Wolfsliebe von Scarla ================================================================================ Kapitel 2: Abschied von Tariq ----------------------------- »Lanta ist viel größer, als ich es in Erinnerung hatte.« Sly schaute sich nachdenklich um. »Es ist auch gewaltig gewachsen, in all der Zeit«, bemerkte Lugh Akhtar. »Sieben Jahre sind nicht ohne.« »Ich weiß.« Der Rotschopf nickte und blieb stehen und schaute ihn nachdenklich an. »Kennst du dich hier aus? Ich würde mich nämlich garantiert verlaufen.« »Du ahnst gar nicht, wie oft Nikolai mich hierher mitgenommen hat. Ich kenne mich hier fast ebenso gut aus, wie in Altena. Mit dem Unterschied, dass ich ungleich lieber hier war.« Der junge Zauberer zuckte mit den Schultern, deutete den Weg entlang. »Das hier ist der direkte Weg.« »Es ist wirklich schön, so unerkannt durch eine Stadt zu laufen. Ohne sich zu fragen, ob der Feind an der nächsten Ecke steht.« Sly seufzte und machte zwei schnelle Schritte, um wieder an Lugh Akhtars Seite zu gelangen. »Meinst du, wir kommen einfach so ohne Weiteres ins Schloss?« Da zögerte nun der junge Zauberer. Er schaute nachdenklich in die blauen Augen seines Freundes. »Das könnte tatsächlich ein Problem sein. Früher bin ich hier ein- und ausgegangen, wie es mir beliebte, doch mit dem weißen Haar und diesen Augen und dann noch als Zauberer…« Lugh Akhtar hatte nicht immer seine vielfarbigen Nordlichtaugen und das weiße Haar, mit den beiden Flecken über den Ohren, besessen. Einst hatte er tiefschwarze Haare und braune Augen, wie Tariq auch, doch als er sich in einen Wolf verwandelte, da hatte er auch nach seiner Zurückverwandlung beides behalten. Er hatte niemals wirklich verstanden, woher es kam, dass man manche Dinge beibehielt, und andere wiederum nicht. Ice’ Haarfarbe war eines dieser Dinge. Er hatte einst eine andere Haarfarbe, doch als Sly ihn in einen Wolf verwandelte, da wurde sein Fell blau. Warum es nun nicht wieder in die alte Farbe zurückversetzt werden konnte, er wusste es nicht. Ebenso wie Cinders Narbe. Es gab keinen wirklich guten Grund, warum sie das halbmondförmige Zeichen auf ihrer Stirn behalten hatte, doch war es so. »Vielleicht sollten wir fliegen…?«, überlegte Sly und ging schnellen Schrittes zielgerichtet weiter. »Nein. Ikaika und Nikolai werden nicht so dumm sein, das Schloss einfach ohne magischen Wall zu lassen, und da würdest du nicht durchkommen. Das Gleiche mit einer anderen Tiergestalt. Wir müssten ihnen Bescheid geben, irgendwie…«, überlegte der Zauberer und folgte schnell. »Kommt ganz darauf an, wohin ihr möchtet«, bemerkte eine bekannte Stimme hinter ihnen. Sogleich fuhren sie herum, und tatsächlich: Tariq stand vor ihnen und schaute sie lächelnd und fragend an. »Tariq! Was tust du hier?«, zischte Lugh Akhtar sogleich entsetzt, war mit wenigen Schritten bei seinem Freund. »Hoffentlich unerkannt bleiben. Das wird aber nicht der Fall sein, wenn du weiter so herumschreist«, zischte der dem jungen Zauberer zu und warf ihm einen ernsten und bittenden Blick zu. »Aber, du kannst doch nicht einfach ganz allein irgendwohin laufen! Damit präsentierst du dich Rex doch regelrecht auf dem Servierteller!«, fauchte Sly und ergriff den jungen Mann grob am Arm. »Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen«, erklärte der kühl, als er sich aus dem Griff des Rotschopfes wand. »Hallo, mein weißer Wolf.