Seven years from now von Ninjagirl ================================================================================ Kapitel 6: Schritte; Schnitte ----------------------------- Die Story hat jetzt ein neues Cover :) Ein Fanart, das mir sehr gut gefällt. Einfach mal refresh drücken, falls ihr noch das alte seht Nebenbei vielen Dank an die Favoritennehmer. Ich liebe euch x3 --- You and me fall in line To be punished for unproven crimes And we know that there's no one we can trust Our ancient heroes They are turning to dust And these wars they can't be won Does anyone know or care how they begun? They just promise to go on and on and on But soon we will see There can be only one (Muse - United States of Eurasia) Sie spielten bis in die Nacht, Sageki legte immer wieder neue CDs ein und lieh sich am Ende zwei aus. Touya und Shindo zofften sich nicht. Das hatten sie in letzter Zeit überhaupt selten. Vielleicht war Shindo zu abgelenkt mit seinem Privatleben und er selbst zu sehr auf Wolke Sieben gefangen. Die zwei Tage lang hatte er überlegt, ob er Ayumi schon anrufen solle, doch sie nahm es ihm wie so vieles ab. Früh um neun klingelte sein Handy, als er gerade auf dem Weg zu einer neuerlichen Partie war. "Hallo?" ging er heran, während er gerade seine Autoschlüssel aus der hinteren Tasche seiner Hose fischte. "Hallo, Touya-san" meldete sich Ayumis Stimme, die wie ein Windspiel klang. Er lächelte und merkte, wie etwas Anspannung aus seinen Schultern floss. "Ich habe heute ein Meeting in der Nähe des Go-Instituts und dachte, wir könnten vielleicht zusammen Mittag essen gehen." Touya lächelte glücklich in sich hinein. "Gern, ich bin ab eins frei", erwiderte er. Eher sogar, wenn er seinen Gegner vernichtete. Er musste zugeben, dass er in letzter Zeit nicht mehr alle Partien wirklich ernst nahm, meist reichte ein Minimum an Kraft, um seine Gegner zu besiegen – warum also alles geben? "Klasse, dann warte ich vor dem Institut auf sie. Bis dann", flötete sie fröhlich und legte auf. Er sah noch eine Weile sein Handy an, als wolle er ihm danken, dann steckte er es ein und die Schlüssel ins Zündschloss. Er startete den Wagen und fuhr an. Dann hielt er wieder. Irgendetwas war komisch. Sein Wagen klang seltsam. Er fuhr sein Fenster herunter, um besser hören zu können, dann fuhr er wieder an, diesmal langsamer. Seine Reifen quietschten lauter als sonst. Er hielt wieder an und schaltete den Motor aus. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen öffnete er die Fahrertür und stieg aus. Er schlug die Tür zu und sah es sofort: seine Reifen waren platt. Alle vier. Touya verschränkte die Hände an seinem Hinterkopf und starrte fassungslos seine luftlosen Reifen an. War das ein Streich gewesen? Schon wieder? Er beugte sich zum ersten Reifen hinunter und musste nicht lang suchen. Er sah einen geraden Schnitt, vielleicht fünf Zentimeter lang. Würden Jugendliche wirklich vier Reifen an einem Auto zerschneiden und dann – soweit er das beurteilen konnte – einfach abhauen, ohne die anderen Autos auch nur anzurühren? Er wollte nicht länger darüber nachdenken. Er stieg ein, fuhr die wenigen Meter, die er eben gefahren war, zurück in seine alte Parklücke und ging dann wieder ins Haus. Wütend nahm er immer zwei Stufen auf einmal. Warum er? Warum heute? Warum musste ihm etwas die Laune verderben, nachdem er gerade ein Date mit seiner Traumfrau vereinbart hatte? Oder sie mit ihm, aber das war ja auch egal. Mit viel heißer Luft im Bauch hämmerte er gegen Shindos Tür. Dann klingelte er. Dann hämmerte er wieder, weil es ihm viel zu lange dauerte. Erst sein fünftes Klingeln wurde schließlich belohnt, indem Shindo die Tür öffnete. Er sah zerzaust und müde aus, anscheinend hatte Touya ihn gerade aus dem Bett geholt. Offensichtlich hatte er nur ein Shirt aber keine Hose gefunden, so stand er in T-Shirt und Boxershorts im Türrahmen und sah sein Gegenüber mürrisch