Unter dem Blutmond von Arianrhod- ([AtemuTea]) ================================================================================ Prolog: Red Moon ---------------- Titel: Unter dem Blutmond Teil: 1/7 Autor: Fandom: Yu-Gi-Oh! Rating: PG-14 Warning: extremes AU, Kämpfe, Het, SA Pairing: Vanishshipping (Atemu x Anzu), Thiefshipping (Bakura x Malik), Softshipping (Ryou x Serenity), Pleashipping (Mahaado x Isis), Duke x Mana, Mehr? Disclaimer: Nix gehört mir und ich krieg auch kein Geld. ~~~~~~~ So... Das ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich für einen WB tatsächlich im Zeitplan liege. Zumindest fast. >__>" Jedenfalls ... die FF ist für s Yami-Pairing-WB. Sie ist extrem AU, wer das nicht mag, sollte wohl besser fern bleiben, und Fantasy. Außerdem mixe ich die Charaktere extrem durch und ... hm, was gibt's noch zu sagen? *grübel* Ich hab neben Atemu/Anzu noch ein paar andere Pairs, aber sie werden alle nur am Rande vorkommen, wenn überhaupt, denke ich. Der Prolog ist übrigens etwas lahm, glaube ich, aber ich wollte erst mal die Situation darstellen und die wichtigen Charaktere dazu und so. :/ Da ich die Story in nur 5 Kapitel, die nicht ewig lang sein dürfen, verpacken muss, wird das Tempo wohl im 1. Kapitel angezogen werden. Ich weiß noch nicht, wie es dann am Ende tatsächlich aussieht, aber ... *shrug* Ich bin sicher, ich wollte noch etwas sagen, aber ich hab's vergessen. Kann also nicht so wichtig sein. Kurz noch die Namen, weil das bei YGO gern mal etwas verwirrend ist: Bakura - Yami no Bakura Ryou (der später auftauchen wird) - der Hikari Malik - ebenfalls der Hikari Assur - Yami no Malik Der Rest sollte klar sein. ~~~~~~~ Red Moon Die Dämmerung kroch mit Nebel und Kälte in das Dorf. Es war noch früh im Jahr und die Morgen waren noch frisch. Irgendwo begannen Vögel zu singen, als die Welt erwachte und der Horizont heller wurde. Blasses Licht ließ die Farben klarer hervortreten; das junge Grün der Pflanzen, die braunen und gelben Erdfarbtöne, die im Dorf vorherrschten, und die blutroten Banner und Stofffetzen, die scheinbar überall verteilt waren und im Wind flatterten. Dann begann das Farbenspiel, das der Sonnenaufgang am Himmel zwischen den Gipfeln des Kaormassivs mit sich brachte. Es beleuchtete das Schiefergrau und Mattschwarz des Gebirges selber, wann immer der blanke Fels zwischen dem dicken, grünen Teppich der Flora zu sehen war, und das Weiß des Schnees, der die majestätischen Bergkronen noch immer bedeckte. Das Dorf, die größte Siedlung in der Gegend, war eine große Ansammlung von Blockhütten und einigen wenigen Gebäuden aus Stein, umgeben von einem Wall und der hohen hölzernen Palisade. Auch von den beiden Wachtürmen wehten die roten Banner. Anzu hatte in der Nacht kaum geschlafen, trotz der Anstrengung der letzten Tage. Sie hockte zusammengekauert vor der Hütte der Maidenjägerinnen und beobachtete still das Geschehen um sie herum. Ihre nackten Füße waren staubig und eiskalt und die grobe Holzwand in ihrem Rücken hart und unbequem, aber wenigstens war sie hellwach, auch wenn sie schon seit Stunden hier saß. Es waren verschiedene Faktoren, die sie wachgehalten hatten: die Erinnerungen an die Kämpfe der letzten Tage, ihre lebhafte Phantasie und die wirren Ideen, ihre Träume, ihre Sorgen und natürlich die Trommeln. Die Trommeln, die nicht mehr still sein konnten. Es war ein dumpfer, langsamer Rhythmus, der ihr direkt ins Blut zu gehen schien. Der tiefe, donnernde Klang hallte in ihren Ohren und ihrem gesamten Körper. Er dröhnte schon seit zwei Tagen durch das größte Dorf der Yasema, seit man das Clanoberhaupt tödlich verwundet von der letzten Schlacht gegen die Ragnaar zurückgebracht hatte. Es war eine Tragödie. Und es war Gefahr. Der Verlust des Anführers würde den Clan schwer treffen. Sie alle waren darum froh, dass auch ihre Gegner bei jenen Kämpfen schwere Rückschläge erlitten hatten. So bald würden auch sie sich nicht erholen, ansonsten könnten sie den Yasema womöglich den vernichtenden Schlag beibringen. Aber so wie es jetzt aussah, würden die Kämpfe erst im Herbst wieder losgehen, aber diesmal wäre die Niederlage wohl gleichbedeutend mit dem Tod: der Winter würde nicht warten und er war niemals gnädig. Anzu seufzte und rieb sich die Augen. Warum machte sie sich Gedanken darüber? Sie wünschte, der Krieg um ihre Heimat wäre endlich vorbei. Besser: er hätte gar nicht erst angefangen. Es war auch nicht ihre Aufgabe, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Im Grunde war es nicht einmal ihre Aufgabe, darin zu kämpfen. Sie war eine Maidjägerin, keine Jungkriegerin. Wegen der Schwere der Kämpfe jedoch hatte man nach und nach alle Personen dazu gezogen, die auch nur halbwegs wussten, wie man eine Waffe hielt. Die Jäger waren natürlich die ersten gewesen und bis jetzt die größte Unterstützung der Krieger. Irgendwann würden sie auch die Asurdru aus den nahegelegenen Dörfern bitten, an den Kämpfen teilzunehmen. Diese jedoch waren friedliebende Bauern und lebten in dem Flusstal unter dem Kaormassiv. Sie dienten den Yasema und standen dafür unter ihrem Schutz. Die Verbindung bestand schon seit vielen Generationen und es gab verschiedene Geschichten darüber, wie sie zustande gekommen war. Doch eines wussten alle: dass es funktionierte, auch wenn beide Völker meist unter sich blieben. Doch die Ankunft der Ragnaar hatte alles verändert und das gesamte Gleichgewicht, das hier im Flusstal und den umliegenden Gebieten, die die Yasema ihr Eigen nannten, herrschte, völlig durcheinandergebracht. Es war verrückt, wie schnell und leicht etwas zu zerstören war, das so lange gehalten hatte. Darum würden die Asurdru an den nächsten Kämpfen teilnehmen. Weil auch sie nicht nur überleben wollten, sondern auch gut leben, und wer wusste, was die Ragnaar mit ihnen tun würden, wenn sie gewannen? Wenn das zukünftige Oberhaupt klug war, würde er die Bauern bis zum Herbst darauf vorbereiten. Oder sich irgendwo anders Hilfe heran holen. Doch woher? Bei den benachbarten Völkern konnten sie nicht fragen – die hatten ihre eigenen Kriege zu gewinnen, ihr eigenes Land zu schützen. Sowieso lebten die Yasema mit ihnen schon immer in einem brüchigen Waffenstillstand und nicht im Frieden. Als Anzu noch jünger gewesen war, ein Mädchen, das noch bei seinen Eltern lebte, waren die Krieger hin und wieder losgezogen um die Nachbarn zu überfallen. Manchmal hatte es Verletzte gegeben und vereinzelt sogar Tote, aber meist nur mehr oder weniger reiche Beute. Natürlich gab es auch ebensolche Überfälle ihrer Nachbarn auf die Dörfer der Yasema und Asurdru, aber das war nun mal der Lauf der Dinge. Es war ein Sport gewesen und je mehr man hatte erbeuten können, ohne jemanden zu töten oder zu verletzten, desto mehr wurde man wie ein Held gefeiert. Niemand dachte jetzt mehr daran, eine solche Aktion durchzuführen. Jetzt gab es nur noch Krieg und vorbeiziehende, entwurzelte Völker, die aus ihrer eigenen Heimat vertrieben worden waren, und neues Land suchten, das sie in Besitz nehmen konnten. Manchmal fragte sich Anzu, was ihnen allen zugestoßen war, warum sie herumzogen. Eine Katastrophe? Ein anderes Volk, das stärker gewesen war? Sie hatte nie gefragt. Sie würde es auch nicht tun. Sie und die Yasema hatten genug eigene Probleme. Sie wünschte nur, dass der Krieg endlich aufhörte. Dass alles so war wie früher. Aber das würde es niemals mehr sein. Zu viele gute Männer und Frauen waren den Kämpfen zum Opfer gefallen, zu viel Schrecken war geschehen, zu viel Blut geflossen. Auch Anzus Vater war in der Schlacht gefallen. Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück gegen die harten Stämme des Hauses. Jetzt lag auch Hiroshi, Clanoberhaupt der Yasema, im Sterben von einer Wunde, die er in der Schlacht davongetragen hatte. Vielleicht würden sie nächstes Jahr alle tot oder vertrieben oder versklavt sein. Es hing alles von den nächsten Monaten ab und dem letzten Kampf gegen die Ragnaar, der früher oder später kommen würde. Und natürlich von dem neuen Oberhaupt, das einen Weg finden musste, den Krieg zu gewinnen. Einen neuen Weg, da die alten alle nicht geholfen hatten. Die Asurdru in die Kämpfe einzubinden, würde nicht genügen; nicht, wenn sie als zu kleine Gruppe zurückbleiben wollten, die einfach von dem nächsten heimatlosen Kriegervolk zermalmt werden würde. Sie brauchten einfach mehr Krieger, mehr Verbündete. „Anzu!“ Mokubas Stimme riss sie aus den Gedanken und sie schreckte auf. Der Junge stürmte in voller Geschwindigkeit auf sie zu, dass seine schwarze Mähne flog und seine Füße Staub vom Boden aufwirbelten. Sein jugendliches Gesicht war rot vor Aufregung und die dunkelblauen Augen wirkten zu groß dafür. Keuchend kam er neben ihr zum Stehen. „Anzu! Bakura schickt nach dir!“ Er stützte sich auf den Knien ab und erklärte: „Schnell!“ Verdutzt starrte das Mädchen ihn an. Wieso um alles in der Welt wollte ausgerechnet Bakura sie sehen? Er war der Erste Krieger des Dorfes, ein furchterregender Mann, der sich seinen Rang mit Blut und Tod verdient hatte, seinem scharfen Verstand und seiner Klinge. Viele Leute hätten ihn gern als nächsten Anführer gesehen, aber er weigerte sich, seine momentane Stellung aufzugeben, mit der er so zufrieden war. Und man konnte nicht Erster Krieger und Oberhaupt gleichzeitig sein. Anzu war froh darum. Vielleicht mochte er den Krieg gewinnen, aber damit würde die Aufgabe des Anführers nicht enden. Und Bakura war dafür der Falsche. Und sollte er im Moment nicht bei Hiroshi sein? Sie rappelte sich auf. Beinahe wäre sie mit dem Gesicht zuerst wieder auf den Boden gefallen, weil ihre Beine ihr nicht gehorchen wollten. Nach dem stundenlangen Sitzen in der gleichen Position waren sie steif und verkrampft. Mokuba war schon wieder die halbe Dorfstraße hinuntergerannt. „Komm schon!“ Er drehte sich kaum um für die Worte. Sich die Beine reibend stolperte sie hinter ihm her. Mokuba führte sie zum Dorfplatz und zum dem Heim des Oberhaupts, über dessen Tür der Schädel eines Hirsches hing, mit dem prächtigsten Geweih, das Anzu je gesehen hatte. In die dicken Stämme der Wände waren Symbole und Verzierungen eingeritzt und die Tür bestand aus schwerer Eiche, fest und sicher. Auf dem Dach hockten Seite an Seite Setos großer Seeadler und Bakuras gefährlicher aussehender Steinadler, die mit strengen Blicken in die Gegend starrten. Wenn ein Yasema in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wurde, wurde vom Ältestenrat ein Vogel für ihn ausgesucht. Meistens waren es Greifvögel, selten auch andere. Bei einem Ritual wurden Leben und Geist des Tieres mit dem Menschen verknüpft, ein ständiger, treuer Partner und Begleiter für die kommenden Jahre. Nur der Tod konnte ein solches Band trennen und sollte der Tod des Vogels nicht gewaltsam erfolgen, so starben sie beide innerhalb kürzester Zeit. Anzus eigener Vogel, ein Wanderfalkenweibchen, befand sich in ihrem Zimmer und schlief. Das Haus des Oberauptes war eines der ältesten im Dorf und eines der wichtigsten. Direkt gegenüber befand sich die Festhalle, das größte Gebäude, in dem Versammlungen abgehalten, Ernennungen durchgeführt, Rituale vollzogen, Feste gefeiert und lange Winterabende verbracht wurden; das Herz des Dorfes. Das Haus des Anführers jedoch war der Kopf des Dorfes – hier fand sich der Rat ein, hier wurden wichtige Entscheidungen gefällt und hier lebte und starb das Oberhaupt. Also war Bakura doch dort, wo er momentan sein sollte? Aber was wollte er dann von Anzu? Und war es überhaupt er, der sie sehen wollte und nicht … jemand anderes? Das machte alles keinen Sinn. Natürlich, sie war Hiroshis Großnichte und sie stand ihm nahe genug, dass sie sich von ihm verabschieden wollte. Aber später würde die Familie zusammengerufen werden, damit sie eben dies tun konnten. Jetzt war doch noch gar nicht die Zeit dafür. Mokuba führte sie in das Haus, durch den großen Vorraum und die Wohnkammer und an Hiroshis beiden Jagdhunden vorbei in das hinterste Zimmer, in dem Hiroshi seine Schlafstätte eingerichtet hatte. Das Bett befand sich an der hinteren Wand, die sich fast an die Felsen dahinter anschloss. Seto, Mokubas hochgewachsener, verschlossener Bruder stand neben der Ruhestätte, sein braunes Haar wirr und die Kleider zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Doch seine eisblauen Augen waren scharf wie eh und je und sein attraktives Gesicht verschlossen. Mokuba und Seto waren als Kinder von den Kriegern im Wald aufgelesen worden. Niemand wusste, woher sie kamen oder wo ihre Eltern waren, und die beiden damals völlig verstörten Jungen hatten auch nicht weiterhelfen können. Zumindest hatte Anzu dies gehört. Sie selbst war zu diesem Zeitpunkt selbst nur ein Kind gewesen und erinnerte sich noch daran, wie die beiden plötzlich da gewesen waren, neu und aufregend. Sie waren von einer Familie aufgenommen worden, in der es eben eine Totgeburt gegeben hatte. Man hätte Seto gerne als Hiroshis Nachfolger gesehen, aber die Tatsache, dass er kein Yasema (und auch kein Asurdru) war, verhinderte dies. Einige Schritte hinter ihm stand mit sorgenvollem Gesicht Soguroku, einer der Ältesten. Früher, lange vor Bakura, war er Erster Krieger gewesen, aber seine Tage als dieser waren schon vorbei und er war einer der wenigen in dieser Position, der zurückgetreten und nicht im Kampf gefallen war. Inzwischen wirkte er wie ein gemütlicher Großvater, der seinen Bauch wie eine Trophäe vor sich hertrug, doch Anzu wusste, dass sich in diesem massigen Körper noch immer Muskeln verbargen, die Bäume stemmen konnten. Zumindest beinahe. Seine Schneeeule, ein relativ kleines Tier, das schon sehr alt war, hockte auf der Fensterbank und blinzelte träge. Bakura, schlank, muskulös und gefährlich wie eine Raubkatze, saß auf einem niedrigen Hocker neben der Tür. Sein schneeweißes Haar war am Hinterkopf zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden und seine roten Augen funkelten im Licht einiger Kerzen und der Kohleschüssel, die neben dem Bett stand. Er hatte die langen Beine weit ausgestreckt und wirkte so entspannt, wie niemand es sein sollte, der gerade sein Clansoberhaupt verlor. Aber das täuschte. Hinter der entspannten Fassade, die er meist zur Schau trug, verbarg sich etwas, was Anzu nicht genau definieren konnte und auch nicht wollte. Es war das, das Bakura innerhalb von Sekunden in eine reißende Bestie verwandelte, wenn er wollte. Hiroshi lag und saß halb auf dem Bett. Man hatte Kissen und Felle hinter seinen Rücken gestopft, damit er bequem lag, trotzdem war sein Gesicht angespannt vor Schmerzen und er wirkte müde und abgekämpft. Lange würde er nicht mehr leben. Die eine Hand hatte er um die Bettdecke verkrampft, in der anderen hielt er lose den langen, hellen Speer aus weißem Holz und bleichen Knochen, der das Symbol des Oberhauptes der Yasema war. Neben ihm auf dem Bett lag der große Rotmilan, mit dem er sich verbunden hatte. Das Tier schlief – oder vielleicht war es bereits tot. „Da bist du ja, Anzu.“, stellte Soguroku überflüssigerweise fest. Er legte Seto die Hand auf die Schulter. „Komm, Seto.“ Der große Mann schaute sich um und entdeckte die Jägerin. Sein Gesichtsausdruck war unleserlich und seine Augen waren kalt und hart. Er hob eine Augenbraue, aber Anzu wusste nicht, was diese Geste zu bedeuten hatte. Sie starrte die Männer nur verwirrt an, dann ließ sie den Blick zu Hiroshi wandern, der ihn erwiderte, einen unleserlichen Ausdruck im Gesicht, und schließlich zu Bakura, der ihr ein halb spöttisches Grinsen schenkte und sich geschmeidig erhob. Gemeinsam verließen die drei unverletzten Männer das Zimmer und ließen Anzu mit dem sterbenden Oberhaupt zurück. Sie sah ihnen nach; ihr war noch immer nicht ganz klar wohin dies hier alles führen würde. Doch sie fragte nicht, sondern trat nur an das Bett ihres Großonkels und ließ sich auf dem niedrigen Hocker nieder, der danebenstand. „Anzu…“ Hiroshis Stimme verklang. Dann ließ er den Speer los und griff nach ihrer Hand. Sie umschloss seine Finger mit ihren und wartete, dass er weitersprach. „Anzu, wir hatten in der letzten Zeit eine hitzige Diskussion darüber, wer den Speer von mir nehmen würde.“ Es war offensichtlich, wen er mit ‚wir‘ meinte, nämlich Bakura, Seto und Soguroku, doch ihr war nicht klar, warum er ausgerechnet mit ihr darüber sprach. Sie konnte auch nicht in Ruhe darüber nachdenken – ihr Verstand war langsam und träge von zu wenig Schlaf, ihr Körper war ebenfalls müde und sie war hier und sah zu, wie ein Familienmitglied starb, ohne dass sie irgendetwas tun konnte. Sie fühlte sich so hilflos und konfus und nichts, das sie tat, schien etwas Ordnung in die Situation zu bringen. An jedem anderen Tag, in jeder anderer Situation hätte sie gewusst, worauf er hinauswollte, noch ehe er den ersten Satz zu Ende gesprochen hatte. Sie hätte wissen sollen, was jetzt kam. „Ich bin zum Schluss gekommen, dass du die beste Wahl als meine Nachfolgerin bist.