Wolfsliebe von Scarla ================================================================================ Kapitel 16: Neue Liebe? ----------------------- »Lass mich los!« Nea brüllte so laut, dass es Kenai in den Ohren schmerzte, doch er dachte nicht daran. »Wir suchen deine Freunde, wenn es sicher ist«, erklärte er ruhig und trieb den Wallach noch mehr an. »Nein, du kehrst sofort um!«, befahl sie, während der Wind um sie herum auffrischte. »Ich habe keine Angst vor deiner Magie«, bemerkte der Söldner darauf mit gerunzelter Stirn. »Solltest du aber, als gewöhnlicher Mensch«, giftete sie. »Ich weiß. Aber ich bin Söldner, ich lebe davon, mein Leben wegen Geld zu riskieren, da kann es mir egal sein, ob ich es nun riskiere, um einmal in meinem Leben so klug zu sein und abzuhauen.« Kenai wirkte ziemlich gleichgültig. »Dann hau ab, es ist mir egal ob du fliehst, aber lass mich gehen!«, wetterte die junge Zauberin. »Nein. Und wenn du mit mir danach niemals wieder ein Wort sprichst, trotzdem nein«, war die unerbittliche Antwort. »Und warum nicht?« »Weil ich nicht das erste Wesen, was eindeutig meiner Spezies angehört, mich aber nicht als Bastard bezeichnet, obwohl es um meine Herkunft weiß, in den sicheren Tod schicken werde«, erklärte er sachlich. »Was?« Nea wirkte verblüfft. »Ich mag dich. Du verachtest mich nicht, weder für das was ich bin, noch für das, was ich tue. Alleine deswegen mag ich dich. Und alleine deswegen werde ich nicht zulassen, dass du dein Leben wegwirfst.« Kenai ließ den Wallach langsamer werden. »Aber was ist mit meinen Freunden?«, fragte die junge Zauberin und schaute ihn aus großen Augen an. »Wenn sie klug sind, dann sind sie abgehauen, wenn nicht, dann sind sie jetzt sowieso nicht mehr am leben. Wir werden zurückreiten, aber erst, wenn ich es als sicher erachte, vorher lass ich dich nicht gehen.« »Bin ich jetzt also deine Gefangene?«, wollte sie kalt wissen. »Ja.« »Und für wie lange?« »Das wird die Zeit zeigen.« Kenai ließ den Wallach anhalten und lauschte durch die Stille des Waldes. »Lass uns bitte zurück reiten.« Nea schaute bittend zu ihm auf. Kenai schaute sie an, schaute für einen Moment nur in ihre blaugrünen Augen. »Nein…«, sagte er dann leise. »Aber ich mache mir solche Sorgen.« Sie begann zu weinen. »Trotzdem nicht. Wir werden hier eine Stunde warten und dann zurück reiten«, beschloss Kenai und das taten sie auch. Sie wechselten kein Wort in der Zeit, auch nicht, während sie umkehrten. Erst, als sie die kleinen, knisternden Feuerchen sahen, die von dem Großbrand noch übrig waren, da entfuhr Nea ein kleiner Schrei. Sie rutschte vom Pferderücken und lief über das verbrannte Gras, suchte verzweifelt nach einem Beweis, dass Lugh Akhtar und ihr Bruder noch am leben waren, doch sie fand nichts. Stattdessen fand sie die verbrannten Überreste von etwas menschlichem. Sie sackte zu Boden, das pure Entsetzen in den Augen. Da stellte sich Kenai neben sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Keine Angst, wir finden sie«, erklärte er und lächelte aufmunternd. »Wir haben sie schon gefunden«, hauchte sie und weinte bitterlich. »Das sind sie aber nicht. Ich habe Spuren von Sivan gefunden, und sie sind schwerer als sonst, also trug er zwei Reiter. Und ich habe Fellreste gefunden. Weißes Fell und zwar jenseits des Feuers«, erklärte Kenai und hielt ihr den Büschel hin. Nea griff danach und fühlte deutlich, dass es Wolfsfell war. »Außerdem habe ich Wolfsspuren gefunden, zwei verschiedene«, fuhr Kenai fort und zog sie hoch. »Also denkst du, sie könnten noch leben?