Seven years from now von Ninjagirl ================================================================================ Kapitel 10: Haru ---------------- Haru hat jetzt auch einen Steckbrief :) ~x~ This means nothing to me 'Cause you are nothing to me And it means nothing to me That you blew this away 'Cause you could've been number one If you only found the time And you could've ruled the whole world If you had the chance You're still nothing to me And this is nothing to me And you don't know what you've done But I'll give you a clue (Muse - Uno) Obwohl es bereits zehn Uhr war, waren Sageki, Miyagi und Hikaru sofort zur Wohnung gekommen. Nun saßen sie vor dem Knirps, der vielleicht gerade elf Jahre alt war und sein Gesicht bis zur Nase im Anorak vergraben hatte. "Kennt ihr ihn?" fragte Touya die Jungs, die den Kleinen alle drei düster anstarrten. Sie schüttelten synchron den Kopf. "Also kein Insei", murmelte er. "Wie heißt du?" fragte Shindo den Jungen, längst nicht zum ersten Mal. Der schwieg weiter. "Warum hast du das angestellt?" Immer noch Schweigen. Shindo war schlecht gelaunt. Schließlich kniete er sich vor den Jungen, packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. Keiner hielt ihn auf. "Jetzt hör mal zu, du kleine Mistkröte! Was du da getan hast nennt man Sachbeschädigung. Du hast Kosten von mehreren Tausend Yen verursacht. Weißt du, wie viel Lackieren kostet?! Und neue Reifen? Wir werden deine Eltern informieren und sie werden jeden verdammten Yen zurückzahlen, das verspreche ich dir." Eine Träne rollte über die Wange in den Kragen des Kleinen und schließlich sagte er mit zittriger Stimme: "Er hat es verdient." Das stimmte Shindo nicht gerade versöhnlicher. "WAS HAT ER DIR DENN ANGETAN?!" Der Junge sprang auf und keifte nun endlich zurück. "NICHT MIR, ABER MEINEM BRUDER!" schrie er. Für seine Körpergröße konnte er erstaunlich laut brüllen. "Deinem Bruder?" fragte Touya und zog eine Augenbraue in die Höhe. "Wie war nochmal dein Name?" "Hisayoshi Haru", sagte er nach kurzer Pause. Touya überlegte. Hisayoshi läutete ein winziges Glöckchen in seinem Hinterkopf, aber er erinnerte sich nicht. Er sah seine drei Schüler an. Sageki hatte die Augenbrauen gehoben. Touya nickte ihm zu, damit er redete. Sageki flüsterte, vermutlich weil seine umspringende Stimme im Moment für unpassende Heiterkeit gesorgt hätte. "Hisayoshi... Hideki? Der vor drei Jahren zum Pro wurde?" Der Junge nickte mit gesenktem Kopf. "Ich habe vor einem halben Jahr oder so gegen ihn gespielt. Aber was soll ich ihm bitte getan haben, außer ihn besiegt zu haben?" fragte Touya, der langsam selbst die Geduld verlor. Shindo hatte sich mittlerweile wieder gesetzt und versuchte, sich zu beruhigen. Touya vermutete, dass er den Jungen als Ventil benutzte für den Schock, den er durch den Unfall seiner Mutter erlitten hatte. Aber er würde ihn nicht stoppen, Shindos Wohlergehen war ihm wichtiger als das des Jungen, der nun auch noch den Lack seines Wagens zerkratzt hatte. "Das kann man doch nicht spielen nennen", knirschte der Kleine wütend und funkelte Touya an. Was auch immer dieser verbrochen hatte, es schien den Jungen immer noch sauer zu machen. Trotzdem, der Ouza meinte, es wäre eine ganz normale Partie gewesen, er hatte nicht besonders schlecht gespielt, sonst würde er sich doch daran erinnern? "Ach ja?" hakte er schließlich nach. Alle anderen waren still und schienen ihm den Vortritt zu lassen. "Ja." Der Junge war stur, aber dann wollte er es doch loswerden. "Sie waren unnötig grausam. Sie haben ihn nicht einmal als Gegner betrachtet, Sie