“ Er drückte leicht ihre Hand, wie um ihr seine Zuversicht auszudrücken, seinen Glauben in sie und sein Wissen, dass sie es gut machen würde. Das erste Wort machte klar, dass der Entschluss allein von ihm stammte. Sie verstand jetzt Setos kalter Blick und Bakuras spöttisches Grinsen und sie wusste, dass die beiden kaum mit dieser Entscheidung einverstanden waren. Einzig Sokuroku hatte keinen derartig ablehnenden Eindruck gemacht. Und sie selbst? Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Hätte man sie im letzten Jahr, gestern, vor Mokubas Ankunft vorhin danach gefragt, hätte sie gelacht und gefragt, wie man nur darauf kommen konnte. Sie war nur eine Maidjägerin. Natürlich war sie Hiroshis Nichte, aber der Weiße Speer wurde nicht nach der Blutlinie vergeben, sondern immer nach Eignung. Und sie selbst war die verrückteste Wahl, die Hiroshi treffen konnte. Sie hatte doch gar keine Ahnung von alle dem! Sie war nicht einmal eine Kriegerin, nur eine Maidjägerin! Alles war sie hatte waren ein paar verrückte Gedanken und Visionen von einer Zukunft, die unwirklich war. Wie konnte Hiroshi sie wählen? Und wie würden die Yasema dies aufnehmen? „Lass dir von Bakura nichts befehlen oder diktieren. Die Götter wissen, dass er ein hinterhältiger Bastard ist. Hör auf den Ältestenrat; sie wissen normalerweise, von was sie sprechen.“, bemerkte Hiroshi und lächelte ironisch. „Die Leute werden dich akzeptieren, du musst ihnen nur etwas Zeit lassen. Keine Sorge. Nur etwas Zeit.“ „A…aber…“, begann Anzu und ihr Gesicht musste kalkweiß sein, ihre Augen groß wie Tassen und ihre Hände zitterten. Ihr Großonkel lächelte aber nur gütig, tätschelte ihre Hände mit seiner freien und fuhr mit den großväterlichen Ratschlägen fort. „Tu dir und den Yasema den Gefallen und halt Seto nahe bei dir, als Berater, zumindest in den ersten Jahren.“ Doch er lächelte diesmal nicht. „Das heißt nicht, dass du auf ihn hören musst, aber hör ihn wenigstens an, ebenso wie den Ältestenrat. Derartige Dinge beruhigen die Leute und Seto ist ein kluger Mann.“ Dann schwieg er und blickte sie freundlich an als würde er auf etwas warten. Doch Anzu konnte ihn nur anstarrten, verwundert, verwirrt und gefangen in Verleugnung. Das konnte doch nicht wirklich geschehen, oder?! Was das Panik, die gerade in ihr aufstieg?! Ihre Hände zitterten. Hiroshi seufzte, als sie nach einiger Zeit noch immer nichts sagte und nahm ihre Finger vorsichtig in seine. „Anzu. Anzu, sieh mich an.“ Sie registrierte seine Stimme kaum, aber zuckte zusammen und blinzelte heftig, als er schnappte: „Anzu!“ Unentschlossen richtete sie den Blick auf ihn und er nickte, als wäre er halbwegs zufrieden damit. „Anzu, ich weiß, dass du es machen kannst. Ich glaube sogar, dass du die einzige bist, die es machen kann. Weil du die einzige bist, die es noch wagt zu träumen in Zeiten wie diesen. Und du bist stark genug, diesen Träumen Taten folgen zu lassen. Glaub mir, ich weiß es.“ Da war Sicherheit in seiner Stimme, die sie einfach nicken und glauben lassen wollte, aber trotzdem fragte sie: „Wie…?“ „Die Vision des Oberhauptes, Anzu. Erinnerst du dich?“ Diese Formulierung kannte sie. Es war der Ausdruck, den man im Allgemeinen für die Träume und Zukunftsbilder hatte, die ihre Anführer manchmal heimsuchten. Die Götter, so hieß es, schickten ihnen Bilder und Worte, damit sie Unheil von den Yasema abwehren konnten, denn sie liebten dieses Volk sehr. Vor allem kurz vor dem Tod kamen die Visionen, damit der richtige Nachfolger gewählt wurde, zur richtigen Zeit. Sie nickte. „Sie sagen mir, dass du diejenige bist, die weiß, wie wir die Ragnaar besiegen können. Du bist die, die es möglich machen kann. Vertraue nur auf dein Herz, deinen Verstand und auf deine Träume.“ Sie starrte ihn weiterhin an, als sei er auf seine alten Jahre hin wahnsinnig geworden, und sie wusste es, aber sie konnte nichts daran ändern. Es war einfach zu irrsinnig! Er tätschelte ihren Kopf, als sei sie noch immer das kleine Kind, das darum bettelte auf seinen Knien reiten zu dürfen. „Du wirst es gut machen.“ Er ließ ihre Hände hoch und nahm stattdessen ehrfürchtig den Weißen Speer auf. „Hier. Nimm. Dies ist jetzt deiner bis du ihn an deinen Nachfolger weitergibst.“ Wie in Trance griff Anzu nach dem Speer. Der Griff war so glatt, dass man sich fast in ihm spiegeln konnte, abgewetzt von dutzenden Händen, die ihn als Symbol für ihre Macht und ihre Aufgage gehalten hatten, und fühlte sich hart und gleichzeitig vertraut in ihren Fingern an. Als sei sie dazu bestimmt, ihn zu halten. Hiroshis Stimme riss sie aus den Gedanken und ließ sie hastig aufschauen. „Und jetzt hol uns die anderen herein. Wir haben noch einige Dinge zu besprechen.“ Die Straße war lang und staubig und wurde zum größten Teil von den Bauern mit ihren Ochsenkarren verwendet, die zwischen den Dörfern und ihren Höfen hin und her pendelten. Hin und wieder sah man einen Hirtenjungen mit seiner Herde – Gänse, Schweine, Ziegen und Schafe, mitsamt ein oder zwei meist großen Hütehunden. Die Tiere, die Hunde eingeschlossen, wichen von der kleinen Gruppe Krieger zurück, die zielstrebig dem Weg folgten. Das lag größtenteils an Maliks eigenen Hunden, die ihnen vorausliefen, zwei riesige Bestien, die nur aus Fell, Muskeln, langen Beinen und fingerlangen Zähnen zu bestehen schienen. Es waren Wolfsbastarde, wusste Atemu, war er doch dabei gewesen, als Malik vor Jahren seine zweite Hündin in einem Wald zurückgelassen hatte, damit sie von einem der riesigen wilden Wölfe gedeckt wurde, die in dieser Gegend gelebt hatten. Dort waren sie schon lange nicht mehr, hatten das Land schnell hinter sich gelassen wegen dem Kriegervolk, dem es gehörte. Atemu nahm niemandem das Land weg. Vielleicht war das ein Fehler, aber er wollte nicht der Grund sein, das andere ihre Heimat verlassen mussten, so wie die Mahjida ihrer Zeit. Außerdem wäre ein Kriegervolk ein unnötiges Risiko. Besorgt warf er einen Blick über die Schulter, doch es war noch nichts zu sehen, von Gruppen von Kriegern oder den Sturmwolken, die sein Volk immer weiter trieben. Aber das spielte keine Rolle – Atemu wusste, dass sie kamen und er ließ sich treiben und die Mahjida mitreißen. Selbst Isis begann darum zu bitten, dass sie sich endlich ein Land suchten und dort blieben, und Isis war geduldig. Atemu seufzte und dachte daran, dass sie sich die nächste, passende Ebene einfach nehmen sollten, selbst wenn sich in ihm alles dagegen sträubte. Eine Ebene wäre perfekt, weit und endlos wie ihre Heimat, in der das Gras bis zu den Hüften gewachsen und der Wind mit unsichtbaren Fingern hindurch gefahren war. Sie konnten die Herden weiden lassen, wo sie wollten, ihre Zelte an den geeignetsten Stellen errichten und endlich sicher gehen, dass der größte Teil der Jungtiere ihren ersten Winter überlebten und nicht nur die stärksten unter ihnen. Letzteres war inzwischen wirklich ein Problem. Die Mahjida lebten von ihren Herden und diese waren darum auch das wertvollste, was sie besaßen. Wenn diese immer kleiner wurden, hatten sie am Ende nichts mehr. Vor allem die Pferde waren zu kostbar, als dass sie dies zulassen konnten. Für sie gab es keinen Ersatz, denn nördlich des Großen Gebirges lebten sie nicht. Zumindest hatten sie noch keine wilden Herden hier gesehen, da war nur ihre eigene, auf die sie achteten wie auf ihre Augäpfel. Denn auch jenes Gebirge, das sich quer über das Land zog, von Meer zu Meer, und so hoch war, dass es am Himmel kratzte, hatten sie überquert und dafür bezahlt mit Hunger und Verlust und Tod. Es hatte mehr Opfer gefordert als jede andere Etappe davor, aber dafür, so glaubte er, hatten sie jetzt eine größere Chance. Niemand anderes hatte dies getan. Atemu achtete nun darauf, Wege zu nehmen, die selten besucht waren, wenn sie mit den Pferden unterwegs waren, und es galt der strikte Befehl, sie außer Sichtweite von Fremden zu halten. Es gab mehrere Gründe dafür – er wollte nicht, dass man sie abergläubischerweise für Monster hielt, und er wollte auch nicht, dass ein Fürst oder ein Stammesanführer, der den Wert der Tiere erkannte, sie einforderte. Außerdem wären die Pferde, sollte es jemals zu einem Kampf kommen, ihr größter Vorteil. Ihre Feinde würden nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollten, denn etwas Vergleichbares kannten sie schlichtweg nicht. Manchmal jedoch war es schwer, seinen eigenen Anweisungen in dieser Sache zu folgen, aber es machte sich bezahlt, dass das Land weit und die Menschen rar waren. Einsame Wanderer störten sie nicht – wer hörte schon auf deren Geschichten? Und Dörfer waren leicht zu entdecken. Selbstverständlich war es schon mehrmals sehr knapp gewesen, aber welche Götter auch immer über sein Volk – oder einfach nur die Pferde – wachten, meinte es gut mit ihnen, in dieser Sache zumindest. Ansonsten konnte ihr Volk nicht von Glück sprechen, konnten sie? Wütend trat Atemu gegen einen großen Kiesel, der nach vorne schoss, gegen den Erdboden prallte und noch einige Schritte rollte, ehe er liegen blieb. „Das nächste Mal nehmen wir uns das Land, das wir wollen, eben einfach.“, schlug Malik vor und riss ihn damit aus seiner Reverie. Atemu warf ihm einen kurzen Blick zu. Malik war sein Cousin; sie hatten die gleiche Hautfarbe, ein kräftiger Ton zwischen tiefem Gold und hellem Bronze, den gleichen schlanken, aber kraftvollen Körperbau und waren etwa gleich groß, aber da endete die Ähnlichkeit schon. Atemus Augen waren tiefviolett, Maliks viel heller. Atemus wirres Haar war schwarz und gold und rot und stand in alle Richtungen ab, Maliks wilde Mähne war sandblond und fiel ihm bis auf die Schultern. Malik hatte die hübschen Gesichtszüge mit den vollen Lippen und der kleinen Nase von seiner Mutter, Atemus direkter Tante, geerbt, Atemu dagegen mit dem energischen Kinn und der hohen Stirn war ein Abbild seines Vaters. Manchmal konnte man kaum glauben, dass sie so eng verwandt waren. Hin und wieder bezweifelte Atemu selbst es. Er und Malik waren so verschieden, was ihren Charakter, ihre Ansichten und ihr Verhalten betraf. So wie jetzt auch. Malik gehörte schon lange zu denen, die von ihm verlangten, dass er dem Stamm einfach ein Land nahm. Sie waren stark genug, es zu halten, vor allem hier nördlich des Großen Gebirges, und die Völker, die hier lebten nannten lächerlich große Gebiete ihr Eigen, ohne etwas davon abzugeben. Vielleicht sollten sie einfach eine der Ebenen zu ihrer neuen Heimat machen, wo der Wind hart und kalt war und die Erde trocken und unfruchtbar, dass nur Gras und wilde Blumen wuchsen. Sie brauchten nicht mehr. Waren die Pflanzen abgefressen, zogen sie weiter und kamen erst wieder zurück, wenn die Fauna sich erholt hatte. Und sie wussten, dass diese Leute hier größtenteils Bauern und Handwerker waren. „‘Temu, die Leute halten es nicht länger aus. Die meisten Kinder wissen gar nicht mehr, wie es früher war, als wir unser eigenes Land hatten. Sie haben es nie kennen gelernt. Und alle anderen verlieren die Geduld.“ Malik kannte ihn zu gut. Er brauchte nicht einmal mehr etwas darüber zu sagen. „Sie sehen all das unbewohnte, ungenutzte Land hier und fragen: ‚Warum können wir es nicht haben? Es braucht doch sonst niemand.‘ und sie haben Recht damit, Atemu.“ Der Nachdruck in der Stimme seines Cousins ließ Atemu seufzen. „Ich weiß. Aber …“ … es war einfach nicht richtig. Jemand hatte ihnen das Land weggenommen, als er kurz vor seiner Initiation zum Kriegerstand. Er wollte niemandem dasselbe antun. Doch er musste auch an seine Leute denken. Er konnte sich nicht immer Sorgen um die Angehörigen anderer Völker machen. „Wir müssen hier von dem Weg hinunter.“, bemerkte Mahaado hinter ihnen, bevor Atemu etwas antworten konnte. Die beiden jüngeren Männer blieben stehen und wandten sich um. Mahaado war ein hochgewachsener Mann mit strengem, aber freundlichem Gesicht. Er trug das lange, dunkle Haar im Nacken zusammengebunden und die grobe Kleidung aus Fell, Leder und Schurwolle mit mehr Eleganz, als eigentlich möglich sein sollte. Um den Hals trug er das handtellergroße, goldene Amulett mit dem Auge, das ihn als Magier der Mahjida auswies. Er war mit Maliks älterer Schwester verheiratet und gehörte darum zur Familie, aber er war schon länger Atemus Berater gewesen und davor für kurze Zeit der von dessen Vater. Atemu blickte sich nun kurz nach der Felsformation um, hinter der sie das Jagdlager aufgeschlagen hatten. Er entdeckte sie beinahe sofort, wie sie sich scharf gegen den grauen, wolkenverhangenen Himmel abzeichnete. Um sie zu erreichen mussten sie eine steile Felswand hinaufklettern, einer der Gründe, warum kaum jemand dorthin ging und das Land auf diese Weise für sie geeignet war. Zumindest vorrübergehend. Doch selbst für sie war es über längere Zeit hinweg zu unwegsam. Hier wollte keiner von ihnen bleiben. Malik pfiff nach seinen Hunden, die bereits etwas weiter die Straße hinuntergelaufen waren, und auf den Befehl hin sofort umkehrten. Dann schlugen sie sich querfeldein bis zu dem schmalen Pfad durch, den Wildziegen geschaffen hatten. Er war immer noch steil und mühsam zu erklettern, aber wenigstens machte er den Aufstieg möglich. Für die Hunde war er trotzdem nahezu unmöglich – sie würden Seile verwenden, um sie halb hochzuziehen und ihnen halb den Weg zu Fuß zu ermöglichen. Die Tiere waren nur aus dem Grund mitgekommen, weil sie gefährlich und beeindruckend aussahen und Leuten Angst machten und Atemu wollte jedes Mittel verwenden, dass sie hatten. Schwitzend und keuchend zogen sie sich einige Zeit später nacheinander über die Oberkante und holten nach einer kurzen Verschnaufpause die beiden Hunde nach. Einige Minuten blieben sie stehen um sich auszuruhen, ehe sie sich wieder auf den Weg machen, an dornigem Gestrüpp vorbei und durch hartes Gras und zähle Pflanzen, die ebenfalls winzige Stacheln trugen und sich in ihren Beinlingen verfingen. Nachdem er sich zum dritten Mal aus einigen nah am Boden wachsenden Zweigen befreit hatte, trat Atemu entnervt dagegen und knurrte: „Wie auch immer! Hier bleiben wir nicht!“ Malik lachte und selbst Mahaado – der gerade einige Blätter aus der Tunika klaubte – gestattete sich ein Lächeln. Einzig die Hunde, deren Felle struppig und voller Kletten waren, schien die harsche Vegetation nichts auszumachen und sie rannten voran. Es dauerte auch nicht lange, dann stürzte ein dritter Hund hinter einigen Felsen hervor, bei dem Atemu darauf bestanden hatte, dass sie ihn nicht auch noch mitnahmen. Dem Tier folgte ein Mann, Maliks Zwillingsbruder, der auf das Lager und die Pferde aufgepasst hatte. Er sah auf den ersten Blick genauso aus wie Malik, doch auf den zweiten sah man sofort, dass die beiden sehr unterschiedlich waren. Assurs wilde Mähne war noch wirrer als Atemus, sein Körper wirkte massiger und er selbst damit größer, und in seinen amethystfarbenen Augen lauerte der Wahnsinn. Assur war ein wilder Mann, verdreht und gefährlich, und nur Malik war es zu verdanken, dass er unter Kontrolle blieb. Atemu sorgte dafür, dass die beiden nie zu weit voneinander getrennt waren. Das hatte bereits sehr tödliche und sehr hässliche Folgen gehabt. Er würde diesen Fehler nicht noch einmal machen. Aber da Malik einer seiner besten Leute war, ein guter Kämpfer und der beste Reiter des Stammes, konnte er ihn nicht einfach ignorieren und immer im Dorf zurücklassen. Außerdem war Assur im Kampf nahezu unschlagbar. Dennoch hatte Atemu immer ein schlechtes Gefühl, in ihn einzusetzen. Unbesiegbarkeit war eines, aber die Blutrüstigkeit und Brutalität, mit der er vorging, waren doch etwas ganz anderes. Darum nahm er lieber beide mit und hielt sie in der Nähe – so hatte er sie beide im Auge und konnte sie einsetzen, wie es am besten war. Aber bei einem Besuch in einem Dorf, bei dem er um Land bitten wollte, würde er Assur sicher nicht mitnehmen. Das wäre einfach nur dumm. „Was passiert jetzt?“, wollte Assur ohne Einleitung wissen, als sie in Hörweite waren. Malik, der seinen Schritt beschleunigt hatte, schüttelte den Kopf. „Wir verschwinden von hier.“ „Na endlich.“, knurrte sein Bruder. Atemu grinste. So gern sie auch ihr Land haben wollte, hier wollte nun wirklich keiner bleiben. Dafür war die Vegetation zu unwegsam und harsch. „Aber wir finden bald etwas, das unser sein wird.“, fügte Malik hinzu und warf Atemu einen Seitenblick zu. Der sah ihn kurz an und wandte den Blick ab, um über die Weite der Ebene zu starren. Irgendwo vor dem Horizont stieß sie gegen eine Gebirgskette. „Ja, das stimmt.