Die sieben Stätten von Nalahime (Die Chroniken Teerens) ================================================================================ Kapitel 4: Lange Wege --------------------- „Eure Hoheit! Eure Hoheit, wacht auf!“ Kaero schreckte hoch. Blinzelnd blickte er sich um. „Was? Wo ist Linusia?“ „Linusia? Prinz, sagt mir jetzt nicht, ihr hattet eine heimliche Liebe im Schloss.“ „Was? Wovon redest du Lerko? Nichts dergleichen. Sie war nur...“ „Was war sie?“ „In meinem Traum. Eine Kris´Teeren aus der Stadt Kondatima.“ „Kris´Teeren? Habt ihr vielleicht zu viel Historie gelesen, eure Hoheit?“ Kaero grummelte vor sich hin. „Nein, das habe ich nicht! Schönen Dank auch, Lerko! Ich kann auch nichts dafür, wenn dieser Traum so real erschien!“ „Oder die Teeren ein klein wenig zu schön um wahr zu sein“, meinte Lerko schmunzelnd. Kaero errötete. „Ich sagte doch, dass dem nicht so ist!“ „Was seid ihr heute morgen aber gut gelaunt, mein Prinz.“ „Quinza... Ich bin nicht schlecht gelaunt. Lerko scherzt nur mit mir herum und deswegen bin ich etwas erregter als sonst. Das ist alles.“ „Aha. Dann könnt ihr ja jetzt aufstehen und eurem Unbehagen auf der Weiterreise Luft verschaffen.“ „Kann Lerko denn weiterreisen?“ „Die Heilerin sagte, dass es kein Problem sein dürfte.“ „Ich verstehe. Wo ist sie eigentlich? Ich konnte mich gar nicht richtig bedanken.“ „Sie ist schon sehr früh wieder abgereist und das in ziemlicher Hektik. Sie sagte etwas davon, dass jemand dringend ihre Hilfe bräuchte.“ „Ist dem so? Das kann man wohl nicht ändern. Also gut, machen wir uns bereit.“ „Bevor ich es vergesse. Sie meinte, ich solle euch dies hier geben.“ Quinza streckte eine Hand aus und Kaero nahm es schweigend entgegen. „Eine Kette mit einem Blattanhänger? Wozu dies?“ „Sie meinte es würde euch vielleicht einmal nützen. Fragt mich nicht wofür.“ Kaero nickte nur und legte sie sich um. Sie fühlte sich seltsam lebendig an auf seiner Haut. „Lasst uns gehen. Wir haben noch einen weiten Weg bis Kalisamdo vor uns.“ *** Angestrengt ging Narima weiter. Nie hätte sie geglaubt, dass sie so etwas einmal erleben würde. Ihr Schritt schlurfte erschöpft und sie fiel hin. Mühsam versuchte sie wieder aufzustehen, was leichter klang als es war, wenn man einen schwer verletzten, jungen Mann auf seinem Rücken hatte. So vorsichtig wie möglich schob sie Haolon von sich und lehnte ihn an einen nahe gelegenen Baum an. Laut seufzte sie auf und befühlte seine Stirn. Sein Fieber schien nur schlimmer zu werden und seine Verletzungen bluteten auch schon wieder, sodass die Verbände, die Narima aus ihrem Kleidungsstück gefertigt hatte, durch und durch getränkt von Blut waren. Was sollte sie nur tun? Sie schleppte Haolon nun fast zwei Tage durch die Gegend, um jemanden zu finden, der ihr helfen könnte, aber es grenzte wirklich schon an ein Wunder, dass Haolon bis jetzt überlebt hatte. Nachdenklich betrachtete sie den Anhänger, der um seinem Hals hing. Er stellte einen grünäugigen Löwen dar, welcher hinter einem Schild und Schwert stand. War es wirklich dieser Anhänger gewesen, der ihn gerettet hatte? Von wem er den wohl bekommen hatte? Schaudernd erinnerte sie sich daran, was nach