Percy Jackson und die Erbinnen der göttlichen Magie von Taja ================================================================================ Prolog: -------- Liebe Sterbliche, die ihr dies lest: Ich habe beim Fluss Styx geschworen, dass alles was in diesem Buch erzählt wird, pure Erfindung ist. Es gibt keinen zwölf Jahre alten Jungen Perseus „Percy“ Jackson. Die griechischen Gottheiten sind einfach nur alte Mythen. Und selbstverständlich zeugen sie im einundzwanzigsten Jahrhundert keine Kinder mit Sterblichen. Es gibt keinen Ort wie Half-Blood Hill, ein Sommercamp für Demigottheiten auf dem östlichen Long Island. Percy ist niemals einem Satyr oder einer Tochter der Athene begegnet. Und ganz bestimmt haben sie sich nicht zusammen auf den Weg quer durch die USA gemacht, um einen schrecklichen Krieg zwischen den Göttern zu verhindern. Nachdem dies gesagt ist, muss ich euch dringend bitten, euch gut zu überlegen, ob ihr dieses Buch lesen wollt. Wenn ihr beim Lesen spüren solltet, dass sich in euch etwas bewegt , wenn euch der Verdacht kommt, dass diese Geschichte etwas aus eurem eigenen Leben beschreiben könnte- dann hört sofort mit dem Lesen auf. Für die Folgen trage ich keinerlei Verantwortung. Mögen die Gottheiten des Olymps (die es nicht gibt!) über euch wachen. Als ich vor einiger Zeit dieses Schreiben von Chiron im ersten Band von Percy Jackson las, machte ich mir nichts daraus. Ich hielt es einfach nur für eine sehr gelungene Einleitung zu einem ziemlich coolen und lustigen Buch. Außerdem sah ich nicht wirklich Ähnlichkeiten meines Lebens mit dem der abenteuergebeutelten Halbblüter. Ich konnte ziemlich gut Lesen und wenn nicht, dann lag das eher an meinen ziemlich schlechten Augen, als an einer angeborenen Legasthenie. Und Monster hatten mich bisher auch noch nicht verfolgt. Naja, meinem Mathelehrer aus der sechsten Klasse konnte man diesen Titel durchaus unterstellen, aber ansonsten war mein Leben nicht gerade auffällig. Und auch als meine beste Freundin ihren Roman „Die Erbinnen der göttlichen Magie“ schrieb und mich und andere ihrer Freundinnen als Vorbild für ihre Hauptfiguren, allesamt ebenso Kinder der griechischen Gottheiten, nahm, schöpfte ich noch keinerlei Verdacht. Doch wenn ich gewusst hätte, dass wir TATSÄCHLICH Kinder dieser Götter waren, hätte ich wohl beide Bücher ein wenig genauer durchgelesen... Kapitel 1: Ich habe göttliches Glück ------------------------------------ Grover starrte mich an. „Nur drei Worte. Er hat gesagt: Ich brauche dich!“... Es war einer dieser Tage, an dem man früh aufsteht und weiß, dass er genauso ablaufen wird, wie jeder andere Tag auch. Nur, dass man sich manchmal ziemlich damit verschätzt. Seufzend klappte ich den Buchdeckel des dritten Bandes von „Percy Jackson“ zu. Schon wieder zu ende, dabei hatte ich doch vorgestern erst mit Lesen angefangen. Doch diese Story war einfach zu gut geschrieben und lustig, als dass man sie einfach mal wieder weglegen konnte. Nun war ich also schon fertig und konnte das Buch nur wieder in meinem Rucksack stecken, um es später meiner Freundin wiederzugeben, von der ich es ausgeborgt hatte. Aber es passte gerade ganz gut, denn ich musste sowieso aussteigen. Ich hatte einige Besorgungen in der Stadt gemacht und erreichte nun gerade meine Zielhaltestelle. Als ich ausstieg, schien mir die Maisonne entgegen. Sie war noch nicht besonders kräftig, aber zumindest waren die eisigen Monate zuvor im wahrsten Sinne des Wortes Schnee von gestern. Es hatte angefangen zu grünen, sodass die Tristesse des Winters endlich aus der Stadt verschwand. Naja zu mindest weitgehend, denn an der grauen Fassade meines Hochhauses änderte auch der schönste Frühling nichts. Ich hatte mir irgendwann mal gesagt, ich will nie in einem Hochhaus in einer Großstadt wohnen... und wo wohne ich jetzt? In einem Hochhaus einer Großstadt. So spielte halt das Leben. Aber Dresden war noch eine Großstadt, die nicht so groß war, dass ich Panik bekommen hätte. Von meiner Wohnung im 10. Stock aus, konnte ich sie zumindest noch ganz gut überblicken. Es macht sich zwar nicht so günstig, wenn man Höhenangst hat und so weit oben wohnt, aber solange ich nur geradeaus aus dem Fenster sehe, geht es. Zu eben diesem war ich an diesem völlig belanglosen Tag, der gar nicht so belanglos werden sollte, unterwegs. Als ich den Hausflur betrat, kramte ich meinen Schlüssel heraus, starrte in einen leeren Briefkasten und machte mich dann daran die Zwischentüre aufzuschließen. Dabei fiel mein Blick auf eine Gestalt in einem blauen Anzug, auf dessen Rücken ein stilisierter Flügel angebracht war, die sich mit der Klingelanlage abmühte. Nein, der Hermes-Kurier, wie ich den Typ mittleren Alters identifizierte, war nicht zu blöd nur ne Klingel zu drücken, die Klingelanlage dieses Hauses ist wirklich total bescheuert, vor allem, weil man vergessen hatte eine verständliche Anleitung daneben zu hängen. Kein Wunder also, dass ihm die Verzweiflung geradezu ins Gesicht gemeißelt war. Da ich Mitleid mit dem armen Mann, der von einer Klingel an der Ausführung seiner Arbeit behindert wurde, hatte, ließ ich ihn mit rein. Normalerweise sollte man das nicht machen, weil Fremde nichts im Haus zu suchen hatten, aber da er mir nicht so aussah, als wolle er gleich eine Einbruchsserie hinlegen ließ ich ihn mit rein. Ok, gut, wenn der Versanddienst sich schon nach dem Gott benannte, der unter anderem der Schutzbefohlende der Diebe war, konnte man das nie wissen, aber wenn, dann wäre wohl auch die Eingangstür kein Hindernis für ihn gewesen. Also stieg ich mit dem hoffentlich harmlosen Mann in den Fahrstuhl. Da er nicht die Anstalten machte zu Drücken, musste er wohl in den selben Stock wie ich. Während der Fahrt, die mal wieder ziemlich lange dauerte, weil irgend so ein Depp bei fast jedem Stockwerk gedrückt hatte und der Fahrstuhl natürlich anhielt, obwohl gar niemand einstieg, musterte ich den Typen kurz unauffällig. Nicht, dass ich das sonst auch machen würde, also fremde Typen mustern meine ich, aber die Leute vom Hermesversand erinnerten mich halt immer an den Gott mit den Flügellatschen und irgendwie versuchte ich unbewusst immer festzustellen, ob die Kuriere nicht vielleicht doch irgendwas mit dem griechischen Namensvetter zu tun hatten. Allerdings war das meiste seines Gesichts unter einem zur Uniform dazugehörigen Cappi verschwunden und so konnte ich nur anhand eines leichten Lächelns darauf schließen, dass er eventuell charmant war. Eigentlich war es ja auch egal, aber was macht man sich nicht alles für Gedanken, während der Fahrstuhl scheinbar endlos lahm den 10. Stock erklimmt. Als endlich die 8 auf dem Display erschien und ich mich schon zum Herausstürzen bereit machte, fiel mein Blick zufällig auf den Umschlag, den der Postbote unter dem Arm klemmen hatte und sah... meinen Namen. „Oh der ist ja für mich.“ Ich konnte nicht umhin meinem Erstaunen laut Ausdruck zu verleihen. Ich erwartete keine Briefe, schon gar keine so dicken. „Sie sind Tina Domnowsky?“ Er schaute mich fragend an, woraufhin ich nur nickte. Ich wollte schon meinen Ausweis rausholen, doch da erreichte der Fahrstuhl endlich meine Etage und fast zeitgleich drückte mir der Hermes-Typ den Umschlag in die Hand. Da die Türen nicht lange offen blieben und ich keine Lust hatte als Sandwich zu enden, trat ich schnell in den Flur. „Wo muss ich...“, ‚unterschreiben’ wollte ich eigentlich sagen, doch als ich mich umwandt, schlossen sich die Türen bereits wieder und der Kurier war verschwunden. Ein wenig verdattert stand ich noch da und schaute auf die silbernen Türen, dann zuckte ich nur mit den Schultern und ging zu meiner Wohnung. Wenn er nicht warten konnte, hatte er halt Pech. Ich würde ja deswegen keinen Ärger bekommen, hoffte ich zumindest. Aber der Inhalt des Umschlags der schwer in meiner Hand lag, interessierte mich momentan sowieso mehr. Kaum, dass ich zur Tür rein, ganz automatisch aus meinen Schuhe geschlüpft war und meine Jacke an den Haken gehängt hatte, benutze ich meinen Finger als Brieföffner. Es war ziemlich gut verklebt, sodass die Spannung stieg. Es war kein Absender drauf, was mich ein wenig stutzig machte. Werbung konnte es ja nicht sein, die wäre nicht mit dem Hermes-Versand gekommen. Nun war ich echt gespannt, was ich da für Neuigkeiten bekommen hatte. Als ich dann jedoch endlich das oberste Papier rausgefischt hatte und es überflog, fiel mir der Umschlag gleich mal aus den Fingern, so überrascht war ich. Mein Herz machte Kapriolen und mein Gehirn weigerte sich erst mal, das zu fassen was da stand: Herzlichen Glückwunsch! Du hast beim großen „Percy Jackson“-Gewinnspiel den Hauptpreis gewonnen. Du fliegst mit deiner besten Freundin für eine Woche nach New York und triffst die Hauptdarsteller des Films zu einem besonderen Meet & Greet. Neben einer Stadtbesichtigung und dem Besuch des „Camp-Halfblood“ stehen euch noch einige weitere Überraschungen rund um das „Percy Jackson“ Universum bevor. Wir erwarten euch nächste Woche in New York. Auf eine göttliche Reise! Ich musste mir das Schreiben erst noch zwei mal durchlesen, bevor ich überhaupt nur annähernd realisierte, was das bedeutete. Ich hatte gewonnen! Ich hatte eine Reise nach New York gewonnen und würde die Darsteller treffen. Klar, es gab andere Schauspieler, die ich noch viel lieber getroffen hätte, aber hey, so was großes hatte ich noch nie gewonnen. Aufgeregt hüpfte ich durch meine Wohnung. Ich wusste gar nicht wohin mit der plötzlich überschäumenden Energie. Doch da bei mir selten was Gutes ohne einen Haken passierte, siegte doch erst mal das Misstrauen. Zu mal ich mich gar nicht daran erinnern konnte an so einem Gewinnspiel teilgenommen zu haben. Aber gut, das konnte auch daran liegen, dass ich an so vielen teilnahm, dass ich gar kein Überblick mehr hatte. Aber war das am Ende doch nur ein Trick von irgendeiner Abzockerfirma? In der heutigen Zeit musste man ja vorsichtig sein. Also zwang ich meinen Herzschlag wieder von der Galopprennbahn runter zu kommen, während ich den restlichen Umschlag aufhob und durchforstete. Es war ein Filmplakat und noch einige noch nicht unterschriebene Autogramkarten dabei, die mich aber nicht sonderlich von der Echtheit der Dokumente überzeugten. Die Flugtickets und die Hotelbuchungsbestätigung aus New York, die sich genau dazwischen befanden, dagegen schon mehr. Das sah ziemlich echt aus. Mal eben in New York anrufen war nicht drin, aber bei der Fluggesellschaft anzuklingen war weniger kompliziert. Ich hasste es zwar irgendwo anzurufen und mit fremden Menschen reden zu müssen, aber wenn es um meinen potenziellen Gewinn ging, vergaß ich meine Angst einfach mal. 10 Minuten später hüpfte ich bereits wieder durch meine Wohnung, denn ich hatte ohne Probleme bestätigt bekommen, dass die Flugtickets tatsächlich echt und auf meinen Namen reserviert war. Das war ja echt nicht zu glauben, dass ich solches Glück haben sollte und dennoch ließ ich langsam aber sicher zu, dass ich mich wirklich darüber freute und zwar tierisch. Und in solchen Fällen war nur noch ein nächster Schritt fällig. Ich hüpfte zum Telefon und klingelte meine beste Freundin Nicky an, damit sie mich zurückrufen konnte. Ich brauchte auch nicht lange warten, da gab mein Telefon die ersten Töne von sich. „Hi Taja, was gibt’s?“, ertönte aus dem Hörer. Nur zur Erklärung, Taja ist mein Spitzname. Aber mittlerweile kannten mich ziemlich viele unter dem Namen, da Nicky mich nur so nannte und ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt, dass ich mir manchmal auf die Zunge beißen musste, um mich nicht als Taja vorzustellen. Aber das war momentan auch nicht weiter wichtig, denn ich musste unbedingt meine Neuigkeiten loswerden. Trotzdem wollte ich es auch für sie ein wenig spannender machen. Sie hatte erst vor wenigen Tagen Geburtstag gehabt, da würde dies ein tolles nachträgliches Geschenk werden: „Hi, du sag mal, hast du Lust mit mir nach New York zu fliegen?“ Und wie sie Lust hatte. Nicky war ebenso total aus dem Häuschen gewesen wie ich. Für sie war es immerhin die erste Reise nach Jahren und da wir uns eigentlich schon seit wir uns vor 2 Jahren kennen gelernt hatten, mal vorgenommen hatten gemeinsam in den Urlaub zu fahren, waren wir mehr als hibbelig, bei der Vorstellung bald im Flieger nach New York zu sitzen. Wenn der Flug nach Japan gegangen wäre, wären wir noch aufgeregter gewesen, aber immerhin mussten wir absolut nichts bezahlen und hatten auch noch etwas Taschengeld bekommen. Spätestens als der eingelöste Check nicht platzte und ich mir mit meinen passablen Englischkenntnissen vom Hotel die Buchung bestätigen hatte lassen, waren alle Zweifel ausgeräumt, dass es sich dabei um einen wirklichen Gewinn handelte. Diese Nachricht wurde allerdings von einer Person nicht besonders gut aufgenommen: meiner Mutter. Sie war gar nicht begeistert, dass ich über den Ozean flog, das auch noch ohne sie und dann vor allem mit Nicky. Ja, ich konnte ihre schlechte Laune diesbezüglich sogar irgendwo verstehen. Erstens war auch sie schon länger nicht mehr verreist und hätte sich sicher gefreut, wenn ich sie mitgenommen hätte, aber es stand in dem Schreiben „ mit deiner besten Freundin“ und das war nun mal ohne jeden Zweifel Nicky. Zweitens machte sie eben diese Tatsache noch verrückter. Im Grunde hatte sie nichts gegen Nicky, nur durch sie hatte ich mich verändert und das war meiner Mutter so gar nicht recht. Außerdem, das musste ich zugeben, war meine liebe Freundin immer für eine Überraschung gut und meine überfürsorgliche Mutter sah sicher schon tausend Katastrophen auf ihre kleine, hilflose Tochter zukommen. Klein und hilflos wie ich mit meinen 24 Jahren eben war. Mütter. Aber ja, nach einigem Diskussionen hatte sie sich schließlich damit abgefunden, dass ich diese Reise antreten würde und zwar mit Nicky. Und so war die Woche schneller vorbei als wir gucken konnten. So richtig wussten wir nicht, was uns erwarten würde und so war das mit dem Packen ziemlich schwierig gewesen. Ich hatte mich auf jede Gelegenheit vorbereitet und somit einen etwas größeren Koffer, Nicky hatte dagegen ihr Gepäck auf ein Minimum reduziert. Nun waren wir endlich auf dem Flughafen in Dresden und konnten unser sehr unterschiedliches Gepäck abgeben. Da ich trotz vollem Koffer kein Übergewicht fabriziert hatte, verlief alles problemlos. So standen wir noch ein Weilchen mit meiner Mutter im Aufenthaltsbereich. Nicky hatte ihre Mutter nur kurz telefonisch verabschiedet, aber meine hatte sich nicht nehmen lassen, extra zum Flughafen zu kommen, obwohl sie sonst nicht gern nach Dresden fuhr. Und sie ließ es sich auch nicht nehmen, mich noch mit vielen guten Ratschlägen und Verhaltensregeln einzudecken. Während ich zu allem brav ja und Amen sagte, um meiner Mutter zumindest ein bisschen Beruhigung zu verschaffen, wenn ich fast allein in die Weite folg, konnte ich aus den Augenwinkeln heraus schon sehen wie Nicky die Augen verdrehte und zu einer sicherlich nicht grad nett formulierten Unterbrechung ansetzen wollte, als der Aufruf unseres Flugs dem ganzen mütterlichen Gluckengehabe ein Ende setzte. Ich ließ noch ein paar Umarmungen über mich ergehen, bevor ich mich dann endlich mit meiner besten Freundin aufmachen durfte meinen Gewinn anzutreten. Meine Mutter warf uns noch zahlreiche besorgte Blicke hinterher, die ich aber glattweg mal ignorierte. Wenn sie gewusst hätte, dass ihre schlimmsten Befürchtungen nicht einmal annähernd das trafen, was uns bei dieser Reise blühen würde, hätte sie mich sicher nicht ziehen lassen. Doch wir waren wir nun endlich unterwegs zum Einchecken und liefen damit praktisch direkt dem Schicksal in die Arme. Doch das konnten wir natürlich noch nicht ahnen und machten uns deshalb eher über andere, direkt vor uns liegende Ereignisse Gedanken. Wir hatten das Glück eines Direktfluges. Auch