“ Die Worte fühlten sich schwer in seinem Mund an, wie Kieselsteine. Aus den Augenwinkeln sah er Mahaado nicken und wusste, wenn selbst der besonnene Magier mit dem jungen Krieger einer Meinung war, musste er einlenken. Assur grinste wie ein kleines Kind, dem man Honig gerade gegeben hatte. Vielleicht freute er sich, dass das ständige Weiterziehen endlich ein Ende hatte. Vielleicht rechnete er einfach nur mit Kämpfen, denn kein Volk würde sein Land so einfach hergeben. Das Jagdlager – bestehend aus einem Zelt und einer Feuerstelle – war rasch zusammengepackt. Atemu überprüfte, ob der Sattel und die Taschen richtig saßen und tätschelte den Hals seines Pferdes. Es war eine prächtige Stute mit langen, schlanken Beinen und einem eleganten Kopf. Sie stammte von der Linie der ursprünglichen Herde, die sie in ihrer Heimat gehabt hatten. Während der Jahre der Wanderung nach Norden waren sie an Völkern vorbeigekommen, die andere Pferde besaßen – größer und schwerer oder kleiner und leichter oder gar Ponys. Ihre eigenen waren für ihre Zwecke stets die besten gewesen und sie achteten darauf, das Blut größtenteils rein zu halten. Doch auch die anderen hatten ihren Nutzen. Siebenstern, Atemus Stute, gehörte zu den prächtigeren Exemplaren der Herde, mit wachen Augen und dichtem, goldenem Fell. Mit einem Satz schwang er sich in den Sattel und nahm die Zügel auf, ehe er sich nach den anderen umblickte. Mahaado hatte die Leine des massigen Packpferdes übernommen und Malik seine eigene schöne, schwarze Stute – eine jüngere Schwester Siebensterns – neben Assurs Wallach gelenkt. Er sprach leise auf seinen Bruder ein, aber Atemu konnte die Worte nicht verstehen. „Kommt.“, befahl er. „Wir haben noch eine ganze Strecke vor uns und der Ältestenrat da unten will, dass wir in drei Tagen aus ihrem Land verschwunden sind.“ Dies wäre kaum möglich, wenn sie nicht ihre Reittiere hätten und auch so mussten sie sich beeilen. Aber das war wohl die Absicht des Ältestenrates gewesen. Sie hatten geduldet, dass die Fremden über den Winter blieben, aber länger wollten sie sie nicht da haben. Dabei zählte auch nicht, dass niemand dieses Land hier benötigte, das so abweisend vor ihnen lag, bedeckt von Dornen und Schlingpflanzen. Aber auch die Mahjida wollten hier nicht bleiben. Der Stamm würde es sicher mit Freuden hören, dass sie bald weiterzogen – und nur noch bis sie einen Flecken fanden, den sie sich nehmen konnten. Mit einem letzten Blick zurück über die fruchtbarere Landschaft hinter ihnen, die grün und lebendig hinter ihnen lag, drückte Atemu seiner Stute die Fersen in die Flanken. Siebenstern reagierte sofort und lief los. Der scharfe, kalte Wind blies Atemu die Haare aus dem Gesicht und riss an seiner Kleidung, aber er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass etwas Großartiges auf sie wartete. Auf sie alle. ~~~~~~~ Ich weiß nicht, wann das nächste Kapitel kommt, aber der Einsendeschluss ist Anfang September, darum muss ich mich doch etwas beeilen. Irgendwie. X_x Mal schauen, wie das wird. Ich hoffe, der Prolog war nicht zu verwirrend/hat gefallen und hoffe, ihr kommt zum 1. Kapitel wieder. Also Bis dann Sorca~ Kapitel 1: Initial Moon ----------------------- Titel: Unter dem Blutmond Teil: 2/7 Autor: Fandom: Yu-Gi-Oh! Rating: PG-14 Warning: extremes AU, Kämpfe, Het, SA Pairing: Vanishshipping (Atemu x Anzu), Thiefshipping (Bakura x Malik), Softshipping (Ryou x Serenity), Pleashipping (Mahaado x Isis), Duke x Mana, Mehr? Disclaimer: Nix gehört mir und ich krieg auch kein Geld. ~~~~~~~ Okay, okay, ich weiß, ich hab ewig gebraucht, wieder in die Gänge zu kommen und darum muss ich mich jetzt auch total beeilen, damit ich bis zum Einsendeschluss mit der Story fertig werde. >_> Aber nyo... Wird schon. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich das Kapitel wirklich mag und es ist viel zu lang, aber ich wusste nicht, was ich noch hätte streichen/ändern können, darum lad ich es so hoch. Ich hoffe, ihr habt Spaß daran. ^^ ~~~~~~~ Initial Moon Die Weite der Ebene schien fast endlos zu sein, solange er nicht den Blick in die Richtung lenkte, aus der sie gekommen waren. Das Gras war hoch und dicht und der Wind strich mit unsichtbaren fingern hindurch, ließ seltsame Muster entstehen und wanderte stetig gen Osten. Zwischen den langen, hellen Halmen waren Blumen zu sehen, die Blüten bunte Punkte – rot, gelb und weiß. Einige Haine – mit jenen geraden, schlanken Bäumen, die hier in der Gegend wuchsen und so anders waren als die verkrüppelten Stämme, die sie aus ihrer Heimat kannten – erhoben sich wie Inseln über das Gras. Ein eiliger Fluss schnitt ein blaues Band quer durch das Land, sprang über runde Steine und verschwand irgendwann zwischen den hohen Halmen. Über allem spannte sich ein strahlend blauer Himmel, der noch weiter zu sein schien als die Hochebene. Ein paar Fetzen von Wolken wurden von dem warmen Westwind vor sich hergetrieben .Weiter, hinten am Horizont im Osten erhoben sich die majestätischen Gipfel von schneebedeckten Bergen, die den Himmel zu berühren schienen. Dies war nicht ihre Heimat. Dies hatte nicht die wahre Unendlichkeit der Steppe oder die Ewigkeit des Himmels darüber. Dies trug nicht dieselbe Einsamkeit wie ihre Heimat und auch nicht jenes Gefühl von Freiheit, das ihn dort stets begleitet hatte. Aber Atemu brauchte nur einen Blick, um sich in dieses Land zu verlieben. Dies war weit und leer und flach und der Wind konnte, wenn man die Augen schloss, ihnen auch hier Flügel verleihen. Dies, so wusste Atemu, dies würde ihre neue Heimat sein. Er drehte sich im Sattel um und blickte zurück auf den Abhang, den er heraufgeritten war, und der langsam in den Wald überging, durch den sie sich in den letzten Tagen gekämpft hatten. Am Fuße des Hanges wartete sein Volk. Nur Malik und Shada, einer seiner besten Schützen, hatten ihn hier herauf begleitet, nachdem letzterer ihn benachrichtigt hatte. Die anderen waren unten zurückgeblieben, standen jetzt eng aneinandergedrängt und hatten ihre hoffnungsvollen Gesichter zu ihnen gewandt. Wenn er zurückdachte an seine Heimat und die Masse der Zelte, die das Land bedeckt hatte, wo auch immer die Mahjida ihr Lager aufgeschlagen hatten, überkam ihm die Trauer. Es waren so viele gewesen. Gemeinsam mit ihren Herden hatte sich das Dorf von Horizont zu Horizont erstreckt. Doch dies hier? Dies waren kaum mehr fünfzig Familien und die Herden waren erheblich geschrumpft. Selbst von dieser Entfernung wirkten alle abgerissen und müde. Ihre Kleidung, so wusste Atemu, war oft mehrmals geflickt und fadenscheinig. Ihr Gepäck war zusammengewürfelt und bestand nur noch aus dem Nötigsten. Ihr Reichtum war dahin. Die Tiere waren abgemagert und ihr Fell stumpf. Es war, als ob sie alle keine Kraft mehr hätten um noch einmal weiterzuziehen. Atemu schloss die Augen und bat im Stillen um Verzeihung, weil er sie so lange durch Land gehetzt hatte, das nicht ihres war und niemals werden konnte. Doch jetzt war ihre Zeit gekommen. Er hob den Arm und winkte. Sofort setzten die Leute sich in Bewegung, kletterten auf ihre Pferde oder zwischen das Gepäck auf den Travois zurück, wo sie ihre Plätze hatten. Dann begannen sie mit dem Anstieg, während Atemu sich wieder umdrehte, weil er sich an diesem Land nicht satt sehen konnte. Er trieb Siebenstern an, hinaus in das Gras, durch das sie eine Schneise zog. Das Pferd tänzelte unter ihm, aufgeregt und überdreht, so wie er selbst auch. Vielleicht spürte es seine Aufregung. Vielleicht fand es die Ebene ebenso toll wie er. Hier würde sie wieder weit ausgreifen können, rennen mit dem Wind – in den Wäldern und den Bergen und Hügeln, wie sie nördlich des Gebirges, vor allem in diesem Landstrich, vorherrschten, würde das Gefühl niemals gleich sein als in einer weiten Fläche wie hier. Hier wartete die wahre Freiheit auf sie und Atemu war glücklich. Endlich spürte er wieder etwas wie Hoffnung und Freude, wenn er an die Zukunft dachte. Es war, als hätte der Anblick dieser Ebene einen Felsbrocken von seinem Herzen genommen, einen Teil der Sorge, den er länger mit sich herumtrug als den Titel des Anführers. Natürlich würde es nicht so leicht werden, wie es sich jetzt anfühlte. Das würde es niemals, aber er konnte es versuchen. Vielleicht würde das Volk, das Anspruch auf diese Ebene erhob, sie akzeptieren. Vielleicht konnten sie das weite Plateau ohne Kämpfe bekommen. Vielleicht lächelten die Götter auch endlich auf sein Volk herab. Seine Hoffnung darauf war nicht sehr groß. Aber er würde es dennoch versuchen. Das war er sich selbst schuldig. Seinem Volk aber war er es schuldig, dass er dieses Land beanspruchte und einfach nahm, wenn es nötig war. Neben ihm trieb Malik plötzlich seine dunkle Stute an ihm vorbei. Die Hufe trommelten hart auf den Boden, die langen Gräser peitschen Reiter und Tier und das schrille Wiehern war laut und feurig. Nachtwind machte ihrem Namen alle Ehre, sie war wie ein schwarzer Blitz, schlank und kraftvoll und voller Energie. Spielerisch bockte sie und warf ihre Beine hin die Höhe und setzte über unsichtbare Hindernisse hinweg. Malik lachte und ließ sie laufen, ja, er beugte sich tief über ihren Hals und feuerte sie nur noch an. Die beiden waren geschaffen füreinander, wild und frei und völlig verrückt, auf eine Weise, die selbst Assur nicht verstehen konnte und für Malik Freiheit und Glück bedeutete. Auch Shada ließ sein weißes Pferd schneller laufen. Er gebärdete sich nicht halb so kindisch wie Malik, doch auch ihm war anzusehen, dass es ihn erleichterte, dass das stetige Wanderleben endlich ein Ende hatte und ihm dieses Land als neue Heimat gefiel. Atemu zügelte Siebenstern und wandte sich wieder um, damit er sehen konnte, wie sein Volk endlich die Ebene erreichte. Er konnte in ihren Gesichtern sehen, wie sie begriffen, dass sie hier bleiben würden. Dass dies Zuhause sein würde. Sie blickten über die Ebene und dann zu ihm oder ihren Eltern oder ihren Geschwistern oder den Frauen, die der Kopf ihrer Familie waren, und sie erhielten ein Nicken oder ein Lächeln oder einfach nur einen sicheren, glücklichen Blick, der sagte das ist es. Hier endet unsere Reise. Erleichterung breitete sich unter ihnen aus, Glück und etwas wie Friede. Eine Art von Anspannung fiel von ihnen ab, jetzt, als sie endlich das Ziel erreicht hatten nach Jahren der Wanderschaft oder gar einem ganzen Leben. Malik hatte recht gehabt, als er ihn daran erinnert hatte, dass die meisten der Kinder gar nicht wussten, was Heimat bedeutete. Atemu saß ruhig auf dem Rücken seines Pferdes, während seine Leute an ihm vorbeiritten und dabei immer lauter wurden. Ihre aufgeregten Stimmen mischten sich durcheinander, so dass man kaum fünf zusammenhängende Wörter hören konnte. Dann lenkte Isis ihre bunt gescheckte Stute neben Siebenstern. Sie war seine Cousine, eine wunderschöne Frau mit klaren, dunkelblauen Augen, rabenschwarzem Haar, da ihr zu den Hüften fiel und ebenmäßigem Gesicht. Im Grunde war Isis, da sie die einzige weibliche Verwandte war, die er noch hatte, der Kopf seiner Familie. Atemu aber stand etwas außerhalb dieser Familienrangordnung – er war das Oberhaupt. Aber dennoch würde er immer auf sie hören. Isis war klug und weise. Es wäre dumm, es nicht zu tun. Isis blickte ihn an und nickte lächelnd. „Du tust gut damit.“, bemerkte sie. „Mach dir nicht so viele Sorgen – es wird alles in Ordnung kommen.“ Und er war geneigt, ihr zu glauben. Denn wer konnte so etwas sagen und die Wahrheit sprechen, wenn nicht sie, die sie eine machtvolle Seherin war? Das Dorf der Asurdru lag weiter unten in dem breiten Tal von Atui-vi. Der Nialdel hatte es gegraben, der in den Adlerhöhen entsprang und sehr rasch zu einem reißenden Strom anschwoll, ehe er in eine sich dahin wälzende Masse aus Wasser überging. Der fischreiche Fluss beschrieb weitläufige Schleifen im Gebirge, doch nur noch faule Schlangenlinien durch das Tal. Er war die Lebensader des Landes, einer der Gründe, warum es so reich und begehrt war, und die Yasema hielten besitzergreifend ihre Hand darüber. Was denn, wenn sie die Shyarin weggeben mussten? Was denn, wenn ihnen der Silberwald weggenommen wurde? Das war gar nichts – der wichtigste Part ihres Landes war jener entlang des Nialdel – Atui-vi und das Kaormassiv mit den Adlerhöhen. Das war das Herz ihres Landes. Es mochte sein, dass das Land insgesamt fruchtbar war, aber die wirklich gute Erde war jene nahe des Flusses. Ihre Nachbarn ernteten nur halb so viel als sie und sie hatten das nur dem Fluss zu verdanken. Doch nicht nur deswegen war der Nialdel wertvoll, auch aus dem Grund da er die schlanken Boote und selbst größere Flöße zu dem schnellsten Fortbewegungsmittel machten. Das galt aber nur über längere Strecken oder wenn man viele und schwere Dinge bei sich hatte. Ochsenkarren waren nun einmal nicht dasselbe; sie waren an eine eher zockelnde Geschwindigkeit gebunden. Für eine Gruppe von Jägern oder Kriegern der Yasema war es immer noch am Schnellsten, zu Fuß zu laufen, wenn das Ziel nicht zu weit entfernt war. Und die Strecke zwischen dem Dorf der Yasema und der größeren Siedlung im Tal, die von den Asurdru bewohnt war, war im Grunde lächerlich kurz. Als der Bote, den Toku, der alte Anführer der Asurdru, geschickt hatte, das höher gelegene Dorf erreicht hatte, waren Anzu und ihre Begleiter zu Fuß aufgebrochen. Joey, der meist für Toku den Überbringer schlechter Nachrichten spielte, führte sie vom Berg herunter, schnell und sicher. Das Dorf der Bauern lag in eine Senke geschmiegt, die in den Fluss überging, der hier besonders breit und tief war. Drei Stege ragten in das Wasser hinaus, mindestens sieben Schritt lang, doch keiner überspannte auch nur ein Drittel des träge dahinfließenden Stromes. Die Häuser bestanden aus robusten Holzbrettern, kunstvoll bearbeitet und zusammengefügt, und waren mit dicken Büscheln an Ried gedeckt. Das Herz des Dorfes war der große Platz mit dem Brunnen, an dem man sich versammelte, um zu reden, zu handeln, zu feiern, zu spielen oder einfach nur um zusammenzufinden. Ständig war hier jemand zu sehen und seien es nur ein paar Kinder, die Bälle warfen oder Steinwerfen spielten. Eine Festhalle befand sich etwas abseits des Dorfes und Toku wohnte mit seiner vielköpfigen Familie in dem einzigen Gebäude, das zwei Stockwerke hatte. Jetzt war vor eben diesem Haus ein Pulk von Leuten versammelt, vor allem Asurdru, die mitbekommen hatten, was geschehen war. Als Anzu, Joey, Seto und Yugi, die sie begleitet hatten, ankamen, machte man ihnen rasch Platz, um sie durchzulassen. Yugi war Anzus bester Freund und engster Vertrauter. Er war Solomons Enkel und sie wussten, wenn sie auf jemanden vertrauen konnte, dann war er es. Er war freundlich, ruhig und handelte überlegt. Außerdem schlug er gar nicht nach seinem Großvater, denn das, was er am liebsten machen würde, war seine Ziegen zu züchten und den Krieg Krieg sein zu lassen. Es gab niemanden, der friedfertiger war, und niemanden, der jemandem öfter eine zweite Chance gab, weil er an zweite Chancen glaubte. Dennoch hatte er einen erstaunlich klaren, ungetrübten Blick auf die Welt. Sie war immer froh, ihn bei sich zu haben und seine Meinung anhören zu können, die stets einen verlässlichen Gegenpol zu Bakura und Seto bildete. Wenn sie immer alle drei anhörte, darüber nachdachte und weise entschied, würde sie ihr Volk gut führen und in eine bessere Zukunft leiten können. Es hatte in den letzten drei Monaten auch geklappt; sogar so gut, dass sie rascher als gedacht als Anführerin akzeptiert worden war und die Ragnaar sich noch nicht gerührt oder die Hügel, in denen sie momentan lebten, verlassen hatten. Doch letzteres schien sich jetzt geändert zu haben. Dies hier war eindeutig das Ergebnis eines Kampfes, wenn auch keines sonderlich heftigen. Dennoch waren zwei Heilerinnen anwesend und Bakura, der die siebenköpfige Gruppe der Krieger angeführt hatte, wirkte, als wollte er den nächsten, der ihn falsch ansah, das noch immer blutfleckige Schwert in den Körper rammen. Anzu hielt sich nicht mit einer Begrüßung oder besorgten Fragen auf. Sie selbst hatte die Krieger losgeschickt und es waren noch alle von ihnen anwesend, also war keiner von ihnen gestorben. Auch die Wunden waren weder tödlich noch übermäßig schlimm – es hatte niemand irgendwelche Gliedmaße verloren und die drei Verletzungen schienen saubere, wenn auch schmerzhafte Schnitte zu sein. „Was ist geschehen?“, wollte sie stattdessen einfach wissen und Bakura drehte sich zu ihr um. „Scheint so, als hast du den richtigen Augenblick für unsere kleine Spähmission ausgewählt.“, bemerkte er. „Die ersten beiden Tage haben wir rein gar nichts bemerkt, sie haben sich tiefer in die Täler zurückgezogen. Dann sind wir auf ein paar Spuren gestoßen, auch wenn Duke meint, es seien nur Jagdlager.