Bis(s) zum Ende aller Tage von abgemeldet (Renesmees Fortsetzung zu Breaking Dawn) ================================================================================ Kapitel 2: Freunde ------------------ Kapitel 2: Freunde Langsam schlichen die ersten zartorangenen Strahlen der Morgenröte über den Horizont, während ich weiter durch den dichten Wald aus Nadelbäumen rannte und die Tiere um mich herum erwachten. Einige Vögel sangen hoch in den Wipfeln ihre Lieder in der Hoffnung einen Partner anzulocken, Insekten schwirrten durch die Büsche und hier und da erschrak ein Hase oder Eichhörnchen, wenn ich seinen Weg kreuzte. Meine scharfen Augen realisierten jede noch so kleine Be-wegung um mich herum und erstaunt stellte ich Unterschiede zu dem fest, was ich bis jetzt immer im Wald erlebt hatte. Die Tiere realisierten zwar meine Anwesenheit, doch sie zeigten kaum Angst. Sie schreckten nicht so voller Panik zurück, wie sonst. Ich benötigte eine Weile, bevor ich den Unterschied erkannte. Bis jetzt war ich noch nie alleine unterwegs gewesen. Es war immer jemand aus meiner Familie und Jacob dabei. Reine Vampire und ein Werwolf. Da war es kein Wunder, dass alle Tiere automatisch davor zurückschreckten sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Bei mir jedoch war es anders. Ich roch auch leicht vampirisch, doch der schwere, menschlich süße Geruch über-wiegte laut meiner Familie. Ich genoss die Ruhe und blieb einige Male kurz stehen, um in dieser Idylle die verschiedensten Tiere zu beobachten. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und langsam spürte ich die Müdigkeit, die sich jeden Tag aufs Neue in mir ausbreite-te, wie ein nerviges Insekt. Letzte Nacht hatte ich nur wenige Stunden geschlafen und war bis jetzt ohne längere Pause ge-laufen. Bald würde ich den nächsten Ort und eine Herberge aufsu-chen müssen. Zum Glück hatte ich meine Handtasche mitge-nommen. Schon vor einigen Jahren hatte Carlisle mir meine eigene Kreditkarte gegeben – falls mal etwas passieren sollte und ich Geld bräuchte. Heute würde ich sie wohl das erste Mal benutzen müssen. Mir war klar, dass meine Familie durch den Gebrauch dieser Karte zurückverfolgen konnte, wo ich mich befand, doch ins-tinktiv wusste, oder vielmehr hoffte, ich, dass ich ihnen ver-trauen konnte. Sie würden mir nicht folgen, wenn Jacob ihnen meine Nachricht zeigt. Wenn. Ich lief immer weiter und schon seit geraumer Zeit hatte sich die Landschaft um mich herum verändert. Die Anzahl der Bäume hatte abgenommen und die dichten Wälder wurden stückweise durch weite Steppenlandschaften und zerklüftete Felsen ersetzt. Die Einsamkeit war erstaunlich angenehm und die Änderung der Umgebung wirkte sich positiv auf mein Gemüt aus. Im Wald war ich zwar frei, doch im Gegensatz zu dieser Art Wüstenebene fühlte ich mich selbst in der altgewohnten Umgebung eigenartig bedrängt. Dieses Gefühl der Freiheit beflügelte mich und ich legte ein wenig an Tempo zu. Ich lief noch eine ganze Weile, bevor ich mich dazu ent-schloss endlich eine Schlafmöglichkeit zu suchen. Die nächste Ortschaft zu finden war nicht schwer. Ich muss-te einfach nur dem Geruch folgen, den der Wind sanft zu mir trug und schon nach wenigen Minuten war ich nur noch einige Kilometer von einer kleinen Stadt entfernt. Wenn die Landschaft um mich herum anders gewesen wäre, dann hätte man diesen Ort wirklich fast für Forks halten kön-nen. Das Ortseingangsschild allerdings kündigte eine Stadt namens Ruth an. Ich befand mich also schon in Nevada. Gerade, als ich mich auf die Hauptstraße zum Ortseingang begeben wollte, um ein kleines Hotel zu suchen, klingelte mein Handy. Langsam suchte ich es aus meiner Tasche und sah auf das Display. Bella. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass sie es versuchen würde, doch so schnell war es überraschend. Nur kurz überlegte ich, bevor ich abnahm und sofort drauf los redete. „Es ist alles in Ordnung, Mom. Mir geht’s gut und ich brau-che nur etwas Zeit. Ich melde mich wieder bei euch. Lieb dich.