wenn das ein furchtbar langer Flug werden würde, war es mir lieber als noch paar mal umzusteigen und sich womöglich auf den großen Flughäfen zu verirren. So mussten wir einfach nur einsteigen und uns den Hintern wund sitzen, bevor wir irgendwann New York unsicher machen konnten. Doch erst einmal mussten wir ins Flugzeug gelangen. Es war nicht so sonderlich schwer die richtige Schlange zu finden, die sich bei der Sicherheitskontrolle bildete. Da es noch ziemlich früh am Morgen und keine Ferienzeit war, hielt sich der Menschenauflauf in Grenzen. Während wir uns also in die wartenden Passagiere einreihten, konnte ich einen Blick nach draußen werfen, wo bereits ein Flugzeug dicht am Terminal geparkt war, sodass man durch eine Schleuse gleich einsteigen konnte. Ich kannte mich mit Flugzeugen nicht aus, also hatte ich keine Ahnung was für ein Typ es war, aber der Stahlvogel war ziemlich groß und sah gut gepflegt aus. Besonders auffällig war der grellgelbe Blitz, der sich von hinten über die Metalllegierung zog und vorn in einen Schriftzug des Firmennamens auslief. „Thunder Airlines“... ich hatte noch nie davon gehört, aber heutzutage schossen ja ständig irgendwelche Fluggesellschaften aus dem Boden, die sich gegenseitig mit Billigflügen auszustechen versuchten. Uns sollte es egal sein, solang das Teil sicher flog. Einen stabilen Eindruck machte es jedoch schon mal und das war auch gut so, denn während wir so in der Schlange standen bemerkte ich, dass Nicky immer unruhiger wurde. So weit ich mich erinnerte, war dies ihr erster Flug oder zumindest der erste nach einer Ewigkeit, weshalb sich die nun scheinbar doch immer stärker werdende Nervosität langsam bemerkbar machte. Ich war dagegen erstaunlich gelassen, auch wenn ich ebenfalls schon eine ganze Weile nicht mehr in so einem Gefährt die Luft erobert und auch eigentlich Höhenangst hatte. Aber in Flugzeugen hielten sich die Panikattacken in Grenzen. Auch Nicky war mit Höhenangst geplagt, sodass ich dem ganzen Unterfangen nun doch mit ein wenig Besorgnis entgegen sah. Außerdem hatte ich schon seit ein paar Minuten ein ganz seltsames Gefühl, das ich nicht richtig deuten konnte. Vielleicht war ich ja doch aufgeregter als ich annahm, denn ein flaues Gefühl hatte von meiner Magengegend Besitz ergriffen und machte sich dort behaglich breit. Doch ich ließ mir nichts anmerken um meine nun leicht angespannt wirkende Freundin nicht noch weiter zu verunsichern. Also drehte ich mich zu ihr um und setzte ein möglichst zuversichtliches Lächeln auf, was aber binnen eines Sekundenbruchteils wieder von meinen Lippen verschwand, denn aus irgendeinem Grund streifte mein Blick vor dem Gesicht meiner Freundin, das der Person hinter ihr. Ich konnte selbst nicht sagen warum, aber der Anblick dieser Passagierin ließ mir eine gewaltige Gänsehaut über den ganzen Körper laufen und das nicht im angenehmen Sinn. Die Frau war in einen eleganten schwarzen Anzug gehüllt, hatte ihre langen blonden Haare in einen Pferdeschwanz gepfercht, der ebenso streng war, wie ihr scharf geschnittenes Gesicht. Das, was mich allerdings innerlich so erzittern ließ, war ihr stechender Blick, der selbst durch die getönte Sonnenbrille noch tödlich wirkte. Und mit eben diesem netten Ausdruck musterte sie ausgerechnet... mich! Nervös sah ich mich um, ob ich mir das nur einbildete und sie vielleicht nur grimmig nach draußen starrte, wo sich langsam ein paar dunkle Wolken am Himmel abzeichneten, aber so wie es aussah war ich aus irgendeinem Grund interessanter. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass ich diese Frau noch nie zuvor gesehen hatte und war mir auch keiner Schuld bewusst, mit der ich diesen herzerwärmenden Blick verdient hätte. Hatte ich sie angerempelt, mich vorgedrängelt oder war ich ihr unbewusst vor die Füße gelaufen? Aber vielleicht hatte sie auch nur extrem schlechte Laune und starrte heute jeden so an. Mir war jedenfalls überhaupt nicht wohl dabei, weshalb ich schnellstmöglich meinen Blick abwand, um die Fremde mit dem Mörderblick nicht noch mehr zu reizen. „Alles ok mit dir?“ Nicky war nicht ganz entgangen, dass ich wohl gerade etwas abgelenkt gewesen war. „Eh ja, warum auch nicht?“, gab ich verwirrt zurück. „Na weil du mich anguckst, als hättest du nen Geist gesehen und nicht weiter gehst.“, erklärte sie, während sie mich schon mehr oder weniger sanft in die Richtung der Sicherheitskontrolle schob, bei der es offensichtlich voran gegangen war. „Oh, tschuldigung, ich war wohl in Gedanken.“ Ich lächelte verlegen, obwohl mir grad nicht nach Lächeln zu Mute war. Ich konnte es nicht erklären, aber mit der komischen Tussi im Nacken fühlte ich mich immer unbehaglicher. Meine Gänsehaut wollte auch nicht nachlassen und es war schon eine Herausforderung nicht mehr nach hinten zu sehen. „Träum nicht, sondern geh endlich.“ Ich hatte schon wieder vergessen nachzurücken und so stupste mich Nicky ein weiteres mal an. Als ihre Hand meine nackte Haut am Arm berührte, fühlte ich für einen Moment ein heftiges Prickeln, das von einem kleinen Aufschrei meiner Freundin begleitet wurde. „Autsch, du bist ja heute richtig elektrisch.“ „Tut mir leid, war keine Absicht.“ Es war auch für mich sehr unangenehm gewesen und ich mochte es ebenso nicht, wenn man einen kleinen Schlag bekam, wenn man manchmal jemanden anfasst. Aber Nicky grinste nur und meinte: „Ach macht nichts, auf so was muss man halt bei dir vorbereitet sein. Du hast halt deine Kräfte immer noch nicht ganz unter Kontrolle, nicht wahr Tajalein?“ Zuerst wusste ich nicht, was sie meinte, dann wurde mir aber klar, dass sie auf ihren Roman „Die Erbinnen der göttlichen Magie“ anspielte. In einem späteren Teil kam meine Wenigkeit auch darin vor und war die Tochter des Zeus, die ihre blitzige Veranlagung oft nicht unter Kontrolle hatte. Auch wenn die Verfassung dieses Bandes noch in den Sternen stand, freute ich mich immer Teil dieser Gesichte zu sein und so machten wir oft und gerne darüber Scherze. „Ja scheint so, ist wohl heute Gewitterstimmung angesagt. Nicht grad gut zum Fliegen.“, grinste ich zurück. „Ach was, dein Papi wird dich schon nicht vom Himmel pusten.“ „Stimmt. Das wird er sich ja wohl nicht wagen.“ „Da bin ich ja richtig sicher mit dir.“ Nickys Nervosität war durch die Flachserei plötzlich wie weggeweht und auch mir hatte es geholfen den Todesblick im Nacken zumindest etwas zu verdrängen. „Ist halt doch praktisch die Tochter des Zeus zur Freundin zu haben.“, brachte ich lachend hervor. Wenn ich jedoch gewusst hätte, dass ich damit praktisch unser Todesurteil damit unterschrieb, hätte ich einfach nur meine dumme Klappe gehalten. Während mir nach dieser Äußerung theatralisch ein eiskalter Wind die Haare zu Berge stehen ließ, schien Nicky davon nichts mitzubekommen, denn sie lachte. Irritiert schaute ich mich unbewusst nach der Todesblick-Tussi um, ob der frostige Luftzug nicht ein Gruß von ihr gewesen war, doch die war plötzlich verschwunden. Das ungute Gefühl blieb trotzdem. Doch mir blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn ich hatte endlich die Sicherheitskontrolle erreicht. Automatisch stellte ich meinen Rucksack auf das Förderband zum Durchleuchten und trat selber in den Metalldetektor. Wie ich erwartet hatte piepte nichts und auch mein Rucksack benahm sich brav und durfte passieren. Während ich auf Nicky, die nun als nächstes abgesucht wurde, wartete, fing meine Nase plötzlich an zu krabbeln und sogleich folgte ein kräftige Niesen. Der Metalldetektor jaulte auf, nur um gleich darauf wieder zu verstummen. Der Beamte starrte etwas ungläubig auf den Bogen. Das hatte das Gerät anscheinend noch nicht gemacht. Um sicher zu gehen, dass es nur ein Fehler in der Elektronik war und nicht an Nicky lag, die womöglich bis auf die Zähne bewaffnet in das Flugzeug wollte, suchte der eifrige Flughafenangestellte sie noch einmal besonders gründlich ab. Doch natürlich fand er nichts und so konnten wir uns endlich daran machen, dass Flugzeug zu betreten, dass uns nach New York bringen sollte. Kapitel 2: Ich niese ein Flugzeug kaputt ---------------------------------------- Einige Stunden später saß ich in einem recht gemütlichen Sitz der Economy Class und schaute verträumt aus dem Fenster. Die Geschehnisse am Flughafen hatte ich mittlerweile wieder vergessen, da sich mein mieses Gefühl im Bauch gelegt hatte und bis auf das nicht gerade tolle Mittagessen war nichts Schlimmes passiert. Gut, beim Start war mir schon ein kleines Bisschen anders gewesen, da ich sehr lange nicht mehr geflogen war, aber bis auf ein wenig verstopfte Ohren, hatte sich das schnell wieder gelegt. Auch Nicky hatte sich inzwischen daran gewöhnt in tausenden Metern Höhe zu sein, obwohl sie beim Start verdammt blass geworden war. Aber ein bisschen Händchen halten und ablenkende Worte hatten geholfen und nun lehnte sie völlig ruhig, leicht dösend an meiner Schulter. Auch ich war ein wenig schläfrig, da wir sehr zeitig aufgestanden waren und wir uns nun schon etliche Stunden über den Wolken befanden. Ich erlaubte es mir, meine Augen kurz zu schließen, allerdings nur solange, bis eine Durchsage kam, dass wir wohl in einer Viertelstunde landen würden. Auch Nicky hatte es vernommen und räkelte sich gähnend. „Dann geh ich besser noch mal schnell aufs Klo.“ „Gut mach das, aber beeil dich, wir müssen uns sicher bald anschnallen für den Landeanflug.“, gab ich ihr noch mit auf den Weg, während mein müder Blick wieder aus dem Fenster wanderte und auf weiße Wolken und weit unten scheinbar endlosem Meer traf. Fast wäre ich wieder weggedöst, wäre da nicht plötzlich ein kalter Schauer gewesen, der unerwartet über meinen Rücken lief. Und mit ihm kam auch das ungute Gefühl zurück. Ich wusste nicht warum, aber ich war mit einen Male beunruhigt. Das Flugzeug schien jedoch völlig ruhig, ebenso wie die Passagiere, wie ich feststellte, als ich meinen suchenden Blick über die Reihen gleiten ließ. Etwas erregte dann aber doch meine Aufmerksamkeit- ein schwarzer Schatten der in Richtung Toiletten huschte. Noch ehe ich den Schrei hörte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Sofort federte ich aus meinem Sitz und rannte an den sich neugierig aus den Sitzen erhebenden Fluggästen vorbei. Auch die Stewardess, die alle zur Ruhe ermahnte, ignorierte ich einfach mal, denn soeben ertönte ein zweiter Schrei und der hörte sich ganz eindeutig nach meiner besten Freundin an. Ich hatte keine Ahnung was geschehen war, aber ich musste ihr auf jeden Fall zur Hilfe eilen. Als ich beim Bordwc angekommen war, verabschiedete sich mein Tatendrang allerdings plötzlich in den Urlaub, denn das was ich dort sah, ließ mich glatt weg mal erstarren. Am Boden lag eine, hoffentlich nur bewusstlose, Stewardess. Gut, an sich war ein Mensch der mal eben umgekippt war nicht der Anblick, den man sich täglich wünschte, aber das eigentlich schlimme daran, war der lange, grüne Schwanz, der über der hilflosen Frau hin und her zuckte. Oder nein, ich korrigiere mich, das wirklich schlimme war der Schlangenleib, der sich an den langen, schuppigen Schwanz anschloss. Als mein Blick noch höher glitt, geriet ich allerdings leicht ins Grübeln, ob nicht vielleicht doch der Reptilienkopf mit dem weit aufgerissenen Maul und den spitzen, unheilvoll glänzenden Zähnen das schlimmste Übel an dieser Gestalt war. Ich hatte ja so einiges von unserem Flug erwartet, aber keine übergroße Eidechse. Okay, Eidechsenfrau, wenn ich genauer hinschaute. Für einen Moment dachte ich noch daran, dass es vielleicht einfach nur eine normale Frau war, die sich grün geärgert hatte, weil sie zu lange hatte am Klo anstehen müssen, aber die Hoffnung schwand, als sich der Reptilienkopf nun mir zu wandte und mich aus rot glühenden, schlitzförmigen Augen mit einem todbringenden Blick bedachte, der mir doch irgendwie bekannt vorkam. Ja, ich weiß, dass ist jetzt vielleicht nicht der richtige Augenblick um große Ausschweifungen in meine Vergangenheit zu machen, aber es soll wohl noch schnell gesagt sein, dass ich schon immer ein ziemlich ruhiges und braves Mädchen gewesen war. Ich war fleißig in der Schule, ruhig und besonnen wenn es um Konflikte ging, hatte meiner Mutter eigentlich nie große Schwierigkeiten gemacht, kurz um, ich war eine Langweilerin mit einem verdammt langweiligen Leben. Doch in meiner Fantasie hatte ich mich schon immer in die wildesten Abenteuer gestürzt, war als schwertschwingende Kriegerin mutig und furchtlos in die Schlacht gezogen und hatte nie eine Herausforderung gescheut. Ich war immer der festen Überzeugung gewesen, dass es nur eine ähnlich fantastische Situation wie in meinen geliebten Büchern geben musste, um meine tief in mir schlummernde, kriegerische Seite zu wecken, damit ich auch im wahren Leben heldenhaften Taten vollbringen konnte. Doch die Wahrheit sah leider wie immer etwas anders aus. Obwohl da gerade ein mythisches Wesen, perfekt wie frisch aus einem Fantasybuch geklaut, vor mir stand, hörte meine pennende Kriegerin den verdammt laut klingelnden Wecker nicht oder stellte sich einfach mal taub und machte weiter einen auf Dornröschen. Und so kam dummerweise kein plötzlich lodernder Kampfgeist in mir auf und es drängte sich auch kein in sekundenschnelle ausgeklügelter, todsicherer Plan zur Bezwingung dieses Monsters in mein Gehirn. Ich stand einfach nur schockiert da und starrte die giftig zischende Echsenfrau an, wie ein hilflos bibberndes Kaninchen die Schlange. Die blieb dagegen nicht tatenlos. Obwohl sie mein Erscheinen wohl für einen Moment aus dem Konzept gebracht hatte, falls diese überdimensionale Echse überhaupt ein Konzept hatte, fuhr sie nun damit fort mit ihrem langen und verdammt kräftigen Schwanz gegen die Toilettentür zu hämmern. Im wahrsten Sinne des Wortes wurde mir schlagartig klar, was dieses fiese Reptil vorhatte. Da es sicher nicht einfach nur aufs Klo musste, wollte es wohl das herausholen, was sich dort drin verbarrikadiert hatte und das war dem Schrei nach zu urteilen Nicky! Während ein weiterer Schlag des Echsenanhangs bereits eine ziemliche Delle in der Tür hinterließ, wurde es hinter mir immer lauter. Die Stewardessen versuchten immer energischer die Passagiere auf ihren Sitzen zu halten, doch die „Hilfe! Terroristen!“- Rufe wurden immer lauter und versetzten das ganze Flugzeug in Panik. Ich hatte keine Ahnung, was die anderen Leute da auf dem Gang sahen, aber ich bezweifelte wirklich ganz stark, das Al Qaida neuerdings Mutanteneidechsen für ihre Attentate anheuerte. Und Waffen hatte das Vieh, bis auf den gefährlich umherzuckenden Schwanz, die scharf funkelnden Klauen und die blitzblanken Beißerchen, auch nicht, obwohl das auch eigentlich genug war. Aber vielleicht hatte ich vor Übermüdung auch nur seltsame Halluzinationen. Egal, was da nun vor mir stand, wichtig war eigentlich nur eins: es versuchte die Türe zu zertrümmern hinter der meine beste Freundin war. Keine Ahnung was ich mir in dem Moment eigentlich dachte, aber ich war plötzlich vom Drang erfasst, das Schuppentier von seinem Ziel abzulenken. „Hey, du Riesenechse! Da ist besetzt!“ Ohne, dass ich es wirklich realisierte, hielt ich auf einmal eine Kaffeekanne des Servierwagens hinter mir in der Hand, die kurz darauf mit einem heftig metallischem „Plong“ an einem Reptilienschädel landete. Ruckartig fuhr dessen Besitzerin herum und starrte mich an. ‚Ganz tolle Idee.’, gratulierte ich mir kurz darauf zu meinem treffsicheren Wurf, denn nun hatte ich das zweifelhafte Vergnügen der vollen Aufmerksamkeit der Kreatur und die war nun noch schlechter gelaunt. „Dazzz wirzzt du büzzzen!