“ Mit einer knappen Kopfbewegung deutete Bakura auf den jungen, hübschen Krieger und Späher mit dem rabenschwarzen Haar und den erstaunlich grünen Augen, der sich im Moment geduldig den Arm verbinden ließ. Anzu nickte – wenn Duke dies sagte, dann war es vermutlich auch so; er verstand etwas von seiner Tätigkeit – und bedeutete ihrem Ersten Krieger, fortzufahren. „Sie haben einen Hof überfallen, unten bei den Lye-ebi-Hügeln. Allerdings waren es nur wenige, darum nehme ich an, dass sie nicht im Einverständnis mit ihrem Häuptling gehandelt haben, sondern auf eigene Faust. Es waren junge Männer, vermutlich waren sie einfach gelangweilt vom vielen Herumsitzen.“ Bakura konnte da sicher mitfühlen. Das war auch der Grund, warum er das Kommando über eine so kleine Spähmission übernommen hatte – die Zeit des Friedens langweilte ihn, selbst wenn er nebenher Asurdru im Kampf ausbilden sollte. „Was ist mit den Bauern?“, wollte Anzu wissen und schob den Gedanken an Bakuras Gewaltbereitschaft von sich. Das Land bei den Lye-ebi war gefährlich, eben weil die Ragnaar in den Hügeln hausten. Aber sie konnte die Leute nicht einfach bitten, ihre Höfe aufzugeben. Man konnte Häuser nicht zusammenpacken und woanders aufstellen und auch die Felder wanderten nicht. Außerdem, wo sollten sie hin? Sicher, das Tal war groß, aber das beste Ackerland wurde bereits bebaut und es wäre auch mühsam, die Haine und kleinen Wäldchen zu roden, die es hier überall gab. Und oben, auf der Hochebene von Tatani, der Shyarin, war der Boden nicht gut genug und würde nur spärliche Ernte abwerfen. Zudem hingen die Bauern alle an ihren Heimathöfen, wo auch schon ihre Eltern und deren Eltern und die Generationen davor gelebt hatten und gestorben waren. Nein, die Asurdru würden ihre Höfe nur verlassen, wenn diese abgebrannt wurden. Darum musste Anzu auf eine andere Weise dafür sorgen, dass die Leute in Sicherheit waren. Wie es aussah, war das nicht möglich, nicht so, wie die Lage gerade war. Das Land war zu groß, die Yasema waren zu wenige, die Ragnaar waren zu dreist. Anzu hatte bereits versucht, andere Krieger zu bekommen, aber wie sie es gedacht hatte, war kein Volk bereit, sich auf ihre Seite zu stellen und sie verstand genug, um die Gründe zu erkennen, ohne dass man sie ihr sagen musste. Bakura hob die Schultern und antwortete lapidar: „Die sind ein bisschen aufgeregt, aber sie werden sich fangen. Die Ragnaar konnten nicht einmal eine Kuh töten.“ „Wir sind gerade noch rechtzeitig gekommen.“, bemerkte einer der anderen Krieger und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber wir haben keine Ahnung, wie lange die Ragnaar brauchen, um einen neuen Versuch zu starten. Oder zumindest ein paar von ihnen.“ Bakura nickte und verdrehte die Augen. Anzu zog es vor, die Geste zu ignorieren – bei ihm musste man einfach über ein paar Dinge hinwegsehen, ansonsten konnte man nicht mit ihm klar kommen – und wechselte einen Blick mit Yugi. Er sah ratlos aus, seine riesigen, violetten Augen waren traurig und selbst sein sonst so wildes, dreifarbiges Haar schien nicht wie sonst so munter in alle Richtungen abzustehen, sondern hing etwas trostlos herab. Ein weiterer Blick zu Seto brachte auch keine weitere Hilfe. Anscheinend war auch er am Ende seiner Weisheit. Zumindest im Moment hatte er keine Antwort auf die Frage, die er klar und deutlich in ihren Augen lesen musste. Aber Anzu musste etwas sagen – die Asurdru wirkten ängstlich und blickten sie hoffnungs- und erwartungsvoll an, ganz so, als könne sie ihnen die Feuer der Sonne vom Himmel holen, um damit die Feinde zu vertreiben. Aber ganz so einfach war die ganze Sache natürlich nicht. „Fürs erste werden die Ragnaar sich zurückhalten. Wir müssen Patrouillen aufstellen, die regelmäßig die Höfe besucht, um die Nordleute auf Abstand zu halten.“ Fürs erste zumindest. „Das wird uns auf Dauer auch keine Hilfe sein.“, bemerkte Bakura leise, so dass die meisten Leute ihn nicht verstehen konnten. Anzu warf ihm einen wütenden Blick zu. „Das ist mir klar. Aber ich habe schon eine Idee. Ich weiß nur noch nicht genau, wie der Plan aussehen wird. Aber das wird schon.“ Dort draußen waren viele Leute, viele Krieger, viele Heimatsuchende. Sie würde jemanden finden, der zu ihnen passen würde. Sie hoffte nur, dass diese Leute rechtzeitig kommen würden. Mit entschlossen zusammengekniffenem Mund legte sie den Kopf in den Nacken und suchte den Himmel nach der Silhouette Choukos ab. Es dauerte einen Moment, bis sie ihr Falkenweibchen entdeckte, das hoch über ihnen ihre Kreise zog. Aber als sie den Vogel sah, stieg das untrügliche Wissen in ihr auf, dass sie sich den richtigen Weg ausgesucht hatte. „Atemu?“ Maliks Stimme drang durch den dichten Nebel des Schlafes. Er brauchte Momente, ehe sein träger Verstand realisierte, dass jemand zu ihm sprach. „Atemu?“ Eine Hand legte sich auf seine Schulter, nur leicht und absolut nicht bedrohlich. Dennoch zuckte seine eigene zur Seite, dorthin, wo er seinen Dolch aufbewahrte, und er fuhr ruckartig auf. Beinahe wäre er mit seinem Cousin zusammengestoßen, wenn der nicht seinerseits zurückgewichen wäre, aus purer Gewohnheit. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen Anführer weckte. Malik zog die Hand zurück und eine Augenbraue hoch. „Atemu, die Sonne geht auf.“ Der Adrenalinschub verflog, als Atemu realisierte, dass keine Gefahr drohte. Er ließ den Griff des Dolches los und rieb sich mit den Handballen die Augen, ehe er nickte. „Gut. Weck die anderen.“ Der Andere nickte und glitt leise wie eine Katze aus dem niedrigen Zelt. Es war eines der Jagdzelte, in denen nur zwei bis vier Personen Platz hatten. Sie hatten für ihren kleinen Ausflug drei der kleinsten Zelte mitgenommen, da diese besser auf das Packpferd passten, und Atemu war der, der seines mit dem größten Teil des Gepäckes teilte. Ohne menschlichen Partner war es kälter, dafür hatte er sich nicht mit nächtlichen Störungen wie lautem Schnarchen herumzuschlagen. (Wie Malik zum Beispiel, aber der teilte stets das Zelt mit seinem Zwilling, darum war zumindest er daran gewöhnt.) Atemu streckte sich, so dass seine Gelenke knackten und angelte nach seiner Kleidung. Kurz darauf kroch auch er aus dem Zelt. Ein Feuer brannte in der kleinen Grube, die sie im Mittelpunkt zwischen den drei aufgestellten Zelten ausgehoben hatten, und Mana hängte gerade den kleinen, bronzenen Topf über die Flammen. Darin befanden sich noch die Reste ihres Abendessens, eine Art undefinierbarer Brei, der erstaunlich gut geschmeckt hatte. Sie war ein kleines, kurviges und sehr lebenslustiges Mädchen, das gerne lachte und ständig etwas zu erzählen hatte. Ihr herzförmiges, hübsches Gesicht war umgeben von einer Wolke dichten, braunen Haares und ihre grünblauen Augen schienen stets zu leuchten und waren voller Neugierde und Wissensdurst. Sie war Mahaados Schülerin, trug jedoch bereits ein goldenes Magiestück um den Hals. Sie ritt und kämpfte besser als die meisten anderen Magier, weswegen Atemu sie mitgenommen hatte und keinen der erfahreneren Zauberer. Dafür jedoch verpatzte sie hin und wieder ihre Magie. Doch dieses Risiko war Atemu bereit einzugehen. Es ging hier nicht um einen Kampf und er wollte auch keine großartigen anderen Kunststücke von ihr sehen. Er wollte nur die Präsenz eines Magiers, darum war sie die beste für diese Aufgabe. Sie konnte meisterlich reiten und hatte ein schnelles Pferd. Außerdem arbeitete sie gut mit Malik und Assur zusammen, was für sich allein schon ein kleines Wunder war. Aber es war nahezu unmöglich, das quirlige Mädchen nicht zu mögen. Außer von ihr und den Zwillingen wurde Atemu von Shada begleitet. Der hochgewachsene Mann mit dem markanten Gesicht war Jäger und der beste Späher des Stammes. Sein kahler Schädel war von einem Kranz Tätowierungen umgeben und er verbarg den sehnigen, athletischen Körper unter Wolle und Leinen, trug aber seltsamerweise kaum Leder. Er kroch aus seinem Zelt, gerade als Atemu sich erneut streckte, und grüßte kurz in die Runde, ehe er in Richtung der Gruben davon marschierte, die sie als Abort nutzten und ein ganzes Stück entfernt von dem kleinen Lager lagen. Die Pferde grasten friedlich in der Nähe und Maliks drei Hunde lagen faul neben seinem Zelt. Sie alle wirkten satt und zufrieden, als hätten sie schon gejagt, ehe die Menschen aus den Deckenrollen gekrochen waren. Etwas, das auch wahrscheinlich war. Sie versorgten sich auf Reisen wie diesen immer selbst. Von Malik und Assur war nichts zu sehen, aber Mana deutete als eine Antwort auf seinen fragenden Blick in die Richtung des Baches, den sie am Vorabend entdeckt hatten. Dann winkte sie ihn heran und gemeinsam bereiteten sie das Frühstück vor. Die Zwillinge schlossen sich ihnen kurz darauf ebenfalls an, beide mit nassen Haaren und Wasserflecken in der Kleidung. Shada, der zwischendurch nach den Pferden sah, gesellte sich als letzter zu ihnen. Es war mehr als fünfzehn Tage her, dass die Mahjida diese Hochebene erreicht hatten. Sie war groß, groß genug für sein Volk. An einem breiten Fluss, der sich mitten hindurch zog, hatten sie das Lager aufgeschlagen und dort würden sie für eine Weile bleiben, bis es an der Zeit war, die Herden an einer anderen Stelle grasen zu lassen. Irgendwann hatte Atemu den Gedanken nicht mehr von sich schieben können, dass sie endlich die Herren der Ebene aufsuchen mussten. Also hatte er Isis und Mahaado das Kommando übertragen, die kleine Gruppe an Leuten zusammengesucht und war nach Süden aufgebrochen, dem Fluss folgend. Es hatte drei Tage gedauert, ehe sie auf Spuren menschlicher Herkunft gestoßen waren – ein verlassenes Lager, vermutlich von Jägern – und sie hatten fast ebenso lang gebraucht, ehe sie ein Gebiet erreicht hatten, in denen sich öfter Leute herumtrieben, so dass es sogar einige wenige Wege gab. Sie hatten einen verborgenen Platz für das Lager gefunden und von hier aus würden Atemu, Malik und Mana zu Fuß weitergehen. Thu und Kensi, zwei von Maliks Hunden, würden sie begleiten, aber die Pferde würden mit Assur und Shada zurückbleiben. Solange sie keine Ahnung hatte, wer dieses Land für sich beanspruchte, würde er ganz sicher nicht seine wichtigste Waffe verraten und einfach herumzeigen, nachdem sie bis hierher so vorsichtig gewesen waren. Er hatte während der letzten Tage jeden Abend gebetet, dass sie auf Leute treffen würden, die interessiert daran waren, mit ihnen ein Bündnis einzugehen, im Gegenzug für die Hochebene, die ihnen allen so gut gefiel. Im Norden, so glaubte Atemu, war sie noch viel weiter als das, was sie bis jetzt gesehen hatten. Ja, sie war groß genug für sein Volk. Was für einen Preis würden sie zahlen müssen, um sie ihr eigen nennen zu können? Würde dieser Preis zu hoch sein? Nachdenklich schob Atemu sich Löffel um Löffel von Brei in den Mund, während seine Begleiter sich fröhlich unterhielten. Seit sie hier in der Eben waren, war die Stimmung unter seinen Leuten eindeutig besser. Man konnte wieder viel öfter Lachen und Scherze hören und es war kein Rabenhumor und es schwang auch kein bitterer Unterton mit. Sie hatten alle neue Hoffnung geschöpft und blickten nach vorn in ein neues Leben. Atemu fühlte, wie die Stimmung ihn ansteckte, und er beschleunigte seine Essgeschwindigkeit. Sie vergeudeten wertvolles Tageslicht während des Essens – sie könnten schon auf dem Weg sein! Einen Moment sah die Zukunft hell aus und er war absolut zuversichtlich, dass man sie aufnehmen würde. Bald darauf sammelten Atemu, Mana und Malik ihr Gepäck zusammen – Proviant, Deckenrolle, ein zweites Hemd, Waffen. Atemu überprüfte ein letztes Mal sein Bündel, ehe er es auf den Rücken schwang. Am Gürtel trug er ein kurzes Schwert und einen Dolch, dazu einen langen Speer. Mana und Malik waren ähnlich ausgerüstet und bewaffnet, doch sie zogen beide Bögen dem Speer vor. Der blonde Krieger sprach gerade leise mit seinem Zwilling, der mit Shada in ihrem kleinen Lager zurückbleiben und die Pferde bewachen würde. Mana befand sich ein ganzes Stück von den Zelten entfernt und sprang aufgeregt auf und ab. Atemu nahm sie gerne auf solche Ausflüge mit, aber nicht oft – meist hatte Mahaado etwas dagegen oder es war zu gefährlich für sie, solange sie ihre Zauber noch nicht völlig unter Kontrolle hatte. Dann brauchen sie auf. Ihr Weg führte sie zurück zu dem Fluss, dem sie gefolgt waren und dann weiter nach Süden. Der Strom war reißend und schnell, strömte an Steinen vorbei und sprang weiß und lärmend über kleinere Fälle. Einmal sahen sie eine Gruppe Antilopen am anderen Ufer und in weiter Ferne eine Gruppe von Wisenten, die gemächlich an ihnen vorbeizogen. Je länger sie sich in diesem Land befanden, desto mehr liebte er es. Die Größe und Weite waren genau das, was sie brauchten, es war reich an Wild und fruchtbarer als die Steppen und Wüsten, die er von seinem Geburtsland noch in Erinnerung hatte. Das Gras war meist hoch, manchmal, vor allem in den Tälern, war es anderes Gras, kürzer und grüner und die Pferde schienen es zu lieben. Die Täler, das war auch einer der Punkte, der so anders war als die ursprüngliche Heimat – dort war das Land tatsächlich flach gewesen wie die Klinge eines guten Schwertes, so dass man tagelang laufen konnte, ohne auf einen ernst zu nehmenden Hang zu stoßen. Hier war es anders – gewiss, es gab auch hier ebene Gebiete, vor allem im Osten, dort, von wo aus sie die Ebene betreten hatten, doch meist waren es Hügel, deren Höhe und Größe so stark variierte wie die Pferde aus einer einzigen Herde – dies war Hochland, keine Steppe. Aber es war genug. Mehr als genug. Je weiter sie nach Süden kamen, desto häufiger stießen sie auf Spuren, die nur von Menschen hinterlassen werden konnten – Pfeilspitzen in Kadavern, Feuerstellen, alte Lagerplätze, schließlich ein paar Straßen, die breit waren und in die sich tiefe Karrenspuren eingegraben hatten. Sie nahmen den Pfad, der dem Fluss folgte. Er war nicht breit, aber dennoch ausgetreten und bequem zu gehen. Und dann, als die Sonne schon tief stand, erreichten sie schließlich das Ende der Hochebene. Sie hörten es schon von weitem, auch wenn sie es nicht einordnen konnten. Es war nicht, als würde die Ebene sanft in eine andere Landschaft übergehen, in ein großes Tal, in einen Wald oder die Berge. Hier endete sie einfach und der Boden fiel senkrecht nach unten ab. Es war, als würden sie auf der Krone einer enormen, himmelhohen Mauer stehen, die felsig und kantig und bewachsen war mit widerspenstigen Pflanzen, die sich mit aller Macht in die Erde krallten. Neben ihnen, eingegrenzt von blanken Felsen, donnerte das Wasser in die Tiefe, um unten in einem Becken aufzutreffen und von dort weiterzueilen bis zu einem anderen Fluss. Die Kaskaden waren weiß und funkelnd, kleine Regenbogen zeichneten sich in schillernden Farben vor ihnen ab und am Fuße des Steilhangs wurde das Wasser mannshoch zurückgeschleudert von der Wucht des Aufpralls mit Geräuschen wie von immerwährendem Donner. Dies war es, was sie schon von Weitem gehört hatten. Atemu kletterte auf einen der Felsen, die sich links und rechts des Wasserfalls auftürmten. Mana und Malik folgten ihm langsamer. Von dort oben hatte er einen enormen Ausblick über das Flusstal, das sich unter ihnen ausbreitete. Es war nicht das des Wildbaches, dem sie gefolgt waren. Der Strom, der sich in trägen Schlangenlinien von Nordosten, aus dem Gebirge, nach Südwesten wälzte, wo er zwischen einigen Hügeln verschwand, war so breit, dass sein gesamtes Mahjidadorf ohne Probleme in seine Mitte gepasst hätte und noch ein paar Herden dazu. Das Tal bestand aus sanften Hügeln, grünen Weiden, ein paar verstreuten Feldern und kleinen Forste, die viel jünger waren als der imponierende Wald, der sich im Osten als eine Linie von Grün und Braun abzeichnete und weiter im Süden in weitere Hügel überging, die hinter dem Horizont verschwanden. Der Anblick des Flusstales war so prachtvoll, dass Atemu für einen Moment der Atem wegblieb und er noch einige Zeit dastand und einfach nur starrte und das Bild in sich aufnahm. Die Felder waren ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass dieses Tal bewohnt war. Sie waren in kleinen Grüppchen angeordnet und in der Mitte saß jeweils ein großer Hof mit Ställen und Schuppen und Nebengebäuden. Es gab einige eingezäunte Weiden in denen sich größtenteils Rinder befanden. „Das erste Ziel hätten wir damit erreicht.“, bemerkte Malik. „Stellt sich nur die Frage, wie wir da runter kommen.“ Atemu riss sich aus seiner der Betrachtung des Tales und blickte nach unten. Malik hatte definitiv recht. Mit Klettern würden sie hier nicht weit kommen, vor allem nicht, wenn sie die Hunde mitnehmen wollten, die unten am Fuß der aufgetürmten Felsen warteten. Mana deutete nach Osten. „Dort hinten, seht ihr das? Das scheint mir ein Weg zu sein.