ihrer Flucht geschehen war. Sie rannte so schnell sie konnte und stolperte und strauchelte durch den kleinen Wald, als sie plötzlich ein warmes Licht hinter sich erblickte und wieder zurück eilte. Was war das? War das nicht die Stelle an der Haolon gewesen war? Als sie wieder auf dem Platz ankam, blickte sie sich verwundert um. Die Mirks, die gerade noch hier gewesen waren, waren verschwunden. Schnell rannte sie zu dem am Boden liegenden Haolon und drehte ihn um, da er auf dem Bauch lag. Narima hielt sich die Hand vor das Gesicht und hätte am liebsten angefangen zu weinen. Er sah furchtbar aus. Aufgerissene Fleischwunden und Bisswunden, tiefe Schnitte und er war so furchtbar blass. Dann fiel ihr Blick auf die Kette, welche ihr vorher nie aufgefallen war. Sie schien zu leuchten und gab einem ein wohliges Gefühl. Dasselbe Leuchten, das sie gesehen hatte... Und nun saßen sie hier im Nirgendwo. Narima schüttelte den Kopf und blickte sich um. Gab es nicht irgendwo etwas Wasser? Und schon hatte sie einen kleinen Bach entdeckt, der nicht allzu weit von ihnen seine Bahn durch die Erde zog. Sie ging hinüber und schöpfte etwas Wasser heraus und trank es durstig. Nachdem sie ihren Durst gelöscht hatte, riss sie einen Fetzen von ihrem übrig gebliebenen Rock und tauchte ihn ins kalte Wasser. Damit ging sie zurück zu Haolon und öffnete seinen Mund leicht. Danach wrang sie den Fetzen über seinem Mund aus und träufelte somit das Wasser hinein. Diesen Vorgang wiederholte sie mehrfach und nahm noch einen zweiten Fetzen und legte ihn auf seine Stirn. Erschöpft setzte sie sich und schloss die Augen. Was nun? Laut rumorend meldete sich ihr Magen. Sie würde ja nur zu gerne etwas zu essen beschaffen, aber sie hatte absolut keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Müde legte sie sich neben Haolon und schloss die Augen. Selbst wenn sie nur für ein paar Minuten schlafen konnte, war es doch immer noch besser, als überhaupt nicht zu schlafen. Frierend machte sie sich so klein wie möglich und verfiel dann auch recht schnell in tiefen Schlaf... *** Erschrocken fuhr Narima aus dem Schlaf. Wie lange hatte sie geschlafen? Und warum war ihr so angenehm warm? Irritiert sah sie sich um und sah Haolon neben sich liegen, komplett verarztet und ruhig schlafend in Decken gehüllt. Dann blickte sie zur Seite und sah ein Feuer, an dem jemand saß. Der Figur nach zu schließen eine Frau mit weißen Haaren, welche in einer Steckfrisur zusammengehalten wurden. Sie kochte offensichtlich Suppe und probierte gerade etwas von der Flüssigkeit, die sie da zubereitete. Danach drehte sie sich etwas um und lächelte Narima herzlich an. „Wie geht es dir, meine Kleine? Besser?“ Stumm nickte Narima nur und blickte die Frau an, als wäre sie Gott persönlich, der sie gerettet hatte. Die Frau schüttete etwas Suppe in eine Holzschale und reichte sie ihr. „Hier, du hast sicher großen Hunger. Diese Suppe wird dich wieder zu Kräften kommen lassen.