“, flüsterte ich schnell ins Telefon. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte ich schon aufgelegt. Einige Sekunden blieb ich wie angewurzelt stehen, bevor ich wie der Blitz losrannte. Ich war wirklich müde, doch gerade jetzt wusste ich, dass ich nicht schlafen konnte. Innerlich war ich zu aufgewühlt und einige Stunden würde ich noch aushalten. Der Wind wehte mir durch die offenen Haare und die Sonne brannte unablässig vom Himmel herab. Die Hitze machte mir jedoch nichts aus und ich lief bis in den frühen Abend hinein. Da ich schon einmal in der Gegend war, beschloss ich die Nacht in Phoenix zu verbringen. Bella hatte dort lange gelebt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um mir einen Eindruck von der Stadt zu verschaffen. Schnell fand ich ein kleines Hotel in einem Vorort, wo ich die Nacht verbrachte. Ich schlief ruhig und traumlos. Der merkwürdige Traum von den Volturi und dem Mädchen war in weite Ferne gerückt. Schon früh am nächsten Morgen erwachte ich und zog eini-ge Zeit durch die Stadt. Noch nie war ich in der Nähe von so vielen Menschen gewesen und ich spürte eine Trockenheit in meiner Kehle, die mir fremd war. All diese herrlichen Gerüche um mich herum irritierten mich. Zweifellos würde ich doch eher als gedacht jagen müssen. Einige Zeit überlegte ich, ob ich mir einen Mietwagen neh-men oder vielleicht sogar einen kleinen, alten Gebrauchtwa-gen kaufen sollte, doch da, wo ich hin wollte, würde ich mit einem Auto nicht sehr weit kommen. Als der Durst nicht mehr auszuhalten war und ich alles, was ich hatte sehen wollen, auch gesehen hatte, ließ ich die Stadt hinter mir und machte mich wieder auf den Weg weiter Rich-tung Süden. Nach einer halben Stunde begegnete ich zufällig einer Rin-derherde und stillte meinen Durst mit dem zähflüssigen Blut eines großen Bullen. Diese Stärkung war genau das, was ich brauchte und frisch motiviert schaffte ich es im Laufe des Ta-ges ohne weitere Unterbrechungen oder Komplikationen ganz durch Mexiko bis nach Guatemala. Noch vor Anbruch der Dunkelheit hatte ich wieder ein klei-nes Hotel gefunden und mich früh ins Bett begeben. Ich hätte nie gedacht, dass man seine Vorlieben innerhalb von so kurzer Zeit ändern könnte, doch ich stellte fest, dass ich früh morgens viel vitaler und motivierter unterwegs war. Noch vor zwei Tagen hatte ich morgens eigentlich immer schlechte Laune und kam nur schwer in die Gänge. Am folgenden Tag stand ich also wieder früh auf und mach-te mich auf dem Weg nach Brasilien. Als ich davongelaufen bin, wollte ich zuerst zu meiner Familie bei den Denalis, doch ich brauchte mehr Abstand von allem. Ich beschloss Zafrina suchen zu gehen und dabei etwas von der Welt zu sehen. Heute würde ich es auf jeden Fall bis nach Brasilien schaf-fen und ich überlegte fieberhaft, wie ich die Suche nach ihnen am besten gestalten sollte. Ich wusste von ihnen eigentlich nur, dass sie sich hauptsächlich im Amazonasgebiet aufhielten und nur in kleinen Städten jagten. Irgendwie würde ich sie schon finden. Wer weiß, vielleicht zählte ich ja mal zu den Glücklichen und konnte zufällig auf meiner Reise ihre Spur riechen, der ich folgen konnte. Glücklicherweise waren meine Sinne vampirisch geprägt und nicht menschlich schwach. Ich war selber erstaunt darü-ber, wie schnell ich vorankam und wie sich die Umgebung er-neut zu einem dicht bewachsenen Wald voller Lebewesen verwandelt hatte. Alles war so neu und ich konnte mich kaum satt sehen an den vielen Farben und Formen der Pflanzen und Tiere. Auch, wenn es mir sehr schwer fiel, so musste ich mich doch primär darauf konzentrieren Zafrina, Kachiri und Senna zu finden. Sie hatten uns erst vor drei Monaten besucht und waren, wie immer, zu dritt gekommen und auch wieder abgereist. Ein klarer Vorteil unserer Familie war, dass alle ein Handy besaßen und so gut wie immer erreichbar waren. Die Amazo-nen dagegen wollten mit dieser Art der