an. "Du musst mich fahren", knurrte Touya und bei seinem Ton sah Shindo überrascht auf. Er schien kurz zu überlegen, ob er widersprechen sollte. Er entschied sich dafür. "Ehrlich gesagt habe ich gerade jemanden da", meinte er und deutete vage in Richtung Schlafzimmer. "Dann lass uns Schlüssel tauschen", erwiderte Touya und hielt ihm seinen Autoschlüssel vor die Nase. Shindo wirkte mehr als verwirrt, ging aber schließlich zurück in seine Wohnung, um auf Schlüsselsuche zu gehen. Nach einigen Minuten kam er zurück und überreichte Touya Schlüssel und Papiere. "Was ist denn los?" fragte er, doch Touya schüttelte nur den Kopf und meinte: "Sieh's dir nachher selbst an. Und fahr mit der Bahn zum Institut." Shindo verzog den Mund, musste dann allerdings gähnen. Er murmelte ein "Bis später dann" und schloss die Tür vor Touya. Dieser lief wieder auf den Parkplatz und brauchte nicht lange, um den roten Sportwagen zu entdecken, dessen Schlüssel er nun in der Hand hielt. Er stieg ein und ließ den Motor aufheulen, um sich etwas abzureagieren. Dann zischte er aus der Einfahrt und in den morgendlichen Verkehr. Wer auch immer seinen Wagen so zugerichtet hatte, im Moment wollte Touya ihn am liebsten brennen sehen. ~x~ Sein Gegner konnte einem wirklich Leid tun. Touya war ausgesprochen selten so schlecht gelaunt, dass er sein Go als Klinge nutzte, um seinen Kontrahenten zurechtzustutzen. Aber heute hatte er sich dafür entschieden. Er wollte nicht mit so viel negativer Energie auf Ayumi treffen, also ließ er seine ganze Anspannung in der Partie heraus. Nach etwa zwei Stunden gab sein Gegner schließlich auf. Es war ein junger 3-dan, der Touya sehr eingeschüchtert für die Partie dankte. So harte Spiele waren nicht üblich in der beginnenden Phase eines Titelturnieres, und dies hier war noch eine der Vorrunden für den Gosei. Touya dankte seinem Gegenüber und zog sich zurück. Er fuhr mit dem Fahrstuhl bis ganz oben und stellte sich an die Fensterwand, wo er versuchte, sich etwas zu sammeln. Sein Handy klingelte und Shindo war dran. Er hatte immer ein gutes Gespür dafür, wann Touyas Partien endeten. Er schnipste das Telefon auf und sofort kam ihm einer von Shindos Redeschwallen entgegen. "Oh mein Gott, Touya! Was hast du dir da nur wieder eingebrockt?! Langsam glaube ich, du ziehst das Unheil an, vielleicht liegt es an deinen pinken Glückssocken, die eigentlich Unglückssocken sind!!" "Shindo", unterbrach er diesen. "Du bist der mit den Glückssocken, ich glaube nicht an so etwas." Nebenbei fragte er sich, ob Shindo wieder von seinem neu entdeckten Energy Drink genascht hatte, der ihn so hyperaktiv machte. "Wie auch immer." Man konnte das Augenverdrehen förmlich heraushören. "Ich habe die Werkstatt angerufen, die kümmern sich darum. In einer Stunde kommen sie hier vorbei, bist du dann wieder zu Hause?" Touya sah auf die Uhr. Es war noch nicht mal halb eins. Wenn er Ayumi um eins traf, wäre er unmöglich nach weniger als einer halben Stunde daheim. "Nein." "Hm... Also gut, dann gebe ich Yun deine Schlüssel und er wirft sie am Ende in deinen Briefkasten. Oder meinen, falls er Angst vor deinem hat, haha!" Touya fragte sich, wer Yun überhaupt war und warum ausgerechnet der auf seinen Wagen aufpassen sollte, aber er widersprach nicht. Wenn etwas schief ging, konnte er es zumindest auf Shindo schieben. "Wie lange bist du noch im Institut?" "Eine halbe Stunde etwa." "Okay, ich beeil mich, ich brauche die Schlüssel noch." Touya erklärte ihm, dass er die vorsichtshalber einem der Protokollanten geben würde, falls sie sich nicht mehr erwischten, dann dankte er Shindo und legte auf. Wenigstens war diese Angelegenheit bald geklärt. Die nächste halbe Stunde tigerte er auf dem obersten Stockwerk herum und sah immer wieder nervös aus dem Fenster. Was, wenn es zu regnen begann? Er hatte keinen Schirm und kein Auto und sie sollte doch nicht nass werden. Noch war keine