“ Dankend nahm Narima die Schüssel entgegen und fing an zu essen, oder besser gesagt zu trinken. Die Suppe verbreitete sich wohlig warm in ihrem Körper und schmeckte wirklich sehr gut. An ihrer Schüssel nippend, beobachtete sie die fremde Frau, während diese dabei war Haolons Verbände zu wechseln. Sie tat dies recht schnell und geschickt und schien daran gewöhnt zu sein derlei Tätigkeiten auszuführen. „Verzeiht, aber seid ihr eine Heilerin, werte Dame?“ Die Frau blickte auf und nickte. „Ja, das bin ich. Mein Name ist Ti´In Da`Ura, meine Kleine.“ „Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir! Mein Name ist Narima und mein Gefährte hier heißt Haolon. Danke für eure Hilfe, Ti´In Da´Ura.“ „Ach was! Es ist doch schließlich mein Beruf zu helfen.“ Narima lächelte und nickte. Egal was ihr Bruder jetzt auch sagen würde, aber irgendwie konnte sie nicht anders als dieser Frau zu vertrauen. „Ähm. Wenn ich fragen dürfte: Was macht ihr denn so weit im Nirgendwo?“ „Nun, ich war auf dem Weg zum Schloss Teeren, aber wie es scheint bin ich wohl zu spät.“ Narima nickte stumm und blickte betrübt zu Boden. „Es hat sich also schon herum gesprochen?“ „Gerüchte reisen schneller als der Wind sie tragen kann, ja.“ Grübelnd wie es schien blickte die Fremde sie an. „Ist etwas, Madame Ti´In Da´Ura?“ „Ach, nein nein! Ich habe nur über etwas nachgedacht. Aber sag mir doch einmal, wo du hin wolltest. Das ist schließlich schon eine gewaltige Strecke, von hier bis zum Schloss.“ „Ich hatte eigentlich kein bestimmtes Ziel vor Augen. Ich wollte bloß Haolon helfen.“ „Ich verstehe... Jetzt ist ihm ja geholfen. Was hast du also nun vor?“ „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht so genau...“ Ti´In Da´Ura lächelte breit. „Dann komm doch einfach mit mir. Ich könnte dir sogar etwas über die Heilkunst beibringen, wenn du möchtest.“ „Heilkunst!? Mir?“ „Warum denn nicht? Du würdest jedenfalls nicht mehr in solchen Situationen stecken wie jetzt.“ „Ja, schon, aber ich weiß nicht, ob ich wirklich dafür geeignet bin... Ich meine, ich hatte schon immer Interesse an der Heilkunst, aber...“ „Dann spricht auch nichts dagegen, dass du es jetzt lernst.“ Narima hatte leuchtende Augen. Sie hatte schon immer Heilerin werden wollen, durfte es aber nie lernen, da sie ja andere Pflichten als Prinzessin hatte. Aufgeregt drehte sie die mittlerweile leere Schüssel in ihren Händen. „Ich könnte wirklich... Oh! Aber ich muss zuerst meinen Bruder finden!“ „Ich glaube wenn du mit mir kommst, wirst du ihm schon begegnen.“ „Hm. Na ja, er reist durch ganz Teeren, also wäre das wohl möglich und wo er sich gerade aufhält weiß ich ja auch nicht.“ „Also ist es jetzt beschlossene Sache. Du bist ab jetzt meine Schülerin, Narima.“ „Einverstanden! Oh, aber ich hoffe Haolon ist auch damit einverstanden.“ „Der hat da erst gar kein Mitspracherecht.“ „Das hat er wohl! Haolon ist nur so zugerichtet worden wegen mir! Er hat mich schließlich beschützt!“ Ti´In Da´Ura lächelte. „Du musst dich ja nicht gleich aufregen, meine Kleine. Ich meinte damit nur, dass es schließlich deine Entscheidung ist.“ „Oh, Verzeihung!“ Die Weißhaarige schüttelte den Kopf. „Ist schon gut. Wie wäre es, wenn du dich jetzt noch ein wenig ausruhen würdest? Wir werden dann morgen weiter sehen.