon verheilt und es gab keinen Grund für sie im St. Mungos zu bleiben, aber sie wollte noch nicht wieder zurück nach Malfoy Manor. Dort lauerte nur der erneute Kampf und sie wollte keine Schachfigur mehr sein. Die Schreie der Sterbenden klangen noch in ihren Ohren und wollten nicht verschwinden. Alice hatte das Gefühl wie ihre Namensgeberin den Verstand zu verlieren und den Rest ihres Lebens in diesem Krankenhaus verbringen zu müssen. Nichts konnte man gegen diesen übermächtigen Feind unternehmen und sie konnte erst recht nichts ausrichten. Schon wieder war sie im Kampf keine Hilfe gewesen und hatte den anderen nur im Weg gestanden. Rose hatte wieder sie angegriffen und sie verlor langsam jede Hoffnung ihrer besten Freundin helfen zu können. Es gab für Rose kein Zurück. Und wenn sie weiterkämpfen würde, würde sie auch irgendwann den Verstand verlieren und dann würde der Puppenspieler sie manipulieren können. Vielleicht manipuliert er sie auch gerade jetzt und säte in ihr diese Gedanken, damit sie ihre Seite verriet. Alice wollte einfach nicht mehr weitermachen. Sie wollte nur noch raus aus dieser Sache und ihr normales Leben zurück. Der Krieg sollte aufhören und alles würde sich nur als böser Alptraum entpuppen. Sie wollte nur noch aufwachen. Louis kam herein als sie tief in ihre Gedanken versunken war und sie hörte ihn erst, als er einen Stuhl an ihr Bett zog. Überrascht hob sie den Kopf und sah in sein lächelndes Gesicht. Aber dieses Mal spürte sie nicht wie die ruhige Ausstrahlung von Louis auf sie überging, sondern im Gegenteil wurde sie dadurch nur unruhiger, da sie sich fragte, wie er nach allem was sie im Ministerium gesehen hatte noch lächeln konnte. Sie wollte ihn anschreien und ihn durchschütteln, weil sie dieses Lächeln einfach nur fassungslos machte. Da waren gut hundert Zauberer in dieser Explosion umgekommen und mehr als zweihundert waren schwer verletzt. Sie konnte das Klagen der Verletzten hören, da ihr Zimmer im gleichen Flur lag. Ihr Vater hatte zwar dafür gesorgt, dass sie ein Einzelzimmer bekam, aber die Geräusche konnte er nicht abstellen und Alice gab sich die Schuld daran. Sie hatte es verhindern müssen, aber es war ihr schon wieder nicht gelungen und es würde immer so weiter gehen bis der Puppenspieler vielleicht seine Mordlust befriedigt hatte. Doch wie viele waren dann noch übrig? „Wie geht es dir?“, fragte Louis sie sanft, der merkte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie sah es in seinen Augen. Er war nicht Lysander, aber er hatte auch ein Gespür dafür zu merken was in anderen vorging. „Willst du darüber reden?“ Alice wusste nicht ob sie überhaupt darüber reden wollte, weil sie nicht wusste wie sie ihre Ängste in Worte fassen konnte und so schwieg sie einfach. „Ich habe auch Angst“, sagte Louis nach einem Augenblick. „Angst zu sterben. Angst manipuliert zu werden. Angst niemand retten zu können.“ „Wir können nichts tun“, antwortete Alice verbittert. „Rein gar nichts.“ Louis lächelte traurig. Er wusste, dass es die Wahrheit war und er hatte auch keine Lösung für dieses Problem, da sie einfach nicht wussten, was sie tun sollten oder konnten. „Aber wenn wir nichts tun, können wir dann noch in den Spiegel sehen? Haben wir wirklich schon alles gegeben um unsere Freunde zurückzuholen?“ Alice kannte die Antwort, aber sie wollte nicht noch mehr geben. Vor allem wollte sie nicht sterben. Sie wollte leben und sich ihre Träume erfüllen. Es sollte nur noch aufhören. Louis berührte sie leicht am Arm und sie konnte spüren, dass es ihm genauso erging. Da schien keine Hoffnung mehr zu sein und es war so schwer an das Gute zu glauben, wenn man nur all die schlechten Dinge sah, die um einen herum geschahen. Wann würde es aufhören und wann kehrte ihr Glaube zurück? ~~~ James konnte es immer noch kaum fassen. Sein Bruder war zurückgekommen. Albus war wieder zuhause. Er fühlte sich wie in einem Siegestaumel nach einem Quidditchsieg. Aber als er sich von Albus trennen musste, da ihn die Erwachsenen befragen wollten, traf ihn wieder die Wirklichkeit. Albus war nur eine der Personen, die er zurückholen musste. Fred und Lily waren noch nicht zurück. Er musste Albus selbst dazu befragen, wie es um die beiden stand. Doch mit der Rückkehr seines Bruders war neue Hoffnung in ihm erwacht. Es würde jetzt alles wieder gut werden. Wenn er zu Albus durchdringen konnte, musste es ihn auch bei den anderen beiden gelingen. Es musste niemand mehr sterben. James saß auf einem Sofa im Empfangssalon und wartete darauf, dass die Erwachsenen mit der Befragung fertig wurden. Er verstand nicht wie noch Zweifel daran bestehen konnte, ob Albus zu trauen war und ob er wirklich zurückgekommen war, weil er es wollte. Sein Bruder war kein Spion. Er hatte ihm in die Augen gesehen und da war nichts von Manipulation gewesen. James wusste auch nicht was mit seinem Bruder jetzt geschehen würde. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Albus gemordet hatte, aber es war unter Manipulation geschehen. Musste er dafür jetzt nach Askaban? James wollte seinen Bruder nicht noch einmal verlieren und je länger Albus in diesem Raum war, desto unruhiger wurde er. Er konnte nicht mehr stillsitzen und so tigerte er durch den Salon, während er unablässig auf die Tür starrte. Er hatte seinen Bruder nachhause geholt und genau dort sollte er bleiben. Und er war noch gar nicht dazugekommen sich zu entschuldigen. Ihm überkam die Furcht der Möglichkeit sich zu entschuldigen beraubt zu werden. Impulsiv stürmte er zur Tür und drückte sie auf. Sein Vater runzelte sofort die Stirn, als er seinen Sohn hereinstürmen sah und seufzte. Er hatte wohl geahnt, dass James hereinkommen würde und nicht abwarten konnte. „Was ist James?“, fragte er seinen ältesten Sohn. „Ich möchte wissen was mit meinem Bruder passiert“, brachte James seine Bitte ungehalten hervor. Er sah zu Albus hinüber, der wie früher ängstlich auf seinem Stuhl hockte und Angst vor dem hatte was kommen würde. Ihn so zu sehen versetzte dem Älteren nur noch mehr ein Stich ins Herzen. Er konnte nicht zulassen, dass seinem Bruder irgendetwas passierte. Albus war nur ein Opfer des Puppenspielers und konnte rein gar nichts für seine Taten. „Das haben wir noch nicht entschieden“, erklärte sein Vater. „Erstmal wird Albus hier unter Beobachtung bleiben, um uns bei möglichen Fragen weiterzuhelfen. Und danach wird er vor Gericht gestellt werden, um sich für alles, was durch seine Hand geschehen ist, verantworten zu müssen.“ James war erleichtert, dass Albus hier blieb, auch wenn seine Zukunft ungewiss blieb, aber er würde zu Not persönlich vor dem Gericht auftauchen und seinen Bruder auf jeden Fall vor dem Gefängnis bewahren. Nach dem seine Frage beantwortet wurde, musste James den Raum wieder verlassen und weiter auf seinen Bruder warten, aber jetzt war ihm das Herz etwas leichter, sodass er nun ruhiger war und seine Ungeduld im Zaum halten konnte. Es dauerte noch anderthalb Stunden bevor die Erwachsenen endlich mit ihrer Befragung durch waren und Albus wieder gehen konnte. James hatte die ganze Zeit auf dem Sofa ausgeharrt und war sofort an der Seite seines Bruders, den er mit sich zog bevor sein Vater ihn davon abhalten konnte. Da aber keiner ihn nachkam, ging er davon aus, dass man ihm die Zeit mit seinem jüngeren Bruder gönnte und nahm Albus mit auf sein Zimmer. „Das ist doch…“, fing der jüngere Potter an. James zog die Augenbraue hoch. „Das Zimmer von Scorpius?“ Er klopfte seinem verdutzten Bruder auf den Rücken und ließ sich auf sein Bett fallen. „Überraschenderweise ist Malfoy ganz in Ordnung“, meinte er nur zu seiner neuen Freundschaft. „Hätte nie gedacht, dass aus deinem Mund zu hören“, entgegnete Albus nur und ließ sich neben James nieder. Zumindest das Eis zwischen ihnen schien gebrochen zu sein. James zögerte nicht lange und nutzte den Augenblick bevor Scorpius möglicherweise zurückkam. „Ich möchte mich entschuldigen für mein Verhalten. Ich wollte dir nie das Gefühl geben, dass du nur in meinem Schatten stehst. Du bist auf deine eigene Art und Weise toll und du brauchst dich deswegen nicht zu verstecken. Also damit will ich sagen: Ich bin stolz auf dich.“ „Du hast nichts damit zu tun, also mach dir deswegen keine Vorwürfe“, warf Albus ein. „Ich bin wegen Rose mitgegangen und nicht weil ich dich übertrumpfen wollte. Ich meine klar bist du nervig und manchmal könnte ich dich echt erwürgen, aber du bist mein Bruder und da verzeih ich dir dein überhebliches Verhalten schon mal.“ Albus streckte ihm die Zunge heraus und James musste ihm durchs Haar wuscheln, weil er so erleichtert war. Sein Bruder war zurück und war ihm nicht böse. „Glaubst du Lily denkt genauso?“, fragte er leise. Er konnte sehen wie Albus bei dieser Frage mit sich rang und dann nur hilflos mit den Schultern zuckte, weil er keine Antwort wusste. „Sie ist viel tiefer in der Manipulation verstrickt als ich es je gewesen bin. Aber in ihr ist sicher noch ein Teil, der sich nach Zuhause sehnt und der uns noch liebt.“ Daran wollte James auch aus tiefstem Herzen glauben. Lily würde auch nachhause kommen. „Weißt du irgendetwas über den Puppenspieler?“, fragte er Albus, auch wenn er sich die Antwort schon denken konnte. Wie er es vorausgesehen hatte, schüttelte sein Bruder nur traurig den Kopf. „Nathan erhält die Befehle von irgendjemand, aber wer das ist weiß ich nicht. Es kann auch sein, dass Nathan selbst die Order gibt, doch dafür hätte ich auch keine Beweise. Solange du manipuliert bist, denkst du nicht wirklich nach, weil es dir gleichgültig ist.“ James seufzte. Er hatte sich irgendwelche Hinweise erhofft mit denen sie auf der Suche nach dem Puppenspieler weiterkamen, doch so leicht würde es nicht sein. Aber das war für ihn im Augenblick zweitrangig. Für den Moment wollte er es einfach genießen hier mit seinem Bruder zu sitzen, zu lachen und zu scherzen. Für heute hellte sich der Himmel ein wenig auf und der so lang erwartete Sonnenstrahl fiel durch die Wolken, woraus sie neue Kräfte schöpfen konnte bis die Wolkendecke ganz aufreißen würde und die Sonne die Dunkelheit endgültig vertreiben würde. Daran musste sie festhalten. ~~~ Liam war froh den Versager Albus losgeworden zu sein. Am Anfang hatte er ihn ja wirklich gemocht, aber inzwischen hatte sich dieser anfängliche Eindruck in ein negativeres Bild entwickelt. Der Potter war nur ein Feigling gewesen, der den Plänen im Weg gestanden hatte. Jetzt waren sie befreit von dieser Last. Lily hatte sich schnell wieder eingefangen und er war gespannt wie die nächste Begegnung zwischen den Geschwistern aussehen würde, wenn sie ihre Drohung ihren Bruder eigenhändig umzubringen wahr machte. Trotzdem konnte er Lily nicht ausstehen. Sie war ihm zu unberechenbar. Liam hatte wieder einmal versucht mit Nathan über seine Ideen zu reden, doch der ehemalige Hausmeister wich ihm nur aus, weil er immer noch wütend über Liams eigenmächtiges Handeln im Zaubereiministerium war. Er hatte nicht nur einen Todesfluch in die Menge geworfen und so auf sie aufmerksam gemacht, nein, er hatte sogar Bomben angebracht statt sein eigentliches Ziel aufzusuchen und es zu töten. Liam sah in dieser Handlung kein Problem, denn schließlich war es doch ihr Endziel möglichst viele Zauberer zu töten, um eine neue Ordnung zu etablieren und dank ihm hatte das halbe Ministerium sein Leben verloren. Das ersparte ihnen die Kleinarbeit jeden einzeln töten zu müssen. Außerdem würde die Leute jetzt einsehen müssen, was für eine Gefahr sie darstellten und das nichts gegen sie unternommen werden konnte. Nun war die Zeit für ihren Umsturz gekommen. Er hatte getan, was getan werden musste und er sah nicht ein sich dafür rechtfertigen zu müssen. Nathan war einfach zu vorsichtig und ließ alles nur in kleinem Rahmen laufen. Er setzte ihnen unnötige Grenzen, die sie nicht brauchten. Damit musste jetzt Schluss sein. Wenn Nathan nicht mit ihm reden wollte, würde er es selbst in die Hand nehmen. Der Hausmeister war schon viel zu lange der Anführer ihrer Gruppe gewesen. Liam wartete ab bis Nathan auf einen seiner Streifzüge durch die Straßen Londons verschwunden war und rief alle zusammen in die Küche. Während sie herunterkamen und sich setzten, musterte Liam sie. Bei den Flintgeschwistern musste er sich keine Sorgen machen, denn sie waren auf jeden Fall auf seiner Seite. Lily würde seinen Plan für gut befinden, da sie Dampf ablassen musste und dadurch würde Fred auch mitziehen. Lorcan war undurchdringlich und würde wie immer sein eigenes Ding am Rand des Geschehens abziehen. Rose konnte sich möglicherweise gegen ihn stellen, da sie eng mit Nathan verbunden war. Aber so wie sie im Augenblick aussah, machte ihr der Verrat ihres Freundes noch sehr zu schaffen. Es stand eigentlich nichts gegen sein Vorhaben. „Ihr fragt euch sicher, was ich mit euch besprechen will“, begann Liam seine Rede. „Ich finde wir haben bis jetzt gute Arbeit geleistet. Wir haben nach und nach die Zauberer dezimiert und sind zu einer echten Bedrohung für die Zaubererwelt geworden.“ „Komm zum Punkt“, warf Adrian ein. Liam verdrehte nur die Augen. „Ich hab schon nicht vor eine lange Rede zu schwingen“, entgegnete er. „Im Gegenteil: Wir haben bis jetzt immer nur im kleinen Rahmen und vor allem im Geheimen agiert. Wir sollten uns nicht mehr in dunklen Gassen verstecken, sondern der Welt unsere Macht demonstrieren. Deswegen fordere ich größere Aktionen. Es wird Zeit, dass wir das System stürzen und uns an die Spitze stellen.“ Er hörte selbst wie enthusiastisch er klang und wie er immer lauter wurde. In seinen Adern kochte das Blut und er wollte losstürmen. Nichts würde ihn jetzt mehr davon abhalten. Einen Augenblick herrschte Stille, die Liam unerträglich vorkam. „Was sagt ihr?“, fragte er fordernd in die Runde. Und dann kam die zustimmende Rufe, die immer lauter wurden. Es hatte begonnen und nun war diese Bewegung unaufhaltsam. Wie ein kleiner Stein, der eine Lawine losgelöst hatte, rollte Liam den Hang herunter und nahm an Geschwindigkeit auf. Die Welt gehörte ihnen. ~~~ Fred stimmte in den Jubel mit ein, doch sein Herz war sich der Sache nicht so sicher, wie es nach außen hin erschien. Er warf einen Blick auf Lily, die begeistert von Liams Ankündigung war. Sein Magen verkrampfte sich bei ihrem fröhlichen Anblick, weil alles in ihm schrie, dass das falsch war. Hatte er Lily nicht beschützen wollen? War er nicht deswegen hier? Es schien alles schief zu laufen. Heute Morgen hatte sie nicht einmal mehr mit ihm über Albus sprechen wollen, aber es machte ihm Sorgen, dass sie gedroht hatte ihren Bruder zu töten. Langsam aber sicher erkannte er das Mädchen, das er liebte, kaum wieder. Ihm gefiel ganz und gar nicht in welche Richtung sie sich entwickelte und er konnte immer weniger vor sich selbst verantworten das in Ordnung zu finden. Aber er wusste genau, dass Lily nicht auf ihn hören würde, wenn er mit ihr darüber reden würde. Sie wollte nicht mehr belehrt werden, sondern unabhängig und selbstständig sein. Fred zog Lily auf seinen Schoß, die glücklich lächelte. „Wir werden es denen zeigen, nicht wahr?“ Er nickte und strich ihr über den Rücken, woraufhin sie sich vorbeugte und ihn küsste. War es von ihm so falsch an ihrer Seite bleiben zu wollen? „Worüber denkst du so verbissen nach?“, fragte Lily, der aufgefallen war, dass er seltsam schweigsam war. „Mach dir keine Sorgen. Du wirst der neue Zaubereiminister.“ Er lächelte, weil das ja wirklich sein Traum war, aber er konnte sich es kaum noch vorstellen jemals im Ministerium zu arbeiten. Es erschien ihm nur noch wie ein längstvergessener Tagtraum, der schon völlig verschwommen war. „Das wäre schön“, entgegnete er. „Und du wirst dann meine First Lady.“ Lily kicherte und er bekam gar nicht genug von diesem Lachen, aber ihre Augen lachten nicht richtig mit und er fühlte sich dadurch betrogen. Er begann die Lily zu vermissen, in die er sich rettungslos verliebt hatte und deswegen immer Gewissensbisse gegenüber James gehabt hatte. Diese neue Lily gefiel ihm nicht mehr und das stimmte Fred traurig, denn er hatte sich immer gewünscht mit ihr zusammen zu sein und jetzt hatte er dieses Ziel erreicht, aber er wurde bitter enttäuscht. „Worüber grübelst du?“, fragte Lily ihn erneut, doch er wollte mit ihr nicht darüber reden. „Ich frag mich nur wie unsere Zukunft aussehen wird“, wich er aus. „Du wirst der beste Zaubereiminister aller Zeiten und wir werden gemeinsam die Welt so gestalten wie wir wollen und niemand wird uns davon abhalten. Wir müssen uns über nichts Sorgen machen“, schwärmte ihm Lily vor. Fred schloss die Augen und versuchte sich diese Version der Zukunft vorzustellen. Stattdessen sah er nur das Blut der Toten und hörte die Schreie der Gefolterten. Hastig riss er die Augen wieder auf, um den Bildern zu entfliehen. „Schön oder?“, fragte Lily ihn verträumt und er nickte nur schwach. Er wusste tief in seinem Herzen, dass es diese Zukunft, die sie sich wünschte, nicht geben würde. ~~~ Scorpius hatte den beiden Brüdern ihre Zeit gelassen, auch wenn er unbedingt mit Albus reden wollte. Aber er wusste, dass er nichts überstürzen durfte. Zwar war Albus zurückgekehrt, aber das hieß nicht zwangsläufig, dass er ihm auch verziehen hatte. Er war alleine schon glücklich darüber, dass sein bester Freund den Weg zurück gefunden hatte und wenn sie sich jetzt noch versöhnten, wäre alles perfekt. Denn wenn Albus zurückkam, warum sollte Rose dann nicht auch zurückkommen können? Seine Mutter hatte Recht behalten. Das Licht am Ende des Tunnels war endlich in Sichtweite gekommen und jetzt konnte es nur noch bergauf gehen. Der Puppenspieler hatte keine vollkommene Macht über sie. Er konnte sie nicht zwingen auf ihren festgelegten Seiten zu bleiben. Das bewiesen Albus und Claire. Er hätte nie gedacht, dass Claire Parkinson böse und dann wieder gut werden würde. Genau genommen hatte er nicht einmal wirklich mitbekommen, dass sie auf der schwarzen Seite gestanden hatte. Wahrscheinlich war sie nur eine Bauerfigur gewesen, aber Albus war sicher eine wichtige Figur für das Schachspiel gewesen, also war die schwarze Seite um eine Figur geschwächt worden. Scorpius frohlockte bei diesem Gedanken endlich etwas erreicht zu haben. Da hatte er auch die Geduld zu warten bis Albus das Zimmer verließ. Der erste Blick seines ehemaligen besten Freundes zeigte, dass eine Versöhnung nicht so einfach werden würde. Albus hatte ihm noch nicht verziehen. „Können wir reden?“, fragte Scorpius frei heraus. Albus biss sich auf die Lippe und sah unentschlossen drein, entschied sich dann aber für das Gespräch. James, der hinter seinem Bruder gestanden, drängelte sich an ihm vorbei, um ihnen das Zimmer zu überlassen, sodass Albus wieder zurück in den Raum kam und Scorpius hinter ihnen die Tür schloss. Es drängte ihn zwar zu hören wie es Rose ging, aber das war nicht der beste Gesprächsstoff, um eine Versöhnung einzuleiten nachdem sie sich über dieses Mädchen zerstritten hatte. „Worüber willst du reden?“, fragte Albus und seine Stimme klang seltsam hohl. „Ich möchte mich entschuldigen für mein idiotisches Verhalten. Ich hab dir nie gesagt, dass ich etwas für Rose empfinden und hab dann einfach überreagiert, als du mit ihr zusammengekommen bist.“ Scorpius schlug die Augen nieder und starrte auf seine Schuhe, die voller Dreck waren. Er sollte sie dringend putzen sonst würde seine Mutter noch toben. „Sie liebt mich nicht“, hauchte Albus mehr als das er es aussprach. „Oh“, war alles was Scorpius dazu einfiel. Damit hatte er irgendwie nicht gerechnet. Natürlich hatte er geglaubt, dass Rose das zum größten Teil nur inszeniert hatte, um ihm zu zeigen, dass sie über ihn hinweg war, aber irgendwie hatte er nicht gedacht, dass gar keine Gefühle da gewesen waren. „Das tut mir leid“, setzte er noch mal an, weil er das Bedürfnis hatte seinem Freund zu zeigen, dass er an Anteilnahme daran nahm. Albus blickte zu ihm herüber, so als wolle er herausfinden, was in seinem Kopf vorging und ob er wirklich meinte was er sagte. Scorpius erwiderte den Blick und lächelte aufmunternd. Er wollte seinen besten Freund wieder zurück. „Wie könnt ihr nur so freundlich zu mir sein?“, fragte Albus mehr sich selbst als Scorpius. „Ganz einfach“, erwiderte der Malfoy. „Wir würden alles tun, um euch zurückzuholen und etwas anderes interessiert uns nicht.“ Albus sah aus als würde er ihm kein Wort glauben, sodass Scorpius seufzte. War es wirklich so schwer anzunehmen, dass niemand ihm Vorwürfe machte? „Ich hab Menschen umgebracht“, warf der Potter wütend zurück. „Und ich bin daran auch nicht unschuldig oder? Der Puppenspieler nutzt unsere negativen Gefühle um uns zu manipulieren und ich hätte einfach für dich da sein sollen statt dir in den Rücken zu fallen. Also trage ich auch eine Teilschuld daran, weswegen ich dir nicht böse sein kann.“ Das brachte Albus zum Nachdenken, denn so hatte er die Situation noch nicht betrachtet. Im nächsten Augenblick stöhnte er auf. „Ich hab es nur schlimmer gemacht“, meinte er. „Wie?“, fragte Scorpius verdattert. „Für Rose und Lily“, gestand Albus. „Sie werden noch mehr negative Gefühle haben und noch leichter zu manipulieren sein, weil sie sich von mir verraten fühlen.“ So hatte Scorpius das noch gar nicht betrachtet und er musste auch stöhnen. Warum war es nur so schwierig positive Gefühle zu erzeugen? „Wir werden Rose zurückholen“, versprach er dem Potter. „Zusammen holen wir sie zurück.“ Albus nickte entschlossen und es fühlte sich an als wäre ihre Freundschaft ein Stück weit zusammengeflickt und repariert worden. ~~~ Louis fühlte sich nach dem Besuch bei Alice im Krankenhaus seltsam leer. Er verstand seine Freundin nur zu gut, da ihn ähnliche Gefühle und Zweifel quälten, aber er konnte sich nicht davon anstecken lassen. Er musste stark bleiben, denn sonst würde er sich nur manipulierbar machen. Auf dem Rückweg versuchte er seine Ängste beiseite zu schieben, aber es bereitete ihm Probleme, da er keine Antwort auf Alices Frage kannte, was sie tun konnten. Er fühlte sich so seltsam nutzlos. Es war fast ein halbes Jahr verstrichen und alles was sie herausgefunden hatte, hatte sie nicht ein Stück vorangebracht. Außerdem war es immer nur Lysander, der diese Informationen entdeckt hatte. Louis saß immer nur daneben und fand nichts heraus. Wenn es nur irgendeine positive Rückmeldung geben würde, damit sie das Empfinden hatte vorangekommen zu sein, wäre alles besser. Als Louis zurückkam erwartete ihn überraschenderweise genau diese Nachricht. „Albus und Claire sind zurück?“, echote er überrascht als Dominique es ihm erzählte. Seine Schwester strahlte selig, da sie dadurch bereits zu neuer Stärke gefunden hatte. Hätte er das schon eher gewusst, hätte er damit Alice aufbauen können. Vielleicht sollte er ihr einen Brief schreiben und er machte sich gleich morgen noch mal auf ins Krankenhaus, denn das war endlich die gute Botschaft auf die sie gewartet hatten. Es war doch nicht alles umsonst gewesen. Sie kamen voran. „Wissen sie irgendetwas über den Puppenspieler?“, fragte er hoffnungsvoll. Dominique schüttelte den Kopf. „Sie haben kaum gemerkt, dass sie manipuliert worden sind und der Puppenspieler hat sich ihnen gegenüber auch nicht zuerkennen gegeben.“ Louis seufzte. Wäre auch zu schön gewesen wenn sich alles so einfach aufgelöst hätte. „Dann geh ich mal wieder Lysander helfen. Kommst du mit?“ „Nein ist mir schon zu spät. Ich geh ins Bett.“ Louis war zwar auch müde, aber er wollte mit diesem positiven Gefühl noch etwas tun bevor er schlafen ging. Er fand Lysander mitten auf dem Fußboden der Bibliothek, wo er alle Akten um sich herumverteilt hatte. Sein Freund nahm ihn gar nicht wahr als er hereinkam, weil er so vertieft in seine Arbeit war. Da Louis ihn nur zu gut kannte, sagte er auch nichts, sondern setzte sich auf einen Stuhl und las in den neuen Büchern, die Dominique in den letzten Tagen herausgesucht hatte. Je tiefer er sich in der Lektüre über die Manipulation versank, desto mehr fragte er sich, warum die anderen nicht gemerkt hatten, dass sie manipuliert worden waren. Spürte man denn wirklich nicht, dass es nicht seine eigenen Gedanken waren? Selbst beim Imperiusfluch wussten die Verfluchten, dass sie gegen ihren eigenen Willen handelten und konnten sich dagegen auflehnen. Aber was war das für eine Methode, die der Puppenspieler nutzte? Nutzte er wirklich nur die eigenen negativen Gefühle und wenn ja wie machte er das? Louis grübelte aber er kam zu keiner Antwort. Die Nacht war längst angebrochen und Lysander hatte noch keinen Ton von sich gegeben. Er fragte sich worüber der Scamander so intensiv nachdachte. Obwohl er immer noch positiv motiviert war, gewann die Müdigkeit an Überhand und er beschloss nach einer Runde Schlaf weiterzumachen. Einen Augenblick überlegte er Lysander anzutippen um mit ihm über Alice zu reden, aber das konnte er noch morgen machen. Bestimmt würde er Lysander in genau demselben Zustand vorfinden wie er ihn jetzt zurückließ und ihm würde nicht einmal aufgefallen sein, dass ein neuer Tag begonnen hatte. Zusammen konnte sie Alice besuchen und ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Alles würde wieder gut werden. Doch er konnte noch nicht ahnen, dass der Alptraum jetzt erst richtig begann. Der neue Morgen würde rot vor Blut sein. Kapitel 14: Fate kills ---------------------- Draußen peitschte der Wind die Regentropfen gegen das Fenster, während er es sich bequem in einem Sessel vor dem Kamin gemacht hatte. Vor ihm stand ein Glas Wein, das er sich gönnte, denn schließlich gab es etwas zu feiern. Genussvoll leckte er sich über die Lippen. Das Zaubereiministerium war nur noch Schutt und Asche. Zweidrittel der Minister waren tot. Seine schwarzen Schachfiguren leisteten ganze Arbeit. Besonders drei stachen hervor. Rose Weasley, Lily Potter und Liam Pucey. Sie verstanden was er wollte und sorgten dafür, dass sein Plan in Erfüllung ging. Besser konnte es für ihn gar nicht laufen. Die ansteigende Verzweiflung aufgrund der Machtlosigkeit gegenüber seiner Manipulation ließ ihn frohlocken. Er genoss es wie sie alle so emsig versuchten eine Lösung zu finden und immer mehr an Hoffnung verloren. Nicht mehr lang und sie waren alle gebrochene Seelen. Er konnte den Augenblick seines Sieges kaum erwarten. Er, das Schicksal, würde über sie alle triumphieren und sie waren völlig wehrlos dagegen. Er würde sie wie kleine Ameisen zertreten und jede Sekunde davon auskosten, um sein ganzes restliches Leben von diesem Erfolg zerren zu können. Die Zaubererwelt würde aufhören zu existieren. Damit würde er in die Geschichte eingehen. Er war der Bezwinger der Zauberer und der Magie. Er griff nach seinem Glas Wein und trank ein Schluck, während er sich im Sessel räkelte und streckte. Das Anwesen war völlig still, aber er musste bald seiner Pflicht nachkommen und noch einen Rundgang machen bevor die Nacht endete. Nicht, dass er vorhatte, die Kinder davon abzuhalten hinaus in die Nacht zu schlüpfen. Seine weißen Schachfiguren sollten ruhig weiter das Haus verlassen um auf die schwarzen Schachfiguren zu treffen. Es war wieder Zeit ein paar Schachfiguren vom Brett zu fegen. Es hatte ihn ziemlich sauer aufgestoßen zwei Schachfiguren zu verlieren, indem sie die Seiten gewechselt hatten. Aber er würde den Augenblick genießen, wenn die zwei begreifen würden, dass sie nicht länger Einfluss auf den Verlauf des Spieles hatten. Sie waren raus und dazu verdammt zuzuschauen. Das würde noch mehr Verzweiflung und Entsetzen produzieren. Aber die nächsten Schachfiguren würden qualvoll sterben müssen. Neue Erinnerungen für sein Denkarium. Neue Morde an denen er sich ergötzen konnte. Er freute sich schon darauf wie ein kleines Kind, das sich auf Weihnachten freute. Für ihn würden unter dem Weihnachtsbaum keine Geschenke liegen. Unter seinem Baum würden die Leichen der Kinder liegen und statt besinnlicher Weihnachtsmusik würde er das Klagen und Weinen der Eltern hören, während er genussvoll ein Glas Rotwein zu sich nehmen und eine Ente verspeisen würde. Dann war es das perfekte Fest. Er prostete seinem Schatten zu, der sich vor ihm erstreckte und trank das Glas leer. Zeit für seinen Rundgang. Hoffentlich lagen nicht alle Kinder in ihrem Bettchen und schliefen. Grinsend kontrollierte er die einzelnen Räume und konnte ein Lachen kaum verkneifen, als er feststellte, dass ein Bett leer war. Wieder eine Schachfigur auf dem Weg in ihr Verderben. Bald würde es wieder einen Toten mehr zu betrauern geben und er könnte sich wieder ein Glas des vorzüglichen Rotweins gönnen. Leise lachend setzte er seinen Rundgang fort und verschmolz wieder ganz mit seiner Umgebung. Er war das Schicksal und das würde niemand bezwingen können. ~~~ Scorpius wusste, dass er sich mit den anderen hätte absprechen müssen bevor er sich auf eigener Faust auf den Weg machte, aber er hatte niemand bei sich gewollt. Albus hatte in ihrem Gespräch ein entscheidendes Detail verraten. Er konnte ihm zwar nicht genau sagen, wo das Versteck der schwarzen Figuren lag, aber er hatte ihm zumindest den Stadtteil benennen können. Scorpius war sich nicht sicher wie viel sein bester Freund den Erwachsenen erzählt hatte, aber falls sie auch wussten, wo sie suchen mussten, würden sie morgen damit anfangen und er hätte sein Chance verspielt Rose zu finden und mit ihr zu reden. Dieses Mal musste es ihm gelingen. Er profitierte von der neuen Hoffnung, die Albus Rückkehr in ihm ausgelöst hatte. Er fühlte sich wieder gestärkt. Er wusste, dass es kein einfaches Unternehmen werden würde, denn Rose hatte ihm bis jetzt kein einziges Mal zugehört und er glaubte nicht mehr daran sie von seinen Gefühlen für sie überzeugen zu können, aber er würde sie wieder daran erinnern, dass sie Freunde und Familie hatte, die sie schmerzlich vermissten. Das wichtigste war in ihr wieder positive Gefühle zu erwecken und er wusste, dass er damit völlig ausschied, denn sie hatten nichts gemeinsam erlebt, dass Rose glücklich stimmen würde, aber er wollte trotzdem noch nicht aufgeben. Scorpius hatte wach gelegen im Bett und sich hundert und aberhundert Gedanken gemacht, was Rose glücklich machte und ihm war einiges eingefallen an das er sich erinnern konnte. Dinge, die er nur aus der Ferne beobachtet hatte. Momente in denen sie gelächelt hatte. Gründe aus denen er sich in sie verliebt hatte. Auf seinen Weg nach draußen aus dem Gebäude durch den Geheimgang hielt ihn niemand auf noch sah er einen Wachposten. Ob das wirklich nur daran lag, dass der Puppenspieler dafür sorgte, dass die Aufpasser so sorglos waren und nicht bemerkten, dass jemand verschwand? Wenn er sich zurückerinnerte hatte er noch nie Probleme gehabt das Gebäude zu verlassen. Wahrscheinlich führte er gerade nur einen Schachzug aus und Scorpius wusste, dass er umdrehen sollte und den anderen von seinem Vorhaben erzählen sollte, um nicht in die Falle zu laufen, aber er blieb nicht stehen. Stattdessen apparierte er und fand sich in einer dunklen Gasse in London wieder. Die Dämmerung war noch einige Stunden entfernt und so schnell würde niemand das Fehlen des Malfoys bemerken. Genug Zeit für ihn durch die Gassen zu schleichen und nach Anhaltspunkten zu suchen. Vielleicht war ihm das Glück hold und er traf Rose. Scorpius hatte das Gefühl, dass der Puppenspieler dafür schon sorgen würde und er sich die Suche auch sparen konnte, aber ein bisschen Bewegung schadete ja nicht. Bereit für alles hielt er seinen Zauberstab fest umklammert und begann sich seinen Weg durch die Gassen des Viertels zu bahnen. ~~~ Rose fuhr aus dem Schlaf hoch. Sie war sauer, weil sie endlich wieder ohne Alpträume geschlafen hatte. Erst wusste sie nicht, was sie aufgeweckt hatte und vermutete, dass sie doch einen Alptraum gehabt hatte, aber dann wurde sie sich der Leere bewusst. Lorcan war bei ihr gewesen als sie eingeschlafen war, aber jetzt war sie wieder alleine. Sie strich über die leere Seite des Bettes, aber sie konnte keine Wärme spüren. Es war als hätte sie sich nur eingebildet, dass Lorcan bei ihr gewesen war. Unruhig und besorgt, dass er sie ebenso wie Albus verlassen würde schwang sie sich aus dem Bett und griff nach ihrer Kleidung. Wahrscheinlich hatte er nicht schlafen können und war nur irgendwo im Haus, um sie nicht aufzuwecken. Angezogen schlich sie leise die Treppe hinunter und sah nach, ob Lorcan in der Küche oder im Saal war, aber dort wurde sie nicht fündig. Sie kannte Lorcan nicht gut genug um zu wissen wohin er sich zurückzog um alleine zu sein. Sie hatte sich nie größere Gedanken dazu gemacht. Rose erinnerte sich, dass Lorcan eigentlich nie mit der Gruppe zusammen gewesen war. Er hatte an den Missionen teilgenommen, aber er war immer wieder verschwunden und erst wieder aufgetaucht, wenn er gebraucht wurde. Wohin war er wohl immer verschwunden? Sie stand für einen Augenblick unentschlossen im Flur. Lorcan und sie waren kein Paar und sie wusste, dass da nichts zwischen ihnen war, also hatte sie keinen Grund nach ihm zu suchen. Am besten ließ sie ihn in Ruhe und ging zurück ins Bett bevor das Licht hereinfiel und der Tag begann. Doch Rose fühlte die Angst. Sie fürchtete sich vor dem Alleinsein. Furcht ergriff sie bei der Vorstellung, dass der Wahnsinn wieder nach ihr greifen würde und trieb sie weiter durchs Haus. Bald hatte die Rothaarige