« Unbemerkt war ein Mädchen zu ihnen getreten. Auch sie war keine Unbekannte. Sie lächelte Lugh Akhtar glücklich an. Der zögerte. Er meinte nun zu verstehen, was den jungen König, denn niemand anderes war Tariq, dazu veranlasst hatte, die Sicherheit des Schlosses zu verlassen. Allein zu verlassen. »Ich mach dir einen Vorschlag. Wir gehen gemeinsam ins Schloss zurück, du erzählst mir, was dich dazu bewogen hat, diese himmelschreiende Dummheit zu begehen, und ich erzähle dir, warum ich hier bin«, bot der junge Zauberer an. »Nein. Wir gehen nicht ins Schloss. Kommt mit.« der junge König lächelte geheimnisvoll, als er an dem jungen Zauberer vorbei trat und in einer Seitengasse verschwand. Lugh Akhtar wollte einen schnellen, viel sagenden Blick mit Sly tauschen, doch der starrte in die Menge, als habe er einen Geist gesehen. »Sly, was ist los?«, fragte er sogleich alarmiert. »Ich… nein, ist jetzt egal«, antwortete der und deutete dem Mädchen, Maya, dass sie vorgehen sollte. Gemeinsam folgten sie Tariq, bis hin zu einem kleinen Haus. Lächelnd deutete der junge König, dass sie eintreten sollten. »Warum hierher?«, wollte Lugh Akhtar wissen, als er sich im Eingangsbereich umschaute. »Weil wir nicht dumm sind. Du musst nicht denken, dass du der Klügste wärst, nur, weil du mächtig bist, Lugh Akhtar«, spottete der junge König und ging zielgerichtet in das kleine Wohnzimmer. Der junge Zauberer folgte langsam und mit fragend gerunzelter Stirn. »Es ist viel einfacher, über das Haus hier einen magischen Bann zu ziehen, als über das ganze Schloss. Und wer vermutet schon den König inmitten seiner Untertanen?«, erklärte Sly grinsend und trat an ihm vorbei, um sich ganz selbstverständlich auf einem der Sessel niederzulassen. »Ganz genau. Ich bin hier wirklich nur Tariq, nicht Prinz… König… König Fjodor…« Er zögerte kurz und wirkte nachdenklich, als er das sagte. »Wo sind die beiden alten Männer eigentlich? Und haben sie dir gesagt, wer…« Lugh Akhtar zögerte abermals. »Wer meinen Vater getötet hat? Ja. Deswegen habe ich auch von vorn herein jede Kooperation mit Altena ausgeschlossen. Aber, wo sie sind, das weiß ich nicht.« Tariq winkte das Mädchen zu sich. »Der Rotschopf ist Sly, der Zauberer ist Lugh Akhtar. Sie sind Freunde von mir.« »Hey, ich bin auch ein Zauberer!«, wandte Sly ein, doch wurde er komplett ignoriert. »Ja, Lugh Akhtar kenne ich.« Sie lächelte mit glänzenden Augen. Dem jungen Zauberer war das unangenehm. So hatte ihn noch nie jemand angesehen und schon gar kein Mädchen. Er wusste nicht, was sie dachte und er verstand nicht, was sie fühlte. »Maya kennt ihr ja schon. Sie lebt mit mir hier und leistet mir Gesellschaft, wenn Ikaika und Nikolai mal wieder für Tage unauffindbar sind.« Tariq wirkte nicht, als störe es ihn sonderlich. Im Gegenteil, sein Blick war liebevoll, als er auf Maya blickte. »Und, um deine Geschichte zu wahren rennst du einfach so durch die Straßen Lantas?«, erkundigte sich Sly nachdenklich. »Ja. Natürlich nicht alleine. Normalerweise ist Lod auch dabei, aber er hat oben geschlafen, als wir losgehen wollten.« Lod, ja. Lugh Akhtar erinnerte sich an den weißen Wolf. Als Nea und Tariq Maya erzählt hatten, was aus ihrem alten weißen Wolf, aus ihm selbst, geworden war, da hatten sie ihr das Tier geschenkt. Seitdem war er ihr treuer Begleiter und passte gut auf sie auf. Mit Lod gemeinsam war Tariq auch ohne Ikaika oder Nikolai sicher, das wusste er. Die weißen Eiswölfe standen seit jeher unter dem Schutz des Winters. »Und jetzt erzähl, was tust du hier? Ich dachte, ihr wolltet Rex’ Macht vor Ort untergraben?