Seven years from now von Ninjagirl ================================================================================ Kapitel 13: Tengen ------------------ Konnte nicht widerstehen und habe einen Steckbrief für Panda angelegt :) Danke fürs dabei-bleiben und schonmal Entschuldigung für den Cliffhanger. ------------------------- "Come let the truth be shared No-one ever dared To break these endless lies Secretly she cries She burns like the sun And I can't look away And she'll burn our horizons make no mistake And I'll hide from the world Behind a broken frame And I'll burn forever I can't face the shame" (Muse - Sunburn) Touya lachte, als Shindo ihm von Pandas Zerstörungsaktion erzählte. Sie hatten eine Bar gefunden, in der Hunde erlaubt waren und diese als Zielpunkt des Abendspaziergangs gewählt. Shindo fiel auf, dass Touya in letzter Zeit nicht mehr so häufig gelacht hatte, aber das würde er schon ändern können. "Weißt du, Touya, vielleicht schenke ich dir auch einen Hund und setze ihn auf dein nerviges Ledersofa an!" grummelte er in seinen Bourbon. "Ich habe mir ein neues bestellt. Die Ledercouch bleibt aber auch." "Ach, endlich?" kommentierte Shindo die Eröffnung. Ein neues Sofa war anscheinend längst überfällig, dachte Touya. Er sah dabei zu, wie der Welpe an Shindos Schuh leckte, was diesen gar nicht zu stören schien. Trotz Startschwierigkeiten hatten sie sich offensichtlich zusammengerauft und Panda folgte Shindo treu auf Schritt und Tritt, wenn sie in der Wohnung waren. Touya als seinen Retter aus dem Tierheim schien er längst vergessen zu haben. Sie waren schon lange nicht mehr zu zweit in einer Bar gewesen. Das letzte Mal war mit Yongha und Hong Suyong in Korea gewesen und da hatte Shindo sowieso nur Augen für Hong gehabt. Endlich konnten sie mal wieder ausgiebig über die Go-Welt philosophieren und ihre Erfahrungen austauschen. Touya hatte allerdings nicht sonderlich viel erlebt. Am Vorabend hatte er spontan noch einen Termin als Kommentator bekommen und hatte dafür Ayumi absagen müssen, was diese nicht besonders prickelnd gefunden hatte. "Und was machst du jetzt mit ihm, wenn du tagsüber weg bist?" fragte Touya, während er unbewusst in seinem Rusty Nail rührte. Shindo zuckte die Schultern. "Zu manchen Partien kann ich ihn mitnehmen, aber wenn ich einen langen Tag habe, ist das unmöglich. Vielleicht bringe ich ihn zu Yun. Von den Kindern ist keines allergisch und sie mochten Panda allesamt." Er beugte sich etwas zu Touya vor. "Ich muss jetzt übrigens aufräumen, weil der kleine Vielfraß schon an zwei Shirts und einer Boxershorts rumgekaut hat, die herumgelegen haben. Super, Touya, ich habe dich durchschaut!" Touya musste wieder lachen. Er war heute bester Laune, auch weil er gerne mit Shindo sprach. In zwei Wochen würden sie wissen, ob Shindo der Tengen-Herausforderer war. Mittlerweile war Kurata ausgeschieden, von den gefährlichen Pros war nur noch Ogata übrig. Touya wurde immer unruhiger, je näher der Zeitpunkt kam, an dem er seinen Titel verteidigen musste. Er fragte sich, ob sein Vater sich auch so gefühlt hatte. Dabei hatte er noch mehr Titel gehabt, um die er zu bangen hatte. "Hmm", murmelte Shindo. "Wenn das nächste Titelmatch schon so bald ist, sollte ich vielleicht wieder nach einem Geschenk suchen", meinte er grinsend. Der letzte Anlass war wirklich schon zu lange her. "Willst du vielleicht auch einen Hund?" Touya lächelte und schüttelte den Kopf, dann nippte