Wolke am Himmel, aber das konnte doch ganz schnell gehen, oder? Zehn vor eins ging er schließlich nach unten und, nachdem er den Schlüssel wie versprochen bei jemandem hinterlegt hatte, nach draußen, wo er sie schon warten sah. "Ich hoffe, sie haben noch nicht zu lange gewartet", entschuldigte er sich und bot ihr seinen Arm. "Nein, habe ich nicht. Das wäre bei dem schönen Wetter aber auch nicht schlimm gewesen." Er führte sie nur wenige Straßen weiter in ein kleines, spanisch angehauchtes Restaurant, in dem er kurz vor seiner Partie einen Tisch reserviert hatte. Ein Tisch war besetzt durch ein Paar, zwei weitere durch Geschäftsmänner in Anzügen, zu denen Touya auch gut hätte zählen können. Damit war der Laden auch schon fast gefüllt. Sie nahmen an dem ihnen zugewiesenen Tisch Platz und bestellten gleich ihre Getränke. Obwohl Touya anfangs wieder so nervös war, dass er auf seiner Stirn kalten Schweiß spürte, legte sich dies bald, als Ayumi die Konversation aufnahm und ihm unbefangen von ihrem Meeting erzählte. Er stellte wieder einmal fest, wie wunderschön ihre glatten, langen Haare waren und wollte sie gerne mal anfassen, aber dafür war es eindeutig noch zu früh. Auch ihre Lippen, die er, wenn sie redete, fast unaufhörlich anstarrte, sahen göttlich aus. Voll und schön geschwungen, manchmal sah er beim Reden ihre geraden, hellen Zähne aufblitzen. Er wollte diese Frau für sich, keine Frage. Er wollte sie mehr als alles andere. ~x~ Auch Shindo hatte an diesem Tag im Rahmen des Gosei-Turniers eine Partie, die halb zwei begann. Als er sich am Empfangstresen erkundigte, wohin er zu gehen hatte – er bekam zwar einen Plan zugeschickt, aber zum Ende des Monats hin war der grundsätzlich unauffindbar – überreichte ihm der junge Mann dort gleich seine Autoschlüssel. Shindo schenkte ihm ein kurzes Lächeln und ging dann zum Fahrstuhl, der ihn in den dritten Stock brachte. Mittlerweile war er wirklich wach und das sogar ohne Kaffee oder andere Aufputschmittel. Als Touya ihn am Morgen aus dem Bett geklingelt und gehämmert hatte, hatte er gerade erst drei Stunden geschlafen, was seinem Date von letzter Nacht geschuldet war. Am liebsten wäre er danach sofort wieder in seinen komaähnlichen Schlaf gefallen, aber Touyas Verfassung hatte ihn so neugierig gemacht, dass er einfach hatte nachsehen müssen. Da Yun keine Probleme damit gehabt hatte, das tosende Geklingel zu überhören und weiterzuschlafen, hatte Shindo ihn einfach in der Wohnung im Bett gelassen und war in Jogginghose und übergeworfener Jacke auf den Parkplatz gestiefelt. Und das war der Moment, seit dem er wach war. An Touyas dunklem Sportwagen waren alle vier Reifen zerstochen worden. In diesem Moment ging ihm so einiges durch den Kopf. Zum einen, dass Touya wirklich an diesem Auto hing, dass sein Herz daran hing und er nun wahrscheinlich vor Wut kochen musste. Ihm kam auch in den Sinn, dass seine eigenen Reifen, die mitsamt dem Auto gerade in Touyas Besitz waren, hoffentlich ganz blieben. Und der Briefkasten fiel ihm wieder ein. Ob das die gleiche Person sein konnte? Aber wer tat so etwas, immerhin handelte es sich hier schon um Sachbeschädigung, und neue Reifen würden ein paar tausend Yen kosten. Trotzdem wirkte es wie ein Kinderstreich – denn welcher Erwachsene würde sich bitteschön in der Nacht auf einen Parkplatz schleichen, um die Reifen seines Feindes zu zerschneiden? Gut, er würde das vielleicht tun, aber das hatte er nicht. Und wer konnte Touya denn auch nicht leiden? Shindo hatte zwar kein gutes Gespür für die Gesamtheit der Pros im Institut, aber er hatte das Gefühl, Touya war höchstens gefürchtet, nicht aber verhasst. Erst als die Partie begann, konnte er das Gegrübel lassen und sich wieder konzentrieren. ~x~ Nachdem Shindo seine Partie gewonnen hatte nahm er schwungvoll die Treppen nach unten, fragte schnell am Empfang nach seinen nächsten Terminen – heute um sechs