« Hoffnungsvoll schaute sie ihn an. »Wir können uns zumindest auf die Suche nach ihnen machen«, erklärte er und lächelte. »Dann lass uns erst den Wolfsspuren folgen«, bat sie und das taten sie. Doch verloren sie die Spur, als die Tiere einen Fluss überquerten. Auch die Pferdespuren brachten sie nicht viel weiter, denn bei dem felsigen Gebiet am Ende des Waldes verloren sie auch die. »Was sollen wir nun tun?«, fragte Nea, als sie über den felsigen Boden strich. »Na ja, du weißt doch, wo sie hin wollten, oder?«, fragte er nachdenklich. »Ja, aber ich kenne doch den Weg nicht.« Sie zog die Knie an und vergrub ihr Gesicht darin. »Sag mir nur, wo es ist«, lächelte Kenai und setzte sich zu ihr. »Ich… ich weiß es nicht. Es gibt überall auf der Welt Orte, an denen keine Magie existiert, und dort leben die Jahreszeiten. Aber ich weiß nicht, in welchem Kleinreich das der Fall ist«, weinte sie. »Ein Ort ohne Magie, ja?« Der Söldner wirkte nachdenklich. »Kennst du einen solchen Ort hier?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Ja… ja, ich denke schon. Ich bin hier im Westen geboren und aufgewachsen und meine Mutter und ich lebten in der Nähe mehrerer Schluchten… man nannte sie die Windskralle, weil sie einer Legende nach entstand, als der Wind voller Wut auf die Erde schlug. Das ist natürlich Schwachsinn, aber… es ist eine Tatsache, dass die Zauberer nur sehr ungern dorthin kommen. Irgendetwas hält sie fern…«, erzählte er nachdenklich. »Und du denkst, dass das Fehlen der Magie könnte der Grund sein?« »Wir können es herausfinden. Und selbst wenn dem nicht so ist, könnte meine Mutter eine Idee haben«, überlegte Kenai. »Dann… lass uns losziehen«, bat Nea. So zogen sie nur zu zweit weiter. Es war ein weiter Weg und sie waren lange unterwegs, doch je weiter sie kamen, desto zuversichtlicher wurde die junge Frau und freute sich, ihre Freunde bald wieder zu sehen. »Gut, ich bin dran«, lachte Nea gut gelaunt. Es war Anfang Dezember, der Herbst war schon weit fortgeschritten und ihr Ziel war nicht mehr fern. Sie hatten Glück gehabt, es hatte sich ihnen niemand in den Weg gestellt, sie waren überall unbehelligt geblieben und Kenai war ihr ein guter Freund geworden. »Gut, dann frag«, lachte er. Sie spielten ein Spiel, sie stellten abwechselnd Fragen und der andere musste wahrheitsgemäß antworten. »Also… hast du Geschwister?« Sie schaute ihn auffordernd an. »Nein. Zumindest keine von denen ich wüsste, da ich meinen Vater aber nicht kenne ist es aber nicht auszuschließen«, erklärte er. »Weißt du… du siehst Lugh Akhtar ähnlich. Vor allem seiner Gestalt, bevor er das weiße Haar hatte…«, überlegte Nea. »Wirklich?« Kenai zögerte kurz, dann lächelte er und forderte: »Zähl mir alle Namen deiner Geschwister auf, und zwar in der richtigen Reihenfolge.