Rullett von Nachtwandler (Hey Tony, legg nå ner din mandolin ...) ================================================================================ Kapitel 1: Rullett ------------------ Oh, es war ein schöner Abend gewesen, ohne Zweifel, als sie begonnen hatten zu trinken, bis zu dem Zeitpunkt, als jener fatale Vorschlag zu Gespräch kam. "Hey, entspann' dich, Dominique, es ist nur ein Spiel, solamente un gioco di azzardo, capisce?" Sein gewinnendes Lächeln, er hat es noch nie gemocht. Marcello kann immer lächeln. Über alles. Und egal, wie die Welt um ihn herum aussieht, egal, wer es diesmal war. Er ist es, der die Bilder entlang der schmalen Treppe hinunter in den warmen Keller, in dem die Luft an solchen Tagen röchelnd unter der Masse des Zigarettenqualms zusammenbricht, aufhängt. Jene Treppe, die du nur hinunterkommst, wenn du seitlich gehst, sodass du ihnen in die Augen sehen kannst, wenn du sie hinabsteigst, die Gesichter derer, die das Spiel spielten, die hinabstiegen und nie mehr hinauf. Manche der Gesichter kennst du, manche waren früher einmal deine Kameraden, deine Freunde, deine Rivalen - hier sind sie alle gleich. Von ihnen, von denen selten mehr übrig bleibt, als ein Haufen Asche, den der Wind verweht, hängt Marcello Bilder auf, hat Nägel zwischen die Lippen geklemmt und pfeift leise dabei. Sie hätten überhaupt nicht dort hin gehen sollen, aber Tony und zwei seiner Freunde hatten etwas über den Durst getrunken und waren in Feierlaune. Und alle (von ihm einmal abgesehen) hielten es offenbar für eine gute Idee. Dabei war es schon eine schlechte Idee, überhaupt hierher zu kommen und so versucht Dominique jetzt das schlimmste zu verhindern. "Du weißt, wenn Tony etwas passiert, dann bin ich dran." Es ist ihm ernst, es ist ihm immer ernst, immerhin hat er sich verpflichtet, aber sie haben ihn dazu gedrängt und dann war es doch Tony, der davon angefangen hatte, der unbedingt mitmachen wollte - hast du denn eine Ahnung, was du da tust und wenn du das schon nicht hast, warum machst du dann mit? Tony, wenn du verlierst, dann stehst du ganz alleine da, hatte er er zu ihm gesagt, wenn du verlierst, dann kann keiner dir helfen. "Ah, komm, du kannst doch nichts haben gegen ein bisschen Spannung unde Spaß, gegen ein kleines Spiel, nein?" Und Tony hatte gelacht, lauthals hatte er gelacht - wer sagt denn, dass ich verlieren werde?, schien er sagen zu wollen, 'Glaub' mir, ich bin kein Verlierer', hat er gesagt. Und Marcello lächelt und tut nichts und allein bei diesem Anblick würde er ihm am liebsten an den Hals fallen, bis Marcello begreift, dass auch er, auch er eines Tages verlieren wird. Wenn es nur ein Spiel wäre. Aber es ist ja kein Spiel und das weiß Marcello, das weiß er, Dominique, aber Tony - der glaubt es ihm nicht. "Ich mein's ernst, Marcello. Wenn Tony etwas zustößt, dann ...", er bewegte seine Hand in einer unmissverständlichen Geste quer über seine Luftröhre. "Sì, sì ... wir passen auf. Wenn es kommt zu, sagen wir ... für ihn zu .... gefährlicher Situation, du sagst: Aus, Schluss. Dann ist sofort Schluss. Und dann du nimmst Klein-Tony und gehst." Und Marcello lächelt und lügt. An den Wänden die Treppe hinunter die Bilder. Die Gesichter derer, die das Spiel spielten, die hinabstiegen und nicht wieder hinaufkamen, weil das Blei sie unten behielt. Sieh sie dir an, merk dir ihre Gesichter, sieh dir ihre Augen an - aber Tony lacht nur, er lacht lauthals. Tony lacht überhaupt viel, er raucht viel, er sitzt am Ende mit offenem Hemd an die Heizung gelehnt, am Ende, als das Spiel seinen Anfang nimmt und Marcello ihm, Dominique, sein erstes Wein in die Hand drückt, gerade, als er anfängt langsam nüchtern zu werden, jedenfalls kommt es ihm so vor, gerade in jenem Augenblick, als ihm dämmert, dass es vielleicht keine so gute Idee