Der Vergangenheit schwarze Verbrechen von Alix (...werden die künftigen Zeiten rächen) ================================================================================ Kapitel 4: Erinnerungen ----------------------- 31-08-2006 Nightville (Donnerstag) Sel starrte an die Decke. Sie dachte nach. Wie so oft. Seit sie gestern Laila begegnet war, kamen immer mehr Bilder ihrer Vergangenheit hoch, die sie eigentlich vergessen wollte. Jetzt lag sie in dem alten, zerfallen Haus, in dem sie vor langer Zeit mal gewohnt hatte, auf dem harten Holzboden im ehemaligen Wohnzimmer und seufzte tief. Immer wieder versuchte sie die aufkommenden Bilder zu verdrängen, gab aber nach einer Weile ergebend seufzend auf und ließ sie zu. 06-11-1986 Nightville (Samstag) Lächelnd ging Selene durch die überfüllten Einkaufsstraßen ihrer Heimatstadt Nightville. Sie liebte diese Stadt mit allen ihren Einwohnern. Vor einem Geschäft blieb sie stehen und sah durch das Schaufenster. Es war ein Kunsthandel. Da sie sich schon immer für Kunst interessiert hatte und auch selbst zeichnete, verbrachte sie gute fünfzehn Minuten vor dem Laden und bewunderte die Bilder. Es waren größtenteils Landschaftsbilder, aber auch ein paar Porträts waren ausgestellt. Nachdem sie sich seufzend von den Bildern losgerissen hatte, ging sie weiter Richtung Schule. Heute war zwar Samstag, aber in ein paar Wochen, wollte die Kunst AG eine Ausstellung machen und als Mitglied dieser, musste sie helfen ein paar Vorbereitungen zu treffen. In erster Linie mussten die Bilder die ausgestellt werden sollten ausgesucht, oder fertig gemalt oder gezeichnet werden, aber auch organisatorisches musste noch besprochen werden. Am Eingang der Schule entdeckte sie Charlie Sagog. Er war ebenfalls in der Kunst AG und hatte sich hauptsächlich auf die Photographie spezialisiert. Er machte wirklich schöne Fotos und Selene bewunderte ihn dafür. Munter winkte sie ihm zu. „Hallo Charlie!“ Erschrocken sah er auf. Er hatte sie wohl nicht so richtig bemerkt. Schmunzelnd ging sie auf ihn zu. „Weißt du schon was du ausstellen möchtest?“ Sofort wurde Charlie rot und sah Selene schüchtern an. „Ähm...noch nicht...wirklich.“, stammelte er. Zusammen betraten sie das leere Gebäude und schlenderten gelassen zum Kunstraum. „Ich auch nicht. Vielleicht stelle ich auch gar nichts aus.“ „Aber wieso denn? Deine Bilder sind doch sehr schön.“ Jetzt wurde Selene rot. Sie konnte nicht so gut mit Komplimenten umgehen. Das war ihr immer wahnsinnig peinlich. „Deine Fotos sind auch sehr schön Charlie.“, gab sie das Kompliment einfach zurück. „Danke. Aber am Ende sind es einfach nur Fotos. Jeder Idiot kann Fotos machen!“ „Finde ich nicht. Immer wenn ich ein Foto mache, sieht es furchtbar aus. Man braucht schon einen Blick für Motive.“ Sie mochte es nicht, wenn jemand sich selbst runter machte. Dieses Verhalten fiel ihr vor allem bei Charlie öfter auf. Er hatte wohl nicht sonderlich viel Selbstvertrauen. „Hallo Charlie, Hallo Selene!“ Freudig wurden sie von der Vorsitzenden der AG, Mimi Jones, begrüßt. „Hallo Mimi.“ Selene ging lächelnd zu ihrem Platz und ließ sich da nieder und holte ihre Schreibsachen heraus. Auch die anderen aus der AG waren schon da. Sie und Charlie waren sie letzten gewesen. Mimi stellte sich nach vorne an die Tafel und sah in die Runde. „Also gut lasst uns anfangen...