er an seinem Drink. Shindo hatte für ihn bestellt und keine schlechte Wahl getroffen. "Hast du irgendeinen Wunsch?" "Du musst mir nichts schenken. Es ist nur ein Titel und gut möglich, dass du ihn gewinnst." Shindo rollte die Augen. "Entschuldige mal, Touya, es ist nicht nur ein Titel – immerhin ist es dein Lieblingstitel", ärgerte Shindo ihn grinsend. "Und ganz ehrlich – du willst deiner Freundin einen Antrag machen – als ob ich dich da schlagen könnte, du wirst in Topform sein." "Gib nicht schon auf", murmelte er nur. Shindo hob Panda hoch, weil dieser gerade anfing, an seinem Schuh herumzukauen. Er setzte ihn auf die Bank neben sich, wo der Welpe sich zusammenrollte. "Ich schreibe mir seit einer Weile Mails mit Ko Yongha", erzählte Touya. Shindo zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Ach ja, ihr habt ja plötzlich entdeckt, dass ihr auf einer Wellenlänge seid, nicht wahr? Hast du das nicht so gesagt?" "Oh, das denke ich immer noch, keine Sorge. Weißt du, dass er verlobt ist?" "Er hat es mal erwähnt." "Ich glaube, sie planen langsam die Hochzeit. In einem halben Jahr oder so, ich weiß nicht mehr genau." "Alle heiraten und verloben sich – und ich kriege einen Hund. Ganz großes Kino." Shindo klang etwas bitter, aber Touya bezweifelte, dass eine Hochzeit wirklich das war, was Shindo wollte. Trotzdem wollte er in der kommenden Woche helfen, Ayumis Verlobungsring auszusuchen. Yongha hatte dem Ouza geschrieben, er und Shindo seien auch eingeplant für die Hochzeit, aber er hatte Touya auch eingeladen, ihn vorher mal zu besuchen, damit er die Glückliche kennenlernen konnte. Shindo hatte er nicht erwähnt. Im neuen Jahr, wenn seine Titel gesichert waren und keine großen Events anstanden, plante er den Flug nach Korea, ohne Shindo. ~x~ Die nächste Woche war ziemlich anstrengend für Touya. Er besuchte alle Partien des Tengen-Turniers, die in seinem Zeitplan Platz fanden, um seine Gegner und auch Shindos momentane Verfassung einschätzen zu können. Dafür musste er Ayumi ab und zu absagen und konnte sie nur noch abends sehen. Shindo hatte sich für die Morgenspaziergänge ein junges Mädchen als Hundesitterin gesucht, das seinen Schlüssel hatte und ihn so nichtmal wecken musste. Panda hatte sich am Anfang zwar etwas störrisch angestellt und Shindo nicht verlassen wollen, aber mittlerweile nahm er den Spaziergang stoisch wie immer hin. Der Meijin lief dafür langsam zur Höchstform auf. Er schlug Ogata in der letzten Runde und brachte damit alle Augen in diesem Wettbewerb auf sich. Touya wusste, dass die Entscheidung nun so gut wie sicher war. Die Partie zwischen Ogata und Shindo war sensationell gewesen und er hatte gespannt im Publikum gesessen und zugesehen. Die wenige übrige Freizeit verbrachte er damit, von einem Internet-PC des Instituts aus Mails an Yongha zu schreiben. In dieser Woche schaffte es Touya nicht mal, den Verlobungsring zu kaufen, ständig kam irgendetwas dazwischen oder Shindo hatte keine Zeit. Ganz auf sein eigenes Urteilsvermögen wollte er sich aber auch nicht verlassen, denn Shindo sagte ja so gern, dass er keinen Geschmack habe. Das Meijin-Turnier hatte begonnen; die ersten Vorrunden sollten allzu ungeeignete Teilnehmer aussieben. Von den Jungen bestand jeder außer Satoru. Haru schien sehr neidisch auf die anderen zu sein, die bereits in großen Wettkämpfen mitspielen konnten, während er längst Vierter in Gruppe Eins der Insei war und ständig gewann. Touya