“ *** Haolon drehte sich auf die Seite und zuckte zusammen, wobei ihm ein kleiner Schmerzensschrei entfuhr und er sich langsam und blinzelnd aufsetzte. War er denn nicht gestorben? Wieso also saß er hier im Nirgendwo und verspürte Schmerzen? Dann wurde sein Blick klarer und er erblickte die Prinzessin die, wie er nun bemerkte, neben ihm lag und seine Hand festhielt. Danach bemerkte er eine zweite Person und stutzte. Wer war diese Frau? Er hörte wie Narima langsam aufwachte und blickte zu ihr hinunter. „Guten Morgen, Narima.“ Die Prinzessin hörte sofort damit auf ihre Augen zu reiben und blickte schockiert zu ihm hoch oder wohl doch eher überrascht, wenn er es sich recht überlegte. „Haolon... Wie geht es dir?“ Sie hatte sich nun aufgesetzt, seine Hand aber immer noch nicht los gelassen, als würde er wieder ohnmächtig werden, wenn sie losließe. „Mir geht es gut, denke ich. Mein Körper schmerzt nur ein bisschen, aber ich glaube es könnte schlimmer sein. Wie geht es dir? Wurdest du bei dem Angriff verletzt?“ „Nein... Nein, wurde ich nicht und mir geht es gut. Jetzt wenigstens.“ „Narima...?“ Narima saß da und lächelte, aber es liefen leise und offenbar ohne das es ihr bewusst war, Tränen über das Gesicht. „Narima... Ich... also...“ Dann bemerkte sie ihre Tränen und wischte sie schnell weg, was jedoch nicht viel half, weil direkt neue erschienen und ihr Gesicht zum Glänzen brachten. „Es tut mir leid. Ich bin nur so erleichtert.“ Ohne wirklich zu denken, nahm Haolon sie in den Arm und drückte sie sanft an sich. „Tut mir leid, Narima. Ich versuche dir nicht mehr so viel Kummer zu bereiten.“ Sie nickte stumm an seiner Brust und drückte sich etwas von ihm fort, um ihm ins Gesicht zu blicken. „Schon in Ordnung. Versuch nur nächstes Mal nicht so verletzt zu werden. Versprochen?“ Haolon lächelte sanft und nickte. „Versprochen.“ Er wischte ihr mit dem Daumen die restlichen Tränen vom Gesicht... „Hrm hrm! Ich unterbreche ja nur ungern diese romantische Szene, aber ich glaube ihr solltet den Ort für so etwas sorgfältiger wählen.“ Beide schreckten zusammen und drehten ihre Köpfe in Richtung der Frau. Peinlich berührt und errötet lösten die beiden sich voneinander und blickten betreten zu Boden. „Ähm. Verzeihung... Ach so! Haolon! Das hier ist die Heilerin Ti´In Da´Ura. Sie hat dich verarztet und mir sehr geholfen.“ Haolon nickte und bedankte sich bei der Heilerin für ihre Hilfe. „Also. Was willst du jetzt tun, Narima?“ „Ich wollte mit Ti´In Da´Ura reisen. Sie hat mir angeboten mich in der Heilkunst auszubilden und während wir reisen, werden wir auch sicherlich auf meinen Bruder treffen.“ „Hm. In welche Richtung gedenkt ihr zu reisen, werte Dame?“ „Ich wollte nach Prikolani, dort einen Zwischenstopp einlegen und weiter nach Amaritalis, der Stadt der Heiler.“ „Ich glaube, das geht in Ordnung. Ich bin mir sicher, dass wir dann auf deinen Bruder treffen, Narima.“ „Toll! Wann fange ich an zu lernen, Ti´In Da´Ura?“ „Nicht so hastig, meine Kleine. Wie wäre es, wenn wir erst einmal frühstücken würden?“ *** Lerko fühlte sich grauenhaft. Sie waren jetzt schon zwei Tage nach ihrem Aufbruch vom Gasthof unterwegs und er hatte sich immer noch nicht an längere Ritte gewöhnt. „Verzeiht, Hoheit, aber wie lange war es noch gleich bis Kalisamdo?