In Ewigkeit - Dein von Iolite ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Einsam lag die schmale Gasse im Schein des Mondes. Kein Licht leuchtete und auch die Straßenlampen waren schon vor Stunden erloschen. Einige Meter war sie nur lang und die alten klobigen Pflastersteine lagen schon lange nicht mehr so, wie sie sollten. An ihrem Ende befand sich eine kleine, steinerne Brücke, sie hing über dem im Mondschein glitzernden Fluss, wie der Nebel im Tal an einem kalten Morgen. ‚Fast wie in einer Geisterstadt’, dachte Nel. Die rothaarige, junge Frau stand an eine Wand gelehnt und strich sich langsam eine Strähne ihres gelockten Haares aus ihren grauen Augen. Ihr Blick war auf die Brücke gerichtet und nur ihr Schatten wurde vom Vollmondlicht auf den gepflasterten Boden geworfen. Er gab ihr zu verstehen, dass sie kein Geist war und dass dieses Stadtteil wohl bewohnt war. Auch von tierischen Bewohner, die nur allzu gerne mitten in der Nacht einen Höllenlärm machten und wegen denen sie leise sein musste, damit sie niemanden weckte. Nel stand da und lauschte. War das ein Schritt? Nein, nur eine Katze! Rief da nicht jemand ihren Namen? Doch nur der Wind zwischen den Häusern! Und das, war das nicht ein Schatten? Nur der Baum hinter ihr! Sie seufzte. Hier hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen und auch zum letzten Mal - Ben, so war sein Name - Mehr wusste sie nicht. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Einen Monat war es her, das sie ihn halbnackt mit zerfetzten Klamotten am Flussufer gefunden hatte. Im Morgengrauen hatten seine blonden Haare rot geschimmert und das Blut an seinem Körper war fast nicht aufgefallen, genauso wenig wie seine seltsam blasse Haut. Bewusstlos und schweißgebadet hatte sie ihn gefunden, sich neben ihn gekniet und ihm über die Wange gestrichen, gefangen von der Szene und dem Anblick seines wunderschönen Körpers. Genau in diesem Moment jedoch war sein Arm hoch geschnellt und eine eiskalte Hand hatte sich um ihr Handgelenk geschlossen, während seine erdbraunen Augen sie aus dem makellosen Gesicht angestarrt hatten. ‚‚Wer bist du?’’, hatte er mit einer Stimme gefragt, die ebenso eiskalt war wie seine Hand. ‚‚Das gleiche kann ich dich auch fragen!’’ Völlig perplex und überrumpelt von dieser Reaktion hatte Nels Stimme giftiger als gewollt geklungen. Sein Blick aber war an ihr vorbei gen Himmel gewandert und seine Augen hatten sich geweitet. Erschrocken und hektisch, ja fast in Panik, hatte er sich dann aufgerichtet. Die fast weiße Hand an seine Wunde fassend, hatte er sich suchend umgeschaut, bis sein Blick an der Brücke hängen geblieben war und er dann in Richtung des Schattens los gekrochen war. ‚‚Was... was tust du da? Bist du von allen guten Geistern verlassen?’’ Nel hatte keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Was um Himmels Willen tat dieser Irre da, der sich mit einer riesigen klaffenden Wunde am Bauch in Richtung Brücke schleppte? ‚‚Sei still! Das verstehst du nicht!’’, war seine Antwort gewesen. Im Schatten der Brücke angekommen hatte sich der Unbekannte an die kalten Steine gelehnt und den Kopf vor Erschöpfung in den Nacken geworfen, während Nel unterdessen aufgestanden war. Sie war beleidigt und schwer gekränkt gewesen, denn mit so einer Reaktion hatte sie nicht gerechnet. 