“ Atemu verengte die Augen und strengte sich an, das zu erkennen, worauf Mana deutete. Einen Moment später fiel es auch ihm auf, ein dunkler Streifen, der sich durch das Gras zog und zwischen den Felsen verschwand. Es schien tatsächlich ein Weg zu sein und wenn nicht… In eine Richtung mussten sie ja gehen und im Westen war erst einmal der Wildbach, dem sie bis hierher gefolgt waren. „Na dann…“ Malik drehte sich um und rutschte wieder nach unten. „Wir sollten hier nicht ewig Zeit verschwinden, so schön der Anblick auch ist. Aber Assur und Shada erwarten uns in spätestens fünf Tagen zurück und wir wissen nicht, ob der Herr über dieses Land vielleicht dort oben in den Bergen wohnt.“ Was sicher nicht so angenehm wäre. Sie würden selbst von hier mindestens einen Tag laufen müssen um den Fluss zu erreichen. Die Berge waren noch ein ganzes Stück weiter weg und vermutlich in dem selbstgesetzten Zeitraum nicht zu erreichen. Atemu nickte Mana zu, die einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das Tal warf, und sie folgten Malik nach unten. Bald erreichten sie den Weg, den Mana entdeckt hatte, und der sich in die Erde eingrub, dass es beinahe angenehm war, in hinunter zu spazieren. Sie beschlossen, den Fluss als Landmarke zu verlassen und etwa in die Richtung des nächsten Bauernhofes zu gehen. Die erste Nacht würden sie in dem einen Zelt verbringen, aber vielleicht erreichten sie schon bald ein Dorf oder ähnliches, wo sie auf das Oberhaupt dieses Volkes treffen konnten. Doch sie trafen nicht auf den Hof. Stattdessen erreichten sie am Tag den großen Strom, der das Tal dominierte, und bald darauf begegneten ihnen zwei Jungen mit einem Boot, die ganz offensichtlich unweit von hier wohnten und erschrocken aufsprangen, als die drei exotischen Fremden mit ihren großen Hunden aus dem Wald traten. „Wir sollten die Ragnaar überfallen und ein für alle mal aus unserem Land jagen.“, knurrte Bakura und starrte seinen Hasenbraten an, als könne der etwas dafür. Anzu warf ihm einen Blick zu und schluckte das Stück Brot hinunter, auf dem sie gerade kaute. „Bakura… du weißt so gut wie ich, dass uns das nicht möglich ist. Wir sind zu wenig Leute, selbst wenn wir die Asurdru mitnehmen, denen einfach noch das Wissen fehlt, an unserer Seite zu kämpfen.“ Wenn sie jetzt kämpfen würden, würden sie sich gegenseitig auslöschen und nur ihre Schwachen und Kinder und die Asurdru zurücklassen. Diese würden danach nicht lange überleben. „Wir wissen momentan nicht einmal, wo sie ihr Lager haben.“, bemerkte Nobu, einer der anderen Krieger, die Bakura begleitet hatten. Momentan befanden sich alle Yasema – Bakuras kleiner Spähtrupp sowie Anzu mit Seto und Yugi – im Haus des Anführers an dem langen Tisch in einem der hinteren Zimmer. Dazu kamen Toku, Joey und Tokus Enkelin Miho, die ihnen das Essen zubereitet und serviert hatte. Die Yasema hatten den Rest des letzten Tages und die Nacht im Asurdrudorf verbracht, da es für die Verletzten besser war, erst einmal auszuruhen. Wütend stieß Bakura sein Messer in das Stück Fleisch auf seinem Teller, aber er widersprach nicht. Er wusste besser als sie alle, dass es die Wahrheit war. „Und was gedenkst du zu tun?“, wollte er stattdessen wissen. Anzu blickte in ihre Schüssel und seufzte. Aber bevor sie dazu kam, etwas zu sagen, fuhr Bakura schon fort: „Willst du noch länger Boten herumschicken und um Hilfe betteln? Oder noch länger darum beten, dass jemand vom Himmel fällt und unter deinen Bedingungen ein Bündnis eingeht, um mit uns zu kämpfen? Was willst du ihnen geben? Die Shyarin? Niemand brauch die Shyarin! Und etwas anderes hast du nicht zu geben, wenn du nicht Asurdruland verschenken willst. Oder die Hügel? Die Ragnaar hausen dort; wer will da schon hin?!“ Bakura war während seiner kleinen Ansprache immer lauter geworden und der Zorn in seinen Augen war deutlich. Sie wusste, dass er gegen die Ragnaar zielte und dass Bakura auf sich selbst wütend war, da er nicht seiner Aufgabe nachkommen und sie einfach verjagen konnte. Dennoch konnte sie nicht zulassen, dass er so mit ihr sprach. Anzu erhob sich mit einer fließenden Bewegung auf und starrte ihn an, ebenso wütend wie er. Doch er machte sich nicht einmal die Mühe aufzustehen, als wäre sie es nicht wert. „Ich setze nicht alle meine Hoffnungen in Hilfe von außerhalb.“, zischte sie. „Ich bin nicht dumm. Aber wir tun alles, was wir tun können und ich sehe nun einmal keine andere Lösung! Wenn du einen Vorschlag vorzubringen hast, nur zu, ich bin immer bereit, zuzuhören und das weißt du ganz genau! Und du weißt auch, dass es in Wahrheit nichts gibt, was wir tatsächlich tun können, als alle Leute unter Waffen zu stellen. Es sei denn, du willst vorschlagen, dass wir uns den Ragnaar unterwerfen.“ Jetzt war es an Bakura, aufzuspringen. Sein angewiderter Gesichtsausdruck sprach Bände, er hätte auf ihre letzte Bemerkung gar nichts mehr sagen können. „Wir unterwerfen uns niemandem.“, knurrte er. „Wir sind Yasema und die Ragnaar werden sterben, weil sie sich mit uns angelegt haben!“ Aber wie, das konnte auch er nicht erklären. Die anderen Anwesen starrten die beiden erschrocken an. Die Luft zwischen ihrem Oberhaupt und ihrem Ersten Krieger schien zu knistern vor Anspannung. Auch wenn bekannt war, dass sich die beiden nicht sonderlich verstanden, so hatten sie doch sonst immer auf einer Seite gestanden und eine solch offene Konfrontation nicht zugelassen. Es war allen bekannt, dass es Probleme gab, trotz der Tatsache, dass die Ragnaar die letzten beiden Monde still und unbemerkt in den Hügeln verbracht hatten. Aber jeder wusste, dass der trügerische Friede nicht lange halten würde und es sich hierbei doch nur um die Ruhe vor dem Sturm handelte. Und Anzu wusste zusätzlich, dass ihr Weg der einzig mögliche war. Dass sie sich mit einem anderen Volk verbinden, vielleicht sogar vermischen mussten, auch wenn niemand sonst dies akzeptieren wollte. Aber was sollten sie tun? Sie hatten drei Möglichkeiten: Sie konnten untergehen (was unakzeptabel war), sie konnten sich den Ragnaar unterwerfen (was niemand von ihnen tun würde) oder sie konnten Anzus Weg nehmen. Aber Bakura hatte Recht. Denn es gab niemanden, der kam, und nichts, was sie anbieten konnten als die Shyarin oder kleine Teile des Tales. Letzteres war unwahrscheinlich, weil die Parts klein waren und weit auseinander lagen. Ersteres war … unlogisch. Wer brauchte Land, auf dem man nicht anbauen konnte? Dennoch. Sie glaubte daran, dass jemand kommen würde, der genau das wollte, was sie geben konnten. Hiroshi hatte es ihr gesagt. Sie würde weiterhin daran glauben. Die Tür des Raumes flog plötzlich auf und zerschlug die angespannte Atmosphäre einfach. Alle fuhren auf; Bakura und einer der anderen Krieger zogen sogar ihre Kampfdolche, während Joey Yugi schützend hinter sich schob und Anzus eigene Hand zu dem langen Bronzedolch an ihrem Gürtel zuckte. Nur Seto hatte sich kaum gerührt, mit kühlem Blick starrte er dem überraschenden Besucher entgegen. Doch im Türrahmen stand nur Tristan, ein Asurdru aus dem Dorf. Er war eng mit Joey befreundet und machte Miho schon seit längerem den Hof, doch diese war unglücklich in Bakuras jüngeren Bruder verliebt. Einen Moment brauchte es, damit alle sich entspannten, und Toku polterte auch schon los: „Was soll das, Tristan?! Stürmt man so in die Häuser anderer Leute?“ Der brünette, hochgewachsene Asurdru rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Es tut mir leid. Aber…“ Weiter kam er nicht, denn Joey unterbrach ihn einfach. „Solltest du nicht mit Mako im Süden sein und dich um diverse Boote kümmern?“ Tristan seufzte. „Doch, aber…“ „Was willst du dann hier?“, schnappte der Erste Krieger. „Das will ich doch gerade erklären!“, fuhr Tristan auf. „Warum tust du’s dann nicht?“, knurrte Bakura zurück und Anzu wusste, dass es Absicht war. Er ließ seinen Ärger an dem armen Jungen aus, der gar nichts dafür konnte. „Bakura!“, schnappte Seto und warf ihm einen wütenden Blick zu. Dann sah er wieder zu Tristan und nickte ihm auffordernd zu. „Wir waren bei den Fischerhäfen und haben uns um die Boote gekümmert. Dann … haben wir Besuch bekommen.“ „Wie bitte?“ Bakura klang nahezu beleidigt. „Dein Besuch wird uns wohl kaum interessieren!“ „Bakura, lass ihn ausreden!“ Tristan war offensichtlich nicht am Ende seiner Erklärung angelangt. „Es waren Fremde. Niemand von uns oder euch, keine Ragnaar, auch niemand von unseren Nachbarn. Sie sind einfach Fremde. Sie sehen nicht einmal aus wie wir hier!“ Einen Moment verstummte er und überlegte, was er noch hinzufügen sollte. „Sie sind zu dritt, aber sie sagten, dass sie die anderen zurückgelassen hatten. Mako führt sie inzwischen her. Sie wollen Anzu sprechen.“, fügte er auf Bakuras finsteren Blick eilig hinzu. „Warum das?“, erkundigte sich Duke und ließ sich wieder auf die Bank sinken. Tristan hob die Schultern. „Das haben sie nicht gesagt, aber sie wollen wirklich dringen mit Anzu sprechen. Aber ich glaube nicht, dass sie eine Gefahr darstellen.“ „Und wie kannst du das beurteilen?“, wollte Bakura grob wissen. Anzu fuhr sich durch die schulterlangen Haare. „Hört auf zu streiten. Tristan, wie schnell werden sie hier sein?“ Der brünette Asurdru hob die Schultern. „Ziemlich bald, ich bin nur das letzte Stück des Weges gelaufen.“ Anzu nickte und dachte darüber nach. Wer auch immer diese Fremden waren, sie wollten mit ihr sprechen. Sie hatte keine Ahnung wieso. Sie konnten gefährlich sein, das war ihr klar. Aber es waren nur drei und sie befand sich in einem ihrer Dörfer und hatte eine Gruppe Krieger bei sich. Außerdem sagte ihr Gefühl, dass ihr heute keine Gefahr drohte. Und Tristan hatte gesagt, dass es völlig Unbekannte waren – Fremde. Nicht einmal Ragnaar. Was konnte schon passieren? „Wir sollten sie einfach treffen.“, bemerkte Yugi und schrank sofort unter den Blicken zusammen, die man ihm schickte. „Ich … ich meine, wir wollen doch alle wissen, wer sie sind und was sie wollen.“ „Außerdem sind sie nur zu dritt.“, bemerkte Anzu. „Lasst sie uns begrüßen und später entscheiden, ob sie eine Gefahr sind.“ Damit verließ sie das Haus. Sie bemerkte sofort, dass der Besuch bereits angekommen war. Aus allen Richtungen liefen die Dorfbewohner zusammen, schnatterten aufgeregt und starrten. Sie wichen nicht einmal zur Seite, als Anzu und ihre Gefährten zu ihnen kamen, so dass die Yasema sich durch sie hindurch drängen mussten. Sie waren zu dritt, wie Tristan bereits gesagt hatte (von den beiden monströsen, gefährlich wirkenden Wolfshunden hatte er allerdings nichts erzählt), und Fremde. Auch die Ragnaar waren nicht von hier, aber diese drei Menschen – sie waren tatsächlich fremd. Anzu hatte noch nie Leute wie sie gesehen. Es war nicht, dass sie vier Arme hatten oder zwei Köpfe oder etwas in dieser Art. Doch ihre Haut war dunkel, ein Farbton irgendwo zwischen Gold und Bronze. Ihre Gesichter wirkten anders, exotischer, fremdländischer. Sie waren außerdem kleiner als der durchschnittliche Yasema oder Asurdru. Alle drei waren sie noch jung und stark, außerdem waren sie bewaffnet, mit Klingen, einem Speer und zwei seltsam kurzen, geschwungenen Bögen, wie Anzu sie noch nie gesehen hatte. Wie weit mochten die wohl schießen? Sie konnten niemals so effektiv sein wie die großen Langbögen, die sie besaßen. Es waren zwei Krieger und ein Mädchen, das sich anders hielt als sie, vielleicht war es eine Zauberin oder Priesterin. Doch sie alle hatten den durchtrainierten Körperbau von geübten Jägern und Kriegern, schlank und athletisch mit untrüglicher Selbstsicherheit und der Balance eines Kämpfers, wenn sie auch etwas abgerissen und müde wirkten. Sie trugen alle sehr ähnliche Kleidung aus Leder und Wolle, ein langes Hemd über einem bestickten Schurz und Beinlingen, dazu lange, einfache Umhänge. An einem breiten Gürtel hingen je zwei Klingen – eine lange und eine kürzere – und eine kleine Tasche. Sie trugen Schmuck aus verschiedenen Perlen, Federn und Gold und das Mädchen trug ein goldenes Amulett auf der Brust, das kompliziert gearbeitet war. Die junge Frau war ein hübsches Ding mit spielerisch funkelnden, dunklen Augen und einem kurvigen Körper. Der Krieger, zu dem offensichtlich die Hunde gehörten, war sandblond und viel zu hübsch, mit hellvioletten Augen. Er hatte eine Hand in dem dicken Halsfells eines der Hunde vergraben, der andere lag zu seinen Füßen. Sie standen etwas abseits von dem anderen, der offensichtlich der Anführer war. Er blickte ihr mit sicherem Blick entgegen, als wüsste er, dass sie das Oberhaupt dieser beiden Völker war. Vielleicht hatte er es bemerkt. Sie hätte nie gedacht, dass sie jemals jemanden traf, der eine ähnlich verrückte Frisur hatte wie Yugi, doch da hatte sie falsch gedacht. Die beiden hätten aufgrund ihrer Haare, dreifarbig, wirr und wild, glatt als Brüder durchgehen können, wenn da nicht diese anderen Unterschiede gewesen waren, die dunkle Haut, die scharfen, aber nicht unattraktiven Gesichtszüge, die Fremdheit… Anzu schluckte und brauchte einen Moment um sich zu fangen. Chouko war es, die sie aus der Starre riss, in dem sie einfach auf ihrer Schulter wanderte, und die Neuankömmlinge mit einem strengen Blick musterte. Doch die Asurdru und auch ihre eigenen Krieger (außer Seto und Bakura) waren nicht so einfach aus dem Staunen zu reißen Die drei Fremden ertrugen die Blicke und das Geflüster, als wären sie es gewohnt. Anzu hoffte, dass die drei zumindest ihre Sprache kannten. Es würde schwer werden, wenn dies nicht der Fall war, was auch immer es war. Sie hob beide Hände, die Handflächen nach außen und trat auf sie zu. „Willkommen im Atui-vi, dem Flusstal des Nialdel. Willkommen bei den Yasema und Asurdru. Ich bin Anzu, Oberhaupt der Yasema.“ Für einen Moment blieb es still und sie befürchtete schon, dass die drei kein Wort verstanden hatten, wie die Ragnaar zu Beginn. Dann legte der Fremde mit der wilden Frisur sich die Hand über das Herz und neigte leicht den Kopf. Die Sonne fing sich in seinen goldenen Ohrringen und er hatte erstaunlich gefärbte, sehr kluge Augen, tiefviolett wie die dunkelsten Amethyste. „Ich danke dir, dass ihr uns nicht feindlich gegenübertretet, sondern mit einem Willkommensgruß.“, war die Antwort und Anzu fragte sich, wie lange sie wohl schon durch das Land zogen und wie viele Leute sie davongejagt hatten. Doch nur für einen Moment, ehe seine tiefe Stimme sie in ihren Bann zog, die so seltsam klang und so … anders. Sie hatte eine seltsame Färbung und selbst diese vertrauten Worte klangen seltsam aus seinem Mund. Er schien sich zu bemühen, doch manche Laute sprach er einfach seltsam aus. „Ich bin Atemu, Oberhaupt der Mahjida, und dies sind Malik und Mana.“ Er sah sich nach seinen Begleitern um, die ihn anblickten. Malik legte den Kopf schief, während Mana einfach nur lächelte. Anzu wechselte einen kurzen Blick erst mit Seto und Bakura. Seto starrte mit gerunzelter Stirn Atemu an, als wollte er versuchen, dessen Gedanken zu lesen. Bakuras Gesichtsausdruck war unleserlich, doch war sein Interesse auf die anderen beiden Fremden gerichtet. Auch Anzu musterte sie kurz, dann Atemu, der noch immer so selbstsicher und stolz wirkte. Ob dies die Gelegenheit war, auf die sie gewartet hatte? Sie würde das Risiko eingehen. Denn auch Atemu wollte etwas und vielleicht war er hier, weil sie es ihm geben konnten. Und als sich ihre Blicke nun erneut trafen, wussten sie beide, dass ihre Suche endlich ein Ende gefunden hatte. ~~~~~~~ Okay, mag sein, dass dieses Kapitel etwas langweilig war, aber ich verspreche, dass das Tempo ab dem nächsten angezogen wird. Ich wollte jedoch erst noch den Rest der Einführung beenden - die Situation, die Charaktere und vor allem das Setting und die Umgebung, in der alles spielt. Darum seht mir die Beschreibungen nach. :) Okay. Bis dann Sorca~ Kapitel 2: Fifth Moon --------------------- Titel: Unter dem Blutmond Teil: 3/7 Autor: Fandom: Yu-Gi-Oh! Rating: PG-14 Warning: extremes AU, Kämpfe, Het, SA Pairing: Vanishshipping (Atemu x Anzu), Thiefshipping (Bakura x Malik), Softshipping (Ryou x Serenity), Pleashipping (Mahaado x Isis), Duke x Mana, Mehr? Disclaimer: Nix gehört mir und ich krieg auch kein Geld. ~~~~~~~ Okay. Nächstes Kapitel. Viel später, als ich eigentlich wollte, aber ich hab nicht gerade wenig zu tun und manchmal komme ich einfach nicht zum Schreiben. :( Außerdem bin ich noch halb krank. Die Kapitel werden auch immer länger. D: D: Ist absolut keine Absicht. Hier hab ich sogar einen Part weggelassen, weil ich schon über 7.ooo Worte hab und der Part die Sache wohl doch nur unnötig in die Länge gezogen hätte. Darum ... hab ich ihn sein lassen. Ich hoffe, das Kapitel gefällt. (Es umspannt übrigens die Zeitspanne von beinahe fünf Monaten. Falls das jemanden interessiert. Aber ich hab nur 5 Kapitel Zeit, dass aus Atemu und Anzu, die sich vorher noch nicht kannten, ein Paar wird und ich bin kein Fan von einmal sehen und 'OMG, ich liebe dich' auch bekannt als Liebe auf den ersten Blick. Darum muss ich die Sache anders arrangieren.) ~~~~~~~ Fifth Moon Bakura hatte sich in die Ecke neben dem Fenster verkrochen und zog ein finsteres Gesicht. Seto stand mit verschränkten Armen in der Mitte des Raumes und sah unerbittlich aus. Solomon und die beiden anderen Ältesten des Rates – die Heilerin und Zauberin des Stammes, Airi, und ein alter Hirte mit wettergegerbtem Gesicht – hatten sich auf der Bank niedergelassen, die an der Wand stand. Der Rat war nicht besonders glücklich mit Anzus Entscheidung gewesen, den Mahjida die Shyarin zu geben. Nur Yugi, der am Tisch saß und eine kleine, geschnitzte Figur, eine Ziege, in den Händen drehte, stand wirklich voll und ganz hinter ihr. Solomon würde sie auch unterstützen, das wusste sie. Aber das war dennoch nicht viel. Anzu war nicht glücklich. Sie hätte erwartet, dass der Rat, Seto und Bakura ihren Plan stärker unterstützen würden. Immerhin brachte es ihnen Krieger und Hoffnung auf mehr als Krieg und Untergang. Doch die einzigen, die ohne Einschränkung hinter ihr standen, waren Solomon und Yugi. Vielleicht waren sie die Einzigen, die ihr weit genug vertrauten. Vielleicht waren sie die Einzigen, die dachten, dass ihr Traum Erfolg haben konnte. Vielleicht waren sie auch nur die Einzigen, die so dumm und leichtgläubig waren wie ihre Anführerin. Seto hatte sich selbst zum Wortführer ernannt und bemerkte gerade: „Was glaubst du, was geschieht, wenn sie der Shyarin müde werden? Wir können uns nicht zwei Gegner auf einmal leisten.