hatte Recht gehabt mit seiner Einschätzung des Kleinen. Er gewann sogar gegen Miyagi häufig; der schien irgendwie schwach gegen ihn zu sein, so wie Waya damals gegen Fuku, hatte Shindo mal gesagt. In der Woche darauf fanden die letzten Partien auf dem Weg zum Tengen statt und Shindo gewann sie am Donnerstag, obwohl er am Vorabend noch lange bei Touya und der Lerngruppe geblieben war. Er war eben durch und durch Profi, hatte er grinsend zu Touya gemeint, doch dieser wusste, dass Shindo seinem letzten Gegner technisch überlegen gewesen war. Die Entscheidung stand also: Shindo war der Anwärter auf den Tengen-Titel und bereits in der nächsten Ausgabe von Go Weekly kamen wildeste Spekulationen, was das für ihre Freundschaft bedeuten würde. Beide akzeptierten in dieser Woche keine Interview-Anfragen, um das Feuer nicht auch noch anzufachen. Stattdessen gingen sie am Freitag gemeinsam den Ring kaufen. Touya wählte einen schmalen Goldring mit durchsichtigem Stein und Shindo war einverstanden. Es ging so schnell, dass sie nach weniger als zehn Minuten wieder aus dem Laden raus waren und sich dann in eine Bar verzogen, die schön weit vom Institut entfernt war, damit ihnen nicht wieder Reporter auflauerten. "Es ist dir also wirklich ernst", lächelte Shindo in seinen Drink, als sie bereits eine Weile in der Bar saßen. Diesmal hatte Touya sich nur einen Kaffee bestellt, Shindo blieb bei Bourbon. Er drehte die Tasse zwischen den Fingern und beobachtete, wie die Linien der Milch sich verzerrten. "Ich schätze schon. In einer Woche spiele ich gegen dich, danach soll es soweit sein." "Das wäre die letzte Chance, mein Angebot noch anzunehmen", grinste Shindo scherzhaft und nahm noch einen Schluck. Touya verdrehte die Augen. "Bisher fanden es alle gut", behauptete der Meijin. Touya schüttelte nur den Kopf und beließ es dabei. Er würde ihn nicht an Saeki erinnern, den hatte er schon zu oft als Trumpfkarte ausgespielt. "Das wäre Fremdgehen für mich, Shindo. So ein Mensch bin ich nicht." "Nein", bestätigte dieser. "Ich weiß. Fragst du sie gleich am Donnerstag, wenn alle Partien durch sind?" "Freitag soll es sein." "Mach dir keine Sorgen, sie kann nur Ja sagen." Am Tag darauf begannen ihre Partien. Früh um zehn, damit hatte Touya schonmal einen beträchtlichen Vorteil. Diesmal fuhren sie nicht gemeinsam zum Institut. Touya war wie immer viel früher da und wartete nervös im obersten Stockwerk, von wo er die Menschen, die die Straßen entlangeilten, nur als schwarze Punkte wahrnahm. Sageki fand ihn dort zehn Minuten vor Beginn und gesellte sich zu ihm. "Hast du heute eine Partie?" fragte Touya verwundert. Sageki schüttelte den Kopf. "Ich bin gekommen, um dich spielen zu sehen. Die anderen sind auch da. Da unten ist ein riesiger Trubel, sie mussten einen zweiten Raum freimachen und noch schnell Ashiwara-sensei anrufen, damit in jedem Raum die Partie erläutert wird. Stühle sind auch noch nicht genug da. Shindo-sans ganzer Fanclub ist angereist, es wimmelt nur so von Reportern und alten Männern und so ziemlich jeder namhafte Pro ist hier, um euch zu sehen." Touya vergrub die Hände in den Taschen seiner Anzughose und seufzte. Das hätte Sageki ihm besser nicht erzählt. Von hier oben hatte er nichts davon mitbekommen. Gut möglich, dass sich mehr Köpfe da unten tummelten als an anderen Tagen. Er legte Sageki eine Hand auf die Schulter und leitete ihn dann zum Fahrstuhl. In fünf Minuten begann die Partie. Im