Zivilisation nichts zu tun haben und trugen noch nicht einmal Kleidung aus Stoff, sondern Tierhäute und –felle. Da war an ein Handy gar nicht zu denken. Es würde einfach nicht zu ihrem Lebensstil passen. Schon früh kam ich an der brasilianischen Grenze an und streifte zu Beginn an der Küste entlang, bevor ich mich für ein Dorf entschieden hatte, in dem ich übernachten wollte. Diesmal unternahm ich vor dem Zu-Bett-Gehen einen kleinen Ausflug und sah mich in dem Dorf um. In einem kleinen Laden für Touristen besorgte ich mir, was ich schon viel früher gebraucht hätte: eine Landkarte. So konnte ich viel gezielter suchen und würde nicht aus Versehen das Land verlassen. Viel mehr gab es in dem Dorf nicht zu sehen und meinen Durst hatte ich Minute für Minute, die ich unter Menschen verbrachte, besser unter Kontrolle. Bei Anbruch der Dunkelheit begab ich mich in mein Hotel-zimmer und studierte die Landkarte. Eine Zeit lang überlegte ich das Land systematisch abzusuchen, entschied mich jedoch dagegen. Ich wusste nicht, ob die Amazonen sich bevorzugt an einer Stelle aufhielten oder wirklich durch das komplette Land zogen. Bei letzterem wären sie sowieso ein wenig schneller unterwegs, als ich und da bei mir auch die Nächte wegfielen, hatte ich so eigentlich keine Chance. Mir blieb wohl oder übel nichts anderes übrig, als einfach durch den Regenwald zu streifen und darauf zu hoffen ihre Spur zu finden. Langsam glitt ich in den Schlaf, der diesmal nicht traumlos blieb. Überall war es grün. Rings um mich herum und sogar, wenn ich nach oben sah, war diese Farbe allgegenwärtig. Zu-erst dachte ich, es sei der bekannte Wald aus Forks, doch et-was war anders. Das Grün der Pflanzen war heller und kräfti-ger und überall wurde es von Blüten aller nur erdenklichen Farben unterbrochen. Wie bunte Tupfer waren sie überall ver-teilt und leuchteten in voller Pracht. Ich brauchte eine Weile, um mich zu erinnern, woher mir diese Farbenpracht bekannt vorkam. Als ich es erkannte, war ich ein bisschen sauer auf mich selber, weil ich fast nicht auf eines meiner Lieblingsbil-der gekommen wäre. The Garden of Joan Miró, bei dem man sich bis heute nicht sicher war, ob es wirklich von Miró selber stammt oder eine Hommage an ihn sein soll. Mir war es vollkommen egal, wer es gemalt hat, denn mir war nur wichtig, dass es die Phantasie anregte und alles andere als Trist war, wie fast alle Bilder des spanischen Künstlers. In meinem Traum erschienen jedoch nicht nur die unbekannten Pflanzen, sondern auch Tiere, die ich seit meiner Ankunft im Regenwald gesehen hatte. Das ganze wirkte paradoxerweise wirklich eher wie ein Traum, als eine Erinnerung an den vergangenen Tag. Ich zog noch eine ganze Zeit lang durch diese Traumland-schaft, bevor ich von den ersten sanften Sonnenstrahlen des Tages geweckt wurde. Statt direkt loszuziehen, besorgte ich mir in dem kleinen Laden, in dem ich am Vorabend die Karte gekauft hatte, etwas Neues zum Anziehen. Alice wäre bei diesem Anblick wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen, wenn sie es könnte, doch ich fand es toll und wollte so ein Outfit eigentlich schon immer mal angezogen haben. Ich räkelte mich vor einem großen Spiegel, als die Verkäufe-rin mich sichtlich aus Spaß fragte, ob ich es direkt anbehalten wolle. Ihr Gesichtsausdruck, als ich dies bejahte, war herrlich. Ich sah aus, als wäre ich einer Daktari-Folge entsprungen. Feste Wanderschuhe, beige Hose und Bluse. Dazu, um dem Ganzen das gewisse Etwas zugeben, einen Buschhut in Tarnfarben. Nachdem die Verkäuferin verstanden hatte, dass ich es ernst meinte, erklärte sie sich sogar bereit meine alten Kleidungs-stücke zu entsorgen und wünschte mir, als ich den Laden ver-ließ einen erfolgreichen Tag. Wenn sie gewusst hätte, wie sehr ich den brauchen könnte. Ich verstaute Handy, Portemonnaie und die Landkarte in dem Rucksack, den ich mir ebenfalls gekauft hatte, um nicht mit meiner lilanen Handtasche herumlaufen zu müssen. Die neuen