'Was bildetet sich dieser aufgeblasene Schönling eigentlich ein? Sie versuchte nur hilfsbereit zu sein und was bekam sie zurück!? Pampige Antworten und Ignoranz!' Auf dem Absatz hatte sie sich umgedreht, zum Gehen bereit, da war sie schon wieder gewesen. Seine eiskalte und doch so süße Stimme: ‚‚Warte!’’ Wieder hatte sie sich umgedreht und noch im selben Moment gedacht, dass sie das besser gelassen hätte! Wie er da gesessen hatte, zusammengesunken und das Gesicht vor Schmerzen verzerrt, die Hand auf seine Wunde gelegt. Nel hatte versucht so kalt zu klingen wie er, doch das war ihr wohl mehr schlecht als recht gelungen, sodass man ihr Mitgefühl immer noch gehört hatte: ‚‚Was willst du?’’ ‚‚Lass deinen Mantel da!’’, hatte der Fremde ihr in einem Befehlston zugerufen und die junge Frau hatte ihren Ohren nicht trauen wollen! 'Was sollte das jetzt wieder?', war ihr durch den Kopf gegangen und sie hatte sich schon halb umgedreht, als sie erneut seine Stimme vernommen hatte, die dieses Mal deutlich sanfter war: ‚‚...Bitte...!’’ Seufzend hatte Nel sich doch noch umgedreht und war in Richtung des Verletzten marschiert. 'Du hast ein zu gutes Herz, Nel!', war ihr durch den Kopf gegangen, als sie im Angesicht seiner zerrissenen Klamotten und der Wunde ihren Mantel ausgezogen hatte. ‚‚Ber sag mir zuerst, wie du heißt!’’, war es ihr über die Lippen gekommen, denn etwas hatte sie ja doch davon haben wollen, dass sie ihm geholfen hatte und wenn es nur ein Name gewesen war. ‚‚Ben... Benjamin Sayles’’ ‚‚Ich bin Nel O´Grady. Schön dich kennen zu lernen’’ Mit diesen Worten hatte sie dem Fremden ihren Mantel hingehalten und ihn angelächelt. Er hatte ihn genommen und war aufgestanden, federleicht, als ob er keine klaffende Wunde quer über seinem Bauch gehabt hätte und als er aufgestanden war, waren Klamotten so gefallen, dass sein Bauch wieder erkennbar gewesen war und in diesem Moment hatte Nel ihren Augen nicht mehr getraut. Wo sie eben noch eine zentimeterlange Wunde gesehen hatte war nun nur noch getrocknetes Blut wahrnehmbar gewesen und als ob er ihrem Blick gefolgt wäre, hatte sie ein kühles Lachen vernommen. Daraufhin hatte sie dem Fremden ins Gesicht geblickt, der sie jedoch nur höhnisch angegrinst hatte. Ihre Stimmung war von Entsetzen nach Wut umgeschlagen und sie hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, war aber noch mit verschränkten Armen stehen geblieben und hatte gelauscht, ob nicht doch noch eine Erklärung folgte. Doch alles was sie noch hörte war dieses eiskalte Lachen, welches unter der Brücke widerhallte und Ben war mitsamt ihrem Mantel verschwunden. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Und nun stand Nel dort, an jenem Ort, wo sie ihn das erste und letzte Mal gesehen hatte. Ihre Beine machten sich selbstständig und sie lief langsam auf die Brücke zu, die ihr in den letzten Wochen so vertraut geworden war und die sie fast jeden Tag besuchte. Wie lange war es jetzt schon her? Einen Monat bestimmt. Langsam schritt sie auf die Brücke und lehnte sich auf die steinerne Mauer. Ihr Blick fiel auf das vom Mondlicht glitzernde Wasser unter ihr und sie versank in dem Anblick und den Erinnerungen. Kapitel 1: Begegnungen ---------------------- Kapitel 1 – Begegnungen Wie sie an der Mauer gelehnt dastand und ihr rotes gelocktes