richtigen Stockwerk angekommen ging Touya ohne ein weiteres Wort in den Yugen no ma, der Raum für Titelpartien, wo er von den Menschenmengen abgeschottet war. Zu seiner Überraschung war Shindo bereits dort. Er setzte sich dem Meijin gegenüber und sie warfen sich ein verstohlenes Lächeln zu. "Wo ist Panda?" fragte Touya. "Ich habe ihn zu Yun gebracht. Hier ist einfach zu viel los für ihn... Heute ist der große Tag, hm? Alles oder nichts." "Jep, alles oder nichts", murmelte Touya. Um so viel ging es ihm eigentlich gar nicht. Würde er den Titel verlieren, würde er Ayumi trotzdem den Antrag machen, auf das Geld war er auch nicht angewiesen, er konnte also ganz ruhig an die Partien rangehen. Bis zu fünf Spiele sollten es werden, wenn nicht einer von ihnen vorher schon drei gewann. Die letzten fünf Minuten vergingen wie im Flug und schließlich ließ die Protokollantin sie anfangen. Shindo ließ sich zehn Minuten Zeit für seinen ersten Zug. Es erinnerte Touya ein bisschen daran, wie Shindo damals gegen seinen Vater dreißig Minuten bis zum ersten Stein gebraucht hatte. An dem Tag hatte es zu schneien begonnen, das wusste er immer noch, obwohl es ihm wie zu einer anderen Zeit vorkam. Er war jetzt ein ganz anderer Mensch. Sein Leben drehte sich nicht mehr nur noch um Go und Shindo. Es wurde ein hitziges Gefecht. Je weiter sie hineingerieten, desto lauter knallten die Steine, desto ernster wurden ihre Gesichter. Auch wenn Shindo privat ein Lotterleben führte – beim Go war auch er ein ganz anderer Mensch. Er war erwachsen und stark und traf genau die richtigen Entscheidungen. Drei Stunden nach Beginn, etwa zur Hälfte der Partie, begann Touya, wie verrückt zu schwitzen. Ständig musste er sich Hände und Stirn abwischen, Schweiß brannte ihm in den Augen, dabei war das Zimmer kühl gehalten. Shindo zeigte keine Anzeichen von Nervosität. Ging es nur Touya so? Anscheinend konnte er sich nicht mehr einreden, für ihn stehe nichts auf dem Spiel. Wenn er den Titel verlor, würde auch seine Entscheidung, Ayumi den Ring anzustecken, ins Schwanken geraten. Er musste gewinnen. Von da an wurde Touya immer stärker. Shindo gab noch vor der Endphase auf, er hatte genau berechnet, dass er bereits verloren hatte. Da sie sich eigentlich so viel Zeit nehmen konnten, wie sie wollten, war es etwas unüblich, ein Titelmatch an einem Tag durchzuspielen, selbst wenn noch so viele folgten. Aber Shindo und Touya hatten von vornherein im Institut angefragt, ob die Partien für je einen Tag angesetzt werden könnten. Sie kannten ihre Spielweisen, beide mochten es nicht, ewig auf den Ausgang zu warten. Touya ging sofort. Er nickte den Gratulanten nur höflich zu, die Jungs kamen gar nicht durch bis zu ihm, aber er sah, wie sie grinsend winkten. Haru streckte ihm einen Daumen entgegen und grinste frech, Touya lächelte zurück. Dann ging er schnellen Schrittes zum Parkhaus und fuhr zu seinem Apartment. Sogar dort wartete ein Reporter auf ihn, der anscheinend schon informiert worden war, wie die Partie ausgegangen war. Touya seufzte, nachdem er den Mann abgeschüttelt hatte. Erst in seiner Wohnung hatte er endlich die Ruhe, die er wollte. Das konnte eine anstrengende Woche werden. ~x~ Das wurde sie tatsächlich. Am Samstag, dem Tag der ersten Partie, hatte er Ayumi nicht mehr sehen können, weil er nicht wollte, dass sie von dem Reporter, der den ganzen Tag lang auf dem Parkplatz vor dem Gebäude herumlungerte, belästigt wurde. "Wann