Kleidungsstücke versetzten mich in Hochstimmung und trugen dazu bei, dass ich mich wie ein richtiger Entdecker fühlte, der im unbekannten Urwald auf Mission ging. Tatsächlich geschah das, wovon ich kaum zu träumen ge-wagt hatte. Ich kam gut voran und schon gegen Mittag traf ich auf einen bekannten Geruch, der eindeutig vampirisch war. Die Spur war erst wenige Stunden alt und ich folge ihr in die Richtung, in der sie stärker wurde. Sie führte mich zu einem kleinen Dorf und vollkommen auf den Geruch konzentriert erschrak ich, als ich plötzlich rechts von mir eine Stimme hörte. „Óla, quemes?“, fragte mich eine ältere Frau auf Portugie-sisch. In diesem Moment war ich glücklich, dass ich Edward damals gebeten hatte mir nicht nur Französisch, Italienisch und Deutsch beizubringen, sondern auch Spanisch und das sich nur kaum unterscheidende Portugiesisch. „Óla. O meu nome e…“, setzte ich an. Allerdings kam ich nicht mehr dazu der Frau, dich mich gefragte hatte, wer ich bin, meinen Namen zu nennen. Urplötzlich schoss aus dem Baum hinter ihr eine lange Gestalt und riss sie so schnell zu Boden, dass sie noch nicht einmal Zeit zum Schreien hatte. Wie angewurzelt blieb ich mit offenem Mund stehen, bis Kachiri ihr Opfer ausgesaugt hatte. Schon oft hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, dass unsere Familie eine Ausnahme war. Andere Vampire griffen wehrlose Menschen, wie auch Charlie einer war, an. Auch ich mochte lieber das süße Menschenblut, doch nur sehr selten gönnte ich mir diesen Genuss und wenn, dann aus gespendetem Blut. Ich konnte mir nicht vorstellen ein Menschenleben, in dem es Familie und Freunde gab, einfach auslöschen zu können. Es war das erste Mal, dass ich es sah, ja vielmehr mit anse-hen musste. Schon im gleichen Moment wurde mir klar, dass ich es auch nie wieder mit ansehen wollte. Als Kachiri fertig war, erhob sie sich und sah mich freund-lich an. „Also Nessie, dich hätte ich hier nun wirklich nicht erwartet. Vielen Dank, dass du sie abgelenkt hast. Es war nicht einfach sie aus dem Dorf heraus zu locken. Fast hätte ich dich angegriffen. Deine vampirische Hälfte ist wirklich nur ziemlich schwach zu riechen.“ Sie lächelte und zeigte auf die Leiche. Ich war außer Stande zu antworten. Lediglich meinen Mund hatte ich mittlerweile schließen können. „Ist alles in Ordnung mit dir? Sag mal, was machst du ei-gentlich hier? Sind Bella und Edward auch da? Wie siehst du eigentlich aus? Nessie?“ Besorgt sah sie mich an und kam langsam auf mich zu. „Diese… Frau…“, stammelte ich. Kachiri blickte kurz über die Schulter zurück und verstand nun, was los war. „Oh. Ach so ist das. Tut mir sehr leid. Ich hatte vergessen, dass du… nun ja, vegetarisch jagst.“ In ihren Augen spiegelte sich ihre Aufrichtigkeit und es tat ihr wirklich sehr leid. Langsam kam ich wieder zu mir. „Ist schon gut. Es war nur das erste Mal, dass ich das mit angesehen habe. Ehrlich gesagt möchte ich das auch so schnell nicht wieder miterleben.“ Ich atmete tief ein und löste meinen Blick von der toten Frau. Inzwischen war Kachiri bei mir und hielt mir die Arme für eine Umarmung hin. Darauf ging ich gerne ein und Stück für Stück kehrte die Freude ein, dass ich sie tatsächlich so schnell gefunden hatte. „Ich bin alleine hier. Eigentlich suche ich Zafrina. Weißt du, wo sie ist?“, fragte ich sie, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten. Sehr zu meiner Freude nickte sie und bot mir an mich zu ihr zu führen. Den Weg brachten wir schweigend hinter uns. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf geflochten, ihre Bewegungen ge-schmeidig wie Seide und die Tierhäute verdeckten dezent nur das nötigste. Ich fragte mich, ob sie so still war, weil sie von Gewissensbissen geplagt wurde, oder ob sie einfach nur nicht sehr gesprächig war und musste mir eingestehen, dass ich nie wirklich viel Zeit mit ihr verbracht hatte, obwohl sie uns schon oft besucht hatten. Wenn, dann war ich immer mit Zafrina zusammen gewesen. Senna und Kachiri waren meistens in Gesellschaft von Carlisle und Esme. Wenig später, ich war erstaunt, wie gut ich mit ihr mithalten konnte, kamen wir mitten im Urwald an eine kleine Lichtung, auf der eine winzige Holzhütte mit Blätterdach stand. „Ihr habt ein Haus? Ich dachte immer ihr seid Nomaden.