Kommentieren und am nächsten Tag um zehn die nächste Partie – und lief dann ins Parkhaus. Touya hatte den Wagen nah am Ausgang abgestellt und Shindo stellte zufrieden fest, dass der andere nichts im Auto verändert hatte, sogar Sitz und Spiegel waren gleich, was vielleicht auch daran lag, dass sie gleich groß waren. Er parkte leichthändig aus und fuhr hinaus in den Stadtverkehr. Bis zum Apartment brauchte er an guten Tagen nur zehn Minuten, heute etwas länger. Er stellte das Auto dort neben Touyas dunklen Wagen, der nun wieder betriebsbereit war und aussah, als sei nichts passiert. In seiner Wohnung erwartete ihn dann ein ziemlicher Schock. Der Blick in das Wohnzimmer offenbarte einen sauberen Boden und im ersten Augenblick dachte Shindo, er wäre ausgeraubt worden. Gerade, als er sich fragte, was Einbrecher mit seiner Unterwäsche wollten, kam Yun aus seiner Küche geschlurft, eine Schüssel Cornflakes in der Hand. "Hey", begrüßte ihn der junge Mann. "Ich hab mich mal bedient und hier im Gegenzug etwas entrümpelt. Was auf dem Boden lag, hab ich einfach mal weggeschmissen", meinte er mit einem Schulterzucken. Shindos Augen weiteten sich ungesund. Alles?! Yuns Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. "Mann, dein Gesicht! Keine Sorge, das Zeug hängt zum Trocknen im Schlafzimmer." "Puh", seufzte Shindo erleichtert, dann lächelte er. "Touya meinte, ich solle mir 'ne Putzfrau besorgen, aber wenn ich das so sehe, glaube ich, du solltest einfach öfter herkommen." Yun kam zu ihm und musste sich strecken, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. "Ich bezweifle, dass ich viel Lust aufs Aufräumen habe, wenn ich hier bin." Sie gingen zusammen ins Wohnzimmer, aus dem Shindo seinen Fernseher tönen hörte. Yun fläzte sich auf die Couch und kaute an seinen Cornflakes herum, bevor er wieder anfing, zu reden. "Warum leihst du deinem Nachbarn eigentlich dein Auto?" fragte er beiläufig und sah ihn neugierig an. "Du meinst Touya? Der ist nicht irgendein Nachbar. Wir kennen uns schon ewig und sehen uns täglich und... er ist einfach Touya. Das ist ganz normal bei uns." Der andere sah ihn einen Moment lang an und fragte dann: "Hattet ihr Sex?" Hätte Shindo etwas getrunken, dann hätte er sich jetzt garantiert verschluckt. "WAS?!" bekam er schließlich heraus. "Naja, ich dachte, er ist vielleicht der, von dem du erzählt hast, mit dem du das erste Mal –" "Ooooh – nein! Nein nein nein. Nein." Genug der Neins, dachte er genervt. "Touya hat... und ich... wir würden... er ist... argh. Also erstens: Nein. Zweitens: Er ist gerade hinter einer Frau her. Und drittens: Irgendwie habe ich ihn immer als geschlechtsloses Überwesen betrachtet. Also nein." Yun grinste nur in sich hinein und erwiderte nichts mehr. Nach etwa einer Stunde ging Yun. Sie hatten die Zeit noch für etwas anderes als Fernsehen genutzt. Der junge Mann war sehr angenehme Gesellschaft. Hong hatte Shindo eine Website für ihresgleichen gezeigt, auf der er diese Woche etwas gesurft und sich mit anderen Männern geschrieben hatte. Dabei war er unter anderem auf Yun gestoßen, mit dem er sich nach der Lerngruppe am Vorabend noch getroffen hatte. Obwohl er nicht einmal ein Foto hochgeladen hatte, stellte er fest, wie einfach es war, darüber andere Homo- oder Bisexuelle kennen zu lernen, die nur allzu bereit waren, sich für nur eine Nacht zu treffen. Es war auf jeden Fall viel einfacher, als Frauen abzuschleppen, weil viele der Kerle ebenfalls nach nichts Festem suchten. Gegen fünf wurde er beim Dösen auf der Couch gestört, als es an der Tür klingelte. Er trabte vor und öffnete, um wie schon am Morgen Touya zu sehen. Dieser hielt seinen eigenen Autoschlüssel in die Höhe, den er eben aus seinem hässlichen Briefkasten gefischt hatte. "Danke dafür, ich schulde dir was. Beziehungsweise diesem... wie auch immer er hieß. Danke jedenfalls." "Kein Problem", erwiderte Shindo und gähnte leise. "Ich