“ Sich streckend verließ Selene den Kunstraum. Die Besprechung hatte länger gedauert, als sie alle vermutete hätten und deswegen kam sie jetzt zu spät zu der Verabredung mit Louis. Als sie an ihn dachte, musste Selene glücklich lächeln. Sie liebte ihren Freund über alles und ärgerte sich maßlos über ihre Eltern, die ihr ständig sagten, dass er ungeeignet für sie sei. Sie war immer total verzweifelt, wenn sie sich wieder mit ihren Eltern gestritten hatte. Sie hasste Streit, vor allem mit ihren Eltern. Sie war einfach nicht für Streit geschaffen. Voller Vorfreude öffnete Selene die Tür zu ihrem Stammcafé Miko`s und würde am liebsten wieder einen Schritt nach hinten tun und weglaufen. Ihr Freund Louis Black, saß an ihrem Stammtisch, aber nicht alleine, sondern in Begleitung mit einem anderen Mädchen. Das an sich wäre nicht so schlimm. Sie war ja nicht eine von diesen Mädchen, die wegen jeder Kleinigkeit eifersüchtig waren, aber Louis küsste sie. Ihr Louis küsste ein anderes Mädchen. Und jeder hier in dem Laden wusste, dass sie seine Freundin war. Tränen liefen Selene über das Gesicht, als sie aus dem Café stürmte. Das war zu viel. Sie hätte vielleicht doch auf ihre Eltern hören sollen, als diese ihr sagten, dass Louis zu alt für sie war. Er war wohl doch nicht an ihr interessiert. Aber er hatte ihr doch gesagt, dass er sie liebe. War das am Ende gelogen? Das wäre schrecklich. Sie liebte ihn doch! Weinend, nicht darauf achtend wo sie lang lief, rannte sie durch die Straßen von Nightville. Nach Hause wollte sie nicht. Corni hatte ein Date mit Tommy. Lila hatte heute nichts großartiges geplant, fiel ihr wieder ein. Inzwischen war sie wieder an der Schule angekommen und machte sofort wieder kehrt. Lila war ihre beste Freundin. Sie hatte bestimmt Zeit für sie. Schnell machte sie sich auf den Weg zu ihr. Lila wohnte einer der besseren Gegenden in Nightville. Ihre Eltern hatte beide gute Jobs und Lila gab immer mal wieder damit an, etwas was Selene dann doch an ihr störte, aber da sie Lila so mochte wie sie war, übersah sie diesen Fehler mal. Als sie vor der Haustür des besagten Hauses stand und klingelte, war sie immer noch völlig auflöst und Tränen sammelten sich immer wieder in ihren Augen, wenn sie an Louis dachte. Nach wenigen Minuten machte Lila ihr auf und warf ihr einen undefinierbaren Blick zu. „Oh Sel, was machst du denn hier?" Sie klang nicht gerade begeistert. Selene sah sie verwirrt an. Warum hatte sie denn so laut gesprochen? Aber darüber wollte sie sich jetzt keine Gedanken machen. „Louis...er...er..hat...“, weinend brach sie ab. Seufzend packte Lila sie am Arm und zog sie ins Haus. Danach wurde Selene fast unsanft in Lilas Zimmer geschoben. Dort angekommen, entdeckte sie Anne, die auf dem Bett von Lila saß und in einer Zeitschrift blätterte. Als Lila mit Selene eintrat sah sie auf. „Oh Sel.“ Auch sie klang nicht begeistert. Lila drückte sie aufs Bett, neben Anne und ließ sich selbst auf ihrem Schreibtischstuhl nieder. „Also was ist mit Louis?“ Selene brach wieder in Tränen aus. Sie konnte gar nichts dafür tun. Sie hatte ihm doch vertraut, hatte ihn geliebt. Anne strich ihr über den Rücken und murmelte ihr beruhigende Worte zu. Erst eine Stunde später hatte Selene sich wieder soweit gefangen, dass sie Fragen über Louis beantworten konnte. Sie erzählte Lila und Anne was sie in dem Café gesehen hatte. Sie bemerkte nicht, was für Blicke sich Anne und Lila zuwarfen. Als sie geendet hatte, musste sie wieder mit den Tränen kämpfen. Sie wollte nicht mehr weinen. „Hör mal Sel, vielleicht war das ja gar nicht Louis.