« »Ursprünglich ja, aber sie machen jetzt auch im Gebiet um Altena herum jagt auf uns, sodass wir beschlossen haben, nach Süden zu gehen. Ich wollte mich verabschieden und dir das erzählen, bevor wir losziehen. Nicht, dass du dich sorgst und deswegen etwas Dummes tust…« Lugh Akhtar erinnerte sich noch sehr gut, dass Prinz Fjodor gerne seinem langweiligen Leben entkam und auch bereit war, Gefahren auf sich zu nehmen. Er wusste nicht, wie es mit König Fjodor stand. »Mein Volk braucht mich, ich wäre euch nicht gefolgt. Ich bleibe hier und versuche das Beste aus der Situation zu machen.« Er blickte schnell und mit einem verhaltenen Lächeln zu Maya, bevor er fortfuhr. »Reist nur ihr beide?« »Nein, natürlich nicht. Unsere Schwestern und Ice kommen mit«, erklärte Sly und lehnte sich zurück. »Und wo sind sie?« Tariq setzte sich ebenfalls. Er deutete auf den Kratzer, der mittlerweile eine feine Narbe geworden war. »Und mit wem bist du da aneinander geraten?« »Cinder. Sie ist im Moment ein wenig... mit Vorsicht zu genießen«, kam die zögerliche Antwort. »Hast du eigentlich schon mit ihr geredet?«, erkundigte sich Lugh Akhtar. »Ja, aber sie hat mir nur ins Ohr gebissen.« Der Rotschopf wirkte ein wenig genervt. »Dann hör mit deinen Sprüchen auf, vielleicht ist sie dann wieder lieb«, lächelte der junge Zauberer, wandte sich wieder Tariq zu. »Sie sind irgendwo hier in der Stadt. Immerhin ist Lanta riesig, viel größer als Altena, da sollten Soul und Cinder einmal sehen, was gewöhnliche Menschen zustande bringen, wenn man ihnen nur genügend Zeit gibt. Wobei ich ja glaube, dass Ice und Soul eher irgendwo in einer dunklen Ecke sitzen und miteinander beschäftigt sind.« »Wieso das?« Erst als er das Erstaunen in Tariqs Blick gewahr, wurde dem jungen Zauberer bewusst, dass der König ja schon zurückgekehrt war, bevor ihre kleine Pärchenbildung begonnen hatte. »Weil sie verlobt sind. Bei der Eidsprechung auf dem Turm hat Ice Soul einen Antrag gemacht. Und Sly und Cinder sind auch ein Paar, allerdings dauert die Verlobung noch einen Augenblick, wenn er sich weiterhin so blöd anstellt.« Nur der wohlwollende Blick verhinderte, dass der Rotschopf darauf einen bissigen Kommentar abgab. »Wirklich? Dann gratuliert ihnen ganz herzlich von mir!« Der junge Mann freute sich sichtlich. Dann jedoch blitzte es in seinen Augen, er schaute Lugh Akhtar einen Moment so an, als wollte er etwas sagen, schwieg dann aber doch. »Ihr werdet also bald nach Süden aufbrechen. Kannst du… vielleicht ein weiteres Mal meine Post überbringen?«, bat er stattdessen zögernd. Mit einer Geste auf Maya fügte er hinzu: »Das letzte Mal hast du ja ganze Arbeit geleistet.« »Ich habe ihr die freie Wahl gelassen. Aber natürlich überbringe ich einen weiteren Brief, wobei ich mich frage, wieso du es nicht von jemand anderen tun lässt.« Die Nordlichtaugen blickten den jungen König nachdenklich an. »Weil ich dich kenne. Ich weiß, dass du ihn so zuverlässig abgeben wirst, wie auch Ikaika oder Nikolai, aber ich weiß auch, dass du viel überzeugender sein kannst, als sie. Gerade durch deine… gelegentliche Gleichgültigkeit«, erklärte Tariq. »Gleichgültigkeit?«, fragte Lugh Akhtar erstaunt. »Ja. Manchmal wirkst du so unbeteiligt, als wenn dich das alles nichts anginge…« Der junge König wirkte unsicher, als wäre er sich nicht sicher, wie sein Freund reagieren würde. Doch der wirkte einfach nur verwirrt und zuckte dann mit den Schultern. »An wen soll dein Brief denn gehen?«, fragte er stattdessen. »An den Meister der südlichen Zauberergilde. Er ist wichtig, er darf nicht in die Hand des Feindes geraten, denn darin stehen Dinge, die beiden Seiten von großem Schaden sein könnten.