Haar aus ihrem Gesicht strich, sah er. Wie sie auf jedes Geräusch hörte und sich umsah, sah er. Wie sie zur Brücke schritt und dort verweilte, sah er. Einen Monat war es her, seit er sie das erste Mal gesehen hatte und seit sie ihm das Leben gerettet hatte, ohne es zu wissen. ‚Was ist das für ein Leben, das du führst, Benjamin?’, fragte er sich selbst, als sie sich in seine Richtung drehte und er sich schnell hinter dem Baum, an dem er stand, verbarg. Hatte sie ihn bemerkt? Scheinbar nicht. Als sie eine Weile an der Brücke gestanden hatte, stellte er sich hinter sie und sie bemerkte es nicht, denn seine Bewegungen waren zu schnell und zu leise. Dann legte Ben seine Hand auf ihren Mund und sie fuhr erschrocken herum. Ihre Augen waren vor Angst geweitet, doch als sie ihn sahen entspannten sie sich. „Wehe du schreist los!“, warnte Ben sie, als er vorsichtig seine Hand von ihren weichen Lippen nahm und sie schwieg tatsächlich. Nach dem ersten Schreckmoment zeigten ihre Augen allerdings Ablehnung. 'Was bildete er sich ein? Sie so zu erschrecken!', ging es ihr durch den Kopf, als sie versuchte ein wenig Platz zwischen ihre Körper zu bekommen, denn sie waren sich sehr nahe gekommen. Doch hinter ihr war das Geländer und vor ihr Ben, der ihren Herzschlag spürte und ihren warmen Atem auf seinen kalten Lippen. „Warum bist du hier? Und warum erst jetzt?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und sie zitterte in seinen Armen, denn sein Körper wärmte den ihren nicht. Leise lachte er auf. „Hast du mich vermisst!“, fragte er höhnisch und dachte bei sich, dass die Menschen ja so töricht waren! Glaubte sie im ernst er interessierte sich für sie? Nein, er war nur höflich. „Ich bin lediglich gekommen, um dir deinen Mantel zurückzugeben. Ich bin schließlich kein Dieb!“ Er betonte das letzte Wort äußerst seltsam. Was sollte das nun wieder heißen? „Ah-ja?!“, fragte Nel zweifelnd und hob eine Augenbraue. „Dann Dankeschön!“ Ihre Stimme war nun arrogant und hochnäsig und sie wollte einen Schritt zur Seite treten, um ein wenig Abstand zu gewinnen, doch er lies sie nicht von ihm weichen. Er lies sie nicht aus seiner Gegenwart flüchten. „Würdest du bitte...?“, murmelte Nel mit äußerstem Unbehagen in der Stimme, denn etwas bedrohliches ging von diesem Mann aus. Wie er dort stand. Seine dunkelblonden Harre lagen gewollt ungeordnet und reflektierten das Mondlicht, genauso wie seine blasse Haut. Dank des engen schwarzen Shirts konnte man jeden seiner gestählten Muskel erahnen und auch seine Größe fiel Nel erst jetzt auf. Sie war mit ihren 1,71 m sicherlich nicht klein, aber er war bestimmt einen Kopf größer als sie und sicherlich auch älter. Anfang 20 vielleicht? Einschätzen konnte Nel dies nicht genau. Dennoch, nicht aus seiner Gewalt kommend fiel ihr sein äußerst geschmackvoller Kleidungsstil auf. Generell fiel ihr auf, dass dieser Mann einfach traumhaft aussah. „Gefällt dir was du siehst?“ Seine arrogante Stimme riss Nel aus ihren Gedanken und als sie aufblickte und sein laszives Grinsen sah, überkam sie erneut die Wut. „Was fällt dir ein? Wo soll ich sonst hinschauen, wenn du mich hier so bedrängst?