“, zischelte das Reptil und kam mit erhobenen Klauen auf mich zu. Irgendwo hinter mir ertönten erneut Schreie, aber mein Kopf war eher mit dem beschäftigt, was sich vor mir abspielte. Doch auch jetzt fiel mir immer noch kein grandioser Plan ein, wie ich dieses Monsterteil erledigen konnte. Von Panik erfasst, entfielen mir gleich mal alle Fakten zu Reptilien, die ich während meines Biologiestudiums mal hatte lernen müssen und mir eventuell hatten nützlich sein können. Meine Hand tastete stattdessen erstmal nach etwas zum Abwehren, aber außer Plastikbechern war nichts greifbar und mit denen brauchte ich es erst gar nicht versuchen, da hätte ich auch gleich Wattebällchen werfen können. Also konnte ich nur ein paar hastige Schritte zurück weichen, doch eine Wand verhinderte weitere Fluchtversuche. Aber auch so hätte ich nicht weiter gehen können, denn der kurze Anflug von Heldenmut war verpufft und meine Gliedmaßen versagten mir den Dienst, als wäre dem Kontrollzentrum plötzlich eingefallen, dass es noch ganz dringend etwas anderes Wichtiges zu erledigen hatte. Kalte Todesangst hielt mich fest umschlossen, während das Zischen immer lauter wurde und die Klaue immer näher auf mich zu geschossen kam. ‚Das war’s also. Aufgespießt von einer Mutantenechse... was für ne blöde Art zu Sterben.“, ging wir durch den vom Blut rauschenden Kopf. Eigentlich war ja jede Art zu Sterben irgendwie blöd, aber zumindest war das Vieh vielleicht für ne Weile damit abgelenkt mich zu zerfetzen und zu fressen, na gut, so viel war nun auch nicht an mir dran, dass es sonderlich lang beschäftigt sein würde, aber zumindest sodass vielleicht einige Mutige die Zeit fanden ne Waffe zu finden, mit der sie das seltsame Geschöpf erledigen konnten. Und vielleicht war dann wenigstens Nicky in Sicherheit. So stand ich also da und wartete, dass sich die blitzenden Krallen in meinen Körper bohrten. Als sie nur noch wenige Zentimeter von meiner Brust entfernt waren, passierte das so ziemlich Blödeste, was ich mir in dieser Situation vorstellen konnte – ich musste niesen. Der Niesreiz war so heftig, dass es mir automatisch die Augen zudrückte. Gleichzeitig lief ein starkes Prickeln über meine Haut. Na super! War meinem Körper echt nichts Besseres zur Verteidigung eingefallen, als niesen? Was war ich nur für eine Heldin! Ich würde zwar Sterben, aber zumindest hatte ich das Monster vorher noch mal kräftig angeniest, so nach dem Motto: „Stirb, hier kommen meine Bakterien!“ Vielleicht würde es sogar, nachdem es alle Passagiere in kleine Stücke gehackt und sich an ihnen gelabt hatte eine Woche mit Schnupfen im Bett liegen. Das würde sicher eine absolute Lektion für alle bösen Reptilienmixwesen sein, nie wieder ohne Mundschutz und Grippeschutzimpfung auf Metzeltour zu gehen. Ich konnte echt stolz auf mich sein. In die panische Angst aufgeschlitzt zu werden, mischte sich nun plötzlich auch Ärger über mich selbst, dass ich wieder mal versagt hatte. Nicht einmal meine beste Freundin konnte ich beschützen. Ich hatte es ja gar nicht anders verdient, als von diesem blöden Viech zu Schaschlik verarbeitet zu werden. Doch statt eines sinnbetäubenden Schmerzes in meinem Körper, ertönte plötzlich ein ohrenbetäubender Knall um mich herum. Als meine Augen einen Sekundenbruchteil später wieder aufgingen, erspähten sie ein klaffendes Loch in der gegenüberliegenden Wand. Ich hab ja nun wirklich echt keine Ahnung von der Physik des Fliegens und dem Flugzeugbau, aber eines wusste ich definitiv: Löcher in der Außenwand waren alles andere als gut. Sofort sackte die Maschine nach unten, eine Sirene heulte auf, Menschen schrieen wie am Spieß durcheinander, doch ich hatte andere Probleme. Ich stand nämlich genau gegenüber des neu eingebauten Extrafensters und bekam eine frische Brise zuspüren. Ich sah nur noch wie Misses Riesenechse mit aufgerissenen Augen vom Wind nach draußen geschlürft wurde, dann war auch ich an der Reihe. Ich weiß ja nicht wie viele von euch schon die Erfahrung gemacht haben in tausend Metern Höhe aus einem Flugzeug zu fallen, aber für alle die noch nicht in dieses zweifelhafte Vergnügen gekommen sind... Stellt euch einfach vor, ihr haltet eure Hand (nicht irgendwelche anderen Körperteile…) an einen ziemlich starken Staubsauger. Ziemlich unangenehm, nicht? Und nun stellt euch das Sauggefühl am ganzen Körper vor, nur dass es in diesem Fall der Megastaubsauger eines Riesen war, der mich mit einer unglaublichen Gewalt in den Staubsaugerbeutel Marke Himmel zog. Noch bevor ich wieder blinzeln konnte, fand ich mich außerhalb des Metallvogels wieder. Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen sagt man, liegen darunter verborgen... Haha, Udo Jürgens hatte echt keine Ahnung wie es sich wirklich anfühlte, mal eben durch die Wolken zu fallen. Ich machte mir schon verdammt große Sorgen, während eisige Kälte meinen Körper gerade fast schockfrostete. Und die Luft hatte anscheinend auch noch nicht entschieden wohin sie mit mir wollte, denn sie zerrte an allen Seiten am mir, wie ein Hunderudel, das sich um einen Knochen stritt, während ich mich im Sturzflug nach unten befand. Zum Glück konnte ich bei dem Sog eh die Augen nicht öffnen, denn sonst hätte mich wohl meine Höhenangst noch um den Restverstand gebracht, der gerade realisierte, dass ich wohl in nicht allzu langer Zeit wie ein reifer Kürbis auf dem Wasser des atlantischen Ozeans zermatscht werden würde. Die Haie würden sich sicherlich über die unerwartete Zwischenmahlzeit freuen. Ich hatte zwar nie gedacht, den Sinn meines Lebens im Füllen des Magens eines Raubfisches zu finden, aber hey, besser als völlig umsonst sterben. Und dann ging auf einmal alles ganz schnell. Nahe der Besinnungslosigkeit fiel ich immer weiter wie ein großer Zementklotz nach unten, bis ich auf etwas aufprallte. Ein stechender Schmerz jagte durch meinen eh schon malträtierten Körper. Nun war es also entgültig aus. Doch zu meinem Erstaunen, wurde ich nicht in unzählige Stücke zerrissen und ich war auch nicht nass. Auf was auch immer ich da geprallt war, es war anscheinend nicht die Wasseroberfläche. Automatisch griff ich zu und fühlte etwas Weiches in der Hand. ‚Hey Kleine, nicht so fest.’ Vor Schreck hätte ich fast wieder losgelassen, doch da blitzte ein wenig Überlebenswille auf, der dies verhinderte. Dennoch hatte mein Verstand ziemliche Probleme damit zu kapieren, dass das, an was ich mich da krampfhaft klammerte mit mir redete. Wäre ich irgendwo am Boden gewesen, hätte ich ja schon Fragen bekommen, aber das etwas Weiches mit der Fähigkeit zu Sprechen in der Luft rumflog war mir dann doch etwas zu suspekt. Aber ich war definitiv noch in der Luft, denn es zog wie verdammt kräftige Hechtsuppe. Nur das Fallen war abgebremst, obwohl ich durchaus noch in Bewegung war. ‚Nun kletter schon hoch, du reißt mir noch meinen prächtigen Schweif aus.’, ertönte es erneut. Dabei konnte ich noch nicht mal ausmachen, woher die unbekannte Stimme kam. Gut, wenn die Luft um einen herum eh schon pfiff wie ein ganzes Panflötenorchester, war es ohnehin schwer irgendwas an Tönen auszumachen, aber irgendwie war es seltsam. Obwohl meine Ohren so gut wie zu waren, ob es am Druck der Höhe lag, oder meine Lauscher schon abgefroren waren, konnte ich nicht sagen, hörte ich die leicht gebrochen wirkende Stimme ziemlich klar. Vielleicht bildete ich mir die Stimme ja auch nur ein. Wer wusste schon, was für Chaos grad in einem neuronalen Netzwerk herrschte. Doch ich hatte momentan andere Probleme, als mich darüber zu wundern, immerhin hing ich in einigen hundert Metern in der Luft halb schräg an irgendwas Seltsamen herum. Meine Augen hatte ich immer noch geschlossen, also wusste ich nicht wohin ich eigentlich klettern sollte, aber eh mich die Kraft in den Armen verließ, versuchte ich einfach mit dem Bein in Richtung oben zu tasten, also zumindest das, was ich also oben empfand. Denn durch das ganze Umhergewirbel war ich völlig konfus. Als ich meinen Fuß an dem scheinbar rundlichen Körper entlang schob, stieß ich plötzlich auf etwas. ‚Au, pass auf meinen Flügel auf, sonst schmieren wir auch noch ab.’ „Tschuldigung“, brachte ich keuchend hervor. Obwohl mir das Wort ‚Flügel’ einige Kopfzerbrechen bereitete, wollte ich höflich bleiben. Es war wirklich schwer mit halb erfrorenen Fingern irgendwo Halt zu finden, aber nach einer gefühlten Ewigkeit schaffte ich es irgendwie in eine aufrechte Position. Oder zumindest nahm ich das an, denn meine Augen hatte ich immer noch nicht geöffnet. Zum einen aus Angst was mich erwartete und zum Anderen, da ich durch den Wind vor lauter Tränen wohl eh nichts gesehen hätte. Und dennoch war es irgendwie seltsam. Nun da ich nicht mehr durch die Luft gewirbelt wurde, fühlte es sich gleich weniger kalt und auch nicht mehr ganz so zugig an. Das, auf was ich saß war ziemlich hart und dennoch irgendwie auch weich und warm. Während sich meine Schenkel verzweifelt um etwas Rundliches klammerten, tasteten sich meine Hände suchend nach vorn und fanden neben dem Weichen auch etwas, dass sich struppig anfühlte. Ein seltsam vertrautes Gefühl stieg in mir auf. Eine schwache Erinnerung drängte sich in mein Bewusstsein, glich die ganze Situation mit meinen früheren Erfahrungen ab und stellte fest, dass sie seltsamerweise identisch waren. Ein erschrockenes Keuchen entrann meiner Kehle. Obwohl ich nicht sah, auf was ich saß, wusste ich es plötzlich. Doch das konnte einfach nicht sein! Ich musste mich täuschen, denn das was ich vermutete war in dieser Lage viel zu unglaublich. Doch wiederum, was war schon unglaublich mit dem Hintergrund, dass ich vor vielleicht ner Minute von einer Echsenmenschmutante angegriffen, aus einem Flugzeug geschleudert worden war und anscheinend immer noch lebte? Aber vielleicht war ich auch schon tot und hatte nur auf dem Weg zum Jenseits seltsame Halluzinationen. Sicher hätte ich auch noch Stunden herumrätseln können, doch die einfachere Methode war, einfach die Augen zu öffnen. Obwohl ich befürchtete meine Augen vielleicht durch Schockfrostung zu verlieren, schaffte ich es doch kurz zu blinzeln, sodass ich einen länglichen Schemen ausmachen konnte. Als mir klar wurde, dass dieses kurze Bild genau in meine Vermutung passte, riss ich unwillkürlich und völlig unvorsichtig die Augen auf. Vor mir wurde ein länglich schmaler Hals, an dessen Ende sich ein ebenso länglicher Kopf befand, nun immer klarer in der Kontur. ‚Das kann nicht sein!’ Vor lauter Überraschung wäre ich fast zur Seite gekippt, doch ein beherzter Griff in die Mähne am Hals, bewahrte mich davor. ‚Hey, mal nicht so stürmisch Kleine.’ Der Kopf drehte sich zu mir um und entbloße ein grinsendes Gesicht, das ich nun umso schockierter anstarrte. „Du bist.... du bist…“, brachte ich stammelnd hervor. ‚Was? Muskulös? Gutaussehend? Super sexy?’ Das Grinsen wurde immer breiter. „Ein...ein... ein Pegasus!“, vollendete ich endlich meinen Satz, nachdem mein verwirrter Blick über einen Pferdekörper mit Flügeln gestreift war. ‚Ach was! Mensch, gut, dass du mir das sagst, das erklärt natürlich einiges!’ Mit gespielter Bestürzung riss das Pferd seine großen schwarzen Augen auf. „Aber...aber...wie...?“ Mir war das gerade alles zu viel. Ich hatte zwar tausend Fragen, aber meine Gedanken hatten sich zu so einem verworrenen Knäul verstrickt, dass ich einfach nichts Sinnvolles herausbrachte. ‚Naja, weißt du, das ist eine Sache der Gene. Meine Eltern waren Pegasi und mein ganzer restlicher Stammbaum auch, also war es irgendwie kein großes Wunder, dass ich auch ein Pegasus wurde.’, erklärte mein Fluguntersatz amüsiert. „Ja das ist mir klar, das meinte ich auch nicht. Ich wollte eigentlich wissen, wie es möglich ist, dass es so was wie Pegasi plötzlich gibt.“, versuchte ich meine blöde Frage besser zu erklären. ‚Was heißt hier plötzlich? Pegasi gibt es schon seit tausenden von Jahren.’ „Aber doch nur in Fantasybüchern, nicht in der Realität.“ Es hatte wohl immer noch nicht verstanden auf was ich hinaus wollte. ‚Na also ich fühl mich ziemlich real und hab das auch schon immer. Also ich weiß ja nicht, wie real du bist, aber die kräftigen Muskelpakete unter deinen Schenkeln sind keine Einbildung.’ Das war zwar nicht die Antwort, die ich erwartet hatte, aber wie es schien führte diese Diskussion zu nichts und so gab ich es einfach auf nach dem Sinn zu fragen und akzeptierte, dass ich auf einem fliegenden Pferd durch den Himmel segelte. Vorerst zumindest. Immerhin war ich hier auch nur durch ziemlich mysteriöse Umstände gelandet. Aber nun da ich erst mal in Sicherheit war, hatte ich andere Probleme. „Nicky!“, entfuhr es mir erschrocken. Durch die Landung auf einem fliegenden Gaul, war ich etwas abgelenkt gewesen, doch nun drängte sich die Sorge um meine beste Freundin, die gerade immer noch in einem durchlöcherten Flugzeug gen Ozean stürzte, wieder unaufhaltsam in meine Gedanken. ‚Die Zweite? Hat sie auch nen unfreiwilligen Freiflug gemacht?’, erkundigte sich mein pferdischer Retter. Ich wusste zwar nicht genau was er mit ‚der Zweiten’ meinte, aber das war jetzt nicht von belang: „Nein, sie ist noch im Flugzeug.“ Panik stieg in mir auf, denn auch wenn ich meinen Abflug überlebt hatte, das Flugzeug und dessen Insassen waren immer noch in Lebensgefahr und dazu zählte nun auch mal Nicky. ‚Na dann sollten wir wohl mal hinterher.’ Ohne dass ich auch nur nachfragen konnte, wie das Pegasus es meinte, bekam ich es auch schon am eigenen Leib zu spüren. Unter mir kippte der Pferdekörper nach vorn und ich schlagartig mit ihm. Ein erstickter Laut schaffte es gerade noch so aus meinem Mund bevor mir, zum Glück, die Luft erneut aus den Lungen gepresst wurde, als mein Flugtier sich im Sturzflug senkrecht nach unten bohrte. Zum Glück, weil mir sonst wohl ein Schrei entfahren wäre, der sämtliche Tiefseefische aufgeschreckt hätte. Außerdem war es gut, dass mein Mund verschlossen war, sonst hätte ich für nichts garantieren können, denn mir wurde augenblicklich kotzübel, als wir wie ein Pfeil die Wolken teilten und auf den Ozean zurasten. Hätte das Pegasus seine Flügel nicht angeklappt und mir damit einem gewissen Halt gegeben, wäre ich einfach nur wieder von seinem Rücken geweht wurden. Krampfhaft klammerte ich mich mit allen mir noch zu Verfügung stehenden Kräften an allen möglichen Stellen fest. Unter uns kam das Dunkelblau des Meeres immer näher. Wobei mir dabei nicht nur erschreckend bewusst wurde, dass wir in einem halsbrecherischen Sinkflug genau darauf zu hielten, sondern auch, dass ich trotz des tosenden Gegenwindes meine Augen immer noch offen hatte. Ich konnte mir nicht erklären, warum mir bei dem Zug nicht die Augäpfel hinten aus dem Schädel gedrückt wurden, aber ich hatte gar nicht die Zeit mich genauer mit dieser Absonderlichkeit zu befassen. Obwohl meine Höhenangst gern beim Anblick des schwindelerregenden Abstands zum Boden oder eher Wassers völlig durchgedreht wäre, hielt meine Aufmerksamkeit meinen Verstand davon ab, sofort flöten zu gehen. Der hatte nämlich einiges zu tun damit, das zu verarbeiten, was sich unter mir so abspielte. In gar nicht allzu weiter Ferne stürzte immer noch das Flugzeug, aus dem ich vor kurzem gefallen war, in einem unkontrollierten Kamikazeflug nach unten, um wohl in wenigen Augenblicken den atlantischen Ozean mit tausenden Stücken Altmetall und etwas Frischfleisch für die Haie zu verschmutzen. Die Angst um Nicky nahm mit einem Mal wieder jede Faser meines Körpers ein und ließ mich alle sonderbaren Umstände vergessen. Obwohl mein fliegender Untersatz wirklich ein Mordstempo drauf hatte und gleich den bleiern nach unten sinkenden Metallvogel einholen würde, würde es im Grunde nichts nützen, wie mir schmerzlich klar wurde. Auch wenn ich meinen Ausflug in den Himmel überraschend lebend überstanden hatte und nun auf einem mythischen Wesen saß, weder das Pegasus noch ich würden das Flugzeug aufhalten können. Die komische Insel aus „LOST“ würde sicher auch nicht gerade an der Absturzstelle wieder auftauchen, um von einem weiteren Flugzeug besprungen zu werden, und dass Superman in den nächsten Augenblicken hereinschneien würde, daran glaubte ich trotz Monsterechsen und fliegenden Pferden nun doch nicht. Verzweiflung stieg in mir hoch. Da mein persönliches Flugzeug unseren Sturzflug etwas abgebremst hatte, da wir nun in Reichweite waren, konnte ich wieder den Mund aufmachen um ihn um Rat zu fragen. Auch wenn ich bislang keine brauchbaren Antworten bekommen hatte, den Versuch war es wert. „Was sollen wir denn jetzt machen? Können wir das Flugzeug irgendwie stoppen?