haben von Anfang an gar nicht gekämpft, weil Sie wussten, dass Sie gewinnen würden. Das war grässlich." Touya starrte ihn an. "Hat dein Bruder das gesagt?" "Er hat gar nichts gesagt." Die Stimme des Kleinen überschlug sich fast, weil er so schnell redete. "Aber jeder hat es gesehen, wie sie ihn gedemütigt haben! Das war... das war... unterste Schublade! Das Allerletzte!" Shindo sprang wieder auf. "Nun hör aber –" "Shindo Meijin." Touyas Stimme war schneidend. Der Meijin sah ihn verblüfft an und sie maßen sich einige Augenblicke, dann grinste Shindo schief und erwiderte: "Ihr Zeuge." Touya konnte sich nicht mehr genau an die Partie erinnern, was dafür sprach, dass er eben nicht anders gespielt hatte als sonst. Allerdings stimmte es schon, dass er bei einfachen Gegnern keine hundert Prozent gab... Darauf hatte ihn aber noch nie jemand angesprochen, er hatte immer gedacht, dass selbst seine reduzierte Spielweise auf andere immer noch elitär wirkte. "Hast du das irgendjemanden sagen hören, Haru? Dass ich deinen Bruder bloßgestellt hätte?" "Ich war dort und habe die Partie gesehen." Touya betrachtete ihn wachsam. Wollte dieser Knirps etwa behaupten, er durchschaue Touya mehr als die anderen Besucher der Partien? Er wäre doch darauf angesprochen worden, wenn jemand dachte, er spiele nur mit seinen Gegnern. Das Institut sähe das sicher nicht gern. "Du bist kein Insei, woher kannst du Go spielen?" "Mein Bruder hat es mir gezeigt, vor einem Jahr." Touyas Mund war trocken. Ein Jahr und er durchschaute ihn schon. Sein Blick huschte zu Shindo. Dieser Junge, der da vor ihnen saß, könnte ein Genie sein. Er sah einen Schatten von Shindos jüngerem Selbst in dem Kleinen. Im nächsten Moment schon fasste er seinen Entschluss. "Wir werden deinen Eltern und deinem Bruder nichts sagen, aber dafür habe ich Bedingungen." Die anderen starrten ihn entsetzt an. Dieser Junge hatte ihm nun ein Vierteljahr das Leben schwer gemacht und er wollte ihn einfach so davonkommen lassen? Haru überlegte eine Weile. Seine Eltern müssten alles zurückzahlen. Sie waren nicht wohlhabend, aber es sollte reichen. Dann wüssten sie und Hideki davon und sein Bruder wäre vermutlich enttäuscht von ihm. Das wollte er auf keinen Fall. Nach einigen Minuten nickte er widerwillig. "Du legst die Insei-Prüfung ab und gehst zu dem nächsten Pro-Examen. Jeden Mittwoch wirst du hier erscheinen, und wenn du als Pro arbeitest, wirst du mir die Hälfte des Geldes, das ich deinetwegen ausgeben musste, zurückzahlen." Mittlerweile starrten Shindo und die Jungs ihn an, als hätte er gerade offenbart, eine außerirdische Lebensform auf der Suche nach Eiscreme zu sein. "Hast du sie noch alle?" stob Shindo auf. "Dieser Kerl ist kriminell, du solltest ihn zur Polizei bringen, stattdessen willst du einen Go-Spieler aus ihm machen? Was, wenn er beginnt, zu lügen oder die Leute im Institut zu bestehlen?" Haru schnaufte empört, aber es blieb ungehört, weil auch die anderen jetzt alle zugleich redeten. Es dauerte eine Weile, bis sie nach und nach verstummten. Touya ging nicht auf ihre Zweifel und Einwände ein. Er hatte seine Entscheidung gefällt. Wenn er so ein Talent sah, konnte er es nicht einfach vorübergehen lassen, er musste zugreifen. Er wollte diesen Jungen formen, wollte ihn zu einem grandiosen Go-Spieler machen. "Also, Haru? Soll ich deinen Eltern bescheid sagen, oder nimmst du meine Bedingungen an?" Der Junge kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. "Ich nehme an", murmelte er kleinlaut. Touya nickte. Er holte Zettel und Stift, die er dem Jungen reichte. "Gib