Traum oder Wirklichkeit? von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 2: 2 ------------ „Sam!“, schrie Dean und wollte zu seinem Bruder rennen, ihn vor dem Werwolf beschützen, der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war. Doch Sam stand nicht mehr dort, der Werwolf war weg und Dean war nicht mehr im Park. Stattdessen schaute er auf eine triste graue Decke. „Sam“, rief er ein weiteres Mal, da er die momentane Situation noch nicht ganz erfasste, sie gar nicht wahrhaben wollte. Er wollte aufstehen, weg von diesem Ort, doch er stellte fest, dass er sich nicht bewegen konnte. Ein rascher Blick an seinem Körper hinunter, verriet ihm, dass er festgeschnallt war. An einem Bett. Er ruckelte noch ein paar Mal herum, aber die Riemen wollten sich nicht lösen, nicht mal ein wenig lockern. Es war wieder die gleiche Situation. Er war gefangen, konnte nichts dagegen tun. Aber diesmal musste er zurück. Sammy war in Gefahr. „Hilfe, Hilfe“, schrie er, in der leisen Hoffnung, dass ihn jemand hören würde. Jemand, der ihm auch wirklich helfen würde. Und tatsächlich, es kam jemand. „Dean, beruhige dich“, sagte dieser mit einer tiefen Stimme. Und jetzt, wo Dean ihn vor sich sah, wusste er auch, dass es die gleiche Person war wie beim letzten Mal. „Cas?“, fragte Dean irritiert. Es war eindeutig Castiel, doch er sah verändert aus. Statt dem Trenchcoat trug er einen weißen Kittel. Seine Haare waren gekämmt. Sein ganzes Erscheinungsbild wirkte viel gepflegter. Wenn das wirklich Castiel war, dann hatte ihm aber jemand Hygiene und Anstand beigebracht. „Was machst du – ach egal, bind mich los.“ Castiel legte behutsam seine Hand auf Deans Schulter und sah ihn dabei mitfühlend an. Alles sehr seltsam, wie Dean fand. Es wirkte fast schon so, als ob Castiel so etwas wie Gefühle zeigte. Aber das war Dean im Moment alles ziemlich egal. Sein einziger Gedanke galt Sam, der vermutlich schon längst vom Werwolf angefallen worden war. Aber vielleicht konnte Dean das Schlimmste noch verhindern. Es war alles möglich und deshalb musste Dean es immerhin versuchen. „Was ist los, Cas?“ Seine Stimme war ruhig, obwohl ihn das höchste Konzentration abverlangte. Am Liebsten hätte er dem Engel direkt ins Gesicht gebrüllt. Aber Dean war sich nicht so sicher, ob das sehr produktiv wäre. Deshalb hielt er sich noch zurück. „Nun mach schon, bitte.“ „Es tut mir leid, Dean, aber das kann ich nicht“, sagte er sachlich. „Was?“ Wütend wollte Dean sich aufrichten, wurde aber ein weiteres Mal von seinen Fesseln davon abgehalten. „Verdammt noch mal, Cas, was geht hier vor?“ „Ich bin nicht Castiel.“ Es klang ernst, ehrlich. Ein Fremder hätte keine Zweifel gehabt, dass er die Wahrheit sprach. Dean wusste darauf nichts zu sagen. Was war das überhaupt für eine Aussage? Die Person vor ihm sah vielleicht ein wenig anders aus, aber wenn das nicht Castiel war, würde Dean Winchester nie wieder in seinem geliebten Impala fahren. „Was redest du denn da für einen Quatsch?“ Dean sah Castiel tief in die Augen. „Hör auf mit dem Scheiß und binde mich endlich los.“ Deans Stimme wurde mit jedem Wort ein bisschen lauter. „Mein Name ist Doktor Castien“, fuhr der Mann unbeirrt fort, als ob er Dean überhaupt nicht gehört hätte. „Und ich bin ihr behandelnder Arzt, Dean Winchester.“ Doktor? Behandelnder Arzt? Das war es also. Dean war verrückt. Eine andere Erklärung gab es nicht. Er bildete sich dieses Irrenhaus nur ein. „Ich weiß, das klingt alles ein wenig seltsam.“ Der Arzt zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sogar etwas verrückt.“ „Etwas? Etwas?“ schrie Dean. „Hör mal zu. Du bist Castiel. Ein Engel und niemals im Leben ein Arzt. Du hast mich aus der Hölle geholt und, und-“ Dean wusste nicht mehr, was er noch sagen sollte. Er war so durcheinander. Das war doch alles total unglaublich. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Das war nur ein Traum. Zwar ein sehr abstruser und Der-Dingo-hat-mein-Baby-gefressen-verrückter Traum, aber immerhin nur ein Traum. Das hieß, dass es auch ein Erwachen gab. Dean musste sich nur solange gedulden, bis er wieder auf dem modrigen Bett in seinem Motelzimmer lag. Vermutlich war er mit Sam auch gar nicht auf der Jagd gewesen, sondern tatsächlich mittags noch mal eingeschlafen. Es war alles nur ein blöder Traum. „Hören sie zu, Dean, ich kann verstehen, wenn sie etwas verwirrt sind, aber sie müssen mir zuhören.