« »Oha. Also, die erste ist Rose, danach kam Hope. Dann kam Hazel, sie ist die einzige ohne rotes Haar. Dann kamen erst einmal zwei Zwillingspaare, also Red und Deer und Ember und Ashes. Dann kam Page und das letzte Zwillingspaar, Cloud und Sky. Danach kam dann Ocean und natürlich Robin. Und ich bin die Dreizehnte«, lächelte Nea. »Kommt mir das nur so vor, oder seid ihr deutlich mehr Frauen?«, erkundigte sich Kenai verwundert. »Nein, da hast du recht. Von dreizehn Kindern sind es nur drei Jungen. Hope, Red und Deer. Alle anderen sind Mädchen«, lachte die junge Zauberin. »Da haben es deine Brüder aber bestimmt nicht leicht.« »Nein, weiß Gott nicht. Aber ich bin wieder dran. Woher hast du den Namen deines Pferdes?« »Sivan? Das bedeutet September und ich habe ihn im September vor fünf Jahren bekommen. Er stand verletzt im Wald und ich habe ihn eingefangen und gesund gepflegt. Ich denke, dass er eigentlich ein Wildpferd ist, aber danach wollte er nicht mehr gehen. Also habe ich ihn behalten und ihn nach dem Monat benannt, in dem wir uns trafen.« »Okay, auf die Idee wäre ich nicht gekommen. Aber ich glaube auch nicht, dass Lugh Akhtar da so bös' drum ist«, lachte sie. »Ja… Ich bin wieder dran, und wo wir schon bei ihm sind… Liebst du ihn eigentlich noch?« Er schaute sie forschend an. »Wen, Lugh Akhtar?« »Ja.« Nea zögerte und überlegte lange. »Das ist… schwer zu beantworten. Ich weiß es nicht. Kann man denn zwei Menschen zugleich lieben?«, fragte sie und blieb nachdenklich stehen. »Ich weiß es nicht, so etwas ist mir nie passiert«, antwortete Kenai. »Nun… ich habe das Gefühl, dass dem so ist. Lugh Akhtar ist mir wichtig, und ich denke auch, dass ich ihn liebe, aber… er ist nicht mehr der Einzige, der in mir solche Gefühle weckt, und… ich wüsste nicht sicher, für wen ich mich entscheiden würde…« Sie schaute ihn verwirrt an. »Denkst du, dass er dich liebt?«, erkundigte sich der Söldner weiter. »Nein. Ich denke, wenn er mich wirklich lieben würde, hätte er mich schon längst gefunden. Ich kenne seine Fähigkeiten, es wäre ein Leichtes für ihn.« Sie lächelte traurig, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ich bin dran. Hast du… eine Geliebte?« Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. »Nein. Aber ich glaube, ich liebe jemanden«, antwortete er leise. »Ja…?« Sie schaute ihn fragend direkt an. »Ja… aber ich denke nicht, dass ich Chancen bei ihr habe.« Er lächelte traurig. »Hast du es ihr denn gesagt? Du kannst es nicht wissen, wenn du es nicht versuchst«, warf sie ein. »Das stimmt…« Kenai seufzte, schaute denn nachdenklich in den Himmel. »Denkst du wirklich, ich sollte es ihr sagen?« »Ja.« Nea lächelte auffordernd. »Wir können auch gerne gemeinsam zu ihr gehen, wenn es dir irgendwie hilft.« »Aber… ich muss nirgendwo hingehen. Nea, die, die ich liebe, das…«, begann er, doch sie schüttelte ängstlich, fast panisch den Kopf. »Sag es nicht, sprich es nicht aus!«, rief sie aus und wich vor ihm zurück. »Aber du sagtest doch…!« Kenai kam auf sie zu und sie wich noch weiter zurück, bis er wieder stehen blieb. »Nein Kenai! Nicht jetzt. Nicht… zu mir. Ich kann… ich kann Lugh Akhtar nicht so verraten!« Tränen traten in ihre Augen, als sie sich ruckartig umwandte. »Aber wieso verrätst du ihn? Du sagst doch selbst, dass er dich nicht mehr liebt.