“ Erstaunt betrachtete ich das Häuschen und blieb vor dem Eingang stehen. „Waren wir auch. Aber mittlerweile waren wir so oft bei euch, dass wir gemerkt haben, wie schön es sein kann, wenn man eine feste Anlaufstelle hat. Es ist nichts besonderes, aber weil Zafrina schon länger hofft, dass du mal zu Besuch kommst, haben wir sogar ein Bett reingestellt.“ Mit einer ausschweifenden Handbewegung deutete sie mir einzutreten. Es war nicht sonderlich groß, wirkte jedoch ge-mütlich. An den Wänden hingen farbenfrohe Bilder und auf zwei Regalen standen Tontöpfe in verschiedenen Größen und einige Bücher. Auf dem Boden lag das Fell eines Pumas und in einer Ecke direkt unter dem einzigen Fenster stand ein kleines Bett. „Es ist wunderschön hier.“ Ich war wirklich erstaunt darü-ber, was sie hier geschaffen hatten und setzte mich auf das weiche Bett. „Zafrina ist anscheinend noch nicht zurück. Ich werde ihr Bescheid sagen, dass du da bist. Mach es dir bequem und fühl dich ganz wie zu Hause.“ Sie grinste und war auch schon in dem dichten Dschungel verschwunden. Ich entspannte mich und strich mit den Händen über das Bett, auf dem ich saß. Es hatte eine richtige Matratze und statt einer Decke gab es, wie konnte es auch anders sein, das Fell eines mir unbekannten Tieres. Probehalber legte ich mich hin und das Kissen, mit etwas scheinbar körnerartigem gefüllt, war sehr bequem. Zu bequem, ich wie feststellen musste und schnell richtete ich mich wieder auf, bevor ich aus Versehen einschlief. Es war ein herrliches Gefühl nun hier zu sitzen. Der ganze Druck fiel vollkommen von mir ab, denn ich hatte es tatsäch-lich geschafft sie zu finden. Ganz alleine war ich bis nach Brasilien gereist, hatte die verschiedensten Wunder der Natur gesehen und mich selber neu gefunden. Wahllos griff ich nach einem der Bücher auf einem der Re-gale und fing an zu lesen. Es konnte, wenn mein Glück er-schöpft war, Stunden dauern, bis sie wieder hier waren und so hatte ich wenigstens etwas zu tun. Tatsächlich schaffte ich es meine Gedanken auf den Inhalt der Seiten zu fokussieren. Das Buch handelte von dem altägyptischen Pharao Ramses II. und das Leben im Einklang mit Mythen, Magie und Freun-den. Es fesselte mich total und ich hatte es schon fast halb durch, als eine Stimme wie aus dem Nichts mich erschreckte. „Gute Wahl, das ist mein Lieblingsbuch.“ Diese Stimme war mir nur allzugut bekannt und als ich zum Eingang sah, stand Zafrina in lässiger Haltung an den Türrah-men gelehnt. „Zafrina!“ Ehe ich mich versah, war ich auch schon aufge-sprungen, hatte das Buch aufs Bett geworfen und war ihr um den Hals gefallen. Am liebsten hätte ich sie nie wieder los gelassen und ich er-innerte mich daran, warum ich eigentlich hier war. In den letzten Tagen hatte ich mir sorgsam ein Haus aus all den schönen Dingen, die ich gesehen und erlebt hatte, um mich herum gebaut, das nun in sich zusammenfiel. Schlagartig kam die Erinnerung zurück und meine Reaktion kam mir plötzlich etwas übereilt vor. Erst, als Zafrina mich sanft aber bestimmend von sich löste, merkte ich, dass ich weinte. „Renesmee, was ist los?“ Das mochte ich an ihr. Zwar war sie neugierig und wollte wissen was los war, doch sie bombardierte mich nicht so mit Fragen, wie Kachiri. Behutsam führte sie mich zum Bett und sah mich eindringlich an. Ich hielt kurz inne. Irgendetwas in ihrem Blick war anders, als sonst, doch ich kam nicht darauf, was. „Was..?“, setzte ich an, doch sie unterbrach mich. „Ich weiß, was du meinst. Darüber reden wir später. Was ist mir dir los?