war. "Komm trink' was." Wenn Marcello trinkt, dann ist er freundlich. Sehr freundlich. Wenn Marcello trinkt, dann ist er charmant - kurz: wenn Marcello trinkt, dann kann man ihm nichts abschlagen, dann nimmst du auch das Glas, dass er dir hinhält, gefüllt mit seinem besten Wein - der in ebendiesem Keller lagert, dann nimmst du die Zigaretten, die er dir anbietet und dann trinkst du und dann rauchst du. Und wenn dir nichts mehr bleibt und wenn du schon nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht, dann schiebt er dir unter der Hand etwas Schnee zu - es ist doch noch nicht einmal Ende November, dir ist doch warm genug, nicht wahr? - und noch schiebst du es weg, weil du dich noch im Griff hast, aber er wird es ja nachher noch einmal versuchen. Eine feuchtfröhliche Atmosphäre, Rauchschwaden, Gesang. Dann hörst du nur mit einem halben Ohr, wie einer sagt: "Komm, compangno, dreh' die Trommel, dreh sie gut." Und Tony dreht sie und gibt den Revolver an Lambretti, der ihm am nächsten sitzt, der schluckt, trinkt sein Glas in einem Zug zur Neige, zieht dann noch einmal an seiner Zigarette und drückt sie mit einem bedauernden Gesichtsausdruck aus. Setzt sich dann die Mündung an die Schläfe. Spannt den Hahn, krümmt den Finger, kneift die Augen zusammen, ein kurzes, allgemeines Innehalten, das Dominique wieder aus seiner in Wein ertrinkenden Starre reißt, und - Klick. Lambretti lässt die Hand mit der Waffe sinken, wischt sich den Schweiß von der Stirn, lacht laut auf und zündet sich die nächste Zigarette an, inhaliert tief und stößt den Rauch wie eine Fontäne gen Decke, als er die Augen schließt und den Kopf in den Nacken legt, wohl damit keiner sehen kann, wie nahe er daran ist, zu flennen, Lambretti spielt es noch nicht lange, das "Spiel" und Dominique vermutet - Marcello schenkt ihm Wodka ein, er stößt mit ihm an, er stößt mit den anderen in der Runde an, dann trinken sie - dass er es nicht lange machen wird. Oder er hört vorher damit auf. Aber das wird er nicht und dann nimmt es eben das böse Ende, ah, Tony und geanuso wird es dir ergehen, wenn du nicht vorher damit aufhörst. Aber Tony sitzt etwas desinteressiert abseits, mit einem von jenen schönen Mädchen, die an solchen Tagen in Marcellos Keller auf den Tischen tanzen, und den Abend mit süßen Worten und ein wenig Gesang versüßen und die er gut dafür bezahlt, dass sie den schönen Mund halten. Tony flüstert ihr etwas ins Ohr und sie fängt an zu kichern, als ob sie noch mindestens halb so alt wäre, wie die ganze Schminke sie macht, was sie nicht ist. Gut so, gut so, er kann sehen, wie Tony der Kleinen die Mandoline entwindet und anfängt, darauf zu klimpern. Diririririri-din-din-din-din-din-din ... singt die Mandoline. Klick. antwortet der Revolver und wird ohne Tony weitergegeben, das ganze geht heute Abend irgendwie stockend vorwärts, Dominique trinkt noch ein Glas, hat es bereits aufgegeben zu zählen und gibt sich nach einem weiteren schrägen Schielen auf Tony (Diririririri-din-din-din-din-din-din ...) viel zu vertrauensvoll in die Hände Marcellos, der ihm ein Glas nach dem anderen füllt. Sein nächster Blick in Richtung Mandolinengeklampfe lässt Personen schon in dezente Zwillinge auseinanderfallen. Wenn es doppelt so viele wären, fragt er sich dann, würden dann zwei oder nur einer sterben? Und wenn ja, wäre das dann ein und die selbe Person? Blöder Gedanke, schnell wegspülen. Thoma Mascarpone, der Hagere, der in seinem Anzug immer halb verhungert aussieht, der auch jetzt keine Miene verzieht, wenn er beseitigt, beerdigt und jeden Sonntag für die Seelen der Armen in der Kapelle über dem schmalen Grat betet, nimmt den Revolver als Nächster. Ohne mit der Wimper zu zucken. Auch jetzt, den Revolver an der Schläfe. Klick. Und legt ihn unbeeindruckt zurück auf die Tischplatte. Als