“ „Im Grunde können wir uns gar keinen Feind mehr leisten.“, bemerkte Solomon trocken. „Aber wie ich schon mehr als einmal gesagt habe, denke ich, dass Anzus Ansinnen Erfolg haben kann und wird.“ „Aber es sind Fremde.“, bemerkte Masaru bedächtig. Wie alle anderen im Dorf hatte er gehört, dass die Mahjida – schon allein dieses Wort zeigte dies doch schon! – nicht von hier waren. Er ging damit weitaus gelassener um als alle anderen im Dorf (einschließlich jenen, die bei der Begegnung mit den drei Fremden dabei gewesen waren) doch er hatte schon weitergedacht. „Wie sollen wir wissen, was sie denken?“ „Das tun wir nicht.“, erklärte Bakura aus seiner Ecke und blickte noch finsterer drein. „Sie sind nicht unsere Feinde.“, setzte Anzu dagegen, ohne jedoch zu wissen, woher sie diese Bestimmtheit nahm. So würde es jedoch nicht einfach akzeptiert werden. „Wir kennen sie nicht, Anzu!“, bellte Seto. „Wer weiß, vielleicht verbünden sie sich gerade mit den Ragnaar? Oder rüsten ihre eigenen Krieger um uns aus dem Tal zu vertreiben, während sie über unsere Leichtgläubigkeit lachen?“ Für einen Moment suchte Anzu einfach nur nach Worten. Wie konnte sie Seto klar machen, dass dies nicht der Fall war? Und wie konnte sie ihre leisen Zweifel ausmerzen, die genau dasselbe sagten? Wenn sie falsch lag, ging ihr ganzes Volk einfach unter… Diesmal war es Yugi, der zu ihrer Verteidigung sprang: „Habt ihr sie euch nicht angesehen, Seto, Bakura? Sie sahen müde und abgerissen aus. Sie sind abgekämpft und wenn sie schon so aussehen, wie dann erst der Rest? Ich denke nicht, dass sie im Moment etwas anderes wollen, als ein Land, das ihnen niemand wegnimmt, und ihre Ruhe.“ Einen Moment blickten alle auf ihn und Yugi schrumpfte in sich zusammen. Anzu war sicher, dass er sich im Moment wünschte, nichts gesagt zu haben. Solomon kam seinem Enkel sofort zur Hilfe. „Er hat Recht. Ich mag sie nicht gesehen haben, aber wir alle wissen, was für eine gute Menschenkenntnis Yugi hat.“ Er stand auf und trat neben Anzu, um ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. „Hiroshi hat an Anzu geglaubt. Sie ist unsere Anführerin. Wenn sie nicht das Recht hat, kurzfristige Entscheidungen dieser Art zu fällen, dann hat es niemand. Und die Shyarin ist im Austausch zu einem starken Verbündeten nicht viel.“ Seto schnaubte. „Wir wissen nicht, wie stark sie sind – wenn Yugi Recht hat mit seiner Behauptung, ist es vielleicht nur ein Haufen alter Männer und Kinder, die mit ein paar Kriegern durch das Land ziehen. Wieso sonst sollten sie sich nicht einfach das genommen haben, was sie brauchen?“ Anzu ballte die Hände zu Fäusten. Was, wenn Seto recht hatte? Sie glaubte es nicht, aber das mochte daran liegen, dass sie es nicht wollte. Dass sie an die andere Möglichkeit glauben wollte und daran, dass die Mahjida mehr Kämpfer hatten als nur eine Handvoll. „Vielleicht wollten sie einfach niemand anderem die Heimat nehmen?“, schlug Yugi leise vor und Bakura lachte. Dann sagte er, ein völlig anderes Thema anschneidend: „Die Shyarin will niemand. Was sollen sie mit der?!“ „Sie sagten, sie sind keine Bauern.“, bemerkte Anzu leise. „Und soll dich euch etwas sagen? Ich glaube nicht, dass sie gegangen wären, wenn ich Nein gesagt hätte. Dann hätten wir jetzt keine potentiellen Verbündeten da draußen, sondern sofort einen zweiten Gegner. Wäre das besser gewesen?“ Sie ließ diese Worte im Raum hängen, wütend und verletzt und traurig, dass sie ihr es nicht zutrauten, die richtige Entscheidung zu fällen, und verließ die Hütte. Helle, zwitschernde Flöten mischten sich mit dem dumpfen, rhythmischen Dröhnen der Trommeln. Gesang erhob sich darüber, die tiefe, volltönende Stimme eines Mannes, und dominierte die gesamte Melodie. Das Stampfen nackter Füße mischte sich darunter, geschmeidige Körper bogen sich im Lichtschein der Flammen. Die Feuer warfen zuckende Schatten und dank der raschen Bewegungen der Tänzer wirkten sie noch viel skurriler als sowieso schon. Die Mahjida feierten das Ende einer jahrelangen Reise, die sie ohne Ziel quer über den Kontinent geführt hatte. Jetzt waren sie endlich angekommen. Atemu hatte sich nicht unter die Feiernden gemischt, sondern saß in der Nähe der Bratfeuer – sie hatten eine Großjagd veranstaltet und nun selbst für ein solches Fest genug zum Essen – und sah nur zu. Ein tiefes Gefühl von Friede hatte sich in seinem Bauch eingenistet. Sein Volk war zufrieden und satt und voller Hoffnung und Freude. Was wollte er mehr? Er blickte auf, als ein Schatten über ihn fiel, und er erkannte Isis, die mit zwei Bechern zu ihm kam. Elegant ließ sie sich neben ihm auf einem der Teppiche nieder, die hier überall verteilt um die Feuer lagen. Sie reichte ihm eines der Gefäße, das dem Geruch nach mit vergorener Stutenmilch gefüllt war, und schenkte ihm ein glückliches Lächeln. „Leyla gefällt es hier.“, erklärte sie. Leyla, das war ihre und Mahaados kleine Tochter, die erst sieben Sommer zählte. Diese Aussage allein zeigte, dass sie sehr zufrieden mit dem Verlauf der Ereignisse war. „Und mir auch.“ Atemu nickte und nahm einen Schluck au seinem Becher. Neben ihm stand bereits ein Teller mit diverse nur halb gegessenen Brocken von Fleisch und Gemüse. Isis lächelte noch mehr und schwieg. Für einige Augenblicke herrschte einvernehmliches Schweigen zwischen ihnen, während sie die Leute beobachteten. Atemu entdeckte Assur an den Grillspießen, Mahaado hinter einer der Trommeln, Malik und Mana unter den wildesten Tänzern, Rishid, den Sänger, ein riesiger, kahl geschorener Mann aus einem obskuren Zweig von Isis‘ Familie, und so viele andere, die ihm eng am Herzen lagen. Sie alle waren losgelöst und frei von den Problemen, die sie noch vor einem Mond gehabt hatten. „Weißt du etwas?“, erkundigte er sich dann. Sie war die größte Seherin des Stammes, eine der besten, die die Mahjida je gehabt hatten. Und fragen kostete nichts. Isis wandte sich ihm zu. „Ja.“ Sie blickte nachdenklich auf ihren Becher, den sie ihm Schoß hielt. „Aber es ist alles sehr undeutlich. Viel wird davon abhängen, wie die nächsten Tage verlaufen werden, wie du dich entscheiden wirst und wie die Anführerin der Yasema. Außerdem ist da noch etwas anderes, dunkleres… Aber ich kann nicht sagen, was.“ Der Gedanke schien sie zu frustrieren, aber sie hatte anscheinend längst aufgegeben, doch etwas sehen zu wollen. Atemu dachte zurück an das kleine Dorf und die Begegnung mit den Yasema und ihrem Vasallenvolk. Er konnte sie noch deutlich vor seinem inneren Auge sehen, die kleine, schlanke Frau, die ihm selbstbewusst und herzlich entgegengetreten war. Ihr kinnlanges, braunes Haar, die Augen, so blau und tief wie der Ozean, den sie noch nie gesehen haben konnte, die eleganten, tänzerischen Bewegungen, die Freundlichkeit in ihrer Stimme und ihrem gesamten Gebaren. Das Ergebnis dieses Gespräches hatte ihn zutiefst zufrieden gestellt und diese Frau, Anzu von den Yasema, hatte ihn beeindruckt. Sie wusste anscheinend, was sie wollte, und auch, was sie hatte. Sie hatte ihnen deutlich gesagt, dass sie im Gegenzug für das Land etwas erwartete, und das war ein enges Bündnis – im Handel und in Beute, in Frieden und im Krieg. Und um das Flusstal des Atui-vi wurde im Moment gekämpft. Wollten sie wirklich hier blieben, würden sie zu den Waffen greifen müssen. Die Mahjida waren bereit dazu – sie hatten es erwartet. Wenn sie schon kämpfen mussten, dann waren dies die besten Voraussetzungen; sie hatten Verbündete, die das Land kannten, eine Basis und eine Aussicht auf eine Zukunft. Was verteidigte man besser als seine eigene Heimat und Familie? Isis legte eine Hand auf seinen Arm und riss ihn aus den Gedanken. „Aber mach dir keine Sorgen. Wir können alles überstehen.“ Erneut schenkte sie ihm ihr wissendes Lächeln, dann erhob sie sich und verschwand wieder in der Menge. Bakura hatte darauf bestanden, dass sie sich mit den Mahjida auf den Kampffeldern trafen, wo die jungen Yasemakrieger in die Kunst der Klingen eingeführt wurden, und jetzt auch die Asurdru lernten, wie man Feinde erschlug. Anzu hatte schnell, vielleicht zu schnell, zugestimmt. Natürlich wusste sie, was Bakura damit bezweckte, aber es würde ganz sicher nicht schaden. Wenn man es von der rein praktischen Seite sah, so waren die Kampffelder sicher kein schlechter Ort – sie lagen viel weiter südlich als das Yasemadorf und näher an den Wegen zur Shyarin. Ein Ring von Bäumen umgab sie und in einer Ecke befanden sich einige Gebäude. Obwohl ‚Gebäude‘ vermutlich zu hoch gegriffen war. Es waren eher Dächer, die auf einigen Pfosten ruhten; es gab keine Wände und der Boden bestand nur aus grob zusammengezimmerten Holzplanken. Bakura hatte die meisten Yasemakrieger mobilisiert und mitgebracht und sie hatten sich bis zum Eintreffen der Mahjida auf den Übungsplätzen die Zeit vertrieben. Das war sicher ein aussagekräftiger Anblick für die Neuankömmlinge gewesen. Aber auch für die Yasema hatte der Tag einiges gebracht, nicht nur im Hinblick auf die Tatsache, dass das Bündnis nun stand. Die Mahjida hatten mehr Krieger, Männer wie Frauen, als Bakura erwartet hatte und Anzu musste ihm zustimmen. Die Fremden hatten definitiv eine starke, wenn auch kleine Streitmacht, alle erfahrene Kämpfer, selbst jene, die kaum den Kinderschuhen entwachsen waren. Wahrscheinlich schuf ein Wanderleben wie jenes, das die Mahjida geführt hatten, solche Menschen hervor. Es hatte eine Weile gedauert, bis es soweit war, dass die Anführer beider Völker sich um eine der Feuerstellen in den Hütten versammeln konnten. Es gab viel Gerede und viel Gestarre und dementsprechend viel Verwirrung. Die Yasema schienen nicht genug von den Fremden zu bekommen. Anzu konnte es ihnen nicht verbieten. Hatte sie nicht dasselbe getan? Die Mahjida waren einfach fremd. Sie hoffte nur, dass man sie mit der Zeit trotzdem annehmen würde. Aus den Augenwinkeln warf sie einen Blick zu Atemu hinüber. Er stand mit der schönen Seherin und den Zwillingen in der Nähe, den Blick auf ein Paar von Kämpfern gerichtet, die gerade einen Übungskampf veranstalteten – ein Yasema und ein Mahjida. Atemus markantes Profil war ruhig, aber ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Er schien genauso zufrieden mit dem Verlauf der Dinge wie sie. Sie blickte wieder zurück zu den Kämpfenden, Duke und einem Mann namens Kalim, und als sie das nächste Mal Atemu anblickte, erwiderte er ihren Blick. Dann lächelte er, seine weißen Zähne hoben sich hell von seiner dunklen Haut ab und die Geste veränderte sein strenges Gesicht vollkommen zu etwas, was sie in diesem ersten Augenblick einfach nur bestaunen konnte. Für einen Moment schien ihr Herz still zu stehen. Beinahe zaghaft lächelte sie zurück; Atemu machte sie unsicher und kribbelig. Dann erhob sie sich und winkte ihm, ihr zu folgen. Es gab noch den einen oder anderen Punkt, auf den sie Atemu aufmerksam machen musste. Sie hoffte nur, dass er danach dennoch blieb. Doch wenn ihre Menschenkenntnis sie nicht trügte, hatte sie nichts zu befürchten. Schweigend führte sie ihn durch den dünnen Ring an Unterholz, der die Kampfplätze umgab, und auf den Kamm eines der Hügel, die sich in dieser Gegend erhoben. In einiger Entfernung hinter ihnen befand sich die hohe Steilwand, die die Shyarin vom Atui-vi-Tal abtrennte. Vor ihnen war der Nialdel und im Südosten befanden sich die Lye-ebi-Hügel. „Was ist damit?“, wollte Atemu wissen, nachdem er den Hügeln einen langen Blick geschenkt hatte. Anzu ließ sich in die Hocke sinken. „Die Ragnaar haben sich dort eingenistet. Es sind viele und sie sind stark und sie sind gefährlich.“ Sie blickte zu ihm hoch. „Vor ein paar Jahren kamen sie aus dem Norden. Auch sie hatten ihre Heimat an ein anderes Volk verloren und jetzt wollten sie unsere. Wir kämpfen seit dem mit ihnen.“ „Aber sie sind zu stark, so dass ihr sie nicht besiegen könnt?“ Atemus Stimme war klar und wissend. Sie nickte und wusste, dass sie mit ihrer Antwort ein großes Risiko einging. Sie kannte Atemu nicht. Was, wenn er die Schwäche ausnützte? Aber die Mahjida hatten bereits, was sie wollten und Atemu war nicht ihr Feind. Sie wollte nicht, dass er ihr Feind war. „Ja. Zu Beginn hatten wir die Hoffnung, dass wir sie zurückschlagen und unseren Stand behaupten können. Dass ihnen der Preis für unser Tal zu hoch ist. Aber es kamen immer mehr. Und auch unsere Krieger starben. Jetzt … jetzt sind wir gleich stark.“ Atemu legte den Kopf schief und wirkte sehr nachdenklich. „Darum wolltest du Verbündete.“ Sie antwortete nicht, sondern blickte weiterhin in die Richtung der Hügel. Aber er schien anscheinend gar nichts zu erwarten, denn er sprach rasch weiter. „Darum hast du uns so bereitwillig die Ebene überlassen. Darum wolltest du ein Bündnis.“ Er verstummte und blieb still, also schaute sie zu ihm hoch. Seine Augen waren tief und dunkel, als er den Blick erwiderte. „In einem Kampf würden meine Krieger auch sterben.“ Sie hielt dem Blick stand und ihre Stimme war rau, als sie ihm antwortete. Sie wusste, dass er recht hatte. Aber sie hatte deswegen kein schlechtes Gewissen. Denn hatte er wirklich geglaubt, Land zu bekommen, ohne dafür kämpfen zu müssen? Doch nicht hier… „Die Ragnaar werden auch die Shyarin haben wollen.“, erklärte sie darum. „Und ihr bekommt sie im Gegensatz für eure Hilfe und noch dazu uns als Verbündete, Handelspartner und Freunde. Ansonsten würdet ihr mit uns kämpfen müssen. Ist es das nicht wert? Gemeinsam können wir gegen die Ragnaar gewinnen.“ Vielleicht würden die Leute aus dem Norden sogar weiterziehen, wenn sie bemerkten, dass sie jetzt gegen einen stärkeren Gegner antraten. Atemu nickte und sagte nichts mehr. Anscheinend hatte er sich dies alles schon allein zusammengereimt und nur ihre Antwort hören wollen. Er drehte sich wieder um. Die Hügel wirkten friedlich und ruhig im Abendsonnenschein. Man konnte ein paar Höfe sehen, die in ihre Flanken geschmiegt waren, und die unregelmäßigen Rechtecke der Felder, die diese umgaben. Einige Schäfchenwolken waren am Himmel zu sehen, der ansonsten strahlend blau war. Alles in allem war es ein harmloses Bild, das verbarg, welche Gefahr sich in diesen Hügel verbarg. Das Rauschen von Schwingen riss sie aus der Betrachtung und sie blickte auf, um Chouko am Himmel zu sehen, die direkt auf sie zusteuerte. Sie erhob sich. Auch Atemu war auf den Vogel aufmerksam geworden. Er trat hastig einen Schritt zurück und seine Hand zuckte zu dem verzierten Horngriff des gekrümmten Bronzemessers, das er am Gürtel trug, doch Anzu lächelte nur und hob eine Hand. „Lass. Das ist nur Chouko.“ Sie streckte ihren linken Arm aus, der, der nicht ihr dominanter war und der wie immer mit einem dicken Lederband umwickelt war, und ließ das schöne Falkenweibchen darauf landen. Das Leder schützte ihre Haut vor den scharfen Krallen des Tieres, das mit dem Schnabel klapperte, sich aufplusterte und dem Fremden aus strengen, starren Augen betrachtete. Anzu strich dem Vogel kurz über den weichbefiederten Kopf und blickte zu dem Mahjida, der sie mit offenem Mund anstarrte. Sie musste sich halten, um nicht in Gelächter auszubrechen. Er machte immer einen solch gefassten Eindruck, dass dieser Anblick eines völlig perplexen Atemu überraschend kam und irgendwie … lächerlich war. „Alle Yasema haben einen Partner dieser Art.