alle Räume durchsucht und hatte Lorcan immer noch nicht gefunden. Die Unruhe in ihrem Herzen wuchs von Sekunde zu Sekunde und schwoll immer weiter an, sodass sie das Gefühl hatte nicht mehr atmen zu können. Sie musste Lorcan finden. Sofort oder sie verlor den Verstand. Es begann bereits alles vor ihren Augen zu verschwimmen und ihr wurde bewusst, dass sie begonnen hatte zu weinen. Rose versuchte ruhig zu atmen und sich zu beruhigen, aber das machte es nur schlimmer und stehen bleiben machte ihr Angst. Sie sollte nach Nathan schauen und Lorcan aufgeben aber sie konnte nicht. Sie hatte das Gefühl eine unsichtbare Macht drängte sie nach vorne und zwang sie immer weiter Richtung Abgrund. Wenn Lorcan nicht hier war, konnte er nur alleine nach draußen gegangen sein. Möglicherweise war er in einen Kampf geraten und brauchte Hilfe. Sie wussten, dass es nur eine Ausrede für sie war, um zu rechtfertigen, dass sie sich nun auch in die Nacht aufmachte, aber sie klammerte sich daran fest, als wäre sie das einzige, was sie vor dem Ertrinken bewahren konnte. Lorcan bedeutete ihr nicht wirklich etwas, doch ihre Angst ihn auch verlieren zu können und damit sich selbst endgültig zu verlieren, trieb sie hinaus in die Dunkelheit der Gassen Londons. ~~~ Louis träumte von der Schlacht in Hogwarts. Er war gefangen in den Flammen, die drohten ihn zu verschlingen. Er sah an sich herunter und stellte mit Entsetzen fest, dass seine Kleidung blutig war. Erschrocken ließ er seinen Zauberstab fallen. Um ihn herum waren so viele Leichen. Sie lagen alle mit geöffneten Augen da und starrte ihn an, als wäre er für ihren Tod verantwortlich. Er begann zu zittern, obwohl es unerträglich heiß in der Halle war und das Feuer sich immer weiter den Weg zu ihm bannte, war ihm entsetzlich kalt. Dann ertönte das Lachen. Es war ein grausames, kaltes Lachen, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Im Schatten des Feuers konnte er eine Person ausmachen, die das Schauspiel genoss und sich sichtlich daran ergötzte, während er hilflos darauf wartete, dass das Feuer ihn verschlang und er diesem Alptraum entfliehen konnte. Wenn er wenigstens das Gesicht des Puppenspielers erkennen konnte, dachte Louis, doch die Flammen züngelten wild und verbargen die Person völlig. Nur das Lachen konnte er hören und dann ertönten die Schreie aus dem Ministerium in seinem Kopf, die ihn nicht mehr losließen und ihn entsetzlich quälten. Louis wollte schreien, doch kam kein Ton über seine Lippen und das Feuer ließ sich nun Zeit näher zu kommen. Alles schien ganz langsam zu geschehen und dann sah er das grüne Licht, das ihm wie eine Erlösung vorkam und ihn an einen friedvolleren Ort brachte. Der Weasley schlug die Augen auf und ein Keuchen entfuhr ihm. Erleichtert stellte er fest, dass er immer noch in seinem Bett lag und er in Sicherheit und auch am Leben war, obwohl der Tod ihm im Traum sehr verheißungsvoll erschienen war, um dem Schmerz zu entfliehen. Doch trotz dieser Erkenntnis fühlte er sich nicht sicher. Im Gegenteil. Er hatte das Gefühl, dass ihm im Traum der letzte Halt entglitten war. All die positiven Gefühle, die die Rückkehr von Albus in ihm ausgelöst hatte, waren wieder wie vom Erdboden verschluckt und er kam sich völlig ausgeliefert vor. Louis kämpfte sich aus seinem Bett hoch und warf ein Blick auf die gegenüberliegende Seite, doch Lysanders Bett lag unberührt im Schatten. Der Scamander musste noch immer in der Bibliothek sein und seine Recherche vorantreiben. Nun da er aufgewacht war und sicher so schnell keinen Schlaf mehr fand, beschloss er seinem besten Freund Gesellschaft zu leisten. Das war immer noch besser als immer wieder diesen Alptraum durchleiden zu müssen. Angekleidet schlich er durch die dunkle Flure, während er Ausschau nach der Person hielt, die mit dem Nachtrundgang dran war, doch er begegnete niemanden auf dem Weg zur Bibliothek. Manchmal wünschte er sich, dass er einen Tarnumhang besaß. Das würde einiges leichter machen. Er musste dabei an das Märchen der drei Brüder denken. Wenn er den Umhang aus dem Märchen hätte, könnte er sich vor dem Tod verbergen. Dann würde ihn der Puppenspieler vielleicht auch nicht mehr kontrollieren können und er konnte damit alle beschützen, die ihm lieb und teuer waren. Als er die Bibliothek betrat, wurde Louis wieder ganz mulmig zumute. Es war viel zu still. Lysander machte zwar nie mehr Lärm als nötig, aber dieser Stille fehlte jegliches Geräusch. Louis durchquerte die Bibliothek mit großen Schritten und kam an der Stelle zu stehen an dem er Lysander zuletzt gesehen hatte, als er ins Bett gegangen war. Alles lag verlassen da. Die Notizen lagen immer noch auf dem Boden, doch sie waren in keiner Ordnung mehr sondern völlig durcheinander. Erstarrt blieb Louis einen Augenblick stehen und versuchte zu begreifen wo Lysander war. Doch er kannte die Antwort auf diese Frage bereits. Es war der gleiche Grund warum er aufgewacht war und jetzt hier stand. Der Puppenspieler hatte wieder zugeschlagen und hatte seinen nächsten Zug gemacht. ~~~ Dominique wurde schlagartig aus dem Schlaf gerissen als Molly sie packte und schüttelte. Sofort war sie wach und setzte sich auf. „Was ist passiert?“, fragte sie ängstlich, denn sie konnte ihrer Cousine schon an der Nasenspitze ansehen, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste. „Lysander ist verschwunden“, antwortete Molly nur knapp und verschwand schon aus dem Zimmer, um die nächsten aufzuwecken. Dominique zögerte keine Sekunde und kleidete sich blitzschnell an. Ihr Zauberstab lag griffbereit unter ihrem Kissen und dann folgte sie Molly hinaus auf den Flur, wo Louis totenbleich im Gesicht stand. Sie umarmte ihren Bruder, doch er erwiderte die Berührung nicht. Er fühlte sich furchtbar kalt an und er zitterte in ihren Armen. „Ich hätte ihn nicht alleine lassen dürfen. Ich hätte bei ihm bleiben müssen“, flüsterte er immer und immer wieder vor sich hin wie ein Mantra. „Es wird alles wieder gut“, versuchte Dominique ihren Bruder zu beruhigen, doch die Worte fühlte sich seltsam schal in ihrem Mund an und sie glaubte selbst nicht daran, dass diese Nacht einen guten Ausgang nehmen würde. „Es ist nicht deine Schuld. Es ist der Puppenspieler.“ Inzwischen waren alle aufgeweckt worden und James meldete auch das Verschwinden von Scorpius. „Wir müssen nach ihnen suchen“, erklärte James. „Bildet Dreiergruppen und sucht in London. Es ist gleichgültig von wo ihr eure Suche startet. Wenn der Puppenspieler beabsichtigt, dass wir sie finden, werden wir sie auch finden.“ Dominique erschien die Vorstellung grauenvoll, dass sie sich fast darauf verlassen konnten, dass sie die anderen antreffen würden, weil der Puppenspieler es so wollte, aber James hatte Recht. Immer nur wenn der Puppenspieler es zugelassen hatte, waren sie auf die anderen getroffen. An all den anderen Tagen hatten sie nur verzweifelt und vergeblich gesucht ohne irgendeine Spur zu entdecken. Sie hatten keine Möglichkeiten gefunden das Schachspiel des Puppenspielers zu durchbrechen und sich gegen die Regeln aufzulehnen. Sie waren immer noch machtlos. Daher schauderte es ihr bei den Gedanken, was sie vorfinden würden, wenn sie das Schicksal von Lysander und Scorpius herausfinden würden. Nicht noch zwei weitere Opfer. Das konnte sie nicht ertragen. Es musste doch endlich alles ein Ende nehmen. Bevor sie alle wahnsinnig vor Kummer und Schmerz wurden. Weil sie ihren Bruder nicht alleine lassen wollte, blieb sie bei Louis und James, während Molly mit Roxanne und Adam, der neu dazugekommen war, die zweite Gruppe bildeten. Albus und Claire wollten auch mitkommen, doch James überzeugte seinen Bruder davon zurückzubleiben und im Anwesen zu warten, ob Scorpius und Lysander wiederzurückkehrten. Albus protestierte wütend, aber Claire hielt ihn zurück, flüsterte ihm etwas zu und er nickte ergeben. Dominique kannte die Angst, die James zu diesem Schritt zwang. Ihr wäre es auch lieber ihr Bruder blieb hier, aber sie hatte zeitgleich auch eine Heidenangst, dass er dann auch ebenso verschwinden konnte, weil der Puppenspieler ihn manipuliert hatte. Nachdem sie ein Zeichen abgemacht hatten, um sich gegenseitig alarmieren zu können, verließen sie das Gebäude und machten sich getrennt auf den Weg nach London. Es begann draußen bereits zu dämmern und Dominique konnte nicht aufhören daran zu denken, dass auch nach der Schlacht in Hogwarts die Sonne aufgegangen war und das ganze Ausmaß der Nacht sichtbar gemacht hatte. Dieser Sonnenaufgang musste anders sein. Aber sie wusste es war hoffnungslos. Der Puppenspieler behielt die Oberhand. ~~~ Fred lief durch die Straßen. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und er hatte Lily immer noch nicht wieder gefunden. Sie war in der Nacht einfach verschwunden, als hätte eine unsichtbare Hand sie gepackt und mit sich gezogen. Er spürte die Macht dieser Hand ebenfalls. Dieser Drang weiterzugehen und dabei ein unbestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Er wusste, dass er eigentlich nach Lily suchte, um die er sich immer mehr Sorgen machte, doch er hatte das Gefühl, dass ihn diese Macht in eine andere Richtung drängte und er verschwendete all seine Kraft darauf den entgegengesetzte Weg einzuschlagen, um Lily zu finden. Ihm war egal welches Ziel eigentlich für ihn bestimmt war, denn er wusste, dass an diesem Ende nicht Lily auf ihn warten würde. Also widerstrebte er dem Drang in sich. Er ahnte Schlimmes. Alles erinnerte ihn auf einmal an die Nacht in Hogwarts, als das Schloss brannte und sie im blinden Freudentaumel geflohen waren, weil sie triumphiert hatten und das in vollen Zügen genossen. Nur dieses Mal würde das Gegenteil eintreten. Sie würde verlieren und aus dem Freudentaumel würde ein entsetzter Aufschrei werden. Lily war in Gefahr. Sie alle waren in Gefahr. Niemand beschützte sie hier draußen. Sie waren auf sich alleingestellt. Diese Erkenntnis machte Fred Angst. Niemand würde ihm zur Hilfe kommen. Er konnte nicht einmal in seine eigenen Verbündete vertrauen, denn sie waren so im Nebel und in ihren eigenen, selbstsüchtigen Zielen versunken, dass es ihnen egal war, ob Lily oder er starb. Liam wäre wahrscheinlich sogar froh sie loszuwerden und auch die Flintgeschwister würden nicht um sie trauern. Genauso wie keiner Albus oder Claire nachgeweint hatte. Sie waren keine Familie. Sie waren keine Freunde. Sie waren nicht einmal wirklich Verbündete. Das stimmte ihn traurig. Bis jetzt waren sie ihm eigentlich wie eine Gemeinschaft vorgekommen, die zusammenhielt und gemeinsam an einem Strick zogen, doch das war nicht die Wahrheit. Es war nur eine Illusion, die sie sich alle geschaffen hatten, um nicht ihr eigentliches Zuhause und ihre richtigen Freunde zu vermissen. „Was verband ihn eigentlich mit den anderen?“, fragte er sich, als er weiter durch die Straßen eilte und in jede Gasse mit seinem Zauberstab hineinleuchtete in der Hoffnung irgendwo Lily zu entdecken. Während er über diese Frage nachgrübelt, fiel ihm etwas anderes auf, doch bevor er weiter nachdenken konnte, traf es ihn wie einen Schlag in der Magengrube. Und mit einmal wusste, dass er ganz nah dran war. Lily war hier. Der Drang in die andere Richtung zu laufen war übermächtig geworden und ihm war bereits absolut schlecht von diesem Druck, der auf seinem Magen lasten zu schien. Aber er würde jetzt nicht mehr umdrehen. Nicht einmal, wenn er sich nicht mehr sicher war, ob das Mädchen, das er retten wollte, noch das Mädchen war, dass er liebte. Fred legte die letzten Meter der Straße unter gewaltiger Anstrengung zurück und wollte an der Ecke nach rechts abbiegen, als er vor Schock und Entsetzen zurückprallte, denn der Anblick, der sich ihm in der nächsten Gasse bot, konnte nur einem Alptraum entsprungen sein. Er war zu spät gekommen. ~~~ Molly war völlig erschöpft. Sie hatte noch kein Auge zugetan seit dem Angriff auf ihren Vater. Aber sie konnte jetzt keine Schwäche zeigen. Sie sah Adams besorgten Blick, der genauso entkräftet wirkte wie sie selbst. Als sie nach Malfoys Manor zurückgekehrt waren, hatte die Weasley sich die Zeit genommen Wood über alles aufzuklären bevor Louis panisch hereingestürmt gekommen war. Sie hatte also noch keine Sekunde zum Durchatmen gefunden und hatte keine Zeit gefunden ihre Gedanken wieder zu ordnen. Die Weasley hatte das Gefühl, dass sich die Dinge beschleunigt hatten seit dem Angriff auf das Ministerium. Es prasselt alles wie riesige Hagelkörner auf sie ein und sie hatten keine Chance in Deckung davor zu gehen. „Alles in Ordnung?“, fragte Adam leise als er zu ihr aufschloss, während Roxanne das Schlusslicht bildete und darauf achtete, dass keiner von hinten angriff. Molly war es leid so zu tun, als wäre alles in Ordnung, denn das stimmte schon seit Monaten nicht mehr, also schüttelte sie den Kopf. „Wie ist es mit dir? Wie geht es deiner Schwester?“ Sie hatte Annie nicht mehr gesehen seit dem Angriff auf Hogwarts. Die Erwachsenen hatten entschieden, dass die Wood zwar hilfreich war, aber dass sie dem jungen Mädchen nicht noch mehr Gewicht auf ihre schmalen Schultern legen wollte und so war Annie in die Behandlung gegeben worden, damit sie ihre Fähigkeiten trainieren konnte und mental stärker wurde. „Annie ist tieftraurig darüber, dass sie keinen Kontakt mit ihren Freunden haben kann und dass sie ihnen nicht helfen kann. Daran verzweifelt sie, aber sie bemüht sich stärker zu werden und sich von Hilfe zu erweisen.“ Zu sich selbst schwieg Adam. Molly wusste, dass er gut befreundet mit Luke Finnigan gewesen war, der bei der Schlacht in Hogwarts umgekommen war. Und auch Fred kannte er sehr gut. Es musste ihn ebenfalls belasten, doch er konnte von Glück reden, dass er bis jetzt noch nicht tiefer in das Geschehen hineingezogen worden war. Aber sie hatte ihn nun genau dort hingebracht. Mitten in das Geschehen. Und Molly fühlte sich dafür verantwortlich und schuldig. Adam war ein guter Mensch, der nicht auch noch zerstört werden musste wie es mit ihnen bereits geschehen war. Adam legte ihr eine Hand auf die Schulter und strich ihr kurz mitfühlend über den Rücken, aber ließ die Hand wieder sinken, weil er das Gefühl hatte sich zu viel herausgenommen zu haben und Molly blieb überrascht stehen. Sie wollte ihm sagen, dass sie ihn gar nicht gut genug kannte und dass er die Hände von ihr lassen sollte, denn es gab wichtigeres als sie zu trösten. Aber diese Worte kamen ihr nicht über die Lippen, denn es war ihr gar nicht unangenehm gewesen und sie erkannte, dass sie genau diese Geste gebraucht hatte. Niemand hatte sich die Zeit genommen, um für eine Sekunde sein Mitgefühl auszudrücken und ihr einen Moment der Schwäche zu gewähren. Molly wünschte sich Adam würde sie umarmen und sie könnte all ihren Tränen freien Lauf lassen, doch das hier war der falsche Moment und diese kleine Geste musste ihr als Trost vorerst genügen. „Molly, schau!“, entfuhr Roxanne entsetzt und sie zeigte nach oben in den Himmel, wo ein grüner Blitz ganz in ihrer Nähe aufgeflackert war. „Nein“, stieß Molly aus und begann zu rennen, während es am Himmel noch zwei weitere Mal grün aufblitzte. Es konnte nicht wieder passieren. Das hier würde sie endgültig zerstören. ~~~ Scorpius hatte das Gefühl in einer Dauerschleife festzustecken in der immer wieder die gleiche Szene wiederholt wurde. Nur eben immer ein bisschen anders, doch immer mit dem gleichen Ende. Rose und er zogen sich an wie das Licht die Motten und so stand er mitten in London der Person gegenüber, die er unbedingt treffen wollte und doch dieses Treffen ebenso sehr fürchtete. Die rothaarige Weasley war genauso erstarrt wie er. Auch sie musste sich wie in einem Film vorkommen, den sie sich immer wieder ansah und der immer noch nicht das richtige Ende genommen hatte. Scorpius hatte so lange darüber nachgedacht, was er ihr sagen konnte, um sie zu überzeugen, aber jetzt fiel ihm nichts mehr davon ein. Er konnte einfach nicht anders als sie anzustarren. Sie sah nicht gut aus. Ihr Gesicht war bleich und ein wenig eingefallen. Das Haar hing ihr wirr ums Gesicht und in ihren Augen blitzte ein Hauch von Wahn auf. Wahrscheinlich litt sie unter furchtbaren Alpträumen. Ihr Bruder geisterte ihr sicher ständig durch den Kopf und ihr musste es völlig unmöglich erscheinen nach Hause zurückzukehren. Wenn er sie so sah wollte er sie nur umarmen und sie vor alldem schützen. Scorpius trat einen Schritt auf Rose zu, die immer noch einer Eissäule glich. „Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen“, begann er stockend und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. „Wenn ich all das hier ungeschehen machen könnte. Wenn ich an den Tag vor den Sommerferien zurückgehen könnte, als wir alleine im Vertrauensschülerzimmer gewesen sind. Du hattest dieses blaugeblümte Kleid an, in dem du richtig süß ausgesehen hattest und du hast mich wütend angefunkelt, als ich dich gefragt habe, wer den so einen schlechten Modegeschmack hat. Aber das war gelogen. Es war perfekt. Du warst perfekt in diesem Moment.“ Der Malfoy verstummte für einen Augenblick um zu sehen, ob sich bei Rose etwas regte und es sah so aus, als wäre sie ihm auf diesem Ausflug in die Vergangenheit gefolgt und erinnerte sich mit ihm zurück. „Eigentlich wollte ich dich küssen“, gestand Scorpius. „Aber ich liebe es einfach wenn du wütend wirst und mich so böse anfunkelst. Deswegen konnte ich nicht aufhören dich zu reizen. Und dann wirfst du mir plötzlich an den Kopf, dass du überhaupt nicht verstehen kannst, wie dein Herz schneller schlagen kann bei einem Idioten wie mir und dass du ganz sicher nicht in mich verliebt bist.“ Er sah selbst alles klar vor seinen Augen, als wäre es erst gestern passiert. Wie Rose ihn anschrie und wie ihr dann klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Ihr war die Röte ins Gesicht geschossen und dann war sie aus dem Zimmer gerannt, während er immer noch verblüfft am selben Fleck verharrt war und ihr hinterher gestarrt hatte. „Ich hätte dich aufhalten sollen. Dir die Wahrheit sagen sollen. Dass es mir genauso geht. Dass ich dich liebe. Ich hätte dich einfach küssen sollen. Ich wünschte ich könnte die Zeit dahin zurückdrehen und es einfach tun.“ „Du lügst“, stieß Rose aus. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Du lügst. Du willst mich nur durcheinander bringen und nutzt meine Gefühle aus. Du weißt, dass ich stärker bin als du und deswegen erzählst du mir diese Lügengeschichte. Aber es verletzt mich nicht!“ Scorpius seufzte. Es war egal was er sagte. Die Dauerschleife war noch nicht durchbrochen. Es hatte sich nichts geändert. Rose würde ihm nie glauben. ~~~ Rose fühlte sich von einem Pfeil durchbohrt. Wie konnte Scorpius nur so grausam sein und ihr eine solche Lügengeschichte auftischen? Er nutzte ihre Schwäche geschickt aus, denn alles in ihr wollte ihm glauben, dass dieser Moment hätte anders laufen können, aber sie wusste, dass nichts davon passiert war und nichts je passieren würde. „Rose Weasley ist tot“, sagte sie wütend und versuchte davon nicht nur den Malfoy sondern auch sich selbst zu überzeugen. „Also ist deine Geschichte nutzlos.“ „Du hast dich zurückerinnert“, erwiderte Scorpius. Seine Stimme klang dabei so hoffnungslos. Er glaubte nicht mehr sie überzeugen zu können. Das überraschte Rose mehr als sie zugeben wollte. Die ganze Situation behagte ihr nicht. Sie hatte das Gefühl, dass Scorpius diesmal die Oberhand hatte, ohne dass sie gegeneinander kämpften. Seine Worte hatten etwas in ihr ausgelöst. Nicht nur die Erinnerung an den Tag an den sie ihm aus Versehen ihre Liebe gestanden hatte, nein, es erinnert sie auch an Hogwarts. Und das tat soviel mehr weh als die Was-wäre-wenn-Geschichte, die ihr Scorpius so schön beschrieben hatte, denn das würde auch eine völlig andere Zukunft bedeuten. Eine, in der Hugo noch am Leben war und sie mit seinen Witzen aufzog. In der Albus noch ihr bester Freund war und sie Alice alles erzählen konnte. Wo sie Pyjamaparties mit Dominique und Roxanne veranstaltete und sie stundenlang über Jungs quatschen würden. Eine in der sie möglicherweise sogar die Freundin von Scorpius sein könnte. Es fühlte sich wie tausend Dolche an, die sie eiskalt durchbohrten, während sie das Bild einer anderen Zukunft vor sich sah, die es nie geben würde, nach der sie sich aber völlig verzehrte, weil es alles andere ungeschehen machen konnte und sie vor diesem Abgrund in sich selbst retten konnte. Rose wollte am liebsten nur noch schreien und weinen, doch sie konnte Scorpius gegenüber keine Schwäche zeigen. Sie hatte es selbst beschlossen. Es gab keinen Weg für sie zurück. Sie hatte die tollpatschige Rose Weasley hinter sich gelassen und sie begraben. Das war das einzige an das sie glauben sollte. Alles was sie getan hatte war richtig gewesen. Nichts davon musste verändert werden. Und Scorpius war nur ein Feind, den sie auslöschen musste. Rose klammerte sich an diesen Gedanken und hoffte der Nebel würde die Vorstellung dieser anderen Zukunft ausradieren, doch ihre Gedanken blieben klar, während sie den Zauberstab hob und zum wiederholten Mal den Malfoy attackierte. Es würde alles aufhören, wenn Scorpius vom Erdboden verschwunden war, redete sie sich ein, doch sie glaubte daran gar nicht mehr. Als er auf dem Boden lag und sich unter ihrem Folterfluch wand wie ein Frettchen, wurde ihr klar, dass er nicht einmal den Versuch gestartet hatte sich gegen sie zu wehren. Er hatte sich seinem Schicksal ergeben. Sie konnte es in seinen Augen sehen, dass er sich nicht mehr dagegen auflehnen würde, wenn sie ihn jetzt tötete. Rose stolpert überrascht zurück und brach den Zauber dadurch ab. Ihr Wille Scorpius zu foltern war ihr entwichen wie der Atemstoß, der ihr über ihre Lippen geschlüpft war, als sie sich über ihre eigene Reaktion erschrak. Der Malfoy war liegen geblieben und machte nicht einmal die Anstalten aufzustehen. Sein Zauberstab lag locker in seiner Hand. Er starrte nur in den Himmel, sah nicht einmal sie an. Was machte Scorpius nur heute mit ihr? Sie war stärker als er. Es war ihr ein leichtes ihn einfach hier auf der Stelle umzubringen. Sie musste ihn auch gar nicht foltern. Nur ein kleiner Zauberspruch, ein grüner Blitz und alles wäre vorbei. Aber sie konnte nicht. Sie sah ihn dort kampflos und ungeschützt auf dem Boden liegen, während seine Worte ihr durch den Kopf tanzten und der Wunsch nach dieser andere Zukunft ihr schwer auf dem Herzen drückte und ihr die Luft abschnitt. Warum konnte nicht alles wahr sein, was Scorpius gesagt hatte? ~~~ Liam hatte nicht damit gerechnet auf diese Szene zu treffen. Ausgerechnet Rose hatte ihren Zauberstab sinken lassen, obwohl Scorpius ihr hilflos ausgeliefert war und sie ihn so einfach töten könnte. Er konnte nicht verstehen wie die Weasley in diesem Augenblick nur zögern konnte, aber wenn sie es nicht fertig brachte übernahm er mit Freuden diese Aufgaben. Er zog seinen Zauberstab im Gehen. Keiner der beiden hatte ihn bis jetzt wahrgenommen. Das hier war also seine Chance. Jetzt konnte er Scorpius alles heimzahlen. Nie hatte er verstanden, wie Scorpius Albus Potter als besten Freund vorziehen konnte. Sie waren zusammen aufgewachsen und unzertrennlich gewesen bis sie nach Hogwarts gekommen waren. Natürlich war er vor Scorpius nach Hogwarts gekommen, aber er hätte nicht gedacht, dass das irgendetwas an ihrer Freundschaft ändern würde. Doch Scorpius war so darauf bestrebt gewesen dem Ruf seiner Eltern zu entfliehen, dass er sich lieber Albus als besten Freund gesucht hatte, weil das einen ganz anderen Eindruck machte, als wenn er als Malfoy wieder nur mit den Kindern der ehemaligen Todesser zusammen war. Liam hatte ihm das nie verziehen, denn in seiner Vorstellung hätte er zusammen mit Scorpius weiter Gryffindorschüler zur Schnecke gemacht und die Schule als Könige regiert. Doch so war alles anders gekommen. Ihre Freundschaft war zerbrochen und sie waren ihre Wege getrennt voneinander gegangen. „Avada Ked…“, setzte Liam an, doch plötzlich riss ihm ein Zauber seinen Zauberstand aus der Hand. Überrascht drehte sich er sich um, während nun auch Scorpius und Rose auf ihn aufmerksam wurden. Hinter ihm stand Fred Weasley, der Liams – durch die Luft fliegenden – Zauberstab geschickt aufgefangen hatte. Liam verstand die Welt nicht mehr. Irgendetwas lief hier gerade eindeutig falsch. Rose, die es nicht schaffte Scorpius den Todesfluch zu verpassen und Fred, der sich gegen ihn stellte. „Scorpius steh auf“, befahl Fred. Der Malfoy sah genauso verdattert drein wie Liam sich gerade fühlte, kam dem Befehl aber nach und entfernte sich ein paar Schritte von Rose, die immer noch nichts unternahm. „Rose reiß dich zusammen“, brüllte Liam sie wütend an, denn sie hatte noch ihren Zauberstab in der Hand und konnte noch kämpfen und die Lage wieder verändern. Aber sie reagierte überhaupt nicht, sondern sah tatenlos dem Geschehen zu, das sie genauso wenig verstand wie er es tat. „Fred, was…“, versuchte Scorpius den Weasley zu seinem Motiv zu fragen die Seite zu wechseln und ihm zu helfen, doch Fred funkelt ihn nur kalt an. „Komm“, befahl er mit eisiger Stimme erneut und zog Scorpius mit sich mit. „Wir gehen.“ Liam wusste, dass er etwas unternehmen musste. Fred konnte nicht einfach verschwinden und Scorpius mit sich nehmen. Das konnte er nicht zulassen. Das würde einer Niederlage gleich kommen. Er stürmte los um die beiden zu Boden zu reißen und zur Not auch mit den Händen zu erdrosseln. Er konnte nicht verlieren. Fred drehte sich um und verpasste ihm einen Ganzkörperklammerfluch, der ihn nach hinten kippen ließ und ihn zwang dabei zuzusehen wie Fred seinen Zauberstab mehrfach zerbrach und ihm die Bruchstücke zuwarf, während er mit Scorpius disapparierte. Liam schmeckte auf der Zunge den bitteren Geschmack der Niederlage. Das würde er ihnen heimzahlen. Beim nächsten Mal würde er sie alle töten. ~~~ Lily war durch das Geräusch einer zuschlagenden Tür aufgewacht. Sofort hatte sie das Bild von Albus vor den Augen, der sich in der Nacht davonschlich. Wütend schoss sie hoch. Wehe es wagte noch jemand die Gruppe zu verlassen. Sie würde denjenigen auf der Stelle töten. Sie überlegte kurz Fred aufzuwecken, doch er würde ihr nur ins Gewissen reden und ihr Einhalt gebieten. Das konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Daher schlich sie so leise wie möglich aus dem Zimmer und verschwand nach draußen um denjenigen zu finden, der das Haus mitten in der Nacht verließ. Sie hatte Glück. Derjenige war noch nicht weit gekommen. Die Person vor ihr entpuppte sich als Lorcan und Lily wollte schon wieder umdrehen, denn schließlich wusste jeder, dass Lorcan immer verschwand, aber auch immer da war, wenn man ihn brauchte. Aber sie war neugierig. Es sah nicht so aus als würde Lorcan einen ziellosen Spaziergang durch die Gassen von London machen. Im Gegenteil schien er ein eindeutiges Ziel vor Augen zu haben und so blieb Lily ihm auf den Fersen. Sie hatte sich eigentlich schon länger gefragt was in Lorcan vor sich ging. Er erschien ihr völlig undurchsichtig. Er tat was von ihm verlangt wurde und das war alles. Die restliche Zeit verbrachte er nicht bei der Gruppe. Nie tat er seine Meinung kund. Nie kommentierte er das Geschehene auch nur. Er war völlig kalt und emotionslos und genau aus diesem Grund vertraute Lily ihm. Immer wenn sie in Gefahr waren tauchte er auf und half ihnen. Er war immer im richtigen Augenblick zur Stelle. Trotzdem würde Lily gern mehr über ihn erfahren. Wo war Lorcan, wenn er nicht bei ihnen war? Sie hoffte die Antwort auf diese Frage jetzt herauszufinden. Lorcan blieb vor ihr plötzlich stehen und drehte sich um. Lily reagierte schnell genug und sprang zurück in die Gasse aus der sie gerade hatte abbiegen wollen, um dem Scamander zu folgen. Sie wusste nicht was er tun würde wenn er sie entdecken würde. Wie würde er darauf reagieren? Schon in der Zeit in Hogwarts hatte sie Lorcan nicht einschätzen können. Er sagte immer er tat alles aus purer Neugierde. Schaute einfach zu was passierte ohne dabei einzugreifen. Er war eins dieser Kinder, die alles ausprobierten, um zu sehen zu welchem Ergebnis sie kamen. Schon als sie Kinder waren war er stundenlang verschwunden und dann dreckverschmiert mit blutigem Knie und aufgeschlagenem Kinn zurückgekommen, während seine Augen vor Freude geglüht hatten, weil er wieder etwas Neues herausgefunden hatte. Als Lorcan weiterging wurde ihr klar, dass er sie schon längst bemerkt hatte, aber nichts unternehmen würde, weil er sehen wollte, was sie tun würde. Einen Augenblick zögerte Lily. War sie nur eins der Experimente von Lorcan? Wo würde er sie hinführen? War sie neugierig genug um es darauf ankommen zu lassen? Die Antwort darauf lautete eindeutig Ja und so folgte sie Lorcan weiter. Nichts ahnend, dass sie auf ihren Untergang zusteuerte und nicht von diesem Ausflug zurückkehren würde. ~~~ Lorcan hatte schon immer gewusst, wann Lysander mit ihm reden wollte. Selbst über größere Entfernungen wusste er was sein Bruder fühlte und wann er ihn brauchte. So war es auch heute Nacht gewesen. Er hatte neben Rose grübelnd im Bett gelegen, als er gespürt hatte wie Lysander nach ihm rief und sofort war er losgegangen. Er hatte auch sofort seinen ungewollten Verfolger bemerkt, aber ihm war nicht danach Lily jetzt abzuschütteln. Sollte sie mitkommen und sein Treffen mit Lysander beobachten. Er hatte das Gefühl er wusste was sein Bruder von ihm wollte und das konnte nur eins bedeuten. Wenn Lily hören würde was Lysander zu sagen hatte, würde sie sicherlich entsetzt reagieren. Er war gespannt darauf zu sehen, was für Auswirkungen, das auf Lily haben würde, die von ihnen allen am tiefsten in der Manipulation gefangen war. Lysander wartete schon auf ihn. Er erkannte die Ecke mit dem Muggelzaubergeschäft, das sie als Kinder so begeistert hatte und wo sie sich stundenlang von dem Besitzer des Geschäftes Zaubertricks zeigen lassen hatten. Er konnte sich noch zu gut daran erinnern. „Du bist gekommen“, stellte Lysander fest. „Aus freien Stücken?“ Lorcan wusste, worauf sein Bruder hinaus wollte und er hatte das Ziehen schon den ganzen Weg hierher gespürt. Das hier war vom Puppenspieler gewollt. Ebenso wie Lilys Anwesenheit. „Nein. Worüber willst du mit mir reden?“ Lysander seufzte und sah ihn an. Lorcan erschrak. In dem Blick seines Bruders lag etwas das er noch nie bei Lysander gesehen hatte. Hoffnungslosigkeit. „Du weißt wer der Puppenspieler ist, nicht wahr?“, fragte Lorcan frei heraus. „Aber du weißt nicht wie du ihn aufhalten kannst.“ Er konnte seine Neugierde kaum bezwingen. Wenn er nur den Namen hatte. Das würde alles ändern. Er könnte genau herausfinden wie die Manipulation funktionierte. Auf diese Weise würde er sehen können wie er kontrolliert wurde und konnte diesen Vorgang dann nach Belieben unterbinden oder zulassen. Das würde ihm die Macht geben. „Du machst es schon wieder“, meinte Lysander ruhig zu ihm. „Du denkst nie an die Menschen. Du siehst nur ein neue aufregende Methode der Manipulation, die du erforschen kannst.“ Lorcan grinste verschmitzt. Er konnte seinem Bruder gegenüber nicht verbergen was er dachte. Aber das hatte er auch nie vorgehabt. Er war nun mal wie er war. „Er ist bei euch, nicht wahr?“, fuhr Lorcan fort. Auch er hatte alles getan um herauszufinden wer der Puppenspieler war, aber Lysander hatte ihn bei dieser Schnitzeljagd scheinbar geschlagen. Lysander schwieg und sah ihn nur ganz ruhig an. „Du wirst mir den Namen nicht verraten, nicht wahr? Du willst nur von mir hören, ob ich zu den gleichen Schlüssen gekommen bin. Du willst immer nur deine Theorien von mir bestätigt hören.“ Irgendwie enttäuschte Lorcan diese Erkenntnis. Er hatte gedacht, dass sein Bruder ihm gegenüber das Geheimnis preisgeben würde. Das er ihm alles erzählen würde so wie früher. Aber er hatte sich geirrt. Es war nicht mehr wie früher. Sie standen auf gegnerischen Seiten. „Du wirst es den anderen erzählen, sobald du zurückgehst“, stellte Lorcan sachlich fest. „Ich bin mir nicht sicher ob ich das zulassen sollte. Andererseits wäre es mehr als interessant zu sehen was dann passiert. Eine verlockende Vorstellung.“ „Was ist nur aus dir geworden?“, fragte Lysander ihn leise. „Du bist völlig geblendet. Ist es wirklich so faszinierend Menschen zu töten? Ist dir wirklich alles egal?“ Er konnte den Vorwurf in der Stimme seines Bruders hören. Das Unverständnis wie er diesen Weg einschlagen konnte und sich nicht einmal schuldig dafür fühlte. Lorcan wollte ihm widersprechen und ihm sagen, dass er nicht geblendet war, dass die Manipulation keinen Einfluss auf ihn hatte und dass er noch klar denken konnte, aber er wusste, dass es gelogen wäre. Lorcan schwieg für einen Moment und auch Lysander sagte nichts. Es musste auch zwischen ihnen nichts mehr gesagt werden. Sie wussten genau wie sich der andere gerade fühlte. Gerade jetzt mit seinem Bruder an seiner Seite kam er sich so verloren und einsam vor. Auf einmal hatte er das Gefühl, dass er nie dem Puppenspieler überlegen war. Er hatte sich für so objektiv und distanziert gehalten, so als könnte ihn nichts berühren, aber das stimmte gar nicht. Sein Bruder konnte ihn immer noch berühren. Hier fühlte er sich verletzlich und angreifbar. Hier fühlte er sich schuldig und nur hier sah er wirklich klar. Daher beschloss Lorcan seine Vermutungen mit seinem Bruder zu teilen, auch wenn er nicht dafür erfahren würde, wer der Puppenspieler war. „Er ist auf eurer Seite. Er hat den Krieg gegen Voldemort als Kind miterlebt. Er ist also Anfang oder Mitte dreißig. Wahrscheinlich lügt er aber sowohl über sein Alter als auch über seinen Namen und Herkunft. Er ist im Personal von Hogwarts zu finden. Er wird unter den Leuten sein, die ich geschockt habe, als der Kampf losgebrochen ist. Er wird alles dafür getan haben so unschuldig wie möglich auszusehen. Wahrscheinlich nimmt ihn keiner wirklich wahr, aber er wird trotzdem zum engsten Kreis gehören. Und er war auf jeden Fall einer der Gäste auf der Hochzeit von Ted und Victoire, weil dort hat alles seinen Anfang genommen.