« »Das bedeutet aber nicht, dass ich mich irgendjemand anderem zuwenden kann! Ich muss es ihm doch zumindest sagen…« »Das kannst du auch später tun, wenn du ihn wieder gefunden hast.« »Ja, natürlich könnte ich das, aber…« Sie wirkte unentschlossen. »Aber was?« Er schaute sie sehnsüchtig an. »Ach verdammt, ich weiß es doch auch nicht! Ich fühle mich an ihn gebunden, aber ich weiß nicht, wieso. Er hat kein Recht auf meine Treue, denn ich bedeute ihm ja nicht mehr, als es eine Freundin tut, aber ich fühle mich dennoch, als würde ich ihn verraten, wenn ich dem folgte, was mein Herz mir sagt.« Sie schüttelte den Kopf und schaute ihn plötzlich sehnsüchtig an. »Sag mir, dass ich ihn verlassen soll und ich tue es. Sag mir, dass du mich liebst und ich glaube dir. Hilf mir, ich selbst kann es nicht…« »Ja Nea, ich liebe dich. Verlasse ihn, denn er liebt dich nicht. Komm zu mir, ich werde dich nicht so einfach aufgeben«, erklärte Kenai eindringlich. Da nickte sie und flüchtete sich in seine Arme. Sie wusste, dass sie damit Lugh Akhtar verriet, aber ihr Herz schrie danach endlich wirklich geliebt zu werden. Von jemandem, der es nicht nur behauptete, sondern der es auch zeigte. Und das tat Lugh Akhtar nicht. Das hatte er nie getan. »Wir müssen aber trotzdem weiterkämpfen. Ich will, dass in Altena Frieden herrscht«, flüsterte sie. »Natürlich. Wir reisen weiter, wir treffen deine Freunde wieder, wir tun, was auch immer zu tun ist. Und dann gehen wir gemeinsam irgendwohin, wohin uns niemand folgen wird. Irgendwo, wo wir unerkannt sind, wo sich niemand um uns schert«, antwortete er sanft und glücklich. Dann hob er ihr Kinn an und verlor sich in ihren wunderschönen Augen, bevor er sie küsste. So reisten sie nun als Paar weiter. Es war der Abend vor der Wintersonnenwende, als sie ankamen. Sie standen an der Schlucht, da hörten sie ein Geräusch. Als sie ihm folgten, entdeckten sie Sly, der Cinder fest in seinem Arm hielt, und Ice und Soul, die einander fest umarmten. Nur Lugh Akhtar, der ein wenig abseits stand, wirkte noch bedrückt. »Leute!«, rief Nea und stürzte hinzu. »Nea! Geht es dir gut?«, fragte Sly, warf ihr aber nicht nennenswert mehr als einen schnellen Blick zu, denn Cinder war wichtiger, als seine Schwester. Doch mit zwei schnellen Schritten war Lugh Akhtar bei ihr. »Nea, mein Herz, ich habe dich so vermisst!«, rief er und wollte sie umarmen, doch sie wich vor ihm zurück. Er schaute sie verwundert an, versuchte es aber nicht erneut, stattdessen warf er Kenai einen verwunderten Blick zu. »Immer noch da?«, fragte er leise. »Ich bin nur nach Hause gekommen«, lächelte der Söldner. »Ist das jetzt nicht egal? Wir sind wieder alle beisammen, also hatten wir alle dieselbe Idee«, mischte sich Ice ein und drückte dabei Soul so sehr an sich, dass sie nur noch in kurzen Stößen atmen konnte, der zu erwartende Nachwuchs, den man ihr mittlerweile deutlich ansah, vermutlich schon zerquetscht war. »Also lasst uns für heute Nacht ein Lager suchen und Morgen gleich zum Herbst gehen«, lachte Sly. »Dann kommt mit, ich habe den perfekten Platz«, bot Kenai an und ging voran. Nea folgte ihm mit einem Lachen. Die anderen nur zögernd. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)