“ Ihre Stimme klang wohl genauso wütend, wie sie aussehen musste, aber dies schien Ben nur zu amüsieren und in keinem Fall zu beeindrucken, was ihre Wut nur noch mehr schürte. Fast jeden Tag kam sie an diesen Ort, nur um ihn vielleicht wiederzusehen. Die Hoffnung hatte sie schon aufgegeben und dann stand er da. Urplötzlich. Und alles was er tat war sich über sie zu amüsieren. So hatte sie sich das Wiedersehen nicht vorgestellt! „Das beantwortet nicht meine Frage.“ Seine Stimme war nun bedrohlich und doch ein Hauchen, während sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Seine erotische Ausstrahlung machte es Nel schwer einen klaren Gedanken fassen zu können und als ob er dies geahnt hätte schlossen sich seine Lippen auf die ihren und nahmen ihr jede Chance seine Frage doch noch zu beantworten. Der Kuss war unglaublich und als er endete schnappte Nel erst einmal nach Luft, mehr als ein leises Stöhnen brachte sie nicht hervor. „Das beantwortet meine Frage schon eher.“ Erneut rissen seine arrogante Stimme und sein freches Grinsen sie wieder in die Realität. So atemberaubend dieser Kuss auch gewesen war, ihre Wut übermannte ihre Lust und so schlug sie sich aus seinem Bann. „Ich fasse das nicht! Du lässt mich sofort los oder ich schreie! Ich warne dich!“ In ihren grauen Augen glitzerte nun die Wut. Die Wut über sein Verhalten. Die Wut über sich selbst und darüber, dass sie sich so hat hinreißen lassen. Scherzhaft hob er die Hände, als ob sie mit einer Waffe auf ihn zeigen würde, doch das Grinsen konnte dies nicht aus seinem Gesicht wischen. „Schon gut, schon gut.“, versuchte Ben sie zu besänftigen. „Ich wollte mich nur bei dir bedanken.“ Er trat zurück und Nel hätte schwören können, ein Zwinkern in seinen Augen gesehen zu haben. Doch noch bevor sich Nel dessen sicher sein konnte hatte er ihren Mantel, den er die ganze Zeit über bei sich getragen hatte, in die Luft geworfen und zwar so, dass sie schützend ihre Arme heben musste. Alles was sie noch hörte, weil ihre Sicht behindert wurde, war sein höhnisches Lachen und als sie wieder etwas erkennen konnte war er verschwunden. Ihre erste Reaktion war es mehrfach zu Blinzeln, doch er war weg. Suchend blickte sie sich um, ob sie ihn vielleicht noch davonlaufen sah, aber sie sah nichts, außer der gewohnten Umgebung. Eine Starre, die durch die Unmöglichkeit dieses Geschehens ausgelöst wurde, legte sich wie ein Schleier über Nel. Erst nach einer Weile löste sich diese und die junge Frau begann über das Geschehene nachzudenken. Ihr rationaler Verstand konnte die Vorkommnisse nicht verarbeiten und sie suchte nach Erklärungen, dass Ben einfach schnell ins Wasser gesprungen war, dass sie länger die Augen geschlossen hatte, als gedacht, dass er einfach ein komischer Typ war, der ein bisschen zu gut aussah. All diese Erklärungsversuche huschten ihr durch den Sinn, doch befriedigen wollten diese sie nicht. Nach einer Weile schaffte die Rothaarige es sich wieder zu bewegen und ihre Schritte brachten sie nach Hause. Nach Hause war in diesem Fall eine kleine Wohnung -ein Zimmer, Küche, Bad - da sie sich als Studentin nicht mehr leisten konnte. Sie schloss auf, betrat die vertrauten vier Wände, zog die Schuhe aus und lief schnurstracks auf ihr Bett zu, welches gleichzeitig als Sofa diente. Hier ließ sich Nel rücklinks fallen und glitt in einen unruhigen Schlaf. Im Traum begegnete ihr Ben, der gekleidet war wie in einem alten Dracula-Streifen und mit einer Blondine im Arm