“ „Ungefähr drei bis vier Tage. Warum, Lerko? Bedrückt dich etwas?“ „Nein, nein. Es ist nichts. Ich wollte nur noch einmal nachfragen.“ „Wenn du es sagst.“ Lerko seufzte. Seine Wunden waren alle nur noch blaue Flecken. Wieso also musste er so wehleidig sein? Der Prinz trainierte schließlich jeden Tag hart mit Quinza und er wusste, dass er überall Prellungen und Schürfwunden hatte. Wieso war er selbst also so erbärmlich? „Quinza?“ „Was gibt es Lerko?“ „Wieso bin ich nur so ein Jammerlappen?“ „Was meinst du?“ „Nun ja, andauernd beschwere ich mich über meine kleinen Wehwehchen vom Reiten, während der Prinz offensichtliche Wunden seiner schweren Arbeit trägt und nicht einen Laut von sich gibt!“ „Ist das nicht normal? Ich meine ihr seid ein Alchemist der weder viel gereist ist, noch Kämpfe bestritten hat. Seine Hoheit ist zwar auch nicht großartig herumgekommen, aber wie ich hörte, hat er jeden Tag das Reiten und die Schwertkunst trainiert. Außerdem hat er auch gegen sehr kampferfahrene Soldaten gekämpft, wenn ich mich nicht irre. Es ist vollkommen normal, das ihr verweichlicht seid, im Gegensatz zu seiner Hoheit.“ „Danke, Quinza. Das hat mich jetzt wirklich aufgeheitert...“ „Oh! Verzeih mir, Lerko. Ich meinte das nicht so.“ „Schon gut. Ich glaube, nach diesem Trip werde ich definitiv abgehärteter sein.“ „Das will ich doch schwer annehmen.“ „Ja, aber... Eure Hoheit? Ist etwas passiert?“ Während Quinza und Lerko sich unterhalten hatten, war Kaero stehen geblieben und blickte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung Sonnenuntergang. Die untergehende Sonne hatte die Umgebung in ein blutrot getaucht, was der Ebene auf der sie ritten einen unheimlichen Hauch verpasste. „Seht ihr auch etwas an diesem Baum hängen?“ „Ja, aber ist das nicht vermutlich einfach nur irgendein Verbrecher der aufgehängt wurde?“ „Ich weiß nicht, aber da bewegt sich noch etwas anderes. Dort am Fuß des Baumes, aber wegen dem vielen Rot erkenne ich nicht viel.“ „Ich halte das jedenfalls für nichtig. So was sieht man doch in den besten Königreichen. Lasst uns weiter reiten.“ „Nein... Ich habe da ein ganz komisches Gefühl. Ich werde nachsehen gehen.“ Und mit dem frei geben seiner Zügel ritt er los. Quinza und Lerko hinter sich. Als sie sich näherten bemerkte Kaero wie einige Personen, wie er jetzt erkennen konnte, sich schleunigst auf ihre Pferde setzten und sich davon machten. Sie hatten sie wohl bemerkt und wollten nicht erwischt werden bei dem, was sie getan hatten. Kaero war nun an dem Baum angekommen und sprang von seinem Pferd. Schockiert blickte er an dem Baum hoch. Quinza stieg gerade von ihrem Pferd. „Ich habe doch gesagt, dass es nur ein Verbrecher ist.“ „Wohl kaum, Quinza. Das ist ein Elb, wenn ich nicht ganz falsch liege.“ „Wie bitte?“ Verwundert blickte Quinza nach oben. Tatsächlich hing dort kein Mensch, wie sie angenommen hatte, sondern ein schlanker, schöner Elb mit langem Haar, welches die Farbe von Blättern besaß. Vorne am Ansatz waren einige Strähnen violett gefärbt, seine Haut war hell und rein und seine Kleidung eine leichte Rüstung in Flieder und Weiß. Ein Seil war mehrfach um seinen Körper gewickelt worden, ebenso um seinen Hals. Am Fuß des Baumes lag ein zerbrochener, weißer Bogen. Dann bemerkte Quinza Kaero, der bereits den Baum hinauf geklettert war, um den Elben zu befreien. „Quinza, Lerko! Fangt ihn auf, wenn ich das Seil durch geschnitten habe. Er lebt noch, vielleicht können wir ihn noch retten!