“, wandte ich mich hilfesuchend an das Pegasus. ‚Wir? Spinnst du? Da verlier ich doch sämtliche Federn!’ Nun schaute es tatsächlich empört. „Aber wie...“ Ich kam nicht dazu meinen von Panik begleiteten Satz zu Ende zusprechen, denn das Pferdegesicht grinste mich schon wieder an. Pferde sehen übrigens ziemlich blöd aus, wenn sie grinsen, nur um das mal festgehalten zu haben. ‚Lass den Chef mal machen.’, gab es ganz gelassen von sich. Verwirrt schaute ich mich um. War hier tatsächlich noch jemand? Vielleicht doch am Ende Superman? Aber auch wenn kein Typ im engen blauen Overall und roten Cape vorbeigeflogen kam, sah ich plötzlich etwas Auffälliges und das verwunderte mich schon. Eine Welle. Unten auf dem Ozean war eine Welle. Oh ja, Wahnsinn eine Welle auf dem Meer, einfach unglaublich, werdet ihr jetzt sagen. Aber, das war nicht einfach nur eine Welle, nein, es war eine Monsterwelle. Beim Anblick dieses Dings hätte sich wohl selbst der letzte Tsunami vor lauter Scham wieder kleinlaut zurückgezogen. Das Seltsame an der Wasserwand war allerdings, dass sie sich nicht fortbewegte. Sie stand einfach nur auf der sonst scheinbar ruhigen Wasseroberfläche da, wie bestellt und nicht abgeholt. Dahinter konnte ich drei weiße und einen schwarzen Punkt ausmachen, die sich bewegten. Was das war, konnte ich aus der immer noch bestehenden ziemlich großen Entfernung nicht erkennen. Allerdings fiel mir auf, dass sich der obere Rand der Welle veränderte und sich etwas neigte oder auch wieder steiler wurde. Ich wurde aus dem merkwürdigen Hulatanz der Wassersäule nicht schlau, zumindest bis ich mich auf meinem UFO, was in meinem Fall so viel wie unglaubliches Flugobjekt hieß, genau neben dem Flugzeug befand. Aus dieser Perspektive sah es fast so aus, als bewegte sich die Welle mit dem ziemlich unruhigen Sturzflug des Metallvogels. Es hatte fast etwas von einer Schlage und ihrem Beschwörer. Ich konnte mir das seltsame Bild zwar nicht erklären, aber vielleicht konnte die Megawelle den Aufprall des Flugzeuges ein wenig abbremsen, wenn es zuerst auf dem Wellenkamm auftraf, anstatt auf der planen Wasseroberfläche. Etwas Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht gab es doch noch eine Rettung für Nicky und die restlichen Passagiere. Klar ne Notwasserung würde es werden, aber zumindest bestand die Chance, dass das Flugzeug nicht komplett auseinander gewürfelt wurde und die Passagiere es überlebten und höchstens von ein paar Haien angeknabbert wurden. Wer auch immer der erwähnte Chef war, er schien keinen schlechten Plan zu haben. Doch wie das mit Plänen immer so war, ging auch der hier nicht ganz so auf, denn plötzlich kam alles ganz anders. Als wir und das Flugzeug nur noch wenige hundert Meter von der möglicherweise rettenden Welle entfernt waren, passierte es. Das Pegasus hatte sich die ganze Zeit auf der selben abnehmenden Höhe wie das Flugzeug gehalten, doch mit einem Mal war kein Flugzeug mehr neben uns. Wir schossen immer noch auf das Wasser zu, während das metallische Blitzen plötzlich nicht mehr da war. Den Grund erkannte ich erst, als mein Fluguntersatz eine Vollbremsung machte, die mich fast von seinem Rücken gekippt hätte. Als ich mich wieder nach oben gehievt hatte und umwand, bekam ich noch größere Augen als schon die ganze Zeit über. Das Flugzeug, das eben noch mit Affenzahn abgeschmiert war, hing nun auf einmal völlig regungslos in der Luft. ‚Nanu? So war das eigentlich nicht geplant.’ Das Pegasus beantworte die Frage, die mir schon auf der Zuge gelegen hatte von selbst. Das gehörte also nicht zum Plan des Chefs. Aber im Grunde sollte es mir egal sein, denn die Gefahr war erst mal gebannt. Dennoch wusste ich nicht wie lange das Flugzeug von der vermeintlich unsichtbaren Hand am Fallen gehindert wurde und so zählte in dem Moment nur eins für mich: Nicky da rausholen! „Kannst du zu dem Loch fliegen?“, fragte ich nach. ‚Klar, aber ich hab keine Ahnung was da grad los ist, also müssen wir vorsichtig sein.' Besonders vorsichtig erschien mir der Flug zum Extraeinstieg zwar nicht, aber die sehr unvorsichtige Flugweise des Pferdes hatte ich ja schon kennen gelernt. Kapitel 3: Flugzeug Steh-Geh ---------------------------- Es dauerte nur wenige Sekunden, da hatte sich mein Pegasus so nah an das Flugzeug heran manövriert, ohne dass etwas passiert war, dass ich ohne Probleme von seinem Rücken in den mitgenommenen Vogel klettern konnte. Naja, was heißt ohne Probleme. Ich hätte mir nicht bei meinen grotesken Verrenkungen zusehen wollen und ich zog mir auch zahlreiche blaue Flecken und Schürfungen zu, aber da das bei mir fast schon Normalzustand war, zählte ich das unter ‚ohne Probleme’. Im Flugzeug Inneren erwartete mich heilloses Chaos. Überall lagen kleine Gepäckstücke, Teile der Innenausstattung und Menschen wild durcheinander herum, oder schwebten auch wild durcheinander herum. Es gab einen recht seltsamen Eindruck, wie alles so mitten in der, auch fliegenden, Bewegung erstarrt war. Der auf die Gesichter der Menschen festgemeißelte Schreckensausdruck erinnerte mich an den Percy Jackson-Film, als die Medusa ihren Versteinerungsblick im Spiel hatte. Aber die Menschen waren nicht aus Stein, sondern einfach nur erstarrt, als hätte man sie in ne Kryokammer gesteckt. Aber auch wenn ich verwirrt war, meine größte Sorge war Nicky und so wandte ich mich ohne Umschweife der bereits ziemlich demolierten Toilettentür zu. Beinahe wäre ich noch über die Beine der bewusstlosen Stewardess, die nun aussah wie in den Boden zementiert, aber zum Glück weit genug vom Sog weg gelegen hatte um hinausgesagt zu werden, gestolpert, weil ich nur auf die Tür starrte, aber eben nur beinahe. So wie das Objekt meiner Interesse aussah, war es ein Wunder, dass der Sog sie nicht schon längst aus den Angeln gerissen hatte. Ich hoffte inständig, dass die dahinterliegende Einrichtung nicht genauso schrottreif aussah und Nicky verletzt hatte. Da es mir mit der regelrecht schreienden Totenstille etwas unheimlich wurde, beschloss ich nach meiner Freundin zu rufen, während ich mich an der Tür zu ihrem Gefängnis zu schaffen machte, auch wenn das vermutlich beides nicht wirklich etwas bringen würde. Vermutlich war sie entweder von allein in Ohnmacht gefallen, oder von ner losen Klobürste ins Reich der Bewusstlosigkeit geschickt wurden. Umso erstaunter war ich, als ich auf meinem Ruf hin, ein leises fragendes „Taja?“ hörte. Sofort durchströmte mich ungeahnte Energie. Nicky lebte! Ihre Stimme klang zwar etwas brüchig, aber nicht so, als hinge ihr Leben am seidenen Faden. Das Riesengebirge fiel mir vom Herzen. Jetzt musste ich sie nur noch da raus bekommen. „Ja ich bin es. Kannst du irgendwie versuchen, von innen gegen die Tür zu treten? Sie ist total zerbeult, von außen krieg ich sie allein nicht auf.“ Mein Zerren hatte bisher kaum Wirkung gezeigt. Es raschelte in der Kabine und kurz darauf merkte ich Nickys Bemühungen von innen. Da sich die Tür ursprünglich nach außen öffnen ließ, hatte sie mit dieser Krafteinwirkung wesentlich mehr Erfolg, als ich. Einige Karatefußtritte und kräftiges Ziehen später, gab die widerspenstige Tür unserer geballten rohen Gewalt nach und öffnete sich mit einem leidenden Knarzen. Ich schmiss das Stück Altmetall einfach zur Seite, denn meine Arme brauchte ich um Nicky aufzufangen, die leichenblass und mit einigen Schrammen übersät aus dem WC stolperte. Wir fielen uns in die Arme und stützten uns damit praktisch gegenseitig, denn auch mir hätten meine Beine vor Erleichterung beinahe den Dienst versagt. So standen wir einige Augenblicke lag schweigend da. Es war einer dieser berühmten Augenblicke, in denen man keine Worte braucht, um zu wissen was der Andere denkt. Wir waren beide einfach nur scheiße froh den Anderen lebend wieder zu sehen, obwohl wir wohl beide nicht mehr damit gerechnet hatten. Es tat gut sie in meinen Armen zu spüren um zu wissen, dass ich mir das nicht nur einbildete, aber nachdem wir uns beide ein wenig beruhigt hatten, drückte sie sich weg um mich anzusehen. In ihren Augen lagen tausend Fragen, doch ausnahmsweise war ich schneller: „Geht es dir gut?“ Ich sah zwar, dass sie ziemlich mitgenommen wirkte, aber da ich keinen Röntgenblick hatte, konnte ich nicht ahnen, ob sie eventuelle doch schwere oder innere Verletzungen davon getragen hatte. „Ich hab furchtbare Kopfschmerzen und mir tun die üblichen Stellen weh, aber muss ja. Was ist denn nun eigentlich passiert? Ich wollte grade vom Klo, als irgendjemand dagegen gedonnert hat und dann war plötzlich Chaos.“ Sie nutze die Gelegenheit ihre Fragen loszuwerden und von den Schmerzen abzulenken. Nicky machte einen total verwirrten Eindruck, der mir erst mal klar machte, dass sie in ihrer Klozelle ja überhaupt nichts mitbekommen haben konnte. Gut, vielleicht die Durchsage des Piloten, dass sie gerade abstürzten, aber das hatte sie sicher auch so bereits gemerkt. Nur leider war die Erklärung des Ganzen nicht so einfach und glauben würde sie mir das wahrscheinlich sowieso nicht. Dennoch vertraute ich einfach mal darauf, dass sie mich nicht gleich für völlig bescheuert hielt. „Also, auch wenn sich das jetzt komisch anhört, das was da gegen die Tür gehämmert hat, war eine riesige Kreatur, halb Mensch halb Eidechse. Ich hab versucht sie aufzuhalten, dabei ist irgendwie ein Loch in die Flugzeugaußenwand gesprengt wurden und wir sind beide rausgesaugt worden. Das Flugzeug ist daraufhin abgestürzt, aber jetzt kurz vor dem Wasser plötzlich in der Luft erstarrt. Ich bin auf einem Pegasus gelandet, das hat mich gerettet und hier her gebracht, damit ich dich rausholen kann.“, versuchte ich mich möglichst knapp zu fassen. Wie zu erwarten war, sah mich Nicky an, als wollte sie gleich die Telefonnummer der nächsten Irrenanstalt in ihr Handy tippen. „Taja, geht es dir gut? Hast du dir vielleicht den Kopf gestoßen?“ Meine Freundin sah mich mit einem ernsthaft besorgten Blick forschend an. „Nein, hab ich nicht. So bescheuert das auch alles klingt, es ist wahr.“, versuchte ich meine Aussage zu bekräftigen. Doch ich konnte ihr ihre Skepsis nicht verübeln, immerhin verspürte ich selber den Wunsch, das alles als Halluzination abzustempeln. Und dass es sich wirklich mehr als bescheuert angehört hatte, hatte ich beim Erzählen selber gemerkt. Nicky schien immer noch nicht zu wissen, ob sie es auf den Schock schieben sollte, oder ob ihre beste Freundin wirklich gerade den Verstand verloren hatte. ‚Huhu, wollt ihr da drinnen picknicken, oder können wir irgendwann mal wieder abhauen. Ich hab keine Lust, von dem Monsterding erschlagen zu werden, falls es wieder lebendig wird.’ Eine leicht genervt klingende Stimme ertönte von außerhalb des Flugzeugs. Plötzlich wusste ich, wie ich Nicky überzeugen konnte, dass ich nicht halluzinierte. Oder zumindest hoffte ich, dass auch sie das weiße fliegende Pferd da draußen sehen würde und sich die letzten Minuten nicht nur in meiner Fantasie abgespielt hatten. „Einen Moment noch!“, rief ich meinem hoffentlich existierenden Retter zu und wandte mich dann an Nicky: „Wir müssen schleunigst hier raus, solang das Flugzeug still ist. Es kann zwar sein, dass es einigermaßen sicher landet...“, ich erinnerte mich an die potenzielle Auffangwelle, „aber darauf will ich lieber nicht warten.“ „Aber wie bitte sollen wir hier weg kommen?“ Zumindest den Teil mit dem in der Luft hängen, hatte sie mir wohl abgenommen. Aber vermutlich war es wohl eher ein Blick aus dem Riesenloch in der Außenwand gewesen, das nur Himmel sehen ließ, als meine Worte. „Na mit dem Pegasus.“, erklärte ich völlig gelassen, gelassener als mir tatsächlich zu Mute war, und zog sie zum Extraeingang. Einen Moment lang war ich versucht unsere Rucksäcke zu holen, denn da waren ziemlich wichtige Sachen drin wie Ausweise, die Rückflugtickets, das Taschengeld und mein original japanisches Plüschnachtara. Doch ich hatte zu viel Angst etwas anderes im Flugzeug zu berühren, nicht das ich damit am Ende noch den Erstarrungsresetknopf betätigte und der ganze Rettungsversuch dahin war. ‚Na endlich, ich hab mir schon die Beine in den Bauch gestanden.’, wurden wir begrüßt. Gut, streng genommen stand das Pegasus nicht wirklich auf seinen Beinen, denn seine Flügel trugen das Gewicht, doch ich wusste wie es gemeint war. Ich wollte schon etwas erwidern, als ein erschrockener Laut von Nicky kam. Sie hatte unser Taxi anscheinend also auch gesehen, wie die plötzlich wieder aus ihrem Gesicht entweichende Farbe vermuten ließ. So dumm und fassungslos musste ich wohl auch aus der Wäsche geguckt haben als ich erkannt hatte, was Sache war. „Aber...aber... das ist ja tatsächlich...“, brachte meine Freundin stammelnd hervor. „Ein Pegasus. Hab ich doch gesagt.“ Ich hatte mich irgendwie schon so an die Irrationalität der ganzen Angelegenheit gewöhnt, dass mir das erstaunlich leicht von den Lippen kam. ‚Oh Wahnsinn, können wir die Vorstellungsrunde der ‚Ich-hab-noch-nie-ein-Pegasus-gesehen’- Selbsthilfegruppe vielleicht auf später verschieben. Ich würd euch ganz gern einladen und hier wegbringen, wenn es den Damen beliebt.’ Unsere Mitfluggelegenheit schien es irgendwie eilig zu haben. „Ja ist ja gut. Wir beeilen uns ja schon.“ Mittlerweile hatte ich mich an die Konversation mit einem sprechenden Tier schon gewöhnt. „Kletter du zu erst auf den Rücken, dann kann ich dich von hier aus halten.“, wandte ich mich nun zu Nicky, die immer noch völlig perplex auf das weiße Pferd starrte. „Eh ja, ok.“ Sie war anscheinend immer noch zu sprachlos vor Erstaunen, als dass sie widersprechen konnte und das wollte bei ihr was heißen. Mit meiner Hilfe kletterte sie etwas unbeholfen auf den Pferderücken. Aber ich hatte sicher auch nicht besser ausgesehen. Außerdem gab es noch das klitzekleine Problem der Höhe. Beim ins Flugzeug klettern, hatte ich das nicht so mitbekommen, nun sah es schon ganz anders aus. Als ich am Rand der Öffnung stand, die frischen Winde mich mit einem fast höhnischen Spiel umfingen und mein Blick auf das immer noch in einiger Tiefe blitzende blaue Meer sah, wurde auch mir wieder schlagartig klar, dass ich Höhenangst hatte. Kein Wunder, dass Nicky gerade so gezittert hatte. Auch ich schaffte es nur mit Hängen und Würgen meine Augen vom todbringenden Abgrund abzuwenden und mich auf den Pferderücken zu hieven. ‚Uff, ihr seid ganz schön schwer.’, beschwerte sich unser Abholservice, woraufhin er von mir einen nicht ganz unabsichtlichen Tritt in die Flanke bekam. Das Letzte was man an einem solchem Tag, an dem man ein paar Mal knapp dem Tod von der Schippe gesprungen ist und lauter Kuriositäten zu verkraften hatte, hören will, ist, dass man zu schwer ist. Schon gar nicht wenn man mitten in der Luft auf einem eigentlich nicht existierenden mythischen Wesen sitzt. Das Pegasus schien den Wink jedenfalls verstanden zu haben, hielt ausnahmsweise mal seine vorlaute Futterluke und schwang seine hübschen Flügel. Ich griff an Nicky vorbei in die Mähne, um uns beiden etwas Halt zu geben. Zwar konnten wir beide recht passabel reiten, doch der Flug auf einem Pegasus war doch noch ein wenig anders. Vor allem holpriger. Dabei fiel mir ein, dass ich mich erstaunlich schnell daran gewöhnt hatte, obwohl es mich früher im Galopp meist aus dem Sattel geworfen hatte. Außerdem wärmte mein Körper sie hoffentlich etwas, denn sie zitterte ziemlich. Mir war dagegen ausnahmsweise mal nicht wirklich kalt. Aber ich hatte schon gar keine Zeit weiter über diese Erkenntnisse nach zudenken, denn unser Flugobjekt stoppte plötzlich wieder. „Was ist denn los?