sehe ich dich dann überhaupt mal wieder, Akira?" klagte sie am Telefon. Sie klang nicht besonders glücklich. "Nächsten Freitag müssen wir unbedingt reden", versprach er ihr. Freitag, der Antrag. "Das heißt, wir sehen uns jetzt eine Woche lang nicht?" Sie schniefte leise und Touya hoffte, dass er sie nicht zum Weinen gebracht hatte. "Nur, bis die Partien vorbei sind." Er wollte doch nur nicht, dass sie in Schwierigkeiten geriet wegen seinem Beruf, aber anscheinend verstand sie das nicht. Er hatte einfach Sorge um sie, noch dazu wollte er sie nicht ins Rampenlicht der Medien zerren, sondern sie genau davor beschützen. Am Montag fand ihre Partie erst um zwölf statt, Shindo hatte Panda vorher im Kindergarten abgeliefert, aber das war auch das Einzige, was sich geändert hatte, denn er verlor wieder, diesmal sogar noch schneller. Es waren nicht ganz so viele Zuschauer wie am Samstag da, aber in einen Raum passten sie immer noch nicht alle hinein. Am Dienstag fuhren sie gemeinsam zur Partie, die wieder mittags begann. Vorher kam Touya mit zum Kindergarten. Die Kinder kannten Panda offensichtlich schon gut und nahmen ihn freudig in ihre Mitte. Yun begrüßte Touya fröhlich und nahm seine Hände, um ihm zur baldigen Verlobung zu gratulieren. Touya hoffte, dass Shindo nicht unbedingt jedem von dieser Sache erzählte, denn dann würde es nicht lange dauern, bis Ayumi selbst auch davon wusste. Im Institut waren am Dienstag immer noch genauso viele Besucher wie am Vortag. Wenn Touya heute gewann, war die Entscheidung durch und es würden keine weiteren Partien folgen. Das wussten sie beide, und gerade deshalb bäumte Shindo sich diesmal wirklich auf. Touya hatte keine Chance, Shindo zeigte seine wahre Stärke, die er nur unter Druck wirklich entfesseln konnte. Sie spielten zwar bis zum Ende, aber die Entscheidung war mit zweieinhalb Moku Abstand mehr als eindeutig. Danach verbrachten sie keine weitere Zeit zusammen. Shindo brachte Touya zum Apartment und fuhr dann noch zum Kindergarten; Touya war es ganz recht so. Er wollte diesen verdammten Titel behalten. Er hatte ihn nun schon drei Jahre, hatte ihn zweimal verteidigt; der Titel war ein Teil von ihm, so wie der 10-dan damals zu seinem Vater gehört hatte. Es war nicht der Titel, mit dem man ihn rief, aber er war trotzdem seiner gewesen. Er musste sich einfach beweisen, dass er das schaffen konnte, auch um sich selbst zu zeigen, dass sein Vater stolz auf ihn wäre. Touya hörte nach einer Weile, dass Shindo zurückkam, aber er wollte den anderen gerade nicht sehen. Natürlich fand er es fabelhaft, dass er diese wichtigen Partien ausgerechnet mit seinem langjährigen Gefährten bestreiten konnte, aber andererseits wollte er selbst an Shindo keinen Titel verlieren. Besonders nicht an Shindo. Es würde ihn stören. Das würde lange zwischen ihnen stehen. Shindo kam auch nicht nach unten. Anscheinend ging es ihm ganz ähnlich. Touya war aufgefallen, dass der Meijin sich schon länger nicht mehr mit einer Frau oder einem Mann getröstet hatte. Ob das an seinem Welpen lag? Vielleicht hielt er ihn einfach zu sehr in Atem, als dass er zu solchen Gelegenheiten kam. In zwei Tagen war die finale Entscheidung, das fünfte Match, wenn Shindo am nächsten Tag gewann. Wenn nicht, dann hatte Touya seinen Titel erfolgreich verteidigt. Zum dritten Mal infolge. Dann konnte er Ayumi mit gutem Gewissen die alles entscheidende Frage stellen. Am nächsten Morgen wartete Shindo