“, erklärte sie und warf einen Blick gen Himmel über den Kampffeldern, an dem ungewöhnlich viele Raubvögel zu sehen waren. „Sag bloß, es ist dir noch nicht aufgefallen.“ Er folgte ihrem Blick und hob die Schultern. „Ich habe mir momentan über andere Dinge Gedanken zu machen.“, zeigte er auf und sie musste ihm recht geben. „Aber ich hätte es sehen müssen.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Wir bekommen einen Vogel, wenn wir ins Erwachsenenalter übertreten.“, erklärte sie ihm. „Er wird bis zu dem Tod bei uns bleiben.“ Sie kraulte Chouko am Hals, die genüsslich den Kopf wandte. Atemu blickte sie an, einen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Sie hob die Schultern und beschloss, ihm über die Situation hinwegzuhelfen. „Komm, lass uns zurückgehen, ehe sie uns vermissen.“ Mit einem letzten Blick über die Schulter zu den Lye-ebi-Hügeln machten sie sich auf den Weg zurück zu den Hütten. Das Gebirge war wirklich kein Land für die Pferde. Atemu war froh, dass sie die Tiere in der Ebene zurückgelassen hatten, da hier das Fortkommen mit ihnen meist sehr schwierig und teilweise sogar unmöglich gewesen wäre. Während des letzten Mondes hatten die Mahjida angefangen, sich einzuleben. „Das war jetzt wirklich mal Zeit.“, bemerkte Mana. Sie saß am Feuer und stocherte mit einem Stock darin herum, als würde das helfen, dass die Murmeltiere, die sie sich als Mittagessen gefangen hatten, schneller gar wurden. „Was meinst du?“, erkundigte sich Malik. „Auf die Jagd zu gehen und uns anzusehen, was das benachbarte Land so macht.“ Sie verdrehte die Augen, als ob die Antwort offensichtlich wäre. „Ich meine, wir können ja nicht immer auf der Ebene hocken ohne darüber hinauszusehen, oder? Die Shyarin werden wir noch besser kennenlernen. Die Reiter, die Atemu ausgeschickt hat, reichen dazu natürlich nicht ganz aus.“ Manas kleiner Monolog diente nur dazu, ihr die Zeit zu vertreiben; sie hatte schon vor einer ganzen Weile erklärt, dass sie Hunger hatten. Aber geeignete Lagerplätze fielen nicht vom Himmel und es hatte eine Weile gedauert, ehe sie auf die kleine Senke gestoßen waren, die eingeklemmt zwischen drei hohen Steilwänden lag. Malik sah es augenscheinlich nicht als lohnenswert an, darauf zu antworten, sondern zog nur eine Augenbraue hoch. Mana starrte ihn auffordernd an, als wolle sie eine Antwort von ihm erzwingen. Es dauerte eine Weile, ehe Malik seufzte und erwiderte: „Wir sind noch keine zwei Monde hier.“ Die Hochebene, die man ihnen überlassen hatte, hatte noch lange nicht die Weite der Steppe, in der Atemu aufgewachsen war, aber ihr Volk war auch nicht mehr so groß. Jetzt ergründeten sie sich um die umliegenden Gebiete. Im Norden und im Westen grenzte die Shyarin, wie die Yasema ihnen bereits gesagt hatten, an die Herrschaftsgebiete von anderen Völkern, die den Fremden mit Misstrauen und Ablehnung gegenüberstanden. Sie machten klar, dass sie mit den Mahjida nichts zu tun haben wollen, aber sie würden die Grenzen weiterhin akzeptieren. Im Süden und Südosten lag das Flusstal Atui-vi. Im Osten erhob sich das Kaormassiv und genau dort befanden sie sich im Moment. Sie hatten Assur (wieder einmal) im Jagdlager bei den Pferden zurückgelassen und waren den Spuren einer Herde Bergziegen gefolgt. „Na, wen haben wir denn da?“ Die unerwartete Stimme holte unterschiedliche Reaktionen aus ihnen heraus. Malik sprang auf und griff nach seinem Dolch, Mana rutschte erschrocken von ihrem Stein und ließ den Stock ins Feuer fallen, Shada erhob sich, langsam und angespannt, während Atemu nur den Kopf wandte. Im Eingang zu der kleinen Senke stand eine Gruppe von Personen. „Lass das, Bakura.“, mischte sich nun Anzu ein und schob sich an dem weißhaarigen Krieger vorbei. „Wie geht es euch?“, wollte sie von den Yasema wissen und blickte freundlich lächelnd in die Runde. „Und was macht ihr hier?“, fügte Bakura wesentlich unfreundlicher hinzu. Er trug einen toten Hasen in einer Hand und einen der starken Langbögen, die die Yasema nutzten, über der Schulter. Auch die anderen Yasema waren für die Jagd ausgerüstet. „Im Moment unser Essen.“, antwortete Malik kurz angebunden. „Wir sind auf der Jagd.“, erklärte Atemu, doch er blickte den Ersten Krieger nicht an. Bakura war … schwierig. Außer ihm wurde Anzu von drei anderen Yasema begleitet, Duke, der sich so gut gegen Kalim gehalten hatte, Mokuba, ein Junge, der noch keinen Vogel hatte, und ein junges Mädchen mit den Bewegungen einer Kriegerin und schneeweißem Haar. Sie musste Bakuras Schwester Amane sein, von der sie schon gehört hatten. Sie wirkte bei weitem freundlicher als ihr älterer Bruder. „Lasst uns doch gemeinsam essen!“, schlug Mana vor und klopfte sich den Dreck von den Kleidern. Atemu nickte bekräftigend zu ihrem Vorschlag und ließ Anzu nicht aus den Augen. Sie sah hübsch aus im Licht der Mittagssonne und so völlig ohne den offiziellen Status als Anführerin. Im Moment war sie, wie sie alle anderen auch, einfach nur eine Jägerin. Sie hatte einen Schmutzfleck auf der Wange, ihr braunes Haar war wirr und ihre schönen Augen blitzen vor Freude. „Gern!“ Die junge Frau nickte. „Wir haben Hasen, etwas Brot und Karotten.“ Es dauerte eine Weile, dann briete auch diese Beute neben den Murmeltieren und Brot und Gemüse waren auf verschiedene Platten verteilt. Auch die Anwesenden hatten sich verteilt und in kleine Grüppchen aufgelöst. Malik, Bakura und Duke verglichen ihre Bögen – der Langbogen gegen den bei den Mahjida vorgezogenen Kompositbogen, der viel kürzer war und sich darum besser für die Verwendung vom Pferderücken aus eignete. Mana hatte Amane in ein seltsames Gespräch verwickelt, das von einem Thema zum anderen sprang, während Shada Mokuba die feineren Nuancen von Würze auf Hasenfleisch erklärte. Der Junge hörte aufmerksam zu. Blieben noch Atemu und Anzu, die nebeneinander auf dem Boden saßen. „Man kann kaum glauben, dass wir uns mitten in einem Krieg befinden.“, bemerkte Anzu plötzlich. Atemu warf ihr einen Blick zu. „Es herrscht inoffizieller Waffenstillstand, oder nicht?“ Anzu hob eine Schulter und nickte zögerlich. „Mag sein, aber der kann heute schon vorbei sein oder morgen.“ Er legte ihr kurz eine Hand auf den Arm. „Vielleicht. Aber im Moment ist er noch intakt, denk nicht daran.“ Er blickte kurz zu Bakura und Duke hinüber, dann zu Amane, die alle drei Krieger waren und absolut nicht besorgt wegen irgendetwas wirkten. „So wie sie das tun.“ „Aber sie sind nicht dafür verantwortlich. Ich schon. Ich bin die Anführerin.“ Er lachte. „Ich weiß. Aber manchmal darf man einfach nicht an diese Dinge denken. Tu einfach so, als wärest du eben nicht die Anführerin. Bei mir hilft das.“ Für einen Moment blieb sie still, während sie sich klar zu machen versuchte, dass sie beide unter ihren jeweiligen Völkern dieselbe Position einnahmen. „Darum bin ich auf der Jagd. Bevor mein Onkel, unser letzter Anführer, mich überraschend zur Anführerin ernannt hat, war ich Maidjägerin. Wenn ich auf der Jagd bin, bin ich es manchmal wieder.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das ihn irgendwo tief in ihm mehr berührte, als so vieles anderes es gekonnt hätte. Dann hob sie die Schultern. „Aber lass uns über etwas anderes reden. Wo habt ihr Maliks Zwilling gelassen?“ „Unten im Großlager. Er hat kein sonderliches Interesse an einer Jagd wie dieser und kam nur wegen Malik mit.“ „Die beiden stehen sich sehr nah, oder?“ Atemu nickte. „Sie haben … eine besondere Beziehung. Assur ist manchmal nicht … ganz da. Es ist schwierig mit ihnen.“ Er hob die Schultern, das Thema war ihm nicht gerade angenehm. Zumindest nicht mit jemandem, der keinen von ihnen gut genug kannte, um es selbst zu bemerken und dahinter zu blicken. Anzu schien das zu merken und wechselte darum das Thema: „Und du?“ „Wie?“ „Hast du auch jemanden, der dir so nahe steht?“ Die Frage war unschuldig genug, aber Atemu merkte schnell, dass er sie verneinen musste. Er dachte an das starke Band zwischen den Zwillingen, das aus der Situation und dem Bedarf und einem einfachen Wunsch entsprungen war. Er dachte an sein Volk, welches für ihn alles war. Aber das hatte Anzu nicht gemeint. Er hatte nicht einmal mehr Geschwister – Isis und die Zwillinge waren die, die ihm am nächsten standen. Und diese Erkenntnis traf ihn. Hatte er kein Leben mehr außerhalb seiner Aufgabe? Es hatte einmal ein Mädchen gegeben, bei dem er gedacht hatte, dass er mit ihr den Lebensbund hätte schließen können. Sie war vor über einem Jahr bei einem Kampf gefallen. Jetzt gab es niemanden mehr. „Nein.“, erklärte er Anzu darum. „Ich habe nicht wirklich Zeit dafür.“ Sie lachte, hell und silberrein. Ihre Augen waren ozeanblau und lebendig und sie war wunderschön. „Dafür ist immer Zeit, Atemu von den Mahjida. Immer.“ Die Kampffelder wirkten völlig verändert. Lärm hallte über den weiten Platz, aufgeregte Stimmen, aber es fehlte das kennzeichnende Aufeinanderklirren der bronzenen Waffen. Anzu stand bei den Hütten. Bakura befand sich neben ihr und sah ausgesprochen unglücklich aus. Er hatte heftig dagegen protestiert, dass die drei Völker – Yasema, Asurdru und Mahjida – die Kampffelder als einen Tauschplatz für Waren verwendeten. Aber Anzu hielt sie für den besten Ort und als Anführerin hatte sie meist das letzte Wort und bei solchen Kleinigkeiten sowieso. Sie konnte sich nicht darum kümmern, dass ihr Erster Krieger die Felder als eine Art Heiligtum betrachtete, die ausschließlich für Kämpfe und Übungen zu verwenden waren. „Zieh nicht so ein Gesicht.“, wies sie ihn an. „Die Kinder haben sonst Angst vor dir.“ Er knurrte missmutig. „Sollen sie.“ Sie schnaubte. „Komm schon, Bakura. Dies war der beste Platz dafür.“ Er warf ihr nur einen Blick zu, der im Grunde alles sagte. Anzu seufzte und hob die Hände in einer Geste der Niederlage. „Ich denke, es ist ganz gut, dass wir uns mal vermischen und treffen.“, bemerkte sie dann und blickte über den Platz. Man hatte Decken und Teppiche – die der Mahjida waren besonders bunt und mit kunstvollen Mustern verziert – auf dem Boden ausgebreitet und ein paar Asurdru hatten sogar Tische mitgebracht, und darauf hatten sie die Waren ausgebreitet. Es gab hier alles – von Geschirr aus Holz, Ton oder Horn über Tuch und Kleidung sowie Waffen und Gold-, Silber- und Bronzeschmuck bis hin zu lebenden Tieren, Hühner, Schafe, Schweine und die Mahjida hatten langhaarige Rinder mitgebracht, die man hier noch nie gesehen hatte. Außerdem gab es Essen in rauen Mengen, das von allen drei Völkern gleichermaßen beigesteuert worden war. Über den großen Feuerstellen in der Mitte brieten ein ganzer Ochse, sowie große Teile von gejagtem Wild, Fische und Brot an Stöcken. Was ursprünglich dazu hatte dienen sollen, die drei Völker näher zusammen zu bringen und das Gerede über die Mahjida und ihre Fremdartigkeit zu unterbinden (neben dem Austausch von Waren), war in eine Art Fest ausgeartet. Anzu hatte keine Zweifel daran, dass sie alle erst in ein paar Tagen wieder nach Hause gehen würden und in der Zwischenzeit ihren Spaß haben würden. Sie hoffte nur, dass die Ragnaar sie während der Dauer in Ruhe lassen würden, aber sie hatte keine großen Bedenken. Nach dem Angriff auf den Hof war es wieder still geworden; die Patrouillen an den Lye-ebi-Hügeln schienen ihren Zweck zu erfüllen. Anzu dachte, dass ihre kleine Idee mit dem Tausch von Waren bereits jetzt die gewünschten Früchte trug. Sie hatte keine Lust zu streiten, nur weil Bakura sich in seiner Ehre gekränkt sah. „Komm, lass uns anschauen, was es hier so alles los ist.“, schlug sie darum vor. „Vielleicht kannst du einen von diesen kurzen Bögen von den Mahjida erstehen.“ Erneut schenkte der Krieger ihr einen herablassenden, allessagenden Blick. Sie seufzte und würde sich ganz sicher nicht ausgerechnet von ihm die gute Laune verderben lassen. „Dann halt nicht.“ Damit ließ sie ihn allein. Vielleicht würde sie Yugi oder Amane finden. Oder Mana, die sie in den letzten Wochen näher kennen gelernt hatte. Oder vielleicht begegnete sie auch Atemu, der eine unnachahmliche Anziehungskraft auf sie ausübte. Stattdessen stolperte sie beinahe über Malik, der zwischen diversem Goldschmuck auf einem der bunten Teppichen hockte und aus fünf geschmeidigen Lederbändeln einen einzigen Strang flocht. Anzu war nicht ganz klar, zu was er am Ende dienen sollte, denn er war zu kurz für ein Seil, zu lang für ein Accessoire und zu schmal für einen Gürtel. Malik blickte überrascht auf, als sie so abrupt vor ihm stoppte, und schenkte ihr ein kurzes Lächeln, als er sie erkannte. „Hey.“ Anzu nickte ihm zu. Sie wusste noch nicht ganz, was sie von dem jungen Krieger halten sollte. Einerseits war er immer freundlich zu ihr und er schien viel auf Atemu zu halten. Andererseits hielt er sich meist kühl und abweisend und da war immer eine Aura von … Gefahr und Wildheit um ihn. Außerdem gab es da seinen Bruder… Assur war ihr nicht geheuer. Aber Assur war im Moment nicht zu sehen, also ließ sie sich neben Malik in die Hocke sinken. Vielleicht war er einfach nur etwas zurückhaltend. Oder schüchtern. Sie ließ kurz den Blick über den Schmuck gleiten, der um ihn herum ausgebreitet war. Es waren größtenteils Stücke aus Gold, sie alle im charakteristischen Stil der Mahjida, mit kunstvollen Verzierungen und Ornamenten. „Das ist Rishids.“, erklärte Malik ihr im Plauderton. „Er kann das ziemlich gut. Ich passe hier nur ein bisschen auf.“ Seine Hände arbeiteten unermüdlich, aber langsam und sorgfältig weiter. Hin und wieder ließ er den bereits gefertigten Zopf durch die Hand gleiten um zu prüfen, wie er sich anfühlte. Es war ein sehr kunstvolles Geflecht und das Leder hatte, wie ihr auffiel, drei Farben – braun, sehr dunkel und beinahe weiß. „Willst du etwas?“, erkundigte sich Malik mit einer kleinen Geste zu den Auslagen. Sie schüttelte den Kopf, während sie gleichzeitig die Schultern hob. Eine von diesen Ketten oder Armreifen wäre sicher nicht zu verachten… „Im Moment habe ich nichts dabei, was ich tauschen könnte.“ Sie hatte sich auf die Organisation des Ganzen konzentriert und darüber hinaus vergessen, dass auch sie Dinge zum Tauschen hatte – ein paar Pfeile und Pfeilspitzen und Schmuck aus Knochen, Horn und Holz, den sie selbst herstellte, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Es war nicht viel, aber es würde reichen, ihr ein paar der fremdartigen Gegenstände einzubringen oder andere Nützlichkeiten. „Morgen kann ich ja wiederkommen.“ „Morgen sind die besten Stücke weg.“, erklärte er grinsend. Sie lachte. „Das glaube ich nicht. Es ist so viel.“ Sie nahm einen Ohrring hoch, der die Form eines Schmetterlings hatte. „Rishid ist sehr produktiv.“ Malik zog an seiner geflochtenen Schnur und glättete eine unebene Stelle. Sie legte den Ohrring wieder ab und ließ sich nach hinten auf den Boden plumpsen. „Was machst du da?“ Er warf ihr einen Blick zu, sein Gesicht plötzlich verschlossen. Für einen Moment dachte sie, er würde sie anschnauzen oder zumindest gar nichts sagen. Sie wusste, dass die Mahjida noch ihre Geheimnisse hatten, genau wie auch die Yasema. Und bis jetzt hatte noch niemand von ihnen ihr Lager gesehen, oben auf der Shyarin. Ob das hier damit zu tun hatte? „Einen Zügel.“, erklärte Malik dann, wobei sie sich nicht vorstellen konnte, welches Tier einen solch schönen Strick verdiente. Sicher kein Rind und keine Ziege. Er sprach jedoch sofort weiter, dass sie nicht mehr dazu kam, sich darüber Gedanken zu machen: „Diese Sache hier…“ Er machte eine Bewegung, die den gesamten Tauschplatz einfasste. „Das war eine gute Idee. Atemu meinte, dass man das vielleicht zweimal im Jahr machen kann, wenn unser Bündnis bestand hat.“ Anzu blickte auf und sah sich um. Was sie sah, waren lachende Gesichter, aufgeregt herumspringende Kinder, Leute, die im Feilschen oder einfach nur in Gesprächen vertieft waren, spielende Menschen und alle drei Völker vermischt, als würde es die Trennung zwischen ihnen nicht geben, als wären sie ein einziges Volk. Dabei war es klar zu erkennen, wer zu welcher Gemeinschaft gehörte – die Mahjida mit ihrer dunklen Haut, der exotischen Aufmachung und dem fremdartigen Gebaren, die Asurdru in ihrem fein gewebten Leinen und der groben Wolle und die hochgewachsenen Yasema, die Waffen und Stolz trugen und Vögel auf den Schultern. Wenig brachte Leute so zusammen wie ein gemeinsames Fest. Das einzige, was besser wirkte, so wusste Anzu, war ein gemeinsamer Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner. Und auch das hatten sie noch vor sich. Sie schüttelte den Gedanken an die Ragnaar ab und drehte sich wieder zu Malik um, der sie mit scharfem Blick beobachtete. Als sie sich zu ihm wandte, widmete er sich erneut seiner Arbeit. „Das ist kein schlechter Gedanke.