“ Da ich nur einige Zentimeter größer als Nicky war und hinten saß, hatte ich vor allem ihren Kopf im Blickfeld und konnte nicht erkennen, was der Grund für unseren unplanmäßigen Halt war. Doch meine Frage beantwortete sich von selbst, als ein zweites Pegasus plötzlich neben uns erschien. Ich war zwar erstaunt über das Auftauchen, doch weniger darüber, dass es noch ein Wesen war, das es eigentlich nicht hätte geben sollen, als dass auf seinem Rücken eine Reiterin saß. „Wie ich sehe hat Kid Erfolg gehabt. Ich hoffe ihr seid unverletzt.“, sprach uns das blonde Mädchen an. Ich brauchte erst einen Moment, um mir in Erinnerung zu rufen, dass es auch noch normale Menschen gab, die der Kommunikation fähig waren und nicht nur quatschende Tiere. „Ein paar Kratzer, aber sonst geht’s.“, antwortete Nicky, die anscheinend weniger Probleme hatte zur Sprache zurück zu finden. „Das ist schön. Aber jetzt müssen wir uns um etwas Wichtiges kümmern. Ich nehme an du hältst das Flugzeug gerade an, aber es wäre gut, wenn du damit aufhören könntest. Das stört ein wenig meinen Plan zur Landung des Flugzeugs. Percy kann die Welle nicht mehr lang halten.“ Das fremde Mädchen sah uns mit ernsten und erwartenden Blicken an. ‚Percy?’ Der Name kam mir doch irgendwie bekannt vor. Im Zusammenhang mit einer Riesenwelle, die er angeblich halten sollte, kam mir ein seltsamer Verdacht. Ich betrachtete unser Gegenüber genauer und musste feststellen, dass ihre langen blonden Haare in einem etwas zerzausten Pferdeschwanz gebunden waren und sie außergewöhnlich schöne sturmgraue Augen hatte. Mir wurde etwas mulmig. Das passte gerade irgendwie zu gut. Doch meine Gedanken wurden unterbrochen, als Nicky mir einen fragenden Blick zu warf. Auch sie hatte nicht verstanden, was das Mädchen meinte und das nicht nur, weil sie mit deren Aussehen beschäftigt gewesen war. „Ich hab keine Ahnung was du meinst.“ Erst jetzt fiel mir auf, dass ihr Blick eher Nicky als mir galt und die schien das auch registriert zu haben. „Ich weiß nicht, wie du es zu Stande bringst, aber du tust es.“, beharrte unser Gegenüber weiter. Nicky fühlte sich dadurch regelrecht angegriffen, auch wenn ein Flugzeug vor dem Absturz zu bewahren ja nichts Schlechtes war. „Ich mache gar nichts!“, entgegnete diese energisch. Das Mädchen verdrehte seufzend die Augen und wies dann in die Richtung aus der wir gekommen waren: „Dann sieh doch mal das Flugzeug und dich an.“ Erstaunt von diesem seltsamen Hinweis wandten wir beide unseren Blick auf das Flugzeug. Doch neben der eh schon merkwürdigen Tatsache, dass es wie von Geisterhand in der Luft hing, bemerkte ich noch etwas anderes. Der Metallvogel gab ein seltsames Leuchten von sich und zwar in der Farbe Pink, als hätte man ihn mit lauter pinken Glitter bestreut. Es war zwar nicht besonders kräftig, aber doch aus der Ferne deutlicher zu sehen, als direkt dran. Ok, das Flugzeuge plötzlich anfingen ihre Farbe von grau nach pink zu wechseln war wirklich besorgniserregend, denn ich konnte mich nicht erinnern, durch eine Wolke Leim geflogen und von kleinen Engelchen mit Glitzerzeug beworfen worden zu sein. Anders konnte ich mir die Chamäleonmasche des Flugzeugs aber nicht erklären. Und erst recht nicht, als ich feststellte, dass das Mädchen vor mir genauso komisch schimmerte. „Nicky, du glühst!“, brachte ich erstaunt an. „Nee, mir ist eher kalt.“ „Nein so meinte ich das nicht, du strahlst irgendein Licht ab und zwar in Pink.“ Ganz so erstaunlich war die Farbe zwar nicht, denn meine Freundin trug gern Sachen in Pink, aber geleuchtet wie ein überdimensionales, schwules Glühwürmchen hatte sie meines Wissens nach noch nie. Nicky schien das erst nicht recht glauben zu wollen, als sie jedoch ihren Arm hob und ihn gegen den blauen Himmel hielt, sah man das zarte Glühen, das sich wie ein pinker Schmierfilm über ihre Haut gelegt hatte. „Was ist das?“, fragte sie besorgt und schüttelte sich, als gäbe es eine Krankheit bei der man pink anlaufen könnte. „Das weiß ich leider auch nicht, aber es scheint die Kraft zu sein, die auch das Flugzeug umhüllt. Also wenn du sie auflösen könntest, kämen wir alle endlich hier weg.“ Das Mädchen auf dem anderen Pegasus schien ein wenig ungeduldig zu werden. Nicky sah dagegen umso verzweifelter aus: „Aber ich hab doch gar keine Ahnung warum das passiert. Wie soll ich es da beenden?“ „Versuch doch einfach mal dich darauf zu konzentrieren. Vielleicht fühlst du die Energie und kannst sie loslassen. So wie mit Abführen einer Magiequelle.“ Ich konnte mir zwar vorstellen, dass das einfacher gesagt als getan war, doch wenn ich es mit der Magiehandhabung der ‚Gilde der schwarzen Magier’, eines von Nickys Lieblingsbüchern, verglich, wusste sie vielleicht wenigstens wie ich es meinte. So wie es aussah hatte sie mich verstanden, denn sie schloss die Augen und eine unheimliche Stille legte sich um uns, wenn man vom Flöten des Windes absah. Die Zeit schien sich wie Kaugummi zu ziehen, doch auch nach einer gefühlten Ewigkeit passierte nichts, weder beim Flugzeug noch bei Nicky. „Es klappt nicht.“ Angestrengt atmete sie aus. ‚Lasst mich mal machen.’, kam es unerwartet von unserem fliegenden Untersatz. Noch ehe wir etwas erahnen konnten, kippte der Pferdekörper erneut nach vorn in den Sturzflug. Dieses Mal war es allerdings nicht ganz so schlimm, sodass mein Schrei die Chance hatte noch aus meinem Mund zu kommen und sich mit dem von Nicky vereinte. Sobald wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, nahm ich mir vor, mit diesem Klepper mal ein ernsthaftes Gespräch über unangekündigte Sturzflüge zu führen. Doch allzu lange dauerte er nicht. Es warf mich wie schon zum xten mal an diesem verfluchten Tag fast vom Rücken, als das fliegende Pferd mitten in der Bewegung anhielt. Wäre mein Griff nicht gewesen, hätte es wohl auch Nicky aus der Bahn geworfen. ‚Seht ihr, hat doch funktioniert.’, ertönte es kurz darauf vergnügt vom Sturzpiloten. Ich wollte ihn gerade ziemlich wütend angehen, als ich mitbekam was er meinte. Um uns herum hatte sich eine leichte pinke Aura gebildet, die das Pegasus anscheinend daran hinderte weiter zu fliegen. Und so hingen wir fast kopfüber dumm in der Gegend herum, während neben uns ein großes Objekt vorbeiraste und genau auf die Welle zusteuerte. Auch wenn es in dieser Position ziemlich unbequem war, das Schauspiel um das Flugzeug war doch interessanter und so vergaß ich schnell den Schmerz, der sich gerade durch meine Haltemuskeln fraß. Das fliegende Konstrukt stürzte wie ein angeschossener Vogel schräg nach unten, traf dann im anscheinend richtigen Winkel mit der Spitze auf den Wellenkamm, der als eine Art Skateboardrampe fungierte und das Flugzeug relativ sanft nach unten surfen ließ. Es ditschte zwar wie ein flacher Stein zweimal auf das Wasser auf, bevor es zum Stillstehen kam, zerbrach aber nicht. Das Aufatmen der geschockten Passagiere schien auch in einigen Metern Höhe noch zu hören zu sein. Auch mir war nun deutlich wohler, da ich die restlichen Passagiere nun auch noch in Sicherheit wusste. Gut, Sicherheit war wohl zu viel gesagt, denn immerhin trieben sie noch auf dem offenen Meer herum, aber zumindest halbwegs lebend sollten sie auf dem Wasser angekommen sein. „Sehr gut, meine Berechnungen stimmten und Seetanghirn hat es auch nicht vermasselt.“ Das andere Pegasus mit seiner Reiterin tauchte wieder neben uns auf. Das Mädchen lächelte zufrieden, bevor sie sich dann an uns wandte: „Die Rettungstrupps werden bald hier sein, wir haben alle rechtzeitig verständigt. Nun solltet ihr euch aber auch mal aus der Starre befreien, denn wir müssen weg. Wenn SIE erst mal herausfinden, dass ihr überlebt habt, sollten wir besser schon im Camp sein.“ Die Worte ‚Seetanghirn’ und ‚Camp’ gaben mir zu denken, weil sie mir den unguten Verdacht, der erst in mir aufgekommen war, noch mehr bestärkten, ebenso wie die Tatsache, dass das Mädchen und wen auch immer sie mit ‚wir’ meinte, über den Absturz anscheinend Bescheid gewusst hatte. Das bedeutete wiederum, dass sie entweder was damit zu tun hatte, was allerdings das Erscheinen zur Rettungsmission unlogisch machte, oder, dass es ihnen ein kleines Vögelchen mit hellseherischen Fähigkeiten gezwitschert hatte. Letzteres ließ mich schlucken. Das konnte doch gar nicht sein! Doch bevor meine Gehirnwindungen vor lauter Gedankenwirrwarr noch anfingen zu kochen, galt es meine Aufmerksamkeit auf etwas Banaleres zu richten. Meine Muskeln meldeten unnachgiebig, dass sie langsam keinen Bock mehr hatten meinen Körper, der wie eine verwirrte Fledermaus halb schräg nach unten hing, noch länger zu halten. „Ich weiß aber immer noch nicht, wie ich das machen soll.“ Auch Nicky fühlte sich in dieser Lage nicht gerade wohl. ‚Hey Alter, du siehst ja aus wie ein gerupftes Hühnchen, das im Flug eingefrostet wurde.’, ertönte plötzlich eine bisher unbekannte Stimme, die sich vor lauter Schadenfreude fast überschlug. ‚Na und, so siehst du doch dauernd aus. Außerdem, ich bin eingefroren, aber was hast du für ne Entschuldigung, dass du so lahm bist wie ne Schnecke mit gebrochnen Beinen.’, kam es von unserem Untersatz bissig zurück. Ich wollte gerade einwerfen, dass sich Schnecken die Beine nicht brechen konnten, weil sie gar keine hatten, aber da lenkte mich etwas anderes ab. Auf Grund der Bewegungsunfähigkeit des Pegasus fiel mir erst jetzt auf, dass sich seine Lippen beim Sprechen gar nicht bewegten. Also sprach es vermutlich nur in unseren Gedanken, was auch erklärte, warum ich es erst in dem Windblasorchester hatte so klar verstehen können. Nach und nach ging mir ein Licht auf. Allerdings nicht darüber, wie wir uns nun aus dieser langsam echt anstrengenden Lage befreien konnten. „Vielleicht...“ Weiter kam ich mit meinem Vorschlag nicht, denn ein unangekündigtes Niesen schüttelte meinen Körper. „AU!“, kam es von Nicky. Und auch unseren Pegasus kam ein ’Au!’, das sich dann allerdings in ein ‚Auuuuuuuuu’ verwandelte, als der Sturzflug plötzlich weiter ging. Es dauerte ein paar Meter, bis sich das große Pferd wieder gefangen hatte und wir wieder in Normallage waren. „Entschuldigt, hab ich euch angeniest?“, brachte ich hervor, als ich wieder Luft in den Lungen hatte, obwohl ich mir eigentlich keiner Schuld bewusst war, immerhin hatte ich noch schnell die Hand vor den Mund gehalten und so hart konnten die Popel, die ich eventuell ausgeniest hatte nun auch nicht sein, dass man gleich schreien musste. Nicky sah mich etwas verständnislos an: „Nein, du warst nur grad wieder total elektrisch.“ ‚Ja und wie. Ich steh zwar ab und zu auf kleine Elektroschocks, aber mitten in der Luft und ohne, dass sich meine Muskeln bewegen können, hätte ich kein Rendezvous mit nem Zitteraal gebraucht.’, grummelte es von unten. Gut, ein leichtes Prickeln hatte ich beim Niesen auch gemerkt, aber dass ich neuerdings einen auf Pikachu machte, hatte ich nicht realisiert. „Ehm, tut mir wirklich leid, aber ich hab nichts gemerkt.“, entschuldigte ich mein mir selber unerklärliches Verhalten. ‚Naja, egal. Lasst uns endlich fliegen. Wenn ich euch beide noch lange auf dem Rücken hab, muss ich nächste Woche noch zum Chironpraktiker.’ ‚Chironpraktiker?’ War das gerade nur ein Versprecher gewesen, oder hatte das fliegende Pferd absichtlich Chiron, den Zentauren gemeint? Doch irgendwie ermahnte mich der noch halbwegs funktionierende Teil meines Gehirns, dass ich die Antwort auf diese Frage eigentlich gar nicht wissen wollte und so ließ ich sie unausgesprochen. Kapitel 4: Wir beseitigen alle Klarheiten ----------------------------------------- So flogen wir los und entfernten uns immer weiter vom Flugzeug. Wir hatten noch gesehen, wie die Wasserrutsche aus dem notgewasserten Luftverkehrsmittel ausgeklappt wurde und zahlreiche kleine Punkte in Schlauchboote rutschten. Ich wäre eigentlich gern noch mal ran geflogen, um unser Gepäck zu holen, doch den Schock nach einem Absturz mit fliegenden Pferden belagert zu werden, wollte ich den gebeutelten Passagieren nicht zu muten. Ich hatte ihn ja selber kaum richtig verdaut. Aber zumindest waren Nicky und ich am Leben. Der Rest würde sich fügen. Irgendwie. Als wir bereits einige hundert Meter zurückgelegt hatten, holten uns die drei anderen Punkte ein, die schon die ganze Zeit auf uns zugesteuert waren. Näherkommen hatten sie sich als drei weitere Pegasi, ein Weißes, ein Schimmel und ein Schwarzes, entpuppt. Heute schien wohl Pegasusausflugtag zu sein. Zwei der mythischen Pferde hatten zusätzlich noch einen Reiter im Gepäck. Da meine Augen nicht so berauschend waren, konnte ich die beiden Gestalten erst richtig erkennen, als sie schon ganz nah bei uns waren. „Ganz gut gemacht, Seetanghirn. Du solltest öfter auf mich hören.“, begrüßte unsere Begleiterin die beiden Neuankömmlinge. „Als wenn ich das nicht immer mache.“ Der sich anscheinend mit Seetanghirn angesprochen gefühlte Junge, grinste zurück. „Seid ihr ok?“, erkundigte sich der Zweite, ein schmächtig wirkender Junge mit krausem Haar, das unter einer viel zu großen Mütze hervorlugte, mit nervöser Stimme. „Ich denke ja. Die Beiden sind zwar etwas mitgenommen, aber anscheinend unverletzt. Wenn wir Land erreichen, machen wir erst mal eine Pause, damit Kid nicht mehr beide tragen muss und wir ihnen erst mal alles erklären können.“, schrie das Mädchen ihren Bekannten zu, denn der Flugwind war ganz schön heftig, sodass er einem fast die Worte von den Lippen riss. Mich erstaunte es echt, dass ich nicht schon schlotterte wie ein Schlosshund. Die anderen Drei hatten Jacken an, Nicky und ich hatten unsere leider im Flugzeug dem Meer opfern müssen. Sie zitterte deswegen auch wie ein ganzer Hain voll Espenlaub, auch wenn ich versuchte sie wenigstens etwas zu wärmen. Ich fror nämlich seltsamerweise nicht. Und das obwohl ich sonst ne ziemliche Frostbeule war. Aber der Tag hat hatte merkwürdig angefangen, warum sollte er dann nicht auch merkwürdig weiter gehen? Auf jeden Fall war ich schon mal auf die Erklärung gespannt, die die Gestalten auf den anderen Pegasi uns geben wollten. Aber erst mal hatte ich genug damit zu tun, uns auf dem Pferderücken zu halten, denn bei der hohen Fluggeschwindigkeit war man leicht vom Winde verweht. Als ungefähr fünf Minuten später endlich Land in Sicht kam, war ich mehr als erleichtert. Die Bewegungen des fliegenden Pferdes gingen nämlich ganz schon auf die Oberschenkel und die hatten eigentlich schon nach dem Rumhängen den Streik angekündigt gehabt. Ein paar Minuten mussten sie dann aber doch noch aushalten, bis wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Oder zumindest erst mal auf Pferdefüßen, denn so steif wie wir mittlerweile waren vom Pegasus runter zu kommen, erforderte noch einmal etwas Zeit. Die anderen Drei schwangen sich dagegen beneidenswert elegant von den prächtigen Pferden, mal abgesehen von dem Jungen mit der Mütze, der anscheinend etwas Probleme mit seinen Gliedmaßen hatte. Nachdem die Landung auf dem Rücken eines fliegenden Pferdes etwas unsanft gewesen war, war ich nun mehr als erleichtert auf dem Erdboden zusammen sinken zu können. Nicky tat es mir gleich und so hockten wir ein paar Minuten da wie zwei Häufchen Elend. „Wir haben zwar nicht viel Zeit, nicht dass SIE uns noch entdecken, aber eine kurze Rast ist in Ordnung.“, verkündete das Mädchen während sie sich aufmerksam umsah. Mir war grad alles um mich herum egal. Ich saß einfach nur da und freute mich über die herrlich feste Konsistenz des Erdbodens und den erdigen Geruch wie eine Schneekönigin. Schnee... auch darüber hätte ich mich gefreut, solange er auf Erde gefallen wäre. Oder Regen, auch gut, von mir aus auch nasser Boden. Oder Stein. Alles, nur keine Luft. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, in was für Höhen ich mich die ganze Zeit befunden hatte. Und auch meine Höhenangst, die sich die ganze Zeit über zum Glück einigermaßen zurückgehalten hatte, wollte mir wohl noch mal verdeutlichen, dass ich solche Ausflüge in den Himmel in Zukunft besser zu unterlassen hatte. Mir war nachträglich plötzlich ziemlich schlecht, allerdings versuchte ich mich zusammen zu reißen. „Hier, trinkt erst mal etwas. Aber nur ein paar Schlucke.“ Das blonde Mädchen, das schätzungsweise so um die 15 sein musste, hielt uns eine Feldfalsche vor die Nase. Sie hatte unschwer mitbekommen, dass wir ziemlich blass aussahen. Nachdem Nicky und ich ein paar Schlucke Wasser, zumindest glaubte ich zunächst, dass es Wasser war, bevor sich der herrlich süße Geschmack von reifen Mangos auf meiner Zunge breit machte, zu uns genommen hatten, ging es uns um einiges besser, zumindest körperlich. „So, dann wollen wir mal mit der Vorstellungsrunde beginnen.“, meinte sie lächelnd, bevor sie sich zu dem hageren Jungen wand, der irgendwie ziemlich gehetzt aussah, „Grover, nur zur Kontrolle, sind es die Richtigen?“ ‚Grover?’ Ich riss die Augen auf und beobachtete die drei Teenager genau, während mein Gehirn anfing wie verrückt alle Rädchen zu drehen. Der angesprochene Junge blickte nervös in der Gegend umher, bevor er die Nase in unsere Richtung streckte und anfing zu schnuppern, als suche er die nächste Würstchenbude. Auch wenn ich heute nicht wirklich geschwitzt hatte, hoffte ich mal, das mein Deo einigermaßen durchgehalten hatte. Doch der seltsame Schnüffler schien nicht zu erkunden, ob wir eine Dusche brauchten. Fahrig nickte er: „Ja, eindeutig. Das sind sie.“ Ich wusste nicht, wie er erriechen konnte, wer wir waren, aber die ganze Szenerie beunruhigte mich. Auch Nicky hatte einen ziemlich skeptischen Blick aufgesetzt. „Sehr gut. Dann können wir ja mit den Erklärungen beginnen. Mein Name ist Annabeth...“ „Chase?“, platzte ich fragend in ihre Vorstellung. Sie sah mich etwas verwundert an, nickte dann aber. Ein heiseres Keuchen entrann mir. Genau so hieß Percy Jacksons Kampfgefährtin! Tochter der Athene. Eine Demi-Gottheit. Und sie hatte den dunkelhaarigen Jungen neben sich erst Percy genannt! Mir wurde wieder schlecht. Das konnte doch gar nicht sein! Nein, nein, nein, das war einfach nicht möglich! Für einen Moment setzte mein Herzschlag aus, bevor sich ein ablenkender Gedanke in mein Hirn drängte. Konnte es denn sein...? Vielleicht war das Ganze ja doch erklärbar. Vielleicht war das alles nur eine gut inszenierte Vorstellung des Filmstudios, die uns gleich zu Beginn unserer Reise etwas ganz besonderes bieten wollten? Wenn ja, hatten sie wirklich mehr als übertrieben. Allerdings gab es ein entscheidendes Problem an meiner Theorie. Das Mädchen mir gegenüber, sah überhaupt nicht aus wie im Film! Das war auf keinen Fall die Schauspielerin Alexandra Daddario, denn die hatte braune Haare gehabt und auch sonst anders ausgesehen. Die Annabeth hier, war ebenso hübsch, aber eben blond, genau wie im Buch. Aber vielleicht war das auch alles nur ein Zufall, wenn auch ein ziemlich großer, denn Annabeth war sicher nicht Nummer Eins der beliebtesten amerikanischen Mädchenvornamen und in Kombination mit Chase… so hießen ganz sicher nicht viele. „Hi, ich bin Percy.“, unterbrach der Junge neben ihr die kurz eingetretene Stille. „Percy Jackson?“ Ich hakte lieber noch mal nach, auch wenn ich mittlerweile meinte die Antwort sowieso schon zu kennen. „Eh, ja. Genau.“, brachte er ebenso erstaunt hervor. Na ganz toll, nun sank die Wahrscheinlichkeit eines bloßen Namenszufalls weiter gegen null. „Und dann ist das bestimmt Grover Underwood?“ Auch wenn der Dritte im Bunde ebenso wenige Ähnlichkeiten mit dem Schauspieler aus dem Film hatte, denn der war seltsamerweise Afroamerikaner gewesen und nicht wie im Buch beschrieben ein schlaksiger, blasser Junge, konnte es jetzt ja nur noch er sein. Nur die seltsame Art zu Laufen, eine halb hopsende, halb stolpernde Bewegung, war bei Beiden gleich. Auch wenn sich gerade ganz viele Hinweise häuften, ich weigerte mich irgendwie deren Bedeutung zu akzeptieren. „Woher weißt du das?“, erkundigte sich nun Annabeth neugierig, gleichzeitig aber auch mit leicht skeptisch zusammen gekniffenen Augen. „Na vom Buch.“ Auch wenn ich nun wirklich ernstlich verwirrt war, so schuldete ich ihr eine Antwort. „Was für ein Buch?“ Percy schaute uns verdutzt an. Genauso wie er aussah, fühlte ich mich. Immer wieder gelangte mein Verstand an seine Grenzen, wenn ich über diese Angelegenheit nachdachte. Das ergab alles keinen Sinn. Sicher, ich hatte erwartet Percy Jackson, Annabeth Chase und Grover Underwood auf dieser Reise kennen zu lernen, immerhin sollte ja ein Meet & Greet stattfinden, doch ich hatte mit Logan Lerman, Alexandra Daddario und Brandon T. Jackson, den drei Schauspielern aus dem Film, gerechnet und nicht mit den Echten! Nein, das letzte Wort vergaß ich schnell mal wieder. Es konnte keine Echten geben, weil das alles nur eine von Rick Riordan erfundene Geschichte war. Es gab in der Realität keinen Percy Jackson, Sohn des nicht existierenden Poseidon, keine Annabeth Chase, Tochter der nicht existierenden Athene, und erst recht keinen Grover Underwood, einen gefälligst nicht existierenden Satyrn! So etwas gab es einfach nicht! Dachte ich während mein Blick auf die vier geflügelten Pferde fiel. Auch Pegasi durfte es eigentlich nicht geben und doch war ich eine ganze Weile auf einem davon durch den Himmel geritten und es hatte sich doch verdammt real angefühlt. Ich wusste echt nicht mehr, was ich noch glauben sollte. Hatte man uns vielleicht Drogen unters Bordessen gemischt? Meine Gedanken kochten in einer unheilvollen Suppe, die mir nicht so recht etwas Schmackhaftes anbieten wollte. „Percy Jackson - Diebe im Olymp.“, hörte ich Nicky sagen. Sie sah genauso verwirrt aus wie ich, aber sie hatte zumindest verstanden, was ich mit Buch gemeint hatte. Nun war es an der Reihe unserer Gegenüber blöd zu gucken. „Es gibt ein Buch von Percy?“ Annabeth brauchte nicht erst eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen, ihre Stimme verlieh der Aussage schon genug Skepsis. „Drei bisher, um genau zu sein. Also zumindest in Deutschland.“ Auch ich fand endlich wieder zum Gespräch zurück. „Also ich weiß von nichts. Ehrlich!“ Percy zog verteidigend die Hände nach oben, als er dem forschenden Blick seiner Freunde ausgesetzt war. „Könnt ihr uns das bitte genauer erklären. Wir haben keine Ahnung was ihr meint.“ Annabeth war nicht gewillt, die Sache so einfach auf sich beruhen zu lassen, was, laut Buch, auch typisch für sie war. Ich schaute Nicky an, die nur mit den Schultern zuckte und dann zu erzählen begann. Sie war in Kurzzusammenfassungen wesentlich besser als ich, also überließ ich ihr das Reden, wie meistens sowieso: „Ich hab vor etwa vier Jahren einen Empfehlung bekommen, dass ich ein neues Fantasybuch lesen sollte, was „Percy Jackson – Diebe im Olymp“ hieß. Darin geht es um einen Jungen, der der Sohn des Poseidon ist, also eine Demigottheit, der ständig von Monstern verfolgt wird, so einen komischen Ziegenjungen- wie hießen die Teile, was auch Pan ist?-, trifft, dann in so ein Camp kommt und zusammen mit ihm und einer Tochter der Athene aufbricht, um den von Luke geklauten Herrscherblitz von Zeus zurück zu holen. Gibt viele Hindernisse, aber am Ende schaffen sie es und es herrscht wieder Friede im Olymp. Da es mir gut gefallen hat, hab ich mir dann auch die beiden anderen Bände, wo es glaub ich um Zyklopen und dann Thalia und die Verhinderung der Auferstehung von – ach, wie hieß der Typ in dem Loch gleich nochmal?- na egal- ging. Jedenfalls fand ich die alle toll und hab die Bücher auch Taja ausgeliehen. Sie war auch begeistert und wir sind auch zusammen in den Kinofilm gegangen, der diesen Februar rauskam. War zwar bisschen anders als das Buch, vor allem die Kampfszene mit Ares hat mir gefehlt, aber trotzdem lustig. Und dann hat Taja bei einem Gewinnspiel vom Film teilgenommen und letzte Woche eine Reise gewonnen, wo wir uns die Filmkulissen ansehen sollten und auch die Schauspieler treffen. Aber stattdessen ist das Flugzeug abgestürzt und nun sitzen wir hier mit euch und ihr heißt genauso wie die Typen aus dem Buch und Film, nur ihr seht anders aus, als die Schauspieler.“ Das war so im Groben die ganze Story, wie wir in diese außergewöhnliche Situation gekommen waren, erzählt ohne Punkt und Komma wie es manchmal Nickys Art war. Allerdings schien sie nicht besonders überzeugend gewesen zu sein, denn die Drei guckten uns nun erst recht an, als wären wir kleine grüne Marsmännchen. „Ich weiß wirklich nicht, von was für Büchern oder Filmen ihr sprecht, aber ja, das hier ist Percy Jackson, der Sohn des Poseidon, meine Mutter ist Athene und das hier ist ein Satyr und ja, was du eben geschildert hast, haben wir tatsächlich erlebt.“ Annabeth machte ein sehr ernstes Gesicht. Viel zu ernst um einen Scherz zu machen. Dabei konnte das doch gar nichts anderes als ein Scherz sein! Oder träumte ich etwa mal wieder einen meiner verrückten Träume, wie der mit dem rosa Riesentintenfisch, der die Stadt angriff, oder den Piraten, die auf unserer Straße rumsegelten und Werbung für Trinkjoghurt gemacht hatten? Nur für einen Traum fühlte sich das alles viel zu real an. Ich schloss kurz die Augen und versuchte mir zu befehlen ‚Wach auf!’ Doch es brachte nichts. Als ich meine Guckerchen wieder aufmachte, hatte sich rein gar nichts an der Umgebung geändert. „Aber ihr könnt doch nicht real sein!“, platzte es plötzlich verzweifelt aus mir heraus. ‚Nicht schon wieder die Leier.’ Das Pegasus neben mir verdrehte die Augen. „Sind wir aber nun mal. Genauso wie ihr.“, erklärte Percy gelassen. Er selbst hatte eine ganze Weile daran zu knabbern gehabt, zu akzeptieren, dass sein bester Freund Hufe anstatt Füße hatte, sein Lehrer mit einem Pferdehinterteil ausgestattet war, seine Freundin sich unsichtbar machen konnte, dass es fliegende Pferde, Mumienorakel, jede Menge Ungeheuer, die hinter ihm her waren und vor allem griechische Götter gab, von denen einer sogar sein vermisster Vater war, also verstand er, warum es für andere etwas schwer zu verdauen war. Ich wusste nicht wirklich, ob ich mich real fühlen sollte. Die breiige Masse meines Gehirns weigerte sich auf jeden Fall schon mal. „Dann seid ihr also tatsächlich Percy, Annabeth und der Ziegenjunge? Und ihr seid wirklich Halbblute?“ Nicky schien ein bisschen weniger Probleme damit zu haben den Zementklotz der irrationalen Ereignisse zu verdauen, denn ihre blauen Augen funkelten schon wieder interessiert. Dass sie Grover mit Ziegenjunge ansprach, verwunderte mich nicht. Sie hatte kein so besonders gutes Gedächtnis was Namen und deren Aussprache anging. Ich war ja nur froh, dass sie kein anderes Tier mit reingemixt hatte. Grover sah so schon nicht besonders glücklich aus und ‚Kuhjunge’ hätte ihm sicher nicht aufgeheitert. Er hielt sich im ganzen Gespräch sowieso ziemlich zurück und guckte die ganze Zeit nur sehr gehetzt in der Gegend herum, als würde er ganz dringend eine Toilette suchen. Dafür übernahm Annabeth nur zu gern das Wort: „Ja, das sind wir wirklich. Und wir sind genau wie ihr Halbblute.“ Gerade hatte ich ein wenig angefangen zu akzeptieren, dass sie ganze Geschichte, die ich sonst nur als Buch gelesen hatte, tatsächlich real sein sollte, da kriegte mein Verstand den nächsten Knock-out Schlag und blieb hilflos am Boden liegen. „Wir? Halbblute?“ Die Aussage, dass wir beide, zwei völlig normale junge Frauen, einen göttlichen Elternteil haben sollten, schien auch Nickys Vorstellungskraft zu übersteigen. „Ja ja, ganz eindeutig, ihr riecht so extrem nach Halbblut, da kann ich mich gar nicht irren.“, verkündete Grover mit leicht abwesender Stimme, während er weiter unruhig von einem Fuß, pardon Huf, auf den anderen sprang. Anscheinend musste er wirklich aufs Klo. Satyrn waren in der Lage potenzielle Gotteskinder zu erkennen und wurden oft ausgeschickt um sie zu beobachten, falls Monster auf sie aufmerksam wurden oder sich gar ihre Kräfte bemerkbar machten. „Außerdem hat das Orakel zwei Halbblute angekündigt. Deswegen sind wir ja extra hergekommen, weil es prophezeit hat, dass ihr in Schwierigkeiten stecken würdet. Was ist denn eigentlich genau passiert?“ Ach na super, die alte verschrumpelte Mumie im Dachboden des Haupthauses des Camp Half-Blood hatte uns also angekündigt. Das konnte ja gar nichts Gutes bedeuten. „Percy, du kommst vom Thema ab. Das können uns die Beiden auch noch später im Camp erzählen. Wichtig ist jetzt erst mal, dass ihr einigermaßen versteht, dass auch ihr Kinder von Göttern und damit in Gefahr seid. Von welchem Gott ihr abstammt wissen wir zwar nicht, aber momentan brauchen wir jede Art von Verstärkung. Da ihr ja anscheinend schon grob Bescheid wisst, können wir weitere Erklärungen vielleicht auf später verschieben. Erst mal ist wichtig, dass ihr in Sicherheit kommt, denn ich bezweifle, dass was auch immer für ein Monster euch angegriffen hat, sein Scheitern auf sich beruhen lassen wird. Wir müssen ins Camp aufbrechen.“ Annabeth hatte beschlossen, dass jeder erst mal genug Informationen bekommen hatte, auch wenn sie uns nur noch mehr verwirrt hatten, und es nun Zeit war, die Rast zu beenden. Doch mich hatten ihre letzten Worte auf etwas gebracht. „Skythische Dracanae!“ Mir war es im wahrsten Sinne des Wortes gerade wie Schuppen von den Augen gefallen. „Was?“ Die anderen Vier sahen mich erstaunt an. Ich musste mich erst mal leicht schütteln, bevor ich wieder etwas herausbringen konnte: „Die Riesenechse im Flugzeug war eine skythische Dracanae!“ Ich hatte mir die Beschreibungen der ganzen Monster in den Bänden ziemlich gut durchgelesen und merkte mir auch sonst Ungeheuer und Fabelwesen (die nun wahrscheinlich gar nicht mehr so fabelig waren) ganz gut, weshalb ich nun plötzlich wusste, mit wessen Reptilienkrallen ich es zu tun bekommen hatte. Percy, Annabeth und Grover sahen sich mit vielsagendem Blick an. Zumindest sagte er ihnen wohl viel, denn Nicky und ich konnten uns nur wenig erschließen. Ich konnte ein leises, gepresstes „Die gehört sicher zu Luke.“ hören, doch mehr wollten uns die drei lebendig gewordenen Buchfiguren scheinbar nicht sagen. „Dann sollten wir umso schneller aufbrechen.“ Annabeth Miene schien plötzlich wie versteinert. Mir war klar, dass es ihr nicht gefiel immer wieder daran erinnert zu werden, dass ihr ehemaliger Freund und Beschützer die Seiten gewechselt hatte und nun zu einer Bedrohung für die ganze abendländische Zivilisation wurde. „Seid ihr schon wieder einsatzbereit?“, wandte sich Percy inzwischen an die grasenden Pegasi. Das Schwarze hob den Kopf und meinte genüsslich kauend: ‚Aber sicher Chef!’ Wenn der Junge tatsächlich Percy Jackson war, dann war das da Blackjack, der schwarze Hengst, den Percy vor einiger Zeit aus Lukes Fängen befreit hatte und ihm seither treu ergeben war. Gut, vermutlich wäre er das auch so gewesen, denn alle Arten von Pferden mochten Percy sehr, da er der Sohn ihres Erschaffers war. Jetzt wusste ich auch, wen mein Pegasus erst mit Chef gemeint hatte. Alle fünf Unpaarhufer kamen herangetrottet. „Kid, nimmst du wieder... eh...“ Percy sah mich etwas verlegen an. Doch nicht er brauchte verlegen sein, denn uns war es unhöflicher Weise in dem ganzen Chaos entgangen, uns vorzustellen. „Taja.“, Nicky übernahm wie so oft für mich das Vorstellen, aber vermutlich nur damit ich nicht mit meinem richtigen Namen rausrückte und die Anderen dann damit verwirrte, dass sie mich anders nannte, „Und ich bin Nicky.“ Somit verhinderte sie auch, dass ich sie vielleicht mit Nicole vorstellen konnte, denn ihren vollständigen Namen hasste meine Freundin wie die Pest. Mich wunderte es zwar, dass sie sich nicht wie sonst öfters mit Paula vorstellte, doch vielleicht dachte sie daran, dass ich sie eh so nicht nennen würde und wir dann das selbe Namenswirrwarr wie bei mir hätten. „Gut, dann nimmt Taja Kid und du am besten Pünktchen.