mir deine Nummer." Haru zögerte wieder, tat dann aber wie geheißen. "In zwei Wochen findet die nächste Insei-Prüfung statt, ich werde wissen, ob du da warst. Mittwoch nächste Woche wirst du bei unserer Lerngruppe mitmachen. Und jetzt geh nach Hause." Haru vergrub wieder die Nase im Anorak, stand auf und ging ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück aus der Wohnung. Touya drehte sich zu seinen vier Gästen, die ihn nur befremdet ansahen. Shindo sagte nichts, sondern nahm seine Sachen und verließ kommentarlos die Wohnung. Auch die Jungs erhoben sich und gingen ohne viele Worte zum Eingang, um ihre Jacken zu holen und zu gehen. Sageki drehte sich noch einmal auf dem Absatz herum und sah ihn durchdringend an. "Ich weiß nicht, ob ich gemeinsam mit einem kleinen Verbrecher bei dir lernen möchte, Touya-sensei." Touya starrte ihnen nach, als sie schweigend die Treppe hinuntergingen. Er verstand nicht. Sahen sie denn nicht, dass dieser Junge aller Wahrscheinlichkeit nach ein großes Genie war? Dass er Touya übertreffen könnte? Warum war nur er so euphorisch, wenn er daran dachte, Haru zu lehren? Touya saß eine Weile grübelnd auf seinem Bett im Schlafzimmer, bis es an der Tür klingelte. Er überlegte, ob Shindo eventuell zurückgekommen war, um ihm noch einmal den Kopf zu waschen, aber Shindo klopfte normalerweise und klingelte nicht. Er öffnete und sah Ayumi vor sich. Überrascht bat er sie herein. Sie wirkte etwas außer Atem und schon bevor sie ihre Jacke abgelegt hatte, sprudelte sie los. "Shindo hat mich angerufen und meinte, ich solle mit dir reden. Ist etwas passiert? Du bist schließlich vorhin so überstürzt aufgebrochen." Touya lächelte und nahm sie liebevoll in den Arm. Er liebte diese Frau einfach. Er sog ihren angenehmen Geruch ein und leitete sie dann an der Hand ins Wohnzimmer. Er kochte ihr Tee, weil er wusste, wie schnell sie fror und dann warme Getränke mochte. Als er zurückkam saß sie angespannt auf der Kante seiner Ledercouch und erwartete ihn ungeduldig. Sie nahm die Tasse und schlang ihre schlanken Finger darum, ohne den Tee zu trinken. Touya seufzte. Er hoffte, dass sie ihn verstehen würde. "Wir haben den Jungen getroffen, der das mit dem Auto und dem Briefkasten angestellt hat." Sie hob die Augenbrauen und es sah einfach entzückend aus, dachte er bei sich. "Und der Scheibe und den Anrufen?" fragte sie und schürzte die Lippen. Sein Herz krampfte sich kurz zusammen, bevor es schneller schlug. Wie konnte eine Person nur so schön sein? Er war ihr einfach unrettbar verfallen. "Genau der." "Und wieso wollte Shindo jetzt, dass ich komme? Hast du ihm den Kopf abgerissen?" Er schüttelte den Kopf. "Ich möchte ihn als meinen Schüler aufnehmen." "Du möchtest WAS?!" Okay, jetzt sah sie vielleicht nicht mehr so liebreizend aus, aber selbst mit der kleinen Wutfalte zwischen den Augenbrauen war Ayumi immer noch wunderschön. In den fast zwei Monaten, die sie nun zusammen waren, hatten sie sich noch kein einziges Mal gestritten. Anders als mit Shindo, mit dem er sich ständig wegen Kleinigkeiten in die Haare kriegte, störte ihn an Ayumi nichts und sie gab ihm nie einen Grund, sich zu ärgern. Nun gab er ihr anscheinend einen Grund. "Entschuldige mal, aber dieser Junge hat dich terrorisiert! Er hat dein geliebtes Auto verschandelt und ich hatte schlaflose Nächte, weil ich Angst um dich hatte! Und das Erste, was dir einfällt, ist, ihn zu deinem Ziehsohn zu machen wie die anderen?" "Er hat außerordentliches Talent, ich kann ihn nicht ungefördert lassen, Ayumi." "Jetzt denk doch mal an etwas anderes als Go! Hier