schon auf dem Parkplatz auf ihn. "Touya Tengen", grüßte er. Er lächelte nicht, aber in seinen Augen saß wie immer der Schalk. Bei der Begrüßung wurde Touya sofort leichter ums Herz. Shindo würde ihm den Titel gönnen, wenn er ihn verteidigte. Im Auto versuchte Shindo weiter, Touyas Zweifel zu zerstreuen. "Weißt du, das Preisgeld für den Meijin ist höher als das für Ouza und Tengen zusammen. Kein Wunder, dass du dir zu meiner Titelverteidigung nie ein Geschenk für mich leisten kannst." Shindo grinste vor sich hin und Touya war ihm wirklich dankbar. Offensichtlich wollte der andere, dass er heute wirklich alles gab, ohne ihn zu schonen. Und genau das tat er. Touya legte alles in die Offensive; statt seine Areale zu sichern, griff er eher Shindos an und drängte ihn in die Ecken des Goban, bis Shindo nichts anderes tun konnte, als aufgeben. Er hatte einfach keine Wahl mehr, Touya war plötzlich übermächtig, weil er seine Sorgen um sein Gegenüber hinter sich gelassen hatte. Er hatte sich gelöst und war weiter aufgestiegen. Shindo sprang schnell über seinen Schatten. Er gab auf und fiel Touya dann in die Arme. "Du hast es geschafft", flüsterte er. "Jetzt ist sie dein. Herzlichen Glückwunsch, Touya Tengen." Er hielt Touya lange im Arm, bis sich einer der Protokollanten räusperte, der mit einem enormen Blumenstrauß bereitstand. Schließlich ließ der Meijin von ihm ab und gab ihn frei, damit auch andere gratulieren konnten. Touya nahm die Blumen und schon kamen die ersten Leute hereingeströmt, die nicht länger vor der Tür warten wollten. Ashiwara, der wieder kommentiert hatte, kam zu ihm und auch Saeki war in der Menge, die seine Hand schüttelte oder sich vor ihm verbeugte. Sogar zwei Mädchen aus Shindos Fanclub gratulierten ihm, obwohl sie nicht besonders glücklich dabei aussahen. Bereitwillig gab er den Reportern ein paar Sätze als Kommentar und versprach ihnen ein Interview in einer Woche. Nach einer ganzen Weile hatten es auch die Jungen geschafft, sich zu ihm durchzuschlagen. Sageki umarmte ihn fröhlich und bat ihn um ein Autogramm auf einem kleinen weißen Go-Stein. Touya unterschrieb mit 'Tengen'. "Um eure Stunden heute Abend kommt ihr aber nicht herum", drohte Touya und die Jungen sahen ihn überrascht an. Sie hatten erwartet, er würde die Lerngruppe an diesem Abend ausfallen lassen, um sich von den Partien zu erholen. Ganz falsch lagen sie damit nicht. Als sie am Abend ankamen, standen keine Goban bereit, stattdessen waren da nur Shindo und Touya, letzterer ungewohnt leger gekleidet. "Wir gehen aus. Ich lade euch alle zum Essen ein", eröffnete er der kleinen Gruppe und so zogen sie los. Ayumi schickte ihm an dem Abend noch eine SMS, um zu gratulieren. Er wusste nicht, was er antworten sollte, also schrieb er gar nichts. Zwei Tage waren es nur noch, bis er den großen Schritt wagen wollte. Er feierte an diesem Abend sehr ausgiebig. Obwohl zwei der Jungen am nächsten Morgen Termine im Institut hatten, tranken sie auf sein Wohl. Shindo schenkte ihm einen Band mit Kifu vergangener Tengen-Turniere, den Touya dankbar entgegennahm. Mal wieder hatte sein Freund eine sehr gute Wahl getroffen. Sie waren zuerst in einem Restaurant und zogen dann durch verschiedene Bars. Shindo schaffte es nicht, ihn dazu zu überreden, in einen Club zu gehen; selbst, als Touya bereits die Straßen entlang torkelte – da hatten die Jungs allerdings schon aufgegeben, diesen denkwürdigen Anblick verpassten sie also – lehnte er das immer noch ab. Sie nahmen sich zu zweit ein Taxi und Shindo musste den schwankenden Touya stützen. Er nahm ihn hoch in seine Wohnung, weil Touya seinen Schlüssel nicht mehr fand und Shindo ihm nicht an die Hose gehen wollte. Touya verbrachte die Nacht in Shindos Bett, während der Meijin auf dem Sofa bei laufendem Fernseher schlief. Panda hatte er wohlweislich nicht mehr von Yun abgeholt. Weil das Tengen-Turnier sich bereits frühzeitig entschieden hatte mussten sie am nächsten Tag nicht ins Institut. Touya verbrachte fast den ganzen Tag in Shindos Bett, absolut verkatert, und Shindo kümmerte sich rührend um ihn. Er war froh, Ayumi für den Vorabend nicht eingeladen zu haben, denn so sollte sie ihn auf keinen Fall sehen. Zwischendurch holte Shindo seinen Welpen von Yun ab und besorgte einen Rosenstrauß für Touyas Vorhaben am nächsten Tag. Am Abend ging es Touya schließlich gut genug, um das Bett zu verlassen, aber er wollte bei Shindo bleiben. Also hockte er sich auf die Couch, in eine Decke gewickelt. Panda lag neben ihm und winselte ab und zu, um gestreichelt zu werden. Er schrieb Ayumi eine SMS, um ihr mitzuteilen, wann er am nächsten Tag da sein würde. Später sah er sich mit Shindo einen Film an und ergab sich seiner Nervosität, obwohl der andere ihm immer wieder einschärfte, dass er nichts zu befürchten hatte. Aber so einen Antrag machte man nunmal nicht alle Tage. ~x~ Der große Tag war nach ewig erscheinendem Warten endlich gekommen. Freitag. Heute sollte als der Tag von Touyas und Ayumis Verlobung in die Geschichtsbücher eingehen. Nunja, sofern es die Geschichtsschreiber scherte. Touya war weg und Shindo wartete nervös in der Wohnung. War es überhaupt möglich, dass sie Nein sagte? Touya war ein verknallter Idiot, aber welche Frau würde einen Mann abweisen, nur weil der sie zu sehr liebte? Trotzdem blieb eine Restsorge übrig, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Er war bereits eine halbe Stunde mit Panda rausgegangen, war aber schnell wieder nach Hause gelaufen, um auch ja den wichtigen Anruf, der ja sicher folgen würde, nicht zu verpassen. Er rechnete herum. Um sechs war Touya losgefahren, bei Feierabendverkehr war er also vielleicht halb sieben bei Ayumi. Jetzt war es um sieben. Wie lange dauerte so ein Antrag? Ob sie danach Sex hatten? Dann würde er sich wohl noch länger gedulden müssen, bis er die frohe Kunde hörte. Er hatte Sekt kaltgestellt, falls Touya am nächsten Tag oder noch in der Nacht feiern wollte. Shindo schritt seine Wohnung auf und ab. Mit Flur und Wohnzimmer kam er auf eine Lauffläche von vielleicht zehn Metern, wie oft war er die nun schon entlanggegangen? Und warum verdammt nochmal wollte er plötzlich so viel rechnen? Das war noch nie seine Stärke gewesen. Er spielte etwas mit Panda, bis es fast halb acht war. Dann ging er in die Küche und sah sich um. Essen konnte er jetzt unmöglich. Aber ein Tee würde ihn vielleicht beruhigen. Er machte sich gleich eine große Kanne, nur um sicherzugehen. Als er das Wasser in die Kanne goss und zusah, wie es sich dunkler färbte, merkte Shindo, dass er immer ruhiger wurde. Es klopfte. Damit war es vorbei mit seiner Ruhe. Shindo blickte auf. Es war halb acht. Waren sie schon fertig? Ohne weiter nachzudenken schoss er aus der Küche um die Ecke und riss die Tür auf. Da stand Touya, in seiner Hand das Kästchen mit dem Ring. Er weinte stumm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)