“ Percy teilte uns die beiden freien Pegasi zu. ‚Na solang sie nicht wieder auf meinen Rücken donnert, von mir aus. Ich merk schon die erste Verspannung von deinem Aufprall.’, verkündete Kid, das Pegasus, welches mich gerettet hatte und verzog dabei theatralisch das Gesicht. Ich verzog ebenfalls das Gesicht, da ich ganz bestimmt nicht freiwillig mitten im Flug auf dem Klepper gelandet war und auch mir langsam sämtliche Gliedmaßen wehtaten. Ich wollte einfach nur noch ins Bett. Hinlegen, Ausruhen, Schlafen. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass ich gar nicht viel später eine etwas unangenehme Gelegenheit dazu haben würde, hätte ich mir etwas anderes gewünscht. Eine ganze Weile später gab es nichts außer dem gleichmäßig rauschendem Schlagen der Pferdeflügel, ihren blöden Kommentaren zu allem Möglichen und dem scheinbar endlos unter uns dahinziehenden Wald. Ich wusste nicht genau, wo wir uns momentan befanden. Nur, dass wir uns auf dem Weg nach Long Island, oder genauer gesagt dem Camp Half-Blood, gemacht hatten. Aber selbst wenn sie es uns gesagt hätten, wo wir uns befanden, hätte es mir nichts genützt, denn in Geografie war ich eine absolute Niete. Also ließ ich mich einfach nur tragen und versuchte mich irgendwie von den Schmerzen in den Beinen abzulenken. Es gingen mir eine Menge Gedanken durch den Kopf, von denen aber keiner wirklich lange genug bleiben wollte, um richtig realisiert zu werden. Es war einfach zu viel in den letzten Stunden passiert. Mein Verstand lag immer noch K.o. in der Ringecke und so fiel es mir plötzlich nicht mehr ganz so schwer hinzunehmen, dass sich zwei Kinder griechischer Gottheiten und ein Ziegenhalbmensch unserer kleinen Reisegesellschaft angeschlossen hatten und die uns in eine Art Ferienlager für Nachwuchshelden bringen wollten. Eigentlich wäre ich jetzt viel lieber gemütlich in New York aus dem Flugzeug gestiegen und hätte mich in ein normales Hotel chauffieren lassen, aber man konnte wohl nicht alles haben. Ich hatte doch geahnt, dass dieser Gewinn seinen Haken haben würde. Aber zumindest würde uns wohl in nächster Zeit nicht langweilig werden. Ich fragte mich nur, wie ich das Ganze meiner Mutter erklären sollte, denn die musste ich irgendwann auf jeden Fall anrufen, nicht, dass sie einen Nervenzusammenbruch bekam wenn ihr mitgeteilt wurde, dass ihre Tochter nach einem Flugzeugabsturz verschwunden war. ‚Auuu!’ Ein markerschütternder Schmerzensschrei klang in meinen Ohren. Bevor ich wusste was passiert war, stürzte ich zum dritten Mal an diesem Tag auf einem Pferderücken gen Erdboden. ‚Ich werde sterben!’, jammerte Kid, während wir wie ein nasser Sack um uns selbst trudelnd nach unten rasten. Ich war zwar ebenso von entsetzlicher Panik erfasst, dennoch schaffte ich es irgendwie auf dem Pferd zu bleiben. Meine Erfahrung im Runterfallen von bockenden Pferden zahlte sich nun aus, denn ich wusste zumindest halbwegs was ich auf keinen Fall machen durfte. Ich presste meine Schenkel so fest es ging an seine bebenden Flanken, krallte meine Finger in eisernem Griff in die struppige Mähne und legte mich möglichst flach an, um dem Wind keine Angriffsfläche zu bieten. Und ich fing an zu beten, denn dieses Mal sah es nicht so aus, als ob der freche Gaul nur Spaß machte. Ich war immer Atheistin gewesen, doch da man mir gerade gesagt hatte, dass es zumindest die griechischen Götter gab, trat ich mal eben dem griechischen Polytheismus bei. Keine Ahnung wessen Kind ich angeblich war, aber wer auch immer sollte gefälligst mal seine göttlichen Fühler ausstrecken und mir irgendwie helfen, wenn er schon nie Unterhalt bezahlt hatte! Aber leider schien mein göttlicher Elternteil gerade in einer ganz wichtigen Besprechung zu sein, denn die Bäume kamen immer näher und schließlich so nah, dass ich die Äste direkt mit meinem Gesicht und meinem restlichen Körper betrachten konnte. Unter großem Krachen durchbrachen wir den sonst so friedlichen Wald. Kurz vor dem Boden, konnte ich mich dann doch nicht mehr halten und schlug einige Meter entfernt von dem weißen Pferdekörper auf dem Waldboden auf, was mein Glück war, denn sonst wäre ich wohl unter Kids Masse begraben wurden. Aber auch so jagte unbeschreiblicher Schmerz durch meinen Leib. Ich bekam noch mit, dass etwas Anderes in der Nähe aufschlug, dann betäubte die Qual meine Sinne und schickte mich eine Runde schlafen. Kapitel 5: Wir machen einen unfreiwilligen Waldspaziergang ---------------------------------------------------------- „Taja!“ Eine undeutliche Stimme verdrängte den dicken Wattenebel aus meinem Gehirn und forderte mein Bewusstsein auf, mal wieder was für seine Lohnsteuerkarte zu tun. Allerdings brachte das auch die Anwesenheit des Schmerzes wieder, der sich anscheinend schon bis in die kleinste Ecke meines Körpers gefressen hatte und nun wie ein wildes Tier in meinen Muskeln und Eingeweiden wütete. So hatte ich das mit Liegen und Schlafen nun echt nicht gemeint. Ich wollte eigentlich gar nicht meine Augen aufschlagen, denn ich konnte mir gut vorstellen, dass selbst das kurze Heben eines Augenlids mit unvorstellbaren Qualen verbunden sein musste, so wie sich der Rest meines Körpers anfühlte, auch wenn ich mich nicht bewegte. Doch leider hatten die Personen um mich herum anscheinend keine Ahnung, wie zermatscht mein Körper war und dementsprechend auch kein Mitleid mit mir. Fast pustete es mir den Schädel weg, als er unsanft angehoben wurde. Etwas leicht Feuchtes drängte auf Einlass in meinen Mund, doch obwohl ich den Geruch von Popcorn eigentlich gern mochte, hatte ich absolut keinen Appetit. Wer will schon essen, wenn sich der ganze Körper anfühlte wie durchgekaut und wieder ausgespuckt? Aber es gab kein Erbarmen. Irgendwer presste meinen Kiefer auf und schaufelte das nach Popcorn riechende Zeug in mich hinein. Ich hätte denjenigen am Liebsten erschlagen, denn mein Kiefer war auch so schon kurz vorm Brechen und sich halb benommen etwas herunterwürgen zu müssen, war echt mies, auch wenn es eine Puddingartige Konsistenz hatte. Oder vielleicht auch gerade deswegen, denn ich mochte solche glibberigen Sachen nicht. Meine Kehle brannte, als ich das seltsame Zeug dann doch schluckte, nur um nicht zu ersticken. Von schwerem Husten gebeutelt, kam ich wieder zu mir. Statt meiner vorgenommenen Beschwerde über die unsanfte Behandlung kam allerdings nur ein trockenes Würgen über meine Lippen. Ich hatte beim Flugzeugabsturz echt gedacht, der Tag könnte nicht mehr schlimmer werden, doch ich hatte mich ziemlich getäuscht. Mein Körper war nun wirklich schrottreif. Ich schlug meine Augen auf, versuchte mich unter Tantalusqualen aufzurichten und musste feststellen, dass es doch gar nicht so qualvoll war, wie gedacht. Ich wusste nicht, mit was ich da gerade gefüttert worden war, aber anscheinend hatte es etwas von einer magischen Bohne aus Dragon Ball, denn ich fühlte mich mit einem Male erstaunlich besser. „Taja!“ Dennoch tat es etwas weh, als Nicky mir vor lauter Erleichterung um den Hals fiel. „Nicht so fest, du brichst mir noch die eben geheilten Rippen.“, knurrte ich leicht benommen. „Tut mir leid, Maus.“ Erst jetzt merkte ich, wie verdammt blass und sorgenvoll sie aussah. Mich hatte es wohl doch genauso schwer erwischt gehabt, wie ich es im ersten Moment vermutet hatte. „Geht es bei dir wieder?“ Ein Schatten trat heran, der sich der Stimme nach als Annabeth entpuppte. Meine Sprache war noch nicht richtig wieder aus dem Schlaf erwacht, sodass ich nur nicken konnte. „Gut. Seetanghirn steht auch schon wieder, nur Blackjack und Kid hat es ziemlich erwischt. Wir haben nicht mehr genug Ambrosia um beide vollständig zu heilen.“ Ihr Blick war von Sorge gezeichnet. Das wiederum machte mir Sorgen. Ambrosia war die Speise der Götter und hatte auf angehende Heroen einen heilenden Effekt. Das ich das Zeug überlebt hatte, war also nur ein weiterer Punkt der mir zu Denken geben sollte, den ich allerdings gewaltsam in die hintere Ecke meines Gehirns verbannte, denn wir hatten vorerst andere Probleme. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die es vom Himmel gepustet hatte. Meinem Denkapparat fehlten ein paar Erinnerungen bevor es schwarz geworden war, aber ich war mir sicher, dass ich eigentlich oben in der Luft auf einem Pferderücken sein und nicht zermatscht auf dem Waldboden kleben sollte. „Was war denn los?“, brachte ich mühsam heraus. Nicky sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Du und Percy seid anscheinend abgeschossen worden. Es hat keiner was Genaues gesehen, aber plötzlich seid ihr abgestürzt, weil eure Pegasusse getroffen wurden.“ Ich störte mich ausnahmsweise mal nicht daran, dass meine Freundin den falschen Plural benutzte, sondern war mit ihrer Aussage beschäftigt. Langsam kamen die Erinnerungen bruchstückhaft zurück. Ich hatte erst mitbekommen, dass etwas nichts stimmte, als der Gaul getrudelt hatte. An einen Angriff konnte ich mich allerdings nicht erinnern. Auch wenn Kid mir mit seinen Sprüchen die ganze Zeit ziemlich auf den Nerv gegangen war, so machte ich mir nun doch Sorgen, dass ihm bei unserer unfreiwilligen Kontaktaufnahme mit dem Erdboden etwas Schlimmes zugestoßen sein konnte. Ich rappelte mich auf und sah mich um. Die Bäume hatten zum Glück nicht so dicht gestanden, dass es uns hätte mehrfach aufspießen können, dennoch sah es um mich herum aus, als wäre eine Bulldozerarmada hier spazieren gefahren. Die Flügel der Pegasi hatten ordentlich Platz eingenommen und taten es auch jetzt noch, denn die beiden Verletzten lagen immer noch auf dem Boden rum. ‚Au ! Auuu ! Aua ! Hey Ziegenbock, sei bisschen vorsichtiger, ich will meine prächtigen Schwingen gern noch dran haben, wenn du fertig bist.’ Kid meckerte schon wieder, also konnte es ihm wohl nicht so schlecht gehen. Sein linker Flügel sah allerdings wirklich nicht gut aus. Zahlreiche Federn lagen lose am Boden und ein unschönes Loch mitten im Flügel, das Grover gerade versuchte zu verbinden, sprang einem ins Auge. Da Kid aber bei jeder kleinen Berührung zu zappeln begann, hatte Grover kaum eine Chance fertig zu werden. Percy saß ein Stück entfernt neben Blackjack, dessen Hinterlauf bandagiert war. Beide sahen mitgenommen aus. Aber vermutlich gab ich kein viel frischeres Bild ab. „Was machen wir jetzt?“ Nicky tauchte neben mir auf. „Wir sollten schleunigst zusehen, dass wir hier weg kommen. Ich habe ein sehr ungutes Gefühl.“ Auch Annabeth tauchte urplötzlich vor uns auf und das wörtlich gemeint, denn sie hatte sich mit Hilfe ihrer Tarnbaseballkappe unsichtbar gemacht und sich umgesehen. „Ja, ich auch. Es riecht nicht gut.“ Grover hatte den Pegasusflügel anscheinend doch noch gebändigt und kam nun zu uns. Er war schon die ganze Zeit ein ziemliches Nervenbündel, doch nun wirkte er wie ein verängstigtes Kaninchen auf Speed. Wenn ich eins noch aus den Bänden wusste, dann dass Satyrn Ungeheuer riechen können, wie die uns Halbblute. Es war also überhaupt kein gutes Zeichen, dass es für ihn nicht gut roch. Zu mal für Satyrn der Wald eigentlich das so ziemlich himmlischste Aroma versprühen sollte, was es geben konnte. Annabeth hatte also Recht. Wir mussten ganz schleunigst die Kurve kratzen. Nur gab es zwei entscheidende Probleme. Zum Einen hatten wir zwei verwundete Pegasi, die sicher nicht so schnell wieder fliegen können würden und zum Anderen wussten wir nicht wohin, denn wir waren in einem Wald herunter gekommen, wo wieder mal jeder Baum aussah wie der Andere. Gut, für mich als Botanikerin gab es da schon diverse Unterschiede, aber trotzdem war es hier mit Orientierung etwas kompliziert. „Annabeth, du und Grover nehmt am Besten jeweils eins der Mädchen mit auf euer Pegasus und bringt sie im Camp in Sicherheit. Ich pass solang auf die Beiden hier auf. Ihr könnt mir dann ja etwas Hilfe schicken.“, verkündete Percy seinen Plan. Allerdings nahm Annabeth den nicht gerade begeistert an: „Du hast wohl wirklich Seetang im Hirn! Wir werden dich hier sicher nicht allein mit zwei wehrlosen Pegasi lassen, wenn womöglich eine Horde Monster in der Umgebung herumschleicht.“ Aber der mutige Hauptcharakter lächelte nur, griff in die Tasche seiner Jacke und wenige Augenblicke später, leuchtete eine bronzene Klinge im sonst recht düsteren Forst: „Ich weiß mich schon zu verteidigen.“ Wie er da so in Heldenpose mit seinem Schwert Anaklusmos, auf deutsch Springflut, in der Hand dastand, wirkte er schon ziemlich imposant, auch wenn man ihn sonst wohl eher für einen ganz normalen, wie ich mich erinnerte, 14 jährigen Teenager gehalten hätte. Mit seinem schwarzen Haar und den meergrünen, leuchtenden Augen sogar einen ziemlich Süßen, wie ich zugeben musste, doch das spielte jetzt keine Rolle. Seine Freundin ließ sich jedenfalls nicht beeindrucken: „Kommt nicht in Frage. Du weißt ganz genau, dass ER nur darauf wartet dich allein anzutreffen, um dich in die Finger zu bekommen!“ Obwohl Annabeth tunlichst Namen vermied, denn die hatten immer Macht, konnte ich mir vorstellen, wer mit dem Personalpronomen gemeint war. Chronos – einstiger Anführer der Titanen, Vater des Zeus und der Hälfte der olympischen Zwölf, machthungriger Irrer, der eigentlich für alle Ewigkeit zerstückelt in den unendlichen Tiefen des Tartaros, der Abfallgrube der Götter, liegen sollte. Doch leider hatte er irgendwie ein paar finstere Schergen um sich versammeln können, von denen Luke sich als Obermacker aufspielte. Die versuchten ihn zu allem Übel in einem protzigen goldenen Sarg wiederzubeleben. Und das leider auch noch mit zunehmendem Erfolg. Noch war er nicht gänzlich wiedererstarkt, doch mit jedem Halbblut, das sich seiner unheilvollen Gang anschloss, wuchs seine zerstörerische Macht. Und Percy war ein sehr mächtiges Halbblut, da er zum Einen der Sohn eines der großen Drei war und dazu zu seinem Leidwesen auch vermutlich noch von einer alten Prophezeiung auserkoren war, mit seiner Entscheidung für oder gegen die amtierenden Götter mal eben das Schicksal der Welt zu beeinflussen. Dass Chronos Percy deshalb nur zu gern in seiner Mannschaft haben wollte, war nur logisch. Doch leider beließ er es nicht bei „Komm auf die Dunkle Seite, wir haben Kekse“- Anwerbeversuchen, sondern schickte gleich mal Hordenweise Monster um Percy zu ‚überzeugen’, dass er es bei Großvater Chronos am Besten hatte. Percy zog Gefahr also praktisch an, sodass es nur nachvollziehbar war, dass Annabeth ihn nicht alleine lassen wollte. Außerdem hatte er von Natur aus die Neigung sich mit unüberlegten Handlungen in Schwierigkeiten zu bringen. „Aber es ist wichtiger die beiden Neuen in Sicherheit zu bringen. Ich komm schon klar.“ Ja, das war eindeutig Percy Jackson. Immer zuerst um seine Freunde besorgt, auch wenn ihm eine Ungeheuerarmee an den Fersen klebte, die seinen Tod wollte. Auch wenn ich wusste, dass er schon ne Menge unfreiwilliger Kampferfahrungen gesammelt hatte und sicher einigen Monstern problemlos den Gar ausmachen konnte, behagte auch mir der Gedanke nicht, ihn allein zurück zu lassen. „Vergiss es!“ Annabeth wirkte regelrecht erzürnt, aber vermutlich nur aus Sorge um ihn. „Ich schaff das schon.“ „Nein!“ „Aber sicher!“ „Ihr streitet euch ja wie ein altes Ehepaar.“, warf Nicky grinsend in den Disput der beiden Halbblute ein. Den Gedanken hatte ich auch schon gehabt, nur hatte ich mich zurückgehalten ihn auszuposaunen, da ich Percys Gefühle gegenüber Annabeth kannte und ihn das mit Sicherheit in Verlegenheit bringen würde. Nicky wusste eigentlich auch was Sache war, aber ja. Wie nicht anders zu erwarten war, verstummten beide. Während Annabeth nur genervt die Augen verdrehte, lief Percy ziemlich rot an, was er zu vertuschen versuchte, indem er plötzlich Blackjacks Verletzung noch einmal einer genaueren Untersuchung unterzog. Aber zumindest war Ruhe eingekehrt. Lösung hatten wir allerdings immer noch keine. „Grover, würdest du bei Percy bleiben? Dann kann ich die Mädchen notfalls verteidigen, wenn wir noch mal angegriffen werden und du kannst zumindest aufpassen, dass er keinen Quatsch macht.