geht es um reale Werte!" Touya schluckte. Er wusste, dass er nicht erwarten konnte, dass sie seine Leidenschaft verstand. Er verstand ja auch nichts von ihrer. Es folgte eine zwei Stunden andauernde Diskussion, denn Streit konnte man es nicht nennen. Touya blieb ruhig und gefasst, während Ayumi mal außer sich und mal aufgelöst war. Er versuchte, ihr seine Begeisterung klarzumachen, aber sie wollte nicht hören. Realitätsfern nannte sie ihn, doch auch er wollte sich nicht umstimmen lassen. Sie diskutierten lange und ausdauernd, nicht nur über den Jungen, irgendwann ging es auch darum, wie Touya Go immer an die erste Stelle in seinem Leben stellte und Ayumi sich danach richten musste. Er wusste nicht, warum sie nicht sah, dass sie sein Ein und Alles war. Sie war wie ein Magnet für ihn, er musste einfach zu ihr. Wenn er sie sah, verschwand alles um sie herum, da gab es auch kein Go mehr in seinem Kopf, wieso erkannte sie das nicht? Er wurde sauer, weil sie seinen Standpunkt nicht verstand. Ihm war egal, was Haru bisher getan hatte, denn sein Talent schien so groß zu sein, dass es die ganze Go-Welt erschüttern würde – was machte da ein Briefkasten und ein Auto aus? Sie schrien nicht, aber sie warfen sich trotzdem alle möglichen Gemeinheiten an den Kopf, kühl und gelassen. Gegen eins waren sie schließlich erschöpft. Sie waren zu keinem Ergebnis gekommen, denn eigentlich war die Entscheidung längst getroffen und Touya ließ sich nicht reinreden. Ayumi war zwar nicht glücklich mit seinem Beschluss, aber er ließ sich nicht davon abbringen. Höchst unzufrieden verließ sie die Wohnung und lehnte das Angebot ab, von Touya gefahren zu werden. Als sie fort war schlurfte Touya wieder ins Schlafzimmer und ließ sich müde aufs Bett fallen. Anscheinend war er der Einzige, den sein neuer Fund freute. Sein Vater hätte es verstanden. Er hätte seine Entscheidung gutgeheißen, dachte Touya sehnsüchtig. Dabei hatte er wirklich erwartet, dass Shindo ihn unterstützen würde. ~x~ Zwei Tage später kam Shindo abends zu ihm. Er hatte auf dem Heimweg Huhn mitgebracht und kam damit gleich zu ihm. Touya hörte das Klopfen und lief mit dem Telefon in der Hand zur Tür. Er verabschiedete sich von seiner Freundin und öffnete. Der Ouza zog eine Augenbraue nach oben und sah Shindo abschätzend an. Der andere hatte ihn die letzten zwei Tage mit Ignorieren gestraft und sich nun offensichtlich eines Besseren besonnen. Der Meijin ging an ihm vorbei und in die Küche, wo er sich selbst Tee machte. Schweigend richtete Touya Teller mit ihrem Essen an, die er ins Wohnzimmer brachte und diesmal nicht vor das Goban stellte sondern auf den Couchtisch. Dann wartete er. Shindo ließ sich Zeit und kam nach einigen Minuten mit zwei Tassen, die er neben dem Essen abstellte. Er nahm sich weder eine der Tassen noch einen Teller sondern starrte nur auf den Tisch. Touya tat es schon leid, dass er nicht selbst auf den anderen zugegangen war. Dass Shindos Mutter verunglückt war hatte er in seinen Hinterkopf verdrängt, doch jetzt sah er es Shindo wieder an. "Meine Mama schläft noch immer", sagte Shindo plötzlich. "Aber sie ist jetzt stabil und nicht mehr in Lebensgefahr." Touya bekam gleich ein noch schlechteres Gewissen, weil er ursprünglich versprochen hatte, Shindo zu unterstützen. "Morgen... könnte ich mitkommen. Gegen Vier habe ich Zeit", murmelte er und sah auf seine Hände. Shindo versuchte sich an einem Lächeln, dann nahm er sich sichtbar ein Herz. "Tut mir Leid wegen meiner Reaktion... Ich verstehe ja, warum du das gemacht hast, aber... Ich habe mir auch Sorgen