ob das notwendig wäre - das ganze hat kein bisschen Pschüscho-psicha-Pschülat ... Pschüschologie. Oder so. Sein Kopf dreht sich, wenn Dominique zu viel nachdenkt, zumindest hat er das Gefühl, dem wäre so. Worauf es ankommt, ist, es zu tun, ohne allzu viel darüber nachzudenken, denn dann könnte man Zweifel bekommen, dann könnte einem aufgehen, was für einen tödlichen Blödsinn man im Begriff ist zu tun. Dann wäre man vielleicht im Begriff ... im Begriff ... wo ist die zweite Hälfte dieses Satzes ... man würde es nicht tun, punktum. Aber man macht's trotzdem, weil ... weil ... weil man nicht denkt. Oder so. Zufrieden mit dieser fatalen Erkenntnis will Dominique gerade den Kopf auf die Tischplatte sinken lassen, als Marcello ihm etwas vor die Nase bröselt. "Da, zieh dir das mal rein." "Hmm?" Sein zweifelnder Blick aus schwerlidrigen Augen, er sieht schon nicht mehr nur einen Marcello, der ihm gegenüber sitzt, der Hund, der gerade versucht, ihn unter den Tisch zu trinken, aber das schafft er nicht, ha!, jetzt hat er schon einen Zwilling, beide sitzen sie ihm gegenüber, diabolisch lächelnd, wenn da nicht der Staub vor ihm wäre, den die beiden vor ihm ausgeschüttet haben, dann würde er ... Reiner, weißer Russe - russischer Schnee. Marcello weiß, wo deine Schwächen liegen und wenn du genug getrunken hast, dann führt er dich in Versuchung. "Ich pass auf. Ich pass auf", sagt Marcello und Dominique glaubt ihm kein Wort, aber es braucht ohnehin keine Überzeugungskraft mehr, denn er hat sein Röllchen bereits gerollt und hängt sich jetzt über den Tisch, der weiße Staub verschwindet schneller, als er da war. Schnee, der in der Hitze einer durchzechten Nacht schmilzt. Durchatmen, nicht niesen und fühlen, wie die der Schnee sich langsam in sein Hirn einschleicht, langsam, weiß und ... was bezweckt Marcello eigentlich damit? Diririririri-din-din-din-din-din-din ... singt die Mandoline. Aber sei's drum, wenn Tony nur aufhören würde, jene Melodie zu spielen, die er schon seit geschlagenen zehn Minuten vor sich hin klampft - sie zersägt ihm irgendeinen Knochen direkt zwischen den Ohren. Der Schnee zieht Dominique über eine bestimmte Grenze, eine Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Jetzt hat er nicht einmal mehr das Bedürfnis zu schlafen, weil er nicht mehr weiß, ob er denn schläft und wenn er noch mehr schlafen würde, ob er dann wirklich schlafen würde oder ob er dann schon langsam mit dem Sterben anfangen könnte. Klick. Nur wenn du ein Dealer bist, dann sollst du selbst deinen eigenen Stoff nicht ziehen. Aber er, er ist ja kein Dealer, was war also gegen eine kleine Prise Schnee einzuwenden ... es war ja noch nicht einmal Ende November und selbst draußen lag schon Schnee. Und der nächste, der nächste in der Reihe, den kennt er auch, aber seine Gedanken weigern sich weiter zu denken, in seinem Kopf verschwimmt alles zu einem sanften, weißen Rauschen, das dem eines Radios ohne Frequenz nicht unähnlich ist und am liebsten würde er einfach schlafen, schlafen, die ersten Sterne kann er schon aus den Ecken des Raumes funkeln sehen, obwohl er nicht mehr ganz sicher ist, ob er sie vielleicht auch nur hört, er hört sie funkeln und er kann sie schmecken - der Stoff war das allerletzte. Und dann ist Paolo Passarelli neben ihm, urplötzlich und aus einem Reflex heraus will er zuschlagen, aber seine Bewegungen sind so tumb wie die eines Menschen im Raumanzug. "Komm schon, Dominique, nimm -" einladend wird ihm der Griff des Revolvers entgegegengestreckt, nein, ich gebe dem Teufel nicht die Hand, nicht heute Abend, ich muss Tony - was war eigentlich mit Tony ... ? Vor allem, welcher Tony? Diririririri-din-din-din-din-din-din ... singt die Mandoline. Metall, das unnachgiebig gegen seine Handfläche gedrückt wird. Und Dominique greift doch