richte es ihm aus. Wie war die Partie?" Touya überlegte kurz. "Frustabbauend." Sie lächelten sich an und der Ouza verabschiedete sich. Irgendwie sah er gar nicht mehr frustriert aus, dachte Shindo. Ob etwas passiert war? Sie mussten unbedingt mal wieder Go gegeneinander spielen, dann würde sich diese Frage schnell aufklären. ~x~ Am nächsten Tag hatte Shindo wieder eine Partie auf dem Weg zum Gosei. Er spielte gegen einen Jungen, der erst vor einem Jahr zum Pro aufgestiegen war. Aufgrund der fehlenden Erfahrung war er keine große Herausforderung, aber Shindo spielte sanft, um ihm nicht den Spaß zu nehmen. Er wusste noch gut, wie Sai ihn früher immer vernichtend geschlagen hatte, in seiner Insei-Zeit, und wie er dann immer an sich gezweifelt hatte. Nur weil man von einem starken Gegner dominiert wurde, hieß das nicht, dass man selbst nicht gut war. Nach der Partie ließ Shindo sich viel Zeit. Er trank noch einen Kaffee und blätterte in der ausgelegten Go Weekly, in der die Japan-Korea-Partien des Hokuto-Cups diskutiert wurden. Er wusste nicht, wie er sich die Zeit vertreiben sollte, denn er wollte noch nicht nach Hause. Am frühen Nachmittag sollte er mit irgendeinem hohen Tier aus irgendeiner großen Firma Shidougo spielen. Es war besser, nicht so genau zu wissen, um wen es sich handelte. Er saß gerade im Eingangsbereich auf einer Couch, als es etwas lauter wurde. "Kopf hoch", hörte er eine junge Stimme, die ihm bekannt vorkam. "Shindo Meijin war heute noch nett zu dir. Du hast doch wohl nicht erwartet, gegen einen Titelträger zu gewinnen?" Die Gruppe junger Pros bog um die Ecke, unter ihnen der Junge, den er gerade besiegt hatte, und neben ihm Sageki, wohl die ihm bekannte Stimme. Shindo schürzte die Lippen und beobachtete die Jungen. So war er damals auch gewesen, zwischen Isumi, Waya und Fukui. Manchmal vermisste er diese Zeit. Sagekis und sein Blick trafen sich plötzlich. Der Junge lächelte und winkte ihm zu. Dann entschied er sich dafür, herüberzukommen. "Shindo Meijin, herzlichen Glückwunsch zum Sieg." Shindo lächelte. Für einen Sieg in einer so frühen Wettkampfphase hatte er schon ewig keine Komplimente mehr bekommen. "Danke, Junge. Ich hoffe, dein Freund dort ist nicht zu enttäuscht", erwiderte er zwinkernd. "Keine Sorge, Satoru brauchte mal einen Dämpfer. Wenn ich meine Partie morgen gewinne, treffe ich in drei Tagen auf sie." "Dann viel Glück für morgen. Und ich verspreche, ernsthaft gegen dich zu spielen." Shindo grinste breit und Sageki verabschiedete sich, um zu den auf ihn wartenden Jungen zu laufen. Da würde er wohl gegen den Kleinen spielen, das könnte interessant werden. Die Zeit bis zu seiner Shidougo-Lektion verging nun viel schneller und auch die Stunde mit dem Klienten lief gut für ihn und sein 'Schüler' war ebenfalls sehr zufrieden mit ihm. Guter Dinge fuhr Shindo nach Hause. Touyas Wagen stand noch nicht auf dem Parkplatz, sonst hätte er sich wohl davon überzeugt, dass auch noch alles dran war. Man konnte ja nie wissen. Vermutlich hatte Touya einfach etwas Pech gehabt mit zwei blöden Streichen, die beide ihn getroffen hatten. Vielleicht brauchte er auch pinke Glückssocken. Obwohl Shindos Glückssocken gar nicht pink sondern türkis waren und er sie nur sehr selten trug, dachte er schmollend. Pfeifend lief er über den Parkplatz und betrat ihren Apartmentkomplex. Sein Blick streifte Touyas weißes Ungetüm von einem Briefkasten. Wann hatte er nochmal Geburtstag? Er brauchte unbedingt einen neuen, vielleicht war die Titelverteidigung ja eher dran oder so etwas. Gründe fand er eigentlich immer, den anderen zu beschenken. Noch während er darüber nachdachte bestieg er leichtfüßig die Treppenstufen, seine Schritte wurden allerdings immer langsamer beim Besteigen. Kurz bevor er Touyas Etage erreichte, hielt er an. Vor der Tür saß Sageki und schien zu schlafen. 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