“ Lysander hörte ihm nur zu ohne das Gesagte zu kommentieren. Aber Lorcan wusste, dass er Recht hatte. Er hatte sehr lang über all das nachgedacht und würde nichts von sich geben, dass er nicht für richtig hielt. Und das wusste sein Zwillingsbruder auch, der jetzt bestätigend nickte. „Danke“, fügte Lysander seinem Nicken hinzu. Vielleicht war es wirklich Zeit, dass der Puppenspieler enthüllt wurde und dass alles ein Ende finden würde. Danach würde es immer noch genug für ihn geben, dass er analysieren konnte. Das Ende des Puppenspielers würde nicht das Ende seiner Erforschungen bedeuten. Es war nur die Rückkehr von der Feldarbeit zum Labor, wo er nicht mehr in der ersten Reihe stand und es am eigenen Körper erlebte sondern alles rekonstruieren musste. Lysander trat auf ihn zu und umarmte ihn. Lorcan ließ es zu und erwiderte die Umarmung. „Du musst nach Hause zurückkommen“, flüsterte Lysander ihm ins Ohr. „Du darfst dich nicht selbst verlieren. Öffne deine Augen und schau auf deine Taten.“ Damit ließ sein Bruder ihn wieder los und drückte ihm etwas in die Hand bevor er sich umdrehte und ging. Lorcan starrte auf das kleine Amulett in seiner Hand. Es war ein Kette aus Butterbierkorken wie ihre Mutter sie ihnen immer gebastelt hatte, damit sie vor all den unheimlichen Kreaturen dort draußen geschützt waren, wenn sie wieder in den Wäldern verschwanden und ihrem Wissensdrang nachgaben. Er musste lächeln, weil er damit viele glückliche Kindheitserinnerungen verband und so sah er viel zu spät auf. Der grüne Blitz hatte schon die Luft zerrissen und traf Lysander in die Brust. Sein Bruder wurde durch die Luft geschleudert und landete direkt vor seinen Füßen. Lorcan starrte hinunter auf den leblosen Körper seines Bruders. Der verträumte Gesichtsausdruck war verschwunden und die wissbegierigen, leuchtenden Augen waren erloschen. Der Schmerz kam mit solcher Gewalt, dass es ihn förmlich auseinander riss. Dann folgte die Wut und Lorcans Blick fixierte die Person, die ihm gerade seinen liebsten Menschen auf Erden geraubt hatte. Die ihm seine andere Hälfte gestohlen hatte und ihn diesen unendlichen Schmerz aussetzte. Lily sah ihn herablassend an. Ihr war es völlig gleichgültig wen sie gerade getötet hatte. Er war der Beobachter. Der Distanzierte, der alles objektiv betrachtete und analysieren konnte. Den nichts treffen konnte und der durch nichts verletzt werden konnte. Außer durch eine einzige Sache. Lorcan schrie vor Kummer und Wut laut auf. Lily lachte nur. „Was hast du denn?“, fragte sie unverblümt. „Das war das einzig Richtige.“ Lorcan musste an verletzte Tiere denken, die in eine Raserei verfielen und alles attackierten. Er war verletzt und würde aus diesem brutalen Schmerz heraus alles mit sich reißen. Der Todesfluch flog über seine Lippen und Lily weitete nur erschrocken die Augen bevor sie reagierte und denselben Fluch zurückschleuderte. Die zwei Todesflüche trafen sich nicht in der Mitte. Nur grüne Blitze, die aneinander vorbei flogen und allem ein Ende bereiten würde. Lily fiel zuerst zusammen wie eine Puppe, der man die Fäden durchgeschnitten hatte. Lorcan konnte in ihrem Blick den Unglauben sehen und die Wut darüber, dass es jetzt für sie zu Ende war. Dass sie besiegt worden war und alles verloren hatte. Und er spürte nur die kurze Genugtuung der Rache, die ihm aber nicht einmal für eine Sekunde den Schmerz nehmen konnte, der ihn völlig und ganz verschlungen hatte und ihn von innen heraus zerfleischte. Er breitete die Arme aus und wartete auf sein Ende. Dabei hielt er das letzte Geschenk seines Bruders fest umklammert. Ohne seinen Bruder würde er nicht nach Hause gehen. Dann wurde alles in grünes Licht getaucht. Kapitel 15: Fate loses control ------------------------------ Der Sog spuckte sie irgendwo in London wieder aus. Immer noch verstand Scorpius nicht was gerade passiert war. Fred war aufgetaucht und hatte ihn gerettet. Hatte er auch die Seiten gewechselt? Und was war mit Rose? Der Malfoy hatte das Gefühl zum ersten Mal bei ihr durchgedrungen zu sein, denn sie hatte es nicht fertig gebracht ihn zu töten. Stattdessen hatte sie tatenlos zugesehen und nicht einmal mehr den Versuch unternommen gegen ihn vorzugehen. Damit hatte er möglicherweise einen Teilsieg davon getragen, doch er war noch weit entfernt sie zurückholen. Das wusste er. „Fred“, versuchte Scorpius noch einmal mit dem Weasley zu reden, doch es kam nicht einmal eine winzige Reaktion von diesem. Er stand einfach nur mitten auf der noch leeren Straße, die sich – da die Sonne sich langsam am Himmel erhob – bald füllen würde. Scorpius hatte das Gefühl, dass Fred ihn nicht einmal gehört hatte und er fragte sich was den Weasley so verstört hatte. Doch der Blonde hatte nicht mehr die Kraft weiter nachzufragen. Fred hatte ihm geholfen und er verdankte ihm sein Leben. Das Warum konnte später immer noch geklärt werden. Erschöpft ließ er sich auf einen Treppenaufgang zu einem der Häuser fallen. Sein Kopf fühlte sich an als müsste er platzen, denn es war soviel passiert über das er noch keine Zeit hatte sich Gedanken zu machen. Eigentlich brauchte er eine Pause. Urlaub von all diesem hier. Aber das war unmöglich. Es gab keine Pausetaste im Krieg. Niemand fragte danach ob er noch konnte und genug Reserven hatte. Scorpius fragte sich wann das alles ein Ende fand, denn er war langsam aber sicher an seiner Grenze angelangt und wusste nicht mehr wie er das weiter überstehen sollte. Wenn sie doch nur endlich die Identität des Puppenspielers ausfindig machen konnten. Er musste sich direkt vor ihrer Nase befinden und sich schlapp lachen darüber wie sie versuchten vergeblich eine Lösung zu finden und ihm zu entkommen. Wenn sie nur irgendetwas hätten. Ein Motiv. Ein Hinweis. Einen Zeugen. Die Methode. Einen Fehler. Aber sie hatten reinweg gar nichts nach diesen fünf Monaten vorzuweisen. Was brachte es ihnen denn schließlich zu wissen, dass sie Schachfiguren waren und wehrlos dem nächsten Zug ausgesetzt waren? Die Sonne stieg stetig höher und die ersten Sonnenstrahlen krochen schon über die Hausdächer. Bald würde jemand die Tür öffnen und ihn von der Treppe verscheuchen. Fred hatte sich immer noch nicht gerührt und starrte auf irgendeinen Punkt in der Ferne. Wahrscheinlich war er nur in seinen Gedanken verloren so wie Scorpius. Er konnte deutlich jeden Knochen in seinem Körper fühlen was kein Wunder war schließlich hatte Rose ihn wieder gefoltert. Er brauchte sein Bett und eine Portion Schlaf. Mühsam quälte der Malfoy sich von den Stufen hoch und trat auf Fred zu. „Lass uns gehen“, meinte er und legte dem Weasley eine Hand auf die Schulter. Er wäre fast zurück geschreckt, da Fred sich seltsam eisig anfühlte, aber er tat es nicht. Stattdessen wedelte er mit der Hand vor den Augen seines Retters herum, der sich immerhin weit genug zusammenriss um hoch zuschauen und in dem Augenblick wurde Scorpius klar, dass etwas Schreckliches geschehen war. Als James neben ihm auftauchte, ihn beiseite schob und Fred die Faust ins Gesicht trümmerte, wusste er auch was. Die kleine Lily Potter war tot. ~~~ In James schrie alles und er schlug wie ein Berserker auf seinen ehemaligen besten Freund ein in der Hoffnung dadurch seinem Schmerz Einhalt zu gebieten, aber es war vergebene Liebesmüh. Als Molly ihn endlich von Fred herunterziehen konnte, der sich nicht einmal gewehrt hatte, waren seine Fäuste blutig, sein Atem ging schwer und sein Gesicht war klitschnass von den Tränen, die er nicht stoppen konnte oder wollte. Aber besser fühlte er sich nicht. Molly zog ihn in ihre Arme und strich ihm über den Rücken um ihn zu beruhigen. In der warmen Umarmung begann er zu zittern und konnte seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Er schrie, weinte, tobte und schluchzte, doch Molly ließ ihn nicht los, sondern blieb bei ihm bis er all seine letzten Kraftreserven aufgebraucht hatte und zusammensank wie ein Haufen Elend, dem nur noch die entsetzliche Wahrheit geblieben war. Seine Schwester war tot. Seine kleine, über alles geliebte Schwester. Die Prinzessin, die er sich immer geschworen hatte zu beschützen. Er war gescheitert. Hatte versagt als großer Bruder und Ritter. Es war alles seine Schuld. Er hatte sie diesen Weg hinunter getrieben. „Meine Schuld, alles meine Schuld“, echote James nur noch schwach, während er sich an Molly festklammerte. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Lily war tot. „Pscht“, versuchte seine beste Freundin ihn zu beruhigen, während sie ihm durch die Haare fuhr und die Tränen vom Gesicht wischte. „Ich bin hier und ich gehe nicht weg.“ Die Stimmen der anderen drangen schwach an sein Ohr aber er verstand nicht was sie sagten und dann waren sie auf einmal weg. Er konnte nicht mit ihnen zurück. Er konnte nicht zurück zu seinen Eltern und seinem Bruder und ihnen mit dieser schrecklichen Schuld in die Augen sehen. Er hatte versagt. Seinetwegen war seine Schwester fort und jetzt war sie tot. Das konnte er nie wieder gut machen. Für dieses Vergehen musste er den Rest seines Lebens Buße tun. „James“, flüsterte Molly ihm zu. Er konnte spüren wie ihre heiße Tränen auf sein Gesicht tropften. Sie versuchte sich zusammenzureißen und für ihn stark zu sein. „Albus“, murmelte er. „Ich muss zu Albus.“ Er konnte hier nicht bleiben und sich seinem Schmerz hingeben. Wer war dann für seinen Bruder da? Auf keinen Fall durfte er jetzt auch noch seinen Bruder verlieren. Albus war schon einmal der dunklen Seite verfallen. Er musste verhindern, dass sein kleiner Bruder sich die gleichen Vorwürfe machte, wie er sich jetzt selbst machte. Sie mussten füreinander da sein und sich gegenseitig Trost spenden. Er durfte nicht so selbstsüchtig sein und sich in seinem Kummer vergraben. Molly half ihm auf, da James kaum mehr die Kraft hatte alleine zu stehen so schwach fühlte er sich. „Danke“, brachte er schwach über die Lippen und meinte damit so viel mehr als nur die Dankbarkeit für ihre Hilfe beim Aufstehen. Ohne Molly hätte er gar keinen Grund mehr gefunden wieder aufzustehen. Ohne sie hatte er sich schon längst in seinem Schmerz verloren. Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg und James wappnete sich. Das Wichtigste war jetzt für seine übrig gebliebene Familie da zu sein und allen eine Stütze zu sein. Sein eigener Kummer musste jetzt warten. ~~~ Louis wollte mit niemanden reden. Vor allem nicht mit seiner Schwester. Er wollte allein gelassen werden und sich ganz seiner Trauer hingeben. Er hatte seine Tür verbarrikadiert und sich auf Lysanders Bett unter dessen Decke verkrümelt, wo er seine Tränen freien Lauf ließ. Wenn er doch nur bei seinem besten Freund in der Bibliothek geblieben wäre. Wenn er ihn dazu gezwungen hätte aufzustehen und mit ihm zu kommen. Aber Lysander hätte nur abgewinkt, das wusste Louis genau. Nichts und niemand hätte ihn dazu bringen können seine Notizen liegen zu lassen, wenn er vielleicht gerade auf einer heißen Spur war. War das sogar der Grund warum sein bester Freund jetzt tot war? Louis bekam es mit der Angst zu tun und er rollte sich noch tiefer unter der Decke ein, da ihn die Kälte wieder befiel. Der Puppenspieler würde sie alle längst getötet haben bevor sie nur irgendetwas herausfinden würden. Das würde er niemals zulassen. Es war so hoffnungslos. Dieser ganze Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner war nicht zu schaffen. Sie hatten doch nicht die geringste Chance. Lysander war der einzige von ihnen gewesen, der möglicherweise hinter die Identität des Puppenspielers hätte kommen können. Doch nur war er fort und damit war auch ihre minimale Erfolgsaussicht zu Staub zerfallen. Und ihm blieben nur der Schmerz und die Schuldgefühle. Louis spürte wie die Tränen auf seinem Gesicht eine Bahn in seine Wangen einmeißelten. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Möglicherweise war es das Beste wenn er wie in seinem Traum starb um dem Leid zu entkommen, denn er konnte so nicht mehr weitermachen. Er fühlte sein Fundament bröckeln. Bald würde er auseinander fallen. Es gab niemanden mehr, der ihm Mut machte. Ohne Lysander war er einfach nur ein verlorenes Schaf. Es war Lysander gewesen, der ihnen das Vertrauen gegeben hatte, dass sie es schaffen konnte, dass sie Helden sein konnten und den Bösewicht erledigen würden. Wie sollte es ohne ihn weitergehen? Es konnte so nicht weiter laufen. Louis wollte die Zeit zurückdrehen zu seinem letzten Gespräch mit seinem besten Freund. Er wollte ihn darum bitten mit ihm zusammen Alice zu besuchen. Lysander würde wissen was zu sagen war um Alice aus ihrer Starre wieder herauszureißen und ihr neue Hoffnung zu geben. Zu dritt würde sie sich durch die Notizen wühlen und endlich den entscheidenden Hinweis finden. Louis schluchzte bei diesem Gedanken auf. Es tat zu weh daran zu denken, was hätte sein können, denn es war nur eine dumme Illusion, die er sich nur machte, damit er sich besser fühlte. Lysander würde ihm nicht mit Alice helfen können. Er würde ihm auch keine Hoffnung mehr machen können. Diese Zeit war vorbei. Es gab keine Heldentruppe mehr. Alice war im Krankenhaus und völlig zerbrochen, Annie war in Behandlung, Lysander tot und er war vor Kummer gelähmt. Niemand von ihnen würde den Puppenspieler jetzt noch stoppen. Die Zeit der Helden war vorüber. ~~~ „Nein“, erwiderte Alice nur wütend. „Du lügst. Lysander kann nicht tot sein.“ Sie konnte sehen wie ihr Vater hilflos mit den Schultern zuckte und sein verzweifelter Gesichtsausdruck verriet ihr schon was er als nächstes sagen würde. „Ich wünschte es wäre anders, mein Liebling. Aber es ist die Wahrheit.“ Er wollte sie in den Arm nehmen um sie zu trösten doch sie wich ihm nur aus und rutschte bis an die Bettkante des Krankenhausesbettes. Sie wollte jetzt keinen Trost. Sie wollte nicht, dass jemand sie in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles wieder gut werden würde, denn das wäre gelogen. „Geh“, schnauzte sie ihren Vater nur an. „Ich will allein sein.“ Einen Augenblick fürchtete sie, dass er trotzig sitzen bleiben würde, aber ihr Vater hatte ihr noch nie etwas aufgezwungen und so verließ er schweigend– aber nicht ohne ihr noch ein letztes Mal über die Haare zu streichen – das Zimmer. Alice blieb fassungslos zurück. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der smarte und freundliche Scamander fort war. Für immer. Er hatte sie heute besuchen wollen, um mit ihr zu reden. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen seit er sich von ihnen verabschiedet hatte bevor sie sich zum Ministerium aufgemacht hatten. Nie hätte sie gedacht, dass das ein endgültiger Abschied gewesen war. Sie hatte ihm noch soviel sagen wollen. Ihm erklären wollen wie dankbar sie ihm und Louis war. Dafür dass die beiden für sie da gewesen waren und ihr eine Beschäftigung gegeben hatten. Es schmerzte unendlich der Chance auf diese Worte beraubt worden zu sein. Doch statt ihre Trauer zuzulassen erlaubte Alice ihrer Wut Besitz von ihr ergreifen zu lassen. Sie war so verdammt sauer. Hauptsächlich auf sich selbst, aber auch auf den Puppenspieler und die anderen Schachfiguren. Lysander hätte dort draußen nicht alleine sein dürfen. Sie hätte sich nicht hier im St. Mungos vergraben sollen. Warum war sie nur so schrecklich verängstigt gewesen? Wie hatte sie nur ihre Freunde im Stich lassen können und sich so selbstsüchtig ihrer Angst hingeben können? Sie starrte die weiße Wand vor sich an in der Hoffnung, dass diese ihr eine gute Antwort liefern konnte. Aber es war jetzt zu spät sich Vorwürfe zu machen. Alice konnte ähnlich wie bei der Schlacht in Hogwarts die Zeit nicht zurückdrehen und Lysander zurückholen. Doch sie konnte sich aus ihrer Starre befreien, diesen Ort verlassen und in den Kampf gegen den Puppenspieler ziehen. Sie ballte die Fäuste zusammen. Das Opfer ihres Freundes konnte nicht umsonst gewesen. Keine Figur auf dem Schachbrett sollte grundlos geopfert werden. Es sollte dem Ziel dienen zu gewinnen und es war noch nicht vorbei solange noch Schachfiguren auf dem Feld waren. Alice konnte nur vorwärts gehen und jede gegnerische Figur vom Brett fegen bis sich endlich dem schwarzen König gegenüberstand. Sie musste ihn schachmatt setzen. Für Lysander. Und für all die anderen Toten, die es nicht hätte geben dürfen. Entschlossen stand die Blonde mit einem Ruck auf. Es war Zeit zu kämpfen und zurückzuschlagen. ~~~ Man konnte sich in seinen Kummer vergraben und die Welt ausschließen. Man konnte stark sein und den Schmerz ertragen. Oder man konnte die Trauer durch ein anderes ebenso starkes Gefühl überlagern. Und Harry war verdammt wütend. Die Wut hatte ihn längst völlig durchflutet und er brauchte jetzt sofort einen Schuldigen, an dem er all diese Wut auslassen konnte, denn er konnte nicht mehr klar denken. Diese grausame Nachricht hatte einfach noch nicht seinen Kopf erreicht. Kaum waren die Kinder zurückgekommen hatte Harry den Saal in seine Einzelheiten zerlegt. Aber das hatte nicht gegen den rauchende Zorn und diesem schrecklichen Gefühl der Hilflosigkeit geholfen. Also war er hinausgestürmt und hatte Ginny alleine gelassen, obwohl er wusste, dass sie ihn jetzt brauchte. Aber er konnte es einfach nicht ertragen. Es musste irgendetwas geben. Irgendetwas, das er tun konnte. Er musste diesen Mörder finden und ihn zur Strecke bringen. Er musste etwas unternehmen. Es musste aufhören. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und die Vermutungen und er folgte einfach seinem Instinkt. Er hatte das Gefühl, dass das entscheidende Puzzleteil direkt vor seiner Nase baumelte und er nur noch zugreifen musste. Also folgte er seiner Eingebung und machte sich auf den Weg zu den Quartieren der Erwachsenen. Der Puppenspieler musste unter ihnen sein. Er musste unter ihnen sitzen und sich das Schauspiel aus nächster Nähe ansehen. Der Verdacht stand schon länger im Raum, dass einer unter ihnen der Manipulator war und derjenige alle Informationen hatte, die er brauchte, um sie geschickt auszuspielen und sein grausiges Morden ungehindert fortsetzen zu können. Harry erreichte den Raum, indem die Liste hing, wer mit der Nachtwache dran war. Er riss sie von der Wand und sah sie sich an. Dieser Mistkerl musste gestern mit den Rundgängen dran gewesen sein. Nur so konnte er sich erklären wie es Scorpius und Lysander gelungen war unbemerkt das Gelände zu verlassen. Der Puppenspieler musste es zugelassen haben. Er fand den Namen, den er brauchte, am Ende der Liste und stürmte wieder aus dem Zimmer hinaus. Harry machte sich gar nicht erst die Mühe anzuklopfen, er stürmte gleich in den Raum und fand seinen Hauptverdächtigen schlafend vor. Mit gezogenem Zauberstab weckte er ihn. „Was ist los?“, murmelte dieser schlafgetrunken. „Ist was passiert?“ „Steh auf“, forderte Harry ihn auf. Er musste tief durchatmen um sich noch zusammenreißen. Dieser Kerl machte auf völlig unschuldig. Langsam kam sein Gegenüber auf die Beine und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann fiel sein Blick auf den Zauberstab in Harrys Hand. „Hab ich irgendetwas verbrochen?“, fragte er erschrocken und mit aufgerissenen Augen. Harry zwang sich ruhig durchzuatmen und nicht zuzuschlagen, weil er ihm keine Sekunde diese Unschuldsshow abkaufte. Dieser hier hatte Dreck am Stecken. „Du hattest gestern Nachtwache, nicht wahr?“ „Ist was passiert? Es tut mir so schrecklich leid, aber ich bin nur ganz kurz eingeschlafen. Ich war so müde vom Nichtstun. Es ist alles meine Schuld.“ Harry war die Entschuldigung egal. Er packte den Kerl beim Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Er hatte keine Lust sich von diesem Typen veräppeln zu lassen. „Du bist der Puppenspieler, nicht wahr?“, ließ Harry seiner Vermutung freien Lauf. „Daher stehst du jetzt unter Arrest, Mr. Paul Hyde.“ Und sein Gegenüber lächelte nur als wäre das alles bloß ein Witz. Als wäre seine Tochter nicht gerade ermordet worden. So als wäre die Welt noch in Ordnung und alles nur ein böser Traum. ~~~ „Was habt ihr euch nur gedacht?“, fuhr Nathan Rose und Liam an. „Dank eurer gigantischen Lust auf nächtliche Spaziergänge haben wir drei unserer Mitstreiter verloren. Drei!“ Rose hatte ihn noch nie so wütend und zeitgleich bitter enttäuscht erlebt. Aber sie wusste selber nicht wie sie das rechtfertigen konnte. Sie stand noch völlig unter Schock. „Ich hätte für euch intelligenter gehalten. Besser vorbereiteter. Aber nein ihr lasst euch überrumpeln. Euch außer Gefecht setzen. Ihr lasst zu, dass eure Mitstreiter getötet werden oder die Seiten wechseln. Ihr habt nichts dagegen unternommen.“ „Wenn Rose…“, setzte Liam zur Erklärung an aber Nathan schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und der Pucey protestierte nicht einmal dagegen. „Du hast zugelassen, dass dein Zauberstab zerbrochen wurde. Was willst du jetzt tun ohne einen vernünftigen Zauberstaub? In die Winkelgasse marschieren und dir einen neuen besorgen? Hast du eigentlich mal drüber nachgedacht, dass das nicht so einfach funktioniert?!“ Nathan schnaubte. „Nein natürlich nicht. Keiner von euch kann denken und mal ein bisschen voraus planen. Was bin ich eigentlich? Euer Aufpasser, der euren Müll zusammenkehrt?!“ Rose hatte Tränen in den Augen. Sie wusste gar nicht weswegen ihr so zum Heulen zumute. War es weil Nathan so enttäuscht von ihr war? War es weil sie so wütend über sich selbst war, dass sie sich von ihren Emotionen überwältigen lassen hatte und schon wieder die Chance verpasst hatte Scorpius den Garaus zu machen? Oder weil Lorcan und Lily fort waren und sie das traf? Sie fing an zu schluchzen und Liam warf ihr die Sorte Blick zu, die eindeutig sagte, dass sie ihn bloß mit ihrem Geheule verschonen sollte. Aber ihr war verdammt noch mal egal was der ehemalige Slytherin von ihr jetzt dachte. Sie war einfach fertig mit den Nerven. In den letzten drei Tagen hatte sie mitgeholfen das Ministerium zu zerstören, Albus hatte sie im Stich gelassen und Lorcan war auch fort. Und sie hatte sich zweimal die Gelegenheit entgehen lassen Scorpius zu töten weil Rose es einfach nicht schaffte ihre Gefühle endgültig abzuschalten und sich davon zu befreien. Die Weasley hatte einfach genug von alldem. „Ist das genug der Strafpredigt?“, fragte Liam genervt. Aus Nathans Augen schossen tödliche Blitze und Rose hätte beinahe aufgelacht als Liam automatisch einen Schritt zurück machte und in Deckung ging. „Verschwinde schon“, fauchte der ehemalige Hausmeister und Liam war schneller bei der Tür als man Quidditch hätte sagen können. Rose blieb, denn auch wenn Nathan wütend auf sie war, war er die einzige Person bei der sie sich jetzt noch sicher und geborgen fühlte. Und sie war noch so durcheinander von ihrer Begegnung mit Scorpius, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken bleiben wollte. Nathan sagte nichts sondern ließ sich einfach in seinem Sessel am Kamin nieder. Auf dem Tischlein neben ihm stand eine Flasche Rotwein und dazu ein Glas. Er musste gestern hier im Schein des Kamins gesessen haben und den Wein getrunken habe. Rose ärgerte sich. Sie hätte einfach zu ihm kommen sollen statt sich in die Nacht hinaus zu schleichen. Er hätte ihr zugehört und ihr eine Tasse Tee gemacht sowie er es in Hogwarts getan hatte, als er die einzige Person gewesen war, die Zeit für sie gehabt hatte. „Es tut mir leid“, brach Rose stockend hervor. „Ich hätte nicht hinausgehen sollen.“ Er warf ihr einen langen Blick zu. Sie fing an sich unwohl dabei zu fühlen, weil er nichts dazu sagte sondern sie nur ansah, aber dann wand er sich ab und blickte hinaus in den Regen, der angefangen hatte auf das Dach zu tropfen und im gleichmäßigen Takt zu trommeln begann. Rose fühlte sich allein gelassen in dieser weiten Welt. Plötzlich schien niemand mehr da sein zu. Nur das Trommeln des Regens, das das dunkle Loch in ihrem Herzen ausfüllte. ~~~ Dominique hatte versucht mit ihrem Bruder zu reden, doch Louis hatte sich eingeschlossen und weigerte sich herauszukommen. Sie hatte es schon bei ihrem Aufbruch geahnt aber dennoch war sie fassungslos. Noch mehr Tote. Noch mehr Opfer des Puppenspielers und sie konnten nichts tun. Aber die blonde Weasley konnte sich nicht in ihrem Kummer vergraben. Lysander war vielleicht ihre beste Chance gewesen, aber er war nicht der einzige, der klug genug war. Sie musste jetzt an sich selbst und ihre Fähigkeiten glauben so wie es Mr. Blotts ihr geraten hatte. Und sie konnte einfach nicht untätig herumsitzen und warten bis der nächste Zug kam. Da sich alle in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatten, um das Geschehene zu verdauen und zu trauern, machte sich Dominique ungesehen auf dem Weg in die Bibliothek. Es war seltsam ohne Lysander im Raum. Einen Augenblick hielt sie inne und ließ sich dann auf Lysanders Platz auf dem Fußboden nieder. Seine Notizen waren verstreut und sie begann sie zu ordnen, aber währenddessen holten die Erinnerungen sie ein. Ihr Tanz mit Lysander am Abend der Hochzeit ihrer Schwester. Wie sie ihn nur abschätzig betrachtet hatte und ihn gar nicht wirklich wahrgenommen hatte. Aber er hatte sie genau gesehen und in ihr Inneres geblickt. Er hatte sie verstanden und akzeptiert wie sie war. Lysander hatte das größte Herz von ihnen allen gehabt und hatte alles getan um ihnen zu helfen. Er hatte es nicht verdient zu sterben. Keiner von ihnen hatte es verdient zu sterben. Sie alle hatte noch ihr ganzes Leben vor sich. Niemand sollte das kaputt machen. Dominique liefen die Tränen über das Gesicht aber sie machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen, denn es würde nicht aufhören weh zu tun. Der Schmerz würde nie enden. Sie wollte lieber Lysanders Gedenken wahren, indem sie seine Arbeit fortsetzte. Die Blonde machte sich also daran die Notizen ihres verstorbenen Freundes durchzusehen und sich jedes einzelnes Wort davon einzuprägen. Sie musste zwar gegen die Tränen anblinzeln aber es gelang ihr immerhin das Geschriebene nicht auch noch mit ihren Tränen zu verschmieren. Lysander hatte wirklich jede Kleinigkeit festgehalten, die sich seit der Hochzeit von Victoire und Ted ereignet hatte. Er schien sich sicher gewesen zu sein, dass alles dort angefangen hatte und egal was der Puppenspieler für ein Zauber auf sie verwendet hatte, er hatte es auf der Hochzeit getan. Dominique versuchte sich zurückzuerinnern ob ihr irgendetwas seltsam vorgekommen war oder ob sie jemanden gesehen hatte, den sie nicht gekannt hatte. Aber sie erinnerte sich an nichts Merkwürdiges. An diesem Tag war sie nur völlig geblendet von der Eifersucht auf ihre Schwester gewesen, dass sie nichts um sich herum wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich war das der Grund gewesen, dass der Puppenspieler sie ausgewählt hatte. Möglicherweise hatte jeder von ihnen sich an diesem Tag mit negativen Gefühlen herumgeplagt. Irgendwie musste er gewusst haben wer besonders gut auf seine Manipulation anspringen würde. Hatte er sie länger beobachtet? Beherrschte er Legilimentik? Es schien eine Million Fragen zu geben bezüglich des Puppenspielers und es schien als könnte sie keine einzige davon beantworten. Aber Dominique wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben und las in den Notizen weiter. Irgendwo musste es den einen entscheidenden Hinweis geben. Der Schlüssel zu allen Antworten. Dominique spürte wie ihr die Augen langsam zufielen. Sie war erschöpft, da sie kaum geschlafen hatte in den letzten Tagen und soviel passiert war. Aber sie wollte noch nicht zurück in ihr Zimmer. Erst wenn sie alles gelesen hatte und sich eingeprägt hatte, konnte sie ins Bett gehen. Und selbst dann eigentlich nicht. Sie konnte erst wieder beruhigt schlafen wenn die Gefahr durch den Puppenspieler gebannt war. Es war kalt geworden auf dem Fußboden und sie hatte sich keine Jacke mitgenommen. Durch das kleine Fenster in der Nähe des Schreibtisches fiel ein wenig Licht des abnehmenden Mondes. Ansonsten lag die Bibliothek im Dunkeln. Der Blonden war gar nicht aufgefallen, dass es schon Nacht geworden war. Obwohl sie einerseits das Gefühl hatte, dass keine Zeit vergangen war, schien der blutige Morgen andererseits Jahre her zu sein. Der Augenblick als sie die Leichen gefunden hatte kam ihr vor wie aus einem anderen Leben. Aber all das war passiert und es war nicht einmal ein Tag her. Dominique versuchte sich wieder auf die Notizen zu konzentrieren, doch die Buchstaben tanzten vor ihrer Nase auf und ab und ergaben keinen Sinn mehr. Bevor sie sich dagegen wehren konnte übermannte der Schlaf sie und sie rollte sich auf dem Fußboden ein. In ihrem Traum tanzten die Buchstaben weiter, setzten sich neu zusammen und zerfielen wieder auseinander bevor der ganze, seltsame Reigen von vorne begann. Sie versuchte die Buchstaben zu verscheuchen, weil sie in Ruhe gelassen werden wollte, aber wie kleine Libellen wuchsen ihnen Flügel und sie flogen über sie hinweg und tanzten als leuchtende Punkte am Himmel weiter. Dominique schnaubte missmutig und starrte in den Nachthimmel, der sich über sie erstreckte. Im Osten begann es bereits heller zu werden und die Buchstaben erloschen nach und nach. Bis zum Schluss nur noch fünf Buchstaben übrig blieben, die ein letztes Mal ein Wort bildeten bevor die Sonne sich ganz am Himmel erhob und alles in goldenes, warmes Licht tauchte. Dominique wachte davon auf, dass etwas sie berührte und sie schoss panisch hoch. Sie blickte in die überraschten blauen Augen von Mr. Blotts, der gerade dabei gewesen war eine Decke über sie auszubreiten. „Ich wollte dich nicht wecken“, entschuldigte er sich höflich. Die Weasley bekam den Mund gar nicht auf, da ihr hundert Fragen zugleich durch den Kopf schossen. Hatte sie sich das Wort in ihrem Traum nur eingebildet? Hatte sie während sie geschlafen hatte gesabbert? Wie sah sie überhaupt in diesem Moment aus? Und war sie sich wirklich sicher, dass sie das Wort in Lysanders Notizen gelesen hatte? Und warum musste ausgerechnet jetzt nach so einem wirren Traum auch noch der Mann auftauchen, der sie am meisten aus dem Konzept brachte? „Aber jetzt wo du wach bist solltest du wirklich zurück in dein Zimmer. Sonst muss ich über deinen Schlaf wachen, damit du nicht verloren gehst, aber ich will mir lieber keinen Ärger einhandeln, weil ich meine Pflichten des Nachtrundganges vernachlässige.“ Seine dunkle Stimme und sein kurzes Zwinkern ließen Dominique alles vergessen. Er durfte gerne über ihren Schlaf wachen. Am besten konnte er gleich neben ihr liegen. Nackt versteht sich natürlich. Aber sie musste sich zusammenreißen um nicht jetzt das Sabbern anzufangen. Sie wollte natürlich kein Ärger verursachen. Zumindest nicht wenn die Auswirkungen davon Mr. Blotts betrafen. Sie sammelte alle Notizen zusammen und versuchte möglichst lässig aufzustehen. „Dann ist es wohl besser, dass ich alles mitnehme und auf meinem Zimmer weiter lese.