durch die Gegend flog. Die Szene war so abstrakt, dass kaum auffiel, dass außer der Brücke und dem Flussufer nichts in dieser Welt existierte und nur der klare Mond und ein Nichts aus Schwarz, dieses Bild umrandeten. Nel selbst befand sich in der Mitte der Brücke, als Ben auf sie zugeflogen kam und sie griff. Sie schrie, doch er versank sein Gesicht an der Seite ihres Halses und ein stechender Schmerz ließ sie aufschrecken und Nel saß kerzengerade und schweißgebadet in ihrem Bett. „Was um Himmels Willen...?“, entfuhr es ihr, als sie sich bruchstückhaft an diesen irrealen Traum erinnerte. Was wollte ihr Unterbewusstsein ihrem rationalen Verstand damit mitteilen? Den Blick auf den Wecker gerichtet entfuhr ihr ein Seufzer, es war viel zu früh und die Uni fing erst in zwei Stunden an. Also schlüpfte sie erstmal aus den Klamotten, welcher sie sich am Vorabend nicht entledigt hatte und unter die Dusche, welche ihr wirklich gut tat. Das kühle Nasse wischte den kalten Schweiß genauso weg, wie ihre Bedenken. An ihrem Kleiderschrank angekommen entschied sie sich für eine schwarze dreiviertellange Jeans und ein grünes Oberteil, welches sich passend mit ihren roten, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren, biss. Das Haus verlassend schlenderte sie zu ihrem Lieblings-Coffeeshop und setzte sich dort in die gemütlichen Korbsessel. Ihr Tasche hatte sie dabei und so zog sie ihren Laptop heraus, nachdem sie bestellt hatte. Während sie versuchte wich mit surfen abzulenken überkam sie ein mulmiges Gefühl und sie blickte auf. Zu diese Uhrzeit waren schon viele Leute in dem kleinen Laden und sie konnte niemanden ausmachen, aber sie war sich sicher beobachtet zu werden. Nach einer Weile wurde dieses Gefühl so unangenehm, dass sie ihre Sachen packte und sich Richtung Uni begab. Doch auch auf dem Weg dorthin und dort angekommen ließ diese Gefühl nicht von der jungen Frau ab. Während den Vorlesungen und den Pausen war sie unkonzentriert und abgelenkt und glücklich, als dieser Tag in der Uni zu Ende ging. Gerade hatte sie sich auf dem Weg nach Hause einen Kaffee geholt, das ließ das Gefühl, dass sie jemand beobachte, von ihr ab. Nel fühlte sich erleichtert und drehte sich schwungvoll gen Ausgang um, als sie auch schon den Inhalt ihres Becher auf das weiße Hemd eines jungen Mannes goss. Für einen kurzen Moment stand sie wie angewurzelt da, ihr Mund offen und nicht fähig zu einer Bewegung, doch dann setze ihr Gehirn wieder ein und ein Schwall aus Worten entkam ihrem Mund. „Oh nein! Es tut mir SO Leid! Nein, bitte, wirklich. Das tut mir so schrecklich, schrecklich Leid. Ich, warten Sie, ich hole eine Serviette.“ Noch bevor ihr gegenüber antworten konnte hatte Nel sich schon umgedreht und ihren Becher in den nächsten Müll gepfeffert, dann kam sie schnell mit ein paar Servietten wieder, die sie dem Fremden auf die Brust hielt. Plötzlich fiel ihr auf, dass der Fremde sehr gut gebaut war und aufgrund seiner Größe und der Hektik hatte sie keinen Blick auf sein Gesicht geworfen. Ihr Herz schlug schneller, als sich ein Gedanke formte. Konnte es...? Ihr Augen wanderten höher und auf den gut gebauten Schultern strahlte sie ein sichtlich gut gelaunter, leicht dunkelhäutiger junger Mann an. Ihre Enttäuschung war ihr ins Gesicht geschrieben, woraufhin ihr gegenüber das Wort ergriff. „Dir auch ein 'Hallo'.