“ Kurz veränderte sich das Bild vor meinen Augen. Die klei-ne, gemütliche Hütte verschwand und ich sah zuerst das kleine Häuschen von Bella und Edward, gefolgt von unserer großen Villa. So kannte ich Zafrina. Sie wollte mir die Sache erleichtern und bot mir an es ihr auf unsere Weise zu erzählen. Dankbar zeigte ich ihr ein schwaches Lächeln. Ich hob die Hand und hielt sie ihr an die Wange. Die ersten Bilder, die ich ihr zeigte, waren die Erinnerungen, was überhaupt bei uns zu Hause los gewesen war. Ich zeigte ihr, dass der Großteil unserer Familie bei den Denalis war, um beim Umzug zu helfen, dass Bella und Edward bei Phil waren, um ihm zu helfen und dass Jacob und ich ein paar Tage alleine bleiben sollten. „Nicht ganz so schnell. Da komme selbst ich nicht mit.“ Ich hielt inne. Die letzten Bilder von Jacob waren zu durch-einander gewesen. Eine kalte Klammer legte sich um mein Herz. Tiefes durchatmen und volle Konzentration waren nötig, um meine Gedanken zu ordnen und in der richtigen Reihenfolge weiterzumachen. Zafrina wartete geduldig uns ließ mir Zeit. Ihre Gesichtszü-ge waren weich und liebevoll strich sie mir mit einer Hand über den Rücken. Hier, in ihrem Zuhause, wirkte sie viel ruhi-ger, als bei uns. Sie sah nicht ständig nervös in alle möglichen Richtungen und ihr Körper wartete nicht ständig angespannt darauf zu fliehen. Langsam fuhr ich fort und zeigte ihr, wie Bella und Edward mittags zu Phil gefahren sind, dass zu Beginn alles in Ordnung gewesen war und wie viel Spaß wir gehabt hatten. Dann den ersten Abend, als Jacob diese komische Anmerkung gemacht hatte, die ich erst jetzt richtig verstand. Ich weiß nicht, ob Zafrina direkt bewusst wurde, worauf das hinauslief und fuhr ohne Unterbrechung fort. Als ich die Bilder aus dem Schwimmbad zeigte, musste ich aufpassen, um nicht wieder verwirrend und zu schnell zu wer-den. Ich zeigte ihr, wie Jacob mich verunsichert hatte und er-innerte mich an das Gefühlschaos, das er in mir verursacht hatte. Als er mich hatte küssen wollen und ich aufgesprungen war, stoppte ich die Bilder und sah Zafrina unsicher an. Zwar wollte ich, dass sie reagierte und etwas sagte, doch an-dererseits fürchtete ich mich ein wenig davor. Was sollte ich tun, wenn sie mich direkt zurückschicken würde? Wenn sie nicht verstand, warum ich so reagiert hatte. Sie sah zu Boden und ihre Miene war unergründlich. Erst drei unendlich lange Sekunden später blickte sie mir wieder in die Augen. „Ich muss gestehen, dass ich wirklich überrascht bin.“ Als ich nach einigen Sekunden merkte, dass sie nicht weiterreden würde, fragte ich nach. „Wieso? Ich verstehe das alles nicht. Bitte erkläre es mir.“ „Damals…“, begann sie, lehnte sich zurück und sah an die Decke. „... als du klein warst und wir uns kennenlernten, hatten wir alle sehr große Angst um die Zukunft. Genauer gesagt hatten wir Angst, ob wir überhaupt eine Zukunft haben würden. Als die Sache dann vorbei war, fühlten wir uns fast wie neugebo-ren.“ Sie grinste bei ihren eigenen Worten. „Der Kampf oder wie auch immer man das nennen mag, was wir ausstehen mussten, war eine besondere Erfahrung für uns alle. Vor allem der Teil mit den Werwölfen. Eigentlich sollten wir Feinde sein, doch allein die Beziehung zwischen dir und Jacob hat uns um diese einzigartige Erfahrung bereichert. Nie hat auch nur einer von uns daran gezweifelt, dass das ganze tatsächlich gut gehen kann. Auch, als ich euch ab und zu besucht habe wart ihr immer ein Herz und eine Seele. Wie zwei Teile eines Ganzen. Wir alle wussten, was es für einen Werwolf heißt geprägt worden zu sein. Er tat wirklich alles, nur um dich glücklich zu sehen. Ich hätte nie gedacht, dass es dir nicht bewusst wäre.“ „Aber was denn bewusst? Ich habe doch überhaupt nichts anders gemacht, als sonst.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. Offenbar hatten alle kommen sehen, was passiert war. Alle wussten, dass es früher oder später so kommen würde – nur ich nicht. Zafrina sah mir in die Augen und sah fast schon schuldbe-wusst aus, als sie sagte: „Dass es irgendwann mehr, als nur eine besonders innige Freundschaft wird. Dass es Liebe wird.