“ Sie lächelte ihn zuckersüß an und er erwiderte kurz verschmitzt das Lächeln bevor er wieder streng drein guckte. Er begleitete sie zurück bis zu ihrer Zimmertür und hielt ihr diese auf, damit sie mit dem Stapel Notizen ohne Probleme hineingehen konnte. „Gute Nacht“, wünschte er ihr und sie wollte sich noch einmal umdrehen um ihm das ebenfalls zu wünschen, doch er war schon wieder mit seiner Laterne den Gang herunter gelaufen und drehte sich auch nicht noch einmal zu ihr um. Enttäuscht seufzte sie und legte die Notizblätter auf ihrem Bett ab. Erst jetzt fiel ihr der Buchstabentraum wieder ein und sie begann Lysanders Notizen erneut durchzublättern. Sie glaubte, dass sie das Wort aus ihrem Traum schon einmal dort gelesen hatte und es sich daher in ihrem Traum eingeschlichen hatte. Je länger sie suchte, desto sicherer war sie sich. Auf einem der Notizblätter hatte Lysander das Wort „Squib“ an den Rand gekritzelt. Doch die Notiz war unauffindbar. ~~~ Roxanne war unzufrieden mit der Gesamtsituation. Natürlich war es ein Erfolg das ihr Bruder zurück war, aber nur ein einziger Blick auf ihn reichte, um zu wissen, dass er völlig zerstört war. Der Verlust von Lily hatte ihn aus der Bahn geworfen und sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er sich in Schuldvorwürfen ertränkte. Sie hatte versucht mit ihm zu reden, doch er hatte nur in die Leere gestarrt und sie gar nicht wahrgenommen. Die Rückkehr ihres Bruders fühlte sich dadurch nicht mal ein kleines bisschen wie ein Erfolg an. Es war nur eine weitere Niederlage. Der Puppenspieler hatte Fred innerlich zerbrochen und ihn dann vom Spielfeld gefegt wie ein lästiges Insekt. Sie war bei ihm geblieben um ihm Gesellschaft zu leisten, damit er nicht alleine in seiner Trauer war und weil sie Angst um ihn hatte. Angst, was er sich antun konnte, wenn er alleine war. Doch Fred blieb wo er war als wäre er festgewachsen an seinem Sessel von dem er nach draußen starrte. Er hatte keine der Fragen beantwortet die ihm die Erwachsenen gestellt hatten, was nur zu Wutausbrüchen und Frust geführt hatte bis sie aufgegeben hatten und ihn in Ruhe gelassen hatten. Roxanne saß auf dem Sofa gegenüber von Freds Sessel, doch er sah nicht einmal in ihre Richtung. Sie fragte sich ob er Lilys Tod mit angesehen hatte. Ob er wusste was passiert war? Aber selbst wenn er es wusste, er würde es ihnen nicht erzählen. Sie machte sich nichts vor. Er würde vielleicht nie wieder aus dieser Starre erwachen. Doch er hatte Scorpius noch das Leben gerettet bevor er sich selbst aufgegeben hatte. Möglicherweise würde er wieder einen Grund finden zum Leben zu erwachen. Sie konnte nicht die Hoffnung verlieren. Am Anfang hatte sie sich das alles anders vorgestellt. Sie hatte gedacht sie könnte eine Heldin sein wie ihr Onkel Harry. Aber sie hatte nichts getan als nur rum zu sitzen. Vielleicht war sie nicht einmal eine Schachfigur, denn sie hatte bis jetzt nichts ausrichten können. Sie fühlte sich so verdammt nutzlos. Und jetzt konnte sie nicht einmal ihrem Bruder helfen. Roxanne musterte ihn, versuchte irgendwo seinen Lebenswillen zu finden, etwas das ihr sagte, dass er nicht für immer aufgegeben hatte. Wenn sie ihm doch nur irgendwie helfen konnte. Aber Fred hatte Lily geliebt. Sie war ihm sein wichtigster Mensch auf Erden gewesen und er hatte sie für immer verloren. Roxanne konnte sich das nicht einmal vorstellen. Sie hatte nie irgendjemanden so sehr geliebt, dass ohne diese Person das Leben nicht mehr verheißungsvoll erschien. Wie sollte sie also ihren Bruder verstehen und ihm helfen? Sie wusste sich kein Rat und sie wünschte sich nur weit weg an einen Ort an den es diese Fragen nicht gab und an dem alle glücklich waren. Die Tür knarrte und öffnete sich. Molly kam herein. Sie war blass und man konnte noch die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sehen, aber aus ihren Augen loderte ein Feuer, das Roxanne verblüffte. Ihr wurde klar, dass es noch nicht Zeit zum Aufgeben war. Sie musste dieses Feuer zurück in die Augen ihres Bruders bringen. ~~~ Claire war beharrlich. Sie war schon immer ein Sturkopf gewesen und hatte versucht ihren eigenen Willen durchzusetzen. Daher hatte Albus gar keine Chance gegen sie und musste sich irgendwann geschlagen geben. Ihre eiserne Geduld zahlte sich auch aus. Albus ertrug den Gedanken nicht sie noch vier weitere Stunden draußen vor seiner Tür sitzen zu wissen und öffnete ihr die Tür. Sie huschte in sein stockdunkles Zimmer, da er die Vorhänge zugezogen hatte und ließ sich auf sein Bett nieder. Er seufzte als er sie da sitzen sah. „Ich will alleine sein“, beschwerte er sich, aber es sah nicht aus, als würde er sie rausschmeißen. Insgeheim war er sicher froh, dass sie so lange darauf bestanden hatte hereinzukommen, weil er nicht alleine mit seinem Kummer sein wollte. Claire konnte sich selbst nicht erklären, warum es ihr so wichtig war bei Albus zu sein, aber seit ihrem Gespräch auf der Treppe vor ein paar Tagen, fühlte sie eine tiefe Verbundenheit mit ihm, weswegen sie für ihn da sein wollte und mit ihm gemeinsam die Dunkelheit bekämpfen wollte. „Ich mach mir Sorgen um dich“, erwiderte sie ruhig. „Du solltest jetzt nicht alleine sein.“ Albus seufzte wieder, ließ sich aber neben ihr auf dem Bett nieder. „Ich wünschte ich hätte etwas unternehmen können“, sagte er niedergeschlagen. „Du hast gehört was Lysander gesagt hat. Wir sind raus aus dem Spiel. Du hättest ihr nicht helfen können“, versuchte Claire ihm gut zu zureden. „Und du konntest nicht wissen was passieren würde. Das konnte keiner von uns wissen.“ „Aber trotzdem…“, erwiderte Albus trotzig. „…wenn ich da geblieben wäre, hätte ich bei ihr sein können. Sie retten können.“ Claire legte ihm eine Hand auf den Arm. „Nein. Du wärst manipuliert worden und wärst wahrscheinlich ganz woanders gewesen und hättest jemanden getötet. Es wäre dir sogar egal gewesen, dass deine Schwester gestorben ist, weil du unter der Manipulation nichts gefühlt hättest.“ Der Potter sah sie entsetzt an und wollte etwas darauf erwidern, aber ihm fiel nichts ein, weil er sich eingestehen musste, dass sie Recht hatte. Unter der Manipulation wäre es ihnen egal gewesen wer gestorben wäre. Sie hatten selbst so viele getötet und dabei nicht mal eine Träne vergossen. Erst jetzt nach dem Verlassen des Schachspieles fühlte Claire wieder. Alles was die Manipulation von ihr ferngehalten hatte überrollte sie nun wie eine riesige Sturmwelle nun. Es war unerträglich. All der Kummer. All die Verzweiflung. All die Schuld, die sie auf sich geladen hatte. Aus diesem Grund konzentrierte sie sich auf ihren persönlichen Felsen in der Brandung. Albus brauchte sie jetzt um sich nicht in seinem Kummer zu verlieren. ~~~ Molly löste Roxanne von ihrer Wacht über Fred ab, obwohl sie selbst am Ende war und nur schlafen wollte, aber sie musste es wenigstens versuchen mit ihrem Freund zu reden. Sie war so erleichtert, dass ihm nichts geschehen war und er zurückgekehrt war. Sie wusste, dass sie es nicht ertragen hätte ihn zu verlieren. Fred reagiert nicht auf sie, als sie sich auf das Sofa fallen ließ. Sein Blick war starr aus dem Fenster gerichtet und seine Finger krallten sich in den Sesselarmen fest, so als fürchtete er im nächsten Augenblick davon gespült zu werden. Sie streckte sich um seine Hand zu berühren, doch er zeigte keine Reaktion. Sie wusste nicht mal ob er die Berührung spürte. Er fühlte sich eisig an. Sie hatte nicht einmal von seinen Gefühlen für Lily gewusst. Er hatte sich ihr gegenüber nie geöffnet. Aus Rücksicht auf James hatte er diese Gefühle wahrscheinlich in sich hineingefressen und das hatte ihn zu einem leichten Ziel für den Puppenspieler gemacht. „Fred es tut mir alles so schrecklich leid. Ich wünschte ich hätte für dich da sein können“, flüsterte Molly ihm zu, während sie die Tränen in ihren Augen wieder aufsteigen spürte. Hastig wischte sie die Tränen wieder weg. Sie musste stark sein. Für Fred. Für James. Für alle anderen. „Ich versteh es einfach nicht, weißt du“, begann sie sich alles von der Seele zu reden. „Warum tut jemand so etwas? Was treibt diesen Puppenspieler an? Wie kann ein Mensch so sehr hassen?“ Es erschien ihr so unbegreiflich. Sie konnte auch wütend werden und es gab sicher einige Menschen, die sie an manchen Tagen wirklich verabscheute und die sie in Gedanken gern umbrachte, aber sie würde es nie tun. Was hatte der Puppenspieler erlebt um zu so einem Menschen zu werden? Molly wollte nicht daran glauben, dass diese Person – wer auch immer er oder sie war – es nur dem Vergnügen wegen tat. Es musste einen tieferen Grund dafür geben. Niemand schlachtete grundlos Menschen an. „James ist auch am Boden zerstört“, versuchte sie sich abzulenken, damit die grausigen Bilder von den Toten nicht wieder vor ihren Augen tanzten. „Es tut ihm so schrecklich leid, was er zu dir gesagt. Er wollte nicht nur Albus und …“ Ihre Stimme versagte kurz und sie brachte es nicht über sich den Namen auszusprechen. Es war noch zu früh und Fred brauchte nicht an seinen Verlust erinnert werden. „Er wollte dich zurückholen. Ihr seid doch beste Freunde. Ihr wart doch schon immer zusammen. Schon bevor ihr mich aufgenommen habt. Ich brauch euch beide an meiner Seite. Ich fühl mich im Augenblick so einsam. So unvollständig. Ich weiß nicht wie ich ohne euch vorangehen und diesem ganzen Unheil ins Gesicht blicken soll. Ich weiß nicht ob ich stark genug bin um all das hier zu überstehen“, sagte sie während ihre Stimme immer tränenerstickter wurde bis sie ganz abbrach. Molly wusste nicht mehr was sie noch sagen sollte. Es erschien ihr alles wie eine Zeitschleife in der sie bis ans Ende ihrer Tage festsaß. Fred schien ihr nicht einmal zugehört zu haben. Nichts hatte sich in seinem starren Blick geändert und sie fühlte sich nur noch einsamer und leerer als zuvor. Da öffnete sich die Tür und Adam kam herein mit einem grimmigen Gesichtsausdruck, der nur noch mehr schlechte Nachrichten bedeuten konnte. „Annie ist verschwunden“, sagte er kurzbündig, doch Molly konnte spüren, dass er bereits das Schlimmste befürchtete. Von den Verschwundenen war nie jemand lebend zurückgekehrt. „Dann lass uns sie suchen gehen“, versuchte Molly ihm Mut zu machen und stand auf um hinauszugehen. Ein letzter Blick auf Fred zeigte ihr, dass nicht mal diese Nachricht Leben in ihn zurückgeholt hatte. Er erwartete nur noch das Ende während sie krampfhaft die Augen geschlossen hielt um es nicht kommen zu sehen. Es konnte noch nicht zu Ende sein. ~~~ Er stand am Kamin und starrte in das prasselnde Feuer. Das Papier färbte sich langsam schwarz und verkohlte Stück für Stück bis es ganz zerfiel. Es war ein wunderschönes Schauspiel, das er sich immer wieder ansehen konnte. Er nahm die Zeitung von heute und warf sie auf das Feuer. Die Titelüberschrift lautete „Ist der Puppenspieler ein entflohener Todesser?“ und entlockte ihm nur ein müdes Lächeln. Sie waren alle so dumm. Er hatte nichts mit den Todessern zu schaffen. Er war kein wiedergekehrter fanatischer Anhänger Voldemorts. Das sollte den Leuten doch klar sein. Schließlich schlachtete er nur Zauberer mit sichtlichem Vergnügen ab. Aber es zeigte nur wieder einmal wie planlos die Regierung im Dunkel tappte und sich verzweifelt an den einzigen Strohhalm klammerte, der für sie Sinn machte. Woher konnte der neue Bösewicht nur seinen Ursprung haben wenn nicht im alten? So lächerlich. Mit Schadenfreude sah er zu wie das Feuer gemächlich Buchstabe für Buchstabe fraß bis diese dumme Frage ganz ausgelöscht war. Er war das Schicksal. Nichts anderes. Aber was erwartete er auch von solchen unterbelichteten Zauberern?! Es war das Beste sie ein für alle mal vom Angesicht der Welt zu tilgen. Die Zeit der Zauberer war vorbei. Es war Zeit, dass er die Kontrolle übernahm. Doch er konnte sich jetzt keine Unvorsicht mehr erlauben. Heute wäre ihm beinahe für einen Augenblick die Kontrolle entglitten. Zum Glück war er darauf vorbereitet gewesen und hatte das ganze Unheil abwenden können. Er grinste bei dem Gedanken am dummen Gesicht von Harry Potter. Er hatte gedacht, dass er es geschafft hatte und der Wahrheit auf die Spur gekommen war. Doch er war blind wie alle anderen. Die Antwort lag so offensichtlich vor ihrer Nase. Aber darin lag der Spaß für ihn. Er saß in der ersten Reihe des Puppentheaters und amüsierte sich königlich über die Aufführung, die er selbst entworfen hatte und nun kunstvoll dirigierte. Der erneute Verlust von schwarzen Schachfiguren gefiel ihm nicht. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Doch damit hatten die anderen Figuren nur ihr Schicksal besiegelt. Die Zeit der kleinen Scharmützel war endgültig vorbei. Der Moment, den er so sehnsuchtsvoll herbeigesehnt hatte war gekommen. Der letzte Akt hatte begonnen und der Höhepunkt war endlich völlig in seiner Gänze vorbereitet. Der nächste Zug würde das Ende einläuten und es würde ein Spektakel werden. Alles bis jetzt waren nur kleine Aufwärmübungen gewesen. Es wurde Zeit der Welt seine wahre Macht vorzuführen. Er schnalzte mit der Zunge bei dem Gedanken an all das Blut, das noch fließen würde. Ungeduld erfüllte ihn und er zwang sich einen tiefen Atemzug zu nehmen um nicht laut vor Begeisterung los zu schreien. Er ließ sich zurück in seinen Sessel fallen und griff nach seinem Weinglas. Er trank es in einem Zug leer, stellte es ab und klatschte in die Hände. Das Ende war gekommen. Kapitel 16: Fate reveals his true colors ---------------------------------------- Roxanne wanderte auf einem Scherbenmeer. Jeder Schritt zerschnitt ihre Füße weiter, doch sie konnte nicht aufhören weiter voranzugehen. Sie hatte das Gefühl das Blut in ihren Adern pochen zu hören und ihr war furchtbar schwindelig, doch der Schmerz ließ sie bei Bewusstsein bleiben. Wohin steuerte sie bloß? Vor ihr breiteten sich nur noch mehr Scherben aus und hinter ihr sah es genauso aus mit dem Unterschied, dass diese bereits rot verfärbt waren von ihrem Blut. Sie musste anhalten und hier raus. Obgleich sie sich mit aller Macht zwang stehen zu bleiben, gelang es ihr nicht ihren Körper zu kontrollieren. Ihre Füße waren nur noch eine blutige Masse, aber das Ende war noch lange nicht in Sicht. Der Dunkelhaarigen rannen die Tränen vor Schmerz übers Gesicht. Das hier konnte nur ein Alptraum sein. Es musste einfach ein Alptraum sein. Sie träumte und verarbeitete ihren Schmerz über den Verlust von Lily und Lysander. Sie musste an ihren Bruder denken, den es innerlich zerrissen hatte. Wanderte er im Schlaf auch über Scherben? Spürte er den Schmerz oder blieb er so teilnahmslos wie sie ihn zuletzt gesehen hatte? Hatte ihr Bruder überhaupt noch Träume oder war alles für ihn ins Dunkle getaucht, da er sein Licht verloren hatte? Für Roxanne schien die Tortur endlich ein Ende zu haben, denn das Meer aus Glas endete und sie sank erleichtert auf den Grund. Sie brauchte ihren Zauberstab um die Blutung ihrer Füße zu stoppen, aber sie hatte ihn nicht bei sich, also zerriss sie ihr Kleid und wickelte ihre Füße in behelfsmäßigen Bandagen, die sich augenblicklich voll sogen. Roxanne blieb einfach sitzen, biss die Zähne zusammen und hoffte, dass sie bald aufwachen würde. Sie musterte ihre Umgebung. Das Scherbenmeer war verschwunden und um sie herum war nichts außer Sand. Die Sonne prallte auf ihren Rücken und sie fühlte sich elend. Sie brauchte Wasser um ihre Wunden zu versorgen und um ihren Durst zu löschen. Kaum hatte die Weasley diesen Gedanken gehabt, erschien eine Oase inmitten des Sandes. Roxanne zwang sich noch ein letztes Mal auf die Beine zu kommen, obwohl die Schmerzen unerträglich waren und ihre Füße auf dem heißen Sand brannten. Aber sie würde jetzt nicht klein beigeben. Sie war eine Kämpferin und so biss sie sich verbissen auf die Lippe während sie sich schwankend und beschwerlich auf den Weg in Richtung der Oase machte. Roxanne hatte das Gefühl ohnmächtig werden zu müssen, doch sie schaffte es mit letzter Kraft zur Oase und sank neben dem Wasserloch zu Boden. Schweißperlen liefen ihr über das Gesicht und sie schöpfte mit ihren Händen Wasser um ihren Durst zu löschen. Das Wasser schmeckte seltsam metallisch. Roxanne blickte auf die rote Flüssigkeit zwischen ihren Handflächen und schrie vor Entsetzen auf. Sie robbte mit Schrecken von dem mit Blut gefüllten Loch weg. Dann wurde alles schwarz vor ihren Augen. Das kalte Wasser, das über sie geschüttet wurde, riss Roxanne aus ihren Alptraum. Verwirrt blickte sie sich um und stellte fest, dass ihre Hände über ihrem Kopf gefesselt waren. Ihre Füße waren wie in ihrem Traum nur noch eine blutige Masse und der Schmerz lähmte ihre Sinne. Was war mit ihr passiert? Wo war sie? „Na wie hat dir dein persönlicher Alptraum gefallen?“, ertönte eine Stimme irgendwo hinter ihr. Roxanne kannte diese eindringliche Stimme. Sie versuchte sich nach ihrem Besitzer umzudrehen, doch die Fesseln schnitten ihr bei dieser plötzlichen Bewegung ins Fleisch. Liam trat aus dem Schatten hinter ihr ins Licht und genoss diesen Augenblick sicher sehr. Roxanne verstand nicht wie sie hierher gelangt war. Sie konnte sich an nichts erinnern. Sie wusste nicht wo sie war, aber sie konnte sich denken was passiert war. Sie hatte nicht aufgepasst und war unter die Manipulation des Puppenspielers gefallen. Ihre Wut und ihre Trauer mussten sie angreifbar gemacht haben. Sie stöhnte bei dieser Erkenntnis auf. Liam grinste diabolisch und kam näher. „Wir werden unsere Spaß haben während wir auf den Rest warten nicht wahr? Ein bisschen Folter zum Zeitvertreib.“ Er hielt eine Peitsche in der rechten Hand und bevor Roxanne noch die Chance hatte sich mental auf den kommenden Schmerz vorzubereiten, hatte Liam bereits ausgeholt und der Peitschenhieb traf sie an der linken Schulter. Ihr Schmerzensschrei hallte hundertfach von den Wänden wieder.   ~~~   Scorpius hatte die erstbeste Chance genutzt sich wieder aus dem Anwesen zu stellen. Er hatte sich einige Stunden ausgeruht, aber dann hatte er es nicht mehr drinnen ausgehalten. Die Atmosphäre war von Trauer und Hilflosigkeit getränkt gewesen und er hatte das Gefühl gehabt darin ersticken zu müssen. Seine Mutter hatte ihn bei seiner Rückkehr verzweifelt angefleht unter keinen Umständen mehr Malfoys Manor zu verlassen. Sein Vater hatte die Bewachung des Anwesens verstärkt und doch war Scorpius ungesehen herausgekommen. Er seufzte, wusste er doch, was das bedeutete. Der Puppenspieler schien keine Pause einzulegen und er hatte im Gefühl, dass sich das Ende dieses Wahnsinns langsam näher schlich wie eine meterhohe Welle, die sich über ihm auftürmte und nur noch darauf wartete ihn mit aller Macht fortzuspülen. Er wollte nicht untätig abwarten bis dieser Moment kam. Er musste etwas tun. Er hatte gehört wie die Erwachsenen darüber gesprochen hatten einen gewissen Paul Hyde inhaftiert gehabt zu haben aufgrund des Verdachts, dass er der Puppenspieler sein könnte. Er war nur wenige Stunden später auf unerklärter Weise entkommen. Falls er wirklich der Puppenspieler war, konnte es sein, dass er jemand dazu manipuliert hatte ihm bei seiner Flucht zu helfen. Es war die einzige Spur, die Scorpius bezüglich des Puppenspielers hatte und er hoffte wieder auf Rose zu treffen. Ein letztes Mal würde er es noch versuchen. Er schien bei ihr fast das Ende des Tunnels erreicht zu haben, doch er fürchtete, dass er den Ausgang verschüttet vorfinden würde. Die Gestalt am Ende der Straße tauchte mit einem Plopp auf. Scorpius erkannte den ehemaligen Hausmeister sofort und ballte wütend die Hände zu Fäusten zusammen. Er wollte das verschmitzte Grinsen dieses Kerls aus seinem Gesicht wischen. Er war Schuld an dieser ganzen Situation. Wenn es ihn nicht gegeben hätte, wäre alles anders verlaufen. Seine Erinnerung nahm ihn zurück zu jenem verhängnisvollen Tag.   Das letzte Treffen der Vertrauensschüler in diesem Schuljahr war gerade zu Ende gegangen und alle waren aus dem Raum herausgestürmt. Es waren nur noch er und Rose Weasley im Raum. Rose war dabei die Fenster zu schließen, die während der Versammlung geöffnet worden waren, damit kühlere Luft in den überhitzten Raum kam. Scorpius hätte gehen können, doch er konnte seine Augen nicht von Rose nehmen, die in ihrem blaugeblümten Kleid heute besonders bezaubernd aussah. Gleich würde sie sich wieder zu ihm umdrehen und feststellen, dass er noch da war und sie unverholt anstarrte. Er konnte schon genau vor Augen sehen wie sie die Augenbraue hochziehen würde und ihn wütend ansehen würde. Dann würde sie laut schnauben, sich ihre Tasche schnappen und den Raum verlassen. Bevor das passieren konnte, nahm er sich ihre Tasche vom Boden. So schlug er mehr Zeit mit Rose alleine in einem Raum heraus. Sie würde nur noch wütender werden und ihn anschreien. Vielleicht würde sie auch versuchen ihn zu verhexen. Dann musste er sich schnellstmöglich aus dem Staub machen, denn sie war nicht umsonst die beste Duellantin im Duellierklub. Rose war am letzten offenen Fenster stehen geblieben und sah verträumt hinaus in Richtung See. Sie hatte scheinbar nicht bemerkt, dass er noch hier war. Er konnte nicht widerstehen und musste sich langsam an sie heranschleichen. Er packte sie von hinten und sie erschrak. Sie drehte sich wütend um und plötzlich waren sie sich so nah. Sein Herz fing an schneller zu schlagen. Ihr stieg die Röte ins Gesicht, als ihr klar wurde wie dicht sein Gesicht ihrem war. Es fehlten nur Zentimeter, die er so schnell überbrücken konnte und sie hier und jetzt küssen konnte. Doch er tat es nicht. „Wer hat eigentlich so einen schlechten Modegeschmack? Ist das das Kleid deiner Großmutter?“ Sie stieß ihn wütend von sich und funkelte ihn an. Der magische Moment war damit vernichtet und alles war wie immer. Rose wollte davon stürmen, bemerkte aber, dass er ihre Tasche hatte. „Gib mir meine Tasche zurück“, befahl sie und er konnte schon sehen wie sie kurz davor stand zu explodieren. Er hätte stoppen können, ihr die Tasche zurückgeben können und sie für heute ziehen lassen können. Doch er konnte nicht aufhören sie zu reizen. „Dann hol sie dir doch wieder zurück, kleine Rosie“, erwiderte er und hielt ihre Tasche hoch. Wie er erwartet hatte, explodiert sie bei der Erwähnung ihres Spitznamens. Doch was kam überraschte ihn. „Du bist so ein verdammter Idiot“, fauchte sie ihn wütend an. „Ein dreimal verfluchter Idiot. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie mein Herz schneller schlagen kann, wenn ich dich sehe, denn ich bin definitiv nicht in dich verliebt.“ Rose schnappte erschrocken nach Luft und schlug sich mit der Hand vor den Mund, als könnte sie sich so davon abhalten weiterzureden. Doch es war längst zu spät. Die Worte waren heraus und er starrte sie ungläubig an. Hatte er sie gerade richtig verstanden? Hatte sie ihm gerade gestanden, dass sie sich in ihn verliebt hatte? Roses Gesicht hatte sich knallrot verfärbt. Sie trat schnell auf ihn zu, schnappte sich ihre Tasche und dann rannte sie – als ging es um ihr Leben – aus dem Raum heraus. Er nahm einen tiefen Atemzug und setzte Rose nach. Doch er stolperte und fiel kaum,  dass er aus der Tür herausschoss. Er blickte hoch und sah in das grinsende Gesicht des Hausmeistergehilfen. Ihm wurde klar, dass der Idiot ihm gerade ein Bein gestellt hatte, damit er Rose nicht hinterher rennen konnte. Scorpius schäumte vor Wut über und sprang auf. Er hatte zum Schlag ausgeholt bevor er noch eine weitere Sekunde darüber nachgedacht hatte. Mr. Greaves fing seinen Schlag geschickt ab und wenige Sekunden später drückte er Scorpius zu Boden. Er versuchte sich gegen den Griff zu wehren und strampelte mit aller Kraft, doch er kam nicht frei. Mr. Greaves lachte. „Ich bin überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass du das Mädchen ernsthaft magst. Du warst immer so ein kleines Arschloch zu ihr. Traurig, dass sie sich in einen Kerl wie dich verliebt hat.“ Der Hausmeistergehilfe beugte sich dicht zu ihm herunter. „Was hältst du davon wenn ich sie mir schnappe? Ich bin sicherlich viel netter zu ihr und auch besser für sie.“ Scorpius konnte nicht glauben, was er da hörte. Er versuchte diesen Mistkerl von sich abzuschütteln, doch der lachte nur und hielt ihn weiter am Boden fest. Irgendwann hatte er keine Kraft mehr sich zu wehren und musste seine bittere Niederlage hinnehmen. Rose war schon längst verschwunden und er hatte seine Chance vertan ihr die Wahrheit zu sagen. Mr. Greaves ließ ihn los und war verschwunden bevor Scorpius sich wütend auf ihn stürzen konnte. Stattdessen schlug er aufgebracht mit der Faust auf die nächste Wand ein bis er sich wieder beruhigt hatte. Warum hatte er sie nur nicht geküsst als er die Chance dazu hatte?   „Was willst du hier?!“, blaffte Scorpius den ehemaligen Hausmeister an, der mit breiten Grinsen auf ihn zugeschlendert gekommen war. Er hob dabei die Hände hoch, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, doch das war dem Malfoy scheißegal. Dieses Mal würde er dem Kerl eine pfeffern. „Willst du wirklich eine Wiederholung?“, fragte Greaves ihn herausfordernd. „Ich bin nur gekommen um mit dir zu reden. Über Rose.“ Scorpius hielt inne und bewahrte seine Distanz zu dem ehemaligen Hausmeister. Er hatte keinen Grund diesem Kerl auch nur ein Wort zu glauben. Dieser Mistkerl hatte ihn davon abgehalten Rose die Wahrheit zu sagen. Er hatte mit Rose geflirtet und sie mehrfach in sein Büro eingeladen. Er hatte Rose nach der Schlacht mitgenommen, war mit ihr verschwunden und hatte aus ihr eine Mörderin gemacht. Doch noch während er über all das nachdachte, wusste er, dass das nicht stimmte. Auch wenn er diesen Kerl abgrundtief hasste, konnte er nicht leugnen, dass er sich um Rose gekümmert hatte. Sie getröstet hatte, als er sie nur gereizt und verletzt hatte. „Sie erinnert mich an meine kleine Schwester“, sagte Greaves, als ob er den Gedankengang von Scorpius unterstreichen wollen würde. Der Malfoy blickte ihn an, ließ die Hände aber zu Fausten geballt. Er würde sich dennoch zuerst anhören, was Greaves zu sagen hatte. Dann würde er ihm immer noch einen Schlag ins Gesicht verpassen. „Wenn ich damals schon früher in der Großen Halle gewesen, hätte ich sie davon abgehalten ihren Bruder zu töten. Es hat sie völlig zerstört. Ich hab sie also der Manipulation überlassen, damit sie vergessen kann. Ich hätte sie aufhalten können. Sie unterstützen können. Ich hab gedacht sie wäre verloren und nicht mehr zu retten. Doch ich lag falsch“, gab sein Gegenüber zu. „Du hast gestern in ihr wieder die alte Rose zum Vorscheinen gebracht. Sie ist noch nicht verloren. Du kannst sie immer noch retten. Bevor sie sich endgültig im Wahnsinn verliert, weil sie glaubt, dass wäre die einzige Möglichkeit der Schuld zu entkommen.“ Scorpius starrte Greaves an. Er hatte nicht den blassesten Schimmer was der Kerl plante, aber es klang fast, als würde er sich wirklich aufrichtig um Rose sorgen. Er traute Greaves nicht über den Weg. „Ich werde ihr sowieso helfen. Egal was du sagst. Ich werde sie nicht aufgeben, weil ich sie liebe. Und ich hätte es ihr damals gesagt, wenn du mich nicht davon abgehalten hättest ihr hinterher zu rennen.“ „Damals hattest du sie nicht verdient“, erwiderte Greaves kalt. „Warum sprichst du überhaupt mit mir über Rose? Arbeitest du nicht mit dem Puppenspieler zusammen? Was genau planst du?“, brach Scorpius aufgebracht hervor. Greaves grinste verschlagen. „Nicht mehr. Er bevorzugt übrigens Fate als Namen.“ Entgeistert sah Scorpius Greaves an, der scheinbar seine Aussage völlig ernst meinte. Er fühlte sich von hinten bis vorne von diesem Kerl veräppelt. Er stürzte auf Greaves zu, doch dieser fing wieder seinen Schlag, packte seinen Arm und verdrehte ihn auf seinen Rücken, sodass er ihn wieder ohne Probleme zu Boden drücken konnte. „Die Wiederholung hättet du dir wirklich sparen können“, meinte Greaves trocken. Er machte eine kurze Pause bevor er in trauriger Stimme weiter sprach und seine Geschichte erklärte. „Meine Schwester wurde von einem Zauberer ermordet. Ich wollte meine Rache an der Welt der Zauberer und habe mich Fate deshalb angeschlossen. Aber wenn er dafür Mädchen wie meine kleine Schwester zerstört, wird das nicht die Rache sein, die meine Schwester gewollt hätte. Ich bin fertig mit dieser Sache. Es ist jetzt deine Aufgabe Rose zu retten. Du kannst von mir halten was du willst, aber sie braucht dich jetzt. Also lass dich diesmal nicht aufhalten und tu was du schon vor anderthalben Jahren hättest tun wollen.“ Mit diesen Worten nahm Greaves das Gewicht von ihm und disapparierte auf Nimmerwiedersehen. Scorpius rappelte sich wieder auf. Er spürte das Ziehen der Manipulation in seinem Bauch. Es wurde Zeit, dass er endlich Rose nach Hause brachte.   ~~~   Alice hatte entschieden zuerst zu Malfoys Manor zurückzukehren um Lysanders Notizen zu besorgen. Er musste etwas gewusst haben. Er war schließlich Lysander, der immer eine Antwort auf alles hatte. Damit würde sie anfangen. Dann musste sie die schwarzen Schachfiguren aufspüren und sie alle beseitigen, um an den schwarzen König zu gelangen. Ihr Plan war simpel und Alice hatte nicht vor jetzt aufzugeben. Sie betrat das Anwesen, das seltsam still dalag. Die Trauer um die Gefallenen schien jeden Raum ausgefüllt zu haben und machte das Atmen schwer. Die Blonde ließ sich davon nicht ablenken, sondern steuerte zielgerichtet auf die Bibliothek zu. Sie stellte fest, dass sie nicht die einzige war, die den Plan verfolgte Lysanders Notizen auf Hinweise zu durchsuchen. Dominique saß an der gleichen Stelle wie Lysander es immer getan hatte. Es versetzte Alice einen unerwarteten heftigen Stich. Sie würde ihn nie wieder in seinem Gewühl vorfinden. „Nicht anrühren!“, fauchte Dominique, als Alice nach einem Teil der Notizen griff. „Sorry Alice“, entschuldigte sich die Weasley sofort. „Ich hab alles geordnet und kann es jetzt nicht gebrauchen, dass mir jemand meine Ordnung durcheinander bringt.“ Alice zog ihre Hand wieder zurück und versuchte Dominiques Ordnungssystem zu erkennen, doch sie konnte nicht nachvollziehen nach welchem System die Notizen angeordnet waren. Dominique selbst hatte ein Register in der Hand. Squibregister konnte Alice auf dem Buchrücken entziffern. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte sie, denn sie war nicht gekommen um nichts zu tun. Dominique seufzte. „Leider gerade nein. Ich kann keine Ablenkung gebrauchen. Ich hab eine Theorie, die ich überprüfen will. Aber du könntest versuchen mit Louis zu reden. Er weigert sich mit irgendjemanden zu reden und kommt nicht mehr aus seinem Zimmer heraus. Er braucht dich jetzt dringender, also geh zu ihm.“ Alice musste sich für den Augenblick geschlagen geben. An Louis hatte sie noch gar nicht gedacht, so sehr war sie darauf fixiert gewesen den Puppenspieler zur Strecke zu bringen. Sie sollte kurz nach ihm sehen bevor sie sich um ihren Plan kümmerte. Sie verließ also die Bibliothek und lief den Gang herunter zum Zimmer von Louis und Lysander. Sie zwang sich diesen Gedanken zu korrigieren. Es war nur noch das Zimmer von Louis. Sie klopfte, aber es kam keine Antwort. Sie versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war geschlossen. Mit ihrem Zauberstab öffnete sie das Schloss. „Louis?“, fragte sie in das dunkle Zimmer hinein. Es kam keine Antwort, also kam Alice ganz in den Raum hinein. Louis lag nicht in seinem Bett, sondern in dem seines besten Freundes. Er schien zu schlafen und die Blonde entschied schon wieder das Zimmer zu verlassen und ihn schlafen zu lassen, als er aufstöhnte und begann sich zu wälzen. „Bitte töte mich einfach. Bitte tu es einfach!“ Erschrocken über die Worte ihres Freundes schüttelte Alice ihn wach. Louis blinzelte sie überrascht an, doch dann wand er sich mit traurigem Gesicht ab. „Ich will nicht hören, wer wieder verschwunden ist oder getötet wurde. Bitte verschon mich einfach damit. Ich ertrag es nicht mehr.“ Alice erinnert sich an dieses Gefühl. Diese Angst, die sie auffraß, doch jetzt war sie nur schockiert über Louis’ Worte und verpasste ihm eine saftige Ohrfeige. „Wie kannst du sagen, dass du lieber tot wärst?!“, schrie sie ihn an. „Glaubst du Lysander wollte, dass du aufgibst und dich in deinem Zimmer verkriechst? Er hat daran geglaubt, dass wir diese Sache beenden können. Dass wir den Puppenspieler aufhalten und alles zum Guten wenden können. Wir sind verdammt noch mal die Helden dieser Geschichte.“ Louis hielt sich verblüfft die Wange, während Alice ihm die Leviten las. Er sagte nichts, was Alice nur noch mehr aufbrachte. „Ich werde jetzt da raus gehen und diesem Puppenspieler das Handwerk legen. Du kannst gern hier im Dunkeln versauern und bereuen nichts getan zu haben. Ich werde nicht zulassen, dass noch jemand stirbt.“ Damit sprang Alice auf und verließ den Raum. Sie war fast am Ende des Gangs angelangt als Louis sie eingeholt hatte. „Bitte Alice geh nicht“, flehte er sie an.  Sie wollte etwas darauf erwidern, doch auf einmal breitete sich ein Nebel in ihrem Kopf aus und ihr entglitt der Gedanke.   ~~~   Annie versuchte tief durchzuatmen. Die Bilder aus ihren Träumen spuckten ihr auch im Wachzustand durch den Kopf und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Aber sie konnte jetzt nicht auf halbem Weg schlapp machen. Sie hatte es Lysander versprochen und sie konnte unmöglich den letzten Wunsch ihres verstorbenen Freundes nicht erfüllen. Adam machte sich bestimmt schon schreckliche Sorgen um sie, aber sie hatte ihrem Bruder nicht erzählen können, wo sie hin wollte. Lysander hatte ihr ausdrücklich erklärt, dass sie niemanden von ihrem Vorhaben erzählen konnte. Also war sie ohne Nachricht abgehauen. Sie hoffte, dass die anderen sich nicht auf der Suche nach ihr machten und dabei umkamen. Annie hatte Vertrauen in Lysanders Plan. Trotzdem ließen sie ihre dunklen Vorahnungen nicht los. Sie musste sich beeilen, damit sie verhindern konnte, was sie in ihren Träumen gesehen hatte. Das Blutbad würde heute Nacht seinen Höhepunkt nehmen und der Puppenspieler würde triumphieren. Sie hatte noch mehr ihrer Freunde sterben gesehen und das konnte sie einfach nicht mehr ertragen. Diese Angst erdrückte sie und sie wollte es um jeden Preis verhindern. Dieses eine Mal musste ihre Fähigkeit in Träumen die Zukunft zu sehen zu etwas nütze sein. Lysander war bei ihr aufgetaucht, obwohl sie keinen Besuch empfangen durfte. Ihre Eltern hatten versucht sie vor dem Krieg zu beschützen, doch sie hatte alles in ihren Träumen gesehen und sie hatte nicht einmal mit ihren Freunden sprechen dürfen. Annie war so erleichtert gewesen Lysander lebendig zu sehen. Nur wenigen Minuten zuvor hatte sie gesehen wie er in ihrem Traum vom Todesfluch getroffen wurde und da stand er plötzlich mitten in ihrem Zimmer. „Wir müssen das Schicksal austricksen“, hatte er nur zwinkernd gesagt nachdem sie ihm alles erzählt hatte, was sie in ihren Träumen gesehen hatte. Er hatte geschwiegen und sie hatte ihn in Ruhe nachdenken gelassen. Sie war in ihrem Zimmer auf- und abgegangen wie sie es so oft getan hatte, um selbst über eine Lösung zu grübeln. Sie hatte sich heimlich einen Schlaftrank gebraut, um einen längeren Blick in die Zukunft zu wagen, doch nie hatte sie das Gesicht des Puppenspielers erhaschen können. Nie hatte sie auch nur irgendetwas gesehen, dass ihr hätte helfen können seine Identität aufzudecken. Doch ihr Gefühl sagte ihr, dass Lysander nicht zu ihr gekommen war, um das herauszufinden. Er war gekommen um einen Weg zu finden den Puppenspieler zu stoppen. Um ein Loch in dessen perfekten Plan zu finden. Sie hatte in dieser Nacht nicht gefragt, ob Lysander wirklich die Antwort auf die Frage der Identität kannte, denn er hätte ihr diese Frage nicht beantwortet. Irgendwann durchbrach er das Schweigen und ließ sich von ihr ein weiteres Mal erzählen wie er starb. Er hatte danach einige Minuten geschwiegen und ihr dann sein Plan erklärt. Sie hatte ihn angefleht einen anderen Weg zu finden. Geweint und geschrieen, weil sie ihn nicht auch noch verlieren wollte, doch er war stur geblieben und hatte auf seinen Plan beharrt. Er hatte ihr das Versprechen abgerungen den restlichen Teil seines Planes umzusetzen und sie hatte es ihm unter Tränen versprochen. Ein schneller Blick zum Horizont zeigte Annie, dass die Sonne sich schon beträchtlich in Richtung Horizont gesenkt hatte. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr. Lysander hatte vergessen einzuplanen, dass sie noch nicht apparieren konnte, als er ihr den Plan wiederholt eingetrichtert hatte. Doch schon bald würde sie ihr Ziel erreichen und alles würde gut werden. Lysander sollte nicht umsonst gestorben sein.   ~~~   James hatte endlich die Kraft gefunden seinen Raum zu verlassen. Seine Mutter war mit seinem Vater beschäftigt und versuchte ihn wieder zur Vernunft zu bringen, während sie selbst mit ihrem Kummer rang und versuchte stark zu bleiben. Er konnte es nicht ertragen den Schmerz seiner Eltern zu sehen. Der Potter ertrug ja nicht einmal seinen eigenen Schmerz, den er krampfhaft versuchte runterzuschlucken, doch es bildete sich ein immer größerer Kloß in seinem Hals und er drohte daran zu ersticken. Er hatte daraufhin nach seinem Bruder gesehen. Claire war bei ihm gewesen und hatte ihn getröstet. Er hatte kurz mit Albus gesprochen und dann den Raum wieder verlassen, weil er nicht gebraucht wurde. Albus hatte Claire, die ihm zur Seite stand und ihm durch die Dunkelheit half. Dann war James verloren durch die Korridore gewandert und hatte vergeblich nach einer Aufgabe gesucht um sich selbst von seinem Kummer abzulenken. Er wollte nicht weiter nachdenken aber er wusste auch nichts mit sich anzufangen. Da war nur große Leere in ihm. Er hatte das Gefühl völlig versagt zu haben. Seine kleine Schwester war tot. Sein kleiner Bruder ein Mörder, dem Askaban drohte. Sein bester Freund ein Wrack. Und so viele Tote. Seine Mission war völlig gescheitert. Er hatte niemanden zurück nach Hause geholt. Er hatte keinen Kampf gewonnen. Es war alles umsonst gewesen. James ließ sich auf dem nächst bestem Sessel nieder, als ihn dieser Gedanke niederrang. Er wusste nicht mal in welchen Raum er bei seinem ziellosen Streifzug gelandet war. Alles war in grün-silbern eingerichtet. Kein Raum für einen Löwen wie ihn. James zwang sich tief durchzuatmen und sich von dem erschreckenden Gedanken zu befreien. Der Puppenspieler wollte, dass er sich genauso fühlte. Nutzlos und besiegt. Er musste stark bleiben. Der Kloß in seinem Hals blieb, als er wieder aufstand und versuchte den Weg zurück zu seinem Zimmer zu finden. Malfoys Manor war viel größer als das Haus der Potters. Scorpius musste sich sehr einsam vorgekommen sein, als er hier als Kind aufgewachsen war. Die Wände schienen einen erdrücken zu wollen. Durch Zufall fand James wieder auf den Hauptflur zurück, als ihm Molly und Adam entgegenkamen. „Kannst du kurz nach Fred sehen?“, fragte ihn Molly hektisch und nervös. „Was ist los?“, fragte er zurück. „Ist wieder jemand verschwunden?“ „Möglicherweise ist Annie verschwunden. Wir wollen zurück zum Haus der Woods und schauen ob sie was zurückgelassen hat, dass uns ein Anhaltspunkt gibt.“ James hielt Molly am Arm fest. Er konnte nicht auch noch sie verlieren, aber er wusste, dass sie ein Sturkopf war und er sie nicht abhalten können würde. „Kommt zurück. Ich schau nach Fred und dann versammele ich alle zu einer Besprechung. Wir dürfen uns jetzt nicht verstreuen.“ Molly nickte und versprach es ihm. Dann waren die beiden auch schon verschwunden und James änderte sein Ziel in Richtung des Raumes in dem Fred saß.   Kurz bevor er die Tür erreichte, stoppte James. Das letzte Mal, dass er seinen besten Freund gesehen hatte, war gewesen, als er blind auf ihn eingeprügelt hatte. Er hatte sich noch gar nicht mit ihm ausgesprochen. James atmete tief durch. Er wusste, dass es nicht Freds Schuld war, dass Lily gestorben war und er hatte all seine Wut an seinem Freund bereits ausgelassen. Er würde sich möglicherweise besser fühlen, wenn er mit Fred sprach. Der Potter öffnete die Tür und fand die zerstörte Hülle seines besten Freundes vor. Fred schaute nicht mal auf. Zeigte überhaupt keine Reaktion. James verharrte im Türrahmen, unsicher was er sagen sollte. Er war schon drauf und dran umzudrehen, da er es nicht ertragen konnte in den vor Kummer und Hoffnungslosigkeit voll gesogenen Raum zu treten und sich mit seinem eigenen Schmerz auseinanderzusetzen. Doch er konnte nicht gehen. Er würde es bereuen, wenn er nicht mit Fred gesprochen hätte. Selbst wenn sein bester Freund ihn nicht hören würde, so musste er es sich einmal von der Seele reden. Schon um sich selbst zu helfen. „Fred, ich…“, begann James und brach wieder ab auf der Suche nach den richtigen Worten. „Es tut mir leid. Alles was ich zu dir gesagt habe. Das Zauberministerium kann sich glücklich schätzen, wenn du für sie arbeitest. Du hättest locker das Zeug dazu Zaubereiminister zu werden. Du warst schon immer besser als ich. Ich tauge wahrscheinlich nur zum Quidditchspieler.“ James lachte traurig auf, denn er konnte sich gar keine Zukunft mehr vorstellen, in der eine Profikarriere als Quidditchspieler für ihn der weitere Weg war. „Ich hatte Angst vor einer Zukunft ohne dich an meiner Seite“, setzte er seine Entschuldigung fort. „Du bist der beste Mensch, den ich kenne. Und ich hoffe, dass du weißt, dass ich immer für dich da sein werde.“ Er wollte noch soviel mehr sagen, aber der Kloß in seinem Hals war mit jedem Wort nur weiter angeschwollen und inzwischen tropfte Tränen auf seine Hände, die er tief in den Sessellehne vergraben hatte, während er darauf gehofft hatte, dass seine Worte irgendetwas in Fred auslösen würde, doch es hatte sich nichts an dem Zustand seines Freundes geändert, der nur körperlich anwesend zu sein schien. James biss sich auf die Lippen und wollte fortsetzen. Ihm sagen, dass er ihn verstand, denn er liebte Lily ebenso sehr und konnte nicht fassen, dass sie fort war. Dass er wusste, dass Fred nicht Schuld an ihrem Tod gewesen war. Doch bevor er auch nur ein Wort hervorbringen konnte, wurde die Tür aufgerissen. Lucy kam panisch herein und in ihm brachen die schmerzhaften Erinnerungen an die Schlacht in der Großen Hallen hervor. Er wusste, was Lucy sagen würde. Er hatte es selbst geahnt. Das Ende war gekommen. „Roxanne ist weg und Alice und Louis sind gerade wie Zombies an mir vorbeigegangen. Ich hab versucht sie aufzuhalten, aber sie haben mich nicht gehört und haben sich nicht stoppen lassen. James was sollen wir tun? James? James!“ Lucys panischer Schrei verhallte ungehört. Der Nebel kam so plötzlich und riss ihn ins Dunkle. Er hatte noch soviel sagen wollen. Doch seine Worte würden unerhört bleiben.   ~~~   Molly kam sich wie ein Eindringling vor. Annies Zimmer war privat und nun stöberte sie in dem so ordentlich aufgeräumten Raum herum, um herauszufinden, wo Annie hingegangen war. Sie konnte an Adams verbitterten und besorgten Gesichtsausdruck sehen, dass er nicht daran glaubte, dass seine Schwester freiwillig ihr Zimmer verlassen hatte. Er hatte nur Angst, dass ihr das gleiche zugestoßen war wie Lily. Und auch Molly trug diese Furcht im Herzen. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Sie hoffte darauf irgendeinen Hinweis zu finden. Annie musste irgendetwas notiert haben und wenn es nicht über ihr Ziel war dann zumindest etwas über ihre Träume sollte sich finden lassen. Molly hatte sich den Schreibtisch vorgenommen. Die Pinnwand über dem Schreibtisch war mit Fotos bedeckt. Sie hatte gar nicht gewusst, dass Annie eine leidenschaftliche Fotografin war. Da waren verzauberte Fotos, die sich bewegte, aber auch Muggelfotos, die einen Moment für immer fest gehalten hatte. „Sie arbeitet in der Schülerzeitung“, sagte Adam, als er Mollys Blick auf den Fotos verharrend sah. Er stand auf der anderen Seite des Raumes und hatte das Regal am Bett untersucht von dem er jetzt abließ um herüber zu kommen. „Sie hat es immer geliebt einen Augenblick einzufangen. Sie sagte dann, dass sie ihn vor dem was kommen würde schützen könnte. Ich hab erst jetzt verstanden, dass sie die einzelnen Momente so geschätzt hatte, weil sie bereits wusste, was auf uns zu kommen würde.“ Adam klang so unendlich traurig, als würde er sich schon damit abfinden, dass seine Schwester bald der Vergangenheit ankommen würde. Molly strich ihm über den Rücken und er zog sie plötzlich eng an sich. Sie wollte protestieren, doch auch sie sehnte sich nur nach einem Fels in der Brandung, an dem sie sich festhalten konnte. Vor einem Tag hatte sie sich noch gewünscht, dass Adam sie in den Arm nehmen würde und sie ihren Tränen Lauf lassen konnte und genau das tat sie jetzt auch. In Adam hatte sie einen Zufluchtshafen gefunden und so klammerte sie sich an ihn. Für eine Minute wollte sie nicht stark sein. Wollte nicht selbst der Fels in der Brandung sein. Sie wollte trauern und ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Und Adam gestattet ihr diesen Moment. Molly genoss diesen selbstsüchtigen Augenblick bevor sie schniefte und versuchte die Tränen aus ihrem Gesicht zu streichen. Adam ließ sie los und reichte ihr ein Taschentuch vom Schreibtisch. Dann wand er sich verlegen ab. Der Moment zwischen ihnen war irgendwie intim gewesen und Molly selbst war sich nicht ganz sicher, was das zu bedeuten hatte. Sie schnaubte sich kräftig die Nase und warf das Taschentuch in den Mülleimer, als ihr Blick plötzlich an einem unbeweglichen Foto an der unteren Ecke der Pinnwand hängen blieb. Sie nahm es von der Pinnwand und drehte es um. Auf der Rückseite war ein Datum zu erkennen, dass drei Tage zurück lag. „Adam“, flüsterte sie erstaunt. „Bist du sicher, dass Annie niemanden gesehen hat?“ Der Wood drehte sich wieder zu ihr um und schaute sie fragend. „Nein. Niemand war hier.“ „Lysander war hier“, erwiderte sie und zeigte ihm das Foto. Der Scamander saß auf dem Bett in Annies Zimmer. Er lächelte entschuldigend in die Kamera. Es war ein trauriges Lächeln, das Molly sofort ins Herz traf. Er hatte es gewusst. Annie hatte ihm gesagt was passieren würde. Warum war er trotzdem gegangen? Doch sie brauchte nicht lange darüber nachzudenken. Sie kannte Lysander viel zu gut. „Er hatte einen Plan“, weihte Molly Adam in ihren Gedankengang ein. „Er hat Annie davon erzählt. Deswegen ist sie verschwunden. Weil sie dabei ist Lysanders Plan in die Tat umzusetzen.“ Mit jedem Wort gewann sie mehr an Hoffnung zurück, dass sie Recht hatte. Dass es dieses Mal nicht der Puppenspieler war, sondern das Lysander die Schachfiguren aus dem Totenreich noch weiter bewegte, damit sie in die richtige Richtung gelenkt wurden. Adam sah sie zweifelnd an, nickte dann aber, weil es besser war daran zu glauben, dass es einen Plan gab als verzweifelt auf das zu warten, was kommen würde. „Lass uns zurückgehen“, schlug Molly vor und die beiden disapparierten. Nur wenige Sekunden später standen sie schon vor dem eisernen Tor Malfoys Manors. In dem Augenblick als die beide durch das Tor traten, wusste Molly, dass etwas nicht stimmte. Lucy kam ihnen entgegengestürmt. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. „Molly! Es ist schrecklich. Der Puppenspieler hat sie alle geholt“, rief Lucy ihr panisch zu. Adam neben ihr erstarrte und auch sie spürte das Entsetzen durch ihren Körper strömen. Das konnte nicht wahr sein. Es konnte einfach nicht wahr sein. Lucy klammerte sich an ihr fest. „Bitte geh nicht auch“, flehte sie. „Bleib hier!“ Doch Molly konnte ihre Freunde nicht im Stich lassen. Sie konnte nicht noch mehr Menschen verlieren. Sie versuchte sich von Lucy loszumachen, die sich dagegen wehrte und standhaft blieb. Dann kam der Nebel und Molly wollte sich verteidigen, doch die Manipulation schien um ein Vielfaches stärker zu sein. Chancenlos zog der Nebel sie fort.   ~~~   „Albus, wach auf!“ Claire schüttelte ihn unsanft an seiner Schulter und er zwang sich die Augen wieder aufzuschlagen, obwohl er gerade erst in das Reich der Träume abgeglitten war. Als seine Sinne wieder erwachten, konnte er es sofort spüren. „Fühlst du das? Diese erdrückende Luft?“, fragte Claire ihn. „Die Präsenz des Puppenspielers ist überall. Glaubst du er ist hier?“ „Das finden wir nur heraus, wenn wir nachsehen“, gab Albus zurück und erhob sich aus seinem Bett. Zusammen begaben sie sich auf den Flur, der gespenstisch still da lag, aber die Nacht war ja auch gerade wieder eingebrochen. Vielleicht schliefen alle auch nur. Doch er wusste, dass er sich etwas vor machte. Die ganze Umgebung fühlte sich wieder an, als wären sie zurück bei den schwarzen Schachfiguren. Der Nebel schien aus jedem Spalt zu dringen und nach ihnen zu greifen. Claire griff nach seiner Hand und auch er spürte die Angst, dass die Dunkelheit wieder nach ihm greifen könnte und er sich derer nicht erwehren könnte. Zuerst schauten sie in den einzelnen Zimmer nach, doch alle Räume waren leer. Die Bibliothek war auch verweist. Nur Lysanders Notizen lagen über den Boden verstreut und auf ihnen lag ein Buch, doch Albus kümmerte sich nicht weiter darum. Er wollte nicht wahrhaben was geschehen war bevor er nicht alle Räume überprüft hatte, doch nirgendwo konnten sie auch nur eine Menschenseele vorfinden. Erst draußen vor dem Tor fanden sie die ohnmächtige Lucy, die von einem Schockzauber erwischt worden war. „Enervate.“ Lucy kam wieder zu sich und sah sich sofort panisch um. „Molly?“, schrie sie in die Nacht hinaus. „Molly?!“ Als keine Antwort kam brach Lucy in Tränen aus. „Sie sind alle weg oder?“, fragte sie unter Tränen erstickt. „Der Puppenspieler hat sie alle geholt.“ Albus konnte nur traurig nicken. Er war so wütend auf sich selbst. Er hatte etwas tun müssen. Aber Lysander hatte Recht behalten. Sie waren nicht mehr am Schachspiel beteiligt. Sie konnten nicht wieder eingreifen, aber damit wollte er sich nicht zufrieden geben. „Was sollen wir tun?“, fragte Claire ihn ebenfalls, während sie darum bemüht war Lucy ein wenig Trost zu spenden. Albus hatte eigentlich keine Antwort für diese Frage. Sie wusste nicht wohin die anderen verschwunden waren. Sie hatten keinen Anhaltspunkt. Und selbst wenn sie die anderen finden würden, würde sie nichts ausrichten können. Aber das war Albus nicht gut genug. Er konnte nicht zulassen, dass James das gleiche Schicksal ereilte wie Lily. Er musste etwas unternehmen. „Die Erwachsenen“, entfuhr ihm wie ein Geistesblitz. „Wir müssen meinen Vater informieren. Der Puppenspieler hat bei der Schlacht von Hogwarts alle Erwachsenen geschockt, damit sie nicht eingreifen konnten, aber wenn sie jetzt alle als eine Front antreten müsste es doch möglich sein den Kampf zu stoppen.“ Claire sah ihn zweifelnd an, aber Lucy hob ihren Kopf und nickte unter ihren Tränen. „Wir müssen etwas tun und alleine schaffen wir es nie“, sagte sie zustimmend. „Ich hab solche Angst um meine Schwester.“ Albus packte sie an der Schulter. „Wir alle haben Angst. Doch jetzt müssen wir stark sein und die Dunkelheit besiegen. Dieser Puppenspieler wird sich schon von selbst zeigen, wenn er merkt, dass er die Oberhand verliert. Wir müssen einfach jeden davon überzeugen zurück zu kommen. Claire und ich haben es auch wieder nachhause geschafft. Andere können das auch.“ Lucy nickte und trocknete sich die Tränen ab. Claire half ihr wieder auf die Beine zu kommen und dann packten sie einander bei den Händen, um einander Kraft zu geben bevor sie sich auf den Weg machten die Eltern zu informieren. Hoffentlich konnte sie eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes verhindern. Albus hoffte inständig, dass er die richtige Entscheidung traf und den anderen eine Hilfe sein konnte. Niemand von ihnen sollte alleine in den Kampf ziehen.   ~~~   Rose hatte selbst nicht genau gewusst, was sie angetrieben hatte Nathan zu folgen, als er das Quartier verließ. Sie hatte vielleicht gehofft mit ihm reden zu können. Ihn davon zu überzeugen, dass sie nur einen Fehler gemacht hatte. Von ihm ignoriert zu werden hatte sie verletzt. Bis jetzt war er immer für sie da gewesen. Doch seit er sie gestern zur Schnecke gemacht hatte, hatte er nicht mehr mit ihr gesprochen. Sie hatte bei ihm im Zimmer gesessen, doch er hatte nur durchs Fenster hinausgestarrt und nichts weiter zu ihr gesagt. Rose hatte aber nicht in ihr einsames Zimmer zurückkehren wollen, das jetzt nur noch sie bewohnte. Albus war fort. Lorcan war fort. Als Nathan zum späten Nachmittag das Quartier verließ und disapparierte, setzte sie einen Aufspürzauber ein, um herauszufinden, wo er hin appariert war und folgte ihm dann. Dass er sich ausgerechnet mit Scorpius treffen würde, hatte sie schockiert. Die Weasley hatte umkehren wollen, doch sie konnte sich diesem bizarren Zufall nicht entziehen. Der Malfoy war seit ihrer letzten Begegnung unentwegt in ihren Gedanken zuhause. Eigentlich hatte er ihre Gedanken nie verlassen, musste sie sich eingestehen. Nur wusste sie inzwischen nicht einmal mehr, wo sie ihn einordnen sollte. Ihre Gefühlswelt war in den letzten Stunden mehrfach über Kopf gegangen und sie wusste nicht mehr wo oben oder unten war. Dementsprechend war Rose nicht auf den Inhalt des Gespräches vorbereitet gewesen. Schon gar nicht auf die Quintessenz. Das Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie Scorpius die Worte sagen hörte, die sie sich damals so sehr herbeigewünscht hatte. Er hatte ihr schon vorher gesagt, dass er sie liebte, doch sie hatte es ihm nie geglaubt. Sie hatte gedacht, dass er es nur gesagt hatte, um sein Leben zu retten. Doch konnte Scorpius nicht wissen, dass sie hier war und was für einen Grund hatte er haben sollen, um Nathan zu belügen? Rose griff sich an die Brust, weil sie das Gefühl hatte ihr Herz würde zerspringen. Doch es schlug nur schneller und flatterte ein wenig. Sie hatte immer noch Gefühle für Scorpius. Und das schmerzte. All diese Hoffnungen, die wieder in ihr aufkeimten. Sie wollte sie nur ersticken. Es gab kein Happyend für sie, denn sie war eine Mörderin. Wie konnte Scorpius sie da noch lieben? Er würde sich vor ihr ekeln. Aber das war ihr egal. Es musste ihr gleichgültig sein. Sie durfte sich keine Hoffnungen machen. Sie musste von hier weg. In den Nebel versinken. Rose disapparierte. Sie konnte den Anblick von Scorpius nicht ertragen. Das Schicksal spielte ein böses Spiel mit ihr, wenn es ihr ausgerechnet jetzt die Wahrheit enthüllte. Sie war wütend auf Nathan, der Scorpius abgehalten hatte ihr zu folgen. Sie war wütend auf Scorpius, der ihr nie gezeigt hatte, dass sie ihm etwas bedeutet. Und ganz besonders wütend war sie auf sich selbst. Dafür, dass sie plötzlich glaubte alles könnte anders sein. Nichts konnte anders sein. Sie war eine Mörderin. Hatte sogar ihren eigenen Bruder getötet. Es gab für sie keine glückliche Heimkehr. Nur Schmerz. Glücklicherweise kam endlich der Nebel. Doch er hatte seine erlösende Wirkung verloren. Rose hatte das Gefühl, dass er schwächer geworden war und sie nicht mehr völlig mit sich zog. Dabei brauchte sie diesen Zustand, in dem sie sich um nichts kümmerte und über nichts nachdachte. Aber er stellte sich nicht ein. Sie behielt ihren viel zu klaren Kopf. Rose folgte einfach dem Ziehen, das sich eingestellte hatte und begann sich zum ersten Mal zu fragen, ob es so klug war einer unsichtbaren Macht ohne Widerstand zu folgen. Doch anhalten oder umdrehen würde sie trotzdem nicht.   ~~~   Er hatte sich den besten Platz für seine letzte Show ausgesucht. Von allen Seiten kamen seine Puppen auf die Bühne für den ultimativen Höhepunkt. Dieses Mal musste er so dicht dran sein wie möglich. Er konnte keine einzige Sekunde von diesem Spektakel verpassen. Die Aufregung hatte ihn gepackt. Auf diesen Augenblick hatte er solange gewartet. Er hatte ihn herbeigesehnt. Von ihm geträumt. Ihn in tausend Farben ausgemalt. Und jetzt war es endlich soweit. Hier an Kings Cross würde es enden. An diesem Bahnhof von dem er nie abgefahren war. Zu einer Schule, die er bereits dem Erdboden gleich gemacht hatte. Kein Kind würde mehr einen Brief von Hogwarts erhalten. Niemand würde mehr vergeblich warten müssen so wie er es getan hatte. Er hatte jeden Gott angefleht, damit der Brief kam und sein Vater aufhörte ihn zu verprügeln. Hatte gebetet, dass sich endlich magische Fähigkeiten bei ihm zeigten, doch jeder Tag war ein verlorener Tag gewesen und sein Vater hatte wieder die Beherrschung verloren, während seine Mutter nur ausdruckslos zugesehen hatte. Sie waren Reinblüter. Todesser. Sie konnten keinen Sohn haben, der nicht zaubern konnte. Ein Squib in der Familie war eine Schande. Er spürte den Zorn in sich aufwallen, wenn er an diese Tage zurückdachte. Er erinnerte sich an jeden Schlag, an jeden Tritt, an jeden Fluch, an jedes verfluchte Mal, als sein Vater ihn kopfüber aus dem Fenster baumeln lassen hatte, um Magie aus ihm herauszuschütteln. Doch alles war umsonst gewesen. Er wurde älter und hatte immer noch kein einziges Mal gezaubert. Der Krieg zog über das Land und seine Eltern versteckten ihn. Schwiegen ihn tot und zogen in die Schlacht aus der sie nicht wiederkehrten. Von da an wartete er auf den Brief aus Hogwarts und auf die Rückkehr seiner Eltern. Doch nichts kam. Niemand erkundigte sich nach ihm oder kümmerte sich um ihn. Er erinnerte sich an das Gefühl verloren zu sein. Zwischen zwei Welten zu stehen. Er gehörte nirgendwo dazu. Doch er klammerte sich mit aller Macht an die magische Welt. Versuchte alles. Bereiste die Welt. Aber nirgendwo gab es ein Mittel, dass ihn zu einem Zauberer machte. Nie würde er den Namen seiner Familie stolz tragen können. Seine Eltern würden nicht zurückkehren und ihn endlich akzeptieren als ihren rechtmäßigen Sohn. Er fand später heraus, dass beide in Askaban in Gefangenschaft verstorben waren. Der Auror, der sie dorthin gebracht hatte, war niemand anderes gewesen als Harry Potter. Der Auserwählte. Es schüttelte ihn nur an diesen Namen zu denken. Der Held, der das goldene Zeitalter brachte. Der sich für alle einsetzte und neue Gesetze unterstütze von denen alle profitierten. Nur eine Gruppe vergaßen der Auserwählte und seine Freunde. Wieder einmal dachte niemand an die Squibs. Man dachte an die Hauselfen. An die Werwölfe. An die Muggel. Nur nicht an die Squibs. Aber zu dieser Zeit war ihm das längst egal geworden. Er hatte alles getan, damit er in der magischen Welt akzeptiert wurde und es war vergeblich gewesen. Stetig war in ihm der Wunsch gewachsen die Magie aus der Welt zu tilgen. Dieses Verlangen war ihm in seine Träume gefolgt, hatte dort an Stärke gewonnen bis es ihn auch am Tag im festen Griff hatte und jeder seiner Gedanken sich nur noch um das eine drehte. Schritt für Schritt hatte sich in seinem Kopf einen Plan geformt, war mit jedem Tag herangereift und er hatte geduldig gewartet bis der Augenblick kam an dem sein Plan perfekt war. Er war bereit gewesen. Hatte jede Sekunde ausgekostet und genossen und sich immer in dem Grauen gebadet, dass er über die Welt brachte. Erst kam seine Rache. Für seine verstorbenen Eltern. Für die vergessenen Squibs. Für die Arroganz der Zauberer. Dann kam die Vernichtung. Sein Blut geriet in Wallung, wenn er daran dachte, dass er so kurz vor dem Ziel war. Er konnte förmlich das Blut schon schmecken, das sich bald über die Pflaster ergießen würde. Sein Moment des Triumphs war gekommen. Die letzte Vorstellung würde atemberaubend werden. Ein würdiges Ende für die Geschichte der Zauberer. Er lehnte sich erwartungsvoll zurück.   Noch ein letzter Paukenschlag bevor die magische Welt in Flammen aufging.   Kapitel 17: Fate fights his last stand -------------------------------------- Harry konnte seinen Augen nicht trauen. Er war schon einmal hier gewesen. Hatte sich an der exakt gleichen Stelle befunden. Hatte das Gefühl gehabt von der Dunkelheit niedergedrückt zu werden. Hatte die Schreie gehört. Das Feuer gesehen. Doch damals war es nur ein Traum gewesen. Ein Hirngespinst entstanden aus seinen Ängsten. Dieses Mal wusste er, dass er nicht träumte. Noch war die Straße von keinen Kratern durchzogen. Noch brannte es nicht. Aber etwas in ihm sagte, dass genau das alles noch geschehen würde, denn der Zeiger der Uhr von dem Haus gegenüber zeigte erst auf halb zwölf. Noch eine halbe Stunde bis zum Geschehen aus seinem längst vergessenen Traum. Er wusste nicht, wie es kam, dass er all das schon vor einem Jahr in seinen Träumen gesehen hatte, aber es jagte ihm Angst ein. Er drehte sich zu seiner Gruppe um, die ihn überrascht ansahen, weil er so plötzlich stehen geblieben und erstarrt war. Albus hatte ihn über das Geschehen informiert. Er hatte sofort alle seine alten Kameraden zusammengetrommelt. Es waren nicht nur die Eltern der Kinder, sondern alle, die ihm in all seinen Kämpfen beigestanden hatte. Ein letztes gemeinsames Gefecht. Er hatte sie in Gruppen aufgeteilt, damit sie die Kinder einkreisen konnten. Er war wütend auf sich selbst. Darauf, dass er den Puppenspieler unterschätzte hatte. Noch immer glaubte er, dass er mit Paul Hyde den Schuldigen gefasst hatte. Wäre er nur wachsamer gewesen. Hätte er sich nicht so von seiner Trauer zerfressen lassen. Doch er würde verhindern, dass den Kindern etwas geschah. Albus hatte versprochen zuhause zu bleiben und sich dort um Lucy zu kümmern. Aber James war immer noch da draußen und in Gefahr getötet zu werden. Harry konnte nicht noch ein Kind an das grausame Spiel des Puppenspielers verlieren. Er versuchte die Erinnerung an seinen Traum abzuschütteln. Nichts davon würde eintreffen. Niemand würde im Feuerkreis sterben. Die Kinder würden sich nicht weiter gegenseitig töten. Er würde all das verhindern. Dieses Mal war er rechtzeitig vor Ort. Seine Gruppe näherte sich dem Kings Cross Bahnhof. Harry hatte das Bild eines zerstörten Bahnhofgebäudes mit eingestürztem Dach vor Augen, doch noch war alles intakt. Harry war erleichtert darüber, sah dann aber noch einmal genauer auf die Fassade des Bahnhofs und erkannte, dass sich vor einem der bogenförmigen Fenster eine Gestalt befand. „Ist das nicht die Tochter von George Weasley?“, fragte hinter Harry Hannah Longbottom. Er versuchte das Gesicht der Person auszumachen und verfluchte dabei seine Kurzsichtigkeit. Trotz Brille konnte er nicht sagen, ob es Roxanne oder jemand anders war. Aber wer immer sich da oben befand wurde von Seilen gefesselt. „Wir müssen sie da herunterholen“, entschied Harry. Sie berieten kurz ihr Vorgehen bevor Hannah und Blaise Zabini apparierten, um Sekunden später auf dem schmalen Vorsprung vor dem Fenster neben der gefesselten Person aufzutauchen. Harry beobachtete die Situation während er zeitgleich versuchte die umliegende Gegend im Auge zu behalten. Irgendwo hier in der Nähe mussten sich die Kinder befinden. Im nächsten Augenblick explodierte hinter Blaise und Hannah das Fenster. Hannah wurde von der Wucht der Explosion vom Vorsprung gefegt und Blaise hing nur noch mit einer Hand am Vorsprung. Über ihm thronte nun eine zweite Gestalt. Wieder konnte Harry nicht genau erkennen, um wen es sich dabei handelte, aber es war ihm egal. Justin Finch-Fletley hatte sich bereits aus der Gruppe entfernt und war schon in Richtung des Gebäudes gestürmt, um zu sehen, was mit Hannah passiert war. Harry stürmte hinterher. Beim Näherkommen erkannte er, dass Hannah Recht gehabt hatte. Das gefesselte Mädchen war Roxanne, die bewusstlos in den Seilen hing. Neben ihr stand Liam Pucey, der auf die Hand von Blaise trat, damit dieser ebenfalls losließ und herunterstürzte. Harry zog seinen Zauberstab um Blaise Absturz abzumindern, doch bevor er noch einen Zauberspruch über seine Lippen bekam erschütterte die nächste Explosion den Boden und riss ihn von den Füßen. Er spürte wie er mit dem Kopf gegen etwas Hartes schlug, dann wurde alles schwarz.   ~~~   Alice erwachte durch die heftige Druckwelle, die plötzlich ihren Körper durchfuhr und sie ins Schwanken brachte. Verwirrt sah sie sich um. Das Letzte woran sie sich erinnern konnte, war, dass Louis sie vom Gehen hatte abhalten wollen. Und dann nichts. Jetzt aber war sie mitten in London und nur ein paar hunderte Meter von ihr entfernt hatte sich eine große Explosion ereignet. Sie konnte durch die Rauchschwaden das Bahnhofsgebäude von Kings Cross erkennen. Doch während sie noch mit Entsetzen in Richtung der Explosion starrte, konnte sie im Augenwinkel eine Bewegung im Schatten ausmachen. Sie war hier nicht alleine. Etwas anderes hätte sie aber auch überrascht. Sie hatte es bereits geahnt, aber jetzt war sie sicher. Der Puppenspieler fuhr alles auf für das große Finale und sie hatte das Gefühl, dass ihr Schicksal darin nicht besonders rosig aussah. Alice zog ihren Zauberstab und begab sich in die ungefähre Richtung aus der sie Bewegung ausgemacht hatte. War es eine schwarze Schachfigur würde sie den Kampf aufnehmen bis sie aus dem Weg geräumt war. Sie musste gar nicht weit gehen um zu finden was sie gesucht hatte. Jane Flint stand mit erhobenem Zauberstab über Louis, der sich zusammengerollt hatte und sich die Hände aus dem Reflex heraus schützend vor das Gesicht hielt. Alice stürmte los. Auf gar keinen Fall würde sie zulassen, dass die Flint ihren Freund verletzte. Noch hatte sie den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite. „Expelliarmus“, bellte sie und entriss Jane ihren Zauberstab, die sie sich verdattert umdrehte und dann ihr Gesicht zu einer grimmigen Miene verzog. Alice wusste, dass Jane damit noch nicht gestoppt war und sie würde sicher keine Rücksicht walten lassen nur weil ihre Gegnerin entwaffnet war. Diesen Fehler würde sie so schnell nicht wieder machen. Mit „Petrificus Totalus“ warf sie einen Körperklammerfluch ihrem Entwaffnungszauber hinterher und Jane fiel steif um. Sie eilte zu Louis, der immer noch am Boden lag. Erst jetzt erkannte sie, dass der Weasley aus zahlreichen Wunden blutete und kurz davor war bewusstlos zu werden. „Louis hörst du mich? Du darfst nicht die Augen schließen“, flehte Alice ihn an, während sie in ihrem Kopf nach einem einfachen Heilzauber durchkramte. Rose war in so etwas immer besser gewesen. Sie vermisste ihre beste Freundin plötzlich schmerzlich. Sie hatte schon länger nicht mehr in dieser Weise an Rose gedacht, sondern immer nur daran sie zu stoppen. Endlich fiel ihr ein Heilzauber ein und sie machte sich daran mit dem Zauberstab die Wunden zu schließen, als ein Fluch sie von hinten packte und kopfüber in die Luft zog. Nicht schon wieder, dachte Alice, als sie am Fußknöchel in der Luft hing. Doch dieses Mal verdankte sie diesen Fluch nicht Rose. Es waren die Flintbrüder, die ihrer Schwester zur Hilfe kamen. Alice schickte ihnen Schockzauber entgegen, aber es war schwierig genau zu zielen, wenn alles für einen auf dem Kopf stand. „Schau dir mal die Kleine an“, spottete Adrian. „Immer noch so wehrhaft!“ „Dann solltest du ja ein Heidenspaß mit ihr haben!“, gab sein Bruder Ryan zurück. „So magst du deine Mädchen doch am liebsten!“ Adrian lachte laut auf und griff in Alices Haare um sie senkrecht zu ziehen. Sie wollte ihm einen Flederwitchfluch ins Gesicht schleudern – auf dieser Distanz traf sie sicherlich – doch Ryan schlug ihr den Zauberstab aus der Hand. „Komm lass uns zusammen ein wenig Spaß haben“, raunte ihr Adrian ins Ohr. Alice sammelte wutentbrannt die Spucke in ihrem Mund und zielte auf sein Gesicht. Wenn er seinen Spaß wollte, würde sie sicher gerne nachhelfen. So leicht würde sie sich nie wieder geschlagen geben. Sie war eine Kämpferin wie alle in ihrer Familie und der Kampf war noch lange nicht zu Ende.   ~~~   Rose sah sich James gegenüber, der sich vor ihr aufgebaut hatte. Heute schien nicht Scorpius als ihr Gegner bestimmt zu sein, worüber sie insgeheim erleichtert war. Sie wusste selbst noch nicht genau wie sie ihre neusten Erkenntnisse einordnen sollte, also konnte sie es nicht gebrauchen einen Gegner zu haben, der sie bis in die tiefsten Teile ihres Gefühlsozeans verwirrte. Die ersten Sekunden hatte James verwirrt ausgesehen, während Rose noch ihren Gedanken hinterher gehangen hatte, doch jetzt schien er sich gesammelt zu haben. „Rose“, sprach er sie mit fester Stimme an. „Du musst aus diesem Alptraum aufwachen.