zu und langsam, langsam hebt er den Arm, da ist Metall, warmes Metall an seiner Schläfe, und jetzt? Was tust du jetzt? Revolver, 9 mm. Hier bin ich wieder ... er überlässt es seiner Hand das tun, es geht langsam, es geht schwerfällig, auch wenn er das Gefühl hat, mit jeder Bewegung ein Stück mehr zu rosten, aber es geht und - Klick. ... die Mechanik, die Maschinerie arbeitet. Das fünfte Klicken erreicht ihn, als er gerade beginnt zu begreifen, was er da getan hat. Oder es zumindest versucht, über die Wirkung der Droge hinweg, die sein Gehirn gerade in ein Schlachtfeld neuronaler Destruktivität verwandelt. Wer war das? War er selbst das oder war es - Paolo Passarelli, der jetzt wieder grinsend und ein wenig schwankend zu ihm herübergetaumelt kommt, sich neben ihn fallen lässt und einfach Marcellos Glas acquiriert. Er weiß nicht warum, aber es hat etwas, dass ihm den kalten Schweiß ausbrechen lässt. Aber was? Oder sind das nur die Nachwirkungen, aber von was - hat er selbst da gerade eben etwa wirklich ... ? - Egal, hoch das Glas, Passarelli prostet ihm zu und sie trinken. Und noch immer klimpert es, noch immer das gleiche Lied, immer das gleiche, bis zum Umfallen oder bis zum allgemeinen Wahnsinn. Dann schießt Passarelli mit einem Mal in die Höhe, hinter seinen Augen glänzt eine Idee, die Dominique nicht gefallen wird, die ihm überhaupt nicht gefallen wird, aber Dominique ist zu besoffen, um irgendwie darauf zu reagieren, geschweige denn, Protest einzulegen und das wird sein Verhängnis, das wird ihn brechen, aber das weiß er noch nicht. "Hey Tony, leg' die Mandoline hin - zeig uns, dass deine hübschen Hände auch etwas anderes können, als die Saiten zu kitzeln!" Gröhlendes Gelächter von allen Seiten. Diririririri-din-din-, die ewig gleiche Melodie, mit der inzwischen sogar das Mädchen von seiner Seite verscheucht hat, das sich jetzt da drüben an einen Kerl schmiegt, den die ganze Chose schon nicht mehr interessiert, vielmehr etwas ganz anderes, jene Melodie verstummt mit einem Mal schlagartig. Das hohle Geräusch, als die Mandoline auf dem Tisch zum liegen kommt, wird in seiner Erinnerung später wiederhallen wie ein Sargdeckel, den man schließt, aber zu jenem Zeitpunkt hätte er ohnehin nichts mehr tun können. "Hey Tony, leg' die Mandoline hin -" "... denn es ist an dir, die Trommel zu drehen ...", der Wein lässt die Zunge von Paolo Passarelli schwer werden. Sie drängen ihm die Waffe auf, und Tony ist so dumm, sie ihnen abzunehmen. "Dominique ... Dominique, tu doch etwas." Eine flache, leise Stimme von weit weit her, aber Dominique hört ihn nicht, er hängt mehr, als dass er sitzt auf seinem Stuhl, starrt in sein Glas und wundert sich über die bunten Sternchen, die vor seinen Augen Ballett tanzen, außerdem geht Tonys Stimme ohnehin unter. Er kann ihn nicht hören, er wird ihn nicht hören, er will ihn nicht hören, und als seine Stimme dann schließlich doch zu ihm durchdringt in sein Kokon aus Agonie, Alkohol und Schnee, da - "Dominique ..." Ach Tony, lass mich doch schlafen. Der Schnee ist eine leichte Decke auf meinen Augen, er deckt alles zu, alles. Komm, bring' es hinter dich wie ein Mann. Ich kann dir nicht helfen, wenn du verlierst, dann stehst du alleine da, verstehst du, keiner kann dir helfen, wenn du verlierst - dann stirbst du eben alleine. "Hey Tony ...", formen seine Lippen, er weiß selbst nicht warum, es ist ein letzter, verzweifelter Versuch eines Nuschelns. Hey Tony, leg die Mandoline hin - was war da falsch? Was war da gelaufen? Tony ist so bleich, haha, so bleich wie der Schnee ist er, der Tony, er hat doch wohl nicht zu viel davon durch die Nase gezogen - Marcello, der ihn zur Tür drängt, Marcello, der versucht, Tony zur Seite zu ziehen, doch dann die gröhlenden anderen, die ihn zur Tür von Marcellos Keller