“ Gesagt, getan. Der Elb hustete mehrfach blieb jedoch immer noch bewusstlos. Nachdem sie seine Knoten gelöst hatten und ihm ein vernünftiges Nachtlager bereitet hatten, atmete ihr unerwarteter Gast schon wesentlich ruhiger. „Was macht denn nur ein Elb hier? Ich dachte, die würden sich nie sehr weit von ihrer Stadt entfernen?“ „Gute Frage, Lerko. Aber was noch wichtiger ist: Wieso sollte er hier erhängt werden? Quinza, was meinst du?“ „Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich denke, wir werden wohl warten müssen, bis er aufwacht.“ *** „Chidali! Beeile dich! Gib seiner Majestät Bescheid. Wir dürfen nicht zulassen das dieses Scheusal frei kommt! Schnell, bevor nicht nur wir ihnen ausgeliefert sind, sondern ganz Teeren!“ Diese allzu bekannte Stimme hallte in seinen Gedanken wieder und obwohl er wusste, dass er träumte, merkte er wie er sich anspannte und versuchte von dort zu entkommen wo er war. Plötzlich spürte er Hände an seinem Körper und sah die Gesichter von den Rotgewandeten. Sie hielten ihn fest und versuchten ihn zu töten, ihn daran zu hindern seinen Auftrag auszuführen. Dann wickelten sie ihn in ein Seil und banden ein anderes um seinen Hals. Danach wurde er auf ein Pferd geworfen und bewusstlos geschlagen. Wieso also spürte er immer noch ihre Hände? Verzweifelt wehrte er sich... „Wacht dieser Elb denn niemals auf?! Verdammt nochmal, wie kann man so tief weggetreten sein?!“ „Beruhige dich Quinza! Er hat nun einmal Fieberträume!“ „Ist mir doch egal!“ Er öffnete überrascht seine Augen. Diese Stimmen erkannte er nicht und sie schienen nicht von seinen Angreifern zu sein. Mit einem etwas verschwommenen Blick sah er sich um und konnte drei Personen ausfindig machen. Das eine schien eine Frau zu sein, die anderen beiden waren Männer. „Oh, seht er ist aufgewacht!“ Chidali blinzelte noch zwei Mal und setzte sich auf, hielt sich dann jedoch den schmerzenden Kopf und wunden Hals. „Wie geht es euch? Ihr habt einen ganzen Tag geschlafen und habt immer noch Fieber. Wollt ihr vielleicht etwas Suppe zu euch nehmen?“ Er blickte den jungen Mann an, der ihn angesprochen hatte und war erstaunt. Sein Blick traf tiefe, grüne Augen, eine seltene Farbe in Teeren, zumindest unter Menschen. Chidali nickte nur, da er merkte, dass er kaum in der Lage war zu sprechen, wenn er nicht seinen Hals befeuchten würde. Man reichte ihm eine Holzschüssel und er trank langsam. Nachdem er fertig war stellte er die Schüssel ab und begann zu sprechen. „Vielen Dank für eure Hilfe. Ich dachte schon, ich wäre hinüber. Mein Name ist Chidali und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Mein Name ist Kaero, dies dort ist Quinza und der Dritte in unserem Bunde heißt Lerko. Schön euch kennen zu lernen, Chidali.“ „Ganz meinerseits.“ „Wenn ich wohl so frei sein dürfte und zum Punkt komme: Wieso ward ihr an diesem Baum auf gehangen?