“ War sie doch schon längst, wollte sie erwidern. Der Nebel hatte sie im Stich gelassen und sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Sollte sie James angreifen? Ihn foltern? Ihn töten? Es erschien ihr auf einmal völlig abstrus. Trotzdem konnte sie nicht untätig bleiben. Nie an einer Position verharren. Immer in Bewegung bleiben und einen Zauber nach dem anderen abfeuern, während man nicht den eigenen Schutz vernachlässigen sollte. So hatte sie es im Duellierklub gelernt und es war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Deswegen feuerte sie mehrere Schockzauber hintereinander ab, während sie selbst auf Distanz zu James ging und ihn nicht aus den Augen ließ, um auch auf ungesagte Zauber rechtzeitig zu reagieren. Mit dem Potter hatte sie das erste Mal einen ebenbürtigen Duellgegner. James hatte fast einen ebenso guten Ruf wie sie selbst im Duellierklub genossen, aber mit einem feinen, kleinen Unterschied: Er war nicht ungeschlagen. Sie schon. Sie hatte so viele Duelle bestritten, doch keiner hatte es jemals geschafft sie zu besiegen. Es hatte ihr immer Spaß gemacht, wenn sie wieder siegreich aus einem hitzigen Kampf hervorgegangen war. Darin war sie immer gut gewesen und auch jetzt legte sie alle Gedanken beiseite, um sich ganz dem Duell zu widmen. James wehrte ihre Schockzauber geschickt mit Schutzschildzaubern ab und setzte selbst zum Angriff an, doch Rose blockte ebenfalls jeden Zauber und schoss in jeder Atempause ein Fluch nach dem anderen ab, während sie und James sich einander wie Raubkatzen umkreisten. Darauf wartend, dass einer von ihnen einen unvorsichtigen Schritt machte. Sie waren beide hochkonzentriert. Die Funken stoben in allen Farben. Zauber und Flüche trafen sich in der Luft und neutralisierten sich. Rose keuchte bereits, doch sie würde sich nicht schlagen lassen. James war ebenso wie sie bereits leicht außer Atem und rang nach Luft. Bald würde einer von ihnen einen Fehler machen. Doch sie hatte nicht umsonst stundenlang trainiert. Hatte nicht jeden im Duellierklub herausgefordert und besiegt. Hatte nicht gegen mehrere Gegner gleichzeitig gekämpft, um jetzt hier von einem einzelnen Duellanten erledigt zu werden. „Rose wach auf“, rief James ihr zu, während er zeitgleich einen ungesagten Lähmzauber hinterherschickte. „Warum?“, warf sie zurück. „Weil du nicht wie Lily enden willst?!“ Da war der Fehler auf den sie solange gewartete hatte. James war bei der Erwähnung des Namens seiner toten Schwester wie erstarrt stehen geblieben. Sie nutzte seine Unachtsamkeit um ihn mit einem Schockzauber außer Gefecht zu setzen. James klappte in sich zusammen und blieb bewusstlos am Boden liegen. Rose hatte gesiegt, doch heute hatte dieser Sieg keinen süßen Nachgeschmack. Er schmeckte bitter und hinterließ in ihr eine tiefe Traurigkeit.   ~~~   Lucy war der erste Gedanke, der Molly durch den Kopf schoss, als sich der Nebel in ihrem Kopf wieder lüftete. Doch ihre Schwester war fort. Oder eher war Molly nicht mehr in Malfoys Manor wie sie mit Entsetzen feststellen musste. Sie kniete auf dem Pflaster des Platzes vor dem Kings Cross Bahnhof. Dann erinnerte sie sich an Lucys Worte. Der Puppenspieler hatte sie alle geholt. Das konnte nur bedeuten, dass sie nicht alleine hier war. Der Bahnhof in ihrem Rücken war schwer beschädigt und es sah aus, als würde das Dach bald komplett einstürzen. Aus der anderen Richtung sah sie Funkenregen. Dort mussten bereits Duelle im Gange sein. Molly warf einen Blick zurück zum Kings Cross. Sie konnte von hier aus durch die Rauchschwaden nicht erkennen, ob sich noch Personen in der Nähe des Bahnhofes aufhielten, die gefährdet waren. Aber wenn sie sich jetzt dorthin aufmachte, konnte sie nicht ihren Freunden zu Hilfe eilen. Sie biss sich auf die Lippen, denn sie musste schnell eine Entscheidung empfehlen. Sie konnte nur darauf vertrauen, dass bald die ersten Einsatzkräfte vor Ort waren, um den Bahnhof vollständig zu evakuieren. Ihre Freunde brauchten Mollys Hilfe jetzt viel dringender. Also ließ sie den Bahnhof hinter sich und rannte in Richtung der Duelle. Sie wusste, dass sie früher oder später auf schwarze Figuren treffen würde, denn nichts anderes würde der Puppenspieler im Sinne haben. Doch auch die weißen Figuren mussten sich in der Nähe aufhalten. James musste hier sein und auch Adam. Hoffentlich ging es den beiden gut. Gerade um James machte sie sich furchtbare Sorgen. Er hatte gerade erst seine Schwester verloren. Er war ein viel zu leichtes Ziel für den Puppenspieler und seine Manipulation. Doch Molly traf nicht zuerst auf James wie sie gehofft hatte. Es waren Adrian und Ryan Flint. Scheinbar hatte das Schicksal vorgesehen, dass dieses Duell noch keinen vernünftigen Ausgang gefunden hatte und sie wusste genau, dass mit vernünftig ein Resultat mit Toten gemeint war. Sie erkannte, dass die Flintbrüder nicht alleine waren. Alice und Louis waren ebenfalls bei ihnen, doch das Duell schien bereits zu Ende gegangen zu sein, denn Louis lag am Boden und Alice hing kopfüber in der Luft. Immerhin waren beide noch am Leben. Molly hatte also noch die Chance das Schlimmste zu verhindern. Ebenfalls am Boden lag Jane Flint. Ihre Brüder hatten sich scheinbar noch nicht um sie gekümmert. Das bedeutete einen Gegenspieler weniger im Gefecht. Noch war Molly unbemerkt geblieben und das wollte sie ausnutzen, doch kaum hatte sie einen Schritt aus ihrer Deckung heraus gemacht zischte bereits ein roter Zauberstrahl über den Platz auf die Flintbrüder zu. Sie sprang entsetzt zurück, erkannte dann aber auf der anderen Seite des Platzes Adam, der sich von dort aus dem Geschehen genähert hatte. Der Schockzauber traf Ryan in die Brust, doch noch während er zusammensackte, reagierte Adrian mit dem Gegenzauber, sodass beide bereit zum Duell waren. Sie ließen von Alice und Louis ab und bewegte sich auf Adam zu, der mit einem Grinsen und einer Handbewegung aufforderte ruhig noch ein Stück näher zu kommen. Molly bewunderte ihn dafür und empfand ihn als unheimlich cool in dieser Situation. Im nächsten Augenblick schüttelte sie ungläubig über sich selbst den Kopf und machte sich daran sich von hinten anzuschleichen. Die Flintbrüder würden gleich ihr blaues Wunder erleben. Molly hatte nämlich auch einige schöne Flüche auf Lager, die sie schon immer einmal hatte ausprobieren wollen. Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, um sich damit auszutoben.   ~~~   Roxanne hatte immer wieder die Besinnung verloren seit Liam sie gut sichtbar an der Fassade des Kings Cross Bahnhof mit Seilen befestigt hatte. Ohne die Seile, die sie aufrecht hielten, wäre sie in sich zusammengebrochen. Ihre Füße waren nur noch eine blutende Fleischmasse. Ihr Rücken brannte noch immer lichterloh von den Peitschhieben und sie hatte das Gefühl, dass sich das Fleisch von ihrem Rücken bereits begann abzulösen. Ihre Arme, die immer noch gefesselt über ihren Kopf war, waren völlig taub. Sie wusste nicht, ob sie sich im Fieberwahn befand oder ob sie hellwach war, denn Traum und Wirklichkeit verliefen ineinander und sie konnte nicht mehr unterscheiden, was real war und was ihrer Einbildung entsprungen war. Da sah sie eben noch Alices Mutter neben sich stehen und im nächsten Augenblick wurde sie von einer unsichtbaren Macht weggerissen. Sie konnte spüren wie sich Fensterglasscherben in ihren Rücken bohrten. Dann war wieder alles schwarz und sie träumte von blutroten Oasen. Unter einem Baum lag ein Schachbrett auf dem umgekippten Figuren in einer Blutlache lagen. Alles war überall voller Blut. Egal wohin sie sich wand konnte sie nur Blut sehen. Sie wollte schreien, doch ihre Kehle war völlig ausgedörrt, sodass sie nicht mehr als ein Krächzen über die Lippen brachte. Doch sie konnte nicht das Blut trinken. Angewidert wich sie zurück. Warum kam ihr niemand zur Hilfe? Dann einen Feuerring, den Liam entzündete. Darin waren die Erwachsenen. Sie sah ihre Eltern, die verzweifelt versuchten einen Ausweg aus dem Feuer zu finden. Roxanne wollte lachen, denn sie wusste es war sinnlos. Niemand würde gerettet werden. Sie alle waren verdammt. Sie verlor sich wieder im Fieberwahn. Sie hatte das Gefühl ebenfalls im Feuerring festzustecken und zu verbrennen. Doch es war nur das Fieber, das ihren Verstand wie ein Spiegelei briet. Sie hatte das Gefühl es wären schon Stunden vergangen, als sie plötzlich zusammensackte und eine kühle Hand sich auf ihre Stirn legte. Diese Berührung erschien ihr so vertraut. Sie brachte ihr ein wenig Linderung und schien das Fieber zu senken. Dann schien sie auf einmal durch den blutroten Himmel zu fliegen. Wieder hatte sie das irrsinnige Bedürfnis zu lachen, weil alles so verrückt war. Die kühle Hand legte sich abermals auf ihre Stirn. Roxanne seufzte. Es war so eine Wohltat, aber das Feuer in ihr brannte immer noch lichterloh und die Schmerzen vernebelten alle ihre Sinne. Eine Stimme drang an ihr Ohr. Liam war wieder da. Sie wollte schreien, denn sie wusste, dass er gekommen war, um sie weiter zu foltern. Sie wollte nur, dass alles aufhörte. Roxanne versuchte ihren Geist für den gleich folgenden Schmerz zu vorzubereiten, doch er blieb überraschenderweise aus. Sie zwang sich wieder zu Bewusstsein zu kommen, kämpfte gegen die wirren Traumbilder und konnte endlich wieder die Augen aufschlagen. Sie war nicht mehr gefesselt und befand sich auch nicht mehr an der Fassade des Kings Cross Bahnhof. Sie musste auf dem Dach eines Gebäudes in der Nähe liegen. Liam stand nur wenige Schritte von ihr entfernt. Sie sah seinen grimmigen Gesichtsausdruck und wusste, dass sein nächster Fluch ein tödlicher sein würde. Mit dem Rücken zu ihr stand eine andere Person. Roxanne erkannte mit Entsetzen ihren Bruder, der im Duell mit Liam verstrickt war. Sie wollte schreien, ihn anflehen zu fliehen, ihn daran erinnern, dass er keine Schachfigur mehr war, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst.   ~~~   Liam frohlockte, als er Fred entdeckte, der ihm seine Kriegsbeute gestohlen hatte. Endlich konnte er sich für seine bittere Niederlage, den Verlust seines Zauberstabs und dem Verrat rächen. Darauf hatte er sich schon gefreut. Er überließ die Eltern ihrem Schicksal, ignorierte die Schreie und das Flehen und folgte dem Weasley, der versuchte seine Schwester in Sicherheit zu bringen. Er war auch keine Sekunde zu spät aufgetaucht, denn das Bahnhofsdach gab endgültig nach und begrub mit einem lauten Krachen und Gepolter alles unter sich. Liam genoss den Anblick. Nun gingen schon drei zerstörte Gebäude auf sein Konto. Er hatte das Dämonsfeuer in Hogwarts beschworen und die Bomben im Ministerium entzündet. Hier hatte er nur durch ein paar kleine Explosionszauber nachgeholfen das Ende des Bahnhofes zu besiegeln. Doch jetzt hatte er andere Beute im Sinn. Fred war auf einem Bürogebäude in der Nähe wieder appariert, wo er seine Schwester abgelegt hatte. Was für ein Dummkopf, dachte sich Liam. Er hätte viel mehr Distanz zwischen sich und dem Schlachtfeld zurücklegen sollen. Wahrscheinlich war der Weasley immer noch ausgezerrt von dem Tod seiner geliebten Lily. Liam hatte kein Mitleid mit ihm, als er sich hinter Fred wieder materialisierte. Zum Glück hatte er Roxanne den Zauberstab abgenommen. Er hätte es zwar auch genossen Fred mit bloßen Händen langsam zu erdrosseln, doch er war ein Zauberer und es gab so viele schöne Flüche, deren Ausübung ihm viel mehr Vergnügen bereiten würde. Einen davon würde er sich für den Schluss aufheben, aber vorher würde er noch seinen Spaß mit Fred haben. Der Weasley reagierte sofort, als er Liam bemerkte. Er richtete einen Schutzschild um seine Schwester auf. Dabei musste er sich keine Sorge um sie machen, denn Liams Aufmerksamkeit ruhte nur auf Fred, der sich vor Roxanne aufgebaut hatte. Er hatte im Gefühl, dass der Weasley keinen großen Widerstand leisten würde, denn nur ein Blick in seine Augen reichte aus, um zu wissen, dass er ein gebrochener Mann war, dem jeder Lebenswille fehlte. Liam zischte verächtlich. Er wollte einen echten Gegner, der um sein Leben kämpfte. Er musste also die richtigen Reize aussenden. Fast bedauerlich schoss er seinen ersten Folterfluch auf Roxanne ab, denn Fred würde ihm sonst nicht den Kampf geben, den er sich wünschte. Doch der Weasley blockte den Fluch nicht mit seinem Zauberstab ab, sondern warf sich vor seine Schwester, sodass ihn  der Fluch traf. Der Folterfluch schien ihm keine Schmerzen zu bereiten und wieder zischte Liam, doch dieses Mal aus Ärger. Es machte keinen Spaß, wenn sein Gegenspieler keine Schmerzen mehr empfand. Er wollte Fred bestrafen, ihm grausame Schmerzen zufügen und ihn ausbluten lassen, doch genau das würde Fred bereitwillig auf sich nehmen. Wenn er ihn tötete, würde er dem Weasley nur einen Gefallen tun. Das trieb Liam zur Weißglut. Er wollte seine Rache, aber er würde sie auf diese Weise nicht bekommen. Fred griff ihn nicht an, sondern starrte nur ausdruckslos an ihm vorbei. Er war längst innerlich gestorben. Er war vermutlich nur hier, um seine Schwester vor demselben Schicksal zu beschützen, das Lily ereilte hatte. Nichts anderes zählte mehr für den Weasley. „Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen und dich deiner geliebten Lily hinterher ins Totenreich schicken“, höhnte Liam. „Aber deine Schwester wird dieses Schicksal nicht erfahren. Ich werde sie zugrunde richten aber am Leben lassen. Das wird meine Rache sein!“ In Freds Gesicht zeigten sich wieder Regungen ab, als er verstand, was Liam sagte, doch es war längst zu spät. Er würde nicht mehr verhindern können, was Liam mit Roxanne anstellen würde. Er würde mit diesem Gedanken sterben. Das war Rache genug. „Avada Kedavra!“, bellte Liam und der grüne Blitz schoss voller Vorfreude auf sein Ziel zu. Fred klappte in sich zusammen und lag nun leblos neben seiner Schwester. Das war zu einfach, zu langweilig gewesen. Seinen Spaß musste sich Liam nun von anderer Stelle besorgen und er hatte da schon eine Idee. Von hier oben thronte er über dem Geschehen und kam sich übermächtig vor. Der Feuerring wurde immer enger und bald würden die ersten in Flammen aufgehen und verbrennen. Ein Stück weiter Richtung Norden konnte er Funken und Blitze stoben sehen und auch im Westen davon war ein Duell im Gange. Es war Zeit für mehr Zerstörung und Chaos und Toten. Warum sollte er sich nur auf Gebäuden beschränken?   ~~~   Mehr. Und mehr. Noch viel mehr. Er war so hungrig. Er wollte Blut. Er wollte Tote. Er wollte eine völlige Vernichtung der magischen Welt. Mit Begeisterung sah er zu wie Kings Cross wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte. Nie wieder würde von diesen Gleisen aus ein Zug nach Hogwarts fahren. Nicht, dass es noch Hogwarts geben würde, aber es verschaffte ihm reichlich Genugtuung zu wissen, dass von dort keine Züge mehr ohne ihn abfuhren würden. All das war eine Wohltat für ihn gewesen. Er hätte sich jeden anderen magischen Ort als Schauplatz für seinen Showdown aussuchen können, doch er hatte den einen Ort gewählt, der wie er nichtmagisch war und dennoch einen Hauch Magie in sich trug. Ihm gefiel dieses poetische Sinnbild für sein Finale. Es war fast schade, dass es schon so bald vorbei sein würde. Der Feuerkreis schloss sich immer enger und immer mehr der Zauberer griffen sich röchelnd an die Kehle, weil sie keine Luft mehr bekamen, da das Feuer ihnen den Sauerstoff raubte und der Rauch ihnen zusätzlich das Atmen erschwerte. Viele von ihnen würden bewusstlos sein, wenn das Feuer nach ihren Leibern griff und sie in Asche verwandelt. Wie das Papier im Kamin, dem er so gern beim Verbrennen zusah. Die Reihen seiner Schachfiguren waren bereits ausgedünnt, sodass es nur wenige Duelle gab. Aber was ihm gar nicht gefiel war die Tatsache, dass mehrere Figuren sich ausgerechnet zum Finale verspäteten. Er knirschte mit den Zähnen und sah ungeduldig auf die Uhr. Dann entspannte er sich wieder. Die Verspätung war nicht weiter schlimm, denn so konnte er ein viel längeres Finale genießen. Die Duelle würden kaum, dass sie ein Ende gefunden hatten, wieder angeheizt werden durch das Eintreffen der Zuspätkommer. Es gab kein Grund beunruhigt zu sein. Lieber genoss er genüsslich die Show, die sich ihm darbot. Nur noch wenige Züge und er würde jede Sekunde davon auskosten und sich daran satt sehen. Zumindest auf eine Schachfigur war Verlass. Der erste Tote hatte sich unter den Figuren gefunden. Der Verräter hatte es nicht anders verdient. Leider konnte er dessen Figur nicht mehr vom Schachbrett entfernen, denn er hatte bereits schon vorher seinen letzten Zug auf dem Brett unternommen. Plötzlich ging ein Ruck durch das Gebäude und er sah mit Vergnügen wie die Straßen aufplatzen und sich die Risse zu tiefen Kratern verwandelten, die zielgenau auf die Plätze zuschossen auf denen noch Duelle ausgetragen  wurde. Er trat näher an das Fenster. Von hier oben hatte er einen perfekten Blick auf das Geschehen. Er hob sein magisches Fernglas an die Augen und zoomte näher heran. Er konnte das Entsetzen und den Schrecken auf den Gesichtern sehen, als sie den Krater auf sich zukommen sahen. Gleich würde sie in seiner Tiefe verschluckt werden und er würde wieder einige Figuren vom Schachbrett nehmen können. Welch ein köstliches Finale. Er lachte leise vor sich hin, während er zwischen den einzelnen Orten hin und her sah. Wer würde als nächstes draufgehen? Er konnte es kaum abwarten bis er die Antwort auf diese Frage erhielt. Er wollte mehr. Soviel mehr.   ~~~   Louis hatte sich ergeben mit seinem Schicksal abgefunden. Er hatte sich zusammengerollt und hoffte nur, dass es schnell vorbei war und er danach endlich frei von diesen Schmerzen war. Er wollte nicht mehr kämpfen. Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Er hörte Alices Schreie, die sich noch heftig gegen ihr Schicksal wehrte. Dabei war es so sinnlos. Niemand von ihnen hatte eine Chance gegen den Puppenspieler. Es würde alles eintreten wie er geplant hatte. Warum sich also noch dagegen wehren? Früher hatte er nicht an so etwas wie Vorherbestimmung geglaubt, doch jetzt war er sich sicher, dass er nichts unternehmen konnte. Es war alles bereits festgelegt und wenn er heute Nacht sterben sollte, dann würde es passieren. Egal wie sehr er dagegen aufbegehren würde. Als Jane ihn attackierte hatte, hatte er nicht einmal mehr die Kraft gehabt seinen Zauberstab zu ziehen. Er hatte es einfach nur noch hingenommen. Sie hatte wütend über seine Gleichgültigkeit immer wieder den Folterfluch gegen ihn eingesetzt. Dabei hatte er immer wieder die Schreie aus dem Ministerium gehört und die Gesichter seiner toten Freunde gesehen. Er wollte nur noch sterben. Er ertrug das alles nicht mehr länger. Er hatte Jane angefleht ihn zu töten, doch sie hatte nur böse gelacht. Dann war Alice aufgetaucht und er hatte sein Gesicht in seine Hände verborgen. Er wollte nicht sehen was passierte. Wollte nicht sehen, wie Alice getötet wurde. Louis hoffte nur, dass alles schnell enden würde. Seine Verletzungen hatten ihn geschwächt und er spürte wie ihm das Bewusstsein entglitt. Alice war plötzlich neben ihm und zog ihn in ihre Armen. Er öffnete die Augen und sah ihr verzweifeltes Gesicht. Sie wollte ihn anlächeln, ihm Mut machen, doch er sah nur ihre Angst ihn auch noch zu verlieren. „Louis hörst du mich? Du darfst nicht die Augen schließen“, flehte Alice ihn an, doch er konnte ihrem Wunsch nicht entsprechen, denn er wollte nur die Welt ausschließen. Im nächsten Augenblick wurde Alice weggerissen. Er hörte die Stimmen der Flintbrüder. Dann Alices Schreie. Und er wollte nur noch, dass alles endete. Doch weder verlor er das Bewusstsein noch traf ihn ein Todesfluch. Also musste er weiter alles um ihn ertragen. Zwei weitere Personen kamen zum Geschehen dazu und wurden in ein Duell mit den Flintbrüdern verstrickt. Louis wollte sich die Ohren mit den Händen zuhalten, doch er war zu schwach um die Arme zu heben. Ohnmächtig musste er mit anhören wie das Duell voranschritt. Auf einmal mischte sich unter den Kampfeslärm ein anderes Geräusch unter. Es klang als würde etwas mit Gewalt aufreißen und dann in sich zusammenbrechen. Louis zwang sich die Augen zu öffnen, doch er ahnte längst, was da auf ihn zuschoss. Der Krater breitete sich schnell aus und hielt direkt auf ihn zu. Er hätte versuchen können sich wegzurollen, doch er hatte weder die Kraft noch den Willen dazu. Der Boden unter ihm brach weg und er stürzte in die Tiefe. Endlich hatte es ein Ende gefunden, dachte er erleichtert, doch jemand bekam ihn zu packen und sein Fall wurde gestoppt. Louis warf ein Blick hoch zu seinem Retter und war sich sicher, dass sein Verstand ihm einen Streich spielte. Dort oben kniete Lysander, der versuchte ihn wieder mit aller Kraft hochzuziehen.   ~~~   Scorpius war die letzten Meter gerannt. Die Verwüstung und der Rauch ließen ihn darauf schließen, dass er viel zu spät dran war. Hätte er sich doch nur vollständig vom Nebel befallen lassen. Dann hätte er sofort hierher gefunden, indem er appariert wäre. So war nur seinem ziehenden Bauchgefühl zu Fuß gefolgt. Er musste sich beeilen und Rose finden. Er rannte weiter und versuchte durch den starken Rauch etwas zu erkennen. Er roch Feuer und hörte Schreie, doch darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Er konnte nur an Rose denken. Dieses Mal würde er nicht aufgeben bis er sie gefunden hatte. Er würde sich von nichts und niemanden aufhalten lassen. Er musste husten, was ihn zwang für eine Sekunde stehen zu bleiben. Sein Atem ging bereits keuchend, doch er musste weiterlaufen, weitersuchen. Wenn der Hausmeister Recht behielt, war Rose am Aufwachen. Er hatte es geschafft zu ihr durchzudringen und er konnte sie jetzt nicht im Stich lassen. Er würde alles daran setzen, um Rose zu retten. Scorpius rannte weiter, hörte ein reißendes, krachendes Geräusch nicht weit von sich entfernt. Er entschied sich dem Lärm nachzugehen, denn er hatte das Gefühl, dass Rose in der Nähe war. Endlich lichtete sich der Rauch etwas und er konnte sehen wie sich die Straße nur wenige Meter von ihm entfernt in einen gigantischen Schlund verwandelte und alles mit sich in die Tiefe riss. Da stürzten Gebäude ein, da verschwanden Straßenlaternen und Mülleimer. Schockiert blieb Scorpius stehen. Fragte sich wie er das aufhalten konnte, als sein Blick auf die Gruppe Menschen fiel, die erst ihr Duell unterbrachen und die Gefahr auf sich zu kommen sah. Er wollte schreien und sie warnen, als bereits das Erdreich unter ihnen wegbrach. Er sah wie Adrian Flint in die Tiefen stürzte. Scorpius wollte auf den Schlund zueilen, um zu sehen, ob er Adrian noch retten konnte, als er endlich Rose erspähte. Der Krater schoss direkt auf sie zu und er fing an zu rennen und schrie ihr gleichzeitig zu, dass sie von da weg musste. Rose war wie versteinert stehen geblieben und er sah wie sie unsicher einen Schritt nach hinten machte, während ihr Blick weiter auf ihm ruhte. Sie brachte sich nicht in Sicherheit, kümmerte sich gar nicht um die Gefahr, die da auf sie zuschoss, sondern sah einfach nur ihn an. Dann fiel sie in die Tiefe. Scorpius geriet in Panik. Ihm fehlten nur noch ein paar Meter, die er in drei großen Schritten hinter sich brachte. Er befürchtete das Schlimmste, doch erleichtert stellte er fest, dass Rose es geschafft hatte sich festzuhalten. „Rose greif nach meiner Hand“, rief er ihr und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie sah hoch und er sah ihren Zweifel und ihren Zwiespalt. Plötzlich erinnerte er sich zurück an den Tag, als Peeves sie ihm Lehrerzimmer eingesperrt hatte. Er hatte sie damals danach gefragt, ob sie seine Hand ergreifen würde, wenn ihr Leben davon abhing. Sie hatte ihn wütend gemacht, indem sie ihm nicht darauf geantwortet hatte, sondern nur gesagt hatte, sie könne sich nicht darin hineinversetzen. „Vertraust du mir oder nicht?!“, brüllte er Rose an, die immer noch überlegte, während sie langsam aber sicher abrutschte. „Und wehe du sagst du kannst dich immer noch nicht in die Situation hineinversetzen, denn das hier ist verdammt ernst! Ich will dich nicht verlieren!“ Rose sah hoch, streckte ihm die Zunge heraus und ergriff dann seine ausgestreckte Hand. „Wehe du lässt mich fallen“, brummte sie zurück. Beinahe hätte er sie vor Überraschung wieder losgelassen, doch dieses Mal würde er sie nicht verlieren. Er zog sie mit aller Kraft hoch bis sie beide schnaufend nebeneinander am Abgrund lagen. Scorpius setzte sich wieder auf und kam nach einem Augenblick wieder zum Stehen. Er streckte wieder seine Hand nach Rose aus, die sofort zugriff und sich hochziehen ließ. Sie stolperte und stieß gegen ihn. Er nutzte die Chance um sie in seine Arme zu ziehen, denn er würde sie nie wieder gehen lassen. „Hey“, protestierte Rose, doch Scorpius hatte sich noch nie um ihre Widerworte geschert. Er würde seinen Fehler nicht noch einmal wiederholen. Inmitten des Schlachtfeldes küsste Scorpius Rose endlich und sie erwiderte den Kuss voller Leidenschaft, während sie sich an ihm festklammerte. Nichts anderes zählte in diesem Augenblick.   Das Schicksal konnte sie mal getrost an die Füße fassen. Kapitel 18: Fate ends --------------------- Dominique befand sich in einer Schockstarre, in der nichts Zugang zu ihrem Kopf fand. Sie wollte es auch gar nicht wahrhaben, konnte aber nicht aufhören die Wahrheit vor sich hinzumurmeln. „John Blotts ist Fate“, wiederholte sie immer wieder vor sich hin, während ihre Augen starr auf einen Punkt in der Ferne gerichtet waren. „John Blotts ist Fate.“ Es hatte keinen Zweck es immer wieder vor sich her zu sagen. Es änderte nichts an dieser Tatsache. Langsam drang die bittere Wahrheit immer tiefer in ihren Kopf ein, setzte sich dort fest wie ein Parasit und drückte ihr den Sauerstoff zum Denken ab. Sie musste sich bewegen, musste zurück zu den anderen und ihnen die Wahrheit mitteilen, doch sie war völlig versteinert. Warum musste das ausgerechnet ihr passieren? Warum hatte sie sich nur ausgerechnet in den Bösewicht der Geschichte verlieben müssen? Dominique bemerkte erst jetzt, dass ihr bereits seit einigen Minuten die Tränen über ihr Gesicht liefen. Sie schluchzte auf. Sie musste falsch liegen. Er konnte es nicht sein. Er hatte ihr doch Mut gemacht, sie aufgemuntert. Ohne ihn würde sie gar nicht hier in der Winkelgasse stehen und dem Geheimnis auf die Spur gekommen sein. Nur wenige Minuten zuvor hatte ihr Mister Blotts ihren Verdacht bestätigt. John Blotts war nicht sein leiblicher Sohn. Er hatte den Jungen eines Tages hungrig und zerlumpt auf der Straße aufgelesen und ihn in seine Obhut genommen. Er hatte Monate damit verbracht herauszufinden wer die Eltern des Jungen waren bis er Erfolg hatte. Der Todesser Thorfinn Rowle und seine Frau Freya hatte einen Sohn gehabt, den sie im Keller ihres Hauses eingesperrt hatte, weil er ein Squib war und somit eine Schande für die Familie darstellte. Er hatte die beiden in Askaban ausfindig gemacht und ihnen erzählt, dass er ihren Sohn gefunden hatte. Doch Rowle hatte nur gehöhnt, dass dieser Muggel nicht sein Sohn sei und er ruhig verrotten könne. Ihm wäre es gleichgültig. Mister Blotts entschied sich den Jungen als seinen eigenen Sohn aufzunehmen und versuchte ihm ein möglichst gutes Leben zu ermöglich. Doch er hatte immer gespürt, dass John unglücklich gewesen und sich von allem zurückgezogen hatte. Es hatte sein altes Herz sehr erfreut, als John nach seinen zahlreichen Reisen endlich entschieden hatte einen Job zu finden und eine Stelle in Hogwarts bekommen hatte. „Warum sie das denn alles wissen wolle?“, hatte der alte Mister Blotts sie gefragt, doch sie hatte es nicht übers Herz gebracht ihm zu sagen, welcher Verdacht sie zu seiner Haustürschwelle geführt hatte. Sie hatte sich für all die Informationen bedankt und war dann die Winkelgasse heruntergelaufen bevor der Schock sie eingeholt und versteinert hatte. Dominique konnte nicht aufhören zu weinen, denn sie wusste, dass sie nicht falsch lag. Er hatte es selbst gesagt, als er sie darauf hingewiesen hatte, dass sie an der falschen Stelle suchte. Er war es gewesen, der die Notiz mit dem Wort Squib hatte verschwinden lassen. Er war immer in ihrer Nähe gewesen, hatte darauf gelauert, ob sie auf die richtige Spur kam. Hatte Lysander töten lassen, als er der Wahrheit zu dicht gekommen war. Und nun stand sie mit ebendieser Wahrheit hier und etwas in ihr zerbrach, denn sie mochte den Bibliothekar wirklich sehr. Er hatte sie so gesehen wie sie wirklich war und ihr den Mut gegeben zu sich selbst zu stehen. Und in all der Zeit hatte er dafür gesorgt, dass sich ihre Freunde gegenseitig umbrachten und sie hatte nichts anderes getan als ihn sich nackt vorzustellen und sich zu fragen, wie es sich anfühlen würde ihn zu küssen. Sie hatte auf ihren Abschluss warten wollen und ihn dann noch einmal richtig nach einem Date fragen wollen. Dominique kam sich so betrogen und belogen vor. Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Es hatte keinen Zweck ihrer Fantasie nachzuweinen. Ihre Freunde brauchten sie jetzt. Ein ohrenbetäubender Knall lenkte ihre Aufmerksamkeit in Richtung Nordosten von wo Rauchschwaden aufstiegen. Dominique keuchte auf. Es hatte längst angefangen. Sie musste sich beeilen, wenn sie noch das Schlimmste verhindern wollte. Sie disapparierte. Sie hatte nicht lange nachdenken müssen, was ihr Ziel war. Dort wo ihre Reise nach Hogwarts begonnen hatte, würde der Kampf der Schachfiguren enden. Kings Cross. ~~~ Lorcan war herangerauscht gekommen, als er gesehen hatte, wie Louis in den Abgrund stürzte. Mit einer Hand hatte er den besten Freund seines Bruders noch zu fassen bekommen. Das Gewicht des Weasley hatte ihn nach vorne gerissen, sodass er selbst fast kopfüber im Abgrund hing, doch er war nicht bereit loszulassen. Er packte mit seiner zweiten Hand zu und schmiss sich mit seiner gesamten Körpermasse nach hinten. Es gelang ihm Stück für Stück Louis wieder über die Kante zu ziehen. Erleichtert darüber rechtzeitig gekommen zu sein atmete Lorcan wieder auf. Louis starrte ihn mit offenem Mund an. Annie hatte ihm gesagt, dass er anders als sein Bruder nicht als tot galt, sondern dass sein Schicksal ungewiss gewesen war, da es keine Zeuge gegeben hatte, die bezeugen konnten was geschehen war. Er war nicht einmal selbst zu hundert Prozent sicher was passiert war, aber er würde später noch Zeit dafür haben das aufzuarbeiten. „Lysander?“, fragte Louis ihn und klammerte sich an ihn fest. „Lysander du lebst!