“, meinte Anne. „Ja genau. Und wenn, dann konnte es doch gut sein, dass das Mädchen ihn geküsst hat und er den Kuss nicht mal erwidert hatte. Du bist doch sofort danach wieder weggelaufen.“, fügte Lila hinzu. Selene nickte. Vielleicht hatten sie ja recht. Sie wollte einfach nicht glauben, dass Louis sie betrog. Das würde nämlich bedeuten, dass er sie nicht liebte und nur mit ihr spielte. „Vielleicht habt ihr ja recht...“ Selene versuchte sich ein Lächeln abzuringen aber es klappte nicht. Sie musste immer wieder an den Kuss denken. Sie wollte glauben, dass das alles nur ein Missverständnis war, aber da war dieser Ausdruck auf seinem Gesicht, der sie daran hinderte. Inzwischen waren Lila und Anne aufgestanden. „Du, Sel das tut mir leid, aber ich hab ein Date mit Jake...“ „Oh schon gut. Viel Spaß.“ Sel verließ das Zimmer, begleitet von Anne und steuerte auf die Haustür zu. Das komische Verhalten ihrer Freundinnen hatte sie schon fast wieder vergessen. Sie ging immer noch mit dem Gefühl von Verrat, den Louis an ihr begangen hatte, durch die, inzwischen dunklen, Straßen nach Hause. Ihre Mutter hatte sich bestimmt schreckliche Sorgen gemacht. Das tat sie ständig, wenn sie sich mit Louis traf. Sel hatte aber keine Ahnung wieso. Als sie das kleine Haus betrat in dem sie wohnte, stürmte ihre Mutter ihr sofort entgegen. „Wo warst du, Selene?“ „Bei Lila.“ Das war die Wahrheit. Dort war sie gewesen. „Wolltest du dich nicht Louis treffen?“ Ihre Mutter musterte sie durchdringend. „Er muss wohl bis Dienstag eine arbeit abgeben und wollte sie noch einmal überarbeiten.“ Das war eine Lüge. Selene lief es eiskalt den Rücken runter. Oh wie sie Lügen hasste! „Ich bin müde. Ich habe keinen Hunger.“ So schnell sie möglich machte sie sich auf den Weg nach oben in ihr Zimmer. Auf halbem Weg drehte sie sich noch einmal kurz um. „Gute Nacht, Mom!“ Ein ehrliches Lächeln zierte ihr Gesicht. Ihre Mutter erwiderte es. „Du auch.“ Sie drehte sich um und ging wieder in die Küche. Selene setzte ihren Weg in ihr Zimmer fort. Dort angekommen schlüpfte sie in ihren Schlafanzug und rollte sich unter ihrer Bettdecke zusammen. Ihr letzter Gedanke bevor sie einschlief, handelte jedoch nicht von Louis, sondern von Lila und Anne, die sich so komisch verhalten hatten, als sie aufgetaucht war. Auch fiel ihr wieder ein, dass Jake ja gar nicht da war. Er war mit seinem älteren Bruder übers Wochenende zum Angeln gefahren. Was sollte dann diese Ausrede? Selene dämmerte weg und wenig später war sie eingeschlafen... 31-08-2006 Nightville (Donnerstag) Sel rappelte sich auf und ging zum Fenster. Oh wie sich hasste. Sie hätte es ändern können, wäre sie aufmerksamer gewesen. Aber sie war es nicht und jetzt hasste sie sich dafür. Aber das war egal. Alles war egal geworden, als Oli ihr das Messer in den Bauch gestochen hatte. Ihre kalten, eisblauen Augen begannen rot zu glühen. Und jetzt war sie hier um ihre damals begangen Fehler auszulöschen. Während sie so in die dunkle Nacht starrte, wurde ihr bewusst, dass sie damals nicht nur blind und taub war, nein sie war auch noch naiv und dumm. Sie beschloss noch einen Spaziergang zum Friedhof zu machen. Dort war sie zu Hause. Dort würde sie Ruhe finden. Zumindest für eine Weile. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)