“, bemerkte Anzu. Vielleicht sollte sie mit Atemu darüber sprechen. Sie war fest davon überzeugt, dass das Bündnis zwischen ihnen lange halten sollte. Die Mahjida schienen äußerst zufrieden mit der Shyarin zu sein, man gewöhnte sich langsam an sie und dieses Fest würde viele der Hürden aus dem Weg räumen, die Anzu vor sich gesehen hatte. Die Aussicht auf weitere solcher Veranstaltungen würde sicher gut aufgenommen werden. Es wäre außerdem ein guter Vorwand, um mit Atemu zu reden… Maliks Stimme zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf den blonden Krieger. „Du solltest mal mit ihm darüber sprechen.“ Er grinste schelmisch. „Oder auf einfach nur so. Ich glaube, er mag dich.“ Atemus Gegner war über einen Kopf größer als er selbst, außerdem schwerer und stärker. Allerdings nicht so schnell und er hatte keine Erfahrung mit dem Kampfstil der Mahjida. Darum waren die ersten Schläge eher zögernd gewesen, prüfend, als wolle er Grenzen austesten und sehen, zu was sein Gegenüber fähig war. Atemu kam das gerade recht; auch er hatte keine Ahnung von dem anderen Krieger, der ihn aus eisblauen Augen fixierte. So konnten sie ihre Gegner gleichzeitig einschätzen. Wer schneller war, hatte einen Vorteil, aber dies entschied noch lange nicht über das Ergebnis des Kampfes. Geschick, Können, Schnelligkeit, Stärke, Erfahrung, Instinkt und nicht zuletzt Glück würden weitere Faktoren sein. Aber er durchschaute den anderen schneller, er hatte mehr Erfahrung mit fremden Kämpfern und auch mehr Einsicht in andere Leute. Darum ging er zum Angriff über; er täuschte rechts an, wechselte die Seite und führte einen Unterhandschlag gegen die Flanke seines Gegners. Der wehrte im letzten Augenblick ab und der helle Klang zweier aufeinandertreffender Bronzeklingen hallte über die Lichtung. Einige weitere Schläge folgten, schneller und sicherer und Atemu trieb den anderen vor sich her, bis dieser über einen Stock stolperte und er ihm die Waffe aus der Hand prellen konnte. Mit einer eleganten Bewegung zog Atemu seine Waffe in einem Bogen zurück und zielte auf den Hals des größeren Mannes. Die Spitze der Klinge fuhr harmlos ein ganzes Stück von dem Ziel entfernt an dem anderen vorbei. Atemu stoppte und trat einen Schritt zurück, das Schwert locker in der Hand. „Das war ein guter Kampf.“, sagte er und versuchte ein Lächeln. Doch sein Gegner starrte ihn nur einen Moment regungslos an, dann schnaubte er und hob sein Schwert auf, um es abzuwischen und in die Scheide zurückzustecken. „Wenn du das sagst.“ Sein eigener Ton sagte dagegen deutlich, dass er von sich selbst mehr erwartet hatte. Atemu zog es vor, nicht darauf zu antworten – er kannte den anderen Kämpfer noch nicht gut genug, um etwas zu sagen ohne ihm dabei auf die Zehen zu treten. Außerdem würde Seto bestimmt nicht glücklich über irgendwelche gutgemeinten, aber überflüssigen Ratschläge sein. Stattdessen nickte er nur und schob sein eigenes Schwert in die Scheide zurück. Ihr kleiner, aus dem Stehgreif improvisierter Übungskampf hatte die Aufmerksamkeit aller anderen auf sich gezogen, die mit ihnen auf die Jagd gegangen waren. Seto war es, der sie eingeladen hatte, gemeinsam zu jagen; sie, die Yasema und ein paar Asurdru. Anzu war auch dabei, was Atemu als eine angenehme Überraschung empfunden hatte. Je länger er die Anführerin der Yasema kannte, desto besser gefiel sie ihm. Sie war klug, entschlossen, ruhig und hübsch. Sie wusste, was sie wollte, und sie wusste, was sie für ihr Volk wollte. Sie war eine gute Anführerin und ihr Volk und ihr Recht, für es zu sorgen, kamen bei ihr an erster Stelle. Im Moment befand auch sie sich im Kreis der Zuschauer, zwischen Yugi, Joey und Duke. Er ging auf die vier zu. „Du hast eine interessante Art, das Schwert zu führen.“, bemerkte der schwarzhaarige Krieger. Atemu ließ sich zu den dreien ins Gras sinken. Der Rest des Publikums löste sich auf – Mokuba ging zu Seto hinüber, der sich nicht gerührt hatte und nachdenklich auf den Boden starrte, Mana kam zu Atemu herüber, die Anderen gingen zum eigentlichen Lagerplatz zurück, wo sie begannen, das Feuer zu entfachen, das Essen vorzubereiten und auch die Zelte aufzuschlagen. Zu viel waren sie nicht gekommen, ehe der Vorschlag zu dem kleinen Übungskampf zwischen Seto und Atemu gekommen war. „Wir haben schon viele verschiedene Kampfstile auf unserer Wanderung gesehen.“, erklärte Atemu auf die Bemerkung. „Er unterscheidet sich je nach Gegend, manchmal sogar je nach Landstrich. Also ist es kein Wunder.“ Er hob sein Schwert; eine sichelförmige Bronzeklinge, die an einem Horngriff befestigt worden war. Es stand in starkem Kontrast zu den geraden, zweischneidigen Waffen, die die Yasema und Ragnaar verwendeten. „Darf ich mal?“, erkundigte sich Duke und nahm das Schwert beinahe vorsichtig entgegen, als Atemu es ihm reichte. Mana rutschte näher zu ihm – sie hatte seltsamerweise Gefallen an dem etwas selbstverliebten, hübschen Krieger gefunden – und zeigte ihm, wie er die Waffe richtig hielt, in dem sie seine Hände führte. „Das ist eine seltsame Form für eine Waffe.“, stellte Joey fest. Er konnte die Augen nicht von der Waffe nehmen. „Und unsere ist weniger seltsam?“, wollte Anzu wissen. „Aus der Sicht der Mahjida, meine ich.“ „Vermutlich nicht.“, bestätigte Yugi mit einem Lächeln, doch er schien nicht ganz so begeistert von dem Thema zu sein wie alle anderen. Darum rappelte er sich auch auf und ging mit einem Winken zu dem Feuer. „Ich schau zu, dass das Essen nicht versalzen wird.“ Joeys Gesicht hellte sich auf. „Er ist ein sehr guter Koch.“, erklärte er jedem, der zuhörte. „Der beste in der ganzen Gegend.“ „Hier, auch mal?“, wollte Duke wissen und reichte Anzu die Klinge. Sie nahm sie entgegen, aber Atemu merkte sofort, dass ihr die Waffe ungewohnt war. Es war nicht nur, dass sie so fremdartig war, auch die Tatsache, dass sie sich als Jägerin mit einem Dolch und einem Bogen wohler fühlte als mit einem Schwert wie eine Kriegerin, zeigte sich. Ohne Nachzudenken griff Atemu hinüber, um ihr zu zeigen, wohin sie die Hände legen musste, wie Mana es vorhin bei Duke getan hatte. Anzus schlanke, geschmeidige Finger waren warm und erstaunlich weich für jemanden, der täglich damit arbeitete und es gewohnt war, einen jener mächtigen, starken Bögen zu spannen, die die Yasema verwendeten. Für einen Moment zuckte ihre Hand, als wolle sie sie unter seinem Griff wegziehen, dann entspannte sie sich und ließ zu, dass er ihre Finger an die richtigen Stellen legte. Eher zögerlich nahm er die Hände wieder weg und sah zu, wie sie die Klinge gen Abendhimmel hob. Sie legte den Kopf schief, als würde ihr gerade etwas einfallen. Atemu fragte sich, ob es nicht langsam an der Zeit war, dass er ihnen die Pferde vorführte. Wahrscheinlich schon. Das Bündnis war fest und er hatte jetzt keine Sorgen mehr, dass die Yasema plötzlich ihre Meinung änderten und sie um das Land würden kämpfen müssen. Und wenn sie nicht bald über die Pferde sprachen, würden sie das Zeitfenster verpassen, in dem es noch akzeptabel war, derartige Geheimnisse vor den eigenen Verbündeten zu haben. Es könnte zu einem Bruch in ihrem Vertrauensverhältnis kommen, wenn sie es zu spät offenlegten. Außerdem wäre es besser, wenn sie es von selber taten, als dass jemand sie im Lager besuchen kam oder anderweitig zufällig über die Tiere stolperte. Sie waren schon über fünf Monde hier. Das war beinahe länger, als in jedem anderen Gebiet, vor allem im Sommer, wo es leicht war zu reisen und auch, andere ohne Gewissensbisse davonzujagen. Er wollte gerade den Mund öffnen, um Anzu darauf anzusprechen, als sie unterbrochen wurden. „Hey.“ Amane stand plötzlich neben ihnen. „Habt ihr meinen Bruder gesehen?“ Sie blickten auf und jeder sah sich unwillkürlich um, ohne jedoch den weißhaarigen Krieger zu entdecken. Schließlich mussten sie alle die Köpfe schütteln. Bakura war einfach nicht mehr anwesend. Atemu runzelte die Stirn – Bakura war ihm nicht unter den Zuschauern aufgefallen, obwohl doch gerade er Interesse an einer solchen Vorführung haben sollte, oder nicht? Immerhin war er der Erste Krieger und wenn es zu einem Kampf mit den Ragnaar kommen würde, hatte Atemu sich bereiterklärt, seine Krieger unter Bakuras Kommando zu stellen. Dies war notwendig, denn wenn sie nicht koordiniert angreifen würden, würde ihr Bündnis nicht viel nützen. „Er scheint schon eine ganze Weile nicht mehr da zu sein.“, bemerkte er. Amane nickte und legte nachdenklich den Kopf schief. „Sehr seltsam.“, erklärte sie. „Er würde sich sowas eigentlich nicht entgehen lassen.“ Damit meinte sie offensichtlich den Schaukampf und das darauf folgende Gespräch. „Er ist immer noch nicht begeistert von der Entwicklung der Dinge und das hier hätte sicher geholfen.“ Sie seufzte und Anzu erkundigte sich mit gerunzelter Stirn: „Ist er immer noch nicht bereit, zuzugeben, dass dies vielleicht doch eine gute Idee war?“ Amane hob die Schultern und ließ sich zu ihnen ins Gras fallen. „Inzwischen sagte er nichts mehr, aber er ist halt immer noch misstrauisch. Er hat die Aufgabe, uns vor Feinden zu schützen. Aber in letzter Zeit ist er sowieso etwas seltsam.“ Sie verzog das Gesicht, konnte aber nicht erklären, was an dem Verhalten ihres Bruders so anders war und hob darum hilflos erneut die Schultern. „Er wird sich schon fangen und dann musst du ihm halt noch einmal zeigen, wie er euch am besten einsetzen kann. Er wird euch schon als Verbündete akzeptieren.“ Atemu hob eine Augenbraue, aber er hatte keinen Zweifel daran, dass Bakura ihn und seine Krieger zumindest benutzen würde, wenn es an der Zeit war. Er konnte sie schließlich nicht davonjagen – die meisten anderen Yasema und Asurdru hatten sich längst so an die Mahjida gewöhnt, dass es auch von dieser Seite kein Zurück mehr geben würde. „Ich jedenfalls bin froh, dass ihr auf unserer Seite steht.“, sagte Anzu zu ihm und blickte ihn an, so dass Atemu das Gefühl bekam, dass es nicht allein um den Kampf ging, den sie meinte, oder einen Austausch ihrer Waren, sondern etwas völlig anderes. Er lächelte sie als Antwort nur an. Auch er war froh darum. Es roch nach verbranntem Holz und vergossenem Blut, nach Feuer und Tod. Der Anblick war grauenvoll – der Hof niedergebrannt, die Tiere aufgeschlitzt und abgeschlachtet, als seien sie für nichts mehr zu verwenden, und dazwischen lagen die Leichen der Familie, der Knechte und Mägde. Es mussten über zehn Tote sein, darunter vier Kinder. Anzus Gesicht war starr und ausdruckslos. Sie hatte gewusst, dass dies hier irgendwann geschehen würde, aber sie hatte gehofft, dass sie mehr Zeit hätten. Es war viel zu früh... Der Herbst war noch nicht einmal ganz da. Aber anscheinend hatten die Ragnaar keine Lust mehr zu warten. Sie schluckte heftig und blickte sich um. Nichts als Zerstörung und Tod… Bakura, Seto, Atemu und Mahaado, die sie her begleitet hatten, nachdem die Nachricht von dem Überfall gekommen war, trugen alle einen Gesichtsausdruck von Entsetzen und Abscheu in verschiedenen Stadien. Anzu trat einige weitere Schritte in den Platz hinein, um den noch vor ein paar Tagen die Gebäude gruppiert gewesen waren. Ihre Schritte wirbelten Ruß und Asche auf und etwas knirschte unter den Sohlen ihrer Stiefel. Der Anblick, den dieses Bild bot, war furchtbar. Der Gestank, den das verloschene Feuer und die toten Körper hinterließen, war atemberaubend. Die Zerstörungswut, mit der die Ragnaar vorgegangen waren, war unbegreiflich. Früher hatten sie nicht alle getötet – die Kinder hatten sie meist laufen lassen – und die Tiere gestohlen. Was verursachte diesen plötzlichen Sinneswandel? „Anscheinend glauben sie, wenn sie keine Überlebenden lassen und sogar das Vieh abschlachten, würden wir davonlaufen.“, knurrte Bakura und trat wütend gegen einen angekohlten Eimer, der klappernd über den Lehmboden polterte. Das plötzliche, laute Geräusch in dieser Todesstille ließ Anzu zusammenzucken. Bakura mochte recht haben. Dieser Anblick jedenfalls war abscheulich genug, dass die eine oder andere Person zurückgeschreckt wäre und nachgegeben hätte. Aber sie, die Yasema, hatten den Krieg gegen die Eindringlinge schon lange Zeit geführt. Ihr Wille, ihr eigenes Land, ihre Heimat zu behalten und alle Einwohner zu schützen, war noch immer ungebrochen. Wieso glaubten die Ragnaar, nur weil sie plötzlich zu dieser niederträchtigen Taktik wechselten, würde dies sich ändern? Für einen flüchtigen Augenblick fragte sie sich, was gesehen wäre, wenn ihre Feinde sofort auf diese Weise angegriffen hätten. Wäre der Krieg schon vorüber? Vermutlich. Aber wären es die Eindringlinge, die durch ihr rigoroses, schändliches Auftreten die Yasema in die Flucht geschlagen hätten? Oder wäre, es die Yasema, deren Zorn und Hass durch diese Taten so angestachelt worden wäre, dass sie vor nichts halt gemacht und die Ragnaar ohne Rücksicht auf eigene Verluste niedergemäht hätten? Anzu wusste die Antwort auf diese Frage nicht, aber sie wusste eines: sie durfte nicht tolerieren, was hier geschehen war. Das hier war genug. Jetzt würden die Yasema wieder in den Krieg ziehen. Und die Asurdru und Mahjida würden an ihrer Seite stehen. Die meisten Leichen der toten Asurdru waren auf dem Hof drapiert, als hätte man die Überlebenden der ersten Angriffswut hier zusammengetrieben und einfach abgestochen wie Tiere. Anzu trat zu ihnen und ging in die Hocke. Es waren fünf Frauen und drei Männer. Und die vier Kinder. Sie hatte diese Leute gekannt. Nicht gut, aber sie wusste ihre Namen. Sie wusste, dass sie Verwandte im Dorf hatten. Sie wusste, dass sie diesen Tod nicht verdient hatten. Niemand hatte dies verdient. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und schloss einem der Kinder die Augen, einem blonden Burschen, der immer laut und lebendig und rotzfrech gewesen war. Jetzt war ein Ausdruck von Schmerz und Todesangst in seinem Gesicht zu sehen und Anzu wünschte sich vergeblich, seine letzten Augenblicke wären etwas glücklicher gewesen. Sie schluckte erneut und presste dann die Augenlider zusammen, bis sie sicher war, dass die Tränen nicht fließen würden. Dann stand sie wieder auf und drehte sich zu ihren Begleitern um. Es war Zeit. „Atemu, sind die Mahjida zum Kampf bereit?“ Sie war selbst erstaunt, wie klar und sicher und entschlossen ihre Stimme klang. Der ernsthafte, junge Anführer nickte. „Ja. Anzu, bevor wir in den Kampf ziehen, müssen wir noch einmal reden.“ Sie blinzelte erstaunt und nickte dann. „Worum geht es?“ Hoffentlich hatte er jetzt keine Einwände gegen einen Krieg. Sie konnte es sich nicht vorstellen, aber sie wusste noch immer nicht, was die Mahjida dachten. Dennoch konnten sie sich nicht leisten, ohne die Verbündeten in den Krieg zu ziehen. Atemu winkte ab. „Das werden wir dann besprechen, wenn wir in ein paar Tagen zu euch kommen. Wir werden an eurer Seite kämpfen und jetzt nicht unser Versprechen brechen. Vertrau mir.“ Er warf Seto und Bakura jeweils einen kurzen Blick zu; Anzu tat es ihm gleich. Seto hatte die Stirn gerunzelt und wirkte, als wollte er etwas einwerfen und protestieren. Bakura grinste nur – wusste er, von was Atemu sprach? Sie hätte ihn beinahe gefragt, doch dafür war jetzt nicht die Zeit. Darum nickte sie und wandte sich an ihren Berater, ehe der einen Streit vom Zaun brechen konnte. Sie wollte Atemu einfach nur vertrauen. „Seto, sind die Asurdru zum Kampf bereit?“ Der hochgewachsene Mann hatte die Ausbildung der Bauern von Bakura übernommen, nachdem dieser von etwas abgelenkt worden war, von dem niemand eine Ahnung hatte, was es war. Sie hoffte, dass es die Sache wert war. Seto nickte. „So bereit, wie sie es in dieser kurzen Zeit werden konnten.“ Anzu wandte sich an ihren Ersten Krieger. „Bakura, sind die Yasema zum Kampf bereit?“ Der grinste breiter und nickte. „Lasst uns diese Feiglinge ein für alle Mal aus unserem Land vertreiben.“, bestimmte er. „Und jedem anderen zeigen, dass die Yasema sich nicht auf diese Art bedrohen lassen.“ ~~~~~~~ Bei den Schwertern der Mahjida hab ich ein ägyptisches Chepesch vor Augen, falls das nicht so ganz rüberkam. ^^" Ich fand es recht passend vor diesem Hintergrund. Die Yasema haben natürlich ein einfaches, gerades Schwert, wie man sie aus Filmen, etc. kennt (nur kürzer, als sie meisten Schwerter in den Filmen.) Außerdem befinden wir uns hier in einem weit vorhistorischen Zeitalter, weswegen alle Klingen noch aus Bronze sind. o.o Falls das jemandem aufgefallen ist. XD" Nächstes Kapitel kommt hoffentlich früher, aber ich bin auch froh, dass ich mehr Zeit als bis zum 1. November hab, weil Yatimu den Einsendeschluss freundlicherweise noch einmal nach hinten verschoben hat. *erleichtert* bis dann Sorca~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)