“ Doktor Castien sah seinem Patienten intensiv in die Augen. „Ich bin kein Engel und sie sind kein Jäger. Das bilden sie sich alles nur ein.“ Dean hörte nur mit halbem Ohr hin. Er überlegte, wie er beim letzten Mal aufgewacht war. Ob er irgendetwas Bestimmtes getan hatte. Aber er konnte sich nicht erinnern, dabei war der Traum so real gewesen. Genau wie dieser. Es war einfach vorbei gewesen, wie andere ganz normale Träume auch. Und man konnte sich meist nur verschwommen an das Geträumte erinnern. Dean konnte sich zwar auch nicht an jede Einzelheit erinnern, aber das Gefühl hatte er noch Stunden später spüren können. „Dean, hast du mich gehört?“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Dean blickte herausfordern zu seinem Freund. „Oh, ja, Cas, ich habe dich gehört. Aber ich werde dich einfach ignorieren, weil das hier alles nur ein verdammter Traum ist. Und wer hat denn bitteschön gesagt, dass ich bei diesem Spiel mitspielen muss?“ Dean hatte sich entschlossen, einfach hier still zu liegen und darauf zu warten, dass er aufwachte. Irgendwann musste das ja passieren. Der Doktor sah etwas traurig aus. „Das ist wirklich schade, Dean. Aber ich kann dir versichern, dass das hier kein Traum ist. Es ist die Wirklichkeit und du wirst nicht ewig vor ihr fliehen können.“ Er drehte sich um und verließ das Zimmer. Dean sah zu, wie der Doktor ging. War es das jetzt gewesen? Einfach so abzuhauen? Naja, zumindest war Dean sich jetzt ziemlich sicher, dass es wirklich Castiel war. Einfach so zu verschwinden war doch immerhin eine seiner leichtesten Übungen. Jetzt hieß es Warten. Eine Sache, die Dean schon immer schwer gefallen war. Gelangweilt schaute er zur Decke. Am Liebsten hätte er sich mit irgendetwas abgelenkt, aber die Decke bestand nur aus einer reinen Betonschicht, war nicht mit Holz oder sonst etwas verkleidet, wo man vielleicht hätte die Balken zählen können. Sonst konnte er sich aufgrund seiner mangelnden Bewegungsfreiheit kaum umschauen. Nach links auf den piependen Monitor, der ihm zwar sagte, dass er noch lebte, der ihm jedoch jetzt schon auf die Nerven ging. Nach rechts auf ein weiteres Bett, was jedoch zu seiner Enttäuschung leer war. So hätte er sich immerhin mit jemand unterhalten können. „Mann, was tust du sonst, wenn du Langeweile hast?“, fragte er sich selbst. Die Gedanken, die daraufhin durch seinen Kopf schossen, brachten ihn zum Lächeln. Mit diesen Erinnerungen konnte man sich gut die Zeit vertreiben. Aber nur daran denken, brachte ihm nicht die Befriedigung, die er sich erhoffte. Gelangweilt fing er an, Metallica zu summen. Doch schnell musste Dean feststellen, dass auch Metallica ihn nur kurz abzulenken vermochte. Langsam, aber sicher gefiel ihm das Warten nicht mehr. Der erste Traum war auf keinen Fall so lange gewesen. Außerdem war dieser Traum noch um einiges realer als der Erste. Zu Anfang war es ihm nicht aufgefallen, aber jetzt, wo er alleine war, gab es daran keinen Zweifel mehr. Er nahm Gerüche wahr, diesen sterilen Krankenhausgeruch, den jeder Mensch hasste. Außerdem schmerzten seine Handgelenke von den Fesseln. Im Traum hatte man normalerweise keine Schmerzen, zumindest nicht in gewöhnlichen Träumen. Dean musste unbedingt rausfinden, wo er war und was hier vor sich ging. Und dazu musste er mit Castiel reden. Aber dieser war gegangen. Irgendwie musste er ihn dazu bringen, zurück zu kommen. Dean lächelte leicht, als er schließlich eine Idee hatte. Mit schnellen bestimmten Schritten ging er den Flur entlang. Seine Gedanken ruhten immer noch bei Dean. Dean Winchester war ein Patient, der Doktor Castien sehr viel bedeutete. Es war sein erster Patient, den er hier in der Klinik übernommen hatte. Direkt hatte er einen großen Fehler begangen. Einen solchen Fehler, der ihm als Arzt bisher nicht unterlaufen war. Seine Kollegen und Freunde