“ Seine Worte waren warm und eine gewisse Belustigung schwang in diesen mit. „H-Hallo.“, brachte Nel heraus, „Tut mir wirklich Leid! Heute ist einfach nicht mein Tag.“ Ein Seufzen entfuhr ihrer Kehle und das Grinsen ihres Gegenübers machte es nicht besser, der gleich wieder das Wort ergriff. „Kein Problem, aber auf eine gewissen Entschädigung hoffe ich trotzdem.“ Seine Worte waren ernst, doch schwang ein Hauch Witz in ihnen mit. Nel wollte antworten und zog die Luft ein, doch der Fremde ließ ihr keine Chance und unterbrach sie so, dass sie mit offenem Mund dastand. „Mir schwebt da eine Einladung zum Kaffeetrinken vor. Ein 'Nein' lasse ich nicht gelten.“ Ein Zwinkern umspielte seine grünen Augen und Nels Gesichtszüge entspannten sich. Eindeutig war sie jetzt nicht in der Stimmung für Diskussionen oder Ähnliches und so stimmte sie zu. „Von mir aus.“ Ihre Stimme klang ein bisschen grummeliger, als sie es gewollt hatte und deswegen fügte sie ein schnelles „Morgen Abend um fünf. Hier.“ hinzu. Dann nickte sie dem Fremden zu und wand sich zum gehen, als dieser sie mit seinen Worten davon abhielt. „Ach, übrigens, ich heiße Nathan.“ Als sich Nel umdrehte zierte ein umwerfendes Lächeln seine Lippen und sie konnte nicht anders, als ihm ihren Namen zu nennen, dann verließ sie den Laden und begab sich geradewegs zu ihrer Wohnung. Diese zwei Tage hatten es in sich gehabt und nach ihrem Abendritual ließ sich Nel ins Bett sinken, um traumlos durchzuschlafen. Auch der nächste Tag verging wie ihm Flug und nach und nach wurde sie immer nervöser, bis sie schließlich schon um halb vier in ihrem Lieblingskaffee saß und auf Nathan wartete und tatsächlich, eine halbe Stunde später schritt er durch die Tür. Diesen Augenblick nutze Nel, um ihn besser zu betrachten. Nathan war groß und äußerst muskulös. Sein leicht dunkler Teint passte perfekt zu seinen äußert kurzen dunkelbraunen Haaren und seinen umwerfend grünen Augen. Das weiße T-Shirt und die kurzen Hosen rundeten sein sportliches Erscheinungsbild ab, dennoch schien er nicht zu leger für dieses Treffen gekleidet zu sein. Sein Blick wanderte durch den Raum und hatte sie schon bald erspäht, sodass er sich in Richtung ihres Tisches bewegte. Der kleine Tisch war für zwei Personen gedacht und so setzte Nathan sich in den Stuhl ihr gegenüber. Sein freches Grinsen schien man nicht aus seinem Gesicht zu bekommen und er begrüßte sie mit einem ebenso frechen „Hi!“ auf das sie auch mit einem „Hi“ ihrerseits antwortete. Bei jeder anderen Konstellation von zwei Personen wäre nun eine peinliche Stille entstanden, aber der freche junge Mann wusste diese zu verhindern. „Und was machst du sonst noch so, wenn du nicht gerade deinen Kaffee auf andere Leute kippst?“ Nathan sagte dies mit einem Zwinkern in der Stimme und es klang keinesfalls wie ein Angriff, auch wenn man es so hätte verstehen können. Nel brachte dies jedoch zum Lachen. „Ich bin Studentin, Mathestudentin, um genau zu sein.“ Bei diesen Worten grinste sie ihn an, denn diese Aussage schlug normalerweise erstmal jeden in die Flucht, doch Nathan ließ das scheinbar kalt. „Nicht nur gut aussehend, sondern auch noch intelligent. Nur das mit der Motorik musst du noch üben.“ Er lachte wieder sein warmes, sonniges Lachen, das angenehm klang mit seiner tiefen Stimme. 