“ „Aber…“ Mehr brachte ich nicht heraus. Schweigend stand ich auf, ging zur Türöffnung und starrte in den dichten Dschungel. „Renesmee, bitte tu mir den Gefallen und zeig mir, was da-nach passiert ist.“ Sie war bereits dabei aufzustehen um mir entgegenzukom-men, als ich sprach und die Hand hob, um ihr zu deuten, dass sie sitzen bleiben könne. „Nichts. Ich habe einen Zettel für Jacob geschrieben, auf dem ich ihn gebeten habe der Familie auszurichten, dass sie sich keine Sorgen machen müssen und ich irgendwann wie-derkommen werde. Dann bin ich auf direktem Wege hierhin. Unterwegs hat… Mom mich angerufen, doch ich habe sie ab-gewimmelt.“ Zafrina sprang nun auf und war mit einem Satz bei mir. „Was, sie wissen gar nicht, wo du bist? Super und als nächs-tes erzählst du mir, dass du zu Fuß gekommen bist.“ Eigentlich sollte es wohl ein Scherz sein, doch ich drehte meinen Kopf schuldbewusst zur Seite und vermied Augenkontakt. Sofort verstand Zafrina und funkelte mich mit bösem Blick an. „Das darf doch wohl nicht wahr sein. Weißt du, was alles hätte passieren können?“ Ich wollte nicht sauer werden, doch das war zu viel für mich. Es war schon schwer genug zu verstehen, was in den letzten Tagen passiert war. Da konnte ich eine Moralpredigt absolut nicht gebrauchen. „Mir ist aber nichts passiert. Ganz im Gegenteil, ich habe so vieles erlebt. Mir ist bewusst geworden, wie wenig ich eigent-lich von der Welt kenne. Sieh mich doch an. Mein Entdecker-geist ist geweckt. Jahrelang war ich in Forks und dachte ich wäre glücklich, doch jetzt weiß ich, was mir alles entgangen ist. Ich habe tolle Dinge gesehen und nachts habe ich mir in Hotels ein Zimmer genommen. Trotz der Pausen habe ich nur drei Tage gebraucht. Und ich habe euch ganz alleine gefun-den.“ Zafrina verdrehte die Augen und seufzte „Ich weiß, dass du kein Kind mehr bist und nicht bevor-mundet werden möchtest, aber gerade deswegen solltest du dich bei ihnen melden. Ich werde dich nicht wegschicken, aber diesen Gefallen musst du mir tun. Wir werden eine Lösung für dein Problem finden. Wenn du möchtest, dann komme ich sogar mit nach Forks, aber nimm ihnen die Sorgen oder ich tue es.“ Ein kurzes Schweigen trat ein. Ich setzte mich wieder auf das Bett und suchte im Rucksack nach meinem Handy. Bevor ich jedoch die Nummer wählte, hielt ich inne und sah Zafrina bittend an. „Stört es dich, wenn ich das alleine machen möchte?“, fragte ich vorsichtig. „Aber nein. Ich wollte eh noch jagen. Kachiri hatte mich unterbrochen, als ich gerade… oh tut mir leid. Ich bin schon weg.“ Mein Blick schien meine Gefühle widerzuspiegeln und ein kleiner Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich mich daran erinnerte, dass ich Kachiri heute schon hatte jagen sehen. Noch größer wurde er allerdings bei dem Gedanken meine El-tern anzurufen. Ich atmete tief ein und drückte die grüne Taste. Es klingelte nur ein einziges Mal, bevor Bella mit ihrer hellen Stimme fast ins Telefon schrie. „Nessie, wo bist du? Geht’s dir gut? Warum hast du dich nicht gemeldet?“ Aus dem Hintergrund hörte ich Edward, der versuchte sie zu beruhigen. „Nun lass sie doch erst einmal zu Wort kommen, Liebste.“ Ich fasste all meinen Mut zusammen. „Bella, hör mir doch zu. Es geht mir gut.“, flüsterte ich wie ein kleines Kind, das fürchtet eine Standpauke anhören zu müssen. „Oh Gott sei Dank, es geht ihr gut.“ Ich meinte leise Alice´ Stimme gehört zu haben und Bella wandte sich wieder an mich. „Bitte Nessie, sag mir wo du bist.“ „Ich bin bei Zafrina und…“ Ich kam gar nicht dazu meinen Satz zu Ende zu führen. „Ganz alleine? Wie bist du dort hingekommen?“ Edward räusperte sich laut. „Wenn du alles wissen willst, dann musst du mich schon ausreden lassen, Mom.