sagten ihm zwar oft, dass es nicht seine Schuld gewesen sei, doch Castien war da ganz anderer Meinung und seitdem versuchte er irgendwie seinen Fehler wieder gut zu machen. Doch das war nicht so einfach, wie er zu Anfang vermutet hatte. Dean Winchester war ein sehr komplizierter Patient, dessen Krankheitsgeschichte bis hin zu seiner Kindheit zurück verfolgt werden konnte. Es war schwer, an ihn heran zu kommen. Aber Doktor Castien hatte sich geschworen, nichts unversucht zu lassen. Und er hatte noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. „Doktor“, kam eine gehetzte Stimme von hinten. „Doktor Castien.“ Die Schwester eilte mit schnellen Schritten dem Arzt hinterher. Aber da sie ziemlich klein war, noch dazu kurze Beine hatte und die Schuhe, die sie trug, auch nicht gerade förderlich waren, um jemanden zu verfolgen, wollte ihr diese Absicht nicht so recht gelingen. Glücklicherweise bemerkte der Doktor ihre Bemühungen, blieb stehen um zu warten, bis sie aufgeholt hatte. Als sie aufgeschlossen hatte, holte sie erst einmal tief Luft, als ob sie gerade bei einem Marathonlauf mitgemacht hätte. „Es … geht … um … Mr. Winchester.“ Zwischen jedem Wort atmete sie tief ein. „Er spielt total verrückt. Noch schlimmer als sonst.“ Castien sah sie entsetzt an, doch nur für eine Sekunde, dann rannte er zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Schon wenige Augenblicke später hörte er die Schreie und er fragte sich, warum er sie davor nicht wahrgenommen hatte, da sie bestimmt durch das ganze Gebäude schallen mussten. Im nächsten Moment lief er ins Zimmer rein, stolperte fast, konnte sich aber gerade noch fangen. Er sah wie Dean sich in seinem Bett aufbäumte, soweit es ihm möglich war. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper war aufs Äußerste angespannt. „Was haben sie ihm verabreicht?“, wandte er sich nun an die Schwester, die neben den Patientenbett stand. Diese schüttelte eingeschüchtert den Kopf. „Nichts, Doktor. Er fing einfach an zu schreien.“ Sie wirkte ein wenig verängstig und plötzlich fiel Castien ein, dass sie erst seit kurzem hier arbeitete. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen, da sein Ton doch ein wenig harsch gewesen war. „Schon gut“, sagte er nun sanfter. „Das war nicht ihre Schuld, okay?“ Sie nickte stumm, wirkte aber in keinster Weise ermutigt. Der Doktor wandte sich nun an seinem Patienten. Es war noch keine Veränderung aufgetreten. Immer noch starrten ihn zwei weit aufgerissenen Augen an, vor Schreck oder Furcht konnte er nicht sagen. Er starrte einfach ins Nichts. Castien untersuchte ihn. Obwohl der Monitor keine Sachen anzeigten, die einen beunruhigen würden, wollte der Doktor auf Nummer sicher gehen. Doch sein Blutdruck war relativ normal, auch sonst gab es keine Anzeichen eines Anfalls. Das Verhalten von Dean musste einen anderen Grund haben. „Dean?“, fragte er vorsichtig. Seit Castien den Raum betreten hatte, war Dean ein bisschen ruhiger geworden. Seine lauten Schreie hatten sich in leises Wimmern verwandelt. Doch nun war er plötzlich ganz still. Er schaute den Doktor direkt an und dieser Blick bohrte sich bis in Castiens Seele. Es lag tiefste Verachtung in diesem Blick. Dean gab ihm die Schuld. Castien fühlte sich direkt schlecht, war er sich seiner Schuld doch mehr als bewusst. Dass Dean hier lag, gefesselt, hatte er alles nur Castien zu verdanken. Ohne ihn wäre Dean nicht hier. „Es tut mir leid“, flüsterte er so leise, dass nur er selbst es hören konnte. „Was geht hier vor?“, brachte Dean plötzlich hervor, als er sicher sein konnte, dass nur Castiel ihn hören konnte. „Wo bin ich hier, Cas?“ Dean war es leid, dieses Scharade, die die Engel abzogen, nur um das zu bekommen, was sie wollten. Anstatt einfach zu fragen, machten sie es immer so kompliziert. „Sie sind krank, Dean“, versuchte es Castien erneut. „Hör auf mit den Spielchen, Cas“, schrie Dean ihn an. „Du holst mich jetzt hier raus und zwar sofort“, verlangte er. Castien schüttelte traurig mit dem Kopf. „Das kann ich nicht, Dean. Das können nur sie ganz allein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)