gemacht. Du warst es mir schuldig, das mit mir abzusprechen", nuschelte er undeutlich. Touya lächelte. Manchmal konnte Shindo unbewusst wirklich niedlich sein. Er zeigte selten, wie viel ihm wirklich an Touya lag, denn es war nicht nötig. Aber wenn er es tat, war der andere immer sehr froh. "Ist schon gut", meinte er schließlich, um Shindo aus seiner misslichen Lage zu befreien. Entschuldigungen waren nicht gerade seine Stärke. Als das aus dem Weg geräumt war, konnten sie endlich essen. Shindo machte sich hungrig über das Mitgebrachte her und trank zwischendurch vorsichtig seinen noch heißen Tee. Nach einer halben Stunde waren sie gesättigt und glücklich, aber noch nicht entspannt genug, um eine Partie zu spielen. Shindo spielte mit Touyas Handy herum und sie unterhielten sich. "Warum hast du übrigens Ayumi geschickt?" fragte der Ouza. Diese Frage hatte ihn beschäftigt, seit seine Freundin an dem Abend aufgetaucht war. Shindo zuckte die Schultern und sah weiter auf das Handy hinab. "Ich dachte, sie könnte dich vielleicht eher umstimmen", murmelte er abgelenkt. "Wirklich grandiose Idee, Shindo", erwiderte Touya augenrollend. "Dank dir hatten wir also unseren ersten Streit. Und es hat nichts geändert." "Tja, dann tust du für sie wohl doch nicht alles", meinte Shindo enttäuscht. Touya lächelte sanft. "Unter anderen Umständen vielleicht schon. Aber wenn es stimmt, was ich in Haru sehe, dann wird er unsere Größe erreichen. Du kannst nicht leugnen, dass es dir nicht auch in den Fingern juckt." "Vielleicht... Aber in der Go-Welt geht es nicht nur um Talent. Es geht auch um Ehre. Selbst wenn er normalerweise nicht kriminell ist – er war ein frecher kleiner Bengel, der uns angeschrien hat." Touya grinste breit. "So wie du damals, als Ogata-san dich doch noch in die Insei-Prüfung gesteckt hat?" Shindo wusste nichts zu erwidern. Früher war er ein unhöflicher kleiner Rüpel gewesen, jetzt sah man ihn als schelmischen jungen Mann. Natürlich hatte er etwas von seinem schlechten Benehmen auch abgelegt. Touya nahm ihm sein Handy ab und meinte: "À propos Haru, ich habe ihm gar nicht gesagt, wann er Mittwoch da sein soll." Er tippte schnell eine SMS und suchte dann nach Harus Namen im Adressbuch. Er hatte so viele Kontakte aus dem Institut, von der Presse und über seinen Vater, dass er eine Weile suchen musste. Harus Name stand nicht an der Stelle, an der er sein sollte. Der Ouza zog die Augenbrauen zusammen. Zwischen Go-Institut und Hikaru sollte er stehen, aber der Name fehlte. Er hörte, wie Shindo kicherte. Mit einem genervten Blick auf den anderen sah er seine Kontakte durch. "'Mistkröte'?" fragte er, als er den Eintrag fand. Shindo grinste breit und fröhlich. Touya sendete die SMS und änderte den Namen dann wieder zurück. "Du wirst ihn schon noch schätzen lernen", versprach er seinem Freund. "Spätestens, wenn er dir den Meijin nimmt." ~x~ Als er später am Tag Harus nicht gerade fröhliche Antwort erhielt, war der Absender 'Teufelsknirps'. Er verdrehte die Augen, obwohl Shindo nicht mit ihm im Institut war, dann änderte er den Namen wieder zu 'Haru'. Touya sah sich die Liste der laufenden Partien an, einige waren bei den Vorrunden des Tengen-Turniers, aber keine weckte sein besonderes Interesse. Stattdessen ging er in den Souvenirshop und sah sich etwas um. Shindo hatte in etwa einem Monat Geburtstag und er tat sich immer schwer damit, dem anderen etwas zu schenken. Die erste Titelverteidigung hatte er ausgelassen und auch an Weihnachten hatte Shindo nichts bekommen, während Touya geschätzte achtmal im Jahr zu noch so abwegigen