'Ganz anders als das kalte, höhnische Lachen von Ben', dachte Nel und ertappte sich bei dem Gedanken an ihn, den sie sofort wieder beiseite schob. Stattdessen beschloss sie auf seine Aussage zu antworten. „Na dann, Dankeschön.“ Sie lachte in die Worte hinein. „Da fühl' ich mich ja glatt geschmeichelt.“ Eine kurze Pause entstand in der sie sich zu wundern begann, wer dieser Mann eigentlich war und genau dieser Frage wollte sie auf den Grund gehen. „Was ist mit dir? Was machst du so?“, fragte Nel gekonnt desinteressiert und nippte an ihrem Latte Machiato. Für einen Moment schwieg ihr Gegenüber und schien an seiner Antwort zu überlegen, was ihn nur noch suspekter machte, dann antwortete er entschlossen. „Ich arbeite im Familiengeschäft. Wir sind für die Schädlingsbekämpfung zuständig.“ Er lachte, nachdem er das Wort 'Schädling' ein bisschen zu sehr betont hatte. „Ich weiß, ich weiß, dass klingt nicht sehr spannend, aber der Job kann schon mal abenteuerlich werden.“ Wieder schenkte Nathan ihr eines seiner bezaubernden Lächeln. Was sie nicht wusste, war, wen er mit dem Wort Schädling meinte und was er wirklich war, aber das sollte sie jetzt nicht wissen. Es gab nur einen Grund für Nathan sich mit Nel abzugeben und dieser war Ben. Die Ältesten hatten ihm berichtet, dass sein Erzfeind neuen Geschmack an einem Menschen gefunden hatte und Nathan wollte herausfinden, wer diese Person war und sie gegebenenfalls benutzen, um ihm eins auszuwischen. „Das klingt doch... interessant.“ Nels Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. „Findest du? Wahrscheinlich genauso interessant, wie ein Mathestudium.“ Wieder ein Lachen seinerseits, das sie auch zu einem verführte. Seine Gegenwart war wirklich angenehm. Nicht nur, dass er gut aussah, er war außerdem noch witzig, charmant und hatte ein sonnige Art, die jedem Freude brachte. Allerdings behagte es Nel nicht, dass seine Antwort so überlegt gewesen war und so angenehm es war, leise kam ihr die Befürchtung, dass er zu perfekt erschien. Irgendein dunkles Geheimnis musste er haben! Aber das galt jetzt nicht herauszufinden, denn dafür kannten sie sich noch nicht gut genug. Es war nur etwas, das die junge Frau im Hinterkopf behalten wollte. Gerade als Nel sich eine nächste Frage für ihn überlegte, trat ein Mann an ihren Tisch heran. Noch bevor sich Nel wundern konnte, wer er war und was er wollte sprach er ihren Gegenüber an. „Master Parker, es wird Zeit. Der...“ Eine Pause entstand, in der man merkte, dass es dem Fremden sichtlich unangenehm war die Worte auszusprechen und er rang nach einer anderen Formulierung. „Sie wissen schon, das Treffen findet jetzt statt.“ Nel schaute verdutzt von dem einen Mann zu dem anderen. 'Was sollte das nun schon wieder? Warum begegnete gerade sie immer den komischsten Menschen?' huschte es ihr durch den Kopf., doch weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn sie spürte wie sich eine kalte Aura um sie legte. Diese kalte Aura kam von niemand anderem als dem so sonnigen Gemüt Nathan. Der junge Mann schien vollkommen verändert. Seine eben noch weichen Gesichtszüge waren nun kalt und hart und sein Blick strömte Hass und Verachtung aus. Genau dies klang nun auch in seiner vorher so sanften Stimme. „Du weißt genau, dass du mich nicht stören solltest! Was fällt dir ein?