Der Untergang der Wilhelm Gustloff von Catalyst ================================================================================ Kapitel 1: Der Untergang der Wilhelm Gustloff --------------------------------------------- Der Untergang der Wilhelm Gustloff 30.01.1945 Gegen Mittag dieses kalten Januartages verließ das deutsche Kreuzfahrtschiff "Wilhelm Gustloff" mit über 10.000 Flüchtlingen überfüllt die Danziger Bucht in Richtung Westen. Ursprünglich war dieses Schiff für die Propagandamaschinerie des Nationalsozialismus gebaut worden. Zu seinen besten Zeiten chauffierte es die Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront und deren Familien. Die Reichen und Adeligen. Heute transportierte es uns. Frauen, Verwundete und vor allem Kinder befanden sich neben mir und meiner Familie an Bord. Unser Ziel ist die Flucht am Ende des 2. Weltkriegs vor der heran rückenden Roten Armee aus Ostpreußen. Ostpreußen lag in Asche und Trümmern. Meine Heimatstadt Königsberg brannte. Die Bomben der Briten hatten sie zerstört. 480 Tonnen phosphorgefüllte Stabsbrandbomben und Sprengbomben brannten die Stadt nieder. Wir waren nach Danzig entkommen und von dort aus weiter nach Gotenhafen. Als einige der wenigen Überlebenden gingen wir mit etwa 10.300 weiteren Flüchtlingen gegen 13:10 Uhr an Bord des riesigen Schiffes. Die genaue Zahl der Passagiere und Besatzungsmitglieder konnte nie wirklich ermittelt werden, da die Flucht die uns alle antrieb übereilt erfolgte. Offiziell wurden 7.956 Menschen registriert. Nach dem offiziellen Ende der Zählung drängten sich jedoch noch etwa 2.500 weitere Menschen an Bord. Darunter waren wir. Meine Mutter, meine zweijährige Schwester, meine Tante und deren elfjähriger Sohn und ich. Ich war damals dreizehn Jahre alt, hatte aber schon mehr gesehen als viele andere Menschen in ihrem gesamten Leben nicht. Von diesen 10.300 Menschen waren rund 8.800 Zivilisten, davon eine große Anzahl von Kindern, 1.500 Wehrmachtsangehörige, darunter 162 Verwundete, rund 340 Marinehelferinnen und 918 Marinesoldaten der 2. U-Boot-Lehrdivision, die von Kiel aus erneut in den Kriegseinsatz gehen sollte. Wir genossen nur leichten Geleitschutz durch gerade mal zwei Begleitschiffe, dann irgendwann nur noch durch eines. Ich saß mit meiner Mutter und dem Rest meiner übrig gebliebenen Familie am Heck des Schiffes. Mehrere tausend Menschen befanden sich um uns. Dicht gedrängt auf den 5.000m². Ein eisiger Wind wehte uns um die Ohren. Kleidung trugen wir nur spärlich. Unsere Flucht war Hals über Kopf geschehen, daher hatte jeder das mitgenommen was er hatte tragen können. Nur leichtes Gepäck hatte meine Mutter gepredigt. Ich trug eine Kleid und einen Mantel, beides in einer dunklen brau-grauen Farbe gehalten. Die Sohle meine Schuhe war fast gänzlich zerschlissen. Die Spitze des linken Schuhs war undicht, sodass mein Fuß des öfteren nass wurde wenn ich durch die dreckigen Schlammpfützen stapfte. Auf dem Kopf trug ich eine schmutzige Wollmütze die ich auf der Straße gefunden hatte. Sie war nicht besonders schön, aber sie erfüllte wenigstens etwas ihren Zweck. Meine Hände hingegen hatten nicht so viel Glück. Die Handschuhe die ich trug hatten keine Finger mehr. Meine Finger waren blass, schon fast blau, genau wie der Rest meiner Haut die dem eisigen Seewind ausgeliefert waren. Die Gustloff war in der Lage bei Höchstgeschwindigkeit 15.5 Konten zu machen, das waren etwa 29km/h. Diese 29 km/h erreichten wir Heute jedoch nicht ganz. Mit ihren 4 Achtzylinder MAN Diesel Motoren und ihren 9.500 Pferdestärken gab die Gustloff ihr bestes. Doch mit über 10.00 Menschen an Bord war sie Maßlos überfüllt. Ursprünglich war sie mit ihren acht Decks und 489 Kabinen für etwa 1463 Menschen ausgelegt. Heute waren das zehnfache an Menschen auf diesem Schiff. Die ganze Zeit über hielt meine Mutter meine Hand um mich ja nicht zu verlieren. Mein Vater, mein Bruder und mein Großvater waren an der Front. Nur Gott selber wusste ob sie noch am Leben waren. Sie kamen nie zurück und ihre Leichen wurden nie gefunden. Der Mann meiner Tante war zumindest an der polnischen Kriegsfront gestorben. Er war erschossen worden, von Rotarmisten, als er seine Waffe nach lud. So stand es wenigstens in dem Brief den wir aus Berlin erhalten hatten. Ich sah in den Himmel. Er war schwarz. Schwarz