Anlässen etwas geschenkt bekam. Er wusste, dass Shindo Fächer mochte, aber er hatte ihm schon zu den letzten zwei Geburtstagen einen besorgt. Ein Goban war eine noch überflüssigere Idee. Deprimiert zog er nach zwanzig Minuten wieder ab. Er hatte einfach keine Idee. Aber er hatte noch etwas Zeit, bis es soweit war. Vielleicht konnte Ayumi ihm weiterhelfen. Rastlos ging er aus dem Gebäude und auf die Straße, wo er seine Freundin anrief. Sie hatten sich gleich am Morgen nach ihrem Streit versöhnt. Er war zu ihr gefahren, weil er nicht hatte schlafen können und sie gebeten, ihm freie Hand zu lassen. Sie ging ran und begrüßte ihn matt. Seit Kurzem lief es nicht mehr so glatt in ihrem neuen Projekt und als Projektleiterin musste sie dafür geradestehen und wenn nötig Nachtschichten einlegen. Auch sie ließ sich da nicht reinreden. Er versuchte, sie etwas aufzumuntern und erzählte ihr von Harus neuen Spitznamen in seinem Telefon. Während er also gerade von Shindos neuem Lieblingsstreich erzählte kam Saeki mit langen Schritten an und passierte ihn ohne ein Wort. Shindo hatte angedeutet, was mit Saeki passiert war, vor allem, wie verstört er danach gewesen war. Touya hatte es Leid getan, aber andererseits war er Saeki fast dankbar, weil er der Grund war, wegen dem Shindo mit dem Rumschlafen aufgehört hatte. Nicht, dass er den Neid des früheren Schülers Morishita-senseis guthieß, und er wollte selbst nach dem Vorfall auch nichts mit dem Blonden zu tun haben, aber er hatte Shindo gezeigt, dass gemeinsame Nächte auch Negatives mit sich bringen konnten, auf einer ganz anderen Ebene als oberflächlicher Trauer und Vorwürfen. Ayumi merkte, dass er plötzlich abgelenkt war und meinte, sie müsse jetzt leider weiterarbeiten. Er verabschiedete sich und ging wieder ins Institut. Heute war wirklich alles wie verhext... Er langweilte sich wie sonst selten und niemand war da, um ihn zu unterhalten. Nicht einmal ein Reporter war im Gebäude, die konnten ihn sonst schon aus einem Kilometer Entfernung riechen! In Gedanken noch bei Shindo und Saeki schlenderte er die Gänge des Instituts entlang, beobachtete andere, die gerade Partien gegeneinander austrugen oder über das Spiel fachsimpelten, sah tobenden Kindern hinterher und warf einen Blick auf den Raum, in dem sonst die Inseis übten, die heute aber nicht da waren. Er war sich sicher, dass Haru die Prüfung bestehen würde, obwohl es schien, als würde er selten selbst spielen sondern eher Partien beobachten, ein bisschen wie Miyagi vielleicht. Er musste herausfinden, welcher der älteren Pros die neuen Anwärter testete, um sicherzugehen, dass Haru auch geprüft werden konnte. Die Frist für die Anmeldung war vermutlich längst wieder um. Shindo hatte sie damals auch versäumt, als er kurzfristig entschloss, Insei werden zu wollen. Langsam ging er weiter und sah den erst vor zwei Jahren eingerichteten Internetbereich des Instituts. Hier wurde Net-Go vorgestellt, aber die PCs mit Internetzugang konnten auch für andere Dinge genutzt werden. Er setzte sich an einen im hinteren Bereich, um nicht von Besuchern angesprochen zu werden. Dort rief er seinen Mailingdienst auf und sah nach, ob er Nachrichten bekommen hatte. Er las die wenigen und saß dann wieder gelangweilt vor dem Bildschirm und überlegte, was er tun konnte. Unstet wanderte sein Blick über den blendend hellen Bildschirm, bis er auf das Adressbuch fiel, das er kurzerhand öffnete und durchsuchte. Bei einem Namen hielt er inne. Ko Yongha. Kurz entschlossen schrieb er eine Mail nach Korea. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)