ziehen, der Tür zu jenen kargen Abhängen, an denen es abwärts geht, abwärts hinunter zu Marcellos Garten und weiter unter zum Strand, dort wo er seinen Müll und noch manches andere verbrennt, wenn der Wind günstig steht. "... es ist nicht nötig mehr anzuziehen ... komm' schon ..." "Komm' schon Tony, denk' dran, dass das nur ein Spiel ist ... nur ein Spiel, sì, sì ..." "... aber betrügen kannst du nicht, und gewinnen wirst du am Ende auch nicht -" "... hey, Tony ..." Dann schieben sie ihn zur Tür hinaus, eine drängende, geifernde Masse und er, Dominique, er will ihnen noch hinterher, aber er stolpert, bleibt liegen, einen Augenblick lang gehen bei ihm die Lichter aus, er schmeckt, Staub, Dreck und diese unfassbare Müdigkeit, aber da ist etwas in ihm, das ihn zwingt, weiter zu kriechen, zur Tür. Dann bleibt er wieder liegen, zwischen zwei Kisten. Gedämpft hört er Paolo vor der Tür lallen: "Was willst du Tony ... vor Mo-mo-monnnnellos Revolver sind wir doch alle gleich." Ja, da sind wir alle gleich. Du nimmst den Revolver (made in Hong Kong.), hältst ihn an deinen Kopf und hoffst, dass du im nächsten Augenblick diese Welt noch siehst - und wenn dem nicht mehr so ist, dann ist dir das vermutlich im nächsten Augenblick gleich. Wir haben keine Anforderungen an deinen Charakter, es gibt nicht viel, was du verstehen musst, aber das was du wissen musst, das sind die Regeln dieses Spiels. Und die Regeln sind so einfach, so grausam, dass du nicht gewinnen kannst. Du gewinnst nicht, auch wenn du am Ende überlebst, es hat dich und irgendwann kriegt es dich. Dann kehren sie zurück, ohne Tony. Marcello mag es nicht, wenn die Damen im Raum an solchen Abenden allzu viel Rot sehen, das macht die Angelegenheit teurer. Also kümmert man sich zunächst um die Damen. Und bald geht es weiter, und sie feiern, sie saufen, sie fressen und Marcello lächelt immer noch ... bis zum bitteren Ende. Ein dumpfer Knall, draußen, er hätte ihn beinahe überhört, dann ... eine Art sanfter Schlag, als etwas großes im Schnee landete. Er starrt in die Runde. Niemand scheint etwas gehört zu haben. Dominique liegt am Boden, er zieht sich mit den Händen über den Boden, erreicht irgendwann in weiter Ferne ein Tischbein und zieht sich daran hoch, schafft es irgendwie auf den Beinen zu bleiben und schwankt wie ein leckgeschlagener Tanker zur Tür, aus dem Keller hinaus, an den verschneiten Abhang hinter Marcellos Haus. ... Zu spät. Einen Augenblick lang sieht er es noch ein weiteres Mal geschehen. Sieht, wie Tony zittert, wie er einen Blick zurück wirft, all die leeren, die erwartungsvollen Gesichter, eine graue, schwarze Masse über dem unschuldigen, dem weißen Schnee, eine Sonate in brutal-präsenten Dur in einer Winterlandschaft, die eben noch schweigen konnte und nun den Atem anhält um nicht loszuschreien. Hört noch einmal den Schuss, sieht ihn fallen, sein schwarzes Haar, das der Wind zerzaust, ein schöner Toter ist er. Und bevor er weiß, was er tut, hält er ihn in den Armen wie eine Mutter ihren toten Sohn, der Schwindel in seinem Kopf wächst an zu einem brandenen Rauschen, als er mit ihm in den Armen versucht, den Hang hinauf zu wanken, um ihn wieder ins Warme zu bringen. Oh Tony - wenn die Erde gefroren ist und der Teich kalt - dann spürst du nur die Wärme des Metalls, der Rest der Welt bekommt nichts mit, weil sie saufen, fressen, koksen und huren bis zum Umfallen. Und der Schnee dämpft den Laut des Knalls. Und wenn du verlierst, dann stehst du alleine da. Er spürt nicht mehr, wie die Beine unter ihm nachgeben und er fällt. Ein bitteres Lächeln zieht sich über Dominiques Gesicht, als sie ihn schließlich finden, wie er neben Tony im Schnee liegt und in den grauweißen Himmel starrt, als sie ihn wegtragen - und er versteht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)