gefärbt von dem Rauch der brennenden Dörfer und Städte, von den Bomben und den Flugzeugen, den Kriegsschiffen und den Panzern. Mit jedem Mal zuckte ich zusammen als ein Flugzeug über uns hinweg flog. Mittlerweile war es Abend geworden. Die Nacht brach herein und die Sonne ging unter. Die Kälte wurde immer unerträglicher, es herrschte eine Außentemperatur von -20C° und ich kuschelte mich in die Arme meiner Mutter. Es war nun etwa 21.00 Uhr und unser Schiff wurde von der S-13, einem sowjetischen U-Boot gesichtet, das vor der Danziger Bucht in Lauerstellung lag. Um 21.13 gab der russische Kommandant Alexander Iwanowitsch Marinesko aus etwa 700 Meter Entfernung den Befehl vier Torpedos abzuschießen. Eines dieser Torpedos klemmte, die anderen drei trafen die Wilhelm Gustloff am Bug unter dem E-Deck und dem Maschinenraum. Der Knall und die Erschütterung des Einschlages rissen mich aus dem Halbschlaf. Ich schrie auf, krallte mich in den Mantel meiner Mutter und drückte mich gegen sie. Ich kann nicht in Worte fassen welche Angst mich ergriff. Mein ganzer Körper erzitterte und verkrampfte sich. Meine kleine Schwester kreischte. Sie hatte geschlafen und war nun wach geworden. Meine Tante griff mich und ihren Sohn an den Händen und wir rannten auf die wenigen Rettungsbote zu. Unterdessen war Panik ausgebrochen. Von den unteren Decks strömten die Menschen nach oben. Keiner wollte eingesperrt werden und ertrinken. Als wir an einer der Treppen ankamen sah ich das viele Menschen auf dem Boden lagen. Sie waren zu Boden gestürzt und Tod getrampelt worden. Es war ein grausamer Anblick. Endlich waren wir an einem der Bote angekommen. Viele der vorhandenen Boote waren in ihren vereisten Davits blockiert und konnten nicht zu Wasser gelassen werden. Meine Mutter streifte mir und meinem Cousin eine Schwimmweste über. Sie war viel zu groß. Ich wusste nicht woher sie sie her bekommen hatte aber das war mir in diesem Moment auch vollkommen egal. Ich sah das Mutter und meine Tante keine umgelegt hatten. Dann drückte mir meine Mutter meine kleine Schwester in die Arme. Sie hatte sie in eine Decke eingewickelt. Sie schob uns Kinder nach vorne. Wir standen nun direkt vor dem Rettungsboot und ich sah wie ein Mann Kinder in das Boot setzte. Die Matrosen die diese Aufgabe eigentlich trugen waren bereits ertrunken. Sie waren hinter den Sicherheitstüren eingesperrt worden und ertrunken. Wir wurden in das Boot gehoben, meine Tante und meine Mutter blieben zurück. Dafür drängten sich andere Frauen und sogar Männer in das Boot. Das Boot war innerhalb von wenigen Minuten fast überfüllt und wurde nun zu Wasser gelassen. Ich sah wie die Menschen in ihrer blinden Angst und aus Verzweiflung in die mehrere Minusgrad kalten Fluten sprangen. Ich hielt meine Schwester fest in den Armen und drückte meinen Cousin zusätzlich an mich. Die beiden waren die einzigen Menschen die mir jetzt noch blieben. Meine Mutter und meine Tante würden die Nacht nicht überleben, diese Befürchtung hatte ich und sie sollte sich bewahrheiten. Nach etwas mehr als einer Stunde, so etwa gegen 22:15 Uhr sank die Wilhelm Gustloff circa 23 Seemeilen vor der pommerschen Küste. An Bord befanden sich zu dieser Zeit meine Mutter und ihre Schwester. Herbeieilende Schiffe konnten nur 1.252 Menschen aus den Fluten retten, darunter alle vier Kapitäne der Gustloff und den Marinemaler Adolf Bock. Alle anderen ertranken oder erfroren in der eiskalten unerbittlichen Ostsee. Das Torpedoboot Löwe, das unser Schiff begleitet hatte, rettete 252 Menschen, das hinzugekommene Flottentropedoboot T36 nahm weitere 564 Überlebende von Booten, Flößen und aus dem Wasser auf. Das Marinesuchboot M341 rettete 37 Menschen, der Marinetender TS II 98, das Marinesuchboot M 375 43 und der Frachter Göttingen 28 Menschen. Zwei Menschen wurden noch in den Morgenstunden von dem Frachter Gotenland geborgen, sieben von dem Torpedofangboot TF19 und einer von dem Vorpostenboot Vp 1703. Für über 9.000 andere kam jede Rettung zu spät. 1.252 Menschen wurden gerettet, 13 aber starben an den Folgen des Unglücks. Die Flucht über das Meer wurde für uns zur tödlichen Falle. In Erinnerung an die vielen unschuldigen Zivilisten die durch den Größenwahn einiger weniger Menschen ihr Leben lassen mussten. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)