“ Das Fremde man schaute zu Boden, wie ein kleines Kind, das gerade gescholten wurde. „Master, verzeiht, aber ich bin nur der Bote.“ Eine Pause entstand. „Man hat mir klar gemacht, dass ich nicht ohne euch zurückkommen soll.“ Nun klang schon fast Verzweiflung in der Stimme des Mannes mit. Nathan seufzte tief und warf dem Mann einen letzten harten Blick zu, bevor er sich erneut zu Nel wand. „Nel, bitte verzeih mir.“ Sein Blick war wieder weich, doch konnte man in seinen Augen immer noch den Ärger erkennen. „Ich würde mich wirklich über ein erneutes Treffen freuen, aber ich bin... gezwungen zu gehen.“ Wieder ein böser Blick in Richtung des Boten und dann zu Nel, auf deren Antwort er wartete. Die ganze Situation beobachtend wusste sie erst gar nicht, wie sie reagieren sollte, als sie plötzlich angesprochen wurde. Verdutzt antwortete sie mit einem „Ja, klar, ehm, sicher.“ und schon war er aufgestanden. Eine leichte Verbeugung andeutend und mit einem letzten „Wir sehen uns.“ wand er ihr den Rücken zu und verließ mit dem anderen Mann das Gebäude. Nun saß sie ganz alleine an dem Tisch, erneut spontan verlassen. Sie fühlte sich vom Schicksal auf die Schippe genommen, da ihr diese Situation nun schon viel zu oft passiert war, ihrer Meinung nach. Ein erneutes Seufzen und ihr Gehirn begann wieder zu arbeiten und die letzten Ereignisse zusammenzufassen. Sie hatte einem fremden, halbnackten, verletzen und extrem gut aussehenden Mann, Ben, ihren Mantel geliehen, der urplötzlich zu genesen geschienen hatte. Diesen hatte sie bei einer erneut seltsamen Begegnung mitten in der Nacht wieder getroffen und sich am Tag danach beobachtet gefühlt, woraufhin sie einen weiteren extrem gut aussehenden Mann, Nathan, getroffen hatte mit dem sie sich am Tag darauf zum Kaffee getroffen hatte, der jedoch dann urplötzlich von einem seltsamen Fremden 'gekidnappt' wurde und sich melden wollte, allerdings ohne Telefonnummer oder Adresse. Erneut ein Seufzen und Nel legte den Kopf in ihre Hände. „Wo soll das nur hinführen?“, murmelte sie vor sich hin. Ein Kopfschütteln und sie raffte sich wieder zusammen, vorerst. Mit einem Winken gebot sie dem Kellner, dass sie 'Zahlen' wollte, woraufhin dieser prompt auch kam. Schnell verließ die junge Frau das Café und eilte nach Hause. Dort angekommen tat sie das, was sie auch die vorigen Abende getan hatte, sie ließ sich in ihr Bett fallen. Eigentlich wäre sie diesen Abend wieder zu der Brücke gegangen, doch sie fühlte sich dank der Ereignisse der letzten Tage nicht dazu im Stande. So schlüpfte sie in ihr hübsches, kurzes Nachthemd und rollte sich auf ihren Bett zusammen, als plötzlich eine Stimme ertönte. „Guten Abend, Nel.“ Die kalte Stimme kannte die Rothaarige nun schon zu gut und sie winkte in die Richtung aus der diese kam. „Verschwinde, das hier ist MEIN Traum.“ Grummelig und beleidigt klang ihre Stimme, als sie die Worte sprach, wie ein kleines Kind. 'Was sollte das, dass er sie nun auch schon in ihren eigenen Träumen verfolgte?' Doch dann sprach Ben etwas, das sie kerzengerade in ihrem Bett sitzen ließ. „Du irrst dich, das hier ist kein Traum.“ Seine Stimme war nun direkt vor ihr und noch bevor sie sich versah blickte sie in die erdbraunen Augen des blassen Mannes vor ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)