“ „Ehrlich gesagt, wundere ich mich selbst darüber. Ich dachte nicht, dass sie mich aufhängen würden. Eher das sie mich sofort töten würden.“ „Sie?“ „Rotgewandete Schurken.“ „Rot?! Wisst ihr zufällig wie sie sich selbst genannt haben?“ „Hm...“ „Vielleicht Werbagen?“ „Ganz genau! Woher wisst ihr das?“ „Wir sind ihnen schon früher begegnet. Sie sind die Anbeter eines alten Magiers, diese Verrückten.“ Chidali wurde bleich im Gesicht. „Richtig, der Magier! Ich muss nach Schloss Teeren und zwar sofort!“ *** Der Elb stand schnell auf und wäre beinahe umgefallen, wenn Kaero ihn nicht gestützt hätte. „Ihr geht erst einmal nirgendwo hin. Ihr seid noch viel zu erschöpft.“ „Aber ich muss dort hin! Es ist wichtig!“ Kaero sah die beiden anderen an und zwang Chidali mit sanfter Gewalt zurück auf den Boden. „Ihr solltet euch jetzt erst einmal beruhigen und dann hört mir bitte zu.“ „Was ist denn? Wieso seid ihr auf einmal so angespannt?“ „Ihr wollt zum Schloss, richtig?“ Chidali nickte. „Das wäre allerdings reine Zeitverschwendung. Das Schloss ist vor einigen Tagen abgebrannt. Dort ist nicht ein Stein mehr auf dem Anderen.“ „Aber der König...!“ „Der König ist tot!“ Kaero überlief ein Schauder. Er hatte es bis jetzt halb verdrängt, aber gerade hatte er es offen zugegeben. Die Realität die er nicht haben wollte: Sein Vater war tot. Kaero steckte ein Klos im Hals und er schluckte schwer. „Was? Wie konnte das passieren?! Das kann nicht wahr sein! Was machen wir denn jetzt nur?! Oh, ihr Elemente!“ „Was wolltet ihr denn von seiner Majestät?“ „Ich muss ihm eine Nachricht überbringen, aber mehr kann ich euch nicht erzählen.“ Kaero blickte zu Boden. So wie Chidali reagierte war die Nachricht äußerst wichtig. Quinza tippte ihm an die Schulter. Er blickte auf. „Ich glaube wir können es ihm ruhig sagen, Kaero.“ „Ich glaube kaum, dass er das glauben würde.“ „Möglich. Vielleicht wird er es aber glauben.“ Kaero seufzte und nickte dann jedoch zustimmend. „Chidali, hört mir bitte zu. Ich weiß, dass sich das, was ich jetzt sagen werde unter den gegebenen Umständen unglaubwürdig anhört, aber ich bin der Sohn des Königs.“ Der Elb zog eine Braue nach oben und sah ihn an, als hätte man ihm gerade einen Oliphanten vorgesetzt, der reden kann. „Ich weiß. Wie kann der Prinz hier sein, wenn der König tot ist, aber bitte glaubt mir!“ „Nein, das kann ich einfach nicht.“ Kaero seufzte. Dann kam ihm allerdings eine Idee. „Sagt Chidali, die Führerin von euch Elben, ich glaube Aria war ihr Name, kann sie wirklich in die Seele und Vergangenheit von Geschöpfen sehen?“ „Ja, das ist richtig.“ „Sehr gut! Würdet ihr uns dann nach Kalisamdo begleiten? Wir wollten sowieso dorthin.“ Für einen Moment dachte der Elb nach, nickte dann aber und erwiderte: „Einverstanden. Ich glaube nicht, dass ihr gelogen habt, als ihr sagtet das der König gestorben sei, deswegen werde ich euch begleiten. Ich möchte schließlich wissen ob ihr gelogen habt, oder nicht. Wenn nicht, möchte ich mich schon einmal im Voraus entschuldigen.“ „Hervorragend! Dann sollten wir morgen aufbrechen, wenn nichts dagegen spricht.“ „Absolut nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)