“ Annabeth hatte die kurze Pause zum Grübeln genutzt und natürlich einen Plan entworfen, wie es sich für eine Tochter der Athene gehörte. Bei diesen Worten erstarrte Grover geradezu angstvoll. „Ehm, Annabeth, wäre es nicht besser, du bleibst hier und ich fliege mit den Mädchen ins Camp?“ Vor lauter Nervosität hörte sich Grover wie eine meckernde Ziege an. Es sah ganz so aus, als würde er nichts sehnlicher wollen, als hier weg zu kommen. Annabeth schien diesen Gedanken abzuwägen. Grover hatte sich zwar auch tapfer durch alle bisherigen Abenteuer geschlagen, aber im Kämpfen war er nicht gerade der Talentierteste, zu mal er nicht mehr als eine Panflöte zu seiner und unserer Verteidigung besaß und nur mit schiefen Interpretationen von irgendwelchen Charthits würde er sicher nicht alle Monster platt machen können. Allerdings hatte Grover es auch schon geschafft Percy mehr oder weniger heil im Camp abzuliefern und sich für einige Monate allein auf die große Pan-Suche gemacht, die zwar auch nur dazu geführt hatte, dass Percy ihn aus den Fängen eines Zyklopen retten musste, aber ja. Dennoch hatte er schon seinen Mann- eh Bock- gestanden und so konnte man ihm schon etwas zutrauen. „Von mir aus. Aber sei wachsam. Wenn irgendetwas passiert, versteckt euch und kontaktiert notfalls Chiron. Etwas Wasser werdet ihr schon finden.“ Schließlich stimmte sie dem Vorschlag zu. Ich hatte dazu allerdings eine andere Meinung: „Und was ist mit Kid und Blackjack? Wenn ihr angegriffen werdet, könnt ihr kaum kämpfen und sie gleichzeitig im Auge behalten. Zumindest eine von uns sollte hier bleiben und euch Rückendeckung geben. Grover und Nicky können ja ins Camp fliegen und Hilfe holen.“ Ja ich weiß, gerade eben hatte ich mich noch mit jeder Faser meines Körpers geweigert, die ganze Sache als real zu akzeptieren, doch nun, da ich allmählich begriff, dass dies hier im Grunde das Abenteuer war, auf was ich schon seit Jahren wartete, wollte ich mich nicht so einfach wegschicken lassen. Nicky in Sicherheit zu schaffen, hatte für mich dabei aber trotzdem höchste Priorität. Doch ich hatte die Rechnung natürlich ohne meine liebe Freundin gemacht, denn die hatte genauso wenig Lust, sich etwas entgehen zu lassen: „Wie wäre es denn, wenn wir einfach alle hier bleiben, die Pegasusse sich wieder aufraffen und wir einfach langsam zum Ziel laufen? Ich weiß ja nicht, wie viele Horrorfilme ihr schon gesehen habt, aber es ist doch immer so, dass die Leute eigentlich nur angegriffen und getötet werden, sobald sie sich aufteilen, oder?“ Grover gefiel diese Variante so ganz und gar nicht: „Aber…aber, sollte nicht vielleicht wenigstens Einer Hilfe holen?“ Annabeth war ganz und gar nicht dumm und so entging ihr natürlich ebenso wenig, dass ihr Ziegenkumpel schleunigst die Kurve kratzen wollte: „Gut, Grover dann flieg du zurück ins Camp. Alleine solltest du schnell genug sein, um einem Angriff zu entgehen. Verständige bitte Chiron. Vielleicht kann er uns Argus mit einem Transporter für die beiden Verletzten schicken. Wir versuchen in der Zwischenzeit so weit es geht in Richtung Camp zu laufen.“ Kaum stand nun unser Schlachtplan, schwang sich Grover auf sein Pegasus und war im Nu davon. Etwas verwirrt schaute ich dem Satyr nach. Irgendwie benahm er sich merkwürdig. Auch Annabeth entschwand keinen Augenblick später, da sie unsichtbar die Gegend nach potenziellen Gefahren sondieren wollte. Der klägliche Rest half den beiden verletzten Pferden auf die Hufe. Kid hatte es zwar nur den Flügel demoliert, dennoch jammerte er bei jedem Schritt, als hätte er sich alle Knochen gebrochen. Blackjack, der ja wirklich eine Laufbehinderung hatte, nahm sich ein Beispiel an seinem heroischen Reiter und biss die Kauleiste zusammen. So spazierten wir immer und immer weiter durch den Forst. Wir kamen zwar nur langsam voran, aber wir kamen voran. Ab und zu schwang sich auch Annabeths Pegasus auf die Flügel um zu erkunden, ob wir noch in etwa die richtige Richtung hatten, denn einen Kompass hatte natürlich niemand mal eben einstecken, MacGuyver war leider auch nicht da um uns eine „Wie bastel ich einen Kompass aus einer Haarnadel und Socken“-Lehrstunde zu geben und auch an einem Hexenhaus kamen wir nicht vorbei, an dem wir hätten nach dem Weg fragen können. So liefen und humpelten wir auf gut Glück durch einen ziemlich düsteren Nadelwald und hofften vielleicht irgendwann mal an eine Straße zu kommen, an der man sich besser orientieren konnte. Aber für eine ganze Weile begleiteten uns nur Bäume, nichts als Bäume und abermals Bäume. Oder zumindest fast. Während ich Kid ein wenig führte, damit er sich bei seinem theatralischen Gebärden auf dem unebenen Untergrund nicht noch tatsächlich die Beine brach, schaute ich mich eine Weile lang um und versuchte die am Boden wachsende Flora ein wenig näher zu bestimmen. Da die Nadelbäume erstaunlich mächtig waren und dichte Kronen hatten, kam nur sehr wenig Licht nach unten durch, was sowohl für eine ziemlich düstere Atmosphäre, die geradezu eine Paradiesszenerie für unerwartete Monsterangriffe war, als auch für ziemlich spärlichen Unterbewuchs sorgte. Aber auch davon erkannte ich nur ziemlich wenig, was mich ein wenig enttäuschte, denn ich hätte mich irgendwie gern mit etwas Vertrauten umgeben, während ich mit zwei fremden Teenagern und vier fremden Pegasi in einem fremden Wald eines fremden Landes spazieren ging und uns vermutlich noch viel fremdere Monster belauerten. Aber da die Pflänzchen nicht für Ablenkung sorgten, musste ich mir wohl selber welche verschaffen. Es gab da nämlich noch eine Frage, die mir zu schaffen machte. Also trieb ich Kid ein wenig an, um zu Percy aufzuschließen, der die Führung unserer kleinen Invalidentruppe übernommen hatte. „Percy? Kann ich dich mal was fragen?“, sprach ich ihn leise an. Die hinkenden Pferde und unsere nicht ans Schleichen gewöhnten Schritte waren zwar so schon nicht gerade geräuschlos, aber in der sonstigen Tonarmut des Waldes wollte ich durch lautes Reden nicht unangenehm auffallen. „Klar, was gibt’s denn? „Es ist zwar nicht gerade überlebensnotwendig, aber ich wollte wissen, was mit Grover los ist. Er wirkte so, wie soll ich es sagen, gehetzt?“ Grover war noch nie der Ausgeglichenste gewesen, aber so extrem nervös war er nicht beschrieben wurden und dass er geradezu darum gebettelt hatte, seine Freunde allein lassen zu können, hatte mich nun wirklich sehr verwundet. Der Satyr war zwar nicht immer eine Hilfe in allen Kämpfen gewesen, aber das hatte ihn noch nie daran gehindert seinen Freunden beizustehen. Auf meine Frage hin, seufzte Percy erst einmal. Er sah auch nicht gerade glücklich aus, als er zögerlich antwortete: „Naja, Grover geht es seit einiger Zeit nicht so gut. Ich weiß ja nicht wie weit ihr euch auskennt, aber vor ein paar Monaten hat er einige Male Kaffee getrunken und daraufhin Pan gehört. Es ist ja sein Lebensziel den vermissten Waldgott zu finden, deshalb war er natürlich total aufgeregt und seither…“ „Lass mich raten, trinkt er nur noch Kaffee?“ Ich konnte mich noch gut dran erinnern, wie das Buch geendet hatte. Grover hatte sämtliche Satyrn im Lager mit seinem „Trinkt Kaffee und ihr hört Pan“-Wahn angesteckt und dann angeblich noch mal Pan gehört, der ihn um Hilfe gebeten hatte. Aber das war vor fünf Monaten gewesen und ich hatte eigentlich angenommen, dass es sich mit dem Kaffeegeflüster langsam mal gegeben hatte. Percy nickte deprimiert: „Ja leider. Er schläft und isst kaum noch, sondern trinkt nur noch dieses eklige Gesöff. Er ist das reinste Nervenbündel und wartet nur darauf, was ihm die Kaffeebohnen als nächstes erzählen. Am Liebsten wäre er sofort wegen Pan losgestürzt, aber Chiron hat sämtlichen Satyrn Ausgangsverbot erteilt, weil es viel zu gefährlich ist, solang wir nicht wissen was Chronos als nächstes plant. Die Monsterangriffe haben sich in den letzten beiden Monaten auch immer mehr verstärkt. Wir brauchen also jede Unterstützung. Also sitzt er praktisch auf glühenden Kohlen und trinkt deshalb nur noch mehr Kaffee. Langsam glaub ich durch seine Ader fließ gar kein Blut mehr, sondern Kaffee.“ „Oh je, wirklich so schlimm?“, hakte Nicky nach, die das Gespräch natürlich ebenso verfolgt hatte. „Ja leider. Früher hat er sich Dosen als Snack mitgenommen, heute kippt er sich die braune Brühe rein und lässt die Verpackung unbeachtet. Nicht mal Enchiladas interessieren ihn mehr. Außerdem ist er furchtbar schreckhaft geworden.“ Percy klang so traurig, dass ich richtig Mitleid bekam. Immerhin war Grover sein bester Freund und wenn der Ziegenknabe schon keinen Hunger auf Enchiladas, seiner absoluten Lieblingsspeise, und Verpackungen hatte- nur zur Erklärung, aus irgendeinem Grund fressen Satyrn alles mögliche an Kunststoff, vermutlich um die Umwelt zu entlasten- musste es ziemlich ernst sein. „Wollte er deshalb auch so schnell von hier weg?“, erkundigte ich mich noch mal genauer, woraufhin Percy nickte. „Sein Espressovorrat war aufgebraucht und ohne wenigstens eine Dose innerhalb von einer Stunde dreht er völlig durch.“ „Ihr müsst ihn einfach mal auf Entzug setzen, sonst macht er sich ja noch fertig.“, schlug Nicky vor. Der Junge zog die Augenbrauen hoch und seufzte: „Die Idee hatte Annabeth auch schon. Aber er ist danach gleich ganz zusammengebrochen und lag zwei Tage wie ein apathischer Zitteraal herum. Außerdem schafft er es auch immer wieder irgendwie heimlich an das Zeug zu kommen. Es hat sich fast schon ne Kaffe-Mafia im Camp gebildet. Ich hab’s zwar noch nicht gesehen, aber ich hab das Gefühl die Steel-Brüder stecken dahinter.“ Schmugglerei war bei Kindern des Schutzgottes der Langfinger ja nun auch nicht abwegig und dass es bei den Satyrn einen reißenden Absatzmarkt gab, war ebenso logisch, denn ohne das koffeinhaltige Gebräu könnten sie ja vermutlich Pans nächsten Anruf verpassen. Ich hatte zwar keine Ahnung warum Pan ausgerechnet durch hochkonzentrierten Kaffee plaudern musste, es sei denn natürlich er saß auf ner Kaffeeplantage als lebendiger Düngerspender fest, wurde bei Starbucks zu Zwangsarbeit genötigt oder klemmte irgendwo in einer Kaffeemühle, aber das war wohl zunächst unser geringstes Problem. Percy fiel nämlich gerade noch etwas anderes auf: „Sagt mal, wie lang ist es her, dass Annabeth das letzte Mal hier war?“ Das Mädchen mit der unsichtbar machenden Yankees Baseballmütze hatte uns aller paar Minuten etwas zu geflüstert, um die Lage zu checken. Doch nun waren bereits zehn Minuten ohne einen Statusbericht vergangen, wie mir ein Blick auf die Uhr verriet. Besorgt sah sich Percy um. Doch im schattigen Zwielicht der Bäume war nicht die kleinste Bewegung zu erkennen oder zu hören. Letzteres war etwas, was mich dann doch stutzig machte. Natürlich, ein Wald war keine Partymeile und man erwartete nur etwas Rascheln der Nadeln im Wind, hier und da einen knackenden Ast, ein grunzendes Wildschwein oder ein paar lieblich zwitschernde Vögel, aber hier war nichts davon. Nicht mal ein einziger verirrter Piepmatz gab einen Laut von sich. Es herrschte praktisch Totenstille. Nicht gut. Gar nicht gut. Auch Percy und Nicky hatten mein Lauschen nach Nichts bemerkt. Als uns drei klar wurde, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, blieben wir automatisch stehen. ‚Ach na endlich ne Pause! Ich dachte schon wir wollen einen Marathon laufen. Und das mit meiner Verletzung.’, beklagte sich Kid mal wieder in einem übertrieben erschöpften Tonfall. Doch keiner von uns hatte den Nerv dem Hypochonder die Meinung zu geigen. Dazu lauschten wir alle Drei viel zu gespannt in die Stille. „Annabeth!“ Percys Ruf war nicht mehr als ein Flüstern, das auch vom Wind hätte kommen können, wenn Wind gewesen wäre. Der hatte sich nämlich auch schon klammheimlich aus dem Staub gemacht, was die ganze Umgebung nur noch lebloser machte. Nichts geschah. Wir warteten eine Weile, doch von unserer Späherin fehlte jedes Lebenszeichen. Auf Percys Gesicht breiteten sich tiefe Sorgenfalten aus. „Vielleicht ist sie einfach nur etwas weiter entfernt und kann uns nicht hören.“, wisperte ich Percy zu, bevor ich ebenfalls leise nach Annabeth rief. Doch wieder herrschte nichts als gähnende Stille. „Annabeth!“ Nicht nur Nickys ziemlich grauenvolle Aussprache des „th“ ließ mich zusammen zucken, sondern auch die Tatsache, dass sie es fast in normaler Lautstärke herausposaunt hatte. Vermutlich hatte sich meine Freundin nur versehentlich in der Lautstärkereglung ihrer Stimme vergriffen, das passierte ihr ab und an, doch ich hoffte ganz stark, dass ihr Ruf für die potenziellen Monster in der Umgebung nicht wie ein „Hier gibt’s Futter“-Riesenleuchtpfeil war. „Bei Hades Turnhose, ich bin nicht taub! Hört auf so einen Krach zu machen, hier schleicht etwas herum.“, zischte es plötzlich ganz nah bei uns. Ich wusste zwar nicht, was Percy und Konsorten immer mit der Sportunterwäsche des Chefs der Unterwelt hatten, aber Fluchen war wahrscheinlich auch nicht einfach, wenn es mehrere Götter gab, denen man aber um, äh Zeus Willen, ja nicht auf den Schlips treten durfte, wenn man sich noch auf dem Olymp blicken lassen wollte. Aber ich war froh Annabeth raunende Stimme zu hören. Zumindest hatten unsere Gegner ihr Abendmahl noch nicht begonnen. Percy sah auch gleich viel entspannter aus, auch wenn er versuchte sich das nicht anmerken zu lassen: „Hast du etwas gesehen?“ Annabeth setzte ihr Baseballcappi ab und wurde wieder sichtbar, sodass uns ihr Kopfschütteln nicht entging: „Nein, ich hab nur etwas gehört. Ich bin nicht nah genug heran gekommen, aber es scheinen entweder mehrere zu sein oder etwas Großes. Jedenfalls ist es in der Nähe und da ihr ja dummerweise stehen geblieben seid, hat es wohl schon aufgeholt. Ich denke wir sind aber sowieso zu langsam, also werden wir uns früher oder später einem Kampf stellen müssen. Hier ist es aber nicht gerade geeignet, also lasst uns weiter gehen und einen besseren Ort mit Verteidigungsmöglichkeiten suchen.“ Die Tochter der Athene war ganz in ihrem Element. Mit einem kundigen Blick hatte Annabeth die Umgebung sondiert und schnell einen groben Schlachtplan entwickelt, dem keiner etwas zu ergänzen hatte. Alles war besser als hier herumstehen, denn mittlerweile legte sich das Schweigen des Waldes wie eine viel zu dicke Steppdecke über unser Gemüt und mit dem Wissen, dass da tatsächlich etwas hinter uns her war, wurde das Ganze echt ziemlich unheimlich. Auf meiner Haut fühlte ich eine seltsame Spannung, so als wäre mir die Epidermis plötzlich zu eng. In Anbetracht dessen, dass uns wohl in Kürze ein Kampf gegen weitere mythische Wesen bevorstand, kehrte auch das flaue Gefühl in der Magengegend zurück. Ich hoffe echt, dass Percy und Annabeth gut im Training standen. Nicky und ich waren zwar eigentlich Karatekas, aber leider ziemlich aus der Übung und ich für meinen Teil hatte ja schon erlebt, wie sich mein Angsthase von Körper einem Monster gegenüber verhielt. Vermutlich wäre es doch ratsam gewesen mit Grover mit zufliegen. Doch nun war es zu spät um die abenteuerlustige Stimme in meinem Kopf für ihren Vorschlag zu rügen und ich wollte die beiden Verletzten auch nicht im Stich lassen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf das zu warten, was da kommen sollte. Und das kam plötzlich ziemlich rasch. Mit einem Male war die Stille unter dem Nadeldach gar nicht mehr so still. Nadeln knirschten, Äste barsten und das aus mehreren Richtungen. Die Jagd war anscheinend eröffnet und wir waren die bemitleidenswerte Beute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)