“ Vom anderen Ende der Leitung kam kein Laut mehr. Ich schloss aus dem Schweigen, dass sie nicht mehr vorhatte mich zu unterbrechen. „Ich bin bis nach Brasilien gelaufen. Nur nachts habe ich in Hotels geschlafen und mir neue Sachen zum Anziehen be-sorgt. Ich brauchte einfach etwas Zeit für mich. Und bevor du mich jetzt mit hunderten weiterer Fragen löcherst, beantwor-test du mir bitte nur eine einzige: Was hat Jacob euch er-zählt?“ Ein kurzes Knacken war zu hören. Dann ertönte Edwards Stimme, doch diesmal war sie lauter und direkt an mich ge-richtet. „Nessie, hör mir bitte zu. Deine Mutter und ich haben nur eine SMS von Jacob bekommen, dass wir ohne Umwege wie-der zurück nach Forks kommen sollten. Selbstverständlich machten wir uns sofort auf den Weg, doch als wir hier anka-men waren du und Jacob fort. Wir fanden lediglich deinen Zettel, wurden daraus aber nicht schlau. Ich hatte Glück, dass Jacob noch nicht allzu weit entfernt war und konnte mit ein wenig Anstrengung noch einen Gedankenfetzen von ihm mit zu bekommen. Er hat sich verwandelt und streift alleine durch Nordamerika. Seth und Leah weigern sich uns zu erzählen, was genau passiert ist. Viel zu schnell verlor ich seine Gedanken wieder. Stimmt es, dass du ihn nicht liebst?“ Durch diese Frage geriet ich total aus den Fugen. Ich selber hatte sie mir in den letzten Tagen oft gestellt, doch bis jetzt war ich noch nicht auf die Antwort gekommen. „Das kann ich dir nicht sagen. Um genau diese Antwort zu finden bin ich hier. Er hat versucht mich zu küssen und du kennst mich. In den letzten Jahren hab ich nicht einmal annä-hernd an so etwas gedacht. Ich erzähle euch alles ganz genau, wenn ich wieder zu Hause bin. Gebt mir bitte ein wenig Zeit. Ich verspreche ich werde mich melden.“ Die Erleichterung war groß, dass ich ihnen endlich die Wahrheit gesagt und sie beruhigt hatte. Inzwischen war Bella wieder am Telefon und ihre Stimme klang jetzt liebevoll. „Ist ok, Schatz. Wir waren einfach nur sehr besorgt um dich. Lass dir Zeit und grüße bitte Zafrina, Senna und Kachiri ganz lieb von uns. Wir werden übrigens nicht zurück zu Phil fahren. Er hat Maßlos übertrieben und kommt wunderbar alleine klar. Von Emmett soll ich dir ausrichten, dass du unbedingt mal Ameisenbären probieren musst.“ Ein Grinsen zwang sich auf meine Lippen und erst jetzt be-merkte ich, dass ich die ganze Zeit mit einer meiner Haarlo-cken herumgespielt hatte. „Mache ich. Ich hab euch lieb.“ „Wir dich auch. Und übrigens danke, dass du dich gemeldet hast.“ Im Nachhinein war ich Zafrina auch sehr dankbar, dass sie mich zu diesem Schritt praktisch gezwungen hatte. „Danke Mom für euer Vertrauen. Bis bald.“ Das bekannte Tuten erklang aus dem Hörer und ich verstau-te das Handy wieder in meinem Rucksack. Laut rief ich nach Zafrina und nur Sekunden später saß sie neben mir auf dem Bett. „Hast du wenigstens Grüße von mir bestellt?“ Ich legte eine überraschte Miene auf und tat, als wäre ich geschockt. „Sag bloß du hast nicht gelauscht und weißt das noch nicht?“ Zafrina ging auf das Spiel ein und sagte mit einer Un-schuldsmiene: „Wie könnte ich es wagen? Familiäre Krisen sind nichts für Außenstehende. Nein, aber mal im Ernst, ich halte mich da lieber raus.“ Nun zog ich einen Schmollmund. „Ach ja? Und warum hast du mich dann dazu gezwungen zu Hause anzurufen? Aber egal. Du hattest Recht. Edward und Bella wissen jetzt Bescheid. Nun möchte ich dir aber mal eine Frage stellen: Was ist mir deinen Augen?“ Schlagartig wurde ihr Blick ernst. Sie stand auf und beugte sich über mich, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Ihr langer Haarzopf fiel ihr dabei über die Schulter und erst jetzt fiel mir auf, dass sie keine Schuhe anhatte. „Es ist zwar kein fünf Sterne Hotel, aber ich wünsche ihnen trotzdem eine geruhsame Nacht, kleine Mrs. Cullen. Für alles andere haben wir morgen noch genügend Zeit.“ Ein kurzer Blick aus dem Fenster machte mich darauf auf-merksam, dass es tatsächlich schon dunkel geworden war. Ge-rade, als ich wieder zu Zafrina sah und ihr eine gute Nacht wünschen wollte, merkte ich, dass sie schon weg war. Freun Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)