« Der junge König stand auf. »Wäre es dann nicht viel schlauer, das ganze Lugh Akhtar zu sagen?«, warf Sly ein. »Seine Gedanken können sie nämlich nicht stehlen.« Tariq zögerte einen Moment, doch der junge Zauberer verneinte. »Schreib es auf. Ich will nicht wissen, was darin steht, ich habe das leise Gefühl, dass es mir nicht gefallen würde«, nahm der dem König die Entscheidung ab. »Ja, das könnte durchaus sein…«, räumte Tariq zögernd ein und lächelte unsicher. »Dann schreib. Wir müssen in einer Stunde am Westtor sein, da treffen wir die anderen wieder«, merkte Lugh Akhtar an und deutete auf die kleine, feine Uhr, die auf einem kleinen Schränkchen stand. Jetzt erst schien sie Sly aufzufallen, denn er stand auf und nahm sie zögernd und vorsichtig hoch. Seine Augen glänzten, als er sie betrachtete. »Menschenhand schafft manchmal so erstaunliche Dinge…«, murmelte er und der junge Zauberer stimmte nickend zu. Es gab auch bei den Zauberern Uhren, aber diese kleinen, filigranen Zeitanzeiger waren etwas ganz und gar Besonderes. Da sie nicht gerade weit verbreitet waren, hatte es in der Regel keinen Sinn, jemanden zu einer bestimmten Uhrzeit irgendwohin zu bitten, doch alleine sie zu besitzen, genügte vielen. Dass sie sich zu einer bestimmten Uhrzeit verabredet hatten, lag nur daran, dass Lanta einen Uhrturm besaß, der von fast jedem Punkt der Stadt aus einsehbar war. So hatte Lugh Akhtar, der dank Tariq als Einziger in der Lage war, mit der Kombination aus Ziffern und Zeigern etwas anzufangen, ihnen erklärt, wie die Zeiger zu stehen hatten, wenn sie sich am Westtor einfinden sollten. »Gut, ich brauche nicht lange«, nickte Tariq und verschwand mit einem sachten Lächeln in einem Nebenraum. Sly drehte noch eine Weile die Uhr in seinen Händen, während Maya sich langsam auf seinen Platz setzte. »Ich möchte dir danken«, begann sie zögernd und setzte sich Lugh Akhtar gegenüber nieder. »Wofür?«, fragte der erstaunt. »Weil du mich hast entscheiden lassen. Du hast Vater davon abgehalten, mich zu zwingen, und deswegen bin ich gerne hierher gekommen. Manchmal… macht Lanta mir noch ein wenig Angst, aber es ist so schön hier! Und Fjodor ist so ein netter Mensch. Ich habe immer gedacht, dass ein König gleichgültig dem einfachen Volk gegenüber ist, aber er ist so anders, als ich es mir vorgestellt habe. Ich wäre nicht hierher gekommen, wenn es nicht du gewesen wärst, der mich darum bat. Ich… weiß nicht, wie ich es sagen soll. Deswegen danke ich dir einfach, für alles, was du für mich getan hast«, erklärte sie und wurde immer leiser und immer röter im Gesicht. »Den Dank solltest du dir für eine andere Gelegenheit aufheben, noch bist du nicht Königin«, merkte Sly an und stellte die Uhr wieder zurück. Erstaunt schaute das Mädchen zu ihm hoch. »Aber, ich will doch gar nicht…«, murmelte sie. »Glaub mir, es geht schneller als du denkst, dass ihr zwei wieder getrennte Wege geht.« Der Rotschopf wirkte schlecht gelaunt und aggressiv, doch Lugh Akhtar vermutete, dass seine Frustration mit Cinder der eigentliche Grund war. »Mach ihr keine Angst, Sly. Und schon gar nicht, wenn es unnötig ist. Das Glück geht manchmal seltsame Wege, das solltest du eigentlich genauso gut wissen, wie ich«, bemerkte er und warf seinem Freund einen warnenden Blick zu. »Ich bin ja schon still«, seufzte der. Danach sprachen sie leise über Belanglosigkeiten, bis Tariq zurückkam. Sie verabschiedeten sich von einander, wissend, dass sie sich für eine ganze Weile nun nicht sehen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)