“ Lorcan spürte den Stich in seinem Herzen. Die offene, blutende Wunde, die sich nie wieder schließen würde. Das schwarze Loch, das immer noch drohte ihn völlig zu verschlingen. „Lysander ist tot“, gab er barsch zurück und befreite sich aus dem Griff des Weasley. Er wollte jetzt nicht über den Tod seines Bruders sprechen. Er wollte nicht einmal daran denken. Er würde Lysanders Plan ausführen. Das war seine Mission. Für nichts anderes war er hier. Lorcan rappelte sich wieder auf und besah sich die Lage. Die Straße war völlig aufgerissen und alles lag in Schutt und Asche. Er sah Ryan Flint, der seine Schwester in den Armen hielt, während er laut um Adrian klagte. Ein weiterer Zwilling, der seine andere Hälfte verloren hatte. Lorcan wand sich ab bevor ihn sein eigener Schmerz überrollen konnte. Er musste sich zwingen die Situation sachlich und distanziert zu betrachten. Eigentlich seine große Stärke, doch es fiel ihm schwer sich zusammenzureißen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein Stück weiter abseits standen Rose und Scorpius eng umschlungen. Er nahm das gelassen hin. Er hatte schon immer geahnt, dass Rose tiefere Gefühle für den Malfoy gehegt hatte und dass das der Grundstein für ihren Wahnsinn gewesen war. Es war ja nicht so gewesen, als ob er mit ihr zusammen gewesen wäre. Eine körperliche Beziehung, die auf der einen Seite aus Verzweiflung und auf der anderen Seite aus wissenschaftlicher Neugierde bestanden hatte, hätte sowieso nie funktioniert. Molly und Adam hatten sich gemeinsam mit Alice in Sicherheit bringen können. Mehr Personen konnte er nicht entdecken. Lysander hatte ihm immer vorgeworfen, dass er sich nicht für die Menschen interessierte. Das wollte er ändern, denn er wusste, dass sein Bruder Recht gehabt hatte. Der einzelne Mensch zählte mehr als jedes wissenschaftliche Experiment, das er durchführen konnte. Lorcan griff nach der Kette aus Butterbierkorken. Das letzte Geschenk seines Bruders. Der Portschlüssel, der ihn vor dem sicheren Tod bewahrt hatte und ihm jetzt die Chance gab das Andenken seines Bruders weiterzutragen und seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Lorcan würde nach Hause zurückkehren, aber vorher musste er noch einem gewissen Puppenspieler in den Arsch treten und er wusste schon genau, wo er den finden würde. ~~~ James erwachte hustend und keuchend. Alles um ihn herum war voller aufgewirbelten Staub. Er konnte nichts erkennen. Vorsichtig richtete er sich auf, während er mit seinem Zauberstab Licht herauf beschwor um seine Umgebung in Augenschein zu nehmen. Er schien völlig alleine zu sein. Rose war nach ihrem Sieg scheinbar gegangen ohne ihn um die Ecke zu bringen, was ihn zumindest teilweise erleichterte. Doch die zerstörten Häuser und die aufgerissene Straße dämpfte seine Stimmung sofort wieder. Er hatte scheinbar einiges verpasst nachdem Rose ihn geschockt hatte. Und was er sah gefiel ihm ganz und gar nicht. Er beschloss dem Weg des Kraters zu folgen, der glücklicherweise für ihn kurz vor seinen Füßen endete, um auf dieser Weise den Verursacher des Kraters aufzuspüren und mit ihm seinen nächsten Gegner. Er würde sich davor hüten, dass ihm noch einmal der gleiche Fehler unterlief wie im Duell gegen Rose. Er durfte sich nicht durch seine Trauer manipulieren lassen. Wenn er angreifbar war, konnte er niemand damit helfen. Der Krater führte ihn direkt zurück zum Kings Cross Bahnhof, der nun nur noch einer eingestürzten Ruine glich. Auf dem Platz vor dem Bahnhof war ein Feuerring, indem die Erwachsenen gefangen waren. Viele von ihnen waren schon zu Boden gegangen, weil das Feuer ihnen den Sauerstoff abschnitt. James rannte darauf zu, behielt aber trotzdem die Augen auf, denn er war sich sicher, dass eine der schwarzen Schachfiguren in der Nähe darauf lauerte, dass er unvorsichtig war. Aber er musste etwas unternehmen. Er konnte nicht auch noch seine Eltern verlieren. Doch kaum erreichte er den Feuerring schoss von rechts ein grüner Blitz auf ihn zu. James sprang beiseite, wusste er doch, dass sein Schutzschild zu schwach war, um den Fluch zu blocken. Aus dem Schatten der Kings Cross Ruine trat Liam. Doch nicht der ehemalige Slytherin fesselte sein Blick, sondern die Körper, die zu seinen Füßen lagen. Roxanne und Fred. Der Zorn schoss ihm sofort durch alle Glieder und beflügelte ihn. Er brauchte nur wenige Schritte, um auf gleicher Höhe mit Liam zu sein. Er warf sich mit seinem ganzen Körper auf den Pucey und brachte ihn damit aus den Gleichgewicht, der mit diesem Angriff nicht gerechnet hatte. Er konnte einen Faustschlag im Gesicht von Liam platzieren bevor der Slytherin sich wieder gefangen hatte und sein Bein anzog um James in die Weichteile zu treten. James rollte sich mit schmerzverzogener Miene von seinem Gegner herunter, kam dann aber wieder schnell auf die Beine. Liam war auch längst wieder auf den Beinen und holte zum Schlag aus. James duckte sich unter dem Schlag hindurch und donnerte wie ein Bulle mit dem Kopf voran in den Bauch seines Gegners. Liam röchelte und konnte nicht zu einem sofortigen Gegenangriff ansetzen, was der Potter ausnutzte, um ihm einen Kinnhaken zu versetzen, der Liam zu Boden schleuderte. Alles in ihm brüllte und er ließ seinen inneren Löwen heraus, der die Schlange zu seinen Füßen zerstampfte. James trat mehrfach mit voller Stärke zu und genoss es beinahe als sich Liam vor Schmerzen krümmte. Doch er war unachtsam, denn der Slytherin hatte immer noch einen Zauberstab in der Hand. Plötzlich traf James ein Fluch in die Magengrube und er keuchte vor Schmerzen auf. Er erinnerte sich an seinen eigenen Zauberstab, den er immer noch fest in der Faust hielt und er schleuderte den einzigen Zauber zurück, der ihm in diesen Augenblick angemessen erschien. Das Entsetzen Liams als der grüne Blitz in seinen Brustkorb fuhr würde James niemals vergessen können. Trotzdem musste er der Sache ein Ende machen. Als das Licht in den Augen seines Gegners erlosch, erlosch auch der Feuerkreis, der die Erwachsenen gefangen gehalten hatte. James hatte es geschafft sie zu retten, doch der Preis dafür war zu groß gewesen. Der Puppenspieler hatte es geschafft und ihn zu Mörder gemacht. Erschöpft sank er zu Boden. ~~~ Rose klammerte sich an Scorpius fest, da sie immer noch fürchtete im nächsten Augenblick in den Nebel zurückgezogen zu werden. Sie war unheimlich glücklich und zeitgleich unheimlich traurig. Zu viele Emotionen kämpften in ihr, aber alles was jetzt zählte war, dass sie aufgewacht war und Scorpius bei ihr war. Er strahlte sie an und ließ sie fast vergessen, wo sie sich befand. Die Kämpfe schienen verebbt zu sein. Als sich die zwei aus ihrer Umarmung lösten, sahen sie, dass alles still dalag. Nur ein paar Meter von ihnen entfernt waren Jane und Ryan Flint, die einander festhielten und nur noch still vor sich hin trauerten. Es schien nicht mehr so, als ob die beiden noch einmal nach ihren Zauberstäben greifen würde. Ein Stück davon entfernt waren Molly, Adam, Alice und Louis. Rose wand den Blick ab. Zu sehr schmerzten die Erinnerungen daran, was sie ihren beiden Freunden angetan hatte. Besonders Alice. Sie würde ihr nie wieder in die Augen blicken können. Scorpius spürte ihren Schmerz und hob ihr Kinn hoch, damit sie ihn ansehen musste. „Wir stehen das gemeinsam durch“, versicherte er ihr und küsste sie dann. Ihr schossen die Tränen in die Augen, da sie nicht begreifen konnte, wie er nach alldem zu ihr halten konnte. Sie sogar lieben konnte. Sie war eine Mörderin. Sie hatte grausame Dinge getan und diese auch noch genossen. Sie war widerwärtig. Scorpius hielt sie einfach nur in seinen Armen bis all ihre Tränen versiegt waren. Der Schmerz blieb und obwohl sie sich in seinen Armen geborgen und sicher fühlte, wusste sie, dass es nie wieder gut werden würde. Nichts auf der Welt konnte reparieren, was in ihr zerstört worden war. Sie konnte nicht einmal daran glauben, dass sie jemals wieder zu ihrer Familie zurückkehren konnte. Für ihre grausamen Taten gab es nur ein Ort, an den sie noch gehen konnte: Askaban. In Scorpius‘ Armen wurde ihr zum ersten Mal nach langer Zeit bewusst, wie sehr sie ihre Eltern vermissten. Wie sehr sie ihr Zuhause vermisste. Und wie schlimm der Verlust von Hugo war. Nie wieder würde er sie aufziehen. Nie wieder würde sie gemeinsam gegen ihre Eltern intrigieren, um neue Sachen zu bekommen, die sie unbedingt wollten. Nie wieder würde sie im Garten sitzen und zusammen Karten spielen. Nie wieder würde sie ihren Bruder wiedersehen und die einzige Person, die sie dafür im Augenblick verantwortlich machen konnte, war sie selbst. Doch das stimmte nicht ganz. Es gab noch jemand, der zur Verantwortung gezogen werden konnte. Der Puppenspieler. Um diesen Alptraum endgültig zu beenden, musste er besiegt werden. „Wir müssen gehen“, wisperte Rose Scorpius ins Ohr. Er zog sie noch enger an sich, als wäre er nicht bereit sie jemals wieder loszulassen, da er fürchtete, dass sie ihm wie ein Traum entschwinden würde. Aber Rose wollte nicht mehr in ihrem Alptraum gefangen bleiben. Angst davor zu haben, dass der Nebel zurückkehrte. Sie wollte wirklich frei sein, auch wenn es nur für einen Augenblick war, und sie dann für den Rest ihres Lebens hinter Gitter verbringen würde. Noch ein letztes Mal wollte Rose einfach nur sie selbst sein. Das Mädchen, das furchtbar tollpatschig, aber eine überaus begnadete Duellantin war. Das Mädchen, das keine Ahnung von der Welt und doch so viel Wissen über diese hatte. Das Mädchen, das hoffnungslos in Scorpius verliebt gewesen war. Doch Rose brauchte sich nichts vormachen: Dieses Ich würde sie nie wieder zurückbekommen. „Wir müssen den Puppenspieler töten“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Scorpius. Der schüttelte vehement den Kopf. „Nein, niemand soll mehr getötet werden. Wir werden ihn besiegen und ihn in seinem eigenen Spiel schlagen, aber wir werden ihn nicht töten. Rose schnaubte und löste sich aus der Umarmung. „Er hat uns alle als seine Schachfiguren benutzt. Ich habe wegen ihm Hugo getötet! Er verdient es zu sterben!“ Scorpius hielt sie fest bevor sie noch mehr Abstand zwischen sie bringen konnte. „Wenn du ihn tötest, dann würde er einfach mit allem davonkommen und nie für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Er verdient vielleicht den Tod, aber wer sind wir, dass wir darüber urteilen dürfen. Wir sind immer noch nicht mehr als Kinder. Wir machen nicht die Gesetze, wir treffen nicht die Entscheidungen darüber, wer lebt oder wer stirbt. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sollten nicht einmal kämpfen. Wir sollten in der Schule sitzen, über Hausaufgaben stöhnen und uns mit unseren Eltern streiten, weil wir den neusten Besen haben wollen. Lass ihn nicht gewinnen!“ Verbittert gab Rose zurück: „Er hat doch längst gewonnen. Wie sollen wir je wieder in der Schule sitzen? Wie sollen wir je wieder ein normales Leben führen?“ Rose sah, dass Scorpius darauf keine Antwort hatte, aber immer noch hatte er ihre Hand in seiner Hand und hielt sie davon ab loszutraben, um sich sofort an den Puppenspieler zu rächen. „Weil wir zusammen sind. Weil wir leben. Deswegen hat er nicht gewonnen.“ Seine Antwort war schlicht und trieb Rose die Tränen in die Augen. ~~~ Alice starrte entsetzt auf die Szene, die sich vor ihr ausbreitete. Der Boden war aufgerissen und hatte Adrian Flint verschlungen. Louis war ebenfalls abgestürzt, doch seine Rettung kam so völlig überraschend aus dem Nichts, dass sie ihren Augen gar nicht trauen konnte oder wollte. Ähnlich wie Louis hatte sie für einen Augenblick das Gefühl einen Geist zu sehen, der sich vor ihr materialisiert hatte. Würde sie ihre Hand jetzt nach ihm ausstrecken würde sie einfach durch ihn durch gleiten. Im nächsten Augenblick schallte ihr Kopf sie einen Dummkopf. Lysander war tot. Der einzige von dem niemand etwas gehört oder gesehen hatte war Lorcan gewesen. Die Ähnlichkeit der Zwillinge war ihr bis zu diesem Moment nicht bewusst gewesen. Irgendwie hatten sich die zwei immer wie ganz unterschiedliche Menschen angefühlt. Sie waren auch keine eineiige Zwillinge, doch in dieser einen Sekunde hätte sie nicht sagen können wer vor ihr aufgetaucht war. Lorcan fühlte sich wie Lysander an. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als ihren Freund wieder zu sehen. Wahrscheinlich kam ihr Lorcan deswegen vor als wäre er ein wiederauferstandener Lysander. „Trüge mich meine Augen oder ist Lorcan gerade auf unsere Seite zurückgekehrt?“, unterbrach Adam mit schockierter Stimme Alices Gedankengang. Sie riss sich wieder zusammen. Molly hatte sich von Adam gelöst und hatte ihm gar nicht richtig zugehört, da ihr Blick an Jane und Ryan hängen geblieben war. Ohne auf den leisen Protest Adams zu hören, ging sie raschen Schrittes auf die zwei zu. Alice beobachtete verblüfft wie einfach es für Molly zu sein schien denjenigen Trost zu schenken, die vor wenigen Sekunden noch versucht hatten, sie zu töten. Alice dagegen empfand immer noch Abscheu den Flint-Geschwistern gegenüber und sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass es ihnen doch zu Recht geschehen war. Dass sie es verdient hatten nach all den durch sie getöteten Opfern dafür bestraft zu werden. Alice atmete tief ein. Ihr Atem rasselte ein wenig, Wer war sie schon, dass sie entscheiden durfte, wer was verdient hatte. Ihr Blick blieb plötzlich an zwei anderen Gestalten hängen, die sich ebenfalls auf dem Schlachtfeld befanden, dass nun völlig still dalag. Ihr Herz machte einen Satz, als sie die Szene vor ihr wahrnahm. Sie wollte die Faust in die Luft recken und laut „Endlich!“ schreien, als sie Scorpius und Rose eng umschlungen sah. Gerade beugte sich der Blonde herunter um Rose zu küssen. Und plötzlich wurde ihr bewusst was das für den Kampf bedeutete. Es traf sie mit einem solchen Schlag, das sie die Luft anhielt. Begeistert drehte sie sich zu Adam um, der immer noch skeptisch dabei zusah, wie Molly aufmunternde und tröstende Worte an Jane und Ryan spendete. Lorcan hatte sich ebenfalls zu ihnen umgedreht. Ihm musste das gleiche durch den Kopf gegangen sein. Er sah in ihre Augen und lächelte siegessicher. Dieses Lächeln reichte um Alice endgültig zu überzeugen. Der Staub hatte sich auf dem Schlachtfeld mitten im Herzen Londons gelegt. Es war vorbei. Auf dem schwarzen Schachbrett konnte kaum noch jemand stehen. Ryan und Jane hatten aufgegeben. Rose und Lorcan schienen aus dem Nebel befreit. Albus und Claire hatten schon Wochen zuvor den schwarzen Schachfiguren den Rücken gekehrt. Fred war nur noch ein Hauch seines früheren Selbst nachdem Lily getötet worden war. Adrian war tot. Vier weitere schwarze Schachfiguren waren bereits vor dieser Schlacht gefallen. Wenn sie richtig zählte waren es damit nur noch drei schwarze Schachfiguren: Liam, Nathan und Fate. Von einer Sekunde zur anderen Sekunde stand James neben ihnen. Er wand sich an Molly und blickte ihr fest in die Augen. „Fred ist tot“, brach es aus ihm heraus. Alice konnte hören wie er versuchte seine Trauer zu verbergen, doch als Molly ihn in die Arme nahm, war es um ihn geschehen und er weinte hemmungslos an der Schulter seiner besten Freundin. Alice sah betreten weg, fühlte sich als würde sie den intimen Moment der Trauer der beiden stören. Gerade war sie noch so siegessicher gewesen, aber ihr wurde bewusst, dass bereits genug Menschen gestorben waren. Egal was als nächstes geschehen würde, egal ob der Sieg schon so nah zu sein schien, sie alle hatten dafür einen furchtbaren Preis gezahlt und soviel verloren. ~~~ Dominique fand sich in einer so bizarren Szenerie wieder, dass sie sich sicher war, dass sie beim Apparieren eingeschlafen sein musste und sich in einem Traum wieder gefunden hatte. Wenn das alles hier ein Traum war, dachte sie, dann war John Blotts sicher nicht Fate. Doch auch wenn sie die Wahrheit noch so sehr verdrängen wollte, wusste sie, dass sie sich nicht einem Traum befand. Die Krater in den Straßen Londons, der zerstörte Bahnhof und die bewusstlosen Erwachsenen, die sich davor befanden, sprachen eine ganz andere, sehr eindeutige Sprache. Doch nicht das irritierte Dominique so sehr, dass sie für eine Sekunde der felsenhaften Überzeugung war, dass das hier nicht real sein konnte. Nein, vielmehr verdutzte sie die Tatsache, dass Scorpius gerade ihre Cousine geküsst hatte, die zwar weinte, aber zeitgleich dabei so verdammt glücklich aussah. Irgendwie musste sie da etwas Entscheidendes verpasst haben. Und es versetzte ihr ein Stich ins Herzen, denn sie würde gleich gegen die Person vorgehen müssen für die solche Gefühle empfand. Also drehte sich Dominique abrupt auf den Absatz um und wand sich in die andere Richtung. Dort stand ein heulender James – das war schon mal kein gutes Anzeichen –, der von Molly im Arm gehalten wurde, während daneben Alice und Adam irgendwie sehr undefinierbaren Gesichtsausdrucke hatten. Auf dem Boden knieten Jane und Ryan, die ebenfalls weinten – immer noch ein schlechtes Zeichen –, doch am meisten überraschte sie der kühle Blick von Lorcan, der sie musterte. Zu seinen Füßen hockte ihr Bruder, der nur noch ein kläglicher Haufen Selbstmitleid zu sein schien. Lorcans Blick hielt sie gefangen und sie konnte nicht ihre Augen abwenden. Wie Lysander es immer getan hatte, so las auch Lorcan alles in ihrem Gesicht ab. „Dann hau mal raus, wer Fate ist!“, sagte er dann völlig unvermittelt. Alle Augenpaare wanden sich ihm verblüfft zu, um dann seinen Augen zu folgen, die immer noch völlig fixiert auf ihrem Gesicht ruhten. So viel Aufmerksamkeit hatte sie nicht mehr bekommen seit sie am Tag der Hochzeit ihrer Schwester eine Tortenschlacht veranstaltet hatte. Sie fühlte sich geschmeichelt. „Du weißt wer Fate ist?!“ Rose war herangerauscht gekommen und Dominique, die ihre Cousine immer gern aufgezogen hatte und wusste, was passierte, wenn man sie zu sehr reizte, trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Ihr Augenblick, in dem sie es allen beweisen konnte. Auf den sie solange gewartet hatte und doch hatte sie einen dicken Kloß in ihrem Hals. Wenn sie jetzt seinen Namen aussprach, dann war es wirklich vorbei. Sie hatte das Schicksal besiegt, aber ihr Herz würde für immer gebrochen sein. Dominique atmete tief durch. Sie konnte die anderen nicht im Stich lassen, nur weil sie zögerte und nicht wahrhaben wollte, was sie gerade herausgefunden hatte. Nein, so war sie nicht. Sie ließ ihre Freunde nicht im Stich. Es war Zeit. „Es ist John Blotts, der Bibliothekar: Er ist ein Squib. Seine Eltern waren Todesser, die ihn dafür gequält haben. Er hasst die Magie. Er …“ Ihre Stimme brach ab. Der Kloß wollte sich nicht runterschlucken lassen. Es war zu spät ihre Worte jetzt zurückzunehmen. Alle sahen sie an. Die Blicke waren dankbar und zuversichtsvoll. „Also müssen wir ihn erledigen? Ihn, Liam und Nathan? Dann ist das alles hier vorbei?“ Alice sah hoffnungsvoll aus. Ihr ganzes Martyrium schien endlich ein Ende zu nehmen. „Liam ist tot“, warf James ein, während er sich versuchte die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. „Ich hab ihn getötet. Ich bin durchgedreht als ich Fred und Roxanne da liegen gesehen habe. Ich …“ Das Entsetzen über seine Tat stand James ins Gesicht geschrieben. Er bereute was er getan hatte. Dominique konnte kaum ertragen, wie sehr er litt bei dem Gedanken, dass er jemand anders getötet hatte. Sie hatten alle genug durchgemacht. Es musste jetzt einfach aufhören. Wenn Dominique ihn richtig verstanden hatte, waren Fred und Roxanne auch getötet worden. Der Gedanke an ihre beste Freundin schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte und jetzt war ihre Freundin tot. Dass war das, was sie gebraucht hatte, um sich endgültig zu entscheiden. John Blotts musste für seine Taten büßen. „Nathan ist auch raus aus der Sache“, fügte Scorpius hinzu. „Er ist geflohen.“ „Worauf warten wir dann noch?!“, entfuhr es Rose, die begierig darauf zu sein schien alle ihre Fehler auszulöschen, indem sie Fate zur Strecke brachte. Lorcan schüttelte den Kopf. „Rose, wir können nichts tun. Wir sind schwarze Schachfiguren. Wir können nicht gegen unseren eigenen König vorgehen.“ Enttäuschung breitete sich in Roses Gesicht aus. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht laut los zu schreien, weil die Welt so verdammt ungerecht war. Dominique grinste. „James, Molly, Adam und Alice, ich denke wir haben ein Rendezvous mit einem gewissen Mr. Blotts. Wir sollten ihn nicht warten lassen.“ „Aber wo ist er?“, wollte Alice wissen. Sie konnte ja schlecht die ganze Stadt nach ihm absuchen in der Hoffnung, dass er ihnen ins Netz ging. Jetzt war es an Lorcan zu grinsen. Er deutet auf das höchste Stockwerk des Great Northern Hotel gegenüber vom Kings Cross Bahnhof. „Da oben. Da wo er die beste Aussicht hat.“ Und so fielen alle Puzzlestücke an ihren Platz. Entschlossen marschierten sie auf das Hotel zu. ~~~ Er sah mit Entsetzen, wie ihm die Kontrolle entglitt. Eben hatte er noch eben gefeiert wie Liam die Straßen aufgesprengt hatte und hatte mit Vergnügen beobachtet, wie der Feuerkreis die Luft in den Lungen der Erwachsenen abschnürte. In seinem Kopf hatte er sich bereits ausgemalt wie Harry Potter zu Boden sank, sich an die Kehle griff, noch ein letztes Mal röchelte und dann krepierte. Er war so kurz vor dem Sieg gewesen. Er hatte Harry Potter doch schon schachmatt gesetzt gehabt. Dann war James aufgetaucht und hatte seinen Läufer, Liam, außer Gefecht gesetzt. Er hatte zu seiner Königin gegriffen, doch Rose ließ sich nicht mehr bewegen. Verzweifelt hatte er zu Nathan gegriffen, doch auch der Turm ließ sich nicht mehr bewegen. Er war verraten geworden. Nie hätte er diesem heuchlerischen Hausmeister glauben dürfen. Für eine Sekunde hatte er wirklich daran geglaubt, dass er jemand gefunden hatte, der sein Ziel geteilt hatte, der genau wie er die Magie auslöschen wollte. Doch er hatte sich geirrt. Die weißen Figuren standen nun fast direkt an seiner Figur. Auch seine drei verbliebenen Bauern Adrian, Jane und Ryan ließen sich nicht mehr bewegen. Er stürzte auf das Fenster zu, griff nach seinem magischen Fernglas und zischte wütend, als er die Szene vor sich sah. Alle verbliebenen Schachfiguren standen versammelt vor dem zerstörten Bahnhofsgebäude. Er fluchte. Warf einen Blick auf das Schachbrett auf dem er ihre Gegenstücke hatte, doch es brachte ihm nichts. Weiß hatte gerade seinen Zug gemacht. Zum ersten Mal hatte er die weiße Königin auf dem Schachbrett bewegt. Er hatte sie verschonen wollen und schalte sich nun selbst einen Narr. Was hatte er gedacht würde passieren, wenn er die mächtigste weiße Figur bewegte?! Für eine Millisekunde dachte er daran alle Figuren vom Schachbrett zu fegen. Doch dann fasste er sich. Es war noch nicht vorbei. Die einzige Figur, die er noch bewegen konnte, war seine eigene. Schwarz war am Zug. Er musste etwas tun. Noch hatte sie ihn nicht schachmatt gesetzt. Noch konnte er entkommen. Aber er wollte nicht fliehen! Er fluchte laut auf, sah wie sich die weißen Figuren geschlossen auf ihn zubewegten, wusste, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte, aber er weigerte sich das hinzunehmen. Er war das Schicksal. Er konnte nicht geschlagen werden. Er war verdammt noch mal das Schicksal! Niemand konnte sich ihm entziehen. Er warf einen letzten Blick auf das Schachbrett. Er erinnerte sich genau an dem Tag, an dem er es auf einem magischen Schwarzmarkt entdeckt hatte. Er hatte von der ersten Sekunde an gespürt, dass er die Lösung zu all seinen Problemen in den Händen hielt. Er hatte stundenlang gefeilscht und es dann endlich sein Eigen nennen. Die vielen Experimente mit dem Schachbrett konnte er gar nicht mehr zählen, doch dann hatte er endlich verstanden, wie er die Schachfiguren nutzen konnte. Viele Wochen und Monate waren ins Land gezogen bis sein Plan ausgereift gewesen war. Alles, was er brauchte war eine Gelegenheit um jeder Schachfigur ein Haar zu stehlen und diese flatterte eines Tages unverhofft in das Geschäft seines Ziehvaters: Victoires und Teds Hochzeitseinladung. Natürlich war sie nicht für ihn bestimmt gewesen. Es tat ihm leid, als er in den Kaffee seines Ziehvaters Abführmittel schüttete. Es tat ihm weniger Leid bei seinen ‚Brüdern’, die ihn nie für voll genommen hatten. Er hätte sie vielleicht getötet, aber er wollte keine Aufmerksamkeit auf die Blotts-Familie lenken. Am Ende schickte ihn sein Vater als Vertretung auf die Hochzeit. Dort hatte er sich im Hintergrund gehalten und die Kinder genau beobachtet. Sie waren mit all ihren unsicheren Gefühlen perfekt gewesen. Im Durcheinander der Hochzeit war es ihm ein leichtes gewesen von jedem seiner Auserwählten eine Haarsträhne zu organisieren. Es war so leicht gewesen. So spielerisch einfach. Im Gefecht der Tortenschlacht hatte keiner ihm Aufmerksamkeit geschenkt. Doch er war schwach geworden bei ihrem Anblick. Sie hatte ihn so sehr an sich selbst erinnert. Wie sie versuchte alle Augen auf sich zu ziehen. Sie war atemberaubend gewesen. Er konnte nicht verstehen wie irgendjemand sie nicht ansehen konnte und doch schien es niemand zu tun. Sie war seine Schwachstelle gewesen, wurde ihm bitter bewusst. Er hatte für sie sein Ziel aus den Augen verloren. War unvorsichtig geworden. Er griff nach der weißen Königin, entfernte das blonde Haar und steckte es sich in die Jackentasche. Er gab der Königin einen leichten Kuss bevor er sie zurückstellte. Dann wand er sich vom Schachbrett ab und zog die Pistole aus seiner anderen Jackentasche. Er würde nicht kampflos untergehen. Auch ein König konnte Figuren schlagen. Es war noch nicht zu Ende. Er entschied, wann es zu Ende ging, denn er war das Schicksal. ~~~ Lorcan folgte den anderen, auch wenn er wusste, dass er nichts mehr unternehmen konnte. Ähnlich wie Rose wollte er nichts lieber als Fate selbst zu töten, doch er war nicht dumm. Rose tat es ihm gleich und blieb hinter den verbliebenen weißen Figuren. Zurückblieben nur Jane und Ryan, die einander immer noch festhielten und trauerten. Wahrscheinlich nicht nur um ihren gefallenen Bruder, sondern auch um sich selbst. Aus dem Nebel erwacht zu sein, durfte kein Zuckerschlecken gewesen sein. Noch einer machte keine Anstalten sich zu bewegen. Dominique hatte ihren Bruder nicht einmal adressiert. Sie wusste wohl genauso gut wie er, dass Louis nicht mehr kämpfen würde. Er hatte aufgegeben und war zu einer nutzlosen Schachfigur geworden. Lorcan hasste es, dass er sich nicht gegen seinen eigenen König wehren konnte und damit genauso wie Louis zu einer nutzlosen Schachfiguren geworden war. Verärgert darüber, dass er jetzt ausgeschlossen wurde, dachte er für eine Sekunde darüber nach, was wäre, wenn er wieder zu einer schwarzen Schachfigur werden würde. Wie sehr er den Rausch genießen würde. Wie sehr er es bereits genossen hatte. Doch dann verflog der Gedanke und wurde vom Bild seines Bruders verdrängt. Lysander hatte ihn nicht am Leben gelassen, damit er es zum Fenster hinauswarf. Er hatte eine Aufgabe. Ihm waren Annies Worte klar im Gedächtnis geblieben. Er musste das Schachbrett zerstören. Damit war Fate ihn allen schutzlos ausgeliefert. Nur dann konnte er die Rache für seinen Bruder bekommen. Ungeduldig schritt er zügiger heran, war fast gleich auf mit den weißen Schachfiguren, als Rose ihn zurückhielt. „Hast du nicht gerade selbst gesagt, dass wir nichts tun können? Wo willst du also so schnell hin?“ Er schüttelte ihre Hand von seinem Arm ab und zwang sich mit dem neutralsten Gesichtsausdruck der Welt zu antworten. „Ich will zuschauen, du etwa nicht?“ Rose nickte und er drehte sich wieder um. Die anderen hatten das Gebäude fast erreicht, als ihnen John Blotts persönlich gegenüber trat. Was für ein dummer Schachzug! Plötzlich knallte es. Blotts hatte eine Pistole und sie auf James gerichtet. Getroffen ging der Potter-Sprössling zu Boden, hatte aber sofort Molly an seiner Seite, die die Schusswunde sofort mit einem Zauberspruch behandelte. Adam und Dominique schützten die beiden mit Schutzzaubern. Am liebsten wäre Lorcan stehen geblieben und hätte beobachtet welche Auswirkungen wohl eine Pistolenkugel auf einen Schutzzauber hatte, aber leider war er anderweitig vonnöten. Mit ein wenig Bedauern nutze er die Ablenkung und begann auf das Gebäude zu zu sprinten. Er hörte und spürte wie eine Kugel knapp an ihm vorbei flog, aber dann war er im Gebäude und in Sicherheit. Wie so oft ärgerte es ihn, dass er noch nicht apparieren konnte. Vor ihm lag Treppe um Treppe und natürlich hatte Blotts den Fahrstuhl bedacht. Der Strom war ausgeschaltet. Lorcan fluchte. Er konnte nicht stehen bleiben. Im selben Tempo jagte er die Treppen hoch und spürte den Schmerz in seiner Seite und seinen Beinen, doch er hielt nicht inne und dann hatte er das oberste Stockwerk erreicht. Blotts hatte die Tür zu seinem Zimmer offen stehen gelassen, als er es verlassen hatte, sodass er Lorcan nun die Suche ersparte. Er sprang förmlich in den Raum und da war es. Lysander hatte Recht behalten. Blotts hatte wirklich Schach gespielt. Viele Figuren waren bereits an die Seite des Schachbretts gestellt. Die meisten davon waren schwarze Figuren. Blotts hatte sich nicht mehr die Mühe gemacht die letzten schwarzen Figuren beiseite zu stellen. Lorcan griff nach seiner eigenen Figur. Er hätte nie gedacht, dass er ein Läufer gewesen war. Er hatte sich selbst als Springer oder Turm gesehen. Er konnte eben doch nicht alles richtig erraten. Das amüsierte ihn kurz. Er nahm auch die drei Bauernfiguren sowie die beiden Türme von Nathan und Liam vom Schachbrett. Lorcan griff nach dem weißen Springer, der Louis’ Namen trug und nahm ihn ebenfalls herunter. Sein Bruder Lysander war natürlich ein Turm gewesen. Er hätte es sich ja denken können, dass sie nicht dieselbe Schachfigur darstellten. Auf dem Schachbrett verblieben noch die Figuren von Harry, dem weißen König; Dominique, der weißen Königin; James und Scorpius, den weißen Läufern; Alice, der letzte verbliebene weiße Springer; Molly, dem zweiten weißen Turm und vier weiße Bauernfiguren. Weiß war definitiv hundertmal besser weggekommen, als John Blotts sich das sicher ausgemalt hatte. Lorcan betrachtete die weißen Bauernfiguren, sah den weißen Bauern, der am Ende des Schachbretts angelangt war, grinste, zog seinen Zauberstab heraus und statt das Schachbrett ein für alle mal in die Luft zu jagen tippte er die Bauernfigur an, die sich daraufhin in eine Dame verwandelte. Lorcan konnte sich dem Zauber des Schachbrettes nicht entziehen, streckte seine Hand ein letztes Mal nach einer Figur aus und zog mit der Dame. Ein letzter Schachzug. Wollte er mal sehen, ob John Blotts darauf vorbereit gewesen war. ~~~ Roxanne wurde von einer Sekunde aus der anderen aus ihrem Fiebertraum gerissen. Plötzlich fühlte sie sich nicht mehr schwach. In ihr ging eine Wandlung durch, die sie nicht zuordnen konnte, die sie aber auch nicht in Frage stellen wollte. Sie hatte sich so elend gefühlt. Als sie jetzt endlich wieder zur Besinnung kam, wusste sie nicht einmal, wo sie sich gerade befand. Ihr Fiebertraum war ihr endlos vorgekommen und sie fühlte sich seltsam deplaziert. Als wäre sie aus Zeit und Raum gefallen. Orientierungslos blickte sie sich um. Sie war auf dem Dach eines Gebäudes. Dann sah sie Fred, der ausgestreckt neben ihr lag. Sie stürzte zu ihm, spürte seine kalte Haut unter ihren heißen Fingern, sah seine leere Augen und wusste, dass es zu spät war. Ihr Alptraum war wahr geworden. Heiße Tränen stiegen in ihre Augen auf. Dunkel erinnerte sie sich daran, dass Fred ihr zur Rettung gekommen war und gegen Liam gekämpft hatte, doch dann war sie wieder in ihren Fiebertraum zurück geglitten. Nur wenige Meter von Fred entfernt lag ein weiterer Körper, der sich nie wieder rühren würde. Liam lag ausgestreckt auf dem Boden. Sein Gesicht war verzerrt. Roxanne hätte ihn am liebsten selbst in Scheiden geschnitten für das was er ihr und vermutlich auch ihrem Bruder angetan hatte, doch jemand anders musste ihr zuvorgekommen sein. Egal wer ihr diesen Gefallen getan hatte, sie würde für immer in der Schuld dieser Person stehen. Neben Liam lag noch sein Zauberstab. Sie griff danach, da er ihr sicher ihren Zauberstab abgenommen hatte, als er sie entführt hatte. Roxanne versuchte aufzustehen, doch sie konnte nicht. Ihre Füße waren nicht mal als solche zu erkennen, sondern waren nur noch zwei große blutige Fleischklumpen. Ihr ganzer Körper brannte und erinnerte sie daran, dass sie übersäht war mit offenen und blutenden Wunden, die dringest versorgt werden musste. Trotz all dieser Wunden, trotz der Hitze, die immer noch durch ihren Körper brannte, fühlte sie sich gut und stark genug um einen ganzen Wald auszureißen. Adrenalin pochte durch ihre Venen und sie robbte an den Rand des Daches. Sie musste wissen wo sie war und was geschehen war. Als sie hinunterblickte sah sie gegenüber von ihrem Gebäude die Ruine von Kings Cross. Natürlich sie erinnerte sich daran. Das war der Ort gewesen, an dem Liam sie gefoltert hatte. Ein weiteres Mal durchzuckte sie der Wunsch aus Liam Hackfleisch zu machen, doch sie würde nicht seine Leiche schänden, um sich diesen Wunsch zu erfüllen. Die Zeit konnte sie auch nicht zurückdrehen. Also schaute sie lieber weiter über den Dachrand. Neben Kings Cross sah sie eine riesige Gruppe. Von hier aus konnte sie keine einzelnen Gesichter ausmachen, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass es sich dabei um die Erwachsenen handelte, die wohl wieder handlungsunfähig gemacht worden waren. Welch grausames Spiel war es auch gewesen, dass sie egal was sie hätten unternehmen wollen, immer daran gehindert wurden, dass sie nicht in das Schachspiel eingreifen konnten. Fate war so perfide gewesen. Durch dieses Schachspiel hatte er sie schutzlos gemacht und ihre Eltern zum Nichthandeln verdammt. Roxanne hoffte, dass es ihren Eltern gut ging und sie unter den sich regenden Erwachsenen waren. Roxanne griff nach dem Zauberstab. Ein paar Funken würden reichen, damit sie auf sich aufmerksam machen konnte, doch bevor sie den Zauberstab erhob, blieb ihr Blick an der Szene genau unter ihr hängen. Dort standen Dominique, Adam und Alice, während dahinter Molly über James kniete. Ein Stück abseits stand Scorpius schützend vor Rose. Und direkt vor ihnen allen war der Bibliothekar John Blotts, der eine Pistole in der Hand hielt. Roxanne war nicht dumm und zählte schnell eins und eins zusammen. Jetzt war ihr Moment gekommen. Sie hatte ihn seit Anbeginn der Zeit herbeigesehnt und konnte gar nicht fassen, dass er plötzlich zum Greifen nah war. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. Wenn sie schon nicht Liam zu Hackfleisch zermahlen konnte, dann konnte sie den wahren Verursacher zumindest zur Strecke bringen. Das lag ihr schließlich im Blut. Sie war zur Heldin geboren. Sie erhob Liams Zauberstab und feuerte den besten Fesselzauber aller Zeiten ab. Das sollte ihr erst einmal jemand nachmachen. ~~~ Scorpius hatte sich beim ersten Schuss direkt vor Rose positioniert. Er sah wie James blutend am Boden lag und wollte am liebsten zu ihm stürmen, doch seine Priorität lag klar bei Rose, die er um nichts auf der Welt noch einmal verlieren wollte. Sie klammerte sich an ihn, wollte nicht, dass ihm etwas passierte und er fühlte sich wie im siebten Himmel. Nichts konnte ihm das jetzt mehr wegnehmen. Er war bereit Rose mit seinem Leben zu verteidigen. Und dann war es plötzlich vorbei. Ein violetter Blitz sprang auf einmal von Himmel, traf John Blotts und riss ihn zu Boden. Sein ganzer Körper war mit Fesseln umschlingt. Fassungslos sahen sie alle zum Himmel hoch und sahen Roxanne, die vergnügt auf dem Dach lag und ihnen zuwinkte, als gäbe es nichts selbstverständlicheres, als auf einem Dach zu liegen und Bösewichte von dort aus zu erledigen. Scorpius musste lachen und mit einem Mal waren sie umringt von den Erwachsenen, die aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht waren. Er fand sich in den Armen seines Vaters wieder, der – auch wenn er sie verstohlen wegwischte – Tränen in den Augen hatte. Er konnte es selbst nicht fassen. Nach so vielen Monaten der Qual war es vorbei. Er löste sich aus den Armen seines Vaters, drehte sich zu Rose um, denn für niemand anders hatte er im Moment Zeit. Sie sah ihn nicht an, sondern sah hinüber zu ihren Eltern, die genauso unsicher zu ihr herübersahen. Scorpius griff nach ihrer Hand und lächelte sie an. Rose sah ihn an und er konnte all ihre Gedanken auf ihrem Gesicht ausgebreitet lesen. Das liebte er an ihr. Er gab ihr einen schnellen Kuss. „Keine Sorge. Es ist vorbei. Wir sind zusammen. Du schaffst das“, versicherte er ihr, als er sie hinüber zu ihren Eltern begleitete. Rose krallte sich in seinen Arm fest und er konnte spüren, wie sie versuchte sich mit ihrem Körper hinter seinen zu verstecken, doch dann waren sie schon bei Mr. Ron Weasley und seiner Frau Hermine angelangt. Ihm wurde klar, dass er gerade auch offiziell den Eltern seiner Freundin gegenüber trat. Deswegen blieb er abrupt stehen, als ihm bewusst wurde, dass er Rose gerade vor den Augen seines eigenen Vaters geküsst hatte. Dieser Gedanke war so abstrus, dass er fast lachen musste. Monatelang hatte er sich keinen Kopf um die Meinung seines Vaters gemacht, dass ihn dieser Gedanke völlig überraschte. Doch er konnte jetzt nicht darüber nachdenken, was sein Vater dachte oder was Roses Eltern von ihm hielten. Er musste Rose jetzt wie versprochen zur Seite stehen. „Rose, Liebling“. Ihre Mutter trat sie zuerst auf sie zu und öffnete die Arme um ihr verloren geglaubtes Kind zu umarmen. Rose trat zögerlich hinter Scorpius hervor. „Aber …“, flüsterte sie, doch ihre Mutter ließ keine Widerworte zu und zog sie in ihre Arme. Scorpius trat ein Stück zurück und beobachtete frohen Herzens wie auch Roses Vater sie in seine Arme nahm und sie an sich drückte. Er sollte ihnen einen Augenblick für sich gönnen, dachte Scorpius und sah sich nach James um. Der wurde gerade von einer Menschenmenge abgeschirmt. Alle schienen ihn zeitgleich heilen zu wollen. Er musste grinsen, wusste er doch, dass James diese Form von Aufmerksamkeit liebte. Er sah Lorcan aus dem Hotel kommen und ein völlig zerstörtes Schachbrett vor sich halten. Die Figuren hatte er zerbrochen. Wenn das nicht Beweis genug dafür war, dass sie gewonnen hatten, wusste er auch nicht, was Beweis genug sein sollte. Doch dann kam Rose auf ihn zu gerannt, fiel ihm in die Armen und küsste ihn stürmisch. Leise lächelte Scorpius unter Roses Küssen. Das war Beweis genug, dass sie das Schicksal bezwungen hatten. Epilog: Epilogue ---------------- Mit einem lauten Knall sprang Roxannes Tür auf und Dominique hüpfte in das Krankenzimmer ihrer Cousine im St. Mungos Hospital. Roxanne streckte ihr die Zunge heraus, als sie sich vom Schreck erholt hatte und erkannte, dass es niemand anders war. Manchmal stiegen in ihr die Erinnerungen auf an die Nacht, in der Liam sie geholt und sie stundenlang gefoltert hatte, doch jetzt in diesem Moment wollte sie nichts davon wissen, sondern nur in das strahlende Gesicht ihrer verrückten besten Freundin sehen. „Heute ist es endlich soweit. Wie fühlst du dich? Bist du bereit es der großen Welt wieder zu zeigen?“ Vergnügt setzte sich Dominique an ihr Bett und sah sie erwartungsvoll an. Roxanne konnte ihre eigene Aufregung kaum unterdrücken. Sie war schon den ganzen Vormittag hippelig gewesen und mit der Ankunft von Dominique konnte sie nicht mehr an sich halten und quietschte laut auf. „So was von bereit. Wann kommt der Arzt endlich?!“, gab sie grinsend zurück. „Keine Sorge. Ich hab natürlich bevor ich hierher gekommen bin jeden Arzt auf dieser Station abgeklappert und allen Bescheid gesagt, dass du jetzt bereit bist für deinen großen Moment!“ „Du meinst wohl mit jedem Arzt auf dieser Station geflirtet“, erwiderte Roxanne mit einem noch größeren Grinsen, das Dominique nur schelmisch zurückgab. Roxannes Blick heftete sich auf die Tür. Sie hatte lange genug gewartet. Wenn der Arzt nicht in den nächsten zehn Sekunden durch diese Tür kam, würde sie ihm Feuer unterm Hintern machen. Glück für den Arzt, dass er bei neun hereinkam und sie freundlich anlächelte. „Wie ich höre sind sie bereit?“, begrüßte er Roxanne. Sie mochte diesen älteren Herrn. Er hatte vom ersten Augenblick alles daran gesetzt ihre Füße wiederherzustellen und jetzt Monate später schienen die ewiglangen Heilzauberprozeduren Geschichte. Sie durfte zum erstem Mal aufstehen (nicht, dass sie es schon klammheimlich mehrfach probiert hatte) und würde hoffentlich endlich wieder gehen können. Der Arzt entfernte die letzten Verbände und Roxanne war begeistert, weil ihre Füße endlich wieder wie Füße aussahen. Dominique griff nach ihren Händen und gemeinsam wagten sie den ersten (offiziellen) zaghaften Versuch. Sie wankte und ihre Beine zitterten wie Espenlaub, weil sie das Gewicht eines Körpers gar nicht mehr gewöhnt waren, doch ihr gelang mehrere Schritte bevor sie fast umfiel. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Jetzt hatte sie nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern genauso viele Narben als Beweis für ihre Geschichte. Dominique verdrehte die Augen und lachte als sie Roxannes glückseliges Gesicht sah. Das hier war ein guter Tag. Der beste Tag seit langem. ~~~ Dominique übte mit Roxanne Gehen für den Rest des Tages. Irgendwann fielen sie erschöpft auf Roxannes Bett und lagen Schulter an Schulter, während sie in ihren Erinnerungen kramten und über all die schöne vergangene Zeit sprachen. Sie hatten schon soviel zusammen erlebt, dass sie gar nicht mehr aus dem In-Erinnerung-schwelgen herauskamen. „Weißt du noch als Hugo Rose immer damit aufzog, dass sie ihren Kopf verloren hätte?“, sagte Roxanne gedankenverloren und biss sich im nächsten Augenblick auf die Lippe. Sie warf Dominique einen entschuldigenden Blick zu. Es war immer noch schwer über die Toten zu sprechen. Von einer Sekunde zu anderen war die Fröhlichkeit und Unbeschwertheit aus ihnen heraus entwichen wie Luft aus einem Ballon. Dominique dachte an all die Menschen, die sie verloren hatten. „Wir sollten nicht traurig sein und verstummen, sondern in ihre Erinnerungen im Herzen behalten und jedem davon erzählen, ob er es hören will oder nicht“, entschied sie für sich laut. „Weißt du noch als James und Fred alle Ballons bei Mollys Geburtstagsparty mit Wasser gefüllt hatten und sie dann platzen ließen? Wir waren alle pitschnass!“ „Und Molly war so sauer auf die beiden. Wochenlang haben sie nicht miteinander geredet.“ Roxanne lächelte zustimmend. Sie spürte bestimmt auch den Kloß im Hals, sobald sie den Namen eines Verstorbenen in den Mund nahmen. Dominique wollte nicht mehr daran denken, dass der gut aussehende Bibliothekar für all das verantwortlich gewesen war. Sie wollte nur das Gute sehen, wie etwa, das sie endlich etwas gefunden hatte, in dem sie wirklich gut war. Zum ersten Mal konnte sie sich eine Zukunft vorstellen. Sie wusste noch nicht genau was sie machen würde, aber irgendetwas mit Büchern und Rätseln schien ihr genau richtig. Sie wollte nicht an die vielen Opfer denken, sondern daran, wie viele überlebt hatten und jetzt genau wie sie eine Zukunft haben konnten. Und sie wollte keinen der Verstorbenen vergessen. So lagen Roxanne und Dominique noch stundenlang im Krankenhausbett und versuchte mit den alten Geschichten die Narben der jüngsten Geschehnisse zu verdrängen. Sie schluckten jeden Kloß runter und erzählte sich von ihren Familienmitgliedern, als wären alle von ihnen noch gesund und munter. Keiner von ihnen wollte sich mit dem Grauen beschäftigen, das sie erlebt hatten. Dominique bewunderte Roxanne für ihre Stärke, die trotz ihrer Verletzungen ihr Lachen nicht verloren hatte. Sie selbst wurde das Gefühl nicht los festzustecken, weder vor noch zurück zu können. Sie dachte an die Zukunft, wollte optimistisch bleiben und dennoch klopfte die Vergangenheit mit lautem Pochen an ihre innere Tür. Sie fürchtete sich davor aufzumachen und all diese Erlebnisse noch einmal zu durchleben. Für jetzt wollte sie diese Tür nicht öffnen. Doch eines Tages musste sie sich mit alldem auseinandersetzen müssen. Nur nicht heute. ~~~ All die Gesichter. Immer wieder Hugo. Der anklagende Blick. Der Nebel. Die Angst. Die Macht. Das Gefühl alles zu bezwingen. Der Rausch. Hugo. Das Leben, das aus ihm floss. Sein Lächeln. Rose schoss keuchend aus einem ihrer Alpträume und fand sich in ihrem Bett wieder. Durch das Fenster sah sie wie der Tag gerade begonnen hatte und der Horizont heller wurde. Ein Blick neben ihr zeigte ihr einen eingerollten Scorpius, der im Gegensatz zu ihr schöne Träume hatte. Sie beneidete ihn für seine Sorglosigkeit und war zeitgleich unendlich dankbar dafür, dass er neben ihr lag und sie aus jedem ihrer Alpträume wieder aufweckte, wenn es ihr selbst nicht gelang daraus aufzuwachen. Er hatte eine Engelsgeduld mit ihr und wohnte freiwillig bei ihren Eltern, um bei ihr sein zu können, obwohl sein Vater davon sicher nicht begeistert war. Rose wusste, dass sie für all ihre Taten nichts besseres als Askaban verdient hätte, doch nach langem Hin und Her, hatte vor allem ihre Mutter sich für eine vorläufige Sicherheitsverwahrung ausgesprochen. Alle übrig gebliebenen schwarzen Schachfiguren wurden in ihren Elternhäusern oder an einem Ort überwacht, machten eine Therapie und lernten mit allem wieder umzugehen. Doch Rose konnte sich nicht vorstellen jemals wieder unter Menschen zu gehen. Es wussten doch alle was sie getan hatte. Sie erinnerte sich daran wie sie ihre Mutter in den Sommerferien angefleht hatte sie auf eine Schule nach Frankreich zu schicken. Damals hatte sie natürlich nicht wegen Scorpius nach Hogwarts zurückkehren wollen, doch jetzt wollte sie nach Frankreich gehen, weil niemand sie dort kannte. Sie hatte diesen Wunsch noch nicht offen ausgesprochen. Scorpius würde sofort mit ihr mitkommen wollen, aber sie wollte nicht, dass er für den Rest seines Lebens sich nach ihr richten würde. Tränen stiegen in ihren Augen auf. Sie hatte Scorpius nicht verdient. Er würde das irgendwann merken und sie verlassen, weil sie so anstrengend war oder weil ihm bewusst wurde, dass sie eine Mörderin war und für immer mit diesem Stigma leben würde. Langsam schälte sie sich aus ihrer Bettdecke. Ihre nackten Füße auf dem kalten Boden ließ sie kurz erschauern bevor sie sich auf dem Weg nach unten machte. In der Küche fand sie ihren Vater vor, der wie sie nicht schlafen zu können schien. Er blickte auf und deutete auf den Platz neben ihm am Küchentisch. „Möchtest du auch einen Kaffee?“, fragte er sie, während er mit dem Löffel in seiner eigenen Tasse rumrührte. „Ich hab gerade eine Kanne voll gemacht“. Rose nahm das Angebot an und setze sich mit einer Tasse Kaffee zu ihrem Vater. Gemeinsam hingen sie einen Augenblick ihrer Gedanken nach bevor Rose den Mut zusammen nahm und ihren Vater nach seinen Erfahrungen mit traumatischen Erinnerungen fragte. Er strich ihr über den Kopf. „Ich weiß Rosie du kannst es nicht mehr hören, aber mit der Zeit wird es besser werden. Irgendwann sind es nur noch verblassende Erinnerungen. Natürlich kann ich mich nicht in dich hineinversetzen. Du hast viel schrecklichere Erfahrungen durchgemacht, aber dennoch bin ich sicher, dass du Kraft daraus schöpfen wirst. Du bist schließlich meine Tochter.“ Roses Hand zitterte und sie musste ihre Kaffeetasse wieder abstellen. Sie war so gerührt von den Worte ihres Vaters. Er nahm ihre Hand und lächelte sie weiter an. Ihr wurde das Herz schwer. „Aber was ist mit Hugo? Ich hab ihn getötet. Wie kann ich das je vergessen?“ „Ganz einfach mein Schatz. Du warst nur ein Werkzeug in der Hand eines anderen. Alles was du tun kannst ist dein Leben für Hugo mit zu leben. Das bist du ihm schuldig. Lebe und denke an ihn!“ Sie fielen sich in die Armen und Rose hatte das Gefühl endlich zuhause angekommen zu sein. ~~~ Scorpius war aufgewacht und hatte die andere Betthälfte leer vorgefunden. Seine Kehle hatte sich sofort zugeschnürt und er war aufgestanden um nachzusehen, wo Rose war. Er sah sie mit ihrem Vater in der Küche reden und erleichtert atmete er wieder aus. Er wollte ihren Moment nicht stören und so schlich er wieder nach oben. Oben angekommen wusste er nicht wirklich etwas mit sich anzufangen. Im Augenblick ging nichts wirklich voran. Auch mehrere Monate nach dem Ende der Manipulation waren nicht alle Dinge geregelt worden. Man hatte entschieden wie man mit den Kindern verfuhr, die andere getötet hatten. Man hatte allen Betroffenen die Möglichkeit für eine Therapie angeboten, doch Scorpius war nicht danach mit jemand über seine Ängste zu reden. Doch es waren noch so viele offene Fragen, um die sich noch niemand kümmerte. Der Aufbau des Bahnhofs Kings Cross war eine der wichtigsten Angelegenheiten gewesen. Genauso wie das Auslöschen der Erinnerung aller Muggel, die in der Nähe der letzten Schlacht gewesen war. Das kostete soviel Zeit, dass alle verbliebenen Ministeriumsmitglieder und zahlreiche Freiwillige daran Tag und Nacht hatten arbeiten müssen. Nun stand der Aufbau des Ministeriums im Vordergrund. Eine endgültige Lösung für Hogwarts war noch nicht gefunden worden. Die Bildung war gerade nicht im Fokus der Bemühungen, sodass Scorpius sich inzwischen einfach nur langweilte. Ihm war vorher nie bewusst gewesen wie sehr er die Schule gemocht hatte. Es hatte ihm gefallen für die Schule zu büffeln und es war ihm auch leicht gefallen. Jetzt saß er nur den ganzen Tag im Haus. Die Lust an Quidditch war ihm auch irgendwie vergangen. Das Haus der Weasleys lag zwar am Rand einer Ortschaft, in der fast nur Zauberer wohnten, aber er verspürte dennoch keine Lust auf einen Besen zu steigen. Alle seine Mitstreiter aus dem Slytherinhaus hatten auf der anderen Seite gestanden. Er war der einzige Slytherin gewesen, der eine weiße Schachfigur gewesen war. Natürlich war Albus zurückgekehrt und sie sahen sich hin und wieder, aber da war noch soviel ungesagtes zwischen ihnen und es war schwer weiterzumachen. Er kam sich ein wenig vor als hätte er seinem besten Freund die Freundin ausgespannt. Albus hatte ihm versichert, dass er das nicht so empfand und dass er sich für Rose und ihn freute, doch es würde noch einige Zeit ins Land gehen bis sie ihre Freundschaft wieder wie früher war. Er seufzte. Rose kam zurück und sah, dass er wach war. „Hab ich dich geweckt?“ Er schüttelte den Kopf und zog sie an sich heran, gab ihr einen kleinen Kuss und lächelte sie an. Sie lächelte zurück und kuschelte sich an ihn. Er war okay, solange sie bei ihm war. Alles würde wieder gut werden. Das Leben ging schließlich weiter. ~~~ Alice besuchte jeden Tag Louis. Es war zu ihrem Ritual geworden. Sie war sich sicher, dass ihr Freund sich darüber freute, aber meistens war er nur geistesabwesend in sich versunken und hörte gar nicht was sie ihm erzählte. Dennoch gab sie nicht auf, denn irgendwo tief in ihm drin war immer noch der Louis, der sich um sie gekümmert hatte, als ihr Herz wegen Albus gebrochen war. Sie würde nie vergessen, dass er nach ihr gesehen hatte und versucht hatte sie von ihrem Kummer abzulenken. Dank Fate hatte sie in all der Zeit auch nie wieder an Albus gedacht und jetzt kam es ihr wie eine dumme Schwärmerei vor. Es lag für sie so weit zurück, obwohl noch kein ganzes Jahr seitdem vergangen war. „Ich weiß gar nicht mehr was ich an Albus fand, weißt du?“, eröffnete sie Louis bei einem ihrer Besuche. „Er ist so naiv und lässt sich leicht beeinflussen. Ich brauche jemanden, der Stärke zeigt und der mich in meinen schwachen Momenten unterstützt.“ Louis sah aus dem Fenster und schien wie immer nichts mitbekommen zu haben. Alice seufzte und fuhr mit ihrem Monolog fort. „Ich glaube wäre Fate nicht gewesen, hätte ich soviel anders gemacht. Ich hätte nie gewusst, wozu ich eigentlich fähig bin und was mir wichtig ist.“ Sie ließ ihre Gedanken schweifen und stellte sich ihr Leben vor ohne diesen brutalen Einschnitt. Sie hätte sich vielleicht Rose irgendwann anvertraut und sie hätten sich ausgesprochen. Dazu war es bis heute noch nicht gekommen, weil Rose sie immer noch mied und ihr nicht in die Augen sehen konnte. Sie hoffte, dass sie eines Tages miteinander reden konnte. Es tat weh ihre beiden besten Freunde verloren zu haben. Rose und Louis sprachen beide nicht mehr mit ihr und sie fühlte sich alleingelassen mit all ihren Gedanken. Wahrscheinlich kam sie deswegen jeden Tag zu Louis. Aber sie wollte nicht in dunkle Gedanken versinken. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Weißt du Louis ich glaube in einer anderen Welt hätten wir gut zueinander gepasst. Ich glaube ich hätte mich in dich verliebt, weil du mir geholfen hast über Albus hinwegzukommen.“ Alice beugte sich vor und gab Louis einen Kuss auf die Wange, den er nicht einmal wahrnehmen zu schien. „Danke für alles“, flüsterte sie ihm ins Ohr bevor sie aufstand und ging. Morgen würde sie wieder kommen und jeden Tag danach, solange bis Louis sie wieder ansah und mit ihr sprach. Und auch Rose würde sie nicht aufgeben. Sie war stark. Sie hatte die Kraft für alle da zu sein und sie zurück ins Licht zu führen, dessen war sie sich sicher. ~~~ Albus streifte ziellos durch die Gänge des Hauses. Er kam in die Küche, drehte aber wieder um, weil er keinen Hunger hatte. Er ging in den Garten, doch ihm war nicht danach sich auf die Terrasse zu setzen oder Quidditch zu spielen. Er wanderte die Treppe hoch und öffnete die Tür zu seinem Zimmer, doch er hatte keine Lust auf seinem Bett Comics zu lesen. Er öffnete stattdessen die Tür neben seiner und trat vorsichtig in Lilys Zimmer ein. Es sah noch genauso aus wie im letzten Sommer. So unaufgeräumt und chaotisch konnte nur seine Schwester ihr Zimmer hinterlassen. Albus stieg über die verschiedenen Stapel aus Büchern, Comics, Spielzeug und Scherzartikeln, um sich einen Weg zum Bett zu bahnen. Dort ließ er sich sinken. Seine Augen wanderten durch das Zimmer und registrierten jedes Detail. Tränen stiegen ihm in die Augen, weil er sah wie Lily durch dieses Zimmer schritt und wahllos Dinge aus ihrem Regal herausgriff, um sie dann hinter sich auf den Boden zu werfen, weil es nicht das war, was sie suchte, obwohl sie nicht einmal wusste, was sie suchte. Er würde sie danach fragen und sie würde nur laut lachen, mit der Schulter zucken und weiter Dinge herausnehmen und auf den Boden werfen. Ihre Mutter würde hereinkommen und mit Lily über ihre Unordnung schimpfen. Lily würde wieder lachen und darauf verweisen, dass Genies ihr Chaos brauchten, um richtig kreativ zu sein. Sie wäre nämlich dabei sich einen neuen Scherz auszudenken und sie musste davon unbedingt Onkel George berichten. Stunden später fand sein Vater Albus im Zimmer seiner Schwester. Er hatte sich zusammengerollt und war vom vielen Weinen erschöpft eingeschlafen. Sein Vater setzte sich zu ihm aufs Bett und ließ wie Albus seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Mit tränenerstickter Stimme sagte er: „Ich kann auch immer noch nicht glauben, dass sie fort ist. Es erscheint so unwirklich. Ich glaube manchmal immer noch daran sie zu hören wie sie lacht oder wie durch das Haus rennt und dann wird mir plötzlich klar, dass sie nicht mehr da ist.“ „Das Haus ist so still geworden“, pflichtete Albus seinem Vater bei. Er hatte das Gefühl, dass mit Lily alle Fröhlichkeit und jeder Spaß aus dem Haus entwichen war. Sein Vater zog ihn in eine Umarmung und Albus war froh ihn bei sich zu haben. Schon oft hatten sie zusammen gesessen und über die vergangenen Ereignisse gesprochen. Vorher hatte Albus nie wirklich verstanden, wie sein Vater sich gefühlt haben musste nach allem was er durch gemacht hatte. Immer nur hatte er gehört was für ein Held sein Vater gewesen war. Der Auserwählte, der den dunklen Lord besiegt hatte. Jetzt konnten sie das erste Mal einander wirklich gut verstehen, Sie sprachen über die Dunkelheit, die Albus in seinem Herzen gefühlt hatte. Die Menschen, die er getötet hatte. Sie sprachen über eine mögliche Zukunft. Aber sie kehrten immer wieder zurück zu den Menschen, die sie verloren hatten und vor allem zu Lily, die ein Loch in ihre Herzen gerissen hatte. Nie würde diese Lücke in ihren Herzen wieder geschlossen werden können. „Albus, du hast Besuch!“, rief seine Mutter von unten und Albus löste sich widerwillig aus der Umarmung seines Vaters, verließ mit demselben Widerwillen das Zimmer seiner Schwester und ging die Treppe hinunter. Dort erwartete ihn mit einem strahlenden Lächeln Claire Parkinson und für eine Sekunde dachte Albus daran, dass die Welt vielleicht um eine Person ärmer war, aber es immer noch so viele andere Menschen in seinem Leben gab, die für ihn da waren. ~~~ Molly traf heute zum ersten Mal Adams Familie. Sie kannte die Woods natürlich schon vom Sehen, aber es war etwas ganz anderes ihnen heute offiziell vorgestellt zu werden. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Adam sie noch auf dem Schlachtfeld nach einem Date gefragt hatte. Sie war ihm in die Armen gefallen, als ihr klar geworden war, dass sie den Puppenspieler besiegt hatte und alles zu Ende war. Er hatte ihre Umarmung stürmisch erwidert, sie dann ganz verschmitzt angesehen und sie gefragt, ob sie sich vorstellen könnte mit ihm einmal Essen zu gehen. Sie war rot angelaufen und hatte zu James hinüber gesehen, der sich für sie riesig gefreut hatte und ihr verstehen zu geben hatte, dass sie sich diese Chance nicht entgehen lassen sollte. Molly hatte mit Adam ein wunderschönes erstes Date. Er gab sich alle Mühe sie all die Sorgen und den Kummer vergessen zu lassen. Er kochte sogar für sie, obwohl das Ergebnis nicht perfekt gewesen war. Dennoch war es der perfekte Abend gewesen, dem noch viele weitere Abende folgten. Dominique zog Molly damit auf, dass natürlich nur sie, die nie daran interessiert gewesen jemand zu finden, mit einem Freund aus einer Schlacht zurückkehren konnte. Molly konnte es selbst nicht glauben, dass ihr dieses Glück vergönnt gewesen war. Manchmal überfiel sie aber das Schuldgefühl. Es kroch leise in sie hinein und lähmte sie völlig. Warum sollte sie dieses Glück verdient haben? Es hätte Fred gehören sollen. Er hätte sein Traum verwirklichen sollen. Er wäre ein wunderbarer Zaubereiminister geworden. Doch ihm war nichts davon vergönnt gewesen. Wenn sie die Zweifel über ihr Glück überkamen, mussten sie sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen und sich selbst sagen, dass sie weiterleben musste, damit die Menschen in ihrem Herzen auch weiterleben konnte. Sie hatte sich dagegen entschieden eine Stelle im Ministerium anzunehmen, denn – obwohl händeringend neue Mitarbeiter gesucht wurden – kam ihr ohne Fred die Arbeit dort nicht mehr verlockend vor. Stattdessen hatte sie sich entschieden Lehrerin zu werden. Sie wollte nach Hogwarts zurückkehren und für die verlorenen Seelen da sein, damit nie wieder jemand der Dunkelheit verfiel und daraus nicht mehr zurückkehrte. Annie öffnete ihr die Tür und grinste ihr verschwörerisch zu. „Adam ist völlig aus dem Häuschen und meine Eltern freuen sich auch auf dich“, flüsterte sie ihr zu, als sie ihr den Weg ins Esszimmer zeigte. „Aber keine Sorge. Ich habe davon geträumt. Der Abend wird ein voller Erfolg werden.“ Molly lächelte erleichtert und auch Annie schien froh darüber zu sein wieder fröhliche Träume zu haben. Dann kam Adam auf sie zu, riss sie von den Füßen und küsste sie stürmisch. Dieses Mal schlich sich kein Schuldgefühl ein. Molly war einfach nur glücklich. ~~~ Lorcan nutzte die viele freie Zeit, die er nun hatte, damit seine Erlebnisse bei den schwarzen Figuren aufzuschreiben. Er notierte auf endlos vielen Seiten jede einzelne seiner Beobachtungen. Er musste einfach alles niederschreiben. Vorher würde er keine Ruhe finden. Seine Mutter hatte am Anfang besorgt die Stirn gerunzelt, ihn aber dann in Frieden gelassen und ihm sein Essen vor die Tür gestellt. Sie zwang ihm kein Gespräch auf, sondern ließ ihn einfach machen. Sein Vater hatte darüber nur den Kopf geschüttelt, es einmal mit einem Gespräch versucht und sich dann wieder seinen eigenen Forschungen gewidmet. Lorcan dagegen konnte kaum die Feder absetzen und innehalten. Meist wachte er plötzlich an seinem Schreibtisch wieder auf nachdem ihn der Schlaf übermannt hatte. Die Feder hatte er dabei immer noch fest umklammert in der Hand. Er schrieb und schrieb in der Hoffnung, dass er irgendwo, irgendwann, irgendwie verstehen würde, warum sein Bruder nicht mehr da war. Doch trotz all seiner Notizen konnte er immer noch nicht verstehen, warum seine andere Hälfte nicht mehr bei ihm war. Er hatte Dominique in einem Brief nach den Notizen seines Bruders gefragt und eines Tages kam eine Eule und brachte ihm das Gefragte, doch auch mit den Notizen seines Bruders konnte Lorcan immer noch nicht verstehen. Er wollte vielleicht auch gar nicht verstehen. Sein Herz klammerte sich an der Hoffnung, dass sein Bruder plötzlich vor der Tür stehen würde und ihm erklären würde, dass das alles von Anfang an sein Plan gewesen war. Hoffnung war etwas, das nicht zu ihm passte. Es war nicht wissenschaftlich, es war unlogisch. Und doch sprang sein Herz wie wild als es an der Tür klingelte und seine Mutter ihn zum ersten Mal seit Wochen rief. Doch es war nicht Lysander, der im Flur auf ihn wartete, sondern James Potter. Lorcan konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal mit dem ältesten Potter-Spross gesprochen hatte. Es mussten Jahre sein. Er verstand im ersten Augenblick nicht einmal, warum James ausgerechnet ihn besuchen sollte. Generell hatte niemand ihn besucht oder nach ihm gefragt seit er wieder zuhause war. Ihm war sein Leben noch nie so einsam vorgekommen. Ihm war nie bewusst gewesen, dass er gar keine Freunde gehabt hatte. Schließlich hatte er immer zu Lysander gehen können, wenn er mit jemand reden wollte. Manchmal noch mit Roxanne, aber sonst hatte er sich so gut wie nie mit jemand unterhalten. Er wusste nicht einmal warum er überhaupt in der Quidditchmannschaft gewesen war, wenn er nicht mal ein Teamplayer war. Doch aus seinem Team würde niemand zu ihm kommen und als Letztes hätte er mit dem gegnerischen Teamkapitän gerechnet. Und dann fiel ihm siedendheiß ein, warum James hier war. Auf einmal fragte er sich warum der Potter erst jetzt aufgetaucht war. Dieses Gespräch war längst überfällig. ~~~ Lorcan lud James ein mit auf sein Zimmer zu kommen, wo sich der Potter völlig fehlplaziert vorkam. Sein Zimmer war gefüllt mit Quidditchfanartikeln. Das von Lorcan dagegen mit Büchern, seltsamen Apparaturen und gefühlt Millionen Pergamentrollen, die eng beschrieben war. James hatte das Bedürfnis eine der Pergamentrollen aufzuheben, doch er wollte nicht unhöflich sein. Er fühlte sich eh völlig unwohl in seiner Haut und doch wusste er, dass er dieses Gespräch schon viel zu lange aufgeschoben hatte und er es hinter sich bringen musste, um nach vorne zu sehen. „Du bist hier, weil ich derjenige bin, der deine Schwester getötet hat, nicht wahr?“ Lorcan fiel direkt mit der Tür ins Haus und ließ James gar keine Zeit darüber nachzudenken wie er dieses Gespräch anfangen sollte. James nickte erstmal nur und suchte für einen Moment die passende Worte um auszudrücken, warum er hierher gekommen war. Hätte er Lorcan noch am selben Tag getroffen, so hätte er ihn wie Fred vermöbelt. Alles aus ihm rausgeprügelt. Doch seitdem war viel Zeit vergangen und er hatte selbst Liam getötet. Nun war sein Zorn auf Lorcan verraucht und alles was er hervorbrachte war: „Erzähl mir bitte wie sie gestorben ist.“ Lorcan zögerte sichtlich und schien sich ebenso unwohl zu fühlen. „Sie ist mir gefolgt als ich mich mit Lysander getroffen habe. Ich wusste, dass der Puppenspieler es so gewollt hatte, aber ich unternahm nichts dagegen. Ich war einfach nur neugierig, was als nächstes kommen würde“, er zuckte hilflos mit den Schultern, „Dann als Lysander gehen wollte, hat Lily ihn getötet. Sie stand nur da und hat gelacht. Ihn mir ist etwas zerrissen in diesem Augenblick und ich hab sie getötet. Sie war erschrocken als sie meine Attacke sah und dann war es vorbei. Ihr Todesfluch, den sie mir noch entgegen geschleudert hatte, konnte ich nur dank des Portschlüssels meines Bruders entkommen.“ James sah, dass Lorcan mit sich selbst kämpfte. Hatte er selbst nicht Liam im Zorn über den Verlust seines besten Freundes getötet? Er verstand Lorcan auf einmal besser als er gedacht hätte. „Danke“, sagte er schlicht. „Ich bin dir nicht böse. Im Gegenteil ich glaube ich weiß genau was du durchmachst.“ Er reichte Lorcan die Hand und dieser schlug zögerlich ein. „Das Schlimmste ist es nicht verstehen zu können“, gab Lorcan zum ersten Mal zu. „Ich möchte es verstehen, aber ich begreife nichts davon. Wie konnte irgendetwas davon geschehen? Wie konnten wir nur so dumm sein uns so manipulieren zu lassen? Ich begreife es einfach nicht.“ James nickte. Auch er hatte viele Nächte wach gelegen und immer wieder versucht zu verstehen, wie es soweit hätte kommen können, doch es blieb ein unerklärtes Mysterium für ihn. „Ich wünschte sie hätten uns einfach für unsere Taten bestraft“, erwiderte er. „Ich fühle mich so viel mehr schrecklich, weil ich einfach weiterlebe als wäre nichts gewesen. Als gäbe es keine Zäsur, als wäre nichts passiert.“ Am liebsten hätte er sich selbst in Askaban eingebuchtet. Er hätte es verdient. Es kam ihm vor, als würde niemand wirklich die Realität der Geschehnisse anerkennen, denn das würde bedeuten, dass etwas so Unerklärliches passiert gewesen wäre. Das Leben ging einfach weiter und James wurde auch nach seinem Gespräch mit Lorcan das Gefühl nicht los, dass er einfach kein Teil mehr von diesem Leben war. So als hätte nur er die Pausetaste gedrückt und war ausgestiegen und der Rest war ohne ihn auf der Achterbahn des Lebens weitergefahren. Er fühlte sich völlig verlassen und allein mit seiner Reue, die ihn auf immer weiter quälen würde. ~~~ Er bedauerte es sehr, dass er Askaban in seinen Plänen nie mit einbezogen hatte. Vom ersten Blick auf das Gefängnis war es ihm verhasst. Hier waren seine Eltern in ihren Zellen verrottet und nun war er auch hier gelandet. Der Prozess war kurz und schmerzlos gewesen. Er hatte alles gestanden und das Zaubergamont hatte ihn zu einer lebensgefährlichen Haftstrafe verurteilt. Sein einziges Vergnügen war es gewesen jede Gräueltat, die die Kinder in seinen Auftrag begannen hatte, in jedem noch so schaudrigen, ekligen, abstossend Detail zu beschreiben und sich an den Anblick der Eltern zu ergötzen, die die Hände vor den Mund schlugen, ihre Augen entsetzt aufrissen und in Tränen ausbrachen, als sie hörte, was ihre Kinder alles getan hatten. Das hatte er wahrlich genossen. Seitdem hatte er nichts mehr zu lachen gehabt und tagein, tagaus in seiner Zelle vegetiert und gewartet. Und dann kam endlich der Moment. „Besuch für dich!“, rief der missmutige Wächter und an seine Zelle trat ein junger Mann. Er verzog das Gesicht zu einem gehässigen Grinsen und kam ganz dicht an die Zellenstäbe heran, damit der Wächter, der aus der Ferne sie beobachtet, ihr Gespräch nicht hören würde. „Wurde aber auch Zeit“, zischte er seinem Gegenüber zu. „Ich habe dich schon erwartet.“ Im Gegenüber stand Paul Hyde, doch er ließ sich von dem Äußeren nicht täuschen. Er hatte es gewusst seit dem Augenblick, als er seine Schachfigur vom Feld hätte nehmen wollen und sie sich nicht vom Brett hätte lösen wollen. „Du musst dir den letzten Rest Vielsaft-Trank für diesen Augenblick aufgehoben haben, nicht wahr, Lysander Scamander?“ Er lachte leise in sich hinein, als er den leicht überraschten Blick seines Gegenübers sah. „Dachtest du wirklich du könntest mich hinter das Licht führen? Ich bin schließlich das Schicksal und das Schicksal kann man nicht einfach so austricksen. Du hast das Spiel manipuliert und Paul Hyde an deiner Stelle geschickt, nicht wahr? Das ist auch der Grund, warum du nicht zu deiner Familie zurückgekehrt bist. Du hast als einziger willentlich gehandelt und den Tod eines Menschen in Kauf genommen, der nur ein einfacher weißer Bauer gewesen ist. Du hast wahrscheinlich auch noch einen unverzeihlichen Fluch verwendet, den Imperius-Fluch, nicht wahr? Ich wette Hyde konnte sich gegen sein Schicksal nicht einmal wehren und musste tatenlos zusehen, was mit ihm geschah.“ Er sah wie jedes Wort wie ein Messer in sein Gegenüber schnitt, der den verträumten Ausdruck in seinem Gesicht längst verloren hatte. Er näherte sich nun ebenfalls den Zellenstäbe und zischte kalt zurück: „Alles nur um dich zu stoppen. Ich wusste du würdest es nicht zulassen, dass ich dir auf die Schliche kam, also hab ich gegen dich interveniert und mit Erfolg wie ich behaupten würde. Auf der weißen Seite wurde keine einzige Figur mehr verloren und du wurdest geschlagen.“ Er lachte noch lauter auf und sah wie der Wächter kurz zu ihnen herübersah. „Glaubst du das wirklich kleiner Lysander? Das du durch deinen Trick mich bezwungen hast? Vielleicht habe ich nicht mein endgültiges Ziel erreicht, aber ich habe mehr als genug Schaden angerichtet. Also zu welchem Preis hast du mich aufgehalten? Du hast dich selbst verloren und alle deine kleinen Freunde werden für den Rest ihres Lebens leiden. Ich würde sagen ich habe gewonnen!“ Im nächsten Augenblick spürte er eine Hand, die sich um seine Kehle legte. Sein Lachen erstickte und er schnappte nach Luft. Doch